Meersicht und Krabben à discrétion - David Bittner

 
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Meersicht und Krabben à discrétion - David Bittner
WESTKANADA

    SEGELABENTEUER AN DER KÜSTE VON BRITISH COLUMBIA

    Meersicht
    und Krabben
    à discrétion
    Bärenexperte David Bittner einmal ganz anders. Auf seiner Hochzeitsreise segelt er mit seiner Frau
    Cecile und Baby Leonie während zweieinhalb Monaten der Küste von British Columbia entlang. Ohne
    Hochsee-Erfahrung meistern die Segelanfänger stürmische Herausforderungen, erleben aber auch un-
    vergessliche, ruhigere Momente beim Beobachten von Orcas und beim Fischen in einsamen Buchten.

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Meersicht und Krabben à discrétion - David Bittner
WESTKANADA

         GERADE MAL DREI TAGE VOR DEM ABFLUG
     NACH KANADA HATTE ICH IN DER
       SCHWEIZ DIE SEGELPRÜFUNG BESTANDEN.

     W
                                      as haben wir uns         Unsere vier Monate alte Tochter Leonie hat      uns auf die Idee einer Segelreise an der West-
                                      da bloss einge-      die ganze Aufregung zum Glück nicht mitbe-          küste Kanadas gebracht. Sie hat mit ihrem ka-
                                      brockt?» Nicht       kommen. Friedlich hat sie unter Deck in ihrem       nadischen Mann Raine und den beiden Kin-
                                      zum ersten Mal       Babybett geschlafen und sich einmal mehr als        dern Willow und Cody auf Texada, einer Insel
                                      auf    unserer       perfekte kleine Seefahrerin erwiesen. Die Wel-      an der «Sunshine Coast» von B.C., in einem
                                     Reise schiesst        len machen ihr überhaupt nichts aus. Im Ge-         wunderschönen Holzhaus ihr neues Zuhause
                                      mir diese Frage      genteil – das Schaukeln gefällt ihr meist ausser-   gefunden. Als Gegenleistung für die finanziel-
     durch den Kopf, als ich kopfüber über der Re-         ordentlich gut. Ein Glück – ein weinendes Baby      le Unterstützung, die ich beim Hauskauf leis-
     ling der Standfast, unseres Segelbootes, hänge        hätte uns während der Motorenpanne gerade           tete, boten sie uns eine Partnerschaft an ihrem
     und im hohen Wellengang versuche, den Er-             noch gefehlt. Jetzt ist sie wach und strahlt uns    60-jährigen Segelboot an. Sie hatten die Stand-
     satzmotor in Gang zu bringen. Wieder einmal           an, während Cecile sie für unseren Landausflug      fast von Raines Eltern übernommen. Nachdem
     hat der alte Dieselmotor unseres Boots den            bereit macht.                                       ich auf meinen Bärenreisen die Küste Alaskas
     Geist aufgegeben – unglücklicherweise genau                                                               hauptsächlich mit dem Seekajak erkundet hat-
     bei der Einfahrt in die enge Bucht von Kelsey         Grossputz. Ganz so abenteuerlich hatte ich          te, gefiel mir und auch Cecile die Idee einer Se-
     Bay auf Vancouver Island. Zudem driften wir           mir den Segeltrip nicht vorgestellt, als die Idee   gelreise ausserordentlich gut.
     im starken Wind gefährlich nahe an die felsige        vor ein paar Monaten zum ersten Mal im Raum              Im Mai war es dann so weit. Frisch verhei-
     Küste. Also heisst es, in Windeseile den Aus-         stand. Meine Schwester Katrin, die schon seit       ratet und als junge Eltern der drei Monate alten
     senmotor unseres Beibootes, den wir dank ei-          einiger Zeit in British Columbia (B.C.) lebt, hat   Leonie machten wir uns auf die Reise. Nur ge-
     ner speziellen Vorrichtung als Ersatzmotor
     verwenden können, ins Wasser zu lassen.
     Kein einfaches Unterfangen. Der Motor ist
     schwer, das Boot schwankt stark. Ich muss
     mich weit hinauslehnen, um ihn richtig
     anzubringen. «Pass auf, dass du nicht ins
     Wasser fällst!», ruft mir Cecile besorgt zu.
     Sie versucht am Steuerruder, das driftende
     Boot so gut wie möglich von den Felsen
     fernzuhalten. Endlich springt der Motor
     an, und wir können in langsamer Fahrt
     und gegen die Wellen kämpfend den Ha-
     fen von Kelsey Bay ansteuern. Dort stellt
     sich sofort die nächste Herausforderung.
     Obwohl wir jetzt schon mehrere Wochen
     unterwegs sind, bereitet uns das Manövrieren
     an den engen Anlegeplätzen immer noch
     Schwierigkeiten. So haste ich ununterbrochen
     von einem Ende des Bootes zum anderen, um
     Kollisionen mit anderen Schiffen oder dem An-
     leger zu verhindern. Unsere Rollenverteilung
     hat sich mittlerweile eingespielt. Cecile hat
     beim «Einparken» als Steuerfrau das Kom-
     mando. Sie hat ein sehr gutes Gefühl fürs Ma-
     növrieren, während ich mit meiner grösseren
     Körperkraft das Boot besser von etwaigen Hin-
     dernissen abstossen kann. Nach einigen «Halt!
     Stopp! Noch ein wenig… Zurück! Links! Ach-
     tung! Langsam! Aber du hast doch gesagt
     links!» haben wir es schliesslich geschafft. Die
     Standfast ist sicher am Anleger vertäut.

     ç    Leinen los! Nach zweiwöchiger Renovation
          blähen sich endlich die Segel der Standfast.
     ì    Kanadisches Lebensgefühl. Katrin mit
          Kids und Freunden in der Küche auf Texada.
     ìì   Gemütlich. Hier lebt Katrin mit ihrer Familie.
         Harter Job. Jim hilft David beim Bootsputz.

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WESTKANADA

                                                                                                                                                                 Boot und unsere Segelkünste aber noch einem        nahmen wir wieder Fahrt auf. Auf einmal           keit, denn ein Sturm mit Windstärken von
                                                                                                                                                                 letzten Test unterziehen und die Insel Texada      setzte sich auch einer der Orcas in Bewegung.     40–50 Knoten war im Anzug. Nichtsahnend
                                                                                                                                                                 in drei Tagen umsegeln. Früh am Morgen, noch       Bald folgte ihm der Rest der Gruppe. Alle fünf    nahmen wir Kurs nordwärts, um wie geplant
                                                                               EINMAL MEHR ERWEIST SICH DIE                                                      vor Sonnenaufgang, brachen wir auf. Zum ers-       Orcas kamen direkt auf unser Boot zu. Rasch       bis zum Abend wieder nach Powell River zu
                                                                       KLEINE LEONIE ALS PERFEKTE SEEFAHRERIN,                                                   ten Mal waren wir alleine auf dem offenen Was-     hatten sie uns eingeholt. Mal hinter uns, mal     gelangen. Die Sonne schien, der Himmel war
                                                                        DER DIE WELLEN NICHTS AUSMACHEN.                                                         ser und endlich unterwegs! Es war ein wun-         neben dem Boot tauchten sie aus dem Wasser        blau, nichts deutete auf einen Wetterwechsel
                                                                                                                                                                 derschöner, klarer Morgen. Die Wasserober-         auf, sprangen rücklings oder streckten neugie-    hin. Auch als nach eineinhalb Stunden Fahrt
                                                                                                                                                                 fläche spiegelglatt, sie glänzte in der Morgen-    rig den Kopf aus dem Wasser. Einige Male          plötzlich starker Wind aufkam, dachten wir
                                                                                                                                                                 sonne. Kein anderes Boot war schon so früh         tauchten die riesigen Körper nur gerade einen     uns nichts dabei. Im Gegenteil, wir freuten uns,
      rade drei Tage vor unserem Abflug hatte                                                                            der Einfahrt in den kleinen Hafen       unterwegs. Unseres glitt sanft mit vier Knoten     Meter von unserer Reling entfernt auf. Mit ih-    bei vollen Segeln mit Rückenwind eine Ge-
      ich in der Schweiz die Segelprüfung bestan-                                                                        Vananda auf Texada Island der           durchs klare Wasser. Es war windstill, und wir     ren weissen Unterseiten im klaren Wasser gut      schwindigkeit von 7–8 Knoten zu erreichen.
      den, nach einem Minimum an Übungs-                                                                                 Wind abflaute. Kein Problem,            hatten noch keine Segel gesetzt. Plötzlich hör-    zu sehen, schwammen sie auch rücklings unter      Der Wind nahm immer weiter zu, Wolken zo-
      stunden auf dem Vierwaldstättersee. Se-                                                                            dachte ich, schliesslich haben wir ja   ten wir ein prustendes Blasgeräusch. Eine hohe,    der Standfast durch, schienen richtiggehend       gen auf. Die Wellen wurden grösser, hatten jetzt
      gelerfahrung auf dem Meer hatte ich keine,                                                                         einen Motor. Wie Jim mir gezeigt        aufrechte schwarze Flosse tauchte aus dem          mit unserem Boot zu spielen. Nie im Leben         sogar kleine Schaumkronen. Das Boot hob und
      Cecile ebenso wenig. Wir trafen Katrin mit                                                                         hatte, zog ich den Choke und            Wasser auf, dann durchbrach ein mächtiger,         hätten wir uns träumen lassen, mit den mäch-      senkte sich, der Bug schlug auf den Wellen auf,
      ihren Kindern in Powell River, etwa                                                                                drehte den Anlasser. Ein kurzes         schwarz-weisser Körper die Wasseroberfläche.       tigen Meeressäugern so direkt auf Tuchfüh-        die Gischt spritzte. Windböen rüttelten heftig
     100 Kilometer nordwestlich von Vancouver.                                                                           Stottern, dann nichts. Auch Jim         Ein Orca! Mit einem gewaltigen Platschen lan-      lung zu kommen. Und schon gar nicht an un-        an der Takelage. Uns wurde zunehmend un-
      Mit einer kleinen Fähre ging es weiter nach                                                                        versuchte sein Glück, ohne Erfolg.      dete das Tier wieder im Wasser. Der Orca voll-     serem allerersten Tag alleine auf See. Wir nah-   wohl. Wir mussten uns entscheiden: weiterfah-
     Texada. Die nur wenig besiedelte Insel liegt                                                                        «Das kommt bei diesem alten Mo-         führte gewaltige Sprünge. So hoch, dass er oft     men es als gutes Omen für die kommende            ren oder umkehren? Im Norden gab es 15 Mei-
      wunderschön zwischen dem Festland und                                                                              tor öfters mal vor», meinte er see-     mit dem ganzer Körper aus dem Wasser schoss.       Reise.                                            len weit keinen Ankerplatz. Wir beschlossen,
     Vancouver Island in der Strait of Georgia.                                                                          lenruhig, «wir werden einfach mit       Kurz drauf tauchten noch vier weitere Tiere auf,                                                     zu unserem Übernachtungsplatz zurückzukeh-
      Einige Tage lang genossen wir Katrins                                                                              den Segeln in den Hafen manövrie-       alle ebenso verspielt. Ich änderte den Kurs und    Sturm im Anzug. Die nächsten Tage unserer         ren.
      Gastfreundschaft. Im gemütlichen Holz-                                                                             ren.» Nur mithilfe eines Hauchs         hielt auf die Wale zu. Schnell wollte ich meine    Segelhauptprobe verliefen gut. Sogar das An-          Ich holte die Segel ein, startete den Motor
      haus, umgeben von Wald, bestaunten wir                                                                             von einem Lüftchen zirkelte Jim die     Kamera holen. Doch meinen gesamten Fo-             kern klappte nicht schlecht, wenn auch meis-      und wendete. Vergeblich. Bei maximaler Mo-
      den einzigartigen Ausblick aufs Meer und                                                                           Standfast geschickt an einer Untiefe    torucksack mit der professionellen Ausrüstung,     tens nicht beim ersten Versuch und nicht ohne     torenstärke erreichten wir gegen Wind, Wellen
      auf Vancouver Island. Willow und Cody                                                                              vorbei und zum Anleger. Mir             die ich jeweils bei meinen Alaska-Reisen für       Meinungsverschiedenheiten. Am Abend des           und Strömung nicht einmal eine Geschwindig-
      zeigten sich begeistert von ihrer                                                                                  wurde dabei schnell klar, dass der-     die Bären verwende, hatte ich bei Katrin ver-      dritten Tages unterlief uns aber ein schwerer     keit von 1,5 Knoten. So würden wir es nie zu
      kleinen Cousine Leonie.                                                                                   artige Manöver unsere Fähigkeiten als blu-       gessen! Wir hatten nur Ceciles kleine Kom-         Fehler: Wir ankerten in einem Funkloch. So        unserem geschützten Ankerplatz zurückschaf-
          Bald schon kribbelte es mir in                                                                        tige Segelanfänger weit überstiegen. Ohne        paktdigitalkamera dabei. Ich ärgerte mich ge-      konnten wir nicht wie üblich die Wettervor-       fen. Es blieb uns nichts anderes übrig, als wie-
      den Fingern – ich wollte mit der                                                                          Jim wären wir in dieser Situation ziemlich       waltig ob meiner Nachlässigkeit – bessere          hersage, Windstärke und Windrichtung für          der nordwärts zu wenden. Cecile war mittler-
     Arbeit an der Standfast beginnen.                                                                          hilflos gewesen.                                 Lichtverhältnisse und spektakulärere Fotosu-       den nächsten Tag abhören. Bis jetzt hatten wir    weile so seekrank, dass sie sich kaum mehr rüh-
      Laut Katrins Schwiegervater Jim                                                                                                                            jets könnte man sich kaum wünschen.                stets schönes Wetter mit nur mässigem Wind        ren konnte. Um bei der oft prekären Schräglage
      bedurfte das Boot noch einiger                                                                            Abenteuerliche Probefahrt. Auch nach                 Da wir aber noch unsere ganze Tagesetappe      erlebt. Deswegen vergass ich den Wetterkanal      unseres Bootes nicht von Bord geweht zu wer-
      Renovationen, bevor wir in See                                                                            unserer ersten Überfahrt schienen die Ar-        zurückzulegen hatten, setzten wir nach einer       auch am nächsten Morgen nach dem Auslau-          den, machte ich mich mit dem Harnisch mei-
      stechen konnten. Jim hatte eine                                                                           beiten an der Standfast kein Ende zu neh-        Weile wieder Kurs Richtung Süden. Langsam          fen komplett. Eine folgenschwere Nachlässig-      ner Schwimmweste am Boot fest. Mit Segeln
     To-do-Liste für uns erstellt. Also                                                                         men. Das Boot wurde gleichzeitig zu unse-
      machten wir uns wieder auf den                                                                            rem Wohnquartier. So teilten wir das Bau-
     Weg nach Powell River, wo das                                                                              und Putzchaos mit der kleinen Leonie, die
      Schiff im Hafen lag. Ziemlich ge-                                                                         irgendwo schlafen gelegt, gefüttert und ge-
      spannt gingen wir den Pier hin-                                                                           wickelt werden wollte. Ab und zu schaute
      unter. Das Boot war in den letzten                                                                        Jim bei uns vorbei, erkundigte sich nach
      zehn Jahren kaum mehr gesegelt                                                                            dem Stand der Arbeiten und gab uns wert-
      worden. In welchem Zustand                                                                                volle Tipps. Mit ihm machten wir noch ei-
      würden wir es wohl antreffen?                                                                             nen weiteren Segeltörn, lernten wichtige
      Jims Liste war ziemlich lang. Der                   éé   Putzmuntere Leonie. Erst vier Monate alt,        Handgriffe und Kniffe und profitierten von
      erste Blick auf das Schiff war ernüchternd. Der          aber schon sehr neugierig.                    seiner jahrelangen Segelerfahrung. Beim drit-
     Aussenbereich war fast komplett mit Algen            é    Sichtlich vergnügt. Badeplausch unter Deck.   ten und letzten Ausflug zeigte Jim uns ein äus-
      überwachsen, unter Deck herrschte ein riesiges          Verspielt. Orcas kommen nahe ans Boot.        serst wichtiges Manöver: das Ankern. Die Wahl
      Durcheinander. Bevor wir uns mit dem Segel-                                                            eines guten Ankerplatzes sei absolut zentral.
      handwerk beschäftigen konnten, mussten wir               Nach zwei Wochen intensiver Arbeit, von       Nicht nur der Untergrund muss stimmen, auch
      uns als Schiffshandwerker, -elektriker und          der die Blasen an den Händen zeugten, hatten       muss auf allen Seiten genügend Platz für das
     -klempner betätigen. Sämtliche Seile und die         wir das Boot wieder einigermassen instand ge-      Boot vorhanden sein, um sich in der Strömung
      gesamte Kühlwasserzufuhr mussten ersetzt            stellt. Zum ersten Mal liefen wir mit unserem      und im Wind zu drehen. Und es muss der rich-
      werden, ebenso Öl und Ölfilter des Motors, Bil-     jetzt schmuck herausgeputzten Schiff aus. Un-      tige Moment erwischt werden, um den Anker
      gepumpe und Batterien. Wir besorgten uns ei-        ter fachmännischer Anleitung von Jim setzten       genau an der gewählten Stelle zu setzen. So en-
      nen neuen Anker mit 120 Metern Ankerseil.           wir an einem wunderschönen Nachmittag die          det das Ankern bei uns oft in wiederholten
     Auch unter Deck mangelte es nicht an Arbeit.         Segel in Richtung Texada. Ein grosser Augen-       Zickzackmanövern, und nicht selten in hefti-
     Allein die Reinigung und Reparatur des Kühl-         blick für uns! Der wolkenlose Himmel, die an-      gen Diskussionen. Wie so oft hat sich auch hier
      schranks nahm einen ganzen Tag in Anspruch.         genehme Brise, die in der Sonne glänzende          im Verlauf unserer Reise bewahrheitet, was Jim
      Gar ein mehrtägiges Projekt war die Bordtoi-        Wasseroberfläche und das intensive Grün der        uns mit auf den Weg gab. «Wenn es bei Segler-
      lette, die ich komplett ersetzte. Als ich sie zum   Wälder am Ufer entlöhnten uns für die harte        paaren zu Streit kommt, passiert dies meistens
      ersten Mal sah, verstand ich Jims Bemerkung,        Arbeit. Leonie sass zufrieden in ihrem Babysitz    beim Ankern.»
      dass Cecile wohl bei der ersten Benutzung der       und strahlte über das ganze Gesicht. Richtig           Anfang Juni hatten wir es schliesslich ge-
     Toilette die Reise abbrechen würde. Das stille       stolz war ich auf unsere geleistete Arbeit, als    schafft: Die Standfast war bereit. Bevor wir
      Örtchen sah aus, als hätte es noch nie einen        die Segel sich im Wind blähten und wir fast        endgültig auf unsere geplante zweieinhalbmo-
      Putzlappen zu Gesicht bekommen.                     geräuschlos durchs Wasser glitten. Bis kurz vor    natige Reise in See stachen, wollten wir das

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Meersicht und Krabben à discrétion - David Bittner
WESTKANADA

                                                                                                                                                                                                                         AM BESTEN SCHMECKT DAS SAFTIGE
                                                                                                                                                                                                                      KRABBENFLEISCH MIT ETWAS
                                                                                                                                                                                                                              GESCHMOLZENER BUTTER.

                                                                                                                                                                 wollen wir in der reissenden Strömung nicht        nen. Oft ankern wir ganz allein und haben die      plätze stets voll besetzt. Jetzt, im Frühsommer,
                                                                                                                                                                 wagen. Erst nach fast einer Stunde beruhigt sich   atemberaubende Landschaft, die wilde Natur,        ist es noch etwas ruhiger. Dennoch bietet uns
                                                                                                                                                                 das Wasser auf einmal, und wir können die Pas-     das klare tiefblaue Wasser und die Ruhe dieser     das Meer ausgezeichnete Kost. Neben frisch
                                                                                                                                                                 sage durchqueren. «So ein Mist», denke ich,        Abgeschiedenheit ganz für uns.                     geangeltem von Heilbutt gehören Krabben und
                                                                                                                                                                 «das stimmt ja alles überhaupt nicht auf diesen        Wir ernähren uns zu einem grossen Teil         Garnelen zu unseren Hauptnahrungsmitteln.
                                                                                                                                                                 Tabellen!» Verärgert nehme ich am Abend das        von der Natur. Einkaufsmöglichkeiten sind hier     Dungies, Dungeness-Krabben, können wir oft
                                                                                                                                                                 Büchlein mit den Gezeitentabellen nochmals         äusserst spärlich gesät. Es gibt nur wenige win-   direkt bei unseren Ankerplätzen fangen, da sie
                                                                                                                                                                 zur Hand. Da erst entdecke ich in fetten Gross-    zige Ortschaften und ab und zu kleine Lodges,      hauptsächlich in Tiefen von 5–20 Metern vor-
                                                                                                                                                                 buchstaben die Notiz «Do not forget: Daylight      die nur per Boot zugänglich sind. Sie bieten       kommen. Mit Filetierresten von gefangenen
                                                                                                                                                                 Saving Time – add one hour». Wie Schuppen          Anlegeplätze, die gemietet werden können –         Fischen als Köder lassen wir die Krabbenkäfige
                                                                                                                                                                 fällt es mir von den Augen: Wir hatten verges-     eine Art Campingplatz für Boote, mit Duschen,      über Nacht an einem Seil ins Wasser. Am Mor-
                                                                                                                                                                 sen, die Sommerzeit einzuberechnen.                Tankstellen und kleinen Läden, welche wir an-      gen kommt jeweils der spannende Moment:
                                                                                                                                                                                                                    steuern, um Benzin und Trinkwasser nachzu-         Haben wir etwas gefangen? Oft holen wir so
                                                                                                                                                                 Krabbenfang. Nun sind wir schon fast fünf          füllen.                                            viele Krabben ein, dass wir sie nicht alle auf
                                                                                                                                                                 Wochen unterwegs. Unser ursprüngliches Ziel,           Die Gewässer in B.C. sind ein wahres Pa-       einmal verzehren können. Wir experimentie-
                                                                                                                                                                 bis nach Prince Rupert an der Grenze zu Alas-      radies für Angler. Im Sommer und im Herbst,        ren mit Saucen und Beilagen, machen manch-
                                                                                                                                                                 ka zu segeln, haben wir längst aufgegeben. Zu      während der Lachssaison, sind die Anlege-          mal auch Sushi – doch am besten schmeckt das
                                                                                                                                                                 viele schöne Buchten, einsame In-                                                                                  saftige Krabbenfleisch einfach nur
                                                                                                                                                                 selchen und waldgesäumte Inlets                                                                                    mit etwas geschmolzener Butter.
                                                                                                                                                                 haben wir auf unserem Weg ent-                                                                                          Um Garnelen – Local Prawns
                                                       é   Angebissen. Was mag wohl diesmal an der                                                               deckt. Wir geniessen die unberühr-                                                                                 genannt – zu fangen, müssen wir
     so klein wie möglich, um ein Reissen der Seile        Angel hängen?                                   flössen auszuweichen, meiden wir die grösse-          ten, verwinkelten Meeresarme zwi-                                                                                  gezielter geeignete Stellen suchen.
     zu verhindern, versuchte ich, das Steuer auf         Nachtessen gesichert. Fetter Zackenbarsch.      ren Wasserstrassen wenn immer möglich. Viel           schen Vancouver Island und den                                                                                     Prawns leben in grösseren Tiefen
     Kurs zu halten. Leonie schien der Sturm nichts    î   Landausflug. Streifzüge durch den Wald          lieber erkunden wir die etwas abgelegeneren           langen Fjorden am Festland, ohne                                                                                   von 100–150 Metern. Steile, felsige
     auszumachen – sie schlief friedlich unter Deck.       sind eine willkommene Abwechslung.              Seitenwege mit unberührten Inseln und Buch-           uns an einen festen Routenplan zu                                                                                  Küstenabschnitte sind besonders
         Meine Arme schmerzten vom Festhalten                                                              ten. Seekarten und ein GPS sind in diesem La-         halten. Von Tag zu Tag entscheiden                                                                                 gute Fangplätze. An einem 300 Me-
     des Steuerruders. Immer wieder musste ich das     walten erlebt. Vor allem bei Cecile sass der        byrinth von Wasserwegen unabdingbar. Gera-            wir spontan, welches Ziel wir als                                                                                  ter langen Seil lassen wir unsere Kä-
     Boot bewusst von der Küste weglenken, auf die     Schreck tief. Für sie war eine längere Segelreise   de an engeren Stellen, die zum Teil kaum              nächstes ansteuern. Wenn es uns an                                                                                 fige in die Tiefe, mit Hühnerfutter
     ich intuitiv zusteuerte. Auch wenn die Nähe       erst einmal völlig ausgeschlossen. Ich hingegen     20 Meter breit sind, entstehen durch die Gezei-       einem Ort gut gefällt, bleiben wir                                                                                 als Köder. Oft dauert es 20 Minuten
     zum Ufer instinktiv sicherer schien, wusste ich   hatte durch das heftige Unwetter Vertrauen in       ten starke Strömungen und Wirbel. Solche Nar-         ein paar Nächte dort. Mit dem Se-                                                                                  oder länger, bis die Käfige wieder
     von Jim, dass dort Wellen und Strömungen          unser Boot gewonnen. Dass die Standfast die-        rows können nur zu bestimmten Zeiten gefahr-          gelboot können wir abgelegenste                                                                                    eingeholt sind. Doch das mühevolle
     noch viel stärker und unberechenbarer sind.       sen starken Wind und die hohen Wellen aus-          los durchfahren werden.                               Buchten erkunden, die auf dem                                                                                      Hochziehen lohnt sich. Meistens
     Irgendwann begann Leonie zu weinen. Cecile        gehalten hatte, gab mir Sicherheit. Nach eini-           Schon zu Beginn unserer Reise gelangen           Landweg unerreichbar wären. Wir                                                                                    wimmelt es nur so von orangeroten
     kletterte unter Deck, um sie zu beruhigen.        gen ruhigen Tagen in Powell River und etwas         wir zu einer solchen Meeresenge, wo durch             geniessen das Gefühl, völlig frei un-                                                                              Schalen, Fühlern und Beinen in der
     Während ich am Steuerruder zerrte, von Gischt     Überzeugungsarbeit freundete sich auch Cecile       Ebbe und Flut sogenannte Rapids, also starke          ser nächstes Ziel auswählen zu kön-                                                                                Reuse. Manche Garnelen sind riesig,
     und Regen völlig durchnässt, dachte ich an        wieder mit dem Gedanken an, unsere geplante         Strömungen, entstehen. Ausgerüstet mit einem                                                                                                                             so dick wie eine Weisswurst. Auch
     meine kürzlich verstorbene Mutter Brigitte. Ir-   Reise anzutreten. Ich versprach, vor der Ab-        Arsenal von Gezeitentabellen hatten wir unsere                                                                                                              Leonie ist begeistert von den vielbeinigen Mee-
     gendwie hatten Cecile und ich beide das Ge-       fahrt stets die Wettervorhersage abzuhören. So      Tagesetappe genau so geplant, dass wir zur rich-                                                                                                            reskreaturen und schnappt sich eine als Spiel-
     fühl, dass sie hier im Sturm bei uns war und      begannen wir, für eine zehnwöchige Reise ein-       tigen Zeit, wenn die Strömung am schwächsten                                                                                                                zeug. Fasziniert inspiziert sie die Garnele – wir
     uns schützend beistand. Die Standfast lag oft     zukaufen und das Boot zu beladen. Mit Benzin        ist, bei der engsten Stelle sein sollten. Pünktlich                                                                                                         müssen aufpassen, dass sie sich an den Fühlern
     so schräg im Wasser, dass Cecile durch die        für circa 200 Kilometer und einem vollen            sind wir vor Ort. Von schwacher Strömung                                                                                                                    nicht sticht.
     Fenster unter Deck direkt auf die Wellentäler     Trinkwassertank stachen wir schliesslich in See.    kann aber keine Rede sein. Schon einige Hun-                                                                                                                     Auch beim Angeln sind wir oft rasch er-
     sah und dachte, wir würden kentern. Doch das                                                          dert Meter vor der Passage schiesst uns das                                                                                                                 folgreich. Cecile hat ein Talent für ungewöhn-
     alte Boot trotzte Wind und Wetter, Segel und      Achtung Sommerzeit. Unzählige Inseln und            Wasser wie ein reissender Fluss entgegen. Ver-                                                                                                              liche Fänge. Anemonen, Haifische und Flunder
     Seile hielten. Langsam aber stetig kämpften wir   Fjorde zeichnen die Küste von B.C. aus. Die         unsichert überprüfe ich die Gezeitentabelle –                                                                                                               zieht sie aus dem Wasser. Einmal spürt sie, wie
     uns vorwärts. Endlich, nach endlos scheinen-      meisten Inseln sind dicht bewaldet, unbewohnt       die Uhrzeit stimmt. Also versuchen wir es. Im                                                                                                               etwas anbeisst. Seltsamerweise sticht der Fang
     den Stunden, erreichten wir die Nordspitze von    und zu Fuss kaum begehbar. Um den grossen           Kehrwasser fahren wir auf die Enge zu. Doch                                                                                                                 sofort nach dem Anbeissen in die Tiefe. Als sie
     Texada. Im Schatten der Insel wurden Wind         Kreuzfahrtschiffen und den Schleppern der           kaum kommt unser Boot in den Sog der Strö-                                                                                                                  langsam die Angelschnur einholt, kommt ein
     und Wellen ruhiger. Wir hatten es geschafft. So   Holzindustrie mit ihren teils riesigen Holz-        mung, geht es nur noch rückwärts. Das kann                                                                                                                  flatterndes, zappelndes Geschöpf an die Ober-
     schnell wie er gekommen war, ebbte der                                                                      doch nicht sein, denken wir verwirrt. Im-                                                                                                             fläche. Eine Ente! Das arme Tier hat tatsächlich
     Sturm wieder ab. Am Abend, als wir Po-                                                                      mer wieder machen wir kleine Versuche,                                                                                                                den Köder im Schnabel und versucht verzwei-
     well River ansteuerten, schien sogar wie-                                                                   doch gegen die Strömung sind wir absolut                                                                                                              felt, freizukommen. Wir wollen sie so schnell
                                                       Die Standfast selber segeln?
     der die Sonne. Am Ende unserer Kräfte                                                                       chancenlos. Die auf der Gezeitentabelle                                                                                                               wie möglich befreien. Mit dem Dingi, unserem
     legten wir das Boot im Hafen an.                  Das Segelboot steht in B.C. zum Verkauf                   angegebene Uhrzeit vergeht, nichts ändert                                                                                                             Beiboot, nähern wir uns dem panisch flattern-
         Wir brauchten einige Tage, um uns von         oder kann für einen längeren Trip gemietet                sich. Ratlos warten wir und werden immer                                                                                                              den Tier, und mit vereinten Kräften schaffen
     diesem Abenteuer zu erholen. Mit voller           werden. Interessenten melden sich bei:                    unsicherer. Links und rechts von uns hat                                                                                                              wir es, die zappelnde Ente vom Angelhaken zu
     Wucht hatten wir die Kraft der Naturge-           david.bittner@kodiak.ch                                   es gefährliche Felsen, allzu viele Versuche                                                                                                           befreien. Völlig erschöpft schwimmt sie lang-

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Meersicht und Krabben à discrétion - David Bittner
UNERBITTLICH REISST UNS                                                                                                                                                                                                      WESTKANADA
                                                                                       DIE STRÖMUNG AUF DEN
                                                                              ENTGEGENKOMMENDEN SCHLEPPER ZU.

     sam davon. Plötzlich zischt es                                                                                                 rechts von der Strömungszunge
     laut über uns, ein grosser Schat-                                                                                              bilden sich durch das Gegen-
     ten streift vorbei. Nur wenige                                                                                                 wasser riesige Wirbel, richtigge-
     Zentimeter neben uns sticht ein                                                                                                hende Löcher im Wasser, die bis
     Weisskopfseeadler auf das Was-                                                                                                 zu drei Meter tief sind. Auswei-
     ser hinunter. Im letzten Mo-                                                                                                   chen erscheint uns deswegen
     ment kann die Ente abtauchen                                                                                                   ein äusserst halsbrecherisches
     und entkommt dem Angriff des                                                                                                   Unterfangen. Zudem würde uns
     Raubvogels.                                                                                                                    die Gegenströmung stromauf-
         Weiter nördlich von Kelsey                                                                                                 wärts und am Ende wieder in
     Bay finden wir unsere Traum-                                                                                                   die Hauptströmung bringen.
     bucht: einen langen Meeresarm,                                                                                                 Ein lautes Hupen des Tugboats,
     der sich weit ins Festland hin-                                                                                                jetzt weniger als 200 Meter vor
     einzieht. Wir fahren fast den                                                                                                  uns, erinnert uns daran, das ge-
     ganzen Inlet hinauf und finden                                                                                                 radeaus weiterfahren auch kei-
     an dessen Ende einen wunder-                                                                                                   ne Option ist. Unerbittlich reisst
     schönen Ankerplatz. Wir sind                                                                                                   uns die Strömung auf den ent-
     weit und breit die einzigen Men-                                                                                               gegenkommenden Schlepper
     schen hier. Als wir am Morgen                                                                                                  zu. Es bleibt uns schliesslich kei-   Westseite der Meeresstrasse zu                                                                          feit sind. Wir haben nämlich auf einem Anle-
     an Deck klettern, hören wir                                                                                                    ne andere Wahl: Im letztmögli-        gelangen. «Hoffentlich kommt                                                                            gefloss, das nirgends mit den anderen Anlegern
     ganz in der Nähe ein Blasge-                                                                                                   chen Moment reisse ich das Ru-        jetzt nicht ein grosses Kreuz-                                                                          verbunden ist, festgemacht. In unserem Eifer
     räusch. Ein Minkwal, ein Zwerg-                                                                                                der herum und steuere ins Ge-         fahrtschiff von Norden», sage                                                                           und der Freude über den vermeintlich ergat-
     wal, taucht nur etwa 20 Meter                                                                                                  genwasser ein. Wir liegen in ei-      ich zu Cecile, als wir uns der                                                                          terten letzten freien Anlegeplatz haben wir dies
     vor uns auf. Er lässt sich durch unsere Anwe-       erkunden. Dazu müssen wir die Insel links um-            nem 45-Grad-Winkel schräg im Wasser. Das                Südspitze der Insel nähern, die                                                                         überhaupt nicht bemerkt. Kleinlaut machen
     senheit nicht stören – wir sind ganz still und      fahren, obwohl der nordwärts gerichtete Ver-             Boot wird abrupt gestoppt und treibt nun in             uns die Sicht verdeckt. Vorsich-                                                                        wir nach dieser peinlichen Aktion unser Dingi
     rühren uns nicht. Was für ein Erlebnis!             kehr genau da entgegenkommt. Wir hoffen auf               die entgegengesetzte Richtung, also von der            tig lenke ich die Standfast nach                                                                        startklar und kommen so doch noch an Land
         Alles ist in dieser Bucht ungemein friedlich.   möglichst wenig Gegenverkehr – leider vergeb-            rettenden Bucht weg. Rasch starten wir den              Steuerbord. Schon wieder bleibt                                                                         und zum Eis für unsere Krabben.
     Das Meer ist ruhig, der wilde Urwald am Ufer,       lich. Wir haben die Insel noch nicht ganz er-            Schiffsmotor und gleichzeitig auch den                  mein Herz fast stehen: Ein riesi-                                                                            Zwei Tage später sitzen wir gemütlich zu-
     den wir erkunden, spiegelt sich im Wasser. Fast     reicht, da taucht ein Tugboat mit einem riesi- Aussenbordmotor. Meter für Meter kämpfen                          ger rot-weisser Bug pflügt sich                                                                         sammen mit Katrin, Raine, Jim, dessen Frau
     eine Woche bleiben wir hier, beobachten             gen Containerfloss im Schlepptau auf. Ausge-             wir uns gegen die schäumenden Wassermassen              in voller Fahrt durch das Wasser                                                                        und den Kindern beim Krabbenfestschmaus
     Schwarzbären und Hirsche am Ufer und See-           rechnet ein solcher Riese muss uns jetzt begeg-          vorwärts. Mit letzter Kraft erreichen wir               von hinten auf uns zu. Wir be-                                                                          und geniessen den Sonnenuntergang über Van-
     hunde und Weisskopfseeadler im und über             nen! Ich überlege, die Insel doch rechts zu um-           schliesslich die rettende Bucht.                       finden uns mitten in der Fahrt-                                                                         couver Island. Stundenlang erzählen wir von
     dem Wasser.                                         runden. Im selben Moment setzt urplötzlich                    Erschöpft und mit zittrigen Beinen ent-            linie eines grossen Patrouillen-                                                                        unseren Erlebnissen. Morgen heisst es bereits
                                                         eine starke Strömung ein, die uns mit unglaub-            schliessen wir uns, die Nacht hier zu verbrin-         boots der Küstenwache. Die                                                                              Abschied nehmen. Cecile und Leonie fliegen
     Auf Kollisionskurs. Die Wochen vergehen viel        licher Kraft auf den Schlepper zutreibt. Wir              gen. Die Bucht, umrahmt von tiefgrünem Wald,           Vortrittsregeln in der Schifffahrt                  éé   Aufgepasst! Gegenverkehr in der engen          zurück in die Schweiz, für mich geht es weiter
     zu schnell, wir müssen uns wieder südwärts          befinden uns in einer V-Strömung, welche zwi-            wäre wunderschön, doch geniessen können wir             habe ich nie ganz verstanden, und ich weiss              Johnstone Strait.                              nach Alaska zu den Bären, wo ich wie jeden
     wenden. Nur ungern verlassen wir unsere             schen Insel und Festland aktiv ist. Links und             sie nicht richtig. Der Schreck sitzt uns noch zu       nicht, wie wir uns verhalten sollen. Ich versu-     é    Erfolgreich. David, der Krabbenfänger.         Sommer mehrere Wochen in der Wildnis ver-
     Traumbucht. Wie schon auf der                                                                                                tief in den Knochen. Immer wie-         che, so schnell wie möglich das gegenüberlie-       ç    Sushischmaus. Frischer gehts nicht.            bringe. Unvergessliche Erinnerungen an eine
     Hinfahrt müssen wir die                                                                                                       der diskutieren wir, was da ge-        gende Ufer zu erreichen, um dem viel schnel-                                                            einmalige Hochzeitsreise werden wir mit uns
                                        KÜ S T E B R I TI S H COLUM B I A
     Johnstone Strait durchfahren.                                                                                                 rade passiert ist. Einmal im Mo-       leren Boot auszuweichen. Es knattert in unse-       Letzter Anfängerfehler. Bevor wir Texada an-        nehmen. Die letzten Sonnenstrahlen spiegeln
     Diese Wasserstrasse bildet den                                                                                                nat gibt es eine sogenannte            rem Funkgerät, die Küstenwache meldet sich          steuern, wollen wir noch kurz im kleinen Ort        sich in der Strait of Georgia. Das Haus ist er-
     einzigen Weg zwischen Van-                                                                                                    Springtide, einen besonders star-      auf Kanal 16. «This is sailing vessel Standfast»,   Lund anlegen, um einen Block Eis zu besorgen.       füllt vom Lachen der Kinder während es draus-
     couver Island und dem Fest-                                                                                                   ken Gezeitenwechsel. Wahr-             antworte ich, ohne die geringste Ahnung, wie        Wir haben 25 grosse Krabben gefangen, die wir       sen langsam dunkel wird. Für uns steht fest,
     land und ist dementsprechend                                                                                                  scheinlich haben wir nichts ah-        man sich im Schiffsfunkverkehr richtig zu mel-      Katrin und ihrer Familie mitbringen wollen.         dass dies nicht unser letztes Segelabenteuer war.
     stark befahren, vor allem auch                                                                                                nend genau diesen Tag erwischt         den hat. «Sorry for being in your way. Which        Das Eis soll die Krabben bis zu unserer Ankunft                             david.bittner@kodiak.ch
     von grossen Kreuzfahrtschiffen                                  Johnst                                                       und sind deswegen in diese aus-         way do you want to pass, left or right?» Als Ant-   frisch halten. Es ist Wochenende, und alle An-                                  www.davidbittner.ch
                                                              VA           one St                KANADA
     und Schleppern, sogenannten                                                 rai                                               sergewöhnlich starke Strömung          wort auf meinen offensichtlich nicht sehr see-      leger im kleinen Hafen sind voll besetzt. Ganz
                                                                 N                  t
     Tugboats, mit riesigen Fracht-                                C
                                                                     O                                                             geraten.   Erst spät am Abend          männischen Funkspruch hören wir schallen-           aussen entdecken wir schliesslich noch einen
     oder Holzflössen. Schon bei                                       U              Lund                                         schliessen sich unsere Augen.          des Gelächter. Dann bekommen wir die An-            freien Platz. Voll konzentriert, manövrieren wir
                                                                         V
                                                                            E                                                                                                                                                                                                         Voranzeige
     unserer Fahrt nordwärts war                                              R       Tex                                              Am nächsten Morgen ma-             weisung: «You go to the right.» Fast im Lot auf     zum Holzdock und legen an. Stolz, das Anle-
                                                                                IS       ad Powell River
     uns inmitten des starken                                                              a                                       chen wir uns trotz allem frohen        Vancouver Island zusteuernd, versuchen wir,         gemanöver diesmal gut gemeistert zu haben,              David Bittner geht ab Januar 2016
                                                                                    L

     Schiffsverkehrs kombiniert mit                                                                                               Mutes auf die Weiterfahrt.              so schnell wie möglich Distanz zu gewinnen.         bereiten wir uns auf den Landausflug vor. Wäh-          mit einem neuen Vortrag über seine
                                                                                     A

                                                                                                         Vancouver
                                                                                        N

     starkem Wind und Wellen äus-                                                                                                  Schlimmer kann es ja kaum              So zieht das riesige Schiff an uns vorbei, wäh-     rend Cecile Leonie in ihr Traggestell setzt, ver-       jüngsten Aufenthalte bei den Bären
                                                                                         D

     serst unwohl. Mitten in der                                                                                                   mehr kommen. Wir wollen nur            rend wir nahe am Ufer von seinen Bugwellen          täue ich die letzten Seile. Voller Tatendrang           in Alaska auf grosse Tournee durch
     Johnstone Strait gibt es eine         Segelrevier der Familie Bittner                                          USA            noch raus aus der Johnstone            kräftig durchgeschaukelt werden und uns zum         klettern wir von Bord und müssen verdutzt               die Deutschschweiz.
     kleine Insel. Eine Bucht auf de-                                                                                              Strait. Wir umsegeln die kleine        zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden von ei-        feststellen, dass wir auch nach zehn Wochen             Informationen ab September 2015
     ren Nordostseite möchte ich                                                                                                  Insel, um dann zurück auf die           nem gehörigen Schrecken erholen.                    Segelreise noch nicht gegen Anfängerfehler ge-          auf www.explora.ch

16   GLOBETROTTER-MAGAZIN    FRÜHLING 2015                                                                                                                                                                                                                                                                                            17
Meersicht und Krabben à discrétion - David Bittner Meersicht und Krabben à discrétion - David Bittner Meersicht und Krabben à discrétion - David Bittner Meersicht und Krabben à discrétion - David Bittner Meersicht und Krabben à discrétion - David Bittner
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