Bibliotheken mit Vorstellungskraft
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-- Bibliotheken mit Vorstellungskraft SAB-Reise 2017: Rob Bruijnzeels und Joyce Sternheim vom Ministry of Imagination führten zu besonderen Bibliotheken Die SAB-Reise führt Bibliothekarin- nen und Bibliothekare alle zwei Jahre ins Ausland und dort in sehenswerte Bibliotheken. lm Herbst 2017 ging es nach Gent und in die Region um Rot- terdam. Mit dem Car reisten die 19 Teilneh- merinnen und Teilnehmer der SAB- Reise in Richtung Norden - Gelegen- heit, sich schon während der Fahrt näher kennenzulernen und sich das eine oder andere Hörbuch zu Ge- müte zu führen. In Rotterdam wurde die Gruppe von Rob Bruijnzeels und Joyce Sternheim willkommen geheis- sen. Die beiden Bibliothekare sind Teil des Ministry of Imagínatìon, eines Kol- • Sechs Bibliotheken in drei Tagen: Die SAB-Reisegruppehatte ein volles Programm. (Foto: Simone von Lerber) lektivs, das Bibliotheken in ihrer Wei- terentwicklung begleitet. Zum Kollek- ten Programmation die Menschen dazu Eine Bibliothek sollte die Besucherin- tiv gehören zudem ein Architekt, ein bringen, gemeinsam mit anderen nach nen und Besuche zur gemeinsamen Su- Programmgestalter und zwei Desig- Deutungen, Kontexten und Hinter- che nach Kontexten, Deutungen und ner. Rob.Bruijnzeels und Joyce Stern- gründen zu suchen. Rob Bruijnzeels Hintergründe animieren und das vor- heim begleiteten die Gruppe während und Joyce Sternheim plädieren dafür, handene Wissen so anbieten, dass aus der drei intensiven Tage und konnten die Dinge auf eine neue Art anzuge- Wissen Verstehen werden kann. Das viel Hintergrundwissen weitergeben. hen, zu experimentieren, seine sichere Ministry of imagination sieht den Über- Sie hatten im Vorfeld auch den Kontakt Umgebung zu verlassen und sich et- gang, vor dem die Bibliotheken sich zu den Bibliotheken in Tilburg, Amers- was auszudenken, das es noch nicht befinden, nicht primär als einen Über- foort, Gent, Gouda, Schiedam und Spij- gibt. Dass in solchen Prozessen nicht gang zur digitalen Bibliothek, sondern kenisse hergestellt und der Gruppe aus immer alles rund läuft, dass Experi- zu einer Bibliothek, in der Kollektion der Schweiz so die Türen geöffnet. Mit mente scheitern, gehört dazu. Das Mi- und Fachwissen anders eingesetzt wer- Gouda und Schiedam waren zwei Bi- nistry of imagination ist überzeugt, den. Die Bestände sollen so präsentiert bliotheken auf dem Programm, bei de- dass nur so eine wahre Weiterentwick- und mit Programmangeboten ergänzt nen das Ministry oflmagination bei der lung stattfinden kann. Vielerorts sehen werden, dass Besucherinnen und Be- Neuausrichtung beratend zur Seite ge- die beiden Bibliothekare heute die Ge- sucher sich inspirieren lassen können. standen war. Artikel zu den einzelnen fahr, dass Bibliotheken zu austausch- Zudem sollen Nutzerinnen und Nutzer Bibliotheken sind auf den folgenden baren und gefallsüchtigen «dritten Or- animiert werden, ihr Wissen, ihre Er- Seiten des Hefts zu finden. ten» werden, an denen es vor allem um kenntnisse zu teilen und so neue Infor- einen guten Kaffee und einen ange- mationen zu schaffen. Um dies zu ver- Die Medien stehen im Zentrum nehmen Aufenthalt geht. Sie suchen deutlichen, haben Rob Bruijnzeels und in den Bibliotheken hingegen vielmehr Joyce Sternheim ein neues Wort kre- Rob Bruijnzeels und Joyce Stern- eine Verbindung zwischen den ange- iert. Sie fordern die Menschen auf, zu heim stellten während der Reise auch botenen Aktivitäten und dem Bestand. «bíbliotheken» - zu handeln, mitzuwir- das Ministry of Imagination und des- ken, zu spielen statt zu konsumieren. sen Philosophie vor. «Bibliotheken Die Menschen sollen «bibliotheken» Die Kundinnen und Kunden werden mit Vorstellungskraft», so lautet das zu Produzenten, Experten, Designern, Motto. Interessant aus Schweizer Sicht: Bibliotheken seien in einer Zeit des Kollegen. Sie werden aktiv. Eines ist si- Die Medien spielen in den Bibliothe- Mangels entstanden, so Rob Bruijn- cher: Die Gäste aus der Schweiz lies-. ken nach wie vor eine grosse Rolle - zeels. Kultur und Information waren sen sich von den Ideen des Ministry of eine Bibliothek ohne Bücher? Unvor- einem kleinen Teil der Gesellschaft vor- imagination inspirieren. stellbar. Das Ministry of Imagination behalten. Heute hingegen herrscht ein stellt das Medium, die Sammlung, ins Überangebot an Information. Je mehr Katia Röthlin, Zentrum und will mit einer geschìck- Informationen, desto geringer ihr Wert. stv. Geschäftsführerin SAB/CLP SAB/CLP INFO Ol /18 25
Hier wird die Bibliothek neu erfunden SAB-Reise 2017, Bibliotheek Midden-Brabant, Tilburg: Von der Mission, Menschen, Organisationen und Informationsquellen zusammenzubringen Die Bibliothek in Tilburg steckt mitten im Prozess für einen Bibliotheksneubau und entwickelt neue Formate mit einer Bibliothek ohne Bücher. Wir starten unsere Bibliothekstour in Tilburg, einer 80 Kilometer südöstlich von Rotterdam gelegenen, modernen Universitäts- und Industriestadt. Be- kannt ist Tilburg als Produktionsstätte des Elektroautokonzerns Tesla Motors. Die Zentralbibliothek in der Stadtmitte ist die grösste öffentliche Bibliothek in Nordbrabant. Sie steht 336000 Bra- bantern aus den Gemeinden Tilburg, Goirle, Hilvarenbeek, Lohn an Zand, Oisterwijk und Waalwijk zur Verfü- gung. Sie verzeichnet eine halbe Mil- lion Besucherinnen und Besucher jährlich, ist täglich von 9 bis 21 Uhr geöffnet und verfügt über 600 000 Me- dien. Gratis-WLAN und ein Café sind genauso selbstverständlich wie die Möglichkeit der Online-Einschrei- bung und kostenlos buchbare Stu- dienschränke für die 30 000 Studie- rende. 3D-Drucker und E-Learning Seit 2013 bietet die Bibliothek mit ei- nem Digital Lab Makerspace-Ange- bote an, um Hemmschwellen gegen- über neuen Technologien abzubauen. Eine Coding-Roadshow, Robotik- Programme, Game-Design, program- wie Alphabetisierungskurse, spezielle dien inklusive Katalogisaten, aber auch mierbare 3D-Drucker oder YR-Brillen Dienstleistungen für Schulen oder der Bezug von anderen Produkten und stehen vom Newcomer bis zum Tech- E-Learning-Angebote. Dienstleistungen sind üblich. Alle auf nik-Nerd jeder Altersgruppe und für der SAE-Reise besuchten Bibliotheken jedes Kompetenzlevel offen. Sponso- Zentralisierung als Pluspunkt kaufen ihre Medien zu einem sehr ho- ren wie der lokale Media-Markt, frei- hen Anteil ausleihfertig bei dem Bi- willige und Fab Labs unterstützen die Die Zentralbibliothek hat 16 Filialen. bliotheksdienstleister NBD Biblion ein. nichtbibliothekarischen Mitarbeiten- Ein wichtiger Teil ist das Erbringen Optimiert ist auch der Prozess der Aus- den. In Zusammenarbeit mit ande- von zentralen Dienstleistungen hin- leihe und Rückgabe durch RFID. «Das ren Partnern fokussiert die Biblio- ter den Kulissen. Unterstützung erhal- spart Ressourcen und schafft Kapazi- thek, neben den klassischen Medien, ten die Bibliotheken beispielweise in täten für andere Dienstleistungen», er- auf kompetenzfördernde Bildungsan- den Bereichen Marketing und Öffent- klärte Peter Kook, Bibliotheksdirektor gebote im Bereich der Aus- und Wei- lichkeitsarbeit, Personal und Organi- von Tilburg. terbildung, Persönlichkeitsentwick- sation, Bestandsmanagement und Me- lung und des lebenslangen Lernens: dienbezug sowie bei der Entwicklung lm ehemaligen Eisenbahn-Viertel «Buchstarts-Veranstaltungen, Kurse, von Innovation und neuen Angebo- vergleichbar mit denen der Migres- ten. Das Outsourcen von administrati- Inspiration, Schöpfung und Beteili- Klubschule, sind genauso zu fmden ven Tätigkeiten und der Bezug von Me- gung ist die Vision der Bibliothek: SAB/CLP INFO 01/18 26
reiche. Lokalisiert ist er ausserhalb, im • Connect people lokal und vor Ort zur ehemaligen Eisenbahn-Gelände in ei- Förderung des Austauschs und der ner «forbidden city area», die eher an Integration eine brachliegende Industrieoase er- • Place to be zum Wohlfühlen und als innert als an eine innovative Biblio- Ort der Freizeitgestaltung thek der Zukunft mit Werkstattcha- Entstehen soll eine offene Bibliothek. rakter. Gestartet wurde vor vier Jahren Lichtdurchf!utet und gläsern, die den ohne Bücher und mit dem Ziel, Men- Charmedes historischenEisenbahn-Vier- schen, Organisationen und Informati- tels und der traditionellen Textilindustrie onsquellen zusammenzubringen. Ent- architektonischund inhaltlich widerspie- wickelt hat sich ein dynamischer und gelt. Offen von 8 bis 24 Uhr für alle bíl- inspirierender Ort zum Treffen, Ent- dungsnahen und -fernen Brabanter. decken, Kreieren und Entspannen. In der Kennismakerij finden regelmäs- Bibliothek als Stadtentwicklerin sig Vorträge, Diskussionen und Prä- sentationen statt. Professionelle Bi- Die benötigten 30 Mio. Euro werden bliothekarinnen und Bibliothekare primär über Stiftungen und Fundrai- gibt es hier nicht. sing fmanziert, zu einem kleineren Teil • Die Zentralbibliothek in der Stadtmitte bie- tet mit einem Digital Lab Makerspace-Ange- bote an. (Foto: Walter Süess) _'(-. • De Kennismakerij •• im ehemaligen Eisen- bahn-Viertel ist das Versuchslabor für die 2018 neu ge- plante Bibliothek. (Foto: Christi Göth) «Alle Midden-Brabanter verdienen die Auch für bildungsferne Brabanter durch die Gemeinden. Von Vorteil ist, Chance, ein Teil der Gesellschaft zu so Kook, dass Bibliotheken als Instru- sein und die Möglichkeit, ihre Talente Peter Kook möchte aus der jetzigen «old ment der Städteplanung gesehen wer- entfalten zu können» Dazu braucht es fashioned» Bibliothek einen neuen Typ den und für Investoren attraktiv sind. Zugang zu Wissen, einen Ort zur Ko- Bibliothek schaffen. Sein Slogan: «Re- Das Prinzip bottom-up steht im Vor- Kreation, der Wissenproduktion, zum design, rebuild, renew und reduce the dergrund, aber auch der Ansatz, sich persönlichen Austausch, Möglichkei- old», um in einer sich verändernden auf die Leute zu konzentrieren, die et- ten zur aktiven Beteiligung sowie Ge- Gesellschaft die Rolle der Bibliothek was verändern und bewegen wollen. schichten, welche die Menschen be- neu zu definieren. Er umschreibt fünf Trotzdem können sich nicht alle Mit- wegen und ihre Phantasie anregen. Schwerpunkte: arbeitenden mit der neuen Rolle der Mit dieser Mission blickt die Biblio- • Empower people, um Menschen zu Bibliothek identifizieren. Fluktuation thek zuversichtlich in die Zukunft befähigen, an der Gesellschaft zu und Kündigungen sind nicht ausge- und hat innovative und grosse Pläne partizipieren schlossen. für das kommende Jahr: De Kennis- • Increase talents durch Zusammenar- makerij ist das Versuchslabor für die beit mit Kooperationspartnern Jasmin Leuze, 2018 neu geplante Bibliothek. Entwi- • Create new Know-how durch Ver- Bibliotheksbeauftragte Kanton Aargau ckelt wurde der Prototyp interdiszi- knüpfung von Medienbeständen und plinär durch unterschiedliche Fachbe- menschlichen Wissensträgern www.bibliotheekmb.nl SAB/CLP INFO 01/18 27
Und mittendrin ein wundersamer Garten SAB-Reise 2017, Bibliotheek Schiedam: Das Herzstück ist ein grüner Innenhof «Wenn du einen Garten und dazu noch eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen.» Diese Worte von Cicero wurde in der «ersten grünen Bibliothek der Niederlande», wie sich die Medio- thek in Schiedam nennt, ganz prak- tisch umgesetzt. Mit der politischen Absicht, einen Bei- trag zur Wiederbelebung des Zentrums des Städtchens zu leisten, wurde die Bi- bliothek im Juni 2015 eröffnet. Sie be- findet sich in einem Gebäude, das aus dem Jahr 1792 stammt und zu den Denkmälern der Schiedamer Gin-In- dustrie gehört. Die ehemalige Getreide- börse (Korenbeurs) besass ursprünglich einen offenen Innenhof. Dieser ist von einem gewölbten Laubengang umge- ben. Erst im 20. Jahrhundert wurde das Atrium mit einem Glasdach überdeckt. Wenn man heute durch die grosse Holz- tür in den Innenhof tritt, befindet man sich unvermittelt in einem wundersa- men Garten mit verschiedenen Palmen, Bäumen, Sträuchern und Kräutern. Die Sonnenstrahlen, die durchs Glasdach ihren Weg ins Innere suchen, wärmen an diesem eher kühlen Septembermor- gen nicht nur den Körper, sondern auch • Die ehemalige Getreidebörse besass ursprünglich einen offenen Innenhof, der im 20. Jahrhundert mit das Herz. Sie verstärken mein Gefühl, einem Glasdach überdeckt wurde. (Foto: Maja Mores) mich in einer Wohlfühloase befinden. Dass es in diesem Raum im Sommer Ein Kubus, aus dem Pflanzen wachsen, in das klassische Gebäude ein. Hier fin- heiss und im Winter kühl sein kann, dient als Zeitschriften-Gestell. Wer sich den die verschiedenen Benutzergruppen wie uns erklärt wird, ist gut vorstellbar. völlig entspannen will, legt sich am bes- ihre Medien. In der gemütlichen Kinder- ten auf eine der zwei bequemen, kunst- eçke, die mit Spielsachen einladend ein- grasbedeckten Sonnenliegen, schaut gerichtet ist, fühlen sich die Kleinen so- Bibliothekar oder Gärtner? dabei in den Himmel und hört über fort zuhause. Neben der Medienausleihe Lässig und fröhlich zwischen Eingang Kopfhörer ein Musikstück, das aus der bilden verschiedene Aktivitäten und Be- und den Stufen zum Garten sitzt der Niederländischen Musikbibliothek ge- gegnungsmöglìchkeiten den Schwer- Bibliotheksleiter Jan van Bergen auf streamt werden kann. Eine gute Tasse punkt der Arbeit dieses neuen Hauses, einem Barhocker an der Infothek und Kaffee gibt es in der einladenden Cafe- das sieben Tage die Woche geöffnet ist. heisst uns willkommen. Auf dem Bo- teria gleich links vom Eingang. Die Schiedamer dürfen mit Recht. stolz den direkt neben ihm steht die grüne sein auf ihre einzigartige Gartenbiblio- Giesskanne, die in diesem Garten nicht thek. Sie erreichte dieses Jahr den zwei- Gibt es auch Bücher? fehlen darf. In der Mitte lädt der grosse, ten Platz im Niederländischen Ranking hölzerne Lesetisch zum Zeitungslesen Ja natürlich! In den Arkaden rund um der besten Bibliotheken. Aber unter uns ein. Auffallend ist der ungewöhnliche den Garten befindet sich auf zwei Eta- gesagt: «Ik vind de Bibliotheek Schiedam Leuchter, der aus unzähligen Gin-Glä- gen die Sammlung. Die Gestelleund Kis- de beste van Nederland. - Jij ook?» sern konstruiert wurde, entworfen von ten aus recyceltem Industriekarton, zu- Rob Brujzeels. Er war mit seinem Team sammengehalten von orangefarbenen Annemarie Pfister-Burgherr, vom Ministry of Imagination für die Spanngurten, nehmen die Geschichte Mitglied SAE Regionalvorstand Planung dieser Bibliothek zuständig. des Orts auf und passen sich harmonisch Deutschschweiz SAB/CLP INFO 01/18 29
Imposanter Bau, gemütliches Ambiente SAB-Reise 2017, Het Eemhuis, Amersfoort: gebaut aus Eiche, Glas, Sichtbeton - und genopptem Metall Weil für den Neubau der Bibliothek nicht weniger staunen. Ein lichtdurch- in der Altstadt Amersfoorts kein Platz fluteter Raum, in dem mir zunächst vor vorhanden war, wurde sie Teil eines allem die vielen Arbeitsplätze auf den Stadtplanungsprojekts auf dem neu ansteigenden Stufen und das helle Holz zu gestaltenden Eemplein. Rund um der Böden und der Regale ins Auge den weiten und lebendigen Platz sind stachen. ein Lebensmittelladen, ein Kinokom- plex und der Media Markt die Nach- Für Menschen, nicht für Bücher barn des Het Eemhuis. Die Bibliothek gebaut teilt sich das futuristisch anmutende Gebäude mit verschiedenen Kooperati- Über die breite Treppe gelangten wir onspartnern. nach ganz oben, wo der dreieckige Innenraum in einem Spitz zusam- menläuft und sich das Bistro befin- Es ist wohl vielen Leserinnen und Le- det. Bis dorthin hatte sich jede und sern bekannt, dass Bibliotheken in jeder aus unserer Gruppe schon einen den Niederlanden keine Stiefkinder ersten Überblick verschafft, und zu sind. Das zeigt sich an ihren zentra- einem ausgezeichneten Kaffee durf- len Standorten, den oft imposanten ten wir der Einführung des Biblio- Gebäuden und nicht zuletzt auch an theksleiters lauschen. Neben Eiche den Zahlen, seien das fmanzielle Mit- wurden Sichtbeton und Glas für den tel, Bibliotheksbesucher oder die An- Bau eingesetzt; die Decke im gros- zahl Anlässe. Wir näherten uns dem sen zentralen Raum glitzert feierlich, Het Eemhuis über den neuen Platz, und weil sie aus dem erwähnten genopp- wie automatisch griff ich zu meinem ten Metall besteht. Die vielen und vor- Smartphone, um die Fassade mit ihren bildlich ausgestatteten Arbeitsplätze grob genoppten, metallenen Überbau- gewähren einen guten Blick in den ten zu fotografieren. Die ersten Schritte Raum. Sie werden auf ihrer Vorder- innerhalb des Gebäudes liessen mich seite im Erdgeschoss als Reservations- • Auch der Autor des Artikels griff wie automatisch zu seinem Smartphone, um die Fassade mit ihren • Die vielen und vorbildlich ausgestatteten Arbeitsplätze gewähren' grob genoppten, metallenen Überbauten zu fotografieren. (Foto: Jasmin Leuze) 30 SAB/CLP INFO 01/18
gestell zur Selbstbedienung und wei- massiver Eiche, erzeugt nämlich zu- ter oben als Bücherregale genutzt. Die sammen mit den Büchern eine warme restlichen Medien sind rund um die- und wohnliche Stimmung. Allerdings sen Raum in den Galerien und einem fehlt jegliche Flexibilität: Weder die weiten Raum aufgestellt. Dort konnte Regale noch die Kinosessel im Ver- es einem ob der vielen und vollen Re- anstaltungsraum lassen sich verschie- gale auch etwas eng vorkommen, al- ben. Offenheit und Beweglichkeit ge- lerdings fmden sich im ganzen Ge- hören trotzdem ins Het Eemhuis, denn bäude Sitz- und Liegegelegenheiten die Bibliothek teilt sich das Gebäude für Jung und Alt. Wünscht man sich mit drei kleineren Geschwistern, was für sein Zuhause frischen Wind, ste- dem Innenleben zusätzliche Lebendig- hen auch Gemälde mit Rahmen zur keit verleiht. Neben dem Museum für Ausleihe bereit. moderne Kunst im Erdgeschoss finden sich in den obersten beiden Stockwer- Kunstmuseum, Regionalarchiv ken das kleine Regionalarchiv und die und Musikschule Kunst- und Musikschule, zu welcher ebenfalls ein Café mit Zugang zur be- Neben der Hauptstelle gibt es im Kreis grünten Dachterrasse gehört. Amers- Amersfoort zwei kleinere Zweigstel- foort war fürs Auge ein Besuch wert; len und in der Region Eemland vier ob die Bibliothek auch durch inno- weitere Bibliotheken. Im Het.Eemhuis vative Projekte überzeugt, lässt sich rechnete die Bibliotheksleitung mit nach diesem Rundgang nur schwer sa- rund 450 000 Besuchern pro Jahr, was gen. So oder so ist klar, dass die Be- aber um mehr als das Doppelte über- völkerung das Het Eemhuis ins Herz troffen wurde. Offenbar zogen der im- geschlossen hat. posante Bau und das gemütliche Am- biente sehr viele Neugierige und vor Lukas Hefti, allem Wiederholungsbesucher an. Das Bibliotheksbeauftragter Mobiliar, vieles davon ebenfalls aus Kanton Thurgau :n guten Blick in den Raum. (Foto: Jasmin Leuze) • Statt der erwarteten 450000 Besucherinnen und Besucher pro Jahr kommen mehr als doppelt so viele - auch junge, wie ein Blick in die Kinderabteilung zeigt. (Foto: Christi Göth) SAB/CLP INFO 01/18 31
Ein Bücherberg mit einer Mission SAB-Reise 2017, De Boekenberg, Spijkenisse: Eine Bibliothek zum Staunen Die äussere Hülle der Bibliothek von Spijkenisse ist einer Scheune nach- empfunden, wie sie in den alten nie- derländischen Dörfern üblich waren. Hier traf man sich, um landwirt- schaftliche Produkte einzulagern, um zu handeln - und sicher auch, um zu tratschen. Ein lebendiges Bild für eine Bibliothek! Aus der Scheune wurde ein architektonischer Hingucker. Das wünschte man sich in der Gemeinde Spíjkenisse in der Nähe von Rotterdam, als sie vor einigen Jahren in einer na- tionalen Umfrage zur unbeliebtesten Wohngemeinde des Landes erkoren wurde: Etwas Verbindendes und Schö- nes musste her, etwas Besonderes. So kam man auf eine neue Bibliothek, dort, • Die Bücherregale wo früher die Dorfscheune gestanden formen einen Berg: hatte, als SpijkenissesBevölkerung noch Spiralförmig schrauben kleiner als die heutigen 80000 Einwoh- sich die Bestände bis nerinnen und Einwohner war. zur Spitze nach oben. (Foto: Jasmin Leuze) Ein Stararchitekt am Werk einen Wärmespeicher enthält. Der ganze bliothek von Spijkenisse ist gleichzei- Beauftragt mit dem Bau wurde der Ar- Bau ist ökologisch ausgeklügelt - bis auf tig eine Dorfscheune, ein Glashaus, ein chitekt Winy Maas, der heute mit sei- die Glashülle. Ihre Reinigung ist eine Bücherberg und eine Pyramide. Etwas nem Büro MVRDVzu den Topshots sei- mehrtägige Prozedur, für die nachträg- viele Metaphern, zum Teil auch wider- ner Zunft zählt. Die Idee der Scheune lich ein Gerüst mit Leitern angebracht sprüchlich. Die Bibliothekwirkt für mich nahm er mit der Glashülle auf. Innen wurde. Vieles ist im Berginnern verbor- jedenfalls älter als fünf Jahre, das Kon- drin aber steht de Boekenberg - der Bü- gen. Büros, Sitzungszimmer, Räume für zept wie aus einer früheren Zeit. cherberg, der eine Bibliothek ist. Hier Lesungen, Workshops und die Koope- gilt «inside out»: Was normalerweise in- rationspartner: Schachclub, Umwelt- Eine lebendige Bibliothek - trotz nen ist, ist aussen, die Bücherregale for- schutzbehörde und Denkmalpflege sind der Architektur men den Berg.Erschlossenwird er durch regelmässig fürs Publik.um da. Es gibt Treppen, Gänge und Plätze, die eben- ein Café, der Bücherberg lässt sich für Im Vordergrund steht die Architektur. falls an der Aussenseiteliegen. Spiralför- Anlässe mieten. Bald soll ein italieni- Aber die Bibliothek Spijkenisse ist trotz- mig schrauben sich die Bestände bis zur sches Restaurant im Parterre einziehen. dem sehr lebendig! Bei unserem Besuch Spitze nach oben. Wer genau hinschaut, wuselt der Bücherberg vor Besucherin- erkennt, dass nur in der normalen Regal- ... oder doch eine Pyramide? nen und Besuchern, viele Räume sind höhe aktuelle Bestände stehen. Der Rest offen und genutzt. Das Programm zum ist Deko: ausgeschiedeneBücher, die un- Mit dem spiralförmigen Aufbau und den Fünf-Jahre-Jubiläum ist umfangreich ter Lichteinfluss schon bläulich wurden. verborgenen Kammern, die bei geschlos- und bunt. Über 100 Freiwillige enga- Der Bücherberg ist fünf Jahre alt. senen Türen gut getarnt sind, hat das gieren sich für ihre Bibliothek, mit Schu- Ganze etwas von einer Pyramide. So- len arbeitet man eng zusammen. Und die Der Bücherberg als Glashaus... gar der Lift fügt sich so diskret ein, dass Besucherzahl steigtjährlich, 2016 waren er erst beim zweiten Hìngucken sichtbar es schon fast 190000. Also hat sich der Staunend bleibt man am Eingang ste- ist. Rätselhaft wirkt der Bücherberg, la- Wunsch der Gemeinde erfüllt: Der Bü- hen. Das Gerüst des Bücherbergs ist byrinthisch, massiv. Seltsam die vielen cherberg ist eben doch eine Dorfscheune! schwarz, rezyklierte Blumentöpfe bil- weissen Gipsfiguren, die überall in den den das Material für die Regale. Dahinter Regalen verteilt sind. Zur optischen Auf- Christi Göth, Winterthurer Bibliotheken, erkennt man roten Ziegel, der wiederum lockerung bei all der Strenge? Die Bi- Marketing und Kommunikation SAB/CLP INFO 01/18 32
Interaktion· ist nicht nur Lippenbekenntnis SAB-Reise 2017, Bibliothek De Krook, Gent: Kultur-, Kompetenz- und Innovationszentrum Nach zehnjähriger Planung öffnete im Michaël Borremans - eines einheimi- für Nano- und Mikroelektronik), die Frühjahr 2017 die ultramoderne Bi- schen zeitgenössischen Künstlers - ein- Universität Gent sowie der Lokalsender bliothek De Krook in Gent ihre Tore, zulassen; sich im Café ohne reizüberflu- Urtgent.fm gemeinsam Dienstleistun- entworfen und gebaut von den preis- tende Kulisse angeregt auszutauschen; gen an, entwickeln Neues. Durch diese gekrönten Architekturbüros Coussee sich mit Gleichgesinnten in den Kreativ- fruchtbare Zusammenarbeit gewinnt 8: Goris (Flandern) sowie N RCR Ar- labors mit Innovationen und Technolo- die Bibliothek an Stellenwert, wird qu itectes (Katalonien). Nebst zukunfts- gien wie 3D-Druck und Virtual Reality gleichsam zum «Balkon der Stadt». weisender Teclmologie punktet dieses zu beschäftigen; sich in lernfreundlicher Trotz sorgfältiger, grosszügiger und architektonische Kunstwerk als Ort der Umgebung dem Studium zu widmen; zukunftsgerichteter Planung und ent- Begegnung, Vernetzung und Innovation sich vom vielfältigen Veranstaltungs- sprechender Konzepte bestätigte der - die neue Landmark in Gent! und Schulungsangebot im Mehrzweck- Direktor des De Krook, dass sie noch raum bereichern zu lassen; sich beim mit einigen Problemen zu kämpfen ha- Stöbern in auffallend niedriger Ge- ben: Ein Teil des Personals hat sich Das monumentale Gebäude, welches das räuschkulisse von den Medien in halb- trotz intensiver Schulung noch nicht historische Zentrum mit dem Kunstvier- hohen, flexiblen Regalen ansprechen zu mit der neuen Vermittlungsrolle an- tel verbindet, empfängt die Besucher be- lassen ... Beeindruckend ist, wie die per- gefreundet; die elektronische Bücher- reits im Eingangsbereich mit riesigen sonalisierten Printbestände dem Kunden transportanlage steigt aus unerfindli- Flatscreens, auf denen grafisch opti- - unter anderem über Touchscreens an chen Gründen immer wieder aus; die mal aufbereitete Inhalte (Veranstaltun- den Regalen - zugänglich gemacht wer- WC-Anlagen sind viel zu klein konzi- gen, Kurzinformationen des Hauses/der den: Mittels Antippen von Alterskatego- piert; die Infrastruktur (Arbeitsplätze, Region, Empfehlungen usw.) angezeigt rie, Geschlecht, Ausbildungsstand, Genre Steckdosen, PC usw.) hält dem Besu- und in die sozialen Medien eingebunden usw. wird einem eine Auswahl auf sich cheransturm kaum stand - statt der er- werden; die Interaktion mit den Kun- zugeschnittener, verfügbarer und nach warteten 3 500 Besucherinnen und Be- den ist hier nicht nur Lippenbekenntnis. Aktualität geordneter Titel angeboten. sucher pro Tag kommen aktuell doppelt Die persönliche Hilfestellung durch die so viele-; das Leitsystem im Gebäude Wegweisendes Bibliotheks- Bibliothekarinnen bei der Mediensuche muss optimiert werden; die partner- ist aber trotzdem gewährleistet. schaftliche Zusammenarbeit steht auf konzept wackligen Beinen, sprich: muss inten- Die ruhig gehaltene Farbskala in den Partnerschaftliche Zusammen- siviert werden ... Fazit: eine wegwei- hallenartigen Räumlichkeiten - beìge-, arbeit sende Bibliothek mit Kinderkrankhei- braunfarbene Töne überwiegen - wir- ten, für die es aber Rezepte gibt! ken anfänglich etwas düster und befrem- Unter dem Dach des De Krook bieten dend, schaffen aber genau die richtige neben der Stadtbibliothek auch das Benita Imstep], Atmosphäre, um sich auf die Kunst von IMEC (Flämisches Forschungszentrum Mediathck. Wallis - Brig • Das monumentale Gebäude verbindet das historische Zentrum mit dem Kunstviertel. (Foto: Jasmin Leuze) SAB/CLP INFO 01/18 33
Mit wenig Geld viel erreicht SAB-Reise 2017, Stadtbibliothek Gouda: in der ehemaligen Chocolade Fabriek • Auf der grossen Holzsitztreppe, die in den oberen Stock führt, steht ein Schild: «Warnung: Kinder, die hier herumspringen, werden an.den Zirkus verkauft.» (Foto: Jasmin Leuze) ln der Käsestadt wird Gastfreundschaft können auch ein Abendessen mit einen Menschen. Die Buchsicherung wurde gross geschrieben und ein erfolgrei- guten Glas Wein eingenommen oder lo- abgeschafft, Regeln gibt es so wenige cher Mix aus alten und neuen Biblio- kale Spezialitäten gekauft werden. wie nötig und nur positiv formulierte. thekstugenden praktiziert. Auf der grossen Holzsitztreppe, die in Aus der Not eine Tugend gemacht den oberen Stock führt, steht ein Schild: «Warnung: Kinder, die hier herumsprin- Wir treffen am Mittag in der ehemali- Vor einigen Jahren wurden der Biblio- gen, werden an den Zirkus verkauft» gen Schokoladenfabrik in Gouda ein. thek 50 Prozent der Mittel gekürzt. In- Links hinter dem Eingang wartet eine folgedessen musste diese ihr Konzept Hauseigenes Radiostudio lange gedeckte Tafel aus schönen al- grundlegend anpassen. Die Folge wa- ten Holzbrettern auf uns, wo wir mit ren die Schliessung der Hauptbibliothek In der oberen Etage befmden sich nebst Käse- und Fleischplatten, knusprigem und der drei Filialen und die Eröffnung den Sachbüchern das Stadtarchiv und Brot und der traditionellen Buttermilch einer neuen, zentralen Bibliothek, die eine Druckwerkstatt, wo handwerkli- verköstigt werden. Wir fühlen uns so- 2015 zur besten niederländischen Bi- che Druckerzeugnisse hergestellt wer- fort willkommen. In der Stadtbibliothek bliothek gewählt wurde. Mit minima- den können. Eine Lokalradiostation gehen Restaurant und Bibliothek naht- len Mitteln wurde in der alten Scho- sendet mehrmals pro Woche aus dem los ineinander über, vermischen sich koladenfabrik aus den 1970er-Jahren hauseigenen Studio. Es wird mit Ver- sogar. Die Atmosphäre ist daher quir- eine attraktive Bibliothek eingerichtet, einen und Organisationen zusammen- lig und lebendig, aber nicht unange- die vor Leben nur so sprüht. Geschickt gearbeitet, Workshops und Litera- nehm laut; die ruhigeren Ecken sind im wurde bei der Einrichtung mit dem in- cy-Programme werden durchgeführt, Obergeschoss zu finden. Direkt hinter dustriellen Look gespielt, ohne dass das Roboter programmiert oder im Sommer den Restauranttischen befinden sich die Ganze auch nur im entferntesten kühl ein Gartenfest oder ein Open-Air-Kino Rückgabestationen, an denen die Kun- wirkt: Die Buchpräsentationsmöbel be- mit Bierbänken vor der Bibliothek or- den ihre Medien selber zurückbuchen stehen aus übereinandergestapelten Pa- ganisiert. Und trotzdem steht das Buch und anschliessend verkehrt herum in lettenböden, die Restaurantstühle sind als Basis von Wissen und Kreativität im hübsche, hinten offene Regale stellen. zusammengewürfelt, und die Arbeitska- Zentrum. Inspirieren, Partizipieren und Von der Eingangsseite gesehen, ergibt binen im Obergeschoss sind umgebaute Kreieren sind hier nicht nur Schlag- dies eine inspirierende Sammlung von Schiffscontainer mit eingesetzten Glas- worte. Man spürt, wie nah bei der Be- eben zurückgegebenen Medien, die di- wänden. Doch alles an dieser Biblio- völkerung diese Bibliothek ist. rekt wieder ausgewählt werden können. thek wirkt einladend. Die Gastfreund- Die Zeitschriften laden zum gemütlichen schaft zieht sich durch das ganze Haus, Barbara Nabulon, Lesen bei Kaffeeund Kuchen ein, aber es der Grundsatz ist: Wir vertrauen den Kornhausbibliotheken Bern 34 SAS/CLP INFO 01 /18
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