MEHR FRAUEN IN DIE PARLA-MENTE! - Informationen über und Argumente für Paritätsgesetze in Bund und Ländern - Deutscher Frauenrat

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MEHR
FRAUEN
IN DIE
PARLA-
MENTE!
Informationen über und Argumente für
Paritätsgesetze in Bund und Ländern
IMPRESSUM                                   EDITORIAL

                                            Das aktive und passive Wahlrecht wurde          die Bundestagswahlen. Diese Gelegenheit
                                            den Frauen vor 100 Jahren nicht geschenkt,      muss jetzt genutzt werden. Aber dafür müs-
                                            es wurde hart erkämpft. Heute wird es als       sen Kräfte aus Politik und Zivilgesellschaft
                                            Meilenstein in der Demokratieentwicklung        gebündelt werden – denn nur gemeinsam
                                            gewürdigt. Es ermöglichte, allgemeine und       wird Parität in Politik und Parlamenten zu
                                            gleiche Wahlen abzuhalten – am 19. Januar       erreichen sein.
Herausgeber                                 1919 zur verfassungsgebenden National-              Mit dieser Handreichung stellt der Deut-
Deutscher Frauenrat                         versammlung in Weimar.                          sche Frauenrat seinen Mitgliedsverbänden
Lobby der Frauen in Deutschland e.V. (DF)
                                                Pünktlich zum Jubiläum von 100 Jahren       und anderen MultiplikatorInnen aktuelle
Axel-Springer-Str. 54a
10117 Berlin
                                            Frauenwahlrecht hat im Januar 2019 der          Informationen und Hintergrundwissen zur
                                            Landtag in Brandenburg als erstes Parla-        Verfügung, stellt Argumente pro und kon-
Verantwortlich für den Inhalt               ment in Deutschland ein Parité-Gesetz           tra zu gesetzlichen Regelungen vor und
Dr. Anja Nordmann                           verabschiedet. Das Gesetz schreibt vor,         macht konkrete Vorschläge für Initiativen
                                            die Wahllisten zur Landtagswahl künftig         und Aktionen pro Parität vor Ort. Die Bro-
Autorinnen
                                            abwechselnd mit Frauen und Männern zu           schüre wurde in Kooperation mit der EAF
Dr. Helga Lukoschat
Stefanie Lohaus                             besetzen.                                       Berlin entwickelt, die seit vielen Jahren zum
Cécile Weidhofer                                Die Einführung von Paritätsgesetzen         Thema aktiv ist und von der Bundeszentra-
                                            wird in späteren Zeiten auch als histori-       le für politische Bildung gefördert.
EAF Berlin                                  scher Einschnitt gewürdigt werden. Denn             An dieser Stelle ein besonderer Dank an
Schumannstr. 5
                                            100 Jahre nach Einführung des Frauenwahl-       die Beteiligten für die Zusammenarbeit, die
10117 Berlin
                                            rechts geht es darum, die tatsächlich noch      dieses Vorhaben ermöglicht hat.
Redaktion                                   fortwirkende, strukturelle Benachteiligung
Elke Ferner                                 von Frauen in der Politik zu überwinden.
Sheyda Weinrich                                 Nach wie vor ist die Politik eine männ-
                                            lich geprägte Welt. Bis heute waren in noch
Deutscher Frauenrat
                                            jedem deutschen Parlament Männer in der
Lektorat                                    Mehrheit – und zwar flächendeckend, im
Gabi Kämpken                                Bundestag und in den Landtagen. Zuletzt
                                            gingen die Frauenanteile im Bundestag
Grafikdesign
                                            und zahlreichen Länderparlamenten sogar
Lisa Klinkenberg
                                            wieder zurück. Und selbst Angela Merkel
Druck                                       sagt heute: „Eine Kanzlerin macht noch kei-
Druckerei Conrad                            nen Sommer.“
                                                Seit über zehn Jahren wird in Deutsch-
Erscheinungsdatum                           land bereits über Parité- beziehungsweise
Mai 2019
                                            Paritätsgesetze für die Politik diskutiert.
Gefördert durch die
                                            Doch erst jetzt eröffnet sich für den Bundes-
                                            tag, wie auch für einige Länderparlamente,
                                            aufgrund der politischen Konstellationen,
                                            ein historisches Zeitfenster. Dazu gehört
                                            auch die anstehende Wahlrechtsreform für

                                                                                                                                       3
INHALT                                                                                                            MEHR FRAUEN IN DIE
                                                                                                                  PARLAMENTE – WORUM
                                                                                                                  GEHT ES?
WORUM GEHT ES? .           . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5     Es geht nicht um eine Quote,       In Deutschland wird derzeit heftig über       bestehen. Und dies gilt im Jahr 2019 eben
                                                                               sondern um eine paritätische,      ein Paritätsgesetz diskutiert. Das bran-      auch für die Politik. Die entscheidende Fra-
                                                                               im besten Fall tatsächlich hälf-   denburgische Landesparlament hat Ende         ge ist also, wie nicht nur Chancengleichheit,
DIE AKTUELLE SITUATION
                                                                               tige Verteilung von Frauen und
                                      . . . . . . . . . . . . . . . . . .9                                        Januar 2019 die Einführung eines solchen      sondern tatsächliche Gleichberechtigung
                                                                               Männern in den Parlamenten
                                                                                                                  Gesetzes auf Landesebene beschlossen.         erreicht werden kann.
                                                                               und kommunalen Vertretungen!
                                                                                                                  Der Grund ist die konstante Unterreprä-           Sicherlich hat die Unterrepräsentanz
                                                                                                                  sentanz von Frauen in der Politik. Andere     von Frauen in Parteien und Parlamenten
DER EINFLUSS DES WAHLRECHTS .                       . . . . . . . . . . 12
                                                                               Als 2019 in Brandenburg ein
                                                                               Parité-Gesetz verabschiedet        Staaten haben eine solche Regelung schon      viele Gründe. Es spielen historische, soziale
                                                                               wurde, wurde damit auf den         lange eingeführt: In Frankreich etwa wur-     und wirtschaftliche Faktoren eine Rolle, wie
                                                                               französischen Begriff Bezug        de bereits 2001 das Loi sur la parité – das   die Rollenbilder und die Aufgabenteilung
BRANDENBURG: DAS ERSTE DEUTSCHE                                                genommen. Inhaltlich können
                                                                               Parité und Parität synonym ver-
                                                                                                                  Gesetz für die Parität – verabschiedet. Auf   zwischen den Geschlechtern und ihre un-
                                                                                                                  Grundlage einer vorangegangenen Verfas-       terschiedlichen zeitlichen und materiellen
PARITÄTSGESETZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        . . . . . 14     wendet werden.
                                                                                                                  sungsergänzung gewährleistet es Frauen        Ressourcen. Da Frauen jedoch hinsichtlich
                                                                               Die Parteien haben grundge-        und Männern nun den „gleichen Zugang zu       Bildung, Qualifikation und politischem In-
                                                                               setzlich geschützte Rechte         Wahlämtern und Mandaten“.                     teresse längst mit den Männern gleichge-
PARITÄT BEI DIREKT- UND LISTENMANDATEN .                              . 17     (Artikel 21 GG). Doch damit ist        Von Beginn an ging es dabei um „Ega-      zogen haben, geraten zunehmend die poli-
                                                                               auch eine große Verantwortung      lité“, also die Gleichheit der Staatsbür-     tisch-institutionellen Rahmenbedingungen
                                                                               für die Demokratie verbunden.
                                                                                                                  gerInnen, nicht nur in Bezug auf gleiche      in den Blick und mit ihnen das Wahlrecht
                                                                               Parteien können sich nicht da-
GLEICHE CHANCEN?                                                               mit rechtfertigen, dass sie mehr
                                                                                                                  Rechte und Pflichten, sondern auch auf        und die Parteien.
                                                                                                                  gleiche Teilhabe. Frauen sind die Hälfte          Die Parteien tragen durch ihr Vorgehen
BARRIEREN FÜR FRAUEN IN DER POLITIK
                                                                               männliche als weibliche Mit-
                                                                . . . . 19     glieder haben. Sie müssen sich     der Bevölkerung und wie Männer in allen       bei der Anwerbung, Förderung und No-
                                                                               vielmehr fragen, warum das so      sozialen und gesellschaftlichen Gruppen       minierung von KandidatInnen ganz ent-
                                                                               ist und was sie dagegen tun        und Schichten vertreten – deshalb müssen      schieden dazu bei, welche Chancen Frauen
DER WEG ZUM FRANZÖSISCHEN                                                      können. Auch umgekehrt wür-
                                                                               de es Fragen zur Gleichberech-
                                                                                                                  sie auch die gleichen Chancen haben, auf      und Männer jeweils haben. Einige Parteien
                                                                                                                  politische Entscheidungen Einfluss zu neh-    haben darauf reagiert und Frauen- bezie-
PARITÄTSGESETZ . . . . . . . . . . . . .        . . . . . . . . . . . . 21     tigung der Geschlechter auf-
                                                                               werfen, wenn über Jahrzehnte
                                                                                                                  men. Das französische Gesetz bezieht sich     hungsweise Geschlechterquoten in unter-
                                                                               hinweg Frauen mit übergroßer
                                                                                                                  auf alle Ebenen, kommunale, regionale, na-    schiedlicher Höhe und Verbindlichkeit in
                                                                               Mehrheit in den Parlamenten        tionale und europäische, und wurde fortlau-   ihren Satzungen verankert. Die Parteien,
MEHR DEMOKRATIE WAGEN                     . . . . . . . . . . . . . . . . 25   über die politischen Geschi-       fend weiterentwickelt (mehr auf Seite 21).    die hier am konsequentesten vorgehen,
                                                                               cke in diesem Land bestimmt            Doch warum benötigen wir Paritätsge-      zeichnen sich auch durch höhere Frauen-
                                                                               hätten.                            setze auch in Deutschland? Auch 70 Jahre      anteile an der Parteibasis und bei der Äm-
                                                                                                                  nach der Verankerung des Gleichberechti-      terverteilung aus.
DIE VERFASSUNGSRECHTLICHE DEBATTE                               . . . . 27                                        gungsartikels 3 (2) im Grundgesetz („Män-         Bei den Mandaten können parteiinter-
                                                                                                                  ner und Frauen sind gleichberechtigt.“)       ne Regelungen jedoch nur für Wahllisten,
                                                                                                                  und trotz der Ergänzung des Artikels 3 (2)    nicht aber für Direktmandate bestimmt
INITIATIVEN FÜR PARITÄT IN                                                                                        Satz 2 („Der Staat fördert die tatsächliche   werden. Der Rückgang der Frauenanteile
                                                                                                                  Durchsetzung der Gleichberechtigung von       im Bundestag wie auch in zahlreichen Län-
DEN BUNDESLÄNDERN . . . .                 . . . . . . . . . . . . . . . 30                                        Frauen und Männern und wirkt auf die Be-      derparlamenten zeigt, dass die freiwilligen
                                                                                                                  seitigung bestehender Nachteile hin.“) vor    Selbstverpflichtungen von Parteien nicht
                                                                                                                  25 Jahren, bleiben weiterhin strukturell      ausreichen. Parteiinterne Quoten, aber
WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN                              . . . . . . . . 31                                      bedingte Benachteiligungen für Frauen         auch Fördermaßnahmen, die der Selbst-

4                                                                                                                                                                                                          5
BISHER HAT
ermächtigung von Frauen dienen sollen,             Deswegen gilt: Niemand muss vor dem
                                                                                                NOCH KEIN
                                                                                              VERFASSUNGS-
wie etwa Mentoring- und andere „Em-             Vorwurf der Verfassungswidrigkeit zu-
powerment“-Programme, stoßen deshalb            rückschrecken. Bisher hat noch kein Ver-
an Grenzen. Auch wenn sie weiterhin sinn-       fassungsgericht über ein demokratisch
voll bleiben, um Frauen für das parteipoliti-   verabschiedetes Paritätsgesetz geurteilt.
sche Engagement zu gewinnen, zu stärken         Schließlich hat jeder demokratisch legiti-

                                                                                              GERICHT ÜBER
und vor allem zu vernetzen.                     mierte Gesetzgeber das Recht, Neuland
    Paritätsgesetze sind ein effektives         zu betreten, wenn es gesellschaftliche
Mittel, um zu erreichen, dass Frauen glei-      Veränderungen und Handlungsbedarfe
chermaßen an politischer Machtausübung          notwendig machen. Wäre es anders, wäre
beteiligt sind und ihre Interessen, Sicht-      Politik zum Stillstand verdammt.

                                                                                                   EIN
weisen und Erfahrungen in die Gesetz-
gebung einbringen können. Wobei diese
Interessen und Sichtweisen – je nach
parteipolitscher Zugehörigkeit und welt-
anschaulicher Überzeugung – durchaus

                                                                                              DEMOKRATISCH
unterschiedlich sein können und dürfen.
Frauen sind wie Männer keine politisch
oder sozial einheitliche Gruppe. Dies ist
aber kein Argument gegen ihre gleichbe-
rechtigte Vertretung in der Politik, im Ge-

                                                                                                 VERAB-
genteil. Denn bei aller Unterschiedlichkeit
von Frauen ist das Geschlecht nach wie vor
ein soziales Merkmal, das die Zugänge zu
Macht, Ressourcen und Lebenschancen
beeinflusst.

                                                                                               SCHIEDETES
    Sehr oft ist zu hören, Paritätsgesetze
im Allgemeinen und auch das Branden-
burger Gesetz im Besonderen seien ver-
fassungswidrig. Die BefürworterInnen der
Regelung berufen sich jedoch auch auf

                                                                                             PARITÄTSGESETZ
die Verfassung, und zwar auf die bereits
1994 verabschiedete Ergänzung von Ar-
tikel 3 (2) Satz 2 GG. Das Gleichberechti-
gungsgebot, das auch als aktiver Auftrag
an den Staat verstanden werden müsse,

                                                                                                GEURTEILT.
habe genügend Gewicht, um Eingriffe in
die gleichfalls grundgesetzlich geschützte
Parteienfreiheit (Artikel 21 GG) und die
Wahlrechtsgrundsätze (Artikel 38 GG) zu
rechtfertigen.

6
WIR SIND DIE HÄLFTE
    REGELUNGEN DER PARTEIEN                                                                                            DER PROZENTE –
    UND FRAUENANTEILE                                                                                                  DIE AKTUELLE SITUATION

    Bündnis 90/Die Grünen                                     Frauenanteil in der CSU (2017): 21 Prozent               Bis in die 1980er-Jahre hinein betrug der     Doch zurück zum Bund und den
    Frauenanteil im Bundestag (2019): 58 Prozent              CSU: Keine verbindliche Regelung für die Quotierung      Anteil der weiblichen Abgeordneten im         Ländern: Worauf sind die
    Frauenanteil in der Partei (2017): 40 Prozent             von Listenplätzen. Auf Landes- und Bezirksebene sol-     Bundestag unter zehn Prozent – und ent-       Rückgänge zurückzuführen?
    Umfangreiche Regelungen wurden im Frauenstatut            len 40 Prozent der Parteiämter an Frauen vergeben        sprach damit den Anteilen in der Weima-
    bei der Parteigründung 1979 festgelegt. Darunter: Min-    werden (siehe Satzung der CSU, § 8A).                    rer Republik kurz nach der Einführung des     • Mit der AfD ist eine Partei in den Bundes-
    destens die Hälfte aller Mandate und Parteiämter sol-                                                              Frauenwahlrechts! In der ersten frei ge-        tag und in zahlreiche Länderparlamente
    len weiblich besetzt sein. Frauen bekommen jeden un-      FDP                                                      wählten Volkskammer der DDR 1990 lag der        eingezogen, bei der der Anteil der männ-
    geraden Platz bei der Aufstellung von Wahllisten (siehe   Frauenanteil im Bundestag (2019): 24 Prozent             Frauenanteil bei 19,8 Prozent (Bundestag        lichen Abgeordneten bei rund 90 Prozent
    Frauenstatut von Bündnis 90/Die Grünen).                  Frauenanteil in der Partei (2017): 22 Prozent            1990: 16,9 Prozent).                            liegt.
                                                              Es gilt keine verpflichtende Quotenregelung. Auf ih-         Der erste Sprung hin zu mehr Frauen
    DIE LINKE                                                 rem Parteitag im April 2019 beschloss die FDP, zur Er-   erfolgte in Westdeutschland erst 1987.        • Doch auch bei der wieder in den Bundes-
    Frauenanteil im Bundestag (2019): 54 Prozent              höhung des Frauenanteils zwischen Bundesverband          Dies ist neben den allgemeinen gesell-          tag eingezogenen FDP liegt der Frau-
    Frauenanteil in der Partei (2017): 37 Prozent             und Landesverbänden Zielvereinbarungen abzu-             schaftlichen Veränderungen in erster Li-        enanteil bei lediglich 23,8 Prozent. Die
    Ämter, Mandate und Plätze auf Wahllisten sollen zu        schließen. Diese sollen regional differenziert verein-   nie auf die Einführung innerparteilicher        FDP lehnt bis heute selbst parteiinterne
    50 Prozent an Frauen vergeben werden. Auf Listen          bart werden und für verschiedene Funktionen, Ebe-        Quotenregelungen zurückzuführen. Doch           Quoten strikt ab. Hinzu kommt, dass SPD,
    stehen Frauen einer der ersten beiden Listenplätze        nen und Mandate Ziele für die Repräsentation von         die Anteile erhöhten sich nur langsam und       Grüne und Linke, die traditionell für hö-
    sowie im Folgenden die ungeraden Plätze zu (siehe         Frauen vorsehen (siehe Beschluss des 70. Ordentli-       zuletzt kehrte sich der Trend sogar um:         here Frauenanteile sorgen, bei der Wahl
    Bundessatzung der Partei DIE LINKE, § 10).                chen Bundesparteitags der FDP, 2019).                    Mit der Wahl 2017 ging im 19. Deutschen         2017 im Schnitt weniger Mandate errun-
                                                                                                                       Bundestag der Frauenanteil wieder zurück        gen haben.
    SPD                                                       AfD                                                      und fiel mit 30,7 Prozent auf den Stand von
    Frauenanteil im Bundestag (2019): 42 Prozent              Frauenanteil im Bundestag (2019): 11 Prozent             1998. In den Landesparlamenten stellt         • Nicht zuletzt trägt die CDU/CSU-Fraktion
    Frauenanteil in der Partei (2017): 32 Prozent             Frauenanteil in der Partei (2017): 17 Prozent            sich die Entwicklung ähnlich dar: Bis auf       erhebliche Verantwortung für den Rück-
    Eine verpflichtende Mindestquote von 40 Prozent für       In der AfD werden sowohl parteiinterne Quoten als        in Hessen sind bei den jüngsten Landtags-       gang. Der Frauenanteil in der Fraktion
    Wahllisten und Ämter wurde 1988 eingeführt. Wahl-         auch Maßnahmen zur Frauenförderung abgelehnt.            wahlen überall die Frauenanteile zurück-        beträgt lediglich knapp 20 Prozent. Dies
    listen für Bundestags- und Europawahlen werden seit       Auch die Gründung parteiinterner Frauenorganisatio-      gegangen. Der einstige Spitzenreiter, das       hat vor allem damit zu tun, dass in den
    2012 alternierend an Männer und Frauen vergeben           nen schließt die Satzung explizit aus (siehe Bundes-     Bundesland Sachsen-Anhalt, bildet nun           aussichtsreichen Wahlkreisen überwie-
    (siehe Satzung der SPD, § 4).                             satzung der AfD, § 17 (2).                               das Schlusslicht.                               gend Männer als Kandidaten aufgestellt
                                                                                                                           Auch auf kommunaler Ebene stagnie-          werden, in Bayern zu über 80 Prozent. In
    CDU/CSU                                                                                                            ren die Anteile der beteiligten Frauen in       Ländern wie Baden-Württemberg und
    Frauenanteil der Union im Bundestag (2019): 20 Prozent                                                             den Gemeinde-, Stadt- und Kreisräten bei        Bayern, wo CDU beziehungsweise CSU
    Frauenanteil in der CDU (2017): 26 Prozent                                                                         etwa 25 Prozent. Es gibt allerdings große       mehrheitlich die Direktmandate gewin-
    CDU: Seit 1996 gilt ein Quorum, das empfiehlt, ein                                                                 regionale Unterschiede: Während in den          nen, kommt die Wahlliste kaum zum
    Drittel der Parteiämter, Mandate und Listenplätze an                                                               Großstädten höhere Anteile – zum Teil so-       Zuge. Die dort aufgestellten Frauen ge-
    Frauen zu vergeben. Kann dieses Ziel in einem ersten                                                               gar von über 40 Prozent – erreicht werden,      hen leer aus.
    Wahlgang nicht erreicht werden, muss die Wahl mit                                                                  gibt es zahlreiche kleinere Gemeinderäte
    neuen Vorschlägen wiederholt werden. Das Ergeb-                                                                    in eher ländlich-konservativ geprägten Re-    Diese Befunde zeigen zweierlei auf:
    nis des zweiten Wahlgangs ist gültig, auch wenn das                                                                gionen, in denen Frauen überhaupt nicht
    Quorum nicht erreicht werden konnte (siehe Statut                                                                  vertreten sind! Und nur rund zehn Prozent     1.   Parteiinterne Regelungen haben zwar
    der CDU, § 15A).                                                                                                   der Rathäuser werden von einer Frau ge-            in den vergangenen Jahrzehnten deut-
                                                                                                                       führt.                                             liche Fortschritte gebracht, sie sind

8                                                                                                                                                                                                              9
INNER-
 PARTEILICHE                            aber nicht ausreichend, da sie entwe-
                                        der zu unverbindlich sind oder nicht
                                        konsequent genug angewandt wer-
                                        den. Manche Parteien kennen gar kei-
                                                                                     Parteien mit einem Frauenanteil von
                                                                                     38 Prozent zwar nicht zufriedenstel-
                                                                                     lend, aber noch vergleichsweise gut
                                                                                     besetzt. Anders sieht es in den Wahl-

   QUOTEN
                                        ne Regelung zu Frauenanteilen.               kreisen aus. Für die 299 Wahlkreise
                                                                                     wurden 487 Frauen und 1.292 Männer
                                  2.    Das Wahlsystem und die Ausgestaltung         aufgestellt – direkt gewählt wurden nur
                                        des Wahlrechts haben erheblichen Ein-        64 Frauen (21 Prozent), aber 235 Män-
                                        fluss darauf, ob und in welchem Maße         ner (79 Prozent). Hier kommt zum Tra-
                                        Frauen in den Parlamenten vertreten          gen, dass in den einzelnen Wahlkreisen

  ERHÖHTEN
                                        sind. Überall dort, wo es ein Mehrheits-     nur eine oder zwei Parteien eine reelle
                                        wahlsystem gibt, sind Frauen unter-          Chance auf das Direktmandat haben –
                                        durchschnittlich vertreten. Für die          und eben auch, dass die Direktmanda-
                                        Bundestagswahl 2017 waren die Wahl-          te, insbesondere aussichtsreiche, wei-
                                        listen der in den Bundestag gewählten        terhin eine Männerdomäne sind.

  ERSTMALS
               50 %
                      Frauenanteile in den Parlamenten
               40 %   im Zeitverlauf

 DEN FRAUEN-
               35 %

               30 %

               25 %

  ANTEIL IN
               20 %

               15 %

               10 %

PARLAMENTEN.
                5%

                0%
                      1945     1955             1965         1975         1985       1995         2005          2015

                             Bundesländer Ost      Bundesländer West     Bundestag

10                                                                                                                      11
DER EINFLUSS DES
     WAHLRECHTS

     In Deutschland gilt für die Parlaments-
     wahlen auf Bundes- und Landesebene
                                                  Falls einer Partei prozentual weniger Sit-
                                                  ze zustehen, als sie Direktmandate ge-
                                                                                               Das Saarland verfügt als ein-
                                                                                               ziges Bundesland über ein rei-
                                                                                                                                 DAS DEUTSCHE WAHLSYSTEM
     in der Regel das Wahlsystem der perso-       wonnen hat, entstehen die sogenannten        nes Verhältniswahlrecht. Hier
                                                                                               hat jede/r WählerIn genau eine
     nalisierten Verhältniswahl. Das bedeu-       Überhangmandate. In Bayern zum Bei-
                                                                                               Stimme, die an die feste Liste
     tet, dass jede/r WählerIn zwei Stimmen       spiel erreichte die CSU 38,8 Prozent der
                                                                                                                                             1                                                            2
                                                                                               einer Partei vergeben wird.
     zur Verfügung hat. Mit der ersten wird       Zweitstimmen, erlangte aufgrund der ge-      Abweichungen vom persona-
     ein/e DirektkandidatIn des Wahlkreises       wonnenen Wahlkreise jedoch 50 Prozent
     gewählt, die zweite Stimme geht an die       der dortigen Bundestagsmandate. Um
                                                                                               lisierten Verhältniswahlrecht
                                                                                               gibt es etwa in Bayern, wo die
                                                                                                                                 KandidatInnen der Parteien        STIMMZE T TEL                Parteien im Bundestag
     vorher festgelegte Liste einer Partei.       eine Verzerrung des Ergebnisses durch        WählerInnen ihre Zweitstimme
     Auf dieser Liste werden KandidatInnen        unverhältnismäßig viele Überhangman-         an einzelne KandidatInnen ge-                                  Erststimme         Zweitstimme
     in einer festgelegten Reihenfolge plat-      date zu kompensieren, bekommen die           ben. In Hamburg und Bremen

     ziert. Je mehr Prozente eine Partei er-      anderen Parteien seit der Bundestags-
                                                                                               wiederum stehen den Wähler-                                       KandidatIn A       Partei A
                                                                                               Innen insgesamt fünf bezie-
     hält, desto mehr KandidatInnen ziehen        wahl 2013 entsprechende Ausgleichs-          hungsweise zehn Stimmen zur
     von dieser Partei in das Parlament ein.      mandate zugewiesen; dadurch steigt                                                                             KandidatIn B       Partei B
                                                                                               Verfügung, die sie entweder an
     Die Zweitstimme ist also die ausschlag-      der Anteil der ParlamentarierInnen           Listen in ihrer Gesamtheit oder
     gebende für die Anzahl der gewonnenen        entsprechend an. So gab es in der 18.        aber auf einzelne KandidatIn-
                                                                                                                                                                 KandidatIn C       Partei C        D    C     B    A
     Sitze einer Partei in einem Landtag oder     Wahlperiode bereits 631 und in der 19.       nen verteilen können.
     im Bundestag.                                Wahlperiode 709 Abgeordnete statt der                                             ENTSENDUNG VON               KandidatIn D       Partei D     ENTSENDUNG VON
                                                                                               Eine detaillierte Übersicht für     299 ABGEORDNETEN                                             299 ABGEORDNETEN
         Grundsätzlich gilt für die Sitzvertei-   eigentlich gesetzlich vorgesehenen An-
                                                                                               das geltende Wahlrecht je nach           AUS DEN                  KandidatIn                     IM VERHÄLTNIS ZUM
     lung auf Bundes- und Landesebene: Je-        zahl von 598. Nun möchte der Bundestag                                              WAHLKREISEN                parteilos                        STIMMENANTEIL
                                                                                               Bundesland findet sich unter
     der Partei mit einem Zweitstimmenanteil      noch in dieser Legislatur eine Reform des    www.wahlrecht.de                                                                                KandidatIn zieht, abhängig
     von mindestens fünf Prozent stehen dem       Wahlrechts verabschieden, um die Größe                                                Gewählte/r                                               vom Listenplatz, in den
     Zweitstimmenanteil entsprechend vie-         des Bundestages zu reduzieren. Dafür                                                WahlkreissiegerIn                                         Bundestag ein, wenn die
     le Sitze zu. Diese werden zunächst pro       wurde eine Kommission unter Vorsitz                                                   zieht in den                                            Partei die Fünf-Prozent-
     Bundesland mit den gewonnenen Direkt-        von Bundestagspräsident Dr. Wolfgang                                                 Bundestag ein.                                               Hürde erreicht.
     mandaten aus den Erststimmen verrech-        Schäuble eingesetzt, die sich jedoch auf
     net. Nur die dann noch übrig gebliebenen     keinen gemeinsamen Vorschlag einigen
     Mandate gehen an die ListenkandidatIn-       konnte.
     nen in der vorgegebenen Reihenfolge.             Dennoch eröffnet die Debatte um die                                             50 %                                                                50 %
         Der Einzug von in ihrem Wahlkreis        Wahlrechtsreform ein historisches Zeit-
     erfolgreichen DirektkandidatInnen ins        fenster, um Parität im Wahlrecht zu ver-                                       Männer werden                                                         Männer bekommen
     Parlament ist also sicher, während die       ankern.                                                                        häufiger als Kandidaten                                             häufiger die ausichts-
     Chance, dass eine Nominierung per                                                                                           aufgestellt als Frauen.                                            reicheren Listenplätze
                                                                                                                                                                                                   zugewiesen als Frauen.
     Wahlliste zum Erfolg führt, vom Gesamt-
     ergebnis der Partei und nicht zuletzt auch
     von der Stärke der DirektkandidatInnen
                                                                                                                                                               BUNDESTAG: BESETZUNG DER 598
     abhängt. Bei den Direktkandidaturen                                                                                                                           ABGEORDNETENSITZE
     gilt das Mehrheitswahlrecht, das heißt,
     dass lediglich der/die KandidatIn mit den
     meisten Stimmen einen Sitz gewinnt.

12                                                                                                                                                                                                                            13
BRANDENBURG:
DAS ERSTE DEUTSCHE                                                                             BÜNDNIS
PARITÄTSGESETZ
Am 31.01.2019 beschlossen SPD und DIE          derung soll ab 2020 gelten und damit zum           AUS     Die Gesetzesänderung im Wortlaut:

                                                                                               POLITIK
LINKE sowie Bündnis 90/Die Grünen ein          ersten Mal bei den die Landtagswahlen im
Parité-Gesetz für das Land Brandenburg.        Jahr 2024 Wirkung entfalten.                               „Frauen und Männer sollen gleichermaßen
Grundlage war ein Gesetzesentwurf der              In Bezug auf die Sanktionen, die bei                   bei der Aufstellung der Landesliste berück-
Oppositionspartei Bündnis 90/Die Grünen.       nicht paritätisch besetzten Listen greifen                 sichtigt werden. Hierzu bestimmt die Lan-
Der Landesfrauenrat Brandenburg und die        würden, ist das Gesetz allerdings nicht ein-               desversammlung:

                                                                                                  UND
(kommunalen) Gleichstellungsbeauftrag-         deutig. Hier besteht Klärungsbedarf, dass                  1. die Liste der Bewerbenden und ihre
ten hatten das Thema zuvor auf die Agenda      nicht paritätisch besetzte Listen tatsächlich                   Reihenfolge für die für Frauen reser-
gesetzt und mit Veranstaltungen, Publika-      zurückgewiesen werden. Bedauerlich ist,                         vierten Listenplätze der Landesliste,
tionen und einer Unterschriftenkampagne        dass die Quotierung der Direktkandidatu-                   2. die Liste der Bewerbenden und ihre
(„Wir fordern ein Parité-Gesetz für Bran-      ren, wie sie der Gesetzentwurf von Bünd-                        Reihenfolge für die für Männer reser-

                                                                                                 ZIVIL-
denburg – jetzt!“) flankiert. Auch die De-     nis 90/Die Grünen angestrebt hatte, keine                       vierten Listenplätze der Landesliste
batten rund um das 100. Jubiläum der Ein-      Mehrheit im brandenburgischen Landtag                           und
führung des Frauenwahlrechts hatten dazu       fand. Der Entwurf sah vor, dass in den Wahl-               3. aus welcher der beiden Listen der ers-
beigetragen, dass die geringe Beteiligung      kreisen Duos aus Mann und Frau antreten.                        te Listenplatz der Landesliste besetzt
von Frauen an politischen Prozessen als        Dabei war vorgesehen, dass WählerInnen                          wird.
Skandal empfunden wurde, den es zu be-         gegebenenfalls auch eine Kandidatin und                    Die geschlechterparitätische Landesliste

                                                                                               GESELL-
seitigen galt.                                 einen Kandidaten aus zwei verschiedenen                    wird abwechselnd unter Berücksichtigung
    Das Landeswahlgesetz wurde so geän-        Parteien hätten wählen können. Um die                      der Entscheidung für den ersten Listen-
dert, dass die Landeslisten abwechselnd mit    Zahl der Abgeordneten im Landtag nicht zu                  platz und der von der Landesversammlung
Frauen und Männern besetzt werden sol-         verdoppeln, sah der Vorschlag vor, die Zahl                bestimmten Reihenfolge aus den beiden
len. Dabei wird die Liste zunächst getrennt    der 44 Wahlkreise zu halbieren.                            Listen (Satz 3 Nummer 1 und 2) gebildet.

                                                                                                SCHAFT
nach Frauen und Männern aufgestellt. Ob            Es gilt also, mit dem neuen Gesetz ers-                Ist bei der geschlechterparitätischen Bil-
der erste Listenplatz mit einer Frau oder      te Erfahrungen zu sammeln, seine Wirk-                     dung der Landesliste nur eine der beiden in
einem Mann besetzt wird, entscheidet die       samkeit zu testen – vor allem, weil es Di-                 Satz 3 Nummer 1 und 2 genannten Listen
jeweilige Wahlversammlung der Partei-          rektmandate, die in hohem Maß für den                      erschöpft, so kann auf der Landesliste nur
en. Anschließend erfolgt die alternierende     Männerüberschuss verantwortlich sind,                      noch eine weitere Person aus der anderen

                                                                                               DRÄNGT
Besetzung mit Frauen beziehungsweise           nicht betrifft – und gegebenenfalls nachzu-                Liste benannt werden. Personen, die ent-
Männern, bei der beide Listen zusammen-        justieren.                                                 sprechend § 22 Absatz 3 und § 45b Absatz 1
geführt werden.                                    Erwartungsgemäß löste das Parité-Ge-                   Personenstandsgesetz weder dem männ-
    Menschen, die nach dem Personen-           setz heftige Kontroversen aus, bei denen                   lichen noch dem weiblichen Geschlecht
standsrecht weder dem männlichen noch          auch die Verfassungsmäßigkeit angezwei-                    zugeordnet werden können, können frei

                                                                                                  AUF
dem weiblichen Geschlecht zugeordnet           felt wurde. Die NPD will nun tatsächlich das               entscheiden, für welche der in Satz 3 Num-
werden können, können sich im Rahmen           Gesetz vom Brandenburger Landesverfas-                     mer 1 und 2 genannten Listen sie sich um
der Wahlversammlung entscheiden, ob            sungsgericht überprüfen lassen.                            einen Listenplatz bewerben wollen. Die
sie auf einem Listenplatz für Männer oder                                                                 Sätze 3 bis 6 finden keine Anwendung auf
Frauen geführt werden wollen. Für reine                                                                   Parteien, politischen Vereinigungen oder

                                                                                               PARITÄT.
Frauenparteien – die in Brandenburg zur                                                                   Listenvereinigungen, die satzungsgemäß
Landtagswahl zugelassen sind – gilt die Re-                                                               nur ein Geschlecht aufnehmen und vertre-
gelung nicht (ebenso wenig, wie sie für eine                                                              ten wollen.“
reine Männerpartei gelten würde). Die Än-

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PARITÄT BEI DIREKT-

      DIREKT-                      UND LISTENMANDATEN

      MANDATE
                 WAHLKREIS-DUOS                                                             TANDEMS
                 1. Frau (SPD)     1. Mann (SPD)                                           1. Frau / Mann (SPD)

                 2. Mann (CDU)     2. Frau (CDU)                                           2. Mann / Frau (CDU)

                 3. Frau (Grüne)   3. Mann (Grüne)                                         3. Frau / Mann (Grüne)

                 4. Mann (Linke)   4. Frau (Linke)                                         4. Mann / Frau (Linke)

     SIND NACH
                                                     DIREKTMANDATE

      WIE VOR
                                                         Möglich durch
                       1. Frau (SPD)
                                                           größere                      2. Frau / Mann (CDU)
                      3. Mann (Grüne)                     Wahlkreise!

        EINE
                                   Was kann getan werden, um auch bei den             der Größe des Bundestages gelöst, da
                                   Direktmandaten Parität herzustellen? Hier          keine Überhang- und Ausgleichsman-
                                   liegen die größten Probleme: In rund 80            date mehr entstünden.
                                   Prozent der aussichtsreichen Wahlkreise            Bei Beibehaltung der Direktmandate
                                   werden männliche Kandidaten von den                wäre eine Reduzierung der Wahlkreise
                                   Parteien nominiert. Ohne die Einbeziehung          auch wegen der Größe des Bundes-
                                   der Direktmandate bleiben Paritätsgesetze          tages erforderlich. Die Anzahl der da-

      MÄNNER-
                                   auf halbem Wege stecken.                           nach noch vorhandenen Wahlkreise
                                                                                      müsste halbiert werden. Pro Wahlkreis
                                   Welche Modelle sind in der                         würden aber ein Mann und eine Frau
                                   Diskussion?                                        gewählt werden.

                                   Der Deutsche Frauenrat sieht drei Möglich-     2.	 Wahlkreis-Duos. Hierbei könnten die
                                   keiten, um Parität zu erreichen:                   Parteien jeweils einen Mann und eine

      DOMÄNE.
                                                                                      Frau als WahlkreiskandidatIn vorschla-
                                   1.	 Wechsel zum Einstimmenwahlrecht.               gen. Gewählt wären dann der Mann
                                       Direktmandate würden abgeschafft.              mit den meisten Stimmen und die
                                       Die Listen müssten im Reißverschluss-          Frau mit den meisten Stimmen. Jede/r
                                       verfahren quotiert werden, damit sie zu-       WählerIn hätte drei Stimmen – eine
                                       gelassen werden. So würde annähernd            Stimme für die Partei, eine Stimme
                                       Parität erreicht. Bei einem reinen Ver-        für den Wahlkreiskandidaten und eine
                                       hältniswahlrecht wäre auch die Frage           Stimme für die Wahlkreiskandidatin.

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GLEICHE CHANCEN?
                                                                                               BARRIEREN FÜR FRAUEN
                                                                                               IN DER POLITIK
     Einzelkandidaturen wären nach wie                     Um das Problem der Vereinbar-       Es ist wichtig zu verstehen, warum Frauen        schreckend wirken. Eine Vereinbarkeit von

                                                  ODER
     vor möglich. Dieser Vorschlag ent-                    keit von Beruf, Familie und poli-   in den Parteien wie auch in den Parlamen-        Beruf, Familie und politischem Ehrenamt
     spricht dem von Bündnis 90/Die Grü-                   tischem Ehrenamt zu mindern,        ten unterrepräsentiert sind: Nach wie vor        ist so nur schwer möglich. Nach wie vor
                                                           geht es ganz praktisch darum,
     nen in Brandenburg.                                                                       gibt es strukturell bedingte Benachteiligun-     sind Frauen auch mit offenen und subtilen
                                                           Sitzungszeiten zu flexibilisie-
                                                                                               gen, die sich auf die Beteiligungschancen        Diskriminierungen konfrontiert: Sie werden
                                                           ren und Kinderbetreuung an-
3.	 Wahlkreistandems. Hierbei müssten                      zubieten oder deren Kosten zu       und -möglichkeiten von Frauen auswirken.         häufiger unterbrochen und ihre Redebeiträ-

                                                 DIREKT-
    die Parteien ein Tandem aus jeweils                    erstatten, Kommunikationsme-        Politik und Parteien sind eben nicht „neu-       ge haben weniger Gewicht. Sie werden da-
    einer Frau und einem Mann vorschla-                    dien zur Zeitersparnis zu nutzen    tral“ gegenüber dem Geschlecht.                  nach gefragt, was denn Mann und Kinder zu
    gen, die für einen Wahlkreis gemein-                   oder moderne Moderationsme-                                                          ihrem politischen Engagement sagen, und
    sam antreten. Diese würden mit der                     thoden anzuwenden, um alle          Historisch-soziologische Gründe                  wenn es um die Beteiligung an fachlichen
                                                           am Tisch zu Wort kommen zu
    Erststimme gewählt.                                                                                                                         Ausschüssen geht, werden sie ungefragt auf
                                                           lassen.

                                                MANDATE
                                                                                               Trotz der größeren Sichtbarkeit und der          Jugend, Familie und Frauen festgelegt, wäh-
Für den Bundestag hat unter anderem der                                                        Erfolge von Frauen in der Politik ist diese      rend Finanzen, Bau und Verkehr in Männer-
Vizepräsident des Deutschen Bundestages                                                        Welt eine männlich geprägte geblieben.           hand bleiben.
Thomas Oppermann vorgeschlagen, die                                                            Hier wirken historische Weichenstellungen
Anzahl der Wahlkreise um über die Hälfte                                                       nach: Die Institutionen, die Verfahren und       Das Nadelöhr der Nominierung

                                                 GLEICH
auf 120 zu halbieren, womit auch die An-                                                       die vielen formellen und informellen Spiel-
zahl der Mandate im Bundestag begrenzt                                                         regeln der neuzeitlichen Demokratie ent-         Wie in anderen gesellschaftlichen Berei-
würde (aufgrund reduzierter Überhang- be-                                                      standen im 19. Jahrhundert explizit unter        chen, wird es vor allem dann ernst, wenn
ziehungsweise Ausgleichsmandate). Die                                                          dem Ausschluss von Frauen. Männer waren          es um machtvolle Positionen geht. Die de-
Parteien in den nun erheblich vergrößerten                                                     für die Politik und die Öffentlichkeit zustän-   mokratischen Spielregeln verlangen, dass
Wahlkreisen würden ebenfalls zur Aufstel-                                                      dig, Frauen für das Private und die Familie.     Parteimitglieder in den Landesverbänden

                                                ABSCHAF-
lung von Wahlkreis-Duos verpflichtet. Je-                                                          Diese Aufteilung der Gesellschaft ver-       beziehungsweise örtlichen Parteigliede-
weils der Mann beziehungsweise die Frau                                                        änderte sich, doch sie hat Auswirkungen          rungen wählen, wer KandidatIn wird.
mit den meisten Stimmen wären gewählt.                                                         bis heute. Sie schlägt sich in der Berufs-           Bereits bei der Suche, also beim Auf-
    Einen weiteren Vorschlag brachte die                                                       und Studienwahl von jungen Männern und           bauen und Bekanntmachen möglicher
schleswig-holsteinische Justiz- und Gleich-                                                    Frauen nieder, in der Zuschreibung der Zu-       Kandidatinnen und Kandidaten, kommen

                                                  FEN?
stellungsministerin Sabine Sütterlin-Waack                                                     ständigkeit von Frauen für die Familie und       Muster zum Tragen, die Männern bessere
(CDU) ein. Danach würden die Parteien                                                          nicht zuletzt in der fehlenden Präsenz von       Chancen geben: Frauen haben oft weniger
verpflichtet, einen Mann und eine Frau pro                                                     Frauen in Parteien und Parlamenten.              Zeit, Geld oder andere Ressourcen, sich
Wahlkreis aufzustellen und anschließend                                                                                                         vor Ort bekannt zu machen, Kontakte und
den WählerInnen die Entscheidung zu über-                                                      Institutionelle Rahmenbedingungen                Netzwerke zu knüpfen und sich so recht-
lassen. Dieses Modell würde offensichtlich                                                                                                      zeitig der Unterstützung wichtiger Gruppen
eine starke Konkurrenzsituation („Mann                                                         Politische Karrieren starten in der Regel mit    zu versichern. Auch gibt es das Phänomen
gegen Frau“) in der Partei beziehungsweise                                                     politischem Engagement in den Parteien           des „Amtsbonus“: Es ist ein ungeschriebe-
im Wahlkreis schaffen und ist daher politisch                                                  und auf der kommunalen Ebene. Doch eben          nes, aber sehr stabiles Gesetz in den Par-
zu Recht umstritten; zudem würde es auch                                                       hier beginnen bereits die Probleme: Das          teien, keine „Kampfkandidatur“ gegenüber
keine ausgewogene Repräsentanz der Ge-                                                         ehrenamtliche politische Engagement ist          bewährten AmtsträgerInnen anzustreben.
schlechter erreichen, sondern voraussicht-                                                     zeitaufwendig, findet sehr oft zu familien-      Diese sind aber meistens männlich. Unter-
lich dazu führen, dass weiterhin mehr Män-                                                     unfreundlichen Zeiten statt und ist durch        suchungen zur Wahl von Bürgermeisterin-
ner zu Direktkandidaten gekürt würden.                                                         Rituale und Formen geprägt, die eher ab-         nen zeigen, dass Frauen oft erst dann eine

18                                                                                                                                                                                     19
DER WEG ZUM
                                                                FRANZÖSISCHEN PARITÄTS-
                                                                GESETZ
Chance bekommen, wenn die Situation als
aussichtslos oder verfahren gilt und sich
                                               DEUTSCHER        Seit einer präsidialen Anordnung vom 21.
                                                                April 1944 dürfen Französinnen wählen
                                                                                                                  startet und die Zeitschrift „Parité-Infos“ als
                                                                                                                  Schnittstelle zwischen AktivistInnen und
niemand anderes findet. Überdurchschnitt-      BUNDESTAG 2017   und gewählt werden. Damit bekamen sie             Presse gegründet. Das 50-jährige Jubiläum
lich oft sind Frauen dann jedoch die Überra-                    vergleichsweise spät das Wahlrecht. Politi-       der Einführung des Frauenwahlrechts 1994
schungssiegerinnen – und werden bei der                         kerinnen wie Simone Veil oder Edith Cres-         sowie die Aufmerksamkeit für paritätisch
nächsten Wahl wiedergewählt.                                    son sollten die Ausnahme bleiben: 1968            besetzte Listen zur Europawahl entfachten
                                                                betrug der Frauenanteil in der Assemblée          die Debatte. Die nach wie vor männlich do-
                                                                Nationale (die Nationalversammlung) ge-           minierten Parteien mussten sich mit den
                                                                rade mal 1,6 Prozent. Mit einem Frauen-           Forderungen der Frauenverbände ausei-
                                                                anteil von 10,9 Prozent bildete Frankreich        nandersetzen. Die Parität mischte sich
Verteilung von Direkt- und                                      auch 30 Jahre später, also 1998, mit Grie-        1995 in den Präsidentschaftswahlkampf:
Listenmandaten im Bundestag                                     chenland das Schlusslicht in der EU. In           Die beiden aussichtsreichsten Kandidaten
nach Männern und Frauen                                         diesem Kontext wurden die Forderungen             Jacques Chirac und Lionel Jospin erklär-
                                                                nach gleichberechtigter politischer Teil-         ten beide ihre Absicht, sich für die Parität
                                                                habe lauter. Während die Forderungen der          einsetzen zu wollen. Gesagt, getan: Ein
                                                                Frauenbewegung in den 1970er-Jahren               paar Monate nach der Wahl von Jacques
                                                                von dem Kampf um das Recht auf sexuel-            Chirac wurde die Beobachtungsstelle für
                                                                le Selbstbestimmung und die berufliche            Parität („Observatoire de la parité entre
                                                                Gleichstellung geprägt waren, rückte in           les femmes et les hommes“) gegründet,
                                                                den darauffolgenden Jahren die politische         deren Kommission „Politische Parität“ (pa-

FRAKTIONEN                                                      Repräsentation von Frauen immer mehr in
                                                                den Fokus.
                                                                                                                  rité politique) ihre ersten Ergebnisse 1996
                                                                                                                  vorstellte. Zeitgleich veröffentlichten zehn
                                                                    1992 führten Françoise Gaspard, Clau-         ehemalige Ministerinnen aus dem konser-
                                                                de Servan-Schreiber und Anne Le Gall den          vativen und sozialistischen Lager ihr „Mani-
                                                                Begriff der Parität in die öffentliche Debat-     fest der 10 für die Parität“ (Manifeste des
                                                                te in Frankreich ein und lösten eine starke       10 pour la parité) mit der Forderung einer
                                                                Mobilisierung aus. In Ihrem Buch Au pou-          Verfassungsänderung als Voraussetzung
                                                                voir citoyennes: liberté, égalité, parité (Bür-   für eine gesetzliche Förderung von Frauen.
                                                                gerinnen an die Macht: Freiheit, Gleichheit,          Starke Zivilgesellschaft, überparteili-
                                                                Parität) schilderten sie die historischen         che Bündnisse, mediale Aufmerksamkeit:
                                                                Gründe zur Unterrepräsentanz von Frauen           Nun fehlte nur noch der richtige Moment.
                                                                in der Politik und forderten eine paritäti-       Dieser kam 1997, als die Nationalver-
                                                                sche Besetzung der Parlamente. Im selben          sammlung frühzeitig aufgelöst wurde und
                                                                Jahr wurde der Verein „Parité“ gegründet,         das Linksbündnis die vorgezogenen Par-
                                                                Kolloquien und Veranstaltungen fanden             lamentswahlen gewann. Der neue Pre-
                                                                statt. 1993 unterschrieben prominente             mierminister Lionel Jospin – der bereits als
                                                                BürgerInnen das „Manifest der 577 für             Parteivorsitzender die Sozialisten zu einer
                                                                eine paritätische Demokratie“ (Manifeste          28-prozentigen Besetzung der Wahlkreise
                                                                des 577 pour une démocratie paritaire“).          mit Kandidatinnen brachte – setzte sich für
                                                                Neben der Veröffentlichung des Manifests          eine Revision der Verfassung ein, um ein
                                                                wurde eine Unterschriftenkampagne ge-             Paritätsgesetz zu ermöglichen. 1999 wurde

20                                                                                                                                                          21
DANK DES
nach langen Diskussionen in der National-
versammlung und dem Senat der Artikel 3
der Verfassung der Fünften Republik wie
                                                Sanktionen im Jahr 2014 und dem hohen
                                                Anteil der weiblichen Abgeordneten in der
                                                Partei „La République en Marche“, welche
                                                                                                ERFOLGES DER
                                                                                                    PARTEI
folgt ergänzt: „Das Gesetz fordert den glei-    sich als erste Partei gesetzestreu verhielt,
chen Zugang von Frauen und Männern zu           ist der Anteil der Frauen in der National-
den Wahlmandaten und auf einer Wahl             versammlung gestiegen: auf 38 Prozent im
beruhenden Ämtern.“ Im angepassten Ar-          Jahr 2017.
tikel 4 wird an die Parteien appelliert: „Sie        Macron gewann die Wahl 2017 mit dem

                                                                                                 „EN MARCHE“
[die politischen Parteien] tragen unter den     Versprechen, die erstarrte politische Kultur
gesetzlich festgelegten Bedingungen zur         in Frankreich zu erneuern, und dazu gehör-
Verwirklichung des im letzten Absatz von        te zentral, Frauen die gleichen Chancen zu
Artikel 3 enthaltenen Grundsatzes bei.“         geben. Erleichtert wurde dieses Vorhaben
    Am 6. Juni 2000 wurde das Gesetz            durch den Umstand, dass die Bewegung
n° 2000-493, das sogenannte „Loi sur la         neue Personen benötigte und die Wahlkrei-

                                                                                                   STIEG DER
parité“, verkündet und fand bei den Kom-        se mit weiblichen Gesichtern besetzt wer-
munalwahlen 2001 in den Kommunen mit            den konnten. Es mussten also keine männ-
mehr als 3.500 EinwohnerInnen seine erste       lichen Mandatsträger entmachtet werden,
Anwendung. Am Wahlabend stieg dort der          die sich gegen solche Vorhaben gut zur
Anteil der gewählten Frauen von 25,7 Pro-       Wehr zu setzen verstehen.

                                                                                                FRAUENANTEIL
zent im Jahr 1995 auf 47,5 Prozent an. Seit         Das französische Paritätsgesetz wurde
der Reform von 2013 gilt das Gesetz auch        kontinuierlich weiterentwickelt und seine
für Kommunen ab 1.000 EinwohnerInnen.           Wirksamkeit erhöht. Dazu gehörte, dass
    Das Paritätsgesetz hatte jedoch seine       die finanziellen Sanktionen nach und nach
Grenzen. Während das Gesetz auf kom-            verschärft wurden. Als überaus hilfreich

                                                                                                    IN DER
munaler Ebene zügig Wirkung zeigte, tat         erwies sich auch eine politische Struktur-
sich auf nationaler Ebene erst einmal we-       reform, die die bisher üblichen politischen
nig. Frankreich folgt auf nationaler Ebene      Doppelfunktionen untersagte. Unter ande-
dem Mehrheitswahlsystem und in beiden           rem war ein erheblicher Teil der nationalen
Lagern erfolgt die Rekrutierung der poli-       Abgeordneten bis dato zum Beispiel Bür-
tischen Elite nach eingespielten Mustern,       germeister in der jeweiligen Region, was

                                                                                                  NATIONAL-
welche strukturell die männlichen Kandi-        deren Machtbastion zusätzlich festigte.
daten bei der Nominierung begünstigen.              Als besonders effektiv erwies sich eine
Zuvor hatten die dominierenden politi-          Strukturreform auf regionaler Ebene. 2015
schen Blöcke beziehungsweise Parteien           wurde die Anzahl der Wahlkreise in den Dé-
(die rechtskonservativen beziehungsweise        partements halbiert und die Parteien ver-

                                                                                                VERSAMMLUNG.
sozialdemokratisch-sozialistischen) eher        pflichtet, ein Wahlkreis-Duo (siehe auch S.
die Sanktionen – Einbußen in Millionenhö-       17) aufzustellen. In den Départementsrä-
he bei der Parteienfinanzierung – in Kauf       ten sind daher mittlerweile tatsächlich 50
genommen, als paritätisch Frauen und            Prozent Frauen vertreten.
Männer in den Wahlkreisen zu nominieren.            Die französischen Erfahrungen zeigen:
Erst mit der Verschärfung der finanziellen      Politische Kulturen, die über Jahrzehnte ein-

22                                                                                                         23
MEHR DEMOKRATIE
                                                                                         WAGEN: PARITÄT UND
                                                                                         REPRÄSENTATION
geübt wurden, verändern sich nicht von       DIE     Intersektionalität beschreibt       Ein häufig zu hörender Einwand gegen Pari-       Argumentation nicht stichhaltig: Frauen

                                           DEBATTE
heute auf morgen. Es bedarf des konti-               die Verschränkung verschie-         tät lautet, dass diese mit den Prinzipien der    sind weder eine partikulare Gruppe noch
nuierlichen gesellschaftlichen Drucks                dener Diskriminierungsformen.       repräsentativen parlamentarischen Demo-          repräsentieren sie einen „Stand“ (wie viel-
                                                     Das Konzept wurde von der
und (neuer) politischer Kräfte, die den                                                  kratie nicht zu vereinbaren sei.                 leicht ÄrztInnen), sondern sie sind in allen
                                                     US-amerikanischen Rechtsan-
Veränderungswillen tatsächlich aufgrei-                                                      Zwar gehe alle Staatsgewalt vom Vol-         Schichten und Gruppen der Bevölkerung
                                                     wältin Kimberlé Crenshaw ent-
fen. Und es bedarf vor allem effektiver,             wickelt, die in ihrer praktischen   ke aus, wie es im Grundgesetz heißt, doch        vertreten. Frauen sind wie Männer keine

                                             UM
sanktionsbewehrter Gesetze.                          Arbeit die Erfahrung gemacht        bedeute das Demokratiekonzept gerade             politisch oder sozioökonomisch homogene
                                                     hat, dass Maßnahmen gegen           nicht, dass die Bevölkerung ihrem Anteil         Gruppe. Dies ist aber kein Argument gegen
                                                     die Diskriminierung von Frauen      entsprechend in den Parlamenten vertre-          ihre gleichberechtigte Repräsentanz. Denn
                                                     häufig bei denjenigen Frauen        ten sein müsse. Die einzelnen Abgeordne-         nach wie vor ist das Geschlecht als sozia-
                                                     unwirksam sind, die von mehr-
                                                                                         ten verträten vielmehr das „ganze Volk“ und      le Kategorie wirksam und beeinflusst die
                                                     facher Diskriminierung betrof-

                                           PARITÄT
                                                                                         seien laut Grundgesetz nur ihrem Gewissen        Zugänge zu Macht, Ressourcen und Le-
                                                     fen sind. So erhöht ein Paritäts-
                                                     gesetz den Anteil von Frauen,       verpflichtet. Soweit die Theorie.                benschancen erheblich. Aus eben diesem
                                                     aber nicht automatisch den An-          In der Praxis spielen die Parteizugehörig-   Grunde gibt es im Artikel 3 GG das Gleich-
                                                     teil von Frauen mit Behinderun-     keit beziehungsweise der Fraktionszwang,         berechtigungsgebot, das sich ausdrücklich
                                                     gen oder Rassismuserfahrung.        aber auch der eigene Erfahrungshorizont          auf Männer und Frauen bezieht, und nicht

                                            WIRKT
                                                                                         sehr wohl eine große Rolle für das Verhalten     nur das Diskriminierungsverbot, in dem Ge-
                                                                                         der Abgeordneten. Dass im Bundestag der          schlecht ein Merkmal unter anderen ist.
                                                                                         Fraktionszwang aufgehoben wird, ist die              Nun werden die Chancen und Zugän-
                                                                                         Ausnahme, nicht die Regel. Zusätzlich wird       ge zu politischer Partizipation und Macht
                                                                                         über die Wahlkreise und Direktmandate die        selbstverständlich auch davon bestimmt,

                                           WIE EIN
                                                                                         regionale Repräsentativität gesichert – wo-      welchen sozialen und ökonomischen Sta-
                                                                                         bei es auch hierbei nicht vollkommen gleich      tus, welche Hautfarbe, sexuelle Identität
                                                                                         zugeht. Denn es gibt größere und kleinere        oder Religionszugehörigkeit die jeweilige
                                                                                         Wahlkreise und es wird unabhängig von der        Frau beziehungsweise der Mann hat. Da-
                                                                                         Wahlbeteiligung jedem Bundesland eine            her wird in feministischer Theorie und Praxis

                                           AUGEN-
                                                                                         feste Anzahl von Abgeordneten abhängig           seit Langem über das Konzept der Intersek-
                                                                                         von der Anzahl der EinwohnerInnen mit            tionalität debattiert. Ein Paritätsgesetz wird
                                                                                         deutscher Staatsangehörigkeit zugewiesen.        diese Unterschiede nicht automatisch auf-
                                                                                             Das Schreckensszenario, das Gegner-          heben. Dennoch ist es ein wichtiger Schritt.
                                                                                         Innen von Paritätsregelungen gerne ent-              Die Debatte über Parität wirkt wie ein

                                           ÖFFNER.
                                                                                         werfen, ist das von komplett quotierten          Augenöffner: Sie macht einmal mehr deut-
                                                                                         Parlamenten, in denen auch anteilig Beru-        lich, dass es erhebliche Defizite in der politi-
                                                                                         fe, Alter, Herkunft, Religion usw. eine Rolle    schen Repräsentation gibt. Die Gesellschaft
                                                                                         spielen müssten. Andere Stimmen warnen           wird in jeder Hinsicht vielfältiger. Aber auch
                                                                                         vor einem „Ständestaat“.                         in anderen Gruppen – zum Beispiel jüngere
                                                                                             Zunächst ist festzuhalten: Über das          Menschen, Menschen mit Migrationserfah-
                                                                                         Konzept der Repräsentativität wird seit          rung, Menschen mit Behinderungen – sind
                                                                                         Beginn der neuzeitlichen Demokratie, also        Frauen repräsentiert.
                                                                                         seit rund 250 Jahren, gestritten. Doch ab-           Doch nicht immer müssen Quoten das
                                                                                         gesehen davon ist die oben genannte              Mittel der Wahl sein. Es gibt unterschiedliche

24                                                                                                                                                                                    25
„… UND WIRKT AUF DIE
                                                                                                                                        BESEITIGUNG BESTEHEN-
                                                                                                                                        DER NACHTEILE HIN.“
                                                                                                                                        DIE VERFASSUNGSRECHT-
                                                                                                                                        LICHE DEBATTE
Ausgangslagen, die unterschiedliche Kon-           ben. Politische Haltungen sind nicht per se
zepte und Instrumente erforderlich ma-             an das Geschlecht gebunden. Frauen sind
chen. Auch dies ist Teil einer legitimen und       wie Männer in allen politischen Strömun-
notwendigen politischen und gesellschaft-          gen von rechts bis links, von liberal bis grün,
lichen Debatte. So oder so stehen den Par-         von libertär bis konservativ vertreten.
teien alle Möglichkeiten und Türen offen, für          Oft ist auch zu hören, dass die Parteien,
entschieden mehr Vielfalt in ihren Reihen          die freiwillige Quotenregelungen praktizie-       Artikel 21 (1) GG:                 Nach der Verabschiedung des Brandenbur-         gänzung des Artikel 3 zu interpretieren,
zu sorgen und überkommene, sich immer              ren, sich damit im politischen Konkurrenz-        „Die Parteien wirken bei der       ger Parité-Gesetzes war häufig zu hören, dass   wonach der Staat verpflichtet ist, die tat-
wieder reproduzierende Machtstrukturen             kampf profilieren könnten. Wem besonders          politischen Willensbildung des     das Gesetz verfassungswidrig sei. Was hat es    sächliche Gleichberechtigung zu fördern
                                                                                                     Volkes mit. Ihre Gründung ist
zu überwinden.                                     an der Repräsentanz von Frauen und ihrer                                             damit auf sich? Im Wesentlichen dreht sich      und bestehende Benachteiligungen zu be-
                                                                                                     frei. Ihre innere Ordnung muß
     Von BefürworterInnen der Parität ist          Gleichberechtigung gelegen sei, stehe es                                             die Debatte darum, ob gesetzliche Vorgaben      seitigen?
                                                                                                     demokratischen Grundsätzen
sehr häufig zu hören, dass die Interessen,         frei, die entsprechenden Parteien zu wäh-         entsprechen. Sie müssen über       zur Parität in die grundgesetzlich geschützte       Die eine Seite versteht das Gleichbe-
Bedürfnisse, Sichtweisen und Erfahrun-             len. Was aber machen WählerInnen, die             die Herkunft und Verwendung        Parteienfreiheit (Artikel 21 (1) GG) und in     rechtigungsgebot dahingehend, dass es
gen von Frauen zu wenig in die Politik und         das wirtschaftsliberale Profil der FDP gut        ihrer Mittel sowie über ihr Ver-   die Wahlrechtsgrundsätze der allgemeinen,       zwar durchaus auf die Veränderung gesell-
Gesetzgebung einfließen. Es ist sicherlich         finden, aber gleichzeitig bedauern, dass          mögen öffentlich Rechenschaft      unmittelbaren, freien, gleichen und gehei-      schaftlicher Wirklichkeit abziele und dem
plausibel, dass die oft nur zögerlich in Angriff   nur ein Fünftel der Abgeordneten weiblich         geben.“                            men Wahlen (Artikel 38 (1) GG) eingreifen       Staat daher Fördermaßnahmen zuguns-
genommenen Vorhaben in der Frauen- und             ist? Sollen sie dann lieber DIE LINKE wäh-                                           und inwiefern mögliche Eingriffe durch das      ten von Frauen erlaube. Doch gehe es da-
                                                                                                     Artikel 38 (1) GG
Gleichstellungspolitik auch damit zu tun ha-       len? Und die CDU-AnhängerInnen gleich                                                Gleichberechtigungsgebot von Artikel 3 (2)      bei nicht um die Herstellung tatsächlicher
                                                                                                     „Die Abgeordneten des Deut-
ben, dass Frauen in der Politik bisher über-       die Grünen? Schon diese Beispiele zeigen,         schen Bundestages werden           im Grundgesetz und seine 1994 erfolgte Er-      Gleichheit, sondern lediglich um die Her-
all in der Minderheit waren und sind. Auch         dass die Geschlechterfrage quer zu den            in allgemeiner, unmittelbarer,     gänzung zu rechtfertigen sind.                  stellung gleicher Chancen. Ein Paritätsge-
wurden viele Fortschritte erst erreicht, wenn      programmatischen Fragen liegt.                    freier, gleicher und geheimer          Grundsätzlich gilt: Wenn unterschiedli-     setz würde jedoch auf Ergebnisgleichheit
Frauen partei- und fraktionsübergreifend zu-           Es können auch Männer Feministen              Wahl gewählt. Sie sind Vertre-     che Artikel in der Verfassung konkurrieren,     abzielen, nicht auf Chancengleichheit.
sammenarbeiteten, wie bei der Einführung           sein und Frauen entschiedene Antifeminis-         ter des ganzen Volkes, an Auf-     so müssen diese gegeneinander abgewo-               Die andere Seite sieht das ganz anders.
der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der         tinnen. Frauen- und Gleichstellungspolitik        träge und Weisungen nicht          gen und in Übereinstimmung gebracht             Sie verweist darauf, dass der Artikel den aus-
                                                                                                     gebunden und nur ihrem Ge-
Ehe, der Einführung geschlechtsspezifischer        oder dezidiert feministische Politik ent-                                            werden. Zu beachten ist, dass die entspre-      drücklichen Auftrag an den Staat enthalte,
                                                                                                     wissen unterworfen.“
Asylgründe, jüngst bei der Einführung der          steht nicht per se. Es bleibt ein politisches                                        chenden gesetzgeberischen Maßnahmen             die Gleichberechtigung der Geschlechter
Geschlechterquoten in Aufsichtsräten oder          Projekt, über das debattiert und gestritten       Artikel 3 (2) GG:                  geeignet, erforderlich und verhältnismäßig      durchzusetzen und die Lebensverhältnisse
im Sexualstrafrecht („Nein heißt Nein“).           werden muss. Die Vielzahl an Strömungen           „Männer und Frauen sind            sein müssen. Dass Gesetze dem Bundes-           von Frauen und Männern tatsächlich anzu-
     Schließlich zeigen auch die Erfahrungen       im gegenwärtigen Feminismus und die               gleichberechtigt. Der Staat för-   verfassungsgericht vorgelegt werden, wo-        gleichen, also eben nicht bei der Chancen-
in den skandinavischen Ländern mit ihrem           sich daraus ergebenden unterschiedlichen          dert die tatsächliche Durchset-    von im Falle der Parität auszugehen ist, ist    gleichheit stehen zu bleiben. Beide Seiten
hohen Anteil an Frauen in den Parlamen-            politisch-praktischen Forderungen belegen         zung der Gleichberechtigung        kein ungewöhnlicher Vorgang und spricht         berufen sich in ihrer Einschätzung auf Urtei-
                                                                                                     von Frauen und Männern und
ten, dass dort die Gleichberechtigung auf          dies deutlich. Doch ist dies ein im Prinzip                                          nicht per se dagegen.                           le des Bundesverfassungsgerichts.
                                                                                                     wirkt auf die Beseitigung be-
vielen Ebenen sehr viel selbstverständ-            abschließendes Argument für Parität: Es           stehender Nachteile hin.“
licher ist und sich dies auch in den poli-         sollten nicht nur einige wenige, sondern                                             Wie weit trägt das                              Beeinträchtigung der
tisch-institutionellen Rahmenbedingungen           möglichst viele, möglichst unterschiedliche                                          Gleichberechtigungsgebot?                       Wahlrechtsgrundsätze?
niederschlägt.                                     Frauen in den Parlamenten vertreten sein.
     Dennoch ist bei diesem Argument Vor-          Umso lebendiger und attraktiver wird die                                             Bereits in der Gewichtung und Auslegung         Die GegnerInnen von Paritätsgesetzen
sicht geboten. Die berechtigte Forderung           Demokratie – für alle.                                                               des Geltungsbereichs des Gleichberechti-        führen vor allem an, dass diese einen nicht
nach Parität darf nicht nur auf Argumenten                                                                                              gungsgebotes gehen die Einschätzungen           gerechtfertigten Eingriff in die Wahlrechts-
beruhen, die die Unterschiede zwischen                                                                                                  von VerfassungsrechtlerInnen erheblich          grundsätze des Grundgesetzes (Artikel 38
Frauen und Männern eher noch festschrei-                                                                                                auseinander. Wie ist die 1994 erreichte Er-     (1) GG) beinhalten würden. Derartige Ein-

26                                                                                                                                                                                                                                27
griffe bedürften besonderer, sachlich legi-       ten skeptisch sind, aber in einem Wahl-           Das Wahlrecht selbst ist nicht     Artikel 20 (2) GG                Programm-, Organisations- und Wahlvor-              also parteiübergreifend im ganzen Bun-
timierter und „zwingender“ Gründe. Solche         kreis-Duo durchaus eine Option sehen und          Teil der Verfassung. Dort wer-     Alle Staatsgewalt geht vom       schlagsfreiheit spreche eindeutig gegen             desgebiet um nur 299 Frauen handeln.
wurden unter anderem bei der Beibehal-            umgekehrt.                                        den in Artikel 38 zwar die Wahl-   Volke aus. Sie wird vom Volke    verpflichtende paritätische Vorgaben bei
                                                                                                    rechtsgrundsätze festgeschrie-     in Wahlen und Abstimmungen
tung der Fünf-Prozent-Sperrklausel für die             Juristische Argumente dafür gibt es al-                                                                          der Aufstellung der Wahlvorschläge. Par-            Allgemeinheit der Wahl ­–
                                                                                                    ben, die sich entsprechend in      und durch besondere Organe
Bundestagswahlen geltend gemacht.                 lemal. Für eine Verfassungskonformität von
                                                                                                    den Landesverfassungen fin-        der Gesetzgebung, der vollzie-
                                                                                                                                                                        teien müssten selbst entscheiden, wen               die Rechte des dritten Geschlechts
    Die Wahlrechtsgrundsätze gelten nicht         Paritätsgesetzen wird zum einen auf Artikel       den und auch für die Wahlen zu     henden Gewalt und der Recht-     sie aufstellen, um möglichst erfolgreich an
nur für das aktive Wahlrecht der Bürger-          3 (2) Satz 2 GG als Rechtfertigungsgrund für      den kommunalen Vertretungen        sprechung ausgeübt.              Wahlen teilzunehmen und ihre jeweiligen             Ein neuer Aspekt in der Debatte ist, inwie-
Innen, sondern nach übereinstimmender             einen Eingriff in die Wahlrechtsgrundsätze        gelten. In der konkreten Ausge-                                     politischen Ziele umzusetzen. Auch die Ab-          fern durch geschlechterparitätische Vor-
Auffassung bereits in der Phase der Wahl-         der freien und gleichen Wahl verwiesen, wo-       staltung des Wahlrechts hat der                                     lehnung von Quoten könne zum program-               gaben die Rechte des dritten Geschlechts
vorbereitungen für die KandidatInnenauf-          nach der Staat auf die Beseitigung bestehen-      Gesetzgeber jedoch einen er-                                        matischen Profil einer Partei gehören. Das          beeinträchtigt würden. Mit der kürzlich er-
                                                                                                    heblichen Spielraum, wie auch
stellung durch die Parteien. Geschlechter-        der Nachteile hinzuwirken hat – ein Auftrag,                                                                          Demokratiegebot rechtfertige dies nicht.            folgten Rechtsprechung des Bundesverfas-
                                                                                                    die unterschiedlichen Ausge-
paritätische Wahlvorschläge würden in die         der mit dem bisherigen Wahlrecht noch in                                                                              Dieses sehe eben keine „spiegelbildliche“           sungsgerichts zum Personenstandsrecht
                                                                                                    staltungen des Wahlrechts in
Freiheit und Gleichheit der Wahl eingreifen,      keinem einzigen Parlament erreicht worden         den Bundesländern zeigen.                                           Repräsentanz der Bevölkerung vor.                   haben Personen, die sich dauerhaft weder
da die vorschlagsberechtigten Personen in         ist. Zum anderen wird in Paritätsgesetzen                                                                                 Die BefürworterInnen von Parität halten         dem einen noch dem anderen Geschlecht
der Wahlversammlung nur mehr vorgege-             eine Stärkung des Wahlrechtsgrundsatzes                                                                               entsprechend dagegen. Die Vorgaben seien            zuordnen wollen oder können, die gleichen
bene Listenplätze mit Frauen und Männern          der Allgemeinheit der Wahl aus Artikel 38 (1)                                                                         verhältnismäßig und letztlich mit dem Gleich-       Grundrechte und sind ebenfalls vor Diskri-
besetzen dürften. Auch seien Freiheit und         GG gesehen, der den Ausschluss einzelner                                                                              berechtigungsgebot rechtfertigbar. Parteien         minierung zu schützen. Der Einwand lautet,
Gleichheit der KandidatInnen beeinträch-          WählerInnengruppen von politischer Ein-                                                                               hätten aufgrund ihrer herausgehobenen               dass Personen des dritten Geschlechts bei
tigt, weil diese sich nicht mehr frei auf jeden   flussnahme verbietet und damit wiederum                                                                               Stellung bei der politischen Willensbildung         Paritätsregelungen dauerhaft vom passiven
Listenplatz bewerben können.                      geeignet ist, als eigenständig grundrechtlich                                                                         Rechte und Privilegien – bis hin zur staat-         Wahlrecht ausgeschlossen würden.
    Vergleichbare Argumente werden gegen          geschützter Grundsatz einen Eingriff in die                                                                           lichen Parteienfinanzierung. Doch sie seien             Das in Brandenburg verabschiedete
Regelungen ins Feld geführt, die Parteien         Wahlrechtsgrundsätze der freien und glei-                                                                             auch demokratischen Grundsätzen verpflich-          Gesetz nimmt auf diesen Einwand Bezug
dazu verpflichten würden, in den Wahlkrei-        chen Wahlen zu rechtfertigen.                                                                                         tet, welche sich nicht nur auf die innerparteili-   und sieht vor, dass Personen des dritten Ge-
sen ein Duo aus Frau und Mann aufzustellen.            Die Bandbreite der Ansichten und Argu-                                                                           chen Vorgaben (demokratische Wahlen etc.)           schlechts entscheiden können, ob sie auf
Darüber hinaus wird auf die Wahlfreiheit der      mente von VerfassungsrechtlerInnen variiert                                                                           erstreckten. Parteien würden grundsätzlich          der Frauen- oder der Männerliste kandidie-
WählerInnen verwiesen, die gezwungen wä-          also erheblich. Dass der Gesetzgeber aber                                                                             dem Demokratiekonzept des Grundgesetzes             ren wollen. Diese Zuordnung gilt ausschließ-
ren, einen Mann und eine Frau zu wählen. Be-      einen sehr großen Spielraum bei der Ausge-                                                                            unterliegen (Artikel 20 (2) Satz 2). Dieses set-    lich für den Wahlakt auf der Wahlversamm-
fürworterInnen jedoch sehen das genau an-         staltung des Wahlrechts hat, zeigt sich schon                                                                         ze die demokratische Teilhabe des ganzen            lung. Anschließend werden Frauen- und
dersherum: Die Wahlfreiheit der WählerInnen       an den vorhandenen, höchst unterschiedlich                                                                            Volkes, das heißt von Bürgerinnen und Bür-          Männerliste zusammengeführt. Auch der
würde erhöht, weil diese eine größere Aus-        ausgestalteten Landtags- und Kommunal-                                                                                gern gleichermaßen, voraus.                         bündnisgrüne Gesetzentwurf beschäftigte
wahl hätten. Letztlich würde dies auch zu ei-     wahlgesetzen in den Bundesländern. Letzt-                                                                                 Durch ein Paritätsgesetz wird auch              sich mit der Frage des dritten Geschlechts,
ner höheren demokratischen Legitimität von        lich ist es eine politische Entscheidung, ob im                                                                       keine Partei benachteiligt, wie gleichfalls         ohne allerdings konkrete Lösungsvorschlä-
Wahlen beitragen. Dies gelte vor allem dann,      Wahlrecht Parität verankert wird oder nicht.                                                                          zu hören ist. Sicherlich ist die Anzahl der         ge anzubieten. Für Wahlkreis-Duos müssten
wenn die WählerInnen mit zwei Stimmen                                                                                                                                   weiblichen Mitglieder in den Parteien un-           voraussichtlich Regelungen gefunden wer-
jeweils einen Mann und eine Frau wählen           Die Freiheit der Parteien                                                                                             terschiedlich hoch. Doch jeder Partei, die          den, die auch Kombinationen aus Mann /
könnten, die auch unterschiedlichen Parteien                                                                                                                            sich ernsthaft um Landtags- und Bundes-             Divers und Frau / Divers zulassen würden.
angehören könnten, wie es der ursprüngliche       In fast allen Kommentaren, die sich kritisch                                                                          tagsmandate bewirbt, sollte es möglich              Hier gesetzestechnisch Regelungen zu ent-
Gesetzentwurf in Brandenburg von Bündnis          mit Paritätsgesetzen befassen und ihre Ver-                                                                           sein, für die überschaubar vielen Listen-           wickeln, um die Rechte von Personen des
90/Die Grünen vorgesehen hatte.                   fassungskonformität infrage stellen, spielt                                                                           plätze und Mandate genügend Frauen                  dritten Geschlechts zu gewährleisten, soll-
    Darüber hinaus gibt es Stimmen, die           die in Artikel 21 grundgesetzlich geschützte                                                                          aufzustellen. Der Bundestag sieht regulär           te jedoch möglich sein. Sie sprechen nicht
zwar gegenüber paritätisch besetzten Lis-         Freiheit der Parteien eine große Rolle. Die                                                                           598 Sitze vor – bei Parität würde es sich           prinzipiell gegen Parität.

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