Mikrobiom und Antibiotika-Resistenz - Neue spannende Erkenntnisse aus dem Mikrokosmos der Haut - Prof. Dr. med. Jan Buer - hykomed
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Mikrobiom und Antibiotika-Resistenz – Neue spannende Erkenntnisse aus dem Mikrokosmos der Haut Prof. Dr. med. Jan Buer Institut für Medizinische Mikrobiologie Universitätsklinikum Essen
Institut für Medizinische Mikrobiologie Zufallstreffer Penicillum notatum hemmt Wachstum von Bakterien (28. September 1928)
Institut für Medizinische Mikrobiologie Die Antibiotika-Pipeline trocknet aus!* *DGHM2018 Die Zahl der Neuzulassungen von Antiinfektiva/Antibiotika ist in den letzten Jahren rückläufig (Quelle: FDA) Dem gegenüber steht eine globale Zunahme von Antibiotikaresistenzen Direkte Korrelation mit steigendem Antibiotika- Verbrauch (MRSA, caMRSA, ESBL, MRGN) Echte Innovation bei Antibiotika fehlen Auch Reservesubstanzen zunehmend unwirksam Weitere Probleme im ambulanten Bereich (HWI, Atemwegsinfekte, STD)
Institut für Medizinische Mikrobiologie Die Torwächter der Körperabwehr – Medizin Nobelpreis 2011 „Toll“ Etienne Meylan & Jürg Tschopp Nature Immunology 2008
Institut für Medizinische Mikrobiologie Resistenzmechanismen P. acnes Erythromycinresistenz Mutation in Genen die 23S ribosomale RNA codieren (3 Phänotypen) Tetracyclinresistenz •Mutationen in Genen für die 16S ribosomale RNA Die Zahl der resistenz-vermittelnden Proteine wird durch Antibiotika hochreguliert!
Institut für Medizinische Mikrobiologie Beispiel MRSA Ein Multi-Resistenter-Staphylococcus-Aureus (ursprünglich Methicillin- resistenter...; benannt nach einem heute nicht mehr verwendeten Antibiotikum, bei dem die Resistenz in den 60er Jahren zuerst beobachtet wurde) Induktion von „low affinity“ PBP 2‘s = Penizillin-bindende Proteine mit sterisch geränderter Tertiärstruktur, die die Penicillinase festen Penicilline schlecht oder nicht mehr binden In Deutschland bis zu 20% aller S. aureus Isolate! Besiedlung häufig ohne Krankheitswert Das Hauptproblem ist die schwierige Therapierbarkeit der Infektion! 2000 1950er
Institut für Medizinische Mikrobiologie Immer neue Probleme caMRSA Neuer Stamm caMRSA (community aquiered) erstmals 1998 in USA (Michigan) beschrieben Verursacht massiv nekrotisierende Pneumonien sowie Ulzerationen im Bronichal- und Alveolarsystem mit sehr hoher Letalitat Veröffentlichung aus Frankreich: hohe Letalitat von 37 % innerhalb von 48 h bei Pneumonien Typisierungen in einer Deutschen Universitätshautklinik (Ambulanz): von 215 Pat wiesen 1,3 % CaMRSA auf Einsatz Künstliche Membranvesikel (Liposomen) Henry et al. Nature Biotechnologie 2015
Institut für Medizinische Mikrobiologie Dermatologie und topische Antibiotika Bsp. Akne – bedrohliche Resistenzlage Erythromycin (1975/2000: ~70% vs ~25% „S“) Simonart et al Br J Bermatol 2005 Clindamycin Tetracyclin Nadifloxacin (Breitspektrum-Chinolon) Direkte Korrelation zwischen dem Ausmaß und der Art des Antibiotikaverbrauchs und der Resistenzrate Antibiotika sollten mit Benzylperoxid (BPO) kombiniert werden!
Institut für Medizinische Mikrobiologie BPO – keine Resistenzen zerstört P. acnes durch Oxidation von Proteinen P. acnes Konzentration wird schnell reduziert (innerhalb von 2 Tagen) zusätzlich geringe komedolytische Wirkung wirkt indirekt antientzündlich die Wirksamkeit von BPO in Kombination mit Adapalen oder Antibiotika ist deutlich höher als diejenige der Monosubstanzen
Institut für Medizinische Mikrobiologie P. acnes-Isolate bei systemischen Infektionen sind vorrangig resistent gegen Clindamycin und Erythromycin Isolate: Meningitis 21,4% Isolate: Prothesen 20% Blut 31,4% Blut 20% Meningitis 21,4% Bauchinfekt. 18,2% Lunge + Pleura 16,7% 18 17,1 16 15,1 Resistente Stämme 14 P. acnes (in %) 12 10 8 6 3,9 4 2,3 2 0,3 0,65 0 n ra n in ry ra i i yc cl yc et /E et cy /T m /T om da tra da y ry hr in Er Te in /E yt Cl Cl Er da in Cl Oprica et al Clin Microbiol Infect 2005
Institut für Medizinische Mikrobiologie Aber, 36% der Akne-Patienten sind nach einer 12- wöchigen Therapie mit CLINDA / BPO Träger Clindamycin- resistenter Propionibakterien 70 Patienten (in%) 60 50 40 30 20 10 0 CLINDA / BPO ERY / Zink (Duac) (Zineryt) ERY res. vor Therapie ERY res. nach Therapie CLINDA res. vor Therapie CLINDA res. nach Therapie Anteil Akne-Patienten mit resistenten Propionibakterien (in %) vor und nach Therapie mit CLINDA / BPO vs. ERY / Zinkacetat über 12 Wochen Langner et al JEADV 2007
Institut für Medizinische Mikrobiologie Beispiel: Übertragung durch direkten Kontakt 100% 100% 41-86% Propionibakterien (in%) 90% Personen - Träger res. 80% 70% 64% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 0% Akne-Spezialisten Dermatologen Ärzte anderer unbehandelte insgesamt Ambulanzen Kontaktpersonen Multinationale europäische Studie, 6 Länder (n=664 Pat.), Daten zur Therapie und Resistenzen bei Pat., Ärzten und Kontaktpersonen Ross et al. Br J Dermatol 2003
Institut für Medizinische Mikrobiologie Resistenzentwicklung und ihre Ursachen Schlechte Compliance Mehrere antibiotische Behandlungen über viele Wochen Behandlungen länger als 12 Wochen Zusammenleben mit einem Antibiotika behandeltem Aknepatienten Übertragung durch direkten Kontakt!
Institut für Medizinische Mikrobiologie Antibiotikaresistenz und bakterielle Fitness
Institut für Medizinische Mikrobiologie Umdenken bei Akne – Entzündung als zentraler pathogenetischer Faktor Sebozyt Bakterielle Besiedlung – Geschlossener Biofilm (Glykokalix-Polymer) Komedo 1. Talg 2. Fettsäuren Papeln • Talgansammlung P. acnes • Follikelerweiterung Entzündliche • Anhäufung von Hornmaterial Läsionen Immunantwort Pusteln Mikrokomedo Offener • Hyperproliferation Komedo • Keratohyalin-Granula ↑ • Gestörte Desquamation Follikulärer Keratinozyt Modifiziert nach Gollnick et al JAAD 2003 und Dréno B, et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2015;29:3–11
Institut für Medizinische Mikrobiologie Entzündung – Aktuelle Aspekte P. acnes bindet an Toll-like receptor 2 auf der Oberfläche von Makrophagen (Freisetzung von pro-inflammatorischem Interleukin-1b) Propionibakterien wirken mitogen auf T-Lymphozyten Infiltration von aktivierten CD4 T-Lymphozyten in Akneläsionen Reduzierte Produktion von Interleukin-10 durch CD14+ Monozyten Perifollikuläre Entzündungsbereitschaft?
Institut für Medizinische Mikrobiologie Bakterielle Resistenzen – andere Hautbakterien
Institut für Medizinische Mikrobiologie Mikroökologie der Haut – Residente und transiente Flora Normale Flora [Gewicht] Zu den meisten Keimen liegen Augen bisher überhaupt 1 keine Daten zur Nase Resistenzentwicklung 10 durch Mund Antibiotikagebrauch 20 in der Lungen 20 vor! Dermatologie Vagina 20 Haut 200 Darm 1000g Gao et al. PNAS 2007
Institut für Medizinische Mikrobiologie „Cross-talk“ zwischen Haut-Mikrobiota und Wirt Chen YE et al. Nature 2018
Institut für Medizinische Mikrobiologie Cleverer Keim! Staphylococcus epidermidis kontrolliert die Aktivierung von dendritischen Zellen und T-Lymphozyten in der Haut, um eindringende Pathogene abzuwehren. Foto: Your Photo Today Hofmann-Aßmus Pharmazeutische Zeitung 2018
Institut für Medizinische Mikrobiologie Antibiotikaresistenz Rate resistenter P. acnes liegt in Europa zwischen 41-90% Abnehmende klinische Wirksamkeit oraler und topischer Antibiotika bei zunehmender Resistenz von P. acnes Resistenzen gegen Tetracycline deutlich geringer als gegen Erythromycin Direkte Korrelation zwischen dem Ausmaß und der Art des Antibiotikaverbrauchs und der Resistenzrate
Institut für Medizinische Mikrobiologie Topische Kombinationstherapie „plus“ Antibiotika – Viele Fragen zu Risiken bleiben offen ??? Keine Langzeitdaten zur Resistenzentwicklung (>16 Wochen) Gefahr der Zunahme resistenter anderer Bakterien Übertragung von Resistenzmechanismen auf andere Bakterien Besser „ohne“ Antibiotika z.B. Retinoide (Adapalen) und BPO Thiboutot et al. J Am Acad Dermatol 2007
Institut für Medizinische Mikrobiologie Corona hat die Antibiotika-Krise verschärft! „Ärzte setzen bei COVID-19-Patienten häufig COVID-19: don't neglect antimicrobial unnötig Antibiotika ein. Die WHO befürchtet, stewardship principles! dass sich so eine der größten globalen Huttner, B. D. et al. Clin. Microb. Infect. 2020 Gefahren verschärft: die Zunahme resistenter Bakterien.“
Institut für Medizinische Mikrobiologie „Gut Microbiome in SARS-CoV-2“ Unterschiede im Darm-Mikobiome im Zusammenhang mit CoV-2 Infektion und Schweregrad der Erkrankung Reinold et al. Front. Cell. Infect. Microbiol. 2021
Institut für Medizinische Mikrobiologie Antibiotika Einsatz in Deutschland – unkritisch? W erte MAT 2011.06 Gesamt (Packungseinheiten) MAT 2011.06 Gesamt (Packungseinheiten) '+-' % vs. Vorjahr Substanzen Summe 22.901.558 -0,23% Cefuroxim 4.465.377 13,54% Clindamycin 3.392.755 -2,64% Azithromycin 3.255.843 3,87% Phenoxymethylpenicillin 3.109.620 -8,08% Clarithromycin 2.497.380 -3,45% Roxithromycin 2.093.750 -4,13% Fusidinsäure 1.364.321 -0,74% Erythromycin 1.257.843 -5,08% Benzoylperoxid 496.603 -3,89% Cefadroxil 270.923 -12,95% Mupirocin 205.150 1,70% Adapalen + Benzoylperoxid 161.803 12,25% Cefalexin 143.290 -8,01% Flucloxacillin 85.024 -10,31% Neomycin 75.909 -3,90% Linezolid 9.492 8,02% Cefazolin 8.313 5,78% Benzylpenicillin 4.408 -56,75% Cefotiam 3.754 -79,09% MAT 2011.06 = 12-Monatswert von Juli 2010 bis Juni 2011 Quelle: Insight Health NPI
Institut für Medizinische Mikrobiologie HELP-App unterstützt Antibiotika-Therapie
Institut für Medizinische Mikrobiologie Wir brauchen neue Strategien im Kampf gegen antibiotika-resistente Bakterien Modifikation eines „stumpf gewordenen“ Antibiotikums oder Zugabe eines zweiten Wirkstoffs, der den Resistenzmechanismus blockt oder umgeht (z.B. Cefiderocol- Siderophor als „Trojanisches Pferd“) Suche nach neuen Wirkprinzipien (z.B. das Lipopeptid-Antibiotikum Daptomycin) Phagen (Mikrobielle Viren) Suche nach neuartigen Antibiotika! Nanoantibiotics* *“lowering pH breaks-resistance in vivo“ Westmeier et al. Nanoscale Advances 2020
Institut für Medizinische Mikrobiologie Retinoide: Starke antientzündliche Potenz von Adapalen in der Haut – Alternativer Ansatzpunkt „Toll“ P. acnes TLR-2 Benzoyl- peroxid Adapalen AP-1 Welcher klinische Zytokine Matrixmetallo- Effekt resultiert aus (z.B. TNFα, IL-1β, IL-8) proteinasen einer Erhöhung der Narbe Adapalen- Entzündung Gewebe- Konzentration? degradation Holland DB, et al. Br J Dermatol 2004;150:72–81; Jasson F, et al. Exp Dermatol 2013;22:587–592; Holland DB, et al. Semin Cutan Med Surg 2005;24:79–83; S2k-Leitlinie zur Behandlung der Akne, AWMF Register Nt. 013/017; Nast A et al. J Dtsch Dermatol Ges. 2010; 8(Suppl 2):s1- 59; Michel S, et al. Br J Dermatol 1998;139(Suppl 52):3–7; Galderma. Data on file.
Institut für Medizinische Mikrobiologie Pathomechanismus der Narbenbildung 99% der Akne-Narben stammen von Hautoberfläche entzündlichen und post-inflammatorischen Procollagen Blutplättchen Läsionen ab Entzündungsreaktion Immunzelle Gewebevermehrung (Synthese von Procollagen) Re-modellierung Ungleichgewicht von Gewebe-modulierenden atrophe Narbe Enzymen (MMPs) führt zu Narben Narbe Modifiziert nach: Beanes SR et al. Expert rev Mol Med 2003;5: 1-22; Thiboutot D et al. J Am Acad Dermatol 2009; 60(Suppl):S1-S50
Institut für Medizinische Mikrobiologie Mittlere Reduktion entzündlicher Läsionen – Teilpopulation mit schwerer papulopustulöser Akne¹,² ** ∆Multiple Imputation; post-hoc Analyse der Daten vor Woche 12. 1. Weiss J, et al. J Drugs Dermatol 2015;14:1427–1435 2. Galderma R&D (2014). Clinical Study Report – Phase III 0.3% study SPR 18240
Institut für Medizinische Mikrobiologie Bsp. : Von schwerer papulopustulöser Akne zu fast erscheinungsfrei in 12 Wochen ADA/BPO 0,3 ADA/BPO 0,3 Baseline Woche 1 Woche 12 schwere papulopustulöse Fast erscheinungsfrei Akne IGA = Investigator’s Global Assessment Score; Weiss J, et al. J Drugs Dermatol 2015;14:1427–1435
Institut für Medizinische Mikrobiologie Empfehlung von Fixkombinationen bei leichter bis mittelschwerer Akne gemäß aktueller S3-Leitinie1 Empfehlungsgrad Leichte bis mittelschwere Akne Hoch Adapalen + BPO Fixkombination oder Clindamycin + BPO Fixkombination* Mittel Clindamycin + Tretinoin-Fixkombination** oder Monotherapie mit Azelainsäure oder BPO oder topischen Retinoid oder Systemische Antibiotika + Adapalen • Aktualisierte Version der Leitlinie aus 2016 verweist ausdrücklich auf das Resistenzrisiko beim Einsatz von Antibiotika • Abgestufter Empfehlungsgrad für Clindamycin + Tretinoin-Fixkombination aufgrund Bedenken zur Resistenzentwicklung 1Modifiziert nach Nast A et al. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2016;30:1261-1268; * Verordner von Antibiotika sollten sich über das Resistenzrisiko bewusst sein; ** Herabstufung der Clindamycin + Tretinoin Fixkombination aufgrund von Bedenkung zur Resistenzentwicklung
Institut für Medizinische Mikrobiologie Verantwortlicher Umgang mit Antibiotika: Notwendigkeit der Antibiotikareduktion in der Aknetherapie HPM Gollnick, J Buer, S Beissert, C Sunderkätter - JDDG: Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft Volume 14, Issue 12 December 2016 Pages 1319–1327 „Das Nutzen-Risiko-Verhältnis muss bei der Entscheidung für oder gegen eine antibiotische Therapie bei einem einzelnen Patienten immer auch in Bezug auf das öffentliche Interesse am Erhalt der Wirksamkeit von Antibiotika abgewogen werden.“
Institut für Medizinische Mikrobiologie Antibiotikum aus dem Mikrobiom tötet Bakterien durch Störung des Energiestoffwechsels „Staphylococcus lugdunensis strains produce lugdunin“ (Zipperer et al. Nature 2016)
Institut für Medizinische Mikrobiologie www.uk-essen.de/mikrobiologie buer.jan@uk-essen.de
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