MIKROSYSTEMTECHNIK FÜR IN VITRO TESTSYSTEME

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MIKROSYSTEMTECHNIK FÜR IN VITRO TESTSYSTEME
MIKROSYSTEMTECHNIK FÜR IN
  VITRO TESTSYSTEME

  LAUFZEIT VON 2018 BIS 2021

  Kontakt Dienstleister:

  Dr. Joachim Fröhlingdorf
  VDI Technologiezentrum GmbH Düsseldorf
  Telefon: +49 (0) 211 62 14-5 08
  froehlingsdorf_j@vdi.de

Baden-Württemberg Stiftung gGmbH
Kriegsbergstr. 42, 70174 Stuttgart
Tel: +49 (0) 711 248 476-0, info@bwstiftung.de
PROJEKTE DER AUSSCHREIBUNG
     MIKROSYSTEMTECHNIK FÜR IN
     VITRO TESTSYTEME

     Das Forschungsprogramm wurde in der Aufsichtsratssitzung am 08. November
     2016 beschlossen. Die Projekte hatten eine Laufzeit von 3 Jahren. Die einzelnen
     Projekte starteten von Januar bis Juni 2018 und enden zwischen März und
     November 2021.

     Programmbudget: 4,8 Mio. €

     Bedingt durch die kontinuierlich steigende Lebenserwartung wirken sich frühzeitig erworbene
     Krankheiten über einen längeren Zeitraum als bisher auf die Gesundheit und Lebensqualität der
     Betroffenen aus. Lösungsansätze, dieser Entwicklung aktiv zu begegnen, erfordern eine
     kontinuierliche Steigerung der medizinischen Versorgung mit innovativen und möglichst
     nebenwirkungsfreien Arzneimitteln.
     Gerade im Bereich der in vitro Diagnostik bietet die Organ-Chip-Technologie einen neuen Ansatz,
     mit dem erstmals Substanzen unter körperähnlichen Bedingungen bereits in der präklinischen
     Phase - also vor der Exposition am Menschen - getestet werden. Sie stellt somit eine neue
     vielversprechende Strategie für die schnelle in vitro durchgeführte Prüfung neuer therapeutischer
     Methoden dar, mit dem großen Vorteil, Risiken für den Patienten zu minimieren, und der
     Möglichkeit, Tierversuche erheblich einzuschränken. Dadurch können relevante aussagekräftige
     Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von Wirkstoffen bereits sehr früh und treffsicher erfasst und
     für den Entscheidungsprozess zum Start von kostenintensiven klinischen Studien herangezogen
     werden.
     Organ-on-a-Chip-Systeme ermöglichen die Kultivierung und Ko-Kultivierung spezifischer Zelltypen,
     indem sie eine organotypische Umgebung nachahmen, die über mikroskopische Strukturen
     verschiedenster Geometrien und Größe verfügen, wie zum Beispiel Kanäle mit einem Durchmesser
     von 10 µm, Membranen mit einer Dicke von 500 nm und einer Porengröße von 400 nm.
     Für die Fertigung solcher Systeme kommt der Mikrosystemtechnik eine herausragende Bedeutung
     zu. Des Weiteren ermöglicht die Mikrosystemtechnik die Integration biomedizinischer
     mikroelektromechanischer Bauteile wie z. B. Mikrocontrollern oder Signalprozessoren, die in
     komplexen Situationen ihr Umfeld analysieren.
     Mit dem Forschungsprogramm Mikrosystemtechnik für in vitro Testsysteme möchte die Baden-
     Württemberg Stiftung dazu beitragen, die Forschung in diesem Themenbereich in Baden-
     Württemberg gezielt voranzutreiben und dabei die führende Position des Landes im Bereich der
     Mikrosystemtechnik und Gesundheitswirtschaft zu stärken und auszubauen.

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MIVT-1 (MEMONO) Metabolisches Monitoring in einem Organ-on-chip-System
     Projektleiter:
     Dr. Andreas Weltin; Prof. Dr. Gerald Urban
     Projektvolumen:
     393.900€
     Forschungseinrichtung:
     Universität Freiburg (IMTEK)
     Laufzeit des Projekts:
     01.06.2018 - 30.11.2021
     Besonderheit des Projekts:
     •         Organ-on-a-Chip-Modell zur besseren Brustkrebs-Therapie
     •         Laufende internationale Patentanmeldung

     Der aktuelle Trend in der Medizin geht hin zu einer individualisierten Diagnostik und Therapie von
     Patienten. Hierbei ist eine enge Verzahnung der Diagnostik mit Therapie, der sogenannte
     theranostische Ansatz, von großer Bedeutung. Insbesondere in der Tumortherapie möchte man
     mittels prognostischer Biomarker die ideale Therapie für den vorhandenen speziellen Tumor und
     den jeweiligen Patienten gezielt auswählen, um sofort die optimale Therapie anwenden zu
     können. Hierbei stehen einerseits die Wirksamkeit der Therpeutika, andererseits die
     Medikamentennebenwirkungen im Vordergrund. Dabei ist auch die Metabolisierungsrate, mit der
     das Medikament vom Organismus verarbeitet wird, wichtig, um eine gewünschte personalisierte
     Dosisanpassung vornehmen zu können.
     Die Entwicklung einer personalisierten Chemotherapie kann und sollte natürlich nicht an dem
     Patienten selbst (in vivo) erfolgen. Mittel der Wahl in der Krebsforschung sind daher außerhalb des
     Körpers (in vitro) kultivierte Nachbildungen des Tumorsystems. Im Rahmen des Vorhabens wurde
     ein entsprechendes Organ-on-a-Chip-Modellsystem realisiert, das einen Brustkrebstumor
     nachbildet. Brustkrebsstammzellen werden dabei gemeinsam mit tumorinduzierten Fibroblasten
     kultiviert und über Mikrokanäle mit Nährstoffen und Therapeutika versorgt. Die kleinen Volumina
     in den Mikrokanälen ermöglichen schnelle Konzentrationsänderungen und Reaktionen des
     Tumormodells auf Stimuli.
     Die weitgehende Verwendung transparenter Materialen erlaubt auch den Einsatz optischer
     Methoden zur Charakterisierung der Tumorzellen. Hauptmerkmal des entsprechenden Organ-on-
     a-Chip-Systems sind weiterhin integrierte Mikrosensoren, mit denen die metabolischen Parameter
     Sauerstoff, Glucose und Lactat in Echtzeit gemessen werden können. Gleichzeitig besteht auch die
     Möglichkeit zur laufenden Entnahme von Medienproben, die ergänzend im Labor untersucht
     werden können.
     Das Organ-on-a-Chip-System wurde erfolgreich realisiert, das Vorhaben ist aber noch nicht
     abgeschlossen und z. B. erste Messungen der Metabolik stehen noch aus!

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MIVT-2 (SensorTransBBB) Mikrophysiologisches in vitro Modell der Blut-Hirn-Schranke mit
     integrierten Mikrosensoren als in vivo Krankheitsmodell für Wirkstofftests
     Projektleiter:
     Dr. Martin Stelzle, Prof. Dr. Gert Fricker
     Projektvolumen:
     474.348 €
     Forschungseinrichtungen:
     NMI Reutlingen (Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen-
     Reutlingen, Universität Heidelberg
     Laufzeit des Projekts:
     01.01.2018 - 30.04.2021
     Besonderheit des Projekts:
     In-vitro-Modellsystem für die Blut-Hirn-Schranke

     In der Wirkstoffentwicklung folgt nach der ersten Identifizierung einer potentiell wirksamen
     chemischen Substanz ein Prozess, in dem die Forscher versuchen, die Wirksamkeit durch
     chemische Modifikation der zunächst gefundenen wirksamen Grundstruktur systematisch zu
     verbessern und die unerwünschten Nebenwirkungen zu reduzieren. Dazu werden
     Wirkstoffkandidaten im Rahmen der präklinischen Forschung an Zellkulturmodellen und
     nachfolgend an Tieren, insbesondere Nagern wie Mäusen und Ratten, getestet. Wird dabei
     Wirksamkeit bei geringer Toxizität festgestellt, folgen klinische Studien an menschlichen
     Probanden. Erst wenn auch hier therapeutische Effizienz und Sicherheit des neuen Wirkstoffs
     nachgewiesen wurden, kann dieser zugelassen und vertrieben werden.
     Gerade in Bezug auf toxische Nebenwirkungen wie z.B. einer Schädigung der Leber durch einen
     Wirkstoff hat sich jedoch gezeigt, dass Tierversuche die Effekte und insbesondere schädliche
     Nebenwirkungen im Menschen nicht hinreichend zuverlässig vorhersagen können. Zu groß sind die
     Unterschiede im Vergleich zum menschlichen Organismus mit manchmal lebensbedrohlichen
     Folgen. Ähnlich problematisch ist die Verwendung statischer Modelle der Blut-Hirn-Schranke zur
     Beurteilung der Barrieregängigkeit von Wirkstoffen. So lassen sich z.B. strömungsbedingte Effekte
     wie Scherkräfte oder der Einfluss des Blutdruckes kaum simulieren.
     In Zellkulturen können zwar menschliche Zellen eingesetzt werden, um Effekte aufgrund der
     Speziesunterschiede auszuschließen, aber konventionelle Kulturmodelle entbehren wesentliche
     und für die Zellfunktion essentielle Merkmale eines Organs. Entsprechend begrenzt ist daher der
     Nutzen auch dieser Testsysteme.
     Das Projekt SensorTransBBB verfolgte daher erfolgreich folgende Ziele, die diese bisherigen
     Schwächen kompensieren sollen und können:
     1.      Mikrosystemtechnische Entwicklung elektrisch bzw. optisch auslesbarer Mikrosensoren
     und deren Integration in mikrophysiologische Systeme im Mikrotiterplattenformat
     2.        Mikrosystemtechnische Realisierung eines Blut-Hirn-Schranke-Modells

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3.      Untersuchung des Einflusses pathologischer Bedingungen, speziell Hypoxie
     (Sauerstoffmangel) und Hyperglykämie (zu hoher Blutzucker), auf das mikrofluidische in vitro Blut-
     Hirn-Schranke-Modell

     MIVT-3 (Herzklappe on-a-chip) Integration biofunktionaler Trägersubstrate in einem
     mikrofluidischen Chip
     Projektleiter:
     Dr. Peter Loskill, Dr. Svenja Hinderer
     Projektvolumen:
     762.050 €
     Forschungseinrichtungen:
     Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB), Universität Tübingen
     Laufzeit des Projekts:
     01.02.2018 - 31.05.2021
     Besonderheit des Projekts:
     Organ-on-a-Chip-System für Herzklappenuntersuchungen

     Die Organ-on-a-Chip (OoC)-Technologie hat sich in den letzten Jahren von einer konzeptionellen
     Idee zu einer realistischen Alternative zu Tiermodellen und klassischen Zell-Assays entwickelt. Die
     Technologie ist speziell in Europa von großem Interesse, u. a. aufgrund der REACH Verordnung zur
     Produktion und Verwendung von Chemikalien, dem generellen Verbot von Tierversuchen für
     Inhaltsstoffe von Kosmetika sowie auch einer “Citizen’s Initiative”, unterzeichnet von 17 Millionen
     EU Bürgern, die ein generelles Verbot von Tierversuchen in der EU fordert. Bisher entwickelte
     OoCs bestehen zumeist aus (Mono-)Lagen von unterschiedlichen Organ-spezifischen Zellen, die
     auf beiden Seiten einer inerten porösen Membran kultiviert werden, die wiederum in eine
     mikrofluidische Umgebung integriert ist.
     Systeme dieser Art sind zwar in vielen Fällen in der Lage, die In-vivo-Struktur und Funktionalität
     von Barrieregeweben nachzubilden. Für andere Gewebetypen ermöglichen sie jedoch zumeist
     keine geeignete physiologische Nachbildung. Um physiologische Umgebungen für diese Gewebe
     zu schaffen, müssen daher neue innovative Systeme und Trägersubstrate entwickelt werden,
     welche die natürliche Einbettung der Zellen in eine dreidimensionale Struktur und damit die 3D
     native Umgebung abbilden.
     Ziel des Projektes war es, Technologien der Materialherstellung und der Mikrofluidik zu vereinen,
     um synthetische dreidimensionale Trägerstrukturen in Chipsystemen zu integrieren. Vorgesehen
     ist die Integration einer elektrogesponnenen Matrix sowie von strukturierten Hydrogelen. Als
     Anwendungsbeispiel, wurden beide mit Herzklappeninterstizialzellen und -endothelzellen im
     Chipsystem besiedelt, um eine Nachbildung einer Herzklappe zu erhalten. Mittels
     Strukturierungstechniken, spezieller Chip Designs und spezifischer Strömungsparameter konnte
     zudem die Klappenbewegung imitiert werden. Dieses Projekt bietet damit einerseits die Grundlage
     für ein neuartiges Herzklappentestsystem mit großem Potenzial für die Grundlagenforschung und

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die Entwicklung neuer Therapieansätze, andererseits resultiert eine Technologieplattform, die
     dreidimensionale Materialien in Organ-on-a-Chip-Systemen integriert und die zukünftig eine
     reellere Abbildung der Organstruktur für eine Vielzahl weiterer Testsysteme ermöglicht.

     MIVT-4 (MicroLungDetect) Entwicklung und Validierung eines Lungen-Mikrochips zur
     präklinischen Detektion von Medikamenten in der Atemluft – MicroLungDetect
     Projektleiter:
     Prof. Dr. Ralf Kemkemer, Prof. Dr. Jörg Baumbach, Prof. Dr. Petra Kluger
     Projektvolumen:
     371.000 €
     Forschungseinrichtungen:
     Hochschule Reutlingen
     Laufzeit des Projekts:
     01.03.2018 - 30.11.2021
     Besonderheit des Projekts:
     Modellsystem zur Detektion von Medikamenten in der Atemluft

     Üblicherweise erfolgt die Dosierung von Medikamenten anhand des Körpergewichtes oder der
     Wirkung. Die Messung von Blut-Konzentrationen ist zeitaufwendig, invasiv und teuer. Die
     gemessenen Blut-Konzentrationen stehen nur mit erheblicher Zeitverzögerung zur Verfügung.
     Diese Nachteile entfallen bei der Messung in der Ausatemluft. Die Messung der Konzentration von
     Medikamenten in der Ausatemluft ist daher ein vielversprechender Ansatz für das Monitoring, die
     Diagnostik oder Entwicklungen in der individualisierten Medizin. Für einige Anästhetika ist das
     Verfahren bereits etabliert und klinischer Standard. Für andere Wirkstoffe gilt dies jedoch nicht.
     Die Ursache dafür ist in bislang fehlenden validierten in vitro Modellen zu sehen, für die Organ-on-
     Chip-Systeme als aussichtsreiche Varianten anzusehen sind.
     Die Zielstellung des Projektes „MicroLungDetect“ ist die Entwicklung und Validierung eines
     “Lungen-Mikrochips” zur präklinischen Detektion von Medikamenten in der Atemluft. Der
     Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung eines zellbasierten in vitro Testsystems zur modellhaften
     Bestimmung, welche Medikamente über die Lunge abgeatmet werden und deren Detektion im
     Spurenbereich (ng/L bis pg/L-Bereich).
     Das interdisziplinäre Projekt verband thematisch einen Mikrochip mit simuliertem Lungengewebe
     mit der unmittelbaren Detektion durch Ionenbeweglichkeitsspektrometrie (IMS) im Trägergas Luft
     und damit die Bereiche Tissue Engineering, Mikrochip & Gasspurenanalytik. Hierbei wurden
     mittels lithographischer Methoden zwei Chip-Einheiten, der Lung-on-a-Chip und eine µ-
     Preconcentrator-Unit, entwickelt und produziert und damit der Übergang von ausgewählten
     Medikamenten durch das Lungen-Endothelium und -Epithelium in die Gasphase simuliert und
     charakterisiert. Diese Messung erfolgte durch die funktionelle Verbindung der Chip-Einheiten mit
     der IMS. Somit konnte die Detektion von Medikamenten (später auch flüchtigen

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Stoffwechselprodukten) in der Luft validiert (Identifizierung und Quantifizierung) werden, um eine
     Übertragung der Atemgasanalytik in das klinische Monitoring zu ermöglichen und
     “MicroLungDetect” als Testsystem im Bereich Pharma zu etablieren.

     MIVT-5 (Retina on-a-chip) A retina on-a-chip for high-throughput mechanobiology of retinal
     tissues
     Projektleiter:
     Dr. Friedhelm Serwane
     Projektvolumen:
     261.000 €
     Forschungseinrichtungen:
     Max-Planck Institut für Medizinische Forschung Heidelberg
     Laufzeit des Projekts:
     01.05.2018 - 30.08.2021
     Besonderheit des Projekts:
     Organ-on-a-Chip-System zur Untersuchung von Retinagewebe

     Das Auge stellt eines der wichtigsten Sinnesorgane dar. Viele seiner Fehlfunktionen wurden mit
     mechanischen Veränderungen in Verbindung gebracht, wie beispielsweise einem Anstieg des
     Druckes oder der Elastizität. Mechanische Einflüsse reichen von der Wirkung auf einzelne
     Neuronen, einschließlich dem Absterben von Retinalen Ganglienzellen (Glaukom), bis hin zu
     morphologischen Veränderungen auf der Größenordnung von Geweben (Netzhautablösung).
     Das Verständnis, wie die mechanische Landschaft der Netzhaut (Retina) zur Funktion des Auges
     beiträgt, kann Wege eröffnen, um Krankheiten zu bekämpfen. Dies stellt jedoch eine enorme
     technische Herausforderung dar, da es Mechanikmessungen an einer Netzhaut erfordert, deren
     Zelltypen und Gewebemorphologie der Retina des Patienten entsprechen. Experimente an
     menschlicher Netzhaut sind aufgrund ihrer Unzugänglichkeit schwer zu realisieren. Hinzu kommt,
     dass herkömmliche Mechanikmesstechniken auf Oberflächen beschränkt sind, wie z.B. das
     Rasterkraftmikroskop, oder die Mechanik nur auf einer Größenordnung gemessen wird, die viel
     kleiner oder grösser ist als die zelluläre Mikroumgebung.
     Ziel des Projekts war es, einen Netzhautchip zu konstruieren, der patientenspezifische 3D-
     Mechanikmessungen mittels Hochdurchsatzverfahren ermöglicht. Dies wurde durch die
     Vereinigung zweier Spitzentechnologien in einem Organ-chip möglich: Mechanikmesstechnik von
     3D-Geweben, basierend auf ferrofluiden Tröpfchen, sowie stammzellbasierte Retina-Organoide.
     Der Retinachip konnte dazu beitragen, ein grundlegendes Verständnis des Einflusses der
     Gewebemechanik auf die Funktion der Netzhaut zu entwickeln. Darüber hinaus eröffnen sich
     medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten, die bei der Retinamechanik ansetzen, um die Sehkraft
     zu erhalten.

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MIVT-6 (ExPO-Chip) Exocrine Pancreas Organoids on Chip
     Projektleiter:
     Prof. Dr. Alexander Kleger
     Projektvolumen:
     537.000 €
     Forschungseinrichtungen:
     Universitätklinikum Ulm
     Laufzeit des Projekts:
     01.04.2018 - 31.03.2021
     Besonderheit des Projekts:
     Organ-on-a-Chip-Modell, das zu einer besseren (früheren) Diagnose von
     Bauchspeicheldrüsenkrebs führen soll

     Das Pankreaskarzinom (Adenokarzinom des Pankreas, Bauchspeicheldrüsenkrebs) steht bei Frauen
     an sechster, bei Männern an zehnter Stelle der häufigsten, neuaufgetretenen Krebserkrankungen.
     Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 70-75 Jahren, Personen mit genetischer oder
     erworbener Belastung können schon im frühen Erwachsenenalter erkranken.
     Das Pankreaskanal-Adenokarzinom (PDAC) ist die häufigste Form des Pankreaskarzinoms und hat
     trotz intensiver Bemühungen in der Grundlagen- und Translationsforschung eine düstere
     Prognose. PDAC hat eine Überlebensrate von nur 4% für 5 Jahre. Therapie und Prognose des
     Pankreaskarzinoms sind abhängig vom Krankheitsstadium bei der Erstdiagnose. Die einzige
     potenziell kurative Behandlung ist eine Operation, aber diese ist nur 15% bis 20% der PDAC-
     Patienten möglich und nach einer Operation überleben nur noch 25% - 30% der Betroffenen.
     Die genetische Komplexität und inter- / intratumorale Heterogenität von PDAC verhindert die
     Entwicklung maßgeschneiderter Therapien. Darüber hinaus gibt es keine prädiktiven Biomarker,
     die die individuellen Tumoreigenschaften berücksichtigen. Der vielversprechendste Weg, um PDAC
     in seiner heilbaren Phase zu diagnostizieren, wäre die Identifizierung von Tumoren in einem
     prämalignen Stadium (noch nicht bösartige Vorstufe des Krebses), wie z. B. bei Kolonadenomen
     zur Vorbeugung von Darmkrebs. Bisher gibt es keine wirksamen Früherkennungsmaßnahmen,
     auch nicht bei Risikopersonen.
     Im Projekt konnten iPSC-abgeleitete Pankreas-Vorläuferzellen zu Organoiden synthetisiert werden.
     Unter Ausnutzung der hohen Durchsatzvorteile des zuvor entwickelten mikrofluidischen Large-
     Scale-Integration-Chips (mLSI) wurden Differenzierungsfaktoren systematisch optimiert, um
     Pancreas-Organoide zu erzeugen. Für den on-line-analytischen Nachweis von
     Proteinsekretionsprofilen, die die Funktionalität der erhaltenen exokrinen Pankreasorganoide
     (ExPOs) widerspiegeln, wurde ein neuer Mikrofluidik-Chip entwickelt, mit dem die Kultivierung und
     zeitliche Veränderung der chemischen Mikroumgebung von Organoiden überwacht werden kann.
     In Zukunft sind die entwickelten Chips und der analytische Workflow so konzipiert, dass sie den
     Anforderungen des Screenings früher Biomarker auf preneoplastische PDAC-Läsionen (Vorstufe
     eines Krebses) entsprechen.

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MIVT-7 (Newron3D) Development of a 3D in vitro phenotypic platform for interrogating human
     iPSC-derived neuronal circuits
     Projektleiter:
     Dr. Paolo Cesare, Prof. Dr. Peter Heutnik
     Projektvolumen:
     452.000 €
     Forschungseinrichtungen:
     NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen-Reutlingen,
     Hertie-Institut für klinische Hirnforschung Tübingen
     Laufzeit des Projekts:
     01.01.2018 - 30.06.2021
     Besonderheit des Projekts:
     Modellsystem zur Untersuchung und besseren Behandlung neuronaler Erkrankungen

     Neurodegenerative Erkrankungen (z.B. Alzheimer, Parkinson) stellen in einer alternden
     Gesellschaft ein dramatisch wachsendes Problem dar. Trotz der erheblichen Anstrengungen
     öffentlicher und privater Interessengruppen waren die Fortschritte bei der Suche nach einer
     Heilung bisher jedoch äußerst begrenzt. Bei der Suche nach neuen Therapien sind die Forscher
     noch weitgehend auf 2D-In-vitro-Experimente und Tiermodelle angewiesen.
     Diese Ansätze repräsentieren die vielfältigen Eigenschaften neurodegenerativer Prozesse im
     menschlichen Gehirn nur unzureichend und haben daher in klinischen Studien einen geringen
     Vorhersagewert gezeigt. Um diese Lücke zu schließen, wurde im Projekt Newron3D eine
     phänotypische Plattform für Gehirn-auf-einem-Chip (hBoC) erarbeitet, die auf der Integration von
     Mikrofabrikationstechnologien, Elektroden-Arrays und Mikrofluidik basiert und in der Lage ist, 3D-
     Gehirnschaltungen in einem Hochdurchsatzformat zu rekonstruieren, abzufragen und abzubilden.
     Zur Erzeugung von dreidimensionalen, gehirnähnlichen mehrzelligen Architekturen in
     mikrofabrizierten Bioreaktoren wurden menschliche Gehirnzellpopulationen (Neuronen und Glia)
     verwendet, die aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSCs) stammen und in
     Hydrogelgerüsten gezüchtet werden. Mit Hilfe von Arrays mit integrierten Mikroelektroden
     konnte deren elektrische Aktivität nicht-invasiv überwacht werden. Gleichzeitig lieferte die
     konfokale Mikroskopie 3D-Strukturinformationen mit subzellulärer Auflösung durch
     vollautomatische High-Content-Analyse (HCA).
     In Kombination mit der Verwendung von iPSCs, die von neurodegenerativen Patienten und
     gesunden Probanden stammen, bietet Newron3D Wissenschaftlern und der Industrie damit ein
     neues, gehirnrelevantes In-vitro-System mit hohem Durchsatz zur Erkundung menschlicher
     Krankheitsmechanismen und zur Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit neu entwickelter
     Verbindungen.

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