Neue Regierung- neue Wirtschaftspolitik? - Russland: Spectaris

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Neue Regierung- neue Wirtschaftspolitik? - Russland: Spectaris
Russland:

Neue Regierung– neue Wirtschaftspolitik?

Einschätzungen zum künftigen Wirtschaftskurs unter Premierminister
Mikhail Mischustin

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Neue Regierung- neue Wirtschaftspolitik? - Russland: Spectaris
Inhaltsverzeichnis

1.       Analyse der Rede von Staatspräsident Wladimir Putin vor dem
         Föderationsrat zur künftigen Wirtschaftspolitik ........................... 3
2.       Äußerungen des neuen Premierministers .................................... 4
3.       Einschätzung des Ost-Ausschusses ............................................... 5
4.       Das neue Kabinett Mischustin ...................................................... 6
Anhang ................................................................................................. 11

Herausgeber:
Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft e.V.

Vorsitzender:
Oliver Hermes

Geschäftsführer:
Michael Harms

Redaktion:
Dr. Martin Hoffmann, Andreas Metz,
Christian Himmighoffen, Alexandra Majorov

Stand:
23. Januar 2020

Kontakt:
Breite Straße 29
10178 Berlin
Tel: +49 30 206167-126
Tel: +49 30 206167-120
E-Mail: oaoev@bdi.eu
Twitter: @OstAusschuss
www.oaoev.de

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1. Analyse der Rede von Staatspräsident Wladimir Putin
      vor dem Föderationsrat zur künftigen Wirtschaftspolitik

In seiner 16. Rede vor dem Föderationsrat am 15. Januar 2020 widmete sich Präsi-
dent Putin vorrangig der Sozialpolitik und rief im Hinblick auf die Wirtschaft einen
„neuen Investitionszyklus“ aus. Bereits 2021 soll laut Präsident Putin das Wachs-
tumstempo des russischen BIP über dem Weltdurchschnitt liegen.

Der „neue Investitionszyklus“ soll dieses Ziel ermöglichen. Die Investitionen sollen
in die Schaffung und Modernisierung von Arbeitsplätzen, in die Infrastruktur sowie
in die Entwicklung von Industrie, Landwirtschaft und Dienstleistungssektor fließen.
Ab dem laufenden Jahr soll das Wachstum der Investitionen nicht unter fünf Pro-
zent liegen und ihr Anteil am BIP bis 2024 von derzeit 21 auf 25 Prozent steigen.

Um diese Ziele zu erreichen, nannte Präsident Putin fünf notwendige Bedingungen:

   1. Innerhalb der nächsten sechs Jahre sollen die steuerlichen Rahmenbedin-
      gungen für die Unternehmen nicht verändert werden. Die soll langfristige
      Planungssicherheit für Investoren schaffen. Für größere, wichtige Projekte
      soll dieser Bestandsschutz sogar 20 Jahre betragen.

       Die Anforderungen und Normative beim Bau von Produktionsobjekten sollen
       für drei Jahre fixiert werden. Dies soll den Investoren mit einem Gesetz über
       den Schutz und die Förderung von Kapitalanlagen garantiert werden.

   2. Noch 2020 soll die Reform der Kontrolle und Aufsicht abgeschlossen wer-
      den, um Unternehmen die Arbeit zu erleichtern.

   3. Unklare und mehrdeutige Regelungen im Strafrecht/Strafgesetzbuch, die
      Wirtschaftsangelegenheiten betreffen, sollen ausgeräumt werden. (Speziell
      ist § 210 gemeint, durch den jedes Unternehmen, dessen Leitung kriminell
      ist, insgesamt als „kriminelle Organisation“ betrachtet werden kann.)

   4. Für die Entwicklung der Wirtschaft wird ein Teil des Nationalen Wohlfahrts-
      fonds verwendet. Damit sollen insbesondere rentable Projekte zum Infra-
      strukturausbau finanziert werden (Umgehungsstraßen für Städte, Schnell-
      straßen zwischen Gebietsstädten, Autobahnzufahrten).

   5. Die Zentralbank soll langfristige Kreditlinien bereitstellen und den Kredit-
      zugang der Realwirtschaft erleichtern.

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Ein großer Teil der Rede war der Verbesserung sozialer Leistungen gewidmet. Im
Zentrum stehen „Veränderungen in der Demografie und im Einkommen“:

   -   eingeführt wird ein monatliches Kindergeld für Kinder von drei bis sieben
       Jahren;
   -   das Programm zum „Mütterkapital“ wird bis 2026 verlängert und gilt künftig
       bereits ab dem ersten Kind;
   -   für junge Familien wird das Hypothekenprogramm auf die gesamte Kredit-
       summe erweitert;
   -   kostenloses Mittagessen für alle Schulkinder der ersten bis vierten Klasse;
   -   Ausbau der Kita-Plätze in den Regionen;
   -   bessere Bezahlung von Klassenleitern;
   -   jährliche Erhöhung der Zahl kostenloser Studienplätze;
   -   Mangel an lebensnotwendigen Import-Medikamenten beseitigen.

   2. Äußerungen des neuen Premierministers

Den neu gewählten Premierminister Michail Mischustin begleiten Vorschuss-
lorbeeren, weil er als Leiter der russischen Steuerbehörde die Steuerverwaltung
effektiv umstrukturiert habe. Diese werde zu den modernsten der Welt gezählt. Er
wird als „technokratischer“ Premierminister eingeschätzt, der weder dem Lager der
„Wirtschaftsliberalen“ noch dem „Sicherheitsapparat“ („Silowiki“) zugerechnet,
aber von beiden Lagern akzeptiert wird.

In seiner ersten Rede vor der Duma kündigte Mischustin eine Reform der Sozial-
ausgaben hin zu einer zielgerichteteren Ausgestaltung an. Weitere Schritte seien die
beschleunigte Umsetzung des Projekts Digitale Wirtschaft, eine Verbesserung des
Investitionsklimas sowie die Erhöhung der Investitionen. Die Inflationsrate soll unter
vier Prozent gehalten und insgesamt dem Wirtschaftswachstum neue Impulse ver-
liehen werden.

Ankündigungen Mischustins vor der Duma:

   -   Sorge um Familie und Kinder
   -   Verbesserung der Qualität der Verwaltung
   -   Erhöhung des Wohlstandes der Bevölkerung
   -   Verbesserung der Situation des Unternehmertums (Wiederherstellung des
       verloren gegangenen Vertrauens von Business und Macht)
   -   effektive Nutzung der der Regierung zur Verfügung stehenden Ressourcen
       (Prioritätensetzung bei den Staatsausgaben, Mittelallokation für nationale
       Projekte)
   -   Stimulierung der Digitalisierung der Realwirtschaft
   -   weiteres Wachstum des Agrarsektors
   -   Entwicklung des Transports, insbes. Straßenausbau
   -   „neuen Investitionszyklus“ starten.

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Der Vorsitzende des Rechnungshofes Kudrin und Finanzminister Siluanow schätzen,
dass für die o.g. sozialen Maßnahmen jährlich 400-500 Milliarden Rubel (5,8 bis 7,2
Milliarden Euro) benötigt werden, in den Folgejahren sogar noch mehr. Kritiker ver-
weisen darauf, dass die strategischen Ankündigungen in den bisherigen Föderati-
onsratsreden in der Praxis kaum umgesetzt wurden.

   3. Einschätzung des Ost-Ausschusses
Mit der Neuaufstellung der Regierung soll unverkennbar eine Beschleunigung des
Wirtschaftswachstums in Russland gelingen, dazu sollen die Lebensbedingungen der
Bevölkerung verbessert werden. Dies ist überfällig, damit Russland sein großes
Potenzial ausschöpfen kann.

Der neue Premierminister Michail Mischustin ist ein ausgewiesener Wirtschafts-
und IT-Experte, dem aus seiner bisherigen Tätigkeit im Föderalen Steuerdienst der
Ruf eines Reformers und effizienten Managers vorauseilt. Ihm wird die Verantwor-
tung übertragen, dass er das Wirtschafts- und Investitionsklima so verbessert, wie
es Präsident Putin vergangene Woche in seiner Rede vor dem Föderationsrat gefor-
dert hat.

Mischustin hat angekündigt, die Unternehmen von bürokratischen Vorschriften zu
entlasten und die Investitionen anzukurbeln. Die bürokratischen Prozesse und der
staatliche Einfluss in der Wirtschaft stellen die größten Herausforderungen für pri-
vate Investitionen in Russland dar, dies hat zuletzt auch unsere Geschäftsklima-
umfrage wieder gezeigt. Hier freuen wir uns über jede Entlastung. Am Ende ist alles
eine Frage der Umsetzung, denn ähnliche Ankündigungen hat es in den vergange-
nen Jahren schon oft gegeben.

Durch die solide Finanzpolitik der vergangenen Jahre sind die öffentlichen Kassen in
Russland gut gefüllt, um die von Präsident und Premier angekündigte Investitions-
offensive zu finanzieren. Es wird aber entscheidend sein, diese Gelder effizient und
transparent einzusetzen und dazu auf eine breite Beteiligung der privaten Wirt-
schaft zu setzen. Es ist mehr Markt und weniger Staat gefragt. Die angekündigte
Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung und die Schaffung neuer, hoch-
wertiger Arbeitsplätze würden der Konsumnachfrage zugutekommen. Dies alles er-
öffnet deutschen Unternehmen neue Marktchancen in Russland.

Ein wichtiger Baustein für eine Steigerung des Wirtschaftswachstums wäre aber
auch die Überwindung der gegenseitigen Wirtschaftssanktionen. Hier hoffen wir,
dass die zuletzt erreichte Annäherung zwischen Russland und der Ukraine und im
Verhältnis Russlands zur EU weitere Früchte trägt und ein echter Entspannungs-
prozess in Gang kommt. Der Übergang der Verantwortung für die Ukraine-Politik
von Wladislaw Surkow auf den ehemaligen stellvertretenden Premierminister
Dmitri Kozak könnte ein Zeichen in dieser Richtung sein.

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Das neue Kabinett ist ein Mix aus Kontinuität und Veränderung. In der neuen Regie-
rung bleiben mit Denis Manturow (Industrie und Handel) und Alexander Nowak
(Energie) zwei langjährige wichtige Ansprechpartner der deutschen Wirtschaft auf
ihren Posten. Der neue Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow hat langjährige
wirtschaftspolitische Erfahrung in der Stadtregierung von Moskau, dem wirtschaft-
lichen Herz des Landes. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit mit ihm.

Eine Schlüsselfigur im neuen Kabinett für die deutsche Wirtschaft ist sicherlich auch
der neue Erste Stellvertretende Premierminister Andrej Belousow. Er war bislang
der wichtigste Wirtschaftsberater von Präsident Putin und davor bereits Wirt-
schaftsminister. Wir kennen ihn von zahlreichen Begegnungen in den vergangenen
Jahren. Seine Ernennung unterstreicht ebenfalls die Absicht, der Wirtschaftsent-
wicklung in Russland einen neuen Impuls zu geben.

   4. Das neue Kabinett Mischustin
(insgesamt 30 Ministerien [vorher 31, das Ministerium für den Nordkaukasus wurde
aufgelöst], 13 neue Minister)

 Position/Ministerium           ehem. Regierung           neue Regierung
                                (Medwedjew)               (Mischustin)
                                                          (ehem. Funktion)
 1. stv. PM (Wirtschaft*)                                 Andrej Belousow (Wirt-
                                                          schaftsberater des Präsi-
                                                          denten)
 stv. PM (Digitalisierung*)     Maxim Akimow              Alexej Owertschuk (stell-
                                                          vertretender Leiter des
                                                          Föderalen Steuerdienstes)
 stv. PM                                                  Dmitri Tschernyschenko
                                                          (Vorstandsvorsitzender
                                                          von Gazprom-Media)
 stv. PM (Landwirtschaft*)      Alexej Gordejew           Viktoria Abramtschenko
                                                          (Leiterin von Rosreestr)
 stv. PM (Ferner Osten)         Juri Trutnew              Juri Trutnew (unverän-
                                                          dert)
 stv. PM (Soziales)             Tatjana Golikowa          Tatjana Golikowa (unver-
                                                          ändert)
 stv. PM (Verteidigung und      Juri Borisow              Juri Borisow (unverän-
 Kosmos)                                                  dert)
 stv. PM (Infrastruktur, Bau-   Witali Mutko              Marat Chusnullin
 wesen*)                                                  (stellvertretender
                                                          Bürgermeister von
                                                          Moskau)
 stv. PM (Regierungs-        Konstantin                   Dmitri Grigorenko
 kanzlei*)                   Tschuitschenko
   * vermutete Zuständigkeit

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Position/Ministerium          ehem. Regierung       neue Regierung
                              (Medwedjew)           (Mischustin)
                                                    (ehem. Funktion)
Wirtschaftsministerium        Maxim Oreschkin       Maxim Reschetnikow
(zusätzl. Nordkaukasus,                             (Gouverneur des Gebiets
aber ohne Staatseigen-                              Perm)
tumsfond)
Finanzministerium             Anton Siluanow        Anton Siluanov (aber
(zuständig für Staatseigen-                         nicht mehr stellvertreten-
tumsfond)                                           den PM)
Handels- und Industrie-       Denis Manturow        Denis Manturow
ministerium
Energieministerium            Alexander Nowak       Alexander Nowak
Landwirtschaftsministerium    Dmitri Patruschew     Dmitri Patruschew
Außenministerium              Sergej Lawrow         Sergej Lawrow
Verteidigungsministerium      Sergej Schoigu        Sergej Schoigu
Innenministerium              Vladimir Kolokolzew   Vladimir Kolokolzew
Transportministerium          Jewgeni Dietrich      Jewgeni Dietrich
Bauwesen                      Wladimir Jakuschew    Wladimir Jakuschew
Ministerium für Entwick-      Alexander Koslow      Alexander Koslow
lung des Fernen Ostens und
der Arktis
Justizministerium             Alexander Konowalow   Konstantin
                                                    Tschuitschenko (ehemali-
                                                    ger stellvertretender PM
                                                    und Leiter der Präsidial-
                                                    administration)
Arbeitsminister               Maxim Topilin         Anton Kotjakow (Stellver-
                                                    tretender Finanzminister)
Gesundheitsministerium        Veronika Skworzowa    Michail Muraschko (Leiter
                                                    des Roszdravnadzor)
Ministerium für Kommuni-      Konstantin Noskow     Maksut Schadajew (Vize-
kation                                              präsident von Rostele-
                                                    com)
…

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Kurzbiographien der wichtigsten Minister

   1. Michail Wladimirowitsch Mischustin, Premierminister

Michail Wladimirowitsch Mischustin beendete 1989 sein Studium am Moskauer
Werkzeugmaschineninstitut (STANKIN) mit einem Diplom in computergestützten
Konstruktionssystemen. Er ist Systemtechniker und Computerspezialist: Mitte der
1990er-Jahre war Mischustin Direktor sowie stellvertretender Generaldirektor und
Vorsitzender des Vorstands bei der Nichtregierungsorganisation "Internationaler
Computerklub". 1998 kam er in den Staatsdienst und leitete stellvertretend den
staatlichen Steuerdienst, der dann in das Ministerium für Steuern und Abgaben um-
gewandelt wurde.
Von 1999 bis 2004 war er stellvertretender Minister für Steuern und Abgaben. In
den Jahren 2004 bis 2006 leitete er die Föderale Agentur für Immobilienkataster,
2007 bis 2008 war er Leiter der Föderalen Agentur für die Verwaltung der
Sonderwirtschaftszonen. Im März 2008 wurde Mischustin Präsident der privaten
UFG Invest Group, die sich mit Vermögensverwaltung und Direktinvestitionen
beschäftigt.
Im April 2010 wurde er Leiter des Föderalen Steuerdienstes. Bis zu seiner Ernen-
nung zum Ministerpräsidenten führte er in der Behörde zahlreiche Reformen ein:
Die Zahl der Steuerprüfungen bei Unternehmen sank, gleichzeitig erleichterte Digi-
talisierung die Prüfung, sodass die Steuereinnahmen stiegen.

Mischustins Pläne als Premierminister sind vor allem mit der Erleichterung der
Bürokratie verbunden. Er beabsichtigt, moderne Technologien in das System der
öffentlichen Verwaltung einzuführen, Beschränkungen für Unternehmen zu reduzie-
ren und die Struktur der Regierung radikal zu ändern. Doch möchte er sich eigenen
Angaben nach nicht in die Rentenreform einmischen.

Foto: duma.gov.ru

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2. Andrej Belousow, Erster Vize-Premierminister

In den Jahren 2006 bis 2013 arbeitete Belousow in verschiedenen leitenden Positio-
nen in den Wirtschafts- und Finanzabteilungen der russischen Regierung, darunter
auch als Minister für wirtschaftliche Entwicklung in den Jahren 2012-2013. Im Minis-
terium beaufsichtigte er den makroökonomischen Block, einschließlich der Fragen
der Verbesserung des Investitionsklimas, der Umsetzung der föderalen Zielpro-
gramme, der Investitionsaktivitäten der Wneschekonombank (VEB). Unter seiner
Leitung wurde das Konzept der langfristigen sozioökonomischen Entwicklung ange-
leitet. Im Juni 2013 wurde er zum Berater des russischen Präsidenten in Wirtschafts-
fragen ernannt.

   3. Maxim Reschetnikow, Minister für wirtschaftliche Entwicklung

Seit Anfang der 2000er Jahre arbeitete er in verschiedenen Positionen in der Ver-
waltung der Region Perm. 2007 trat er in das föderale Ministerium für regionale
Entwicklung ein. Unter Sergej Sobjanin als Bürgermeister von Moskau leitete
Reschetnikow unter anderem die Abteilung für Wirtschaftspolitik. Im Jahr 2017
wurde er zum amtierenden Gouverneur der Region Perm ernannt, im September
desselben Jahres gewann er die Wahlen.

   4. Alexander Nowak, Energieminister

In den Jahren 2000 bis 2002 war Nowak stellvertretender Leiter für Finanz- und
Wirtschaftsfragen in Norilsk. Schließlich war er von 2002 bis 2008 in der Verwaltung
der Region Krasnojarsk als Erster stellvertretender Gouverneur der Region Krasno-
jarsk tätig. Von 2008 bis 2012 war er Stellvertretender Finanzminister der Russi-
schen Föderation, bevor er im Mai 2012 zum Energieminister der Russischen Föde-
ration ernannt wurde.

   5. Denis Manturow, Minister für Industrie und Handel

2001 war Manturow stellvertretender Vorsitzender der staatlichen Investitions-
gesellschaft „Staatlichen Investitionskörperschaft“ (Gosinkor). Danach wurde er
2003 zum Generaldirektor der Beteiligungsgesellschaft „Oboronprom“ ernannt. Ab
2007 war Manturow stellvertretender Minister für Industrie und Energie der Russi-
schen Föderation, bevor er 2012 zum Minister für Industrie und Handel der Russi-
schen Föderation ernannt wurde.

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6. Anton Siluanow, Finanzminister

Ab 1985 war Sliuanow im Finanzministerium der RSFSR tätig, mit einer Unterbre-
chung (1987-1989 Dienst in der Sowjetischen Armee) bis 1992. Danach arbeitete er
im Ministerium für Wirtschaft und Finanzen der Russischen Föderation als stellver-
tretender Abteilungsleiter. In den Jahren 1992 bis 1997 war Siluanow stellvertreten-
der Leiter der Abteilung für Haushaltsmanagement im Finanzministerium der Russi-
schen Föderation. Seinen Posten als Stellvertretender Finanzminister der Russischen
Föderation hatte er zum ersten Mal in den Jahren 2003 bis 2004, bevor er 2011 offi-
ziell zum Finanzminister der Russischen Föderation ernannt wurde. Von 2018 bis
2020 war er Vize-Premierminister der Russischen Föderation.

   7. Wladimir Jakuschew, Minister für Bau- und Wohnungswesen und kommu-
      nale Dienstleistungen

Jakuschew arbeitete in verschiedenen Positionen, u.a. als Rechtsberater, Zweigstel-
lenleiter und Präsident, bei der Zapsibcombank OAO, 2001 wurde er Vizegouver-
neur des Gebiets Tjumen. Von 2005 bis 2018 war er Gouverneur des Gebiets
Tjumen, bevor er im Mai 2018 zum Minister für Bau- und Wohnungswesen und
kommunale Dienstleistungen der Russischen Föderation ernannt wurde.

   8. Dmitri Kobylkin, Minister für natürliche Ressourcen und Umwelt

2000 war Kobylkin für die Entwicklung der Chantschejsker Öl- und Gasfelder sowie
die Organisation der Rohstoffförderung verantwortlich. „Chantschejneftegas“
GmbH ernannte ihn im Mai 2001 zum Generaldirektor. 2009 wurde Kobylkin Teil
der „Kaderreserve des Präsidenten der Russischen Föderation“. Und im März 2010
wurde er Gouverneur des Autonomen Bezirks der Jamal-Nenzen. Im Mai 2018
wurde er per Präsidialerlass zum Minister für natürliche Ressourcen und Umwelt
ernannt.

   9. Dmitri Patruschew, Minister für Landwirtschaft

In den Jahren 2002 bis 2004 studierte Patruschew an der Diplomatischen Akademie
des russischen Außenministeriums mit einem Abschluss in Weltwirtschaft. Vier
Jahre lang arbeitete er im Verkehrsministerium der Russischen Föderation. Nach-
dem er sein Berufsleben während seines Studiums an der Diplomatischen Akademie
unterbrochen hatte, trat er 2004 in die Vneshtorgbank ein (seit 2007 VTB Bank). Im
Jahr 2007 wurde er zum Leitenden Vizepräsidenten von VTB ernannt. Seit 2016 ist
er Mitglied des Vorstands der PAO Gazprom. Im Mai 2018 wurde er zum Leiter des
Landwirtschaftsministeriums ernannt, diesen Posten kann er unter der neuen Regie-
rung von Michail Mischustin behalten.

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Anhang

Vorschläge zur Verfassungsänderung in Russland

In seiner Rede vom 15. Januar 2020 schlug Präsident Putin einige Änderungen der
Verfassung vor, die in den nächsten Wochen weiter ausgearbeitet werden.

    1. Alle Entscheidungen internationaler Organe und Normen internationaler Ge-
       setze und Verträge sollen in Russland nur dann gelten, wenn sie keine
       Rechte und Freiheiten russischer Bürger einschränken und nicht der Verfas-
       sung Russlands widersprechen. (Das bedeutet die offizielle Verabschiedung
       Russlands vom Primat des internationalen Rechts.)1

    2. Leitende Staatsangestellte dürfen keine ausländische Staatsangehörigkeit
       oder dauerndes Aufenthaltsrecht im Ausland haben. Das gilt insbesondere
       für den Präsidenten, der niemals vorher einen ausländischen Aufenthaltstitel
       besessen haben darf. Präsidentschaftskandidaten müssen mindestens 25
       Jahre lang in Russland gelebt haben (bisher mindestens zehn Jahre). Die Prä-
       sidentschaft wird auf (insgesamt) zwei Amtsperioden begrenzt (bisher zwei
       aufeinanderfolgende Amtsperioden).

    3. Außerdem sollen die lokalen Verwaltungen in die „einheitliche Machtverti-
       kale“ eingebunden werden, ihnen dafür aber neue Zuständigkeiten gegeben
       werden. (Was dies im Detail bedeutet, ist noch unklar. Wahrscheinlich be-
       kommen die lokalen Verwaltungen mehr finanzielle Selbständigkeit, aber ge-
       ringere Möglichkeiten für lokale Gesetzesanpassungen/spezifische regionale
       Regelungen).

    4. Ein „Mindestlohn nicht unter dem Lebensminimum“ soll in der Verfassung
       festgeschrieben werden. Auch die regelmäßige Rentenanpassung soll Ver-
       fassungskraft erlangen.

    5. Die Rolle der Gouverneure soll gestärkt werden. Sie sollen bei der Verab-
       schiedung föderaler Gesetze mitwirken. Dazu sollen die Rolle und der Status
       des „Staatsrates“ in der Verfassung verankert werden. (Dessen Abgrenzung
       zum bestehenden Föderationsrat soll ein spezielles Gesetz regeln. Nach ers-
       ten Aussagen von Präsident Putin soll der „Staatsrat“ die Tätigkeit der Exe-
       kutivorgane koordinieren, die Grundlinien der Innen- und Außenpolitik
       sowie die Prioritäten der Sozial- und Wirtschaftspolitik festlegen.)

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  In der derzeitigen Verfassung ist das Primat des Völkerrechts gegenüber dem russischen Recht
festgeschrieben (Art. 15). Dieser Verfassungsartikel gehört zu den grundlegenden Artikeln und kann
nur durch eine „Verfassungsversammlung“ geändert werden. Das derzeit von Präsident Putin
betriebene Änderungsverfahren erfüllt nicht die Anforderungen für Verfassungsänderungen für
diesen Punkt (M.H.).

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6. Das Parlament (Duma) soll künftig den Premierminister sowie die Vize-Pre-
      mierminister und Minister ernennen. Der Staatspräsident kann jedoch den
      Premierminister und die Regierung absetzen, wenn diese ihre Aufgaben
      nicht erfüllen oder sein Vertrauen verlieren.

   7. Der Präsident wird alle „Macht-Minister“ erst nach Konsultationen mit dem
      Föderationsrat ernennen, ebenso die regionalen Staatsanwälte (das ist neu –
      M.H.).

   8. Die Rolle des Obersten und des Verfassungsgerichts soll gestärkt werden.

Alle diese Maßnahmen sollen eine „starke Präsidialrepublik“ gewährleisten.

Die Verfassungsänderungen werden in einem zügigen Verfahren vorangetrieben,
was eine langfristige interne Vorbereitung und die Vernachlässigung öffentlicher
Diskussion darüber vermuten lässt. Nach der Ankündigung in Putins Rede vom
15. Januar wurde eine Arbeitsgruppe aus 75 Personen (darunter nur elf Rechtswis-
senschaftler) benannt, die bereits am 16. Januar erstmals zusammentrat. Die erste
Lesung im Parlament erfolgte am 23. Januar, und eine informelle „gesamtrussische
Abstimmung“ wird voraussichtlich im April stattfinden.

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