Neue Regierung- neue Wirtschaftspolitik? - Russland: Spectaris
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Russland: Neue Regierung– neue Wirtschaftspolitik? Einschätzungen zum künftigen Wirtschaftskurs unter Premierminister Mikhail Mischustin 1
Inhaltsverzeichnis 1. Analyse der Rede von Staatspräsident Wladimir Putin vor dem Föderationsrat zur künftigen Wirtschaftspolitik ........................... 3 2. Äußerungen des neuen Premierministers .................................... 4 3. Einschätzung des Ost-Ausschusses ............................................... 5 4. Das neue Kabinett Mischustin ...................................................... 6 Anhang ................................................................................................. 11 Herausgeber: Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft e.V. Vorsitzender: Oliver Hermes Geschäftsführer: Michael Harms Redaktion: Dr. Martin Hoffmann, Andreas Metz, Christian Himmighoffen, Alexandra Majorov Stand: 23. Januar 2020 Kontakt: Breite Straße 29 10178 Berlin Tel: +49 30 206167-126 Tel: +49 30 206167-120 E-Mail: oaoev@bdi.eu Twitter: @OstAusschuss www.oaoev.de 2
1. Analyse der Rede von Staatspräsident Wladimir Putin vor dem Föderationsrat zur künftigen Wirtschaftspolitik In seiner 16. Rede vor dem Föderationsrat am 15. Januar 2020 widmete sich Präsi- dent Putin vorrangig der Sozialpolitik und rief im Hinblick auf die Wirtschaft einen „neuen Investitionszyklus“ aus. Bereits 2021 soll laut Präsident Putin das Wachs- tumstempo des russischen BIP über dem Weltdurchschnitt liegen. Der „neue Investitionszyklus“ soll dieses Ziel ermöglichen. Die Investitionen sollen in die Schaffung und Modernisierung von Arbeitsplätzen, in die Infrastruktur sowie in die Entwicklung von Industrie, Landwirtschaft und Dienstleistungssektor fließen. Ab dem laufenden Jahr soll das Wachstum der Investitionen nicht unter fünf Pro- zent liegen und ihr Anteil am BIP bis 2024 von derzeit 21 auf 25 Prozent steigen. Um diese Ziele zu erreichen, nannte Präsident Putin fünf notwendige Bedingungen: 1. Innerhalb der nächsten sechs Jahre sollen die steuerlichen Rahmenbedin- gungen für die Unternehmen nicht verändert werden. Die soll langfristige Planungssicherheit für Investoren schaffen. Für größere, wichtige Projekte soll dieser Bestandsschutz sogar 20 Jahre betragen. Die Anforderungen und Normative beim Bau von Produktionsobjekten sollen für drei Jahre fixiert werden. Dies soll den Investoren mit einem Gesetz über den Schutz und die Förderung von Kapitalanlagen garantiert werden. 2. Noch 2020 soll die Reform der Kontrolle und Aufsicht abgeschlossen wer- den, um Unternehmen die Arbeit zu erleichtern. 3. Unklare und mehrdeutige Regelungen im Strafrecht/Strafgesetzbuch, die Wirtschaftsangelegenheiten betreffen, sollen ausgeräumt werden. (Speziell ist § 210 gemeint, durch den jedes Unternehmen, dessen Leitung kriminell ist, insgesamt als „kriminelle Organisation“ betrachtet werden kann.) 4. Für die Entwicklung der Wirtschaft wird ein Teil des Nationalen Wohlfahrts- fonds verwendet. Damit sollen insbesondere rentable Projekte zum Infra- strukturausbau finanziert werden (Umgehungsstraßen für Städte, Schnell- straßen zwischen Gebietsstädten, Autobahnzufahrten). 5. Die Zentralbank soll langfristige Kreditlinien bereitstellen und den Kredit- zugang der Realwirtschaft erleichtern. 3
Ein großer Teil der Rede war der Verbesserung sozialer Leistungen gewidmet. Im Zentrum stehen „Veränderungen in der Demografie und im Einkommen“: - eingeführt wird ein monatliches Kindergeld für Kinder von drei bis sieben Jahren; - das Programm zum „Mütterkapital“ wird bis 2026 verlängert und gilt künftig bereits ab dem ersten Kind; - für junge Familien wird das Hypothekenprogramm auf die gesamte Kredit- summe erweitert; - kostenloses Mittagessen für alle Schulkinder der ersten bis vierten Klasse; - Ausbau der Kita-Plätze in den Regionen; - bessere Bezahlung von Klassenleitern; - jährliche Erhöhung der Zahl kostenloser Studienplätze; - Mangel an lebensnotwendigen Import-Medikamenten beseitigen. 2. Äußerungen des neuen Premierministers Den neu gewählten Premierminister Michail Mischustin begleiten Vorschuss- lorbeeren, weil er als Leiter der russischen Steuerbehörde die Steuerverwaltung effektiv umstrukturiert habe. Diese werde zu den modernsten der Welt gezählt. Er wird als „technokratischer“ Premierminister eingeschätzt, der weder dem Lager der „Wirtschaftsliberalen“ noch dem „Sicherheitsapparat“ („Silowiki“) zugerechnet, aber von beiden Lagern akzeptiert wird. In seiner ersten Rede vor der Duma kündigte Mischustin eine Reform der Sozial- ausgaben hin zu einer zielgerichteteren Ausgestaltung an. Weitere Schritte seien die beschleunigte Umsetzung des Projekts Digitale Wirtschaft, eine Verbesserung des Investitionsklimas sowie die Erhöhung der Investitionen. Die Inflationsrate soll unter vier Prozent gehalten und insgesamt dem Wirtschaftswachstum neue Impulse ver- liehen werden. Ankündigungen Mischustins vor der Duma: - Sorge um Familie und Kinder - Verbesserung der Qualität der Verwaltung - Erhöhung des Wohlstandes der Bevölkerung - Verbesserung der Situation des Unternehmertums (Wiederherstellung des verloren gegangenen Vertrauens von Business und Macht) - effektive Nutzung der der Regierung zur Verfügung stehenden Ressourcen (Prioritätensetzung bei den Staatsausgaben, Mittelallokation für nationale Projekte) - Stimulierung der Digitalisierung der Realwirtschaft - weiteres Wachstum des Agrarsektors - Entwicklung des Transports, insbes. Straßenausbau - „neuen Investitionszyklus“ starten. 4
Der Vorsitzende des Rechnungshofes Kudrin und Finanzminister Siluanow schätzen, dass für die o.g. sozialen Maßnahmen jährlich 400-500 Milliarden Rubel (5,8 bis 7,2 Milliarden Euro) benötigt werden, in den Folgejahren sogar noch mehr. Kritiker ver- weisen darauf, dass die strategischen Ankündigungen in den bisherigen Föderati- onsratsreden in der Praxis kaum umgesetzt wurden. 3. Einschätzung des Ost-Ausschusses Mit der Neuaufstellung der Regierung soll unverkennbar eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums in Russland gelingen, dazu sollen die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessert werden. Dies ist überfällig, damit Russland sein großes Potenzial ausschöpfen kann. Der neue Premierminister Michail Mischustin ist ein ausgewiesener Wirtschafts- und IT-Experte, dem aus seiner bisherigen Tätigkeit im Föderalen Steuerdienst der Ruf eines Reformers und effizienten Managers vorauseilt. Ihm wird die Verantwor- tung übertragen, dass er das Wirtschafts- und Investitionsklima so verbessert, wie es Präsident Putin vergangene Woche in seiner Rede vor dem Föderationsrat gefor- dert hat. Mischustin hat angekündigt, die Unternehmen von bürokratischen Vorschriften zu entlasten und die Investitionen anzukurbeln. Die bürokratischen Prozesse und der staatliche Einfluss in der Wirtschaft stellen die größten Herausforderungen für pri- vate Investitionen in Russland dar, dies hat zuletzt auch unsere Geschäftsklima- umfrage wieder gezeigt. Hier freuen wir uns über jede Entlastung. Am Ende ist alles eine Frage der Umsetzung, denn ähnliche Ankündigungen hat es in den vergange- nen Jahren schon oft gegeben. Durch die solide Finanzpolitik der vergangenen Jahre sind die öffentlichen Kassen in Russland gut gefüllt, um die von Präsident und Premier angekündigte Investitions- offensive zu finanzieren. Es wird aber entscheidend sein, diese Gelder effizient und transparent einzusetzen und dazu auf eine breite Beteiligung der privaten Wirt- schaft zu setzen. Es ist mehr Markt und weniger Staat gefragt. Die angekündigte Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung und die Schaffung neuer, hoch- wertiger Arbeitsplätze würden der Konsumnachfrage zugutekommen. Dies alles er- öffnet deutschen Unternehmen neue Marktchancen in Russland. Ein wichtiger Baustein für eine Steigerung des Wirtschaftswachstums wäre aber auch die Überwindung der gegenseitigen Wirtschaftssanktionen. Hier hoffen wir, dass die zuletzt erreichte Annäherung zwischen Russland und der Ukraine und im Verhältnis Russlands zur EU weitere Früchte trägt und ein echter Entspannungs- prozess in Gang kommt. Der Übergang der Verantwortung für die Ukraine-Politik von Wladislaw Surkow auf den ehemaligen stellvertretenden Premierminister Dmitri Kozak könnte ein Zeichen in dieser Richtung sein. 5
Das neue Kabinett ist ein Mix aus Kontinuität und Veränderung. In der neuen Regie- rung bleiben mit Denis Manturow (Industrie und Handel) und Alexander Nowak (Energie) zwei langjährige wichtige Ansprechpartner der deutschen Wirtschaft auf ihren Posten. Der neue Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow hat langjährige wirtschaftspolitische Erfahrung in der Stadtregierung von Moskau, dem wirtschaft- lichen Herz des Landes. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit mit ihm. Eine Schlüsselfigur im neuen Kabinett für die deutsche Wirtschaft ist sicherlich auch der neue Erste Stellvertretende Premierminister Andrej Belousow. Er war bislang der wichtigste Wirtschaftsberater von Präsident Putin und davor bereits Wirt- schaftsminister. Wir kennen ihn von zahlreichen Begegnungen in den vergangenen Jahren. Seine Ernennung unterstreicht ebenfalls die Absicht, der Wirtschaftsent- wicklung in Russland einen neuen Impuls zu geben. 4. Das neue Kabinett Mischustin (insgesamt 30 Ministerien [vorher 31, das Ministerium für den Nordkaukasus wurde aufgelöst], 13 neue Minister) Position/Ministerium ehem. Regierung neue Regierung (Medwedjew) (Mischustin) (ehem. Funktion) 1. stv. PM (Wirtschaft*) Andrej Belousow (Wirt- schaftsberater des Präsi- denten) stv. PM (Digitalisierung*) Maxim Akimow Alexej Owertschuk (stell- vertretender Leiter des Föderalen Steuerdienstes) stv. PM Dmitri Tschernyschenko (Vorstandsvorsitzender von Gazprom-Media) stv. PM (Landwirtschaft*) Alexej Gordejew Viktoria Abramtschenko (Leiterin von Rosreestr) stv. PM (Ferner Osten) Juri Trutnew Juri Trutnew (unverän- dert) stv. PM (Soziales) Tatjana Golikowa Tatjana Golikowa (unver- ändert) stv. PM (Verteidigung und Juri Borisow Juri Borisow (unverän- Kosmos) dert) stv. PM (Infrastruktur, Bau- Witali Mutko Marat Chusnullin wesen*) (stellvertretender Bürgermeister von Moskau) stv. PM (Regierungs- Konstantin Dmitri Grigorenko kanzlei*) Tschuitschenko * vermutete Zuständigkeit 6
Position/Ministerium ehem. Regierung neue Regierung (Medwedjew) (Mischustin) (ehem. Funktion) Wirtschaftsministerium Maxim Oreschkin Maxim Reschetnikow (zusätzl. Nordkaukasus, (Gouverneur des Gebiets aber ohne Staatseigen- Perm) tumsfond) Finanzministerium Anton Siluanow Anton Siluanov (aber (zuständig für Staatseigen- nicht mehr stellvertreten- tumsfond) den PM) Handels- und Industrie- Denis Manturow Denis Manturow ministerium Energieministerium Alexander Nowak Alexander Nowak Landwirtschaftsministerium Dmitri Patruschew Dmitri Patruschew Außenministerium Sergej Lawrow Sergej Lawrow Verteidigungsministerium Sergej Schoigu Sergej Schoigu Innenministerium Vladimir Kolokolzew Vladimir Kolokolzew Transportministerium Jewgeni Dietrich Jewgeni Dietrich Bauwesen Wladimir Jakuschew Wladimir Jakuschew Ministerium für Entwick- Alexander Koslow Alexander Koslow lung des Fernen Ostens und der Arktis Justizministerium Alexander Konowalow Konstantin Tschuitschenko (ehemali- ger stellvertretender PM und Leiter der Präsidial- administration) Arbeitsminister Maxim Topilin Anton Kotjakow (Stellver- tretender Finanzminister) Gesundheitsministerium Veronika Skworzowa Michail Muraschko (Leiter des Roszdravnadzor) Ministerium für Kommuni- Konstantin Noskow Maksut Schadajew (Vize- kation präsident von Rostele- com) … 7
Kurzbiographien der wichtigsten Minister 1. Michail Wladimirowitsch Mischustin, Premierminister Michail Wladimirowitsch Mischustin beendete 1989 sein Studium am Moskauer Werkzeugmaschineninstitut (STANKIN) mit einem Diplom in computergestützten Konstruktionssystemen. Er ist Systemtechniker und Computerspezialist: Mitte der 1990er-Jahre war Mischustin Direktor sowie stellvertretender Generaldirektor und Vorsitzender des Vorstands bei der Nichtregierungsorganisation "Internationaler Computerklub". 1998 kam er in den Staatsdienst und leitete stellvertretend den staatlichen Steuerdienst, der dann in das Ministerium für Steuern und Abgaben um- gewandelt wurde. Von 1999 bis 2004 war er stellvertretender Minister für Steuern und Abgaben. In den Jahren 2004 bis 2006 leitete er die Föderale Agentur für Immobilienkataster, 2007 bis 2008 war er Leiter der Föderalen Agentur für die Verwaltung der Sonderwirtschaftszonen. Im März 2008 wurde Mischustin Präsident der privaten UFG Invest Group, die sich mit Vermögensverwaltung und Direktinvestitionen beschäftigt. Im April 2010 wurde er Leiter des Föderalen Steuerdienstes. Bis zu seiner Ernen- nung zum Ministerpräsidenten führte er in der Behörde zahlreiche Reformen ein: Die Zahl der Steuerprüfungen bei Unternehmen sank, gleichzeitig erleichterte Digi- talisierung die Prüfung, sodass die Steuereinnahmen stiegen. Mischustins Pläne als Premierminister sind vor allem mit der Erleichterung der Bürokratie verbunden. Er beabsichtigt, moderne Technologien in das System der öffentlichen Verwaltung einzuführen, Beschränkungen für Unternehmen zu reduzie- ren und die Struktur der Regierung radikal zu ändern. Doch möchte er sich eigenen Angaben nach nicht in die Rentenreform einmischen. Foto: duma.gov.ru 8
2. Andrej Belousow, Erster Vize-Premierminister In den Jahren 2006 bis 2013 arbeitete Belousow in verschiedenen leitenden Positio- nen in den Wirtschafts- und Finanzabteilungen der russischen Regierung, darunter auch als Minister für wirtschaftliche Entwicklung in den Jahren 2012-2013. Im Minis- terium beaufsichtigte er den makroökonomischen Block, einschließlich der Fragen der Verbesserung des Investitionsklimas, der Umsetzung der föderalen Zielpro- gramme, der Investitionsaktivitäten der Wneschekonombank (VEB). Unter seiner Leitung wurde das Konzept der langfristigen sozioökonomischen Entwicklung ange- leitet. Im Juni 2013 wurde er zum Berater des russischen Präsidenten in Wirtschafts- fragen ernannt. 3. Maxim Reschetnikow, Minister für wirtschaftliche Entwicklung Seit Anfang der 2000er Jahre arbeitete er in verschiedenen Positionen in der Ver- waltung der Region Perm. 2007 trat er in das föderale Ministerium für regionale Entwicklung ein. Unter Sergej Sobjanin als Bürgermeister von Moskau leitete Reschetnikow unter anderem die Abteilung für Wirtschaftspolitik. Im Jahr 2017 wurde er zum amtierenden Gouverneur der Region Perm ernannt, im September desselben Jahres gewann er die Wahlen. 4. Alexander Nowak, Energieminister In den Jahren 2000 bis 2002 war Nowak stellvertretender Leiter für Finanz- und Wirtschaftsfragen in Norilsk. Schließlich war er von 2002 bis 2008 in der Verwaltung der Region Krasnojarsk als Erster stellvertretender Gouverneur der Region Krasno- jarsk tätig. Von 2008 bis 2012 war er Stellvertretender Finanzminister der Russi- schen Föderation, bevor er im Mai 2012 zum Energieminister der Russischen Föde- ration ernannt wurde. 5. Denis Manturow, Minister für Industrie und Handel 2001 war Manturow stellvertretender Vorsitzender der staatlichen Investitions- gesellschaft „Staatlichen Investitionskörperschaft“ (Gosinkor). Danach wurde er 2003 zum Generaldirektor der Beteiligungsgesellschaft „Oboronprom“ ernannt. Ab 2007 war Manturow stellvertretender Minister für Industrie und Energie der Russi- schen Föderation, bevor er 2012 zum Minister für Industrie und Handel der Russi- schen Föderation ernannt wurde. 9
6. Anton Siluanow, Finanzminister Ab 1985 war Sliuanow im Finanzministerium der RSFSR tätig, mit einer Unterbre- chung (1987-1989 Dienst in der Sowjetischen Armee) bis 1992. Danach arbeitete er im Ministerium für Wirtschaft und Finanzen der Russischen Föderation als stellver- tretender Abteilungsleiter. In den Jahren 1992 bis 1997 war Siluanow stellvertreten- der Leiter der Abteilung für Haushaltsmanagement im Finanzministerium der Russi- schen Föderation. Seinen Posten als Stellvertretender Finanzminister der Russischen Föderation hatte er zum ersten Mal in den Jahren 2003 bis 2004, bevor er 2011 offi- ziell zum Finanzminister der Russischen Föderation ernannt wurde. Von 2018 bis 2020 war er Vize-Premierminister der Russischen Föderation. 7. Wladimir Jakuschew, Minister für Bau- und Wohnungswesen und kommu- nale Dienstleistungen Jakuschew arbeitete in verschiedenen Positionen, u.a. als Rechtsberater, Zweigstel- lenleiter und Präsident, bei der Zapsibcombank OAO, 2001 wurde er Vizegouver- neur des Gebiets Tjumen. Von 2005 bis 2018 war er Gouverneur des Gebiets Tjumen, bevor er im Mai 2018 zum Minister für Bau- und Wohnungswesen und kommunale Dienstleistungen der Russischen Föderation ernannt wurde. 8. Dmitri Kobylkin, Minister für natürliche Ressourcen und Umwelt 2000 war Kobylkin für die Entwicklung der Chantschejsker Öl- und Gasfelder sowie die Organisation der Rohstoffförderung verantwortlich. „Chantschejneftegas“ GmbH ernannte ihn im Mai 2001 zum Generaldirektor. 2009 wurde Kobylkin Teil der „Kaderreserve des Präsidenten der Russischen Föderation“. Und im März 2010 wurde er Gouverneur des Autonomen Bezirks der Jamal-Nenzen. Im Mai 2018 wurde er per Präsidialerlass zum Minister für natürliche Ressourcen und Umwelt ernannt. 9. Dmitri Patruschew, Minister für Landwirtschaft In den Jahren 2002 bis 2004 studierte Patruschew an der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums mit einem Abschluss in Weltwirtschaft. Vier Jahre lang arbeitete er im Verkehrsministerium der Russischen Föderation. Nach- dem er sein Berufsleben während seines Studiums an der Diplomatischen Akademie unterbrochen hatte, trat er 2004 in die Vneshtorgbank ein (seit 2007 VTB Bank). Im Jahr 2007 wurde er zum Leitenden Vizepräsidenten von VTB ernannt. Seit 2016 ist er Mitglied des Vorstands der PAO Gazprom. Im Mai 2018 wurde er zum Leiter des Landwirtschaftsministeriums ernannt, diesen Posten kann er unter der neuen Regie- rung von Michail Mischustin behalten. 10
Anhang Vorschläge zur Verfassungsänderung in Russland In seiner Rede vom 15. Januar 2020 schlug Präsident Putin einige Änderungen der Verfassung vor, die in den nächsten Wochen weiter ausgearbeitet werden. 1. Alle Entscheidungen internationaler Organe und Normen internationaler Ge- setze und Verträge sollen in Russland nur dann gelten, wenn sie keine Rechte und Freiheiten russischer Bürger einschränken und nicht der Verfas- sung Russlands widersprechen. (Das bedeutet die offizielle Verabschiedung Russlands vom Primat des internationalen Rechts.)1 2. Leitende Staatsangestellte dürfen keine ausländische Staatsangehörigkeit oder dauerndes Aufenthaltsrecht im Ausland haben. Das gilt insbesondere für den Präsidenten, der niemals vorher einen ausländischen Aufenthaltstitel besessen haben darf. Präsidentschaftskandidaten müssen mindestens 25 Jahre lang in Russland gelebt haben (bisher mindestens zehn Jahre). Die Prä- sidentschaft wird auf (insgesamt) zwei Amtsperioden begrenzt (bisher zwei aufeinanderfolgende Amtsperioden). 3. Außerdem sollen die lokalen Verwaltungen in die „einheitliche Machtverti- kale“ eingebunden werden, ihnen dafür aber neue Zuständigkeiten gegeben werden. (Was dies im Detail bedeutet, ist noch unklar. Wahrscheinlich be- kommen die lokalen Verwaltungen mehr finanzielle Selbständigkeit, aber ge- ringere Möglichkeiten für lokale Gesetzesanpassungen/spezifische regionale Regelungen). 4. Ein „Mindestlohn nicht unter dem Lebensminimum“ soll in der Verfassung festgeschrieben werden. Auch die regelmäßige Rentenanpassung soll Ver- fassungskraft erlangen. 5. Die Rolle der Gouverneure soll gestärkt werden. Sie sollen bei der Verab- schiedung föderaler Gesetze mitwirken. Dazu sollen die Rolle und der Status des „Staatsrates“ in der Verfassung verankert werden. (Dessen Abgrenzung zum bestehenden Föderationsrat soll ein spezielles Gesetz regeln. Nach ers- ten Aussagen von Präsident Putin soll der „Staatsrat“ die Tätigkeit der Exe- kutivorgane koordinieren, die Grundlinien der Innen- und Außenpolitik sowie die Prioritäten der Sozial- und Wirtschaftspolitik festlegen.) 1 In der derzeitigen Verfassung ist das Primat des Völkerrechts gegenüber dem russischen Recht festgeschrieben (Art. 15). Dieser Verfassungsartikel gehört zu den grundlegenden Artikeln und kann nur durch eine „Verfassungsversammlung“ geändert werden. Das derzeit von Präsident Putin betriebene Änderungsverfahren erfüllt nicht die Anforderungen für Verfassungsänderungen für diesen Punkt (M.H.). 11
6. Das Parlament (Duma) soll künftig den Premierminister sowie die Vize-Pre- mierminister und Minister ernennen. Der Staatspräsident kann jedoch den Premierminister und die Regierung absetzen, wenn diese ihre Aufgaben nicht erfüllen oder sein Vertrauen verlieren. 7. Der Präsident wird alle „Macht-Minister“ erst nach Konsultationen mit dem Föderationsrat ernennen, ebenso die regionalen Staatsanwälte (das ist neu – M.H.). 8. Die Rolle des Obersten und des Verfassungsgerichts soll gestärkt werden. Alle diese Maßnahmen sollen eine „starke Präsidialrepublik“ gewährleisten. Die Verfassungsänderungen werden in einem zügigen Verfahren vorangetrieben, was eine langfristige interne Vorbereitung und die Vernachlässigung öffentlicher Diskussion darüber vermuten lässt. Nach der Ankündigung in Putins Rede vom 15. Januar wurde eine Arbeitsgruppe aus 75 Personen (darunter nur elf Rechtswis- senschaftler) benannt, die bereits am 16. Januar erstmals zusammentrat. Die erste Lesung im Parlament erfolgte am 23. Januar, und eine informelle „gesamtrussische Abstimmung“ wird voraussichtlich im April stattfinden. 12
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