Mittagstisch - Journal - Mittagstisch St. Michael

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Mittagstisch - Journal - Mittagstisch St. Michael
Mittagstisch – Journal                                              Ausgabe 2020/2021

Editorial

Liebe Fördernde und liebe Mitglieder des För-
dervereins Mittagstisch St. Michael e.V.,
liebe Freundinnen und Freunde des Mittagsti-
sches St. Michael,

in diesem Winter war es für kurze Zeit mal wie-
der möglich in Göttingen, denn wir hatten mal
wieder einen „echten“ Winter mit viel Schnee
und eisigem Frost! So konnte man sich ein Haus
aus Schnee, ein Obdach aus Eis, also ein Iglu
bauen, innen gemütlich ausstatten und sich ein
paar Tage daran erfreuen!

                                                  ein Dauerbrenner in den Schlagzeilen und in
                                                  diesen Tagen der Corona-Pandemie erfährt es
                                                  zusätzliche Dringlichkeit.

                                                  Gerade für solche Menschen, denen „ein Dach
                                                  über dem Kopf“ fehlt oder die in einer schwe-
                                                  ren Lebenslage, die arm und auf tätige Hilfe an-
                                                  gewiesen sind – gerade für solche Menschen ist
                                                  der Mittagstisch St. Michael da. Für diese Men-
                                                  schen ist er eine Anlaufstelle, ein Treffpunkt
                                                  und bietet neben dem warmen Mittagessen für
Eiskalte Aktion: Sebastian hat ein Iglu gebaut…   2 Stunden das Dach über dem Kopf, eine Mög-
                                                  lichkeit zum Aufwärmen und zur Gemeinschaft.

Die weitaus meisten Menschen in unserer           Und so kommen unsere Gäste mit dieser mit-
Stadt bzw. unserer Region wohnen komfortab-       täglichen Stunde besser über den Tag, schaffen
ler und können ihre Wohnung zurecht ihr Zu-       ihr Leben an diesem Tag.
hause nennen, fühlen sich sogar beheimatet –
Gott sei Dank! Doch nicht alle können sich eine   Warum erwähne ich dies? Wozu beginne ich
Wohnung leisten, einige wollen es auch gar        mit einem Iglu? Nun, in diesem Winter hat ein
nicht – das Thema „bezahlbarer Wohnraum“ ist      junger Mann in Göttingen ein Iglu gebaut; er
Mittagstisch - Journal - Mittagstisch St. Michael
Mittagstisch - Journal                                                      Ausgabe 2020/2021

                                                   Vereine und Clubs haben ihr Weihnachtsessen
hat es geöffnet, für die Besichtigung um Spen-     bzw. den Geldbetrag, den sie dafür ausgegeben
den gebeten und diesen Betrag direkt an die
Leiterin des Mittagstischs gespendet, immer-       hätten, zur Verfügung gestellt; die Jugendab-
hin 169,70€!                                       teilung eines Sportvereins hat fleißig mitgear-
                                                   beitet; aus der Schülerschaft des Otto-Hahn-
Und wenn Sie sich das Bild des Inneren dieses      Gymnasiums kamen unzählige Weihnachtspa-
Iglus ansehen, bemerken Sie sofort die gemüt-
                                                   kete für die Gäste des Mittagstisches. Und
liche Ausstattung mit Lammfellen, ja es sprin-     selbstverständlich haben unsere Mitglieder
gen Ihnen die leuchtenden Kerzen in die Augen.     durch ihre Spenden und Mitarbeit weiter den
                                                   Grundstein fürs Überleben des Mittagstisches
                                                   gelegt und haben zusammen mit den Dauer-
                                                   Fördernden die Basis für das Weiterbestehen
                                                   des Vereins und des Mittagstisches geschaffen,
                                                   denn ca. 75% der Einnahmen kommen aus Ein-
                                                   zel- und Mehrfachspenden!

                                                   Schauen Sie sich daher bitte auf den folgenden
                                                   Seiten die Bilder, die Berichte und die Zahlen zu
                                                   diesem „merk- und denk-würdigen“ Jahr an.
                                                   Mein Fazit lautet: Wir können stolz sein, dass
                                                   der Mittagstisch und der Förderverein von so
                                                   vielen Personen, Firmen und Institutionen mit-
                                                   getragen wird und wir somit diese „not-wen-
                                                   dige“ Arbeit leisten können: den Bedürftigen
                                                   zeitweise ein Dach über dem Kopf und eine
                                                   warme Mittagsstube zum Essen anzubieten.
                                                   „Wir haben das geschafft!“, möchte ich sagen
 … dabei sind rund 170 Euro Spendengelder          – und erfreulicherweise ist unser „Wir“ noch
 zusammengekommen. Tolle Sache!                    stärker geworden, denn wir hatten einen Mit-
                                                   gliederzuwachs von über 22%!
Diese Aktion steht stellvertretend für viele: Im
vergangenen Jahr, das von der Corona beding-       Ich wünsche mir, dass „Wir schaffen das!“ auch
ten Sondersituation beim Mittagstisch geprägt      weiterhin gilt, und ich bin ermutigt vom Glau-
war, haben wir vielfältige Unterstützung und       ben und von der Tatkraft der vielen Helfenden!
Hilfe erfahren dürfen! Oft aus unvermuteten        – Freuen Sie sich also auf das Schmökern in die-
Ecken der Göttinger Zivilgesellschaft wurden       sem Heft. Blättern Sie um!!
uns Geld- oder Sachspenden zuteil. Daher
konnte der Mittagstisch das ganze Jahr über of-
fen bleiben und daher konnte unser Verein                                          Georg Bartelt,
viele laufende Tätigkeiten und nötige Investiti-                   Vorsitzender      Förderverein
onen großzügig unterstützen. Lesen Sie bitte                       „Mittagstisch St. Michael e.V.
hierzu die Berichte der Leiterin und des Trä-
gers!

                                                                                                  2
Mittagstisch - Journal - Mittagstisch St. Michael
Mittagstisch - Journal                                                    Ausgabe 2020/2021

  1. „Es ist eine Herausforderung, aber wir packen das gemeinsam“

Bericht der Leiterin des Mittagstisches für       Während dieser Arbeiten konnte die Küche
das Jahr 2020                                     nicht genutzt werden was für uns Improvisati-
                                                  onsgeschick erforderte. Neben den Küchen, die
Das Jahr 2020 stand unter dem Damokles-
                                                  uns schon vorher an zwei bis drei Tagen in der
schwert der Corona Pandemie. Die ersten Ein-
                                                  Woche mit Essen beliefert hatten, bekamen
schränkungen für die Gäste begannen im Früh-
                                                  wir auch Essen von der Restaurantküche Buller-
jahr 2020. Die Tische wurden vereinzelt, nur
                                                  jahn und der Ausbildungsküche der BBS 3. Das
eine Person am Tisch. Ein allgemeines Rauch-
                                                  Kochen am Wochenende fand auf vier E-Herd
verbot in den Räumlichkeiten wurde ausge-
                                                  Platten im Gastraum statt und um zu viel Ab-
sprochen. Wir begannen Stoffmasken zu ver-
                                                  wasch zu vermeiden, musste in dieser Zeit auf
teilen, die uns von Bürgern der Stadt geschenkt
                                                  Plastikgeschirr zurückgegriffen werden.
wurden. Nachdem alle Gaststätten und Restau-
rants schließen mussten, kam es auch zur          Dank Corona fielen fast alle Wochenendteams
Schließung unserer Gasträume und die Essens-      aus und wir mussten das Kochen unter unser
ausgabe am Personal Eingang begann. Dank          kleines Team aufteilen. Es ist eine Herausfor-
der Leihgabe des Studentenwerks konnten wir       derung, aber wir packen das gemeinsam. Ein
das Essen hinter zwei beweglichen Tresen her-     Ende ist ja noch nicht abzusehen.
ausgeben. Für die Gäste bedeutete dies, Essen     Ein positiver Effekt dieses Ausnahmezustandes
am Bordstein oder auf den Knien auf den be-       war und ist die große Spendenbereitschaft der
reitgestellten Stühlen. Die Gäste begannen ver-   Bevölkerung. Viele Sach- und Geldspenden gin-
mehrt Essen mitnehmen zu wollen. Es wurden        gen bei uns ein. Einzelpersonen und Organisa-
Gefäße benötigt, die uns nach einigen Aufrufen    tionen spendeten dringend benötigte Winter-
von Privatpersonen und Organisationen ge-         kleidung, Schlafsäcke, Isomatten oder haltbare
schenkt wurden und wir immer noch geschenkt       Lebensmittel. Zur Weihnachtszeit schenkte uns
bekommen.                                         die Schülervertretung des OHG über 100 Weih-
Zu Beginn der kalten Jahreszeit erhob sich nun    nachtspakete für die Gäste.
die Frage, ob wir nicht unter bestimmten Vo-      Ein Ereignis ist mir besonders nahe gegangen:
raussetzungen den Gästen das Essen wieder in      Irgendwann im Dezember stand ein junger
den Räumlichkeiten ausgeben könnten. Nach         Mann vor mir und übergab mir einen Briefum-
einem Besuch von der Sozialdezernentin Frau       schlag mit den Worten: „Ihr habt mir vor eini-
Broistedt begannen die Vorbereitungen für         ger Zeit sehr geholfen. Ich habe unter meinen
eine fast normale Essensausgabe, wie sie bis      Arbeitskollegen gesammelt und das ist euer
heute stattfindet.                                Weihnachtsgeschenk. 100 € ist für die Mitar-
In der Zeit der geschlossenen Räumlichkeiten      beiter im Team und 400 € für den Mittags-
wurden schon lange angedachte Renovierungs-       tisch.“
arbeiten vorgenommen. Die Küche und eine
Speisekammer wurden von Handwerkern ge-                                  Anna Werner-Parker,
fliest, die Räume wurden von Ehrenamtlichen                          Leiterin des Mittagstisches
gestrichen und alles wieder eingeräumt.

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    2. Bericht aus dem Förderverein

                                                           herzlich zu danken. Neben den Spenden, die
                                                           den weitaus größten Teil ausmachen, fördern
                                                           die Milde Stiftung der Stadt Göttingen und der
                                                           Gesamtverband des Dekanats mit beträchtli-
                                                           chen Beträgen. Strafzahlungen, die von der
                                                           Staatsanwaltschaft weitergereicht werden
                                                           und ein Sponsoring-Vertrag mit den Stadtwer-
                                                           ken füllen den Rest.

Der Vorstand des Fördervereins: (v. l.) Thomas Maxellon,   Die Ausgaben lagen in 2020 mit 90.900 € deut-
Pfarrer Ludger Joos, Beatrix Merkel und Georg Bartelt.     lich über dem Vorjahresniveau. Die Überwei-
                                                           sungen an den Trägern für den laufenden Be-
.
                                                           trieb blieben dabei nahezu unverändert. Hin-
                                                           zugekommen ist nur eine Corona-Gratifikation
    Mitgliederentwicklung 2020-21 (+22,64%)                für die Mitarbeiter, die unter diesen immens
                                                           erschwerten Bedingungen den Betrieb naht-
                                                           und klaglos aufrechterhalten haben. Es waren
                                                           aber auch dringende Investitionen in die Kü-
                                                           che zu tätigen, an denen sich der Verein mit
                                                           einem Betrag von 14.200 € beteiligt hat. Da
                                                           hier das Bonifatiuswerk mitfinanziert hat,
                                                           musste er nicht die Gesamtlast tragen. Eine
                                                           Zahlung von 10.000 € an die Straßensozialar-
                                                           beit der Diakonie, die regelmäßig präsent ist
                                                           und eine unbedingt notwendige Arbeit in her-
                                                           vorragender Zugewandtheit und Kollegialität
                                                           macht, war erforderlich, um dort Haushaltslö-
                                                           cher aus den Jahren 2018 und 2019 zu stop-
    Zur Finanzsituation des Fördervereins Mit-
    tagstisch St. Michael e.V. – 2020                      fen.
    Der Förderverein hatte im zurückliegenden              Schließlich hat der Verein, dessen eigene Ver-
    Jahr zwar etwas weniger Einnahmen als im               waltungskosten in der Vergangenheit immer
    Vorjahr, sie befinden sich jedoch immer noch           nahe bei null lagen, im Berichtsjahr mit 3.700
    auf einem auskömmlichen Niveau. Von den                € einmal kräftig in die Öffentlichkeitsarbeit in-
    96.700 € wurden 90.900 € wieder ausgege-               vestiert – eine Investition, die sich jetzt schon
    ben, so dass die Rücklagen „nur“ um 5.800 €            als rentierlich erweist. Darin enthalten sind
    erhöht werden konnten. Da diese aber mitt-             auch die Kosten für dieses – d.h. natürlich für
    lerweile eine Höhe erreicht haben, die es er-          das letzte – Mittagstisch-Journal.
    möglichen, auch eine beachtliche Durststrecke
    zu überwinden, bleibt hier nur – ohne jedes
    Wehklagen – den Spendern und Förderern

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Mittagstisch - Journal - Mittagstisch St. Michael
Mittagstisch - Journal                                                      Ausgabe 2020/2021

Diese setzen sich im Detail wie folgt zusam-
men:

3. „Keine Pause im Corona-Jahr 2020“

Der Blick aus dem Pfarramt                         Um die Kontakte auch in der Küche und im Per-
Als im vergangenen Jahr im ersten Lockdown         sonalbereich zu reduzieren, stellten wir auf ein
ab Mitte März selbst das Feiern von Gottes-        Kernteam um, das bis nach den Sommerferien
diensten untersagt wurde, war Kreativität ge-      den Betrieb am Leben hielt. Die Hauptlast
fragt. In der Kirche legten wir tägliche Impulse   wurde von unseren Hauptamtlichen und zwei
im Eingangsbereich aus und im Internet gab es      sehr engagierten Ehrenamtlichen getragen.
bis Pfingsten regelmäßig Livestreams.
Auch am Mittagstisch musste improvisiert wer-
den. Zunächst dachten wir, eine Plexiglas-
scheibe bei der Essensausgabe würde genügen.
Aber dann wurde uns die Öffnung der eigenen
Räume verboten. Auch fiel das Studentenwerk
als Lieferant aus, weil auch die Mensen ge-
schlossen wurden.

Wir mussten von heute auf morgen umstellen
auf Essensausgabe am Personaleingang. Be-
sonders hilfreich war dabei, dass uns das Stu-      Mittagstisch in Corona-Zeiten: Die Ausgabe
dentenwerk zwei Wärmewagen kostenlos zur            musste in kürzester Zeit umgestellt werden.
                                                                              Foto: Beatrix Merkel
Verfügung stellte, mit denen das Essen im
Treppenhaus gut ausgegeben werden konnte.

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Mittagstisch - Journal - Mittagstisch St. Michael
Mittagstisch - Journal                                                      Ausgabe 2020/2021

Da nun der Speisesaal als Stauraum genutzt         Lösung: Nicht zuletzt aufgrund ihres persönli-
werden konnte, nutzten wir die Gelegenheit         chen Engagements wurde dem Mittagstisch
zur Sanierung der Küche. Ein neuer Fliesenbo-      unbürokratisch und schnell vom Bauhof ein
den wurde gelegt, die Wände gestrichen, Re-        weiterer Unterstand in die Turmstraße ge-
gale in den Stauräumen wurden neu sortiert         bracht und mit einem Holzdach mit der schon
und eine neue Spülstraße eingerichtet. Nach        bestehenden Bushaltestelle verbunden. Da-
den Investitionen in eine bessere Belüftung der    runter können sich jetzt bis zu 15 Personen vor
Küche 2019 waren das noch einmal große In-         Regen oder auch praller Sonne schützen. Auch
vestitionen, die wir mit Hilfe unserer Wohltäter   wurden aus dem Corona-Hilfsfond der Stadt
in Göttingen aber auch eines Zuschusses vom        Mittel zur Finanzierung eines Empfangsdiens-
Bonifatiuswerk finanzieren konnten. Die            tes für die Winterzeit freigegeben. Dieser
Coronakrise hat – das muss man auch sagen –        Dienst an der Speisesaaltüre ermöglicht im
zu einer Welle von freundlichen Hilfsangebo-       Rahmen eines sorgfältig erstellten Hygiene-
ten geführt. Wir bekamen jede Menge Masken         plans einen geordneten „Schichtbetrieb“: Im-
(z.T. handgenäht, später mit FFP2-Qualität),       merhin 12 Gäste können seit Mitte November
aber auch Desinfektionsmittel und viele Le-        gleichzeitig im Mittagstisch an Einzeltischen es-
bensmittel geschenkt. Erwähnenswert ist auch       sen, derzeit im Schnitt 36 Gäste am Tag. Sie
die Investition der Pfarrgemeinde in eine 37,5     müssen am Eingang zum Speisesaal lediglich
– kWh - Photovoltaikanlage auf dem Dach der        ihre Kontaktdaten hinterlassen und nach etwa
Turmstraße 5. Seit November 2020 fließt selbst     25 Minuten den vor der Türe wartenden Gäs-
produzierter Strom ins Hausnetz.                   ten Platz machen. Auch wird seit November
                                                   wieder ein Kostendeckungsbeitrag von 50
Die für den 27. September geplante Jubiläums-      Cent pro Person verlangt.
feier zum 30. Geburtstag des Mittagstisches
fand in sehr kleinem Rahmen statt. Nach einem      Kurz nach der Wiedereröffnung der Speise-
Open-Air-Gottesdienst der Kirchengemeinde          räume hat Eberhard Walter dafür gesorgt, dass
auf dem Parkplatz am Rosengarten organi-           auch wieder Kunstwerke die Wände zieren.
sierte der Fördervereinsvorstand einen 20-         Seit Dezember erfreuen sich unsere Gäste und
minütigen Stehempfangs im Innenhof des Mi-         Mitarbeiter an den Fotografien von Sabine
chaelsviertels. Dort galt es, Dankesworte für 30   Sgonina.
Jahre Engagement für Menschen in Not auszu-
sprechen und auf das weitere Gedeihen des          Die Investitionen in Küchenausstattung und
Mittagstischs anzustoßen. Anschließend wur-        zusätzliches Personal schlagen sich deutlich im
den Geburtstagstorten aufgeschnitten und zu        Gesamtbudget des Mittagstisches nieder. Es ist
unseren Gästen auf die Turmstraße hinausge-        2020 von 76 000 um 46% auf 110 000 € ange-
bracht.                                            wachsen. Der Förderverein des Mittagstisches
                                                   ist zum Glück sehr gut aufgestellt und konnte
Sorge bereitete die Frage, wie in der anstehen-    helfen, die Zusatzbelastungen des Trägers ab-
den Winterzeit die Verpflegung der Gäste auf-      zufedern. An dieser Stelle möchte ich mich
rechterhalten werden könnte. Eine Essensaus-       ganz herzlich bei Marion Kuß bedanken, die
gabe an der Straße wäre bei Minustemperatu-        seit vielen Jahren die Buchführung für den Mit-
ren für alle Beteiligten eine Zumutung gewe-       tagstisch stemmt. Auch für 2020 hat sie die Ge-
sen. Da unter den Ehrengästen am Jubiläums-        winn- und Verlustrechnung mit großer Präzi-
tag auch Kultur- und Sozialdezernentin Petra       sion und einigen Nachschichten pünktlich zur
Broistedt anwesend war, fand sich eine gute        Jahreshauptversammlung vorgelegt. Ab dem
                                                   nächsten Jahr werden wir sie hier entlasten
                                                   und einen „Sonderhaushalt Mittagstisch“ über
                                                                                                  6
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die Rendantur in der Heinrichstraße erstellen               beitragen, dass der Mittagstisch auch unter
lassen.                                                     schwierigsten Rahmenbedingungen ein ver-
                                                            lässlicher Ort ist für Menschen in Not.
Im Namen der Kirchengemeinde Sankt Michael
bedanke ich mich herzlich auch bei allen ande-
ren haupt- und ehrenamtlich Engagierten.
Ebenso ein großes Dankeschön all jenen, die                                               Pfarrer Ludger Joos SJ
von außen und nicht selten sehr diskret dazu

4. 30 Jahre Mittagstisch – Großes Jubiläum in kleiner Runde

2020 war ein wichtiges Jahr für den Mittags-                für Hilfebedürftige darstellt, nun schon. Grund
tisch, alle ehren- und hauptamtlichen Mitarbei-             zum Feiern gibt es zwar ausreichend, doch im
terinnen und Mitarbeiter, alle Gäste, Freunde               Corona-Jahr ist alles anders und so musste das
und Förderer: Seit 30 Jahren gibt es diese Ein-             große Jubiläum im kleinen Rahmen stattfinden.
richtung, die täglich eine wichtige Anlaufstelle

 Zum Festakt im kleinen Rahmen begrüßte Göttingens City-Seelsorger
 Ludger Joos (links) nur wenige geladene Gäste.
 Foto: Per Schröter/HNA

                                 Sozialdezernentin Petra Broistedt (rechts) half dabei, die Mittagstisch-Geburts-
                                 tagstorte anzuschneiden.                                    Foto: Per Schrö-
                                 ter/HNA
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„Eine warme Mahlzeit für alle“ –
Extra Tip, Sonntag 17. Oktober 2020

                                      „Treffpunkt an der Turmstraße: 30 Jahre Mittagstisch St.
                                      Michael in Göttingen“, Göttinger Tageblatt, 27.09.2020

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    5. Was macht eigentlich….
                                                     „Geschenk des Himmels“, das ich gerne ange-
                                                     nommen habe – zumal Hildesheim auch die Fi-
                                                     nanzierung von Herrichtung und Ausstattung
                                                     der Räume für einen eigenen Mittagstisch weit-
                                                     gehend und sehr großzügig übernahm. Den-
                                                     noch blieb für uns und konkret vor allem für
                                                     mich selbst eine Menge von Arbeit: Wer wird
                                                     Träger der Einrichtung - die Caritas oder Sankt
                                                     Michael? Was muss im Einzelnen mit der Stadt
                                                     Göttingen abgeklärt werden? Welche Geneh-
                                                     migungen sind erforderlich? Wer leitet den Be-
… Mittagstisch-Gründer Pater Graab?                  trieb des Mittagstisches? Wie gewinnen wir eh-
Pater Heribert Graab, geboren 1933, hat sich in      renamtliche Mitarbeiter*innen? Wie ist das
seiner Göttinger Zeit (1986 bis 2008) sehr ver-      Wohlwollen der Geschäftsleute auf der Kurzen
dient um die St. Michael Kirchengemeinde ge-         Straße für dieses Projekt zu gewinnen? Und,
macht. Er war Pfarrer am St. Michael und City-       und, und… All das machte eine Fülle von Ge-
seelsorger und hat vor dreißig Jahren den Mit-       sprächen, Konferenzen und Bittgängen erfor-
tagstisch ins Leben gerufen. Der gebürtige Kre-      derlich. Und all das gelang vor allem mit der
felder lebt seit 2008 in Köln, ist ein engagiertes   Unterstützung des Pfarrgemeinderates und von
Mitglied der Jesuitenkirche St. Peter und arbei-     engagierten Gemeindemitgliedern. Strukturen
tet auch in der Pax-Christi-Gruppe mit, der in-      und Zuständigkeiten entwickelten sich erst
ternationalen katholischen Friedensbewegung,         langsam. Ein großer Schritt vorwärts wurde ge-
deren Motto „Frieden schaffen ohne Waffen“           tan, als Ralf Reinke die Leitung des Mittagsti-
Pater Graab sehr persönlich antreibt. In der ak-     sches übernahm. Ihm verdankt der Mittags-
tuellen Pandemiesituation lernt dieser die sozi-     tisch vieles von dem, was schließlich daraus
alen Medien schätzen, insbesondere die Kom-          wurde.
munikation über Meeting-Plattformen und On-
line-Gottesdienste.                                  Können sie sich an den ersten Tag, der Essens-
Für uns erinnert sich Pater Graab an die An-         ausgabe erinnern?
fänge des Mittagstischs.                             Auf dem Hintergrund der Herausforderungen
                                                     vor dem Start des Mittagstisches muss ich ge-
Im Zeitraum, bevor der Mittagstisch initiiert        stehen, daß ich mich an Einzelheiten seiner Er-
wurde, haben Sie den Menschen Geld oder Es-          öffnung und an die erste Essensausgabe kaum
sens-Gutscheine ausgehändigt. Welche Vor-            noch erinnere.
teile haben Sie gesehen, wenn die Gäste eine
feste Anlaufstelle wie den Mittagstisch ha-          Der Mittagstisch ist im September 30 Jahre alt
ben?                                                 geworden und fest etabliert in Göttingen. Sind
Die Essens-Gutscheine waren wohl eher eine           sie stolz, wenn Sie dieses lesen? Was macht
Notlösung. Ein kleines Imbiss-Lokal in der Nach-     das mit Ihnen?
barschaft war dabei unser Partner. Als der dann      Um ehrlich zu sein, hätte ich zu Beginn kaum zu
aus Altersgründen aufgab, bot uns das Bistum         hoffen gewagt, dass es überhaupt zu einem
Hildesheim etwa gleichzeitig die Nutzung der         dreißigjährigen „Jubiläum“ kommen würde.
Räume auf der Turmstraße an. Das war ein             Dass es dazu kam, erfüllt mich mit Freude. Dar-
                                                     über hinaus bin ich vor allem all denen dank
                                                                                                   9
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Mittagstisch - Journal                                                         Ausgabe 2020/2021

bar, die sich in den vielen Jahren für diese sozi-   schon etliche gibt - z.B. mit Drogenhilfe, Stra-
ale Einrichtung engagiert haben, die sie geför-      ßensozialarbeit und Diakonie.
dert, weiterentwickelt und finanziell abgesi-
chert haben. Auch meinen Nachfolgern bin ich         Wünschenswert wäre es in meinen Augen,
dankbar, dass sie sich als Pfarrer ganz hinter       wenn die Gemeinde Sankt Michael hier und da
den Mittagstisch stellten und dafür ihren Teil       die Gäste des Mittagstisches zu Festen oder
der Verantwortung übernahmen.                        sonst geeigneten Veranstaltungen einladen
                                                     würde. Dazu wäre eine engere Zusammenar-
Durchschnittlich gibt der Mittagstisch täglich       beit zwischen Gemeindemitgliedern und Enga-
an 37 Personen Essen aus. Durch die Lebens-          gierten der Gemeinde einerseits, sowie Mitar-
mittelspenden und Foodsharing können die             beiter*innen und Gästen des Mittagstischs an-
Kosten für das Essen gesenkt werden. Zuletzt         dererseits erforderlich. Gelingen könnte so et-
hat ein Ortsansässiger Fleischer 40 Kilogramm        was, wenn die Initiative dazu jeweils aus dem
Fleisch gespendet. Die Rotarier Sternwarte           Kreis der Beteiligten auf beiden Seiten käme.
hatte das traditionelle Weihnachtsessen an           Ein typisch „kölsches“ Beispiel fällt mir dazu ein,
den Mittagstisch gespendet. Hätten Sie mit so        das natürlich nicht auf Göttingen zu übertragen
einem Zuspruch gerechnet?                            ist: In Köln gibt es seit etlichen Jahren eine Kar-
Von Anfang an lebt der Mittagstisch von dem          nevalssitzung für Obdachlose. Auch die lebt von
persönlichen und auch finanziellen Einsatz sehr,     denen, die sich immer wieder dafür engagieren,
sehr vieler Menschen und auch von dem politi-        und sie stirbt möglicherweise auch wieder,
schen Rückhalt im Bistum und in der Stadt.           wenn es diese Leute nicht mehr gibt.

Sehen sie den Bedarf weiterer Unterstützung          Was wünschen Sie dem Mittagstisch?
für die Gäste? Sollte das Angebot des Mittags-       Natürlich wünsche ich vor allem den Gästen des
tisches ausgeweitet werden? Was würden sie           Mittagstisches und überhaupt den Bedürftigen
sich wünschen?                                       in Göttingen, dass es dieses soziale Angebot
Eine Einrichtung wie der Mittagstisch kann nie-      „von unten“ auch in Zukunft noch möglichst
mals auf eigenen Füßen stehen. Insofern wird         lange gibt. Schön wäre, wenn vor allem jene
er immer auf Unterstützung und persönliches          Ansätze weiterentwickelt würden, die auch den
Engagement angewiesen sein. Je mehr Men-             Gästen selbst Möglichkeiten des Engagements
schen engagiert sind, um so mehr bringen sie         ermöglichen. Und allen Beteiligten wünsche ich
eigene Ideen, Anregungen und auch ihre per-          eine möglichst lebendige Phantasie, viel Kreati-
sönlichen Fähigkeiten mit ein. Bereits bisher        vität und ein feines Gespür für das, was jeweils
wurde viel Hilfreiches realisiert – u.a. auch        notwendig, was jeweils machbar, und was je-
schon eine Art „Winterhilfe“ mit Schlafsäcken        weils der Würde von Menschen dienlich ist. In
und Isomatten, sowie eine Zeit lang sogar ein-       der Gemeinde Sankt Michael bleibt hoffentlich
mal wöchentlich eine ärztliche Sprechstunde,         auch in zukünftigen Generationen das Wissen
für die sich damals ein Arzt von „Neu-Maria-         um die Einladung Jesu lebendig: „Was ihr für ei-
Hilf“ ehrenamtlich zur Verfügung stellte. Aber       nen meiner geringsten (Schwestern und) Brü-
selbstverständlich wäre es nicht hilfreich, wenn     der getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt.
die Verantwortlichen den Mittagstisch und des-       25, 40)
sen Möglichkeiten überforderten. Wichtiger
sind vielmehr Kooperationen, von denen es
                                                     Dieses Interview führte Thomas Maxellon im
                                                     März 2021

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    6. „2020 war ein Ausnahmejahr“
Gruß aus der Stadtverwaltung

Liebe Leserinnen und Leser,
2020 war ein echtes Ausnahmejahr! Es stand
im Zeichen der Pandemie. Wir alle haben große
Veränderungen im Alltag erfahren: Schließung
des Einzelhandels, der Hotels –und Gaststät-
ten, der Kultureinrichtungen, vieler Sport- und
Freizeitangebote haben unser Leben geprägt.
Gemeinsam sind wir durch verschiedene Stu-
fen des Lockdowns gegangen, haben gelernt,          Es grüßen: Petra Broistedt und Christian
Abstand zu halten und mit Mund-Nasen-Bede-          Schmetz. Foto: Stadtverwaltung Göttingen
ckungen zu leben.

Unser Gesundheits- und Ordnungsamt haben           Während viele Arbeitnehmer*innen im Home-
in dieser Zeit großartige Arbeit geleistet. Die    office arbeiten konnten, haben die Mitarbei-
Mitarbeiter*innen waren an sieben Tagen in         ter*innen und Freiwilligen des Mittagstisches –
der Woche im Einsatz, um Corona-Ausbrüche          sicher unter Einhaltung von Abstandsregeln
lokal zu begrenzen und eine Ausbreitung des        und unter Berücksichtigung von Hygienevor-
Virus zu verhindern. Das ist in der Summe gut      schriften – einfach weitergearbeitet und an
gelungen! Göttingen hatte mit Ausnahme we-         365 Tagen im Jahr Menschen mit wenig Aus-
niger Tage im Juni, als es zu Ausbrüchen in Göt-   kommen eine warme und günstige Mahlzeit zu-
tinger Hochhauskomplexen kam, geringere In-        bereitet und angeboten. Eine Leistung, die so
zidenzen als der Bundesdurchschnitt.               bemerkenswert ist, dass sie an dieser Stelle un-
                                                   sere besondere Anerkennung und unseren
Rückblickend ist festzustellen, dass die Pande-
                                                   Dank verdient!
mie besonders harte Auswirkungen auf Men-
schen mit sehr geringem Einkommen hatte. Sie       Diesen Einsatz hat die Stadt Göttingen gern un-
leben häufig in engen, wenn nicht gar prekären     terstützt, und zwar auf zweifachem Wege: Da-
Wohnsituationen, was die Verbreitung des Vi-       mit die Kund*innen des Mittagstisches sich in
rus begünstigt. Zusätzliche Ausgaben für Mas-      der Pandemie unter Wahrung von Abstandsre-
ken und Hygieneartikel sind grundsätzlich          geln draußen auch bei Regen trockenen Fußes
schwer zu schultern, wenn das Portemonnaie         aufhalten können, hat der Bauhof der Stadt
klein ist. Und Homeschooling der Kinder war        Göttingen eine zweite überdachte Unterstell-
für viele eine Herausforderung, auch weil das      möglichkeit errichtet. Und damit der Speisesaal
tägliche Mittagessen in der Schule wegfiel.        coronagerecht genutzt werden kann, wurden
                                                   neben der regulären Förderung aus der Göttin-
Gut, dass der Mittagstisch St. Michael für seine
                                                   ger Milde Stiftung in 2020 und 2021 zusätzliche
Kund*innen da war und DURCHGÄNGIG seinen
                                                   Mittel aus dem Hilfsfonds der Stadt Göttingen
Betrieb aufrechterhalten hat!
                                                   bewilligt – gut angelegtes Geld, wie wir mei-
                                                   nen.

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Im Namen der Stadt Göttingen danken wir al-          sich also impfen, wenn sie „dran“ sind. Impfen
len Beteiligten herzlich für den geleisteten Ein-    ist der wirkungsvollste Schutz vor dem Virus.
satz.

Noch sind wir in Sachen Virus nicht über den
Berg. Auch in 2021 heißt es: Abstand halten
und Masken tragen. Aber ein Lichtblick ist da:
wir können uns impfen lassen. Die Stadt Göt-
tingen hat auf der Siekhöhe im Auftrag des Lan-
des ein Impfzentrum eingerichtet und bietet im
Laufe diesen Jahres allen Impfwilligen ein Impf-
angebot an. Bitte haben Sie Geduld. Termine
sind abhängig von der Verfügbarkeit von Impf-        Bleiben Sie gesund.
stoff. Weil es aktuell noch zu wenig Impfstoff
gibt, wird nach vorgegebenen Prioritäten ge-
impft: Menschen mit hohem Risiko auf                 Petra Broistedt, Dezernentin für Kultur und So-
schwere oder tödliche Krankheitsverläufe zu-         ziales und
erst. Eines können wir dabei sagen: Alle einge-      Christian Schmetz, Erster Stadtrat Göttingen
setzten Impfstoffe haben eine hohe Wirksam-
keit und eine gute Verträglichkeit. Lassen Sie

    7. Spendenaktionen
Spülstraße -eine tolle Errungenschaft

Im Jahr des 30. Geburtstages wurde die alte
Spüle durch eine moderne Spülstraße ersetzt.
Das Abspülen wird in einer Küche häufig unter-
schätzt und doch ist es eine Schlüsselstelle. Ge-
                                                    Was zuvor von mühseliger Handarbeit und
schirr, Tassen, Töpfe, Besteck und weiteres Zu-
                                                    Platzmangel geprägt war….
behör muss während des Kochens oder der
Ausgabe teilweise mehrfach gereinigt werden.
Der Ablauf dieser Tätigkeit wurde durch die
Neuerwerbung perfektioniert. Das schmutzige
Geschirr kann nun von links nach rechts durch
sie Spülstraße wandern, unnötiges hin und her
räumen sind nun passé. Die neue Spüle ist hö-
her und ergonomischer dadurch haben die Be-
nutzer weniger Rückenschmerzen. Bei der al-
ten Spülmaschine würde bei jedem Öffnen der
Spülmaschinenklappe warme und feuchte Luft            …wird nun zu einem wahren Spül-Erlebnis.

                                                                                                 12
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in den Küchenraum abgegeben. Dieses sorgte       Geschenktes Essen
am Ende eines Tages nicht selten für tropische   Am 21. Oktober spendete „Best of Döner Lie-
anmutende Temperaturen und eine sehr hohe        ferservice“ den Gästen des Mittagstisches
Luftfeuchtigkeit in der Küche. Die neue Spül-    ein komplettes Menü. Es gab Pizza, Döner-
maschine pumpt jetzt diese feuchte Wärme ab,     fleisch, Salat, Krautsalat und Soßen.
schickt diese durch einen Wärmetauscher,
wärmt kaltes Wasser damit auf und sorgt für
eine angenehmere Arbeitsumgebung. Zusätz-
lich kann nun eine Person allein diese Aufgabe
übernehmen. Gerade in Hinblick auf die redu-
zierte Personalstruktur zu „Coronazeiten“ war
diese Anschaffung sehr gut. Auch die Umwelt
wird profitieren, da das Spülgut nur noch kalt
vorbehandelt werden muss, der Wärmetau-
scher in der Maschine die Restwärme nutzt und
der Strom und Wasserverbrauch gesenkt
wurde. Die Investitionen für diese neue Ma-
schine betrug insgesamt ca. 12.000 Euro. Das
Bonifatius Werk subventionierte die Anschaf-
fung mit 5.000 Euro und so brauchte der För-
derverein nur den Restbetrag von 7.000 Euro
übernehmen. Durch den Verkauf der alten
Spülmaschine und auch der alten Spüle konn-
ten 2.300 Euro erzielt werden.                   Edelstahlbleche im Vorratsraum

Geldspende                                       Die Metallbaufirma Fricke aus Harste erstellte
                                                 und montierte zwei Edelstahlbleche für den
Am 21. Oktober klingelt ein ehemaliger Gast      Vorratsraum. Das Foto zeigt die beiden Bleche.
des Mittagstisches an der Tür und übergab das    Ein Blech dient als Wandabschluss für den
Geld (siehe Bild) an Anna Werner Parker. Es      Tisch. Das andere Blech verbirgt Wasserleitun-
sagte er war vor Jahren selbst Gast und wollte   gen am Boden.
sich für die damalige Unterstützung bedanken.

                                                                                            13
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    Regalschienen im Vorratsraum                Iglu
    Nach einem Facebook Aufruf meldete sich     Sebastian hat aus Schnee ein Iglu gebaut. An-
    der Metallbauer Jens-Uwe Nielsen und half   schließend durften sich Göttinger*innen das
    nach der Renovierung des Vorratsraumes,     Iglu gegen eine Spende anschauen. Hierbei ka-
    diesen wieder einzurichten. Das wurden      men 169,70 Euro zusammen.
    Regalschienen gekürzt und montiert.

                                                Leisten gegen Mäuse
                                                Hausmeisterservice Oberdiek installierte Leis-
Wärmeschutz-Rollos im Gastraum                  ten unter allen Türen des Mittagstisches, damit
                                                die Mäuse nicht mehr unter den Türen durch-
Kai Thielen von der Firma Garten- und Land-
                                                huschen können.
schaftsbau Thielen montierte Wärmeschutz-
Rollos im Gastraum des Mittagstisches.

                                                Herzlichen Dank all jenen, die die Arbeit des Mit-
                                                tagstischs mit Zeit- und Geldspenden, handwerkli-
                                                chem Know-how oder Lebensmitteln unterstüt-
                                                zen. Nur durch die zahlreichen helfenden Hände
                                                können täglich viele Menschen versorgt werden!

                                                                                            14
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    8. Politiker zu Gast beim Mittagstisch

                         Jürgen Trittin war am 1. September 2020 beim Mittagstisch zu Gast.

                                     Stadtrat Marcel Riethig sieht sich in der Küche des Mittagstischs um.

                                                                                                             15
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    9. Neues von der Straßensozialarbeit

Unter besonderen Umständen – Street-
work während der Pandemie
Das Jahr 2020 startete wie gewohnt. Business
as usual. Die Streetworker*innen des Diakonie-
verbandes, genauer, der Straßensozialarbeit
und des Drogenberatungszentrums, suchten
neben diversen anderen Plätzen in Göttingen
auch die Gäste beim St. Michael Mittagstisch
auf, um mit ihnen in Kontakt zu kommen und
Beratung anzubieten. Das grundsätzliche Ziel
ist dabei immer, die Lebenslagen der Gäste zu
verbessern, sollte dies erforderlich und ge-
wünscht sein. Die Herangehensweisen beider
Institutionen sind im Grundsatz ähnlich.

Von Seiten der Straßensozialarbeit sahen die
Hilfsangebote wie folgt aus:
Die Streetworker*innen boten bis März 2020
                                                  Wächst mit seinen Aufgaben: Mike Wacker
regelmäßig drei Mal die Woche eine Bera-
                                                  spricht über Streetwork in der Pandemie.
tungsstunde in den Räumlichkeiten des St. Mi-
                                                                              Foto: Diakonie
chael Mittagstisches an. Dieses Angebot gab es
bereits seit November 2018.                      Beratung nicht eingestellt werden musste, son-
Die Mitarbeitenden des Drogenberatungszent-      dern „auf der Straße“ oder anders: „unter
rums suchen die Gäste hauptsächlich direkt in    freiem Himmel“, stattfinden konnte.
der Turmstraße auf, um Unterstützungsleistun-    Nicht nur die Gäste, sondern auch die Mitarbei-
gen anzubieten. Die Angebote wurden durch-       tenden mussten sich auf die neue Situation ein-
gängig intensiv und rege von etlichen Gästen     stellen. Mit Hilfe der „Task-Force“ des Diako-
genutzt.                                         nieverbandes Göttingen wurden Handlungs-
                                                 leitlinien von den jeweiligen Institutionen zum
Mit dem Ausbruch des Coronavirus veränderte      Streetwork in Coronazeiten erarbeitet, welche
sich ab März 2020 jedoch vieles grundlegend.     den Akteuren Handlungssicherheiten boten,
Es mussten betriebliche und organisatorische
Veränderungen vorgenommen werden, die na-        um risikofreie Kontakte zu den Gästen zu ha-
türlich den Mittagstisch, aber auch die Mitar-   ben. Dazu gehörten die eigene Maskenpflicht
beitenden des Diakonieverbandes betrafen. Ab     der Mitarbeitenden, die Einhaltung der AHA-
März 2020 konnte die Beratungszeit in den        Regeln, immer ein Desinfektionsmittelfläsch-
Räumlichkeiten des Mittagstisches nicht mehr     chen dabei zu haben und vieles andere.
angeboten werden. Um den Menschen weiter-        Die Aufgaben der Streetworker*innen wurden
hin Unterstützung anzubieten, wurden Hygie-      durch die neuen Umstände nochmal vielfälti-
nekonzepte erarbeitet, damit das Angebot der     ger. Einige der neuen Aufgaben waren die Auf-
                                                 klärung über das Coronavirus, das Verteilen

                                                                                               16
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von Informationsblättern zum Umgang mit            zu den Usern kann auch der Wunsch einer Ver-
dem Coronavirus (in verschiedenen Sprachen),       änderung vom Leben mit der Sucht geäußert
ebenso wurden anfangs kostenlos selbstge-          werden. So können die Gäste des Mittagsti-
nähte Stoffmasken ausgegeben, später dann          sches gezielt in spezielle Angebote der Drogen-
OP-Masken.                                         beratung vermittelt werden.
Die altbewährte Arbeit lief parallel dazu, diese   Im vergangenen Jahr wurden vermehrt, im Ver-
bestand und besteht darin, das weitergehende       gleich zum Vor-Corona-Jahr, drogengebrau-
Unterstützungsleistungen wie zum Beispiel          chende Gäste des Mittagstischs an substituti-
Hilfe beim Ausfüllen eines Sozialleistungsan-      onsbehandelnde Ärzte vermittelt. Eine Ursache
trags gegeben werden, die Vermittlung in ei-       für den Anstieg der Vermittlung war laut Anga-
gene und weiterführende Dienste wie die            ben der Streetworker*innen des Drogenbera-
Wohnraumvermittlung oder das Angebot, eine         tungszentrums, dass durch die Lockdowns die
Posterreichbarkeitsadresse in der Straßensozi-     Einnahmen vom Pfandflaschensammeln und
alarbeit einzurichten.                             Betteln merklich zurückgingen, da einfach we-
Die Streetworker*innen des Drogenberatungs-        niger Passanten unterwegs waren, und somit
zentrums haben, wie oben schon erwähnt,            Drogen schlechter finanzierbar waren. Des
grundsätzlich eine ähnliche Arbeitsweise. Sie      Weiteren wurden einige Personen zur Entzugs-
bieten aber zusätzlich eine niedrigschwellige      behandlung in das Asklepios Fachklinikum und
Vermittlung in abstinenzorientierte Behand-        zu Fachgesprächen an die höherschwellig ar-
lungsangebote im Drogenberatungszentrum            beitenden Kolleg*innen des Drogenberatungs-
an, vermitteln an Substitutionsärzte, geben In-    zentrums vermittelt, um mit ihnen gemeinsam
formationen zu einem sicheren Umgang mit           an einem Weg Richtung Abstinenz zu erarbei-
Konsumbesteck für harte Drogen („Safer-Use“)       ten.
und bieten Hilfestellungen in Sozialrechtsange-    Im letzten Jahr kamen trotz Corona sehr viele
legenheiten. Ebenso verteilen sie kostenlose       Kontakte von Seiten der Straso und dem Dro-
abgepackte Konsumbestecke („Safer-Use-Ma-          genberatungszentrum zu diversen Gästen des
terialien“, auch „Care-Packs“ genannt), an Ge-     Mittagstisches zustande, um die Lebenslagen
braucher*innen von harten Drogen wie Heroin        kurzfristig, aber auch an der ein oder anderen
oder Flex. Diese „Safer-Use-Materialien“ sind      Stelle nachhaltig und langfristig zu verbessern.
hauptsächlich zur Gesundheitsprophylaxe und        Dabei konnten wir durchgängig auf die überaus
zum Infektionsschutz gedacht, noch genauer,        gute und von gegenseitiger Wertschätzung und
zum Schutz vor ansteckenden Krankheiten wie        Respekt getragene Zusammenarbeit mit allen
zum Beispiel AIDS oder Hepatitis. Dabei wur-       Mitarbeitenden des Mittagstischs zurückgrei-
den u. a. saubere Spritzen ausgegeben, damit       fen. In diesem Zusammenhang sind vor allem
Konsumutensilien nicht geteilt werden müs-         Pater Ludger Joos und Anna Werner Parker zu
sen. Nach Angaben der Mitarbeitenden des           benennen.
Drogenberatungszentrums wurden wöchent-            Die Kooperation zwischen dem katholisch ge-
lich mehrere Dutzende solcher „Safer-Use-          tragenen St. Michael Mittagstisch und dem
Packs“ verteilt.                                   evangelisch-lutherischen getragenen Diakonie-
Eine Anmerkung am Rande: Diese Konsumu-            verband Göttingen ist gelebte und gelungene
tensilien wurden dankenswerterweise von der        Zusammenarbeit und Ökumene, um Menschen
AIDS Hilfe Göttingen kostenlos zur Verfügung       in Göttingen bei Bedarf und Wunsch ihre Not
gestellt. Das Austeilen der „Safer-Use-Materi-     zu lindern. Gemeinsam mit Jörg Mannigel, un-
alien“ hat einen weiteren tieferen Sinn: Über      serem Geschäftsführer des Diakonieverban-
den Kontakt                                        des, sind wir für das gemeinsame Wirken sehr

                                                                                                17
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dankbar. Für ihn ist die sich gegenseitig stüt-   mäßig wiederkehrenden Fortführung des An-
zende Zusammenarbeit zwischen dem Mittags-        gebots geäußert, um für das Thema weiter zu
tisch, dem Drogenberatungszentrum und der         sensibilisieren und auch allen Mitarbeitenden
Straso auch ein ganz wichtiges gesellschaftli-    des Mittagstischs das Angebot dieser Schulung
ches Signal der gelebten Barmherzigkeit – nicht   zu machen. Leider konnte bisher keine zweite
nur in der Pandemie, sondern weit darüber hin-    Schulung durchgeführt werden, da Corona
aus.                                              diesbezüglich einen Strich durch die Rechnung
                                                  machte. Sollten Angebote wieder möglich sein,
Schulung für haupt- und ehrenamtliche             wird es mit Sicherheit auch Weitere geben.
Mitarbeiter*innen des St. Michael Mit-
tagstischs zum Thema „Professionelles
Handeln in Gewaltsituationen“                     Mike Wacker, Abteilungsleiter Straßensozial-
Im Januar 2020 gab es ein erstmaliges Angebot     arbeit des Diakonieverbandes Göttingen
seitens eines sozialpädagogischen Mitarbeiters
der Straßensozialarbeit des Diakonieverbandes
Göttingen für die haupt- und ehrenamtlichen
Mitarbeiter*innen des St. Michael Mittags-
tischs. Das Thema der Schulung war „Professi-
onelles Handeln in Gewalt-Situationen“, wobei
der Vortragende kein explizit ausgebildeter De-
eskalationstrainer ist, sondern seinen Wissens-
fundus aus seiner über 10-jährigen Berufser-
fahrung in der niedrigschwelligen Sozialarbeit
schöpft. Pater Ludger Joos sah für die Thematik
einen dringenden Handlungsbedarf, da es im-
mer wieder Konfliktsituationen innerhalb der
Gästeschaft des St. Michel Mittagstischs gab
und dabei auch Mitarbeiter*innen zum Teil
zwangsläufig involviert werden. Dabei wurde
bei der Schulung der Fokus auf den Eigenschutz
der Mitarbeiter*innen gelegt, auf ein grund-
sätzlich deeskalierendes Verhalten und dies
mit einem abwechselnden Input von fachlichen
und wissenschaftlichen Hintergrundinformati-
onen von Seiten des Vortragenden und in ei-
nem gemeinsamen Reflexionsaustausch aller
Teilnehmer*innen. Es gab circa 12 Teilneh-
mer*innen, die Schulung ging über 1,5 Stunden      In einer Reihe: Durch Corona wird auch die Es-
und war für die meisten Teilnehmer*innen           sensausgabe etwas mühseliger – für Helfer
sehr lehrreich, laut der Rückmeldungen der         Gäste.
Mitwirkenden.
Dabei wurde der Wunsch von Pater Ludger
Joos, Anna Werner Parker und einigen Teilneh-
mer*innen nach einer kontinuierlichen regel

                                                                                             18
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    10.        Blick über den Tellerrand und Vorurteile über Bord werfen

Ein Erfahrungsbericht
Zugegeben, als ich im vergangenen Jahr von
meinem Freund Thomas Maxellon gefragt
wurde, ob ich die redaktionelle Arbeit für das
diesjährige Mittagstisch-Journal übernehmen
möchte, habe ich dies nicht ganz ohne Vorur-
teile gemacht.

                                                  Freude mir die Mitarbeit bei der Zubereitung
                                                  und Ausgabe des Essens gemacht hat und wie
                                                  nachdrücklich die Erfahrung sich bei mir gefes-
                                                  tigt hat. Die Zusammenarbeit mit den anderen
                                                  ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern und
                                                  der Leiterin Anna war wirklich schön für mich,
                                                  von der ersten Minute an wurde ich voll einge-
  Thomas Maxellon hat ein überzeugendes           bunden, war stundenlang beschäftigt und kom-
  Wesen und damit schon einige Helfer zum         plett raus aus meinem Alltag. Ich bin insgesamt
  Mittagstisch gebracht.                          ein sehr engagierter Mensch, aber selten hatte
                                                  ich das Gefühl, dass meine Hilfe genau dort ge-
                                                  braucht wird, wo ich sie eingebracht habe. Viel
Zwar kannte ich die Einrichtung des Mittags-
                                                  gelernt habe ich auch, zum Beispiel, dass ich die
tischs nur oberflächlich, eher vom Vermeiden,
                                                  Kartoffelschalen immer zu dick schneide!
die Turmstraße entlangzugehen als dass ich
                                                  Und auch jetzt, während ich dieses Journals zu-
mich mit diesem Angebot jemals ernsthaft be-
                                                  sammenstelle und die Beiträge von allen ande-
fasst hätte. Umso schöner dann, wenn man die
                                                  ren Mitstreitern lese, redigiere und zusammen-
Gelegenheit bekommt, sprichwörtlich über sei-
                                                  füge, bestätigt sich in mir das Gefühl: Der Mit-
nen eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Und
                                                  tagstisch ist eine wirklich gute Sache und greift
die habe ich genutzt, einerseits aus Neugierde,
                                                  genau an der Stelle , wo der Magen knurrt.
aber auch, damit ich mir einen authentischen
Eindruck vom Geschehen machen kann, im-
merhin muss ich ja wissen, worüber ich
                                                  Maren Schimkowiak, Helferin und Redakeurin
schreibe. Und ich sage an dieser Stelle ganz
                                                  des MT-Journals
ausdrücklich: Ich war selbst überrascht, welche

                                                                                                19
Mittagstisch - Journal                                                        Ausgabe 2020/2021

    11.         „Das Leben ist eine Prüfung“
Der Mittagstisch aus Sicht von Gästen               Was macht dich glücklich ?
Auf den letzten Seiten wurde viel darüber           Glücklich... Was ist überhaupt der Sinn des
erzählt, wie sich der Mittagstisch entwickelt –     Lebens? - Glücklich zu sein! Man muss
gerade jetzt in Hinblick auf Corona, aber auch      versuchen, das beste aus dem Leben zu
in den vergangenen Jahren etabliert hat. Nun        machen. Man muss mit allem umgehen
ist es an der Zeit, die zu fragen, für die der      können. Ob es mit Drogen ist, mit Beziehungen,
Mittagstisch eine regelmäßige Anlaufstelle ist.     ob es Schicksalsschläge sind.
Im Interview erzählen eine 49-jährige Frau und      Magst du die Menschen, die mit dir zum
eine Person, die lieber anonym bleiben              Mittagstisch gehen?
möchte, warum sie hierherkommen.
                                                    Manchmal. Wenn ich mein Bewusstsein
                                                    erweitere, kann ich mich besser in sie
Interview 1                                         hineinversetzen.

Wie geht es dir und wie fühlst du dich gerade ?     Wie kommt es dazu, dass du hier zum
Eigentlich ganz gut. Man muss sich halt mit den     Mittagstisch kommst?
Umständen abfinden. Wenn du das schaffen            Zum Beispiel um Leute wiederzusehen.
willst, müssen Körper und Geist vereint sein. Ich
war 11 Jahre lang mit meiner Frau zusammen          Wie sieht dein Alltag aus?
und wir haben uns getrennt. Man muss die            Ich stehe auf, trinke Kaffee und wenn ich fit bin,
Dinge so nehmen wie sie sind. Man muss lernen       mache ich Sport. Ansonsten habe ich eine
mit dem Leben umzugehen. Dann schafft man           Beziehung hinter mit und muss schauen, wie es
auch alles. Auch Menschen, die Drogen               weitergeht. Ja und die Wohnungssuche. Das ist
nehmen. Dabei sind die Menschen die ich kenne       sehr schwierig wenn man nicht so viel Geld hat
sind auch alle intelligent. Ich bin der Meinung,    und nicht in den Hagenweg, Maschmühlenweg
dass es in Deutschland noch immer keine             und     Kreuzbergring möchte,         Das      ist
Demokratie gibt. Wir haben die größte               Menschenunwürdig. Da sagen dir die
Waffenindustrie. Wir zahlen immer noch              Kakerlaken guten Morgen und guten Abend.
Reparationen an die Alliierten. Damit bin ich       Wie soll man denn da leben? Da traut man sich
unzufrieden. Der Euro ist für mich ein              nicht mal mehr, den Leuten die Hand zu geben.
Inflationsdollar. Wenn man z.B. die hohen           Es wird immer schlimmer hier. Sogar RTL war
Preise der Busfahrkarten in DM umrechnet. Das       schon hier. Das ist einfach eine Konsum- und
Volk wird nicht gefragt. Eine Demokratie wird       Egogesellschaft. Ich kann mich auch eigentlich
es hier niemals geben. Ich bin nicht mehr           nur noch mit den alten Leuten unterhalten.
politisch aktiv, aber ich kann in den Spiegel
                                                    Was wünscht du dir für die Zukunft und was
schauen, und sagen, ich habe etwas gemacht.
                                                    für Pläne hast du?
Ich bin auf die Straße gegangen und habe mich
                                                    Mehr Menschlichkeit. Das ist sehr wichtig
für      Menschenrechte        eingesetzt.   Die
                                                    heute. Überhaupt im Leben. Denk darüber
Technisierung (Digitalisierung) finde ich auch
                                                    nach, was du machst. Das ist schon ein
nicht gut. Wo gibt es denn so was, dass man
                                                    Pluspunkt.
sich über das Internet kennenlernt ?

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Hast du Pläne für deine Zukunft?                   es ist einfach so, dass du von der Gesellschaft
Ich lasse die Dinge auf mich zukommen, und         im Stich gelassen wirst. Auch weil es keine freie
versuche das Beste daraus zu machen. Du weißt      Meinungsäußerung gibt. In der Schweiz gibt es
ja nicht, was kommt. Du kannst ja nicht            Abstimmungen, das würde mehr helfen. Hier ist
hellsehen.                                         ja auch alles so teuer geworden...

 Hilft dir der Mittagstisch?
Ich bin ja so selten hier. Ich esse hier auch
nichts. Ich habe Zuhause genug, also überlasse
ich das Essen denen, die es brauchen.

Hast du studiert und/ oder eine Ausbildung
gemacht?
Nein. Ich denke, das Leben ist Studium genug.
Das Leben ist eine Prüfung.

Hast du wünsche, was sich in der Gesellschaft
ändern soll?
Ich wünsche mir, dass die Leute mehr
nachdenken. Es passen sich zu viele an. Früher
sind hier mehr Punks rumgelaufen. Außerdem
sollen die Menschen mehr auf die Straße gehen
wenn sie unglücklich sind, und das nicht an
anderen Menschen auslassen oder Ausländer
beschimpfen. Das geht gar nicht. Mir ist das
auch schon passiert. Ich habe neulich jemanden      Der Mittagstisch Sankt Michael: Seit dreißig
im Maschmühlenweg besucht wurde da von              Jahren eine feste Größe in Göttingens Innen-
einer schwarzen Frau beschimpft,dass ich            stadt. Foto: Maren Schimkowiak
putzen gehen soll und dass ich ein deutsches
Stück Scheiße bin, nur weil ich ein Punk bin.
Aber ich glaube nicht, dass sich da noch groß      Gibt es etwas, das du dir vom Mittagstisch
etwas verändern kann. Wenn sich nur mehr           wünscht?
Jugendliche politisieren würden. Das ist immer
                                                   Vielleicht kann es ja in der Woche auch mal
der monotone Alltag. Man geht zur Schule.
                                                   etwas Besonderes zu essen geben. Aber das
Schule Lehrer, Arbeit, Bundeswehr. Da gehen zu
                                                   kommt ja auch darauf an, wie viel gespendet
viele dran ab. Die sollten sich mit dem
                                                   wird. Ich gebe den Leuten ja auch gerne mal
Allgemeinen beschäftigen. Auch andere Leute
                                                   etwas Geld für Essen. Ich habe ja selber genug.
kennenlernen. Und das nicht übers Internet.
                                                   Aber das Essen hier finde ich gut. Vielleicht kann
 Fühlst du dich von der Gesellschaft in Stich      der Mittagstisch auch etwas länger aufhaben,
gelassen?                                          weil sich die Leute hier wohlfühlen. Hier
Sagen wir es mal so, das sind Hohlköpfe da         kommen sie ins Gespräch und letztens war hier
oben in der Politik. Es geht schon so weit, dass   sogar eine Arbeitsvermittlung. Das würde ich
Ausländer zu Ausländerfeindlichen werden. Ja,

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mir wünschen. Dass die Leute hier mehr Zeit           Ich komme hier her, um mal rauszukommen und
haben.                                                die Leute zu sehen. Wenn ich dann hier bin, esse
                                                      ich hier auch. Dann gebe ich auch gerne mal ein
                                                      paar Euro. Ich finde das gut. Manche haben gar
Interview 2
                                                      nichts.

Wie geht es dir und wie fühlst du dich?               Oder dass man hier dann noch mit ein paar
                                                      Leuten etwas zusammen macht. Es wäre toll,
Also im Moment geht es mir nicht gut. Ich bin
                                                      könnte man hier Tischtennis spielen, aber sonst
enttäuscht. Auch wie es mittlerweile in
                                                      mag ich es auch, etwas mit den anderen zu
Deutschland läuft. Das Haus in dem ich gerade
                                                      machen.
mit      meiner      Familie     wohne,      sollte
zwangsversteigert werden und wurde an                 Wie sieht dein Alltag aus?
Rumänen verkauft. Vielleicht bin ich zu primitiv,
                                                      Im Moment bin ich sehr viel auf der Suche nach
aber man kann doch nicht ein Haus mit den
                                                      einem Haus oder so. Ich stehe früh auf, trinke
Leuten die da wohnen verkaufen. Und da habe
                                                      einen Kaffee, je nachdem wie ich drauf bin, lauf
ich jetzt ziemlich viel Stress. Meine Freundin hat
                                                      ich ne Runde. Oder auch nicht. Manchmal mit
vier Kinder und es ist schwer, ein neues Zuhause
                                                      einem Joint. Das ist in letzter Zeit öfters so, weil
zu finden, das groß genug ist. Jetzt haben sie
                                                      ich so gestresst bin. Wenn das Gras legalisiert
uns auch schon die Heizung ausgemacht. So
                                                      werden würde, würde sogar der Staat dran
Kinderkram halt. Das nervt.
                                                      verdienen und die Kriminalitätsrate sinken. Es
Gibt es denn gerade Dinge, die dich glücklich         muss sich etwas ändern. Ich versuche auch, die
machen?                                               Leute zu motivieren, Sport zu machen, aber sie
                                                      halten es auch nicht aus bis abends mit den
Ja. Mein Sohn. Wenn wir zusammen rausgehen.
                                                      Drogen. Mit meiner Freundin klappt das
Da kann ich sagen, dass mich das glücklich

                                                      momentan auch nicht so. Ab und zu gehe ich
macht. Und wenn ich viel Sport mache und
                                                      auch mit den kleinen raus, koche etwas zu
Essen und so was alles. Ich habe schon immer
                                                      essen... irgendwie hänge ich im Moment ein
viel Sport gemacht. Auch trotz dass ich
                                                      bisschen durch.
gelegentlich gerne Drogen nehme.
                                                      Was wünscht du dir für die Zukunft und was
Magst du die Menschen, die mit dir zum
                                                      für Zukunftspläne hast du?
Mittagstisch gehen?
                                                      Ich will aussteigen aus diesem gesamten
Ja, naja klar. Die Drogenkonsumenten ziehen
                                                      System hier. Ich habe keinen Bock mehr auf den
sich ja gegenseitig irgendwie an. Ich mag nicht
                                                      ganzen Blödsinn. Wie man gezwungen wird, in
alle, aber im Großen und Ganzen schon.
                                                      dieses System reinzupassen. Ich habe zwei
Wie kommt es dazu, dass du hier her zum               abgeschlossene Bildungsaufträge. Auch Abitur.
Mittagstisch kommst?                                  Ich will einfach weg hier und mehr im Einklang
Also eine Zeitlang habe ich selbstständig             mit der Natur leben und mich selber versorgen.
gearbeitet und bin dann von Nürnberg in ein           Ganz weit weg. Nicht so viel Müll produzieren.
Dorf bei Göttingen gezogen. Ich lebe seit 3           Das beschäftigt mich viel. Auch die ganzen
Jahren hier. In Nürnberg habe ich 20 Jahre lang       Intrigen... am liebsten würde ich mir eine Insel
gelebt. Hier habe ich dann auch meine Freundin        kaufen. Und keinen Briefkasten haben. Es
kennengelernt.                                        würde mich glücklich machen, wenn man

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genug Geld für die Arbeit kriegen würde. Ich
arbeite gerne und gut, aber es reicht nicht.

Schämen die sich nicht, z.B. den Rentnern die 40
Jahre gearbeitet haben nur 600 Euro im Monat
zu geben? Ich habe mal gehört, dass die
Menschenwürde unantastbar ist...

Hilft dir der Mittagstisch wenn du hier bist?

Ich komme gerne hier her. Das ist schon eine
Konstante für mich.

Du hast gesagt, dass du schon zwei
Ausbildungen gemacht hast. Welche denn?

Ich war bei der Polizei. Ursprünglich komme ich
aus der Tschechei. Ich war da bei einer
Spezialeinheit, aber die haben gesagt, dass ich
zu weit in der Ausbildung war. 4 Jahre war ich
da, dann wurde ich rausgeschmissen. Maurer            Mehr als nur eine warme Mahlzeit…
und Koch war ich auch.

Wünscht du dir, dass sich in der Gesellschaft
etwas ändert, bzw., was wünscht du dir was
sich ändern soll?

Es ist schwierig für mich, mir Ziele zu setzen. Ich
kann mich nicht entscheiden.

Fühlst du dich von der Gesellschaft im Stich
gelassen ?

Nein. Ich bin ja selber Schuld. Ich bin ja auch
nicht mehr krankenversichert. Das ist alles
privat. Vor 3 Wochen habe ich gesagt, dass ich
ein Haus suche, bis zu 1000 Euro monatlich.
Aber da kommt nichts.

Wünscht du dir etwas Bestimmtes vom
Mittagstisch?

Hm. Vielleicht, dass das hier länger aufhat, aber
das ist ja ehrenamtlich hier.

                                                      … beim Mittagstisch können sich die Gäste
                                                      auch mit Schlafsäcken und Produkten des tägli-
Die Interviews führten Emma und Emmilie,              chen Gebrauchs eindecken. Das Geld hierfür
Schülerinnen    des     Hainberg-Gymnasiums           stammt aus Spenden.
Göttingen. Beide engagieren sich in ihrer
Freizeit ehrenamtlich für den Mittagstisch.

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