MITTEILUNG DER VEREINIGUNG PATRIA NOSTRA. DAS POLNISCHE GERICHT FRAGT DEN EUGH: OB DIE "POLNISCHEN LAGER" NICHT AN DEUTSCHE RICHTER ABGEGEBEN ...

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27. April 2020

Mitteilung der Vereinigung Patria Nostra.

Das polnische Gericht fragt den EuGH: - Ob die „polnischen Lager“ nicht an
deutsche Richter abgegeben werden sollten?

Welches Gericht – ob, wie bisher, das polnische oder eher das deutsche Gericht – ist berechtigt,
die Rechtssache der so genannten „polnischen Vernichtungslager“ zu prüfen? Eine solche
Vorlagefrage hat das Warschauer Berufungsgericht dem Europäischen Gerichtshof gestellt.
Das heißt, dass den Bevollmächtigten des deutschen Verlegers zum ersten Mal in der
Geschichte gelungen ist, das polnische Gericht dazu zu bewegen, einen Versuch aufzunehmen,
die gefestigte Rechtsprechungslinie in dieser Frage zu brechen. Das sind die polnischen
Gerichte, die in den Rechtsachen der „polnischen Lager” in Anlehnung an das polnische
Recht entscheiden. So haben die Berufungsgerichte in Warschau (2016 und 2019), Białystok
(2015) und Kraków (2016) trotz der Auffassung der Bevollmächtigten der deutschen Verleger
einstimmig entschieden.

Seltsamerweise wurde diese Einrede auch von deutschen Gerichten in Mainz und Koblenz
und sogar vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe in der Sache von Karol Tendera gegen ZDF
ignoriert. Das stimmt, dass der Bundesgerichtshof die Vollstreckung des Urteils des
Berufungsgerichts in Kraków verweigert hat, mit dem der ZDF-Fernsehsender verpflichtet
wurde, sich bei Karol Tendera – dem ehemaligen Häftling des Vernichtungslagers Auschwitz -
zu entschuldigen. Dem lag jedoch eine ganz andere Rechtsgrundlage zugrunde. Schockierend
ist, dass diese Rechtssache von den Bevollmächtigten der deutschen Medien vermutlich
bewusst einer Prüfung durch das polnische Oberste Gericht nicht unterzogen wurde. Sie
haben eher auf das Wohlwollen des EuGH gerechnet. Mit der Rücknahme der beim Obersten
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Gericht in der Sache von K. Tendera gegen ZDF eingelegten Kassationsbeschwerde haben sie
alle überrascht. Jetzt wissen wir auch, warum.

Wir warten jetzt, ob es „mit polnischen Händen” gelingen wird, den ehemaligen
Lagerhäftlingen den polnischen Gerichtsweg zur Gerechtigkeit zu schließen.

Rechtsbeschwerde des ehemaligen Auschwitz-Häftlings

Erinnern wir uns daran, was der Gegenstand der Rechtssache war, in der das Gericht in Luxemburg
in Beantwortung der Vorlagefrage des polnischen Gerichts entscheiden wird.

Am 15. April 2017 wurde in der deutschen Tageszeitung Mittelbayerische Zeitung ein Artikel und
darin die das Gedenken an die Häftlinge schändende Formulierung „polnisches Lager” in Bezug auf
das Vernichtungslager in Treblinka veröffentlicht. Das gesamte Zitat lautet: „die von den Nazis
im polnischen Vernichtungslager Treblinka ermordet worden war”. Diese irreführende falsche
Formulierung hat den jetzt 95-jährigen Stanisław Zalewski, den ehemaligen Häftling u.a. von
Auschwitz (Lagernummer 156569), den Vorsitzenden des Polnischen Verbands ehemaliger
politischer Häftlinge hitlerischer Gefängnisse und Konzentrationslager erschüttert.

Mit Unterstützung der Juristen der Vereinigung Patria Nostra hat er im November 2017 den
Verleger der Mittelbayerischen Zeitung verklagt, indem er ihm vorgeworfen hat, seine
Persönlichkeitsrechte – das Gefühl der nationalen Identität und der nationalen Würde verletzt zu
haben. Er verlangte die Veröffentlichung einer Entschuldigung und die Zahlung an die von ihm
geleitete Organisation des Betrages von 50 Tsd. polnischen Zloty.

Eine ähnliche Klage hat er gegen den Bayerischen Rundfunk, den Verleger von Radio B5
eingelegt.

Am 23. März 2017 wurde auf der Internetseite des bayerischen Radios B5 der Presseartikel mit dem
Titel: Stephan Lehnstaedt. Die Ermordung polnischer Juden: "Der Kern des Holocaust"
veröffentlicht. In diesem Artikel fiel die Formulierung „polnische Vernichtungslager in Belzec,
Sobibor und Treblinka”.

Rechtsbeschwerde gegen die polnische gerichtliche Zuständigkeit

In diesen beiden Rechtsachen sowie in den sonstigen Rechtsachen, die gegen deutsche Medien
eingeleitet wurden, werden deren Verleger von denselben polnischen Juristen vertreten. In den
Klageerwiderungen haben sie dem Klagebegehren widersprochen. Sie erkannten, dass sie jeglicher
rechtlicher und tatsächlicher Grundlagen entbehren. Sie verlangten vom Bezirksgericht in
Warszawa, beide Klagen ohne deren sachliche Prüfung zurückzuweisen. Die Klagen seien in
ihrer Auffassung unzulässig auf Grund der fehlenden Berechtigung der polnischen Gerichte,
solche Rechtssachen zu prüfen. Sie waren mit dem Kläger nicht einverstanden, dass in dieser
Rechtssache der Art. 7 Pkt. 2 der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates (EU) Nr.
1215/2012 vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und
Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zur Anwendung kommt.

Er sieht vor, dass die Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaates hat, in
einem anderen Mitgliedstaat der EU verklagt werden kann, wenn eine unerlaubte Handlung (zum
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Beispiel Verleumdung) vorliegt. Laut Meinung von Stanisław Zalewski ist sein Wohnort ein solcher
Ort, d.h. der Ort, an dem ihm der mit den Artikeln, die den Polen die Errichtung von
Vernichtungslagern zuschreiben, hervorgerufene Schaden zugefügt wurde.

Die Beklagten haben jedoch der Anwendung dieser Ausnahme widersprochen und behaupteten,
dass die Artikel in deutscher Sprache geschrieben und auf der deutschen Domäne veröffentlicht
worden seien. Sie seien grundsätzlich an deutsche Leser gerichtet gewesen und nur wenige
ausländische Leser hätten sich praktisch mit deren Inhalt vertraut gemacht. Darüber hinaus hätten
sich diese Aussagen nicht auf eine konkrete Person bezogen, wodurch vernünftigerweise nicht
vorhersehbar war, in welchem Land der Verleger verklagt werden könne. Dieses sei in der
Auffassung der deutschen Verlage eine der Bedingungen der Anwendung der oben angeführten
Bestimmung der Verordnung der EU. Das Bezirksgericht in Warszawa hat in den beiden
Rechtssachen dem Verlangen der Bevollmächtigten der deutschen Medien nicht stattgegeben
und die Zurückweisung beider Klagen verweigert. Das Gericht teilte den Standpunkt von
Stanisław Zalewski, dass in den Rechtssachen der Artikel 7 Pkt. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012
anwendbar ist.

Vorlagefrage

Die deutschen Medien haben nicht aufgegeben und haben beide Beschlüsse des Berufungsgerichts
in Warszawa angefochten. In der Rechtssache gegen den Bayerischen Rundfunk hat das
Berufungsgericht in Warszawa im Beschluss vom 9. September 2019 die Beschwerde der beklagten
Gesellschaft abgewiesen, nachdem es den Standpunkt des Gerichts der niedrigeren Instanz
vollumfänglich geteilt und keine Grundlagen erkannt hatte, von der bisherigen
Rechtsprechungspraxis abzuweichen.

Letztendlich wurde die Rechtssache ausgesetzt, weil dasselbe Berufungsgericht, jedoch in einer
anderen Zusammensetzung, in einer ähnlichen Rechtssache gegen die Mittelbayerische
Zeitung, seine Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Art. 7 Pkt. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012
zum Ausdruck gebracht hat. Am 30. Oktober 2019 hat sich das Gericht an den EuGH mit der
sogenannten Vorlagefrage auf Klärung der Bedeutung der vorstehend genannten Bestimmung
gewandt. Das heißt, dass bis zur Prüfung der Rechtssache durch den EuGH alle derartigen
Rechtssachen ausgesetzt werden (!).

Die Analyse der Begründung der Vorlagefrage kann auf zwei Aspekte beschränkt werden.
Erstens - in der Beurteilung dieser Richterbesetzung betrifft die Aussage über „polnische Lager”
weder unmittelbar den Kläger noch sogar Polen selbst während des II. Weltkrieges und die etwaige
Begründung des Gefühls der Benachteiligung durch eine solche, sich auf das Kollektiv beziehende
Aussage resultiert aus seinen besonderen Erfahrungen aus der historischen Zeit, die im Artikel
angesprochen wurde. Zweitens – aus den Motiven der Vorlagefrage geht hervor, dass auf einer
solchen Kriegserfahrung basierende Kriterien der Beschwerdeberechtigung in Folge der bis heute
dauernden Emigration der Polen einen unbeschränkten Kreis von in verschiedenen Ländern, nicht
nur in Polen, wohnenden Personen betreffen können.

In der Beurteilung des Berufungsgerichts können Zweifel aufkommen, ob der Verleger
„vernünftigerweise voraussehen konnte, dass er im Zusammenhang mit dem Wortlaut der
Veröffentlichung durch ein polnisches Gericht in einer Rechtssache auf Schutz der
Persönlichkeitsrechte einer konkreten natürlichen Person verklagt werden kann“.

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„Zweifelhafte Zweifel” des Berufungsgerichts, die in der Erwiderung der Juristen der
Vereinigung Patria Nostra an den EuGH am 13. März 2020 mitgeteilt wurden.

- Nicht nur polnische und deutsche Gerichte, aber auch der EuGH haben sich bereits zur
gerichtlichen Zuständigkeit in Sachen der Verletzung der Persönlichkeitsrechte mittels Internet
geäußert. Der EuGH hat erkannt, dass auf Grund des Ortes, an dem der Schaden verwirklicht wurde
(am beliebigen Ort der Welt), der Geschädigte in solchen Rechtssachen von dem Verursacher der
Verleumdung Schadenersatz vor den Gerichten jedes der Mitgliedstaaten der EU, auf deren Gebiet
die Verleumdung verfügbar war, geltend machen kann (Mosaik-Regel). Das für solche
Rechtssachen – laut EuGH – am ehesten zuständige Gericht ist das Gericht des Ortes, an dem
der Geschädigte seinen „Lebensmittelpunkt“ (oder anders „Mittelpunkt der Interessen”) hat –
betont der Rechtsanwalt Szymon Topa von der Vereinigung Patria Nostra. – Es ist daher
verwunderlich, dass das Warschauer Berufungsgericht vor der Formulierung der Vorlagefragen
seine Zweifel mit der Argumentation des EuGH aus dem Urteil vom 25. Oktober 2011, ergangen in
den verbundenen Rechtssachen C-509/09 und C -161/10, nicht konfrontiert hat. Auf dieser
Grundlage wurde das Konzept des Mittelpunkts der Interessen und der Mosaik-Regel formuliert.

So war auch die gefestigte Rechtssprechungspraxis aller polnischen Gerichte, welche die
Klagen ehemaliger Häftlinge deutscher Konzentrationslager geprüft haben. Dazu gehören
Klagen, die in Warszawa (gegen die Verleger Die Welt und Bayerischer Rundfunk), in Olsztyn
(gegen den Verleger des Portals focusonline.de) und in Kraków (Klage gegen ZDF) entschieden
wurden. In keiner dieser Rechtssachen wurde die Frage der polnischen Gerichtszuständigkeit
von den deutschen Beklagten wirksam angefochten.

Zudem wurden solche Zweifel nicht einmal von deutschen Gerichten geäußert – von dem
Landgericht in Mainz, Oberlandesgericht in Koblenz und sogar dem Bundesgerichtshof in
Karlsruhe.

- Die polnische Rechtsprechungslinie wurde auch von dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte in Straßburg im Urteil vom 10. Oktober 2019 bestätigt – führt der Rechtsanwalt
Szymon Topa von der Vereinigung Patria Nostra aus. – In der Rechtsprechung des EGMR wird
auch die Verpflichtung gewürdigt, dass der Staat jedem einzelnen im Rahmen seines Rechts auf
Privatsphäre auch den Schutz vor beleidigenden und verleumdenden Aussagen, die nicht
unmittelbar eine konkrete Person, sondern eine Personengruppe betreffen, garantiert, wenn der Grad
der negativen Wirkung einer solchen Aussage gleichzeitig das Identitätsgefühl und Wertgefühl der
Mitglieder dieser Gruppe verletzt. So hat der EGMR in der Rechtssache LEWIT v. AUSTRIA,
Application no. 4782/18 erkannt. In dem Urteil vom 10. Oktober 2019 hat der Gerichtshof
entschieden, dass Österreich dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, indem es die Einleitung
eines Verfahrens auf Antrag eines ehemaligen Häftlings des Konzentrationslagers Mauthausen
gegen einen Verleger, der einen Artikel veröffentlicht hat, in dem angedeutet wurde, dass die
Häftlinge dieses Lagers Verbrecher und keine Opfer der deutschen Besetzung waren, verweigert hat.
Der EGMR hat erkannt, dass obwohl in dem Artikel weder der Vor- noch der Nachname des
Klägers genannt wurden, er sich auf Grund seiner Vergangenheit und Erfahrung in Folge der
falsche Informationen über die Personengruppe, deren Mitglied er war, verbreitenden
Veröffentlichung gedemütigt fühlen konnte.

Leider kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die polnischen Richter mit der
Formulierung der Vorlagefragen diesmal vor der Last des Anspruchs kapituliert haben,
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indem sie den Versuch unternommen haben, die Rechtssache an die deutsche Gerichtsbarkeit
abzugeben.

- Karol Tendera, der am 1. Oktober vergangenen Jahres verstorben ist, hat oft gesagt, dass er ein
gerechtes Urteil noch erleben möchte. Leider ist es nicht gelungen. Seine Rechtssache ist im
deutschen Verfassungsgericht stecken geblieben. Wird der 95-jährige Stanisław Zalewski die
Gerechtigkeit erwarten können, dem das Warschauer Berufungsgericht die „luxemburgische
Instanz ” beschert hat? – fragt sich der Rechtsanwalt Lech Obara, Vorsitzender der Vereinigung
Patria Nostra.

Die Klage wurde vor drei Jahren erhoben. Wenn der Prozess noch weitere zwei Jahre dauert, kann
es sein, dass Stanisław Zalewski die Gerechtigkeit nicht mehr erleben wird.

- Die an den EuGH durch das Warschauer Berufungsgericht gerichteten Vorlagefragen wurden
eifrig von der Europäischen Kommission genutzt – sagt Stanisław Zalewski, der ehemalige Häftling
von Auschwitz. Sie hat die Prüfung der an Vera Jourova gerichteten Petition verweigert. Die
Vereinigung Patria Nostra und der Verband ehemaliger Häftlinge der Konzentrationslager wollten,
dass sich die Europäische Kommission und ihre stellvertretende Vorsitzende mit der
ordnungsgemäßen Vollstreckung des rechtskräftigen Urteils des polnischen Gerichts auf dem Gebiet
Deutschlands in der Rechtssache Tendera – ZDF befassen. Währenddessen hat sich die Europäische
Kommission in ihrer ablehnenden Antwort, unter Bezugnahme auf vorliegende Zweifel, gerade
auf … die Vorlagefragen des Berufungsgerichts berufen.

Rechtsanwalt Lech Obara, Vorsitzender der Vereinigung Patria Nostra
Stanisław Zalewski, Vorsitzender des Polnischen Verbands ehemaliger                 Häftlinge    der
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