BETRIEBLICHES EIN-GLIEDERUNGSMANAGEMENT - MITBESTIMMUNGSPRAXIS Ein Handlungsleitfaden, 3. erweiterte und überarbeitete Auflage, 2018

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MITBESTIMMUNGSPRAXIS
Nr. 12 · März 2018

BETRIEBLICHES EIN-
GLIEDERUNGSMANAGEMENT
Ein Handlungsleitfaden, 3. erweiterte und überarbeitete Auflage, 2018
Cornelia Danigel
AUTORIN                                                                                                       WEITERE TITEL UNTER

                        Cornelia Danigel                                                                      www.boeckler.de/62346.htm
                        Diplom-Pädagogin, Leiterin des Kompetenzzentrums
                        Gesundheit und Arbeit beim DGB Bildungswerk BUND

                                                                                                              MITBESTIMMUNGSPORTAL

                                                                                                              Der Böckler-Infoservice bietet Mit-
                                                                                                              bestimmungsakteuren spezifisches
                                                                                                              Handlungs- und Orientierungs-
                                                                                                              wissen, u. a. Branchenmonitore,
                                                                                                              Themenradar, Wissen kompakt,
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                        Dieser Leitfaden entstand unter Zuhilfenahme der
                        Erkenntnisse aus dem Projekt RE-BEM unter Leitung
                        von Christine Zumbeck.
                                                                                                              PRAXISWISSEN
                                                                                                              BETRIEBSVEREINBARUNGEN

                                                                                                              Analysen und Gestaltungshilfen,
                                                                                                              Beispiele aus der Praxis.
                                                                                                              www.boeckler.de/betriebsverein-
                                                                                                              barungen

                        Die Erstauflagen des Leitfadens entstanden unter Beteili-
                        gung von Marianne Giesert und Dr. Adelheid Weßling.

IMPRESSUM

                        Herausgeber                                                 Kontakt und Redaktion
                        Hans-Böckler-Stiftung                                       Sandra Mierich, Angela Siebertz, Praxiswissen Betriebsvereinbarungen
                                                                                    Hans-Böckler-Stiftung
                        Hans-Böckler-Straße 39, 40476 Düsseldorf
                                                                                    Tel.: +49 (2 11) 77 78-587
                        Telefon +49 (2 11) 77 78-0, Telefax +49 (2 11) 77 78-12 0
                                                                                    betriebsvereinbarung@boeckler.de
                        www.boeckler.de
                        www.mitbestimmung.de                                        Ausgabe
                        Pressekontakt: Rainer Jung, +49 (2 11) 77 78-150            Mitbestimmungspraxis Nr. 12
                        rainer-jung@boeckler.de                                     ISSN 2366-0449
                        Satz: Yuko Stier                                            Nachdruck und sonstige Verbreitung – auch Auszugsweise –
                                                                                    nur mit Quellenangabe zulässig.

Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 2
MITBESTIMMUNGSPRAXIS
Nr. 12 · März 2018

BETRIEBLICHES EIN-
GLIEDERUNGSMANAGEMENT

ABSTRACT
Das Vertrauen der Beschäftigten in das BEM ist Dreh- und Angelpunkt eines funktionierenden BEM. Eine
Betriebs-/Dienstvereinbarung fördert dieses Vertrauen und stützt die BEM-Struktur. Der überarbeitete Hand-
lungsleitfaden basiert auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Optimierung des BEM im Betrieb.
Er unterstützt die Interessenvertretungen mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung beim BEM-Aufbau. Textbau-
steine aus Betriebsvereinbarungen ermöglichen es, die eigene Vereinbarung so zu gestalten, dass neben den
erforderliches Essentials betriebliche Eigenheiten Berücksichtigung finden können. Rechtliche Grundlagen,
FAQs und Musterschreiben runden das Paket ab.

                                                                                         Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 3
INHALT
                        Vorwort........................................................................................................................ 5

                        1   Grundlagen zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement................................ 6
                        1.1 Rechtliche Grundlagen.....................................................................................................6
                        1.2 Auslösekriterien................................................................................................................ 7

                        2     BEM im Rahmen eines betrieblichen Projekts einführen...................................... 8

                        3     Betriebliche Rahmenbedingungen:
                               BEM als Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagements................................. 11
                              1. Orientierungsphase......................................................................................................11
                              2. Feststellung der Arbeitsunfähigkeit von mehr als 6 Wochen
                                  zusammenhängend oder über ein Jahr verteilt......................................................... 14
                              3. Kontaktaufnahme zu den BEM-Berechtigten............................................................. 16
                              4. Erstgespräch führen................................................................................................... 18
                              5. A
                                   nalyse des Arbeitsplatzes, Einbeziehung der Gefährdungsbeurteilung
                                  aus Analysen und Begehungen.................................................................................. 21
                              6. Fähigkeiten der BEM-Berechtigten erfassen und mit den Anforderungen
                                  des Arbeitsplatzes abgleichen...................................................................................23
                              7. E ntwicklung und Durchführung von Maßnahmen zur
                                  Eingliederung am Arbeitsplatz..................................................................................... 25
                               8. Wirksamkeitsüberprüfung, Evaluation und Dokumentation.....................................28

                        4     Was sagt das Recht zum BEM?............................................................................ 31

                        5     FAQs zum BEM.................................................................................................... 33

                        6     Literaturtipps, Linkliste, Netzwerke und Kontaktadressen ............................... 36

                        7     Anhang................................................................................................................ 38
                        A     Erstanschreiben..............................................................................................................38
                        B     Gesprächsleitfaden ........................................................................................................40
                        C     Verpflichtungserklärung über die Wahrung des Datenschutzes (Art. 29 EU-DSGVO)... 42
                        D     Dokumentationsunterlagen............................................................................................43

Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 4
VORWORT
Für Beschäftigte ist eine schwere, häufig wiederkeh-    maßnahmen auf die Kompetenz der Interessenvertre-
rende oder auch länger dauernde Krankheit immer ein     tungen.
tiefer Einschnitt im Leben. Hinzu kommt die Angst,         Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen zum betrieb-
durch Fehlzeiten den Arbeitsplatz zu verlieren. Diese   lichen Eingliederungsmanagement abzuschließen, ist
Angst ist vielfach nicht unberechtigt, denn krank-      jedoch nicht immer ganz einfach. Das zeigt die Tatsa-
heitsbedingte Kündigungen werden in einer Reihe         che, dass es mehrere Jahre nach Einführung des Ge-
von Unternehmen noch immer als Ausweg genutzt.          setzes noch kein flächendeckendes Eingliederungs-
Und das obwohl häufige Fehlzeiten ein wirtschaftli-     management in den Unternehmen gibt.
cher Nachteil für die Unternehmen sind.                    Dieser Handlungsleitfaden erleichtert die Aufga-
   Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber im        be. Er bietet zunächst eine Übersicht der rechtlichen
Jahr 2004 auf Betreiben der DGB-Gewerkschaften          Grundlagen und eine Schritt-für-Schritt Anleitung zur
das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM)         Durchführung des BEM einschließlich diverser Mus-
im § 84 Abs. 2 SGB IX eingeführt.                       terschriftstücke. Eine Besonderheit zu vielen ande-
   Das BEM soll als präventive Maßnahme krankheits-     ren Handlungsanleitungen ist, dass für die einzelnen
bedingten Kündigungen vorbeugen sowie Fehlzeiten        Bausteine des BEM gute Beispiele aus Betriebs-und
reduzieren. Es ist deshalb ein besonderes Instrument,   Dienstvereinbarungen zur Verfügung gestellt werden.
da die Beteiligung der Beschäftigten freiwillig ist.    Diese unterstützen bei der Findung einer optimalen
Ohne die Zustimmung der Beschäftigten gibt es kein      Vereinbarung im Betrieb.
BEM. Doch wie genau der Wiedereingliederungs-              Euer Einsatz für die Umsetzung des BEM ist ein
prozess gestaltet werden soll, lässt der Gesetzestext   wichtiger Baustein, um die Gesundheit der Beschäf-
bewusst offen, um betriebsgerechte Lösungen zu er-      tigten zu schützen und dem Verlust des Arbeitsplat-
möglichen.                                              zes vorzubeugen.
   Ziel der Gewerkschaften ist es, dass alle Beschäf-      Deshalb wünsche ich Euch viel Kraft und gutes
tigten vom betrieblichen Eingliederungsmanagement       Gelingen!
im Rahmen eines umfassenden Präventions- und Ge-
sundheitsmanagements im Unternehmen profitieren                                    Eure Annelie Buntenbach
können. Die Gewerkschaften setzen bei der Durchset-                        Mitglied des Geschäftsführenden
zung des rechtlichen Anspruchs auf Eingliederungs-                               Bundesvorstandes des DGB

                                                                                           Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 5
1 GRUNDLAGEN ZUM BETRIEBLICHEN                            einflossen (Ergebnisse der Studie unter www.re-bem.
                                                                                  de). Faktoren wie eine verbesserte Öffentlichkeitsar-
                          EINGLIEDERUNGSMANAGEMENT
                                                                                  beit, die Sicherstellung des Datenschutzes und auch
                        Die Bedeutung der Prävention hat in den letzten Jah-      die Abschaffung von Krankenrückkehrgesprächen
                        ren zugenommen. Präventionsmaßnahmen im Rah-              können die Vertrauensbasis festigen und somit die
                        men von betrieblicher Gesundheitsförderung sind           notwendigen Voraussetzungen für ein Gelingen des
                        daher in zahlreichen Betrieben zu zentralen Bestand-      Prozesses schaffen.
                        teilen einer gezielten betrieblichen Gesundheitspolitik
                        geworden. Hintergrund dafür ist eine sich ständig
                        verändernde Arbeitswelt mit immer höher werdenden         1.1   Rechtliche Grundlagen
                        Anforderungen an die Beschäftigten. Zunehmende
                        Arbeitsverdichtung, der demografische Wandel und          Das Betriebliche Eingliederungsmanagement gibt
                        auch (Fehl-)Belastungen, die im Zuge der Digitalisie-     den betrieblichen Interessenvertretungen zusätzliche
                        rung auftreten, wirken sich auf die Gesundheit der        Handlungsmöglichkeiten. Es ist seit 2004 in § 84
                        Beschäftigten aus und tragen wesentlich zum Entste-       Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (lX) ge-
                        hen chronischer Erkrankungen bei.                         regelt. Gemäß der Neuregelung aus dem Bundesteil-
                            Die betrieblichen Interessenvertretungen sind hier    habegesetz (BTHG) wird es ab 2018 in § 167 Abs. 2 SGB
                        gefordert, sich in die Handlungsfelder des Betriebli-     lX zu finden sein. Nachfolgend werden die Grundlagen
                        chen Gesundheitsmanagements (BGM) einzubringen            des BEM, so wie sie das Gesetz vorsieht, kurz vorge-
                        und Strategien für gute und gesunde Arbeit im Sinne       stellt. Die aktuellen Rechtsentwicklungen rund um
                        der Beschäftigten auf den Weg zu bringen. Hierzu ge-      das BEM werden in Kapitel 4 erläutert.
                        hört auch, dass die Arbeitsplätze auf der Grundlage
                        der Arbeitsschutzgesetzgebung nicht nur nach ergo-        Zeitpunkt des Betrieblichen
                        nomischen Prinzipien gestaltet, sondern auch nach         Eingliederungsmanagements
                        physischen wie psychischen Belastungen beurteilt          Die Vorschrift zum BEM gilt für alle Beschäftigten, die
                        werden. So können Gefährdungen erfasst, beseitigt         innerhalb eines Jahres (berechnet 12 Monate rück-
                        bzw. gemindert werden. Damit die Beschäftigten            wirkend ab dem letzten Krankheitszeitraum) unun-
                        trotz allem weiterhin qualitativ gut und gesund ihre      terbrochen oder wiederholt länger als sechs Wochen
                        Arbeit verrichten können, müssen unterstützende           arbeitsunfähig sind. Es spielt dabei keine Rolle, auf
                        Maßnahmen vom Betrieb entwickelt und kontinuier-          welcher Ursache die Arbeitsunfähigkeit beruht.
                        lich durchgeführt werden.
                            Das BEM bietet in diesem Zusammenhang eine            Verpflichtung des Arbeitgebers
                        systematische Auswertung der betrieblichen Ge-            Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein BEM durchzufüh-
                        sundheitsgefährdungen        und    „krankmachenden“      ren. Dabei muss er, auch wenn das BEM im Schwer-
                        innerbetrieblichen Faktoren einschließlich des Füh-       behindertenrecht des SGB lX verankert ist, alle Be-
                        rungsverhaltens von Vorgesetzten, um Initiativen zur      schäftigten berücksichtigen, nicht nur schwerbehin-
                        gesundheitsfördernden Verbesserung der Arbeitsbe-         derte, gleichgestellte und von Behinderung bedrohte.
                        dingungen zu ergreifen. Insgesamt ist es Teil eines       Auch z. B. Teilzeit- oder befristet Beschäftigte, Auszu-
                        umfassenden Gesundheitsmanagements für alle Be-           bildende oder Prokuristen haben Anspruch auf BEM.
                        schäftigten.                                              Leiharbeitnehmer haben einen Anspruch gegenüber
                            Das BEM soll durch den erweiterten Präventions-       ihrem Verleih-Arbeitgeber.
                        ansatz ein Ansteigen von chronischen Erkrankungen
                        und Behinderungen vermeiden. Diese stellen gerade         Gibt es ein verbindliches Konzept für das BEM?
                        für ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ein         Nein, es gibt kein verbindliches Konzept. Es gibt viele
                        besonderes Risiko dar, da Langzeiterkrankungen viel-      Wege, ein BEM im Betrieb zu installieren. Der Gesetz-
                        fach aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen zur        geber hat das BEM als „organisierten Suchprozess“
                        Arbeitslosigkeit führen.                                  vorgesehen, um es auf den jeweiligen Betrieb passge-
                            Im Mittelpunkt des BEM stehen die BEM-Berech-         nau ausgestalten zu können. Es gilt für alle Betriebe,
                        tigten: Sie benötigen in schwierigen Lebenslagen die      unabhängig von der Betriebsgröße oder Branche.
                        nötige Aufmerksamkeit, eine gezielte Unterstützung
                        bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz und eine Per-        Ziele des BEM
                        spektive, wie das Berufsleben nach bzw. mit der Er-       Das BEM dient folgenden Zielen, die sich in seiner be-
                        krankung weitergehen kann, ohne dass das Arbeits-         trieblichen Ausgestaltung wiederfinden müssen:
                        verhältnis gefährdet wird. Ein entscheidender Faktor
                        sind Maßnahmen, die den Beschäftigten ein gesun-          – Die ursprüngliche krankheitsbedingte Gefährdung
                        des Vertrauen in die Zielrichtung des Verfahrens ge-        des Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses soll
                        ben.                                                        beseitigt bzw. gemindert werden.
                            Zu diesem Ergebnis kam die empirische Studie des      – Die Gesundheit soll erhalten und gefördert
                        Projektes „Unterstützende Ressourcen für das Betrieb-       werden.
                        liche Eingliederungsmanagement“, kurz „RE-BEM“,           – Die Arbeitsunfähigkeit soll möglichst überwunden
                        dessen Ergebnisse in diesen Handlungsleitfaden              werden.

Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 6
– Einer erneuten Arbeitsunfähigkeit soll vorgebeugt        mit diesen Daten rechtskonform umzugehen ist. Die-
  und                                                      se Regelung ist dem BEM-Berechtigten mitzuteilen.
– der Arbeitsplatz des Betroffenen erhalten werden.        Durch das Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundver-
                                                           ordnung (EU-DSGVO) im Mai 2018, wird die Samm-
Die Umsetzung dieser Ziele soll im Dialog mit allen        lung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten neu
am Prozess beteiligten Akteuren erfolgen.                  geregelt. Mit dem neuen Bundesdatenschutzgesetz
                                                           (BDSG) wird die EU-DSGVO in nationales Recht umge-
Beteiligung der betrieblichen                              setzt. In Kap. 4 findet sich ein kleiner Ausblick auf die
Interessenvertretung                                       relevanten Änderungen.
Der Arbeitgeber muss die betriebliche Interessenver-
tretung bei der Erörterung der Maßnahmen zur Zieler-       Zustimmung des BEM-Berechtigten
reichung einschalten – unabhängig von der Zustim-          Wichtig ist die freiwillige Zustimmung und aktive Be-
mung und Beteiligung der bzw. des Betroffenen (zur         teiligung der betroffenen Person, ohne die das Ein-
Mitwirkung der Interessenvertretungen vgl. Kap. 4).        gliederungsmanagement nicht durchgeführt werden
                                                           darf und kann. Eine rechtswirksame Zustimmung
Beteiligung weiterer interner und / oder externer          oder Ablehnung kann aber nur erteilt werden, wenn
Unterstützer                                               vor der Entscheidung des BEM-Berechtigten über Zu-
Sofern es sich im BEM-Verfahren als sinnvoll heraus-       stimmung oder Ablehnung eine umfassende Aufklä-
stellt, sind weitere Unterstützer in den Prozess einzu-    rung erfolgt ist: über die angestrebten Ziele im BEM-
beziehen. Im Gesetz namentlich genannt sind Be-            Prozess und den vorgesehenen Schutz der persönli-
triebsärzte und die Träger der Rehabilitation, die fach-   chen Daten.
liche und im Einzelfall auch finanzielle Unterstützung
leisten können, wenn dies als erforderlich angesehen
wird.                                                      1.2   Auslösekriterien

Das BEM-Team                                               6-Wochen-Frist
Wichtige Akteure im BEM sind Betriebs- und Perso-          In die Berechnung der 6-Wochen-Frist als Auslöser
nalräte sowie die Schwerbehindertenvertretungen.           des BEM fließen alle Zeiten der Arbeitsunfähigkeit
In der Verantwortung steht der Arbeitgeber. Er kann        ein, einschließlich Kuren und Reha-Zeiten. In der Be-
innerbetrieblich eine Einzelperson mit der Durch-          rechnungspraxis taucht jedoch insbesondere bei der
führung des BEM beauftragen (z. B. BEM-Beauftrag-          Addition der Kurzzeiterkrankungen die Frage auf: Wie
te / Disability Manager), bleibt aber für den gesamten     sind arbeitsfreie Tage zu berücksichtigen, z. B. wenn
Ablauf des BEM-Prozesses verantwortlich.                   in Teilzeit gearbeitet wird oder anderweitig arbeits-
    In größeren Unternehmen wird in der Regel ein          freie Tage (Kurzarbeit, Überstundenabbau etc.) die
BEM-Team gebildet, das aus dem Arbeitgeber (oder           Arbeitswoche verkürzen? Wie soll man vorgehen: Die
seinem Beauftragten), dem Betriebs- / Personalrat          freien Tage mitzählen? Oder außen vor lassen? Eine
und der Schwerbehindertenvertretung besteht. Hin-          gangbare Lösung wird im juristischen Schrifttum de-
zugezogen werden können weitere innerbetriebliche          zidiert ausgeführt, die Grundlage der nachfolgenden
Akteure wie der Betriebsarzt oder auch die Fach-           Ausführungen ist (vgl. Schian et al 2005).
kraft für Arbeitssicherheit. Das BEM-Team begleitet           Grundsätzlich ist bei der Berechnung auf die In-
den gesamten BEM-Prozess, steuert und koordiniert          tention des BEM abzustellen, ein Frühwarnsystem
die verabredeten Maßnahmen. Wichtig ist in diesem          einzurichten, das präventive Maßnahmen einer Ge-
Zusammenhang, dass dieses Team auch Entschei-              fährdung des Arbeitsplatzes vorzieht. Das heißt: Im
dungsbefugnisse hat und Maßnahmen im Einzelver-            Zweifel ist es sinnvoll, die Erreichung der 6-Wochen-
fahren schnell und unbürokratisch im Sinne der Be-         Frist eher früher als später anzunehmen, wonach die
schäftigten umsetzen kann.                                 arbeitsfreien Zeiten bei der Berechnung berücksich-
    Das BEM ist ein Kooperationsprozess zwischen           tigt werden sollten. Aber es gilt auch: Der Arbeitge-
allen Beteiligten. Von daher sollten sich alle Akteure     ber muss, um seiner BEM-Verpflichtung gerecht zu
des BEM-Teams vorab über die Ziele und Grundsätze          werden, nur die ihm bekannten Zeiten der Arbeits-
zur Zusammenarbeit im BEM-Prozess verständigen             unfähigkeit zugrunde legen. Wenn eine Arbeitsunfä-
und sich vor der Einführung auf ein grundsätzliches        higkeitsbescheinigung an einem Mittwoch endet, ist
Verfahren einigen. Hilfreich ist hierfür der Abschluss     der Arbeitgeber demnach nicht verpflichtet, auch die
einer Betriebsvereinbarung, die den Ablauf und die         nachfolgenden Tage in die Fristberechnung einzube-
Verantwortlichkeiten klar benennt.                         ziehen.
                                                              Ein Beispiel: Ein Beschäftigter ist bei einer Wo-
Verpflichtung auf den Datenschutz                          chenarbeitszeit von 3 Tagen (Dienstag bis Donners-
Im BEM-Prozess kommt es zur Sammlung und Ver-              tag) einmal drei Wochen durchgehend, einmal 4 Tage
arbeitung persönlicher Gesundheitsdaten des BEM-           innerhalb einer Woche (Montag bis Donnerstag) und
Berechtigten. Es ist deshalb unabdingbar und auch          zweimal 2 Arbeitstage (Dienstag / Mittwoch bzw.
in § 84 Abs. 2 SGB lX als Voraussetzung für ein BEM        Mittwoch / Donnerstag) arbeitsunfähig gemeldet.
festgelegt, dass eine Regelung getroffen wird, wie         Zwei Alternativberechnungen:

                                                                                                 Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 7
1 BEM-freundliche Berechnung:                             Regelungsbausteine einer Betriebs- bzw. Dienstver-
                            Die durchgehende Erkrankung wird mit 3 Wo-              einbarung zum BEM bieten die Auszüge einzelner Ver-
                            chen in die Frist eingerechnet. Die 4-tägige Er-        einbarungen in diesem Leitfaden.
                            krankung wird als weitere Woche angerechnet.
                            Dagegen ist die Erkrankung Dienstag / Mittwoch
                            nur mit 2 Arbeitstagen einzubeziehen und die                      WICHTIG
                            letzte Erkrankung mit 3 Arbeitstagen, sofern der
                            Arzt nicht ausdrücklich nur eine Bescheinigung
                            bis Donnerstag erstellt hat. Es verbliebe eine Ar-      Der Arbeitgeber und auch die betriebliche Interessen-
                            beitswoche bis zur Auslöseschwelle.                     vertretung müssen hinter dem BEM stehen und sich im
                          2 Die Berechnung nach Mindestzeiten:                      Vorfeld darauf verständigen, dass sie den Prozess im
                            Die durchgehende Erkrankung wird mit 15 Tagen           Sinne der Beschäftigten und dann auch mit allen Kon-
                            angenommen, die 4-tägige Erkrankung mit wei-            sequenzen umsetzen wollen. Hier geht es nicht nur um
                            teren 4 Tagen und die 2-tägigen Erkrankungen            die rein formale Umsetzung des Prozesses, sondern vor
                            ebenfalls mit jeweils 2 Tagen. Dies ergibt ins-         allem um seine inhaltliche Ausrichtung: Das BEM ist
                            gesamt eine Dauer von 23 Tagen, es verbleiben           ein Präventionsinstrument, das dazu dient, Arbeitsun-
                            noch 7 Tage Arbeitsunfähigkeit (AU), bevor die          fähigkeit zu überwinden und dem Entstehen erneuter
                            Auslöseschwelle erreicht ist.                           Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen. Die Mittel und Maß-
                                                                                    nahmen, die hierfür in Betracht kommen, sind immer be-
                        Zeitpunkt des BEM-Angebots                                  darfsorientiert und sollen dazu beitragen, dass die BEM-
                        Das BEM ist kein Krankenrückkehrgespräch. Das be-           Berechtigten wieder ins Arbeitsleben und möglichst an
                        deutet: Das BEM setzt bereits früher an als das Kran-       ihrem alten Arbeitsplatz integriert werden.
                        kenrückkehrgespräch und zwar am besten nach Ab-
                        klingen der Akuterkrankung. Erforderlich ist in jedem       Das betriebliche BEM-Projekt kann beispielsweise
                        Fall eine zugewandte Ansprache der bzw. des BEM-            vom Arbeitsschutzausschuss (ASA) angestoßen wer-
                        Berechtigten, um keine unnötigen Ängste auszulösen.         den, auf dessen Tagesordnung sich immer eine Be-
                           Bei längerfristigen Erkrankungen ist in den meisten      richterstattung zum BEM wiederfinden sollte. Hier
                        Fällen ein durchgehender Kontakt ratsam. So kann            geht es nicht um die Besprechung von Einzelfällen,
                        am besten eingeschätzt werden, wann realistisch             sondern um eine regelmäßige, allgemeine Berichter-
                        über die Zukunft im Betrieb nachgedacht werden              stattung zum Umsetzungsstand des BEM im Unter-
                        kann. Es gilt, so früh wie möglich ein Erstgespräch zu      nehmen. Dies bietet unter anderem den Vorteil, dass
                        führen (vgl. Kap. 3 / Schritt 3). Dann bleibt ausreichend   die Arbeitsschutzexperten im ASA die Arbeitsplätze
                        Zeit, die möglicherweise erforderlichen Maßnahmen           von BEM-Berechtigten auch im Rahmen der Gefähr-
                        vor Rückkehr aus der Erkrankung durchzuführen oder          dungsbeurteilung näher unter die Lupe nehmen kön-
                        zumindest einzuleiten.                                      nen, um so Entlastungsmaßnahmen zu schaffen.
                                                                                       In Projekten werden in der Regel einmalige Vorha-
                                                                                    ben bearbeitet oder solche, die von den klassischen
                                                                                    betrieblichen Routinearbeiten abweichen. Sie sind
                                                                                    in gewissem Maße komplex und verfolgen eine Ziel-
                        2 BEM IM RAHMEN EINES                                       setzung bei klar definiertem Start- und Endzeitpunkt.
                                                                                    Projekte erfordern eine eigene Organisationsform
                          BETRIEBLICHEN PROJEKTS
                                                                                    wie beispielsweise eine Arbeitsgruppe oder einen
                          EINFÜHREN                                                 Arbeitskreis. Sie beziehen mehrere Beteiligte in die
                                                                                    Organisation ein und benötigen bestimmte Ressour-
                        Für die Einführung eines BEM gibt es kein allgemein-        cen, die es ermöglichen, das Ziel zu erreichen. Zur
                        gültiges Verfahren, das an dieser Stelle empfohlen          Einführung des BEM empfiehlt sich daher die Grün-
                        werden könnte. Die Einführungsstrategie unterschei-         dung einer BEM-Arbeitsgruppe, die eine koordinieren-
                        det sich je nach betrieblicher Ausgangssituation wie        de Rolle einnimmt und als sogenannter „Kümmerer“
                        z. B. Betriebsgröße, Branche oder Unterstützungs-           für die Umsetzung des Projektes und seiner einzelnen
                        möglichkeiten vor Ort. Grundsätzlich empfiehlt sich         Phasen zuständig ist. Hierfür sollte im Vorfeld des
                        – auch nach den Ergebnissen des RE-BEM-Projekts –           Projektstarts mit dem Arbeitgeber geklärt werden,
                        eine strukturierte Einführung, um dem BEM-Prozess           welche Akteure konkret für die Umsetzung des BEM
                        Stabilität und Verlässlichkeit zu verleihen.                zuständig sind.
                            Bereits vor Einführung des BEM sollte überlegt             Projekte verlaufen üblicherweise in verschiedenen
                        werden: Ist die notwendige Struktur für das Verfah-         Phasen, die während des definierten Projektzeitraums
                        ren mit dem Abschluss einer Betriebs- / Dienstver-          durchlaufen werden (Vgl. Abbildung 1).
                        einbarung gegeben? Können für alle Prozessschritte             Im ersten Schritt erfolgt die Definition der Ziele,
                        die verantwortlichen Akteure und Zuständigkeiten            die mit dem Projekt erreicht werden sollen. Diese
                        benannt werden? In einer betrieblichen Vereinbarung         Ziele sollten spezifisch formuliert, messbar, attraktiv,
                        können einzelne Aktivitäten klar formuliert und Ziele       realistisch und terminiert sein (SMART-Methode). Die
                        konkret benannt werden. Einen Einblick in mögliche          Umsetzung des BEM in den fest definierten Schritten

Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 8
der Prozesskette kann beispielsweise ein Ziel sein,     ständigen, die benötigt werden um die gesteckten
das die genannten Kriterien erfüllt.                    Ziele zu erreichen. Flankierend dazu empfiehlt sich
   In der anschließenden Planungsphase sollte sich      die Erstellung eines Zeitplans, der die einzelnen Ar-
die BEM-Arbeitsgruppe auf die Arbeitsschritte ver-      beitsschritte terminiert.
                                                           Für die nachfolgende Durchführungsphase sind die
                                                        verantwortlichen Akteure zu benennen. So werden
                                          Abbildung 1   Zuständigkeiten im BEM-Prozess von vorneherein klar
                                                        festgelegt: Wer erfasst AU-Zeiten? Wer versendet die
Phasen der Projektarbeit                                Anschreiben? Welche Gesprächspartner stehen zur
                                                        Verfügung? Wie erfolgt die Terminkoordination? Gibt
                                                        es ein BEM-Team? Wer ist Teil dieses BEM-Teams?
                                IDEE                       Darüber hinaus sollte eine Entscheidung über die
                                                        erforderlichen Ressourcen getroffen werden: perso-
                                                        nelle, organisatorische und auch finanzielle Ressour-
                                                        cen, die für die Einführung des BEM benötigt werden.
                                                        Im Anschluss ist ein Startpunkt festzulegen, an dem
                                                        die operative Fallarbeit beginnt und die geplanten
                                ZIELE                   Schritte in der Durchführungsphase umgesetzt wer-
                                                        den. Hier ist es wichtig, dass sich die BEM-Arbeits-
                                                        gruppe über den Startpunkt hinaus über die ersten
                                                        Erfahrungen austauscht und regelmäßig Bilanz zieht
                                                        hinsichtlich der Stärken und Schwächen des Verfah-
                              PLANUNG                   rens.
                                                           In der letzten Phase sollte der Prozess bewertet
                                                        werden, idealerweise anhand folgender Fragen: Wur-
                                                        den die Ziele erreicht? Welche Schritte haben sich
                                                        im Prozess bewährt? Welche nicht? Gibt es Verän-
                         DURCHFÜHRUNG                   derungsbedarf? Was lief anders als ursprünglich ge-
                                                        plant? Wo gab es Schwierigkeiten und wie wurden
                                                        diese gelöst? Im Anschluss sollten die notwendigen
                                                        Veränderungsmaßnahmen am BEM-Prozess disku-
                                                        tiert und in die Prozesskette überführt werden.
                                                           Sobald das Verfahren aus der Projektphase her-
                              BEWERTUNG
                                                        austritt gilt es zu prüfen, ob weitere personelle und
                                                        fachliche Verknüpfungen mit bereits bestehenden
                                                        betrieblichen (Gesundheitsmanagement-)Strukturen
                                                        erforderlich sind. So passt sich das BEM-Verfahren in
Quelle: Eigene Darstellung.
                                                        den Betriebsalltag ein.

                                                                                           Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 9
Abbildung 2

Betriebliche Rahmenbedingungen
BEM als Teil des Betrieblichen Gesundheitsmanagement

                                BETRIEBLICHES GESUNDHEITSMANAGEMENT

         ARBEITS- UND
      GESUNDHEITSSCHUTZ                                                                         BETRIEBLICHE
                                                                  BEM                           GESUNDHEITS-
      – D
         urchführung der ganzheitli-
        chen Gefährdungsbeurteilung
                                                                                                 FÖRDERUNG
      – Unterweisungen

                                      Arbeitsfähigkeit wiederherstellen, erhalten und fördern

                                           1. ORIENTIERUNGSPHASE
                                           2. FESTSTELLUNG DER AU-ZEITEN
                                           3. KONTAKTAUFNAHME                                       BEM ist nicht erforderlich /
                                                                                                    BEM wird abgelehnt
                                                                                                                                   Ende

          Unter Einbeziehung
           der Gefährdungs-
              beurteilung
                                           4. ERSTGESPRÄCH FÜHREN                                   BEM ist nicht erforderlich /
                                                                                                    BEM wird abgelehnt
                                                                                                                                   Ende

                                           5. ANALYSE DES ARBEITSPLATZES
                                           6. FÄHIGKEITEN +
                                              ANFORDERUNGEN ABGLEICHEN

                                           7.       MASSNAHMEN ENTWICKELN,
                                                    DURCHFÜHREN
                                                                                                    Keine Maßnahmen möglich        Ende

                                           8. WIRKSAMKEITSKONTROLLE+
                                                                                                            Maßnahmen
                                              EVALUATION                                                  nicht erfolgreich

                                                          Maßnahmen erfolgreich

                                                                  Ende

Quelle: Eigene Darstellung © Hans-Böckler-Stiftung 2017

Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 10
3 BETRIEBLICHE RAHMEN-
                                                            Erforderliche Schritte
  BEDINGUNGEN: BEM ALS TEIL
  DES BETRIEBLICHEN GESUND-                                 –   Transparenz schaffen
  HEITSMANAGEMENTS                                          –   Ziele definieren
                                                            –   Verfahren festlegen
                                                            –   Zuständigkeiten klären
Bausteine des BEM-Prozesses                                 –   Werbung für das BEM machen
Für einen schnellen Überblick werden die einzelnen          –   Qualifizierungen organisieren
Bausteine des BEM-Prozesses (siehe Abbildung 2) auf         –   Betriebs- / Dienstvereinbarung abschließen
den nachfolgenden Seiten anschaulich erläutert. Dabei
werden die erforderlichen Verfahrensschritte beschrie-
ben und praktische Tipps zur Umsetzung gegeben.

      Textbausteine aus Betriebs- und Dienstverein-       Transparenz schaffen
      barungen vertiefen die Beschreibung der einzel-     Schaffen Sie zunächst Transparenz hinsichtlich beste-
nen Facetten des Bausteins und bieten den Anwen-          hender betrieblicher Prozesse betreffend die Wieder-
denden die Möglichkeit, eine eigene Betriebs- / Dienst-   eingliederung von Kolleginnen und Kollegen, die die
vereinbarung zusammenzustellen.                           BEM-Kriterien erfüllen. Die folgenden Fragestellun-
                                                          gen könnten hierbei hilfreich sein:

                                                          – Existiert bereits ein Wiedereingliederungsprozess?
             Textbausteine                                  Wenn ja: Wie ist dieser strukturiert?
                                                          – Welche Akteure sind mit der Durchführung
                                                            betraut?
  Alle eingearbeiteten Textbausteine finden sich          – Sind andere Betriebsvereinbarungen vorhanden,
  auch unter www.boeckler.de und können in die              die das Thema Wiedereingliederung aufgreifen?
  eigene Vereinbarung eingearbeitet werden.               – Gibt es andere Formen von Gesprächen, die bei
                                                            der Rückkehr aus einer Arbeitsunfähigkeit geführt
                                                            werden?
                                                          – Inwiefern wird der Arbeits- und Gesundheits-
                                                            schutz in bestehende Eingliederungsverfahren
Die Umsetzung des Bausteins in die Praxis wird durch:       eingebunden? Wird die Gefährdungsbeurteilung
                                                            bei Eingliederungsmaßnahmen hinzugezogen?
      Hilfsmittel
                                                          Ziele definieren
      Infoboxen                                           Verständigen Sie sich gemeinsam mit den anderen
                                                          Akteuren auf die Ziele, die Sie mit einem BEM errei-
      Tipps für Kleinstunternehmen,                      chen wollen. Alle am Prozess Beteiligten sollten sich
      kleine und mittlere Unternehmen (KMU)               klar dazu bekennen, das BEM ausschließlich im Sin-
                                                          ne der Beschäftigten durchzuführen. Das Verfahren
      Benennung von handelnden Akteurinnen und           bietet die Möglichkeit, betriebliche Gesundheitsge-
      Akteuren                                            fährdungen und „krank machende“ innerbetriebliche
                                                          Faktoren, einschließlich des Führungsverhaltens von
ergänzt.                                                  Vorgesetzten, systematisch auszuwerten, um Initia-
                                                          tiven zur gesundheitsfördernden Verbesserung der
                                                          Arbeitsbedingungen zu ergreifen. Dieser präventive
 1.   Orientierungsphase                                  Ansatz sollte das oberste Ziel eines jeden BEM-Pro-
                                                          zesses sein.

Das ist zu tun                                            Verfahren festlegen
                                                          Das BEM-Verfahren beinhaltet unterschiedliche
Betriebs- und Personalräte spielen im BEM eine ent-       Schritte, die je nach betrieblichen Gegebenheiten aus-
scheidende Rolle: Sie dürfen das Verfahren ansto-         gestaltet werden können. Daher sollte bereits vor der
ßen, fördern es und wirken unterstützend im gesam-        Einführung des BEM überlegt werden, wie die Ausge-
ten BEM-Prozess. Doch bevor das BEM im Unter-             staltung der Schritte erfolgen soll. Welche Instrumen-
neh-men eingeführt bzw. gestartet wird, sollte sich       te und Hilfsmittel können verwendet werden? In wel-
die betriebliche Interessenvertretung ausreichende In-    che existierenden Steuerungssysteme – z. B. Program-
formationen zum Status Quo des BEM im Betrieb einho-      me zur Erfassung der AU-Zeiten, Qualitätsmanage-
len und mit allen am BEM-Prozess beteiligten Akteuren     mentsysteme, Gefährdungsbeurteilungen etc. – kann
ihre Ziele klar benennen, bevor es an die Arbeit geht.    das BEM eingegliedert werden? Falls bisher im

                                                                                              Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 11
Unternehmen Krankenrückkehrgespräche durchge-              Betriebsvereinbarung abschließen
                        führt werden, sollte sich die Interessenvertretung für     Eine gute Grundlage für das gesamte Verfahren bildet
                        deren Abschaffung einsetzen, damit eine gute Ver-          eine Betriebs- / Dienstvereinbarung, die alle wesentli-
                        trauensgrundlage für das BEM geschaffen werden             chen Regelungen und Verantwortlichkeiten zum BEM
                        kann (vgl. Kap. 5 / FAQs).                                 beinhaltet.

                        Zuständigkeiten klären
                        Am BEM sind mehrere Akteure (inner- wie außerbe-           Wer ist beteiligt?
                        trieblich) beteiligt. Für die Durchführung des Prozes-
                        ses empfiehlt es sich daher, die Zuständigkeiten klar      Die betriebliche Interessenvertretung, einschließlich
                        zu benennen. Darüber hinaus kann überlegt werden,          der Vertrauensperson der Schwerbehinderten, ist
                        ob es ein BEM-Team geben soll und welche Aufgaben          in der Orientierungsphase in der Regel die treibende
                        dieses Team hat. Während der Orientierungsphase            Kraft. Sie ist meist gut vernetzt und kann sich zahl-
                        können daher die folgenden Fragestellungen hilfreich       reiche Informationen von den unterschiedlichen in-
                        sein: Wer ist für welchen Schritt im BEM zuständig?        ner- und außerbetrieblichen Akteuren beschaffen, die
                        Gibt es ein BEM-Team? Wie ist die Zusammenarbeit           Aufschluss geben über bestehende BEM-Regelungen
                        geregelt? Welche Entscheidungsbefugnisse hat das           oder -Verfahren. Hilfreich ist auch der Kontakt zum
                        BEM-Team wenn es um die Umsetzung von konkreten            Arbeitsschutzausschuss. In diesem sollten der Be-
                        Maßnahmen geht? Wie werden die Akteurinnen und             triebsarzt sowie die Fachkraft für Arbeitssicherheit
                        Akteure für ihre Aufgaben qualifiziert? (vgl. Kap. 1.1 /   vertreten sein.
                        Das BEM-Team)                                                  Größere Betriebe verfügen in der Regel über ein
                                                                                   BEM-Team, das sich aus folgenden Akteuren zusam-
                        Werbung für das BEM machen                                 mensetzt:
                        Wichtiger Punkt für ein erfolgreiches BEM: Die Be-
                        schäftigten müssen umfassend über den BEM-Pro-             – Arbeitgeber oder Vertreter
                        zess informiert sein. Deshalb sollte bereits im Vorfeld    – Betriebs- bzw. Personalrat
                        überlegt werden, mit welchen Mitteln und Möglich-          – Schwerbehindertenvertretung (insbesondere bei
                        keiten eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit umgesetzt         schwerbehinderten Beschäftigten)
                        werden kann: beispielsweise durch Flyer, Infoblätter,
                        Betriebsversammlungen etc.                                 Sofern erforderlich kann bzw. können der Betriebs-
                                                                                   arzt, ein BEM-Berater (z. B. Disability Manager), der
                        Qualifizierungen organisieren                              Datenschutzbeauftragte oder auch die Sozialversi-
                        Eine gute Qualifizierung aller am Prozess beteiligten      cherungsträger hinzugezogen werden.
                        Akteure ist ein absolutes Muss. Nur so kann sicher-
                        gestellt werden, dass das BEM qualitativ auf sicheren
                        Beinen steht und dass die Beschäftigten die Unter-                   HILFSMITTEL
                        stützung und Hilfen im BEM-Prozess bekommen, die
                        sie benötigen.
                                                                                   In größeren Unternehmen kann ein Blick in das Quali-
                                                                                   tätsmanagementsystem hilfreich sein: Oftmals finden
                                                                                   sich hier bereits Hinweise, wie beispielsweise die Er-
                                                                                   fassung der AU-Daten erfolgt, wie einzelne Prozes-
               Das BEM lebt vom Vertrauen –                                        se im Arbeits- und Gesundheitsschutz geregelt sind
               von Anfang an!                                                      und welche Akteure zuständig sind. Aufschlussreich
                                                                                   kann auch ein Austausch mit den Akteuren des Ar-
   Ein entscheidender Punkt für ein gutes BEM ist eine gute Vertrau-               beitsschutzausschuss sein, auf dessen Tagesordnung
   ensbasis. Daher bildet eine erfolgreiche Kommunikation zwischen                 auch das BEM stehen sollte. Wichtig ist, dass sämtli-
   BEM-Team und den Beschäftigten die Basis für eine gute Vertrau-                 che für das BEM relevanten Strukturen und Informa-
   enskultur zwischen Betriebsleitung und Belegschaft. Diese kann                  tionen der Interessenvertretung bekannt sind, bevor
   gestärkt werden, indem frühzeitig ein fester Ansprechpartner zur                es an die Ausgestaltung und Umsetzung des BEM-
   Verfügung steht, der sich um die Belange der oder des Betroffe-                 Prozesses geht.
   nen im Prozess der Eingliederung kümmert. Eine Hürde der Auf-
   klärungsarbeit bleibt: Gesunde Beschäftigte interessieren sich im
   Allgemeinen wenig für Hilfen im Umgang mit Krankheit. Zu fern                             TIPPS FÜR KMU
   oder auch zu bedrohlich scheint der Gedanke, einmal auf Unter-
   stützung angewiesen zu sein. Übergeordnetes Ziel ist es daher, das
   BEM in den Kontext eines allgemeinen Gesundheitsmanagements                     Kleine und mittlere Betriebe, die weder über eine
   zu stellen, das sich von der Gesundheitsförderung bis zur berufli-              Interessenvertretung noch die personellen Ressour-
   chen Rehabilitation erstreckt.                                                  cen für die einzelnen BEM-Verfahren verfügen, kön-
                                                                                   nen den Betriebsarzt oder auch einen externen Ein-
                                                                                   gliederungsberater bzw. einen Certified Disability

Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 12
Management Professional (CDMP) mit der Durchfüh-                     Personalrat, ggf. Vorgesetzte, ggf. die Fach-
rung des BEM beauftragen.                                            kraft für Arbeitssicherheit, ggf. Vertreter
                                                                     des Integrationsamts, ggf. ärztliche Dienste
                                                                     und andere – ein zuverlässiges und rechtssi-
          BAUSTEINE BETRIEBS- /                                      cheres Verfahren zur Hand haben (Verfah-
          DIENSTVEREINBARUNG                                         renssicherheit).“
                                                                      	Verbände und Gewerkschaften, 010301/467/2014
Einige Vereinbarungen benennen konkrete Ziele des
BEM, auf die sich die beteiligten Akteure geeinigt ha-      Bezüglich der Benennung der Akteur im BEM-Prozess
ben:                                                        finden sich in den Vereinbarungen unterschiedliche
                                                            Regelungen. In der folgenden Vereinbarung geht es
      „Ziele des Betrieblichen Eingliederungsma-            um die Verantwortung des Arbeitgebers für den Pro-
      nagements                                             zess und um den Einsatz eines BEM-Beauftragten, der
      Das BEM ist ein wesentliches Instrument be-           sich um die Durchführung des BEM kümmern soll:
      trieblicher Gesundheitspolitik. Es soll dazu bei-
      tragen, die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit so              „Die Gestaltung des BEM-Prozesses an sich ist
      bald wie möglich wiederherzustellen und ins-                nach der gesetzlichen Regelung Verpflichtung
      besondere der Chronifizierung von Erkrankun-                und Aufgabe des Arbeitgebers. Der Arbeitge-
      gen sowie anderen gesundheitlichen Folgen                   ber benennt in der Erfüllung dieser gesetzli-
      vorzubeugen. Weiterhin sollen Arbeitsunfähig-               chen Verpflichtung einen BEM-Manager. Die
      keitszeiten reduziert sowie das vorzeitige Aus-             Personalabteilung ist nach Maßgabe dieser Be-
      scheiden aus dem Berufsleben oder die Verset-               triebsvereinbarung für die Einleitung, Durch-
      zung in den Ruhestand aus gesundheitlichen                  führung und Evaluierung von geeigneten Maß-
      Gründen vermieden werden.“                                  nahmen sowie deren Wirksamkeitskontrolle
           	Verbände und Gewerkschaften, 010301/467/2014         verantwortlich.“
                                                                       Nachrichtentechnik / Unterhaltungs-,
Darüber hinaus werden im folgenden Beispiel klare                      Automobilelektronik, 010301/488/2016
Umsetzungsstandards definiert, die zur Qualitätssi-
cherung beitragen sollen:                                   Die nachstehende Vereinbarung legt die Zuständigkeit
                                                            für das BEM klar in die Hände des BEM-Teams. Dar-
      „Umsetzungsstandards des BEM                          über hinaus werden auch Entscheidungsbefugnisse,
      Für die betroffenen Beschäftigten berührt das         Schulungsbedarfe sowie die Freistellung thematisiert:
      betriebliche Eingliederungsmanagement einen
      im Erwerbsleben höchst sensiblen Bereich: die               „Organisation des BEM-Teams
      eigene Gesundheit und die Arbeits- und Leis-                Das BEM-Team ist das Steuerungsgremium für
      tungsfähigkeit zu einem Zeitpunkt, an dem die-              das einzelfallbezogene BEM. Es entscheidet
      se gefährdet oder zumindest eingeschränkt ist               über die Notwendigkeit einzelfallbezogener
      oder war. Deshalb haben – neben der unbeding-               Maßnahmen und ist für deren Durchführung
      ten Vertraulichkeit – die möglichst individuelle            einschließlich Qualitätssicherung und Nachsor-
      Ausgestaltung des Prozesses einerseits und die              ge verantwortlich. Die [Firma] ist verpflichtet,
      Rechtssicherheit (rechtlich gesichert werden                dem BEM-Team jede notwendige und zumut-
      muss z. B. das verbindliche Angebot des Arbeit-             bare Unterstützung zu geben und insbesondere
      gebers und die freiwillige Teilnahme des Be-                die Umsetzung geeigneter Maßnahmen zu er-
      schäftigten) des Verfahrens andererseits einen              möglichen.
      hohen Stellenwert. Um die o. g. Punkte zu ge-                  Die Entscheidungen des BEM-Teams bedür-
      währleisten, muss das BEM-Verfahren […] den                 fen des mehrheitlichen Beschlusses seiner Mit-
      im Folgenden formulierten Standards entspre-                glieder. Bei Stimmengleichheit entscheidet ab-
      chen. Die Ausgestaltung folgt dabei dem Leit-               wechselnd die Stimme des Betriebsratsbeauf-
      satz: „Das BEM-Verfahren soll so einheitlich                tragten bzw. die des Arbeitgeberbeauftragten.
      wie nötig, der Umgang mit den BEM-Berechtig-                   Die betriebsangehörigen Mitglieder des
      ten so individuell wie möglich gestaltet werden.            BEM-Teams müssen zur Erfüllung ihrer Aufga-
          Mit den Standards soll sichergestellt wer-              ben die erforderlichen fachlichen, sozialen, or-
      den, dass                                                   ganisatorischen und methodischen Kompeten-
       –– allen Berechtigten ein BEM angeboten wird               zen besitzen. Die [Firma] wird die Mitglieder
          (Verbindlichkeit),                                      des BEM-Teams entsprechend schulen.
       –– das BEM-Verfahren in den Grundzügen ein-                   Diese Mitglieder des BEM-Teams werden für
          heitlich strukturiert ist (Verlässlichkeit),            ihre Aufgaben im Rahmen des BEM-Verfahrens
       –– die Wirksamkeit des BEM regelmäßig evalu-               von ihrer sonstigen arbeitsvertraglichen Tätig-
          iert werden kann (Vergleichbarkeit) und                 keit unter Fortzahlung ihrer Bezüge freige-
       –– die beteiligten Personen und Institutionen –            stellt.“
          BEM-Berechtigte, der Personalbereich, der                     Sonstige Verkehrsdienstleister, 010301/479/2016

                                                                                                   Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 13
Für die Öffentlichkeitsarbeit hat sich dieses Unter-               2.   Feststellung der Arbeitsunfähigkeit von
                        nehmen unterschiedliche Maßnahmen einfallen las-                        mehr als 6 Wochen zusammenhängend oder
                        sen, damit die wichtigsten Informationen zum BEM                        über ein Jahr verteilt
                        möglichst allen Beschäftigten zur Verfügung stehen.
                        Darüber hinaus wird geregelt, wie die Führungskräfte
                        Kenntnis über vorhandene BEM-Fälle in ihren Abtei-                Das ist zu tun
                        lungen erhalten.
                                                                                          Sind Beschäftigte länger als 6 Wochen zusammen-
                                „§ 10 Information und Qualifizierung.                     hängend oder auch über ein Jahr (12 Monate) verteilt
                                Information der Beschäftigten                             arbeitsunfähig, steht ihnen ein Betriebliches Einglie-
                                Die Beschäftigten der oben genannten Firmen               derungsmanagement zu (§ 84 Abs. 2 SGB IX).
                                erhalten mit einer Entgeltabrechnung zeitnah
                                nach Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung
                                einen Informationsflyer (Anlage 2). In den
                                nächsten auf die Unterzeichnung folgenden Be-                Erforderliche Schritte
                                triebsversammlungen der Einzelgesellschaften
                                wird das BEM darüber hinaus durch den Be-                    – Arbeitsunfähigkeitszeiten systematisch
                                triebsrat vorgestellt.“                                        erfassen
                                     	Unternehmensbezogene Dienstleistungen,                – Datenblatt anlegen
                                       010301/484/2015

                        Im nachstehend zitierten Betrieb werden die Mitglie-
                        der des BEM-Teams benannt:
                                                                                          Arbeitsunfähigkeitszeiten systematisch erfassen
                                „§ 3 Organisation des Betrieblichen Eingliede-            Zu Beginn des BEM-Prozesses müssen die Arbeitsun-
                                rungsmanagement                                           fähigkeitszeiten systematisch und regelmäßig erfasst
                                Zur Steuerung des Betrieblichen Eingliede-                werden. Der Betriebsrat sollte daher vom Betrieb (z. B.
                                rungsmanagement             wird      ein    Eingliede-   der Personalabteilung) laufend, jedoch mindestens
                                rungsteam gegründet. Jährlich wird geprüft,               einmal im Quartal eine gesamtbetriebliche Arbeitsun-
                                ob ein weiteres Team notwendig ist. Dieses                fähigkeitsstatistik zur Verfügung gestellt bekommen.
                                setzt sich regelhaft wie folgt zusammen:                  Nach § 80 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) kann
                                 –– Vertreter des Arbeitgebers                            der Betriebsrat im Rahmen seiner Überwachungsauf-
                                 –– ein Vertreter des Betriebsrats.                       gaben nur dann initiativ werden, wenn er umfassend
                                Bei Mitarbeiterinnen mit Schwerbehinderung /              informiert wird. Daher muss der Arbeitgeber Infor-
                                Gleichgestellten:                                         mationen über die Beschäftigten an den Betriebsrat
                                 –– die Schwerbehindertenvertretung.                      übermitteln, die unter die Voraussetzungen des § 84
                                Bei Bedarf können beratend weitere Personen,              Abs. 2 SGB IX fallen.
                                z. B.                                                        Erfasst werden müssen die Zeiträume, in denen
                                 –– Betriebsarzt oder                                     die Beschäftigten im Zeitraum von 12 Monaten mehr
                                 –– Fachkräfte, wie die Fachkraft für Arbeits-            als 30 Arbeitstage oder 42 Kalendertage zusammen-
                                    schutz und Arbeitssicherheit                          hängend oder verteilt arbeitsunfähig gewesen sind
                                 –– Abteilungs- und Bereichsleiter                        (vgl. Kap. 1.2  / Auslösekriterien).
                                 –– sowie sonstige Personen des Vertrauens                   Das BEM ist als Präventionsmaßnahme zu sehen.
                                    und / oder Sachverständige (z. B. Schwerbe-           Daher können die Beschäftigten auf eigenen Wunsch
                                    hindertenvertretung) hinzugezogen werden.“            eine Wiedereingliederung bereits vor der 6-Wochen-
                                      	Gesundheit und Soziales, 010301/446/2012          Frist beantragen. Der Arbeitgeber ist hingegen ver-
                                                                                          pflichtet, den Beschäftigten das BEM anzubieten. Un-
                                                                                          terlässt er dies, so drohen zwar keine direkten Sank-
            LINK                                                                          tionen; die Durchsetzung einer krankheitsbedingten
                                                                                          Kündigung wird aber deutlich erschwert.
                                                                                             Damit für die Einleitung des BEM-Prozesses direkt
            Wer mehr wissen möchte: Auszüge aus Vereinbarungen zu                         die richtigen Ansprechpartner hinzugezogen werden
            diesem Thema finden Sie hier: https://www.boeckler.de/cps/                    können, sollte geprüft werden, ob bei den Beschäftig-
            rde/xchg/hbs/hs.xsl/4129.htm?bvdoku.theme=180                                 ten eine Schwerbehinderung vorliegt.
                                                                                             Die Daten werden dann an die Zuständigen bzw.
                                                                                          an das BEM-Team übergeben, die Kontakt mit dem
                                                                                          oder der betroffenen Beschäftigten aufnehmen.

                                                                                          Datenblatt anlegen
                                                                                          Zweckdienlich kann es sein, für jeden BEM-Berech-
                                                                                          tigten ein Datenblatt anzulegen, das in der BEM-Akte

Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 14
aufbewahrt wird. Hier werden die für den BEM-Pro-        Krankenkasse kann ebenfalls mit einem Report bei
  zess rechtlich relevanten Daten festgehalten: z. B.      der Auswertung unterstützen. Wichtig ist, dass Ver-
  Feststellung der 6-Wochen Frist, BEM-Angebot, Zu-        antwortlichkeiten und Verfahrensabläufe verbind-
  stimmung / Ablehnung des BEM-Berechtigten, Datum         lich festgelegt werden. Dies sollte in Form einer Be-
  des Erstgesprächs, Abschluss des BEM etc.                triebs- / Dienstvereinbarung erfolgen.

         WICHTIG                                                     TIPPS FÜR KMU

Da sich Krankheiten und wiederholte Arbeitsunfähigkeit     Kleinstbetriebe haben oftmals keine Möglichkeiten
nicht auf kalendarische Zeiträume begrenzen lassen, ist    auf bestehende Infrastrukturen in Personalabteilun-
der 12-monatige Beobachtungszeitraum unabhängig            gen zuzugreifen. Ist eine interne Initiierung und Be-
vom Kalenderjahr zu bestimmen. In der betrieblichen        gleitung des BEM-Prozesses nicht möglich, so kann
Praxis kann dies zusätzlichen Aufwand bei der Erfassung    der Einsatz von externen BEM-Beratern bzw. Disabi-
der Arbeitsunfähigkeitszeiten nach sich ziehen.            lity Managern hilfreich sein. Darüber hinaus bieten
                                                           Rentenversicherung, Berufsgenossenschaften und
  Über den Tellerrand schauen                              auch die Integrationsämter gezielte Beratung und Hil-
  Das frühzeitige Erheben der Arbeitsunfähigkeitszeiten    festellung an.
  kann einen erheblichen Beitrag dazu leisten, dass ge-
  sundheitliche Probleme seitens der Beschäftigten früh-
  zeitig erkannt werden und Maßnahmen zur Wiederein-                 BAUSTEINE BETRIEBS- /
  gliederung systematisch angeschoben werden können.                 DIENSTVEREINBARUNG

                                                           Die Ermittlung der Arbeitsunfähigkeitszeiten wird in
                                                           den Vereinbarungen unterschiedlich beschrieben. Die
              Wann beginnt das BEM-Verfahren?              nachstehend zitierte öffentliche Verwaltung benennt
                                                           konkret den Beginn des Erfassungszeitraums, defi-
                                                           niert klar die 12-Monatsfrist und regelt zudem die mo-
     Das BEM Verfahren kann beginnen, bevor die            natliche Weitergabe an den Personalrat.
     Beschäftigten wieder in den Betrieb zurück-
     kehren. Somit können frühzeitig erforderliche               „Ermittlung der Ausfallzeiten
     Veränderungen / Anpassungen am Arbeitsplatz                 Die Ermittlung und Auswertung der Ausfallzei-
     initiiert werden, die einen zeitlichen Vorlauf be-          ten wird unter Berücksichtigung der daten-
     nötigen. Die Beschäftigten sollten an diesen Ge-            schutzrechtlichen Bestimmungen durch die zu-
     staltungs- / Planungsprozessen beteiligt werden.            ständige Sachbearbeitung im Fachbereich In-
                                                                 nere Dienste vorgenommen.
                                                                     Der Stichtag für die Berechnung der Jahres-
                                                                 frist ist der erste Tag der Arbeitsunfähigkeit.
                                                                 Die Frist bezieht sich nicht auf das Kalender-
  Wer ist beteiligt?                                             jahr, sondern umfasst die vor dem Eintritt der
                                                                 Arbeitsunfähigkeit liegenden 12 Monate.
  Der Arbeitgeber ist verantwortlich für das Betriebli-              Dem Personalrat werden monatlich die Na-
  che Eingliederungsmanagement. Er hat das Verfah-               men der Mitarbeiter / innen, die die Vorausset-
  ren einzuleiten und die erforderlichen Daten (Arbeits-         zungen des BEM erfüllen, schriftlich mitge-
  unfähigkeitsdaten) zur Verfügung zu stellen. Dabei             teilt.“
  ist der Datenschutz zu beachten. Die Daten werden              Öffentliche Verwaltung, 010301/402/2013
  nach der Erhebung idealerweise an die Zuständigen
  im Betrieb weitergegeben, die für die Einleitung des     Dieses Unternehmen benennt in der Vereinbarung die
  BEM verantwortlich sind. Das kann beispielsweise ein     Erfassung der AU-Zeiten als Frühwarnsystem. Zudem
  BEM-Team sein, ein BEM-Beauftragter oder auch ein        wird hier die direkte Weitergabe der Daten an das
  externer Dienstleister, der mit der Durchführung des     BEM-Team geregelt, um im Sinne der abgeschlosse-
  BEM beauftragt wurde.                                    nen Vereinbarung aktiv zu werden:

                                                                 „Betriebliches Frühwarnsystem
            HILFSMITTEL                                          Die Abteilung Personalwesen stellt dem Integ-
                                                                 rationsteam quartalsweise eine Arbeitsunfähig-
                                                                 keitsstatistik zur Verfügung, aus der die Anzahl
  Für die systematische Erfassung und Auswertung                 der Arbeitsunfähigkeitstage abzuleiten sind. Er-
  der Arbeitsunfähigkeitsdaten erweist sich ein In-              gibt sich hiernach, dass Arbeitnehmer inner-
  formations- / Reportsystem als sehr hilfreich. Die             halb eines zusammenhängenden 12-Monats-

                                                                                              Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 15
Zeitraums länger als sechs Wochen ununter-                3.   Kontaktaufnahme zu den BEM-Berechtigten
                                brochen oder unterbrochen arbeitsunfähig
                                erkrankt waren, ist nach dieser Betriebsverein-
                                barung zu verfahren.“                                    Das ist zu tun
                                    	Gesundheit und Soziales, 010301/433/2014
                                                                                         Bevor es zu einem ersten Gespräch im BEM-Prozess
                        Im nachstehenden Beispiel wird die Verfahrensweise               kommt, muss der Kontakt zu den BEM-Berechtigten
                        zur Erfassung der AU-Zeiten mit SAP geschildert:                 gesucht und das BEM angeboten werden. Hier wird
                                                                                         den Beschäftigten die Aufmerksamkeit des Betriebes
                                „§ 5 Erfassung und Auswertung von Arbeitsun-             signalisiert und es wird die Grundlage für eine ver-
                                fähigkeitsdaten                                          trauensvolle Zusammenarbeit gelegt. Die Kontakt-
                                Tagesaktuell werden die unter § 4 benannten              aufnahme sollte daher sehr behutsam und wertschät-
                                Mitglieder des Eingliederungsteams über die              zend erfolgen.
                                betroffenen Beschäftigten / BEM-Fälle per au-
                                tomatisierter E-Mail, welche aus den Zeiterfas-
                                sungsdaten des SAP generiert wird, infor-
                                miert. Der E-Mail-Text lautet: ‚Herr / Frau XY              Erforderliche Schritte
                                (Personalnummer) ist im Verlauf der vergange-
                                nen 12 Monate sechs Wochen (42 Tage) er-                    – Kontakt schriftlich aufnehmen und
                                krankt‘.“                                                      Datenschutz sicherstellen
                                     	Sonstige Verkehrsdienstleister, 010301/484/2015      – Zustimmung / Ablehnung erfassen und
                                                                                              verarbeiten
                        Auch der nachstehend zitierte Betrieb wird frühzei-
                        tig aktiv und nimmt sogar die Führungskräfte in die
                        Pflicht, das Integrationsteam zu informieren, wenn sie
                        Auffälligkeiten im Arbeitsalltag wahrnehmen. Zudem
                        wird in dieser Vereinbarung klar geregelt, dass die              Kontakt schriftlich aufnehmen und Datenschutz
                        BEM-Berechtigten auch von sich aus das BEM initi-                sicherstellen
                        ieren dürfen.                                                    Die Kontaktaufnahme erfolgt in der Regel schriftlich
                                                                                         und sollte die wichtigsten Informationen zum BEM-
                                „§ 4 Betriebliches Frühwarnsystem                        Prozess beinhalten. Darüber hinaus ist in dem Schrei-
                                […] Unabhängig von der routinemäßigen Aus-               ben unbedingt auf die Freiwilligkeit der Teilnahme hin-
                                wertung gemäß Abs. 1 sind alle Arbeitnehmer              zuweisen sowie auf die Wahrung des Datenschutzes
                                mit Vorgesetztenfunktion verpflichtet, das Inte-         und die Ziele des BEM. Das Anschreiben sollte auch
                                grationsteam gemäß § 3 zu unterrichten, falls            ein Antwortschreiben beinhalten, auf dem die BEM-
                                sich aus eigenen Beobachtungen, durch Ge-                Berechtigten angeben können, ob eine Teilnahme am
                                spräche oder auf sonstige Weise Hinweise dar-            BEM gewünscht ist und mit wem das Gespräch ge-
                                auf ergeben, dass Maßnahmen der betriebli-               führt werden soll.
                                chen Gesundheitsprävention bei einem einzel-                Auch der persönliche Kontakt zu den BEM-Berech-
                                nen Arbeitnehmer notwendig sein könnten.                 tigten kann gesucht werden, um beispielsweise die
                                   Auch die betroffenen Arbeitnehmer haben               einzelnen Verfahrensschritte zu erläutern. Die persön-
                                das Recht, sich an das Integrationsteam gemäß            liche Kontaktaufnahme wird aber ausdrücklich nur
                                § 3 zu wenden und Maßnahmen der betriebli-               dann empfohlen, wenn eine gute und vertrauensvolle
                                chen Gesundheitsprävention zu beantragen.“               Zusammenarbeit besteht und zuvor der schriftliche
                                     	Anonym, 010301/472/2012                           Erstkontakt hergestellt wurde.

                                                                                         Zustimmung / Ablehnung erfassen und
            LINK                                                                         verarbeiten
                                                                                         Wird der Teilnahme am BEM nicht zugestimmt, so
                                                                                         ist es an diesem Punkt auch schon beendet. Die Ab-
Wer mehr wissen möchte: Auszüge aus Vereinbarungen zu diesem                             lehnung darf nicht zu Lasten des BEM-Berechtigten
Thema finden Sie hier: https://www.boeckler.de/cps/rde/xchg/hbs/                         gewertet werden. Stimmt der BEM-Berechtigte der
hs.xsl/4129.htm?bvdoku.theme=180                                                         Teilnahme am BEM zu, kann ein Termin für das Erst-
                                                                                         gespräch (vgl. Schritt 4) vereinbart werden.

                                                                                                   WICHTIG

                                                                                         Die Bestätigung der Teilnahme bzw. der Ablehnung am
                                                                                         BEM darf zusammen mit den anderen gesetzlich erfor-

Mitbestimmungspraxis Nr. 12 · März 2018 Seite 16
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