Nach der Lehre die Karriere
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Das Magazin mit unternehmerischen Visionen Ausgabe 3 Juli 2021 Nach der Lehre die Karriere nicht alle Lehrstellen besetzt werden können, «Bei uns erhalten Sie weshalb später zu wenig Weiterbildungswillige lebenslänglich!» ihre Laufbahn auf dem Niveau der Höheren Berufsbildung fortsetzen. Dadurch entsteht vor allem in MINT-Berufen – Mathematik, Informa- 2 Andrea Tarnutzer-Münch, MLaw Advokat tik, Naturwissenschaften und Technik – ein Mangel an Fachkräften. ADVOKATUR AM BAHNHOF GmbH Stärkung der «professional edu- cation» – was tun die Kantone? Lesen Sie in dieser «tribune» dezidierte Unser Land ist führend im Bereich «Höhere Meinungen von Fachleuten zu diesen Fragen. Berufsbildung». Auf dem Weg der «professio- Welche Ausbildungswege stehen lernwilligen 4 nal education» sind nach der obligatorischen Berufsleuten nach Lehrabschluss offen? Schulzeit neben Gymnasium und Universität Braucht man eine Matur, um studieren zu kön- viele und unterschiedliche Ausbildungsgänge nen? Was unternimmt die Politik zur Stärkung «Lehre = Karriere?» Generationen-Talk und Vorbilder und Abschlüsse wie Höhere Fachprüfungen mit der Tertiärstufe B? Und kann auch eine Berufs- eidgenössischen Diplomen oder Höhere Fach- lehre am Anfang einer Karriere stehen? Haben schulen mit HF-Abschlüssen möglich. Über die Handwerk und lebenslängliches Lernen immer 6 Berufsmaturität ist im anerkannten «dualen» noch goldenen Boden? Bildungssystem der Schweiz zudem auch ein Studium an einer Fachhochschule möglich. Ungeachtet der Antworten gilt das Wort des «Rent a Boss», Wirtschafts- US-Architekten Frank Lloyd Wright: «Der Preis wochen und tunBasel Allerdings weist die Schweizer Wirtschaft seit des Erfolges ist Hingabe, harte Arbeit und Jahren darauf hin, dass die überobligatorische Weiterbildung auf der sogenannten Tertiärstufe unablässiger Einsatz für das, was man errei- chen will». Dem ist nichts hinzuzufügen. 8 B ihrer Ansicht nach zu wenig genutzt wird. Das beginnt damit, dass in gewissen Fachbereichen Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre! Jubiläumsstiftung des Bankhauses La Roche & Co
«Bei uns erhalten Sie lebenslänglich!» Nordwestschweiz ausgeprägt ist. In einer bildiagnostikerin. Dazu kommen viele urbanen Gesellschaft gilt die gymnasiale berufsspezifische Kurse unterschied- Matur als «Golden Ticket», das einem alle lichster Länge wie Wurstereikurse für Türen öffnet. Fleischfachleute oder Elektrokurse für Dominique Tellenbach Automobilmechatroniker. Rektor Berufsbildungszentrum Tut sie das nicht? Baselland Die Meinung herrscht vor, dass man mit dominique.tellenbach@sbl.ch einem abgeschlossenen Studium auf «Wir haben ein tolles, Tertiärstufe A – also an Universitäten, aber anspruchsvoll zu Fach- und pädagogischen Hochschulen – später grössere Karrierechancen hat und kommunizierendes Die Klagen der Schweizer Wirtschaft über den Mangel an Fachkräften sind in den mehr verdient. Das stimmt in dieser all- gemeinen Form nicht. Vergleicht man System.» vergangenen Jahren lauter geworden. Vor Lohnstudien und Bildungsrenditen, ist allem in den gewerblich-industriellen das Diplom einer höheren Fachschule Wie vermitteln Sie diese Vielfalt gegen Berufen wird im Land des gepriesenen auf der sogenannten tertiären Bildungs- aussen? dualen Bildungssystems der Nachwuchs stufe B heute oft lukrativer. Das ist auch Unser Kommunikationsproblem ist gera- dünn. Gilt das Sprichwort «Handwerk hat eine Folge der gestiegenen Nachfrage de, dass wir so breit aufgestellt sind. goldenen Boden» nicht mehr? Im Gegen- nach gut ausgebildeten Fachkräften auf Berufsbildung in der Schweiz ist ein teil, weiss der Rektor des Berufsbildungs- gewerblich-industriellem Gebiet. Und zu komplexes System; gesamtschweizerisch zentrums Baselland. schwarz darf man auch nicht malen, zählen wir etwa 250 Lehrberufe. Und denn der tertiäre Bildungsweg B gene- anders als eine Universität gestalten wir Herr Tellenbach, ist die Klage der riert in der Schweiz immer noch mehr in der Berufsbildung unsere vielen unter- Wirtschaft über den Fachkräftemangel Abschlüsse als die Universitäten und schiedlichen Lehrgänge, Prüfungen und gerechtfertigt? Fachhochschulen zusammen. Kurse zusammen mit Betrieben, Organi- Absolut. Im Baubereich etwa wird regel- sationen der Arbeitswelt (OdAs) und Bran- mässig nur die Hälfte der ausgeschriebe- nen Lehrstellen besetzt. Diese Lücken «Um studieren zu chenverbänden. Diese machen eigene, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene kann man auf dem Bau vielleicht zur Not können, braucht man Nachwuchswerbung. Es stimmen inner- mit Ungelernten füllen. Aber dann fehlen halb des «Berufsbildungs-Business» Leute mit einer soliden Grundausbildung, heute keine eigentlich alle zu, dass wir ein tolles Sys- die sich für weiterführende Ausbildungen beispielsweise zum Polier interessieren. Gymi-Matur mehr.» tem und ein super Angebot haben. Aber es ist anspruchsvoll, dies nach aussen zu Wo keine Lehrlinge mit Abschluss sind, kommunizieren. gibt es auch keine Nachfrage nach Höhe- Die Wirtschaft wünscht aber eine rer Berufsbildung. weitere Verlagerung von «Tertiär A» Wie positioniert sich das Berufsbildungs nach «Tertiär B». zentrum Baselland in diesem komplexen Was sind die Gründe für das abnehmen- Klar, wir müssen die Lehrgänge und wei- Umfeld? de Interesse an gewerblich-industriellen terführenden Ausbildungswege für Leute, Unser Ziel für die Zukunft ist ein eigenes Berufen? die einen Beruf erlernt haben, bekannter Weiterbildungszentrum innerhalb des Bleiben wir beim Bau: Da erwarten Schul- machen! Unsere Bildungsangebote rich- BBZ BL. Wir streben an, dass für alle abgänger körperliche Arbeit und manch- ten wir nach der Nachfrage aus und hal- Berufsgruppen, die bei uns eine Lehre mal macht man sich die Hände dreckig. ten sie auf der Höhe der Zeit. Formal geht machen können, eine Tertiär B-Ausbil- Zudem lockt eine weiterführende Schule das von Berufs- und höheren Fachprüfun- dung im Angebot ist. Wir sind gerade mit der Aussicht auf weiterhin 14 Wochen gen bis zu dreijährigen, berufsbegleiten- daran, Branchen, Betriebe, die OdAs und Ferien und nicht nur auf fünf wie in der den Höheren Fachschulen wie der HF ICT andere Stakeholders wieder zu fragen, Lehre. Und dazu kommt der Trend zur (siehe nebenstehenden Beitrag; Red.) und was sie sich wünschen und zu welchen Akademisierung, der auch bei uns in der inhaltlich vom Hauswart bis zur Automo- Ausbildungen der gewerblich-industriel- 2
len Berufsbildung das BBZ BL noch Hand sungen, in der Realisierung komplexer bieten könnte. Denn das ist unsere Stärke: Computernetzwerke sowie in der System- Wir agieren immer zusammen mit der integration und im Support. Die fundierte Praxis, mit den Betrieben und den Bran- und breite Ausbildung ist ein karrieresi- chen. Wir setzen um, was der Arbeits- cherer Berufsgarant. Oliver Märki markt fordert. Leiter HF ICT ad interim o.maerki@hf-ict.ch Welches sind Ihre Trümpfe in der Akqui- Was sagen Sie jemandem, der oder die sition? sich nach der obligatorischen Schulzeit Erstens haben wir die 3‘600 Lektionen für eine Lehre oder die weiterführende Ein besonders attraktives und nachge- über sechs Semester so angeordnet, dass Schule mit nachfolgendem Studium ent- fragtes Angebot des Berufsbildungszent- keine an einem Samstag stattfindet. Das scheiden muss? rums Baselland ist die Höhere Fachschule kommt vor allem einem oft geäusserten «Sie verbauen sich nichts, wenn Sie einen für Informations- und Kommunikations- Wunsch von Müttern und Vätern entgegen. Beruf lernen – im Gegenteil, sie eröffnen technologie HF ICT. Sie wurde 1989 als Zweitens vermitteln wir wenig Theorie und sich noch mehr Optionen. Um erfolgreich Kantonale Technikerinnen- und Techni- viel Praktisches, in dem wir nebenamtli- zu sein, Karriere zu machen und studieren ker-Schule für Informatik KTSI gegründet che, hoch qualifizierte und motivierte Fach- zu können, brauchen Sie keine Gymnasi- und 1992 durch den Bund anerkannt. Ver- dozierende aus der Praxis einsetzen. Und ums-Matur. Punkt!» antwortlich für den dreijährigen berufs- drittens testen wir nach jedem abgeschlos- begleitenden Lehrgang ist Oliver Märki. senen Modul, so dass der Druck einer Und denen, die den tertiären Bildungs- Abschlussprüfung am Schluss des Studi- weg B schon eingeschlagen haben? Herr Märki, wen sprechen Sie mit Ihrem engangs gar nicht erst aufgebaut wird. «Gut gemacht, denn: Bei uns erhalten Sie Angebot der höheren Berufsbildung an? lebenslänglich!» Zu uns kommen Berufsleute mit einer Ein solches Studium neben dem Beruf ist Ambition für den Beruf und die Karrieren sehr fordernd. Gibt es genügend Interes- (Interview: Roger Thiriet) der Zukunft in der Informatik. Unsere sierte? Ausbildung ist auch für Quereinsteigerin- Ja, der Sommerlehrgang 2021 ist bereits seit Wochen ausgebucht; in den Lehrgän- «An der HF ICT setzen gen, die im Januar beginnen, gab es bis- her noch wenige freie Plätze. Das hat Dominique Tellenbach ist Rektor des Berufsbildungszentrums wir hoch qualifizierte damit zu tun, dass das System von Lehr- gängen die im Januar beginnen, weniger Baselland BBZ BL. Nach einer Bankleh- und motivierte bekannt ist. re holte er die Matur nach und studierte in Basel und Nottingham Deutsch und Fachdozierende aus Englisch. Nach dem Lizentiat am dama- ligen Pädagogischen Institut der Fach- der Praxis ein.» hochschule Nordwestschweiz unterrich- Oliver Märki tete er an der Handelsschule des KV nen und Quereinsteiger geeignet, die sich ist Inhaber des Basler Unternehmens On Basel, übernahm 2013 als Schulleiter diese höhere Qualifikation zusätzlich zu Group GmbH – Interim Management – die Verantwortung für die Schweizer- ihrem angestammten Berufsfeld aneig- und leitet a.i. die Höhere Fachschule für schule in Bangkok und kehrte 2015 Informations- und Kommunikations- nen wollen. Das Studium dauert drei Jahre als Direktor der Berufsfachschule BFS technologie HF ICT Baselland. Nach und ist berufsbegleitend angelegt. Basel in die Schweiz zurück. 2019 wurde einer Berufslehre als Elektromonteur er Rektor der gewerblich-industriellen EFZ erlangte er eidgenössisch aner- Berufsfachschulen Liestal und Muttenz Welche Kompetenzen erwirbt man mit kannte Abschlüsse zum Informatiker und fusionierte sie zum BBZ BL mit dem Diplom? und zum dipl. Projektmanager NDS HF 3'330 Lernenden, 2'000 Teilnehmenden Dipl. Technikerinnen und Techniker HF sowie den Lean Master und den Master an einer beruflichen Weiterbildung und Informatik lassen sich in der Applikations- of Advanced Studies ZFH in Project 300 Lehrenden. und Datenbank-Entwicklung einsetzen, Management. im Design von Oberflächen und Weblö- 3
Stärkung der «professional education» – was tun die Kantone? Berufsbildung. Diese Zahlen sind über die schaft gebettet. Die Branchen definieren letzten Jahre relativ stabil. Als städtisches die Inhalte und den Bedarf, Bund und Zentrum ist Basel-Stadt ein Anziehungs- Kantone schaffen die Voraussetzungen für punkt für Bildungsangebote. Folglich die Umsetzung und tragen einen Teil der Dr. iur. Conradin Cramer haben wir viele gerade auch private Anbie- Finanzierung. Daher ist unsere Strategie Vorsteher des Erziehungsdeparte- ments des Kantons Basel-Stadt ter im Bereich der beruflichen und allge- in Basel-Stadt, möglichst gute Rahmen- conradin.cramer@bs.ch meinen Weiterbildung. Das stärkt unse- bedingungen zu schaffen, dass ein breites, ren Kanton, aber auch die ganze Region. aber auch bedarfsgerechtes Angebot an Höheren Fachschulen und Vorbereitungs- Basel-Stadt und Baselland haben eben kursen auf die Abschlüsse in der Höheren Sie haben ein Universitätsstudium abge- einen neuen Vertrag für die Finanzierung Berufsbildung zur Verfügung steht. Gera- schlossen und promoviert. Was sagen Sie der Universität Basel abgeschlossen. de als Grenzkanton müssen wir viel dafür zur Sorge der Wirtschaft, dass der Weg Wie und wieviel investiert Ihr Kanton im tun, dass sich nicht alle Bildungsangebote über die höhere Berufsbildung, also Ter- Vergleich zur Förderung der Höheren in die Region Zürich und ins Mittelland tiärstufe B, gegenüber der Hochschul- Berufsbildung? konzentrieren. Das ist für unsere Wirt- bildung an Fachhochschulen, Pädagogi- Finanzielle Vergleiche zu ziehen ist hier schaftsregion von grosser Bedeutung. schen Hochschulen und Unis zu wenig nicht wirklich zielführend, da die Finan- begangen wird? zierungssysteme ganz unterschiedlich Wo sehen Sie Handlungsbedarf? Welche sind. Die grosse Stärke der Berufsbildung Massnahmen zur Förderung der Tertiär- Die verschiedenen Wege sollten nicht und damit auch der Weiterbildung im Ter- stufe B sind in Ihrem Kanton getroffen, in gegeneinander ausgespielt werden. Alle tiär B-Bereich ist die verbundpartner- Arbeit oder geplant? sollten das Angebot wahrnehmen können, schaftliche Organisation. So ist auch die Die grösste Herausforderung für die für das sie am besten geeignet sind und Finanzierung verbundpartnerschaftlich, Höhere Berufsbildung ist die internationa- für das sie die entsprechenden Bildungs- le Anerkennung der Abschlüsse. Gerade abschlüsse vorlegen können. Ich würde deshalb auch nicht von «zu wenig» spre- «Die verschiedenen in unserer Region mit ihrer hohen inter- nationalen Verflechtung und weltweit chen, sondern vielmehr das Hauptaugen- Wege sollten nicht tätigen Unternehmen sind Abschlüsse merk darauf legen, dass der Bildungsweg gefragt, die auch im Ausland anerkannt zur entsprechenden Person passt. Aber gegeneinander und verstanden werden. Das ist für die im akademisch geprägten Basel geht die Wichtigkeit der Höheren Berufsbildung ausgespielt werden.» Firmen ebenso zentral wie für die Studie- renden selbst. Hier unterstützt der Kanton manchmal etwas unter und es ist mir Basel-Stadt die Initiative des Bundes, der wichtig, dass der grosse Beitrag, den so dass Bund, Kantone und die Wirtschaft dieses Thema im Rahmen der europäi- diese zur Bewältigung des Fachkräfte- die Kosten gemeinsam tragen. Das neue schen und internationalen Bildungszu- mangels leistet, wahrgenommen wird. Finanzierungsmodell der Abschlüsse in sammenarbeit auf der Agenda hat. Wenn der Höheren Berufsbildung ist dabei ein es gelingt die hohe Qualität der Berufs- Wie steht der Basel-Stadt im Vergleich guter und wichtiger Schritt, der jetzt Wir- bildung in einer international anerkannten mit Baselland beim Verhältnis Tertiär kung zu zeigen beginnt. «Währung», zum Beispiel als professional A/B da? bachelor, sichtbar zu machen, wäre das Von den jährlich rund 1’000 Tertiärab- Wie ist die «professional education» im ein ganz wichtiger Schritt für die Stärkung schlüssen von Personen aus Basel-Stadt Bildungskonzept Ihres Kantons verankert? unseres Berufsbildungssystems. sind 60 Prozent Tertiär A-Abschlüsse und Wie gesagt ist die berufliche Grund- und 40 Prozent Abschlüsse der Höheren Weiterbildung in die Verbundpartner- 4
Wie steht der Kanton Basel-Landschaft dung seiner Bevölkerung. Ein Drittel des im Vergleich mit Basel-Stadt im Verhält- Budgets entfällt dabei auf den Hoch nis Tertiärstufe A/B da? Gibt es Zahlen, schulbereich, insbesondere auf die Mit- Monica Gschwind Entwicklungen, Trends in Vergangenheit, trägerschaft der Universität Basel und die Vorsteherin der Bildungs-, Kultur- Gegenwart, für die Zukunft? Beteiligung an der FHNW. Der Direktver- und Sportdirektion des Kantons Basel-Landschaft In der Agglomeration Basel wird oft der gleich mit der Höheren Berufsbildung monica.gschwind@bl.ch akademische Weg präferiert, in unseren ist jedoch nicht möglich, da die Lehrgänge eher ländlichen Gebieten besteht häufig im Tertiär B-Bereich von den Verbund- eine grössere Nähe zur Berufsbildung. partnern Bund, Kantone und Wirtschaft Das ist nicht ungewöhnlich. Zurzeit ent- gemeinsam finanziert werden. Wie stehen Sie mit Ihrem persönlichen fallen kantonal 54 Prozent der Abschlüsse Hintergrund als Inhaberin eines Han- auf den Tertiärbereich A, 46 Prozent auf Wie ist die «professional education» im delsdiploms und des Eidgenössischen die Höhere Berufsbildung. Wichtig ist für Bildungskonzept Ihres Kantons verankert? Fachausweises im Bereich Treuhand zur Die Tertiär B-Lehrgänge sind auf den Sorge der Wirtschaft, dass der Weg über die «Höhere Berufsbildung» gegenüber «Baselland investiert Bedarf der Betriebe ausgerichtet. Genau wie in der beruflichen Grundbildung wer- der Hochschulbildung zu wenig began- grundsätzlich den deren Inhalte und Qualifikationsprofi- gen wird? le von den Branchenverbänden definiert. grosszügig in die Der Kanton baut solche Angebote nur Im Kanton Basel-Landschaft hat eine star- Ausbildung seiner subsidiär auf. Wenn die Branchenverbän- ke Berufsbildung Tradition. Mir persönlich de entsprechende Angebote selber anbie- ist eine attraktive Höhere Berufsbildung Bevölkerung.» ten oder keinen Bedarf sehen, werden wir ein zentrales Anliegen, und bei der regio- vom Kanton aus nicht tätig. nalen Wirtschaft sind Fachleute mit die- mich, dass die Jugendlichen den Weg sem Werdegang stark gefragt. Deshalb wählen, der ihren Interessen, Fähigkeiten Wo sehen Sie Handlungsbedarf? Welche arbeiten wir bei der Planung der Angebote und Neigungen entspricht. Unsere Aufga- Massnahmen zur Förderung der Tertiär- in der Höheren Berufsbildung auch eng be besteht darin, möglichst gut aufzuzei- bildung B sind in Ihrem Kanton getroffen, mit den Branchenorganisationen zusam- gen und auch zu beraten, welche Optionen in Arbeit oder geplant? men. Die verschiedenen Bildungswege es sowohl bei der Berufswahl als auch bei Zusammen mit Basel-Stadt haben wir die sollen nicht gegeneinander ausgespielt den Ausbildungswegen gibt. Diese «Lauf- Höhere Fachschule im Gesundheitsbe- werden. Aber wir müssen darauf achten, bahnorientierung» beginnt schon im Kin- reich lanciert und finanzieren diese mit. dass die Höhere Berufsbildung nicht ver- dergarten und setzt sich bis zum Übertritt Der «Campus Gesundheitsberufe» in gessen geht. Den Jugendlichen, deren in den Arbeitsmarkt fort. Münchenstein deckt die berufliche Grund- Eltern und auch den Lehrpersonen müs- bildung, die Höhere Berufsbildung und sen wir immer wieder aufzeigen, dass Die Kantone Basel-Landschaft und Basel- sogar Angebote der Fachhochschule ab. dieser Ausbildungsweg sehr viele Möglich- Stadt haben dieses Frühjahr soeben Kantonal haben wir im Austausch mit den keiten für eine erfolgreiche Berufskarriere einen neuen Vertrag für die Finanzierung Verbänden Höhere Fachschulen in Wirt- bietet. Bei vielen Gesprächen, die ich führe, der Universität Basel – also Tertiärbil- schaft, Informatik und Chemie aufgebaut. stelle ich fest, dass Lernende oftmals nur dung A – abgeschlossen. Wie und wieviel Zudem bieten wir in Absprache mit den durch Zufall auf eine Berufslehre auf- investiert Ihr Kanton im Vergleich zur Verbänden auch Vorbereitungskurse für merksam wurden. Dies müssen wir Propagierung und Förderung der Tertiär- Berufsprüfungen an. Die Weiterbildungs- ändern. Vorbilder beziehungsweise Bot- bildung B? abteilung dieser Schulen wird künftig schafter und Botschafterinnen spielen Der Kanton Basel-Landschaft investiert noch stärker auf den Bedarf der Betriebe dabei eine wichtige Rolle. grundsätzlich grosszügig in die Ausbil- ausgerichtet. 5
«Lehre = Karriere?» – Generationen-Talk und Vorbilder möchte ich Karriere machen, aber eine Mich interessierte die Hardware, Geräte; als Fachmann mit grossem Wissen und schon als Bub hatte ich sie auseinander- viel Erfahrung, mit der ich meinen Kolle- genommen und wieder zusammenge- gen helfen und die ich für den Erfolg mei- setzt. So nahm ich einen zweiten Anlauf ner Firma einsetzen kann. als Multimedia-Elektroniker, wo ich diese Martin Hänggi CEO EOTEC AG Martin Hänggi: Das ist ein schönes Ziel Leidenschaft leben kann. Aber nach der martin.haenggi@eotec.ch und ein zeitgemässer Gedanke. Man sagt Lehre will ich wieder in die Informatik ein- dem «Fachkarriere». Früher musste ja, steigen, denn wie Martin Hänggi sagt: wer vorwärts kommen wollte, immer auch Heute ist alles Netzwerk. Und es ist faszi- in der Hierarchie aufsteigen und Füh- nierend, wenn man versteht, wie die Gerä- rungsverantwortung übernehmen. te kommunizieren. Ich würde mich gern in Richtung Cybersicherheit weiterbilden. Herr Hänggi, Sie haben Ihre Karriere auch mit einer Berufslehre begonnen. Ist Marco mit seinem Willen zur Weiter- Marco Käch Heute sind Sie Inhaber und CEO einer bildung eine Ausnahme in seiner Genera- Lernender EOTEC AG eigenen Firma. Was hat Sie motiviert, tion, der man ja manchmal eine gewisse marco.kaech@eotec.ch dafür den Weg der Höheren Berufsbil- Bequemlichkeit nachsagt? dung einzuschlagen? Hänggi: In meinem beruflichen Umfeld Martin Hänggi: In meiner Lehre als Radio- zumindest stelle ich eine grosse Bereit- Eine Berufslehre kann der Anfang einer und TV-Elektriker ist mir aufgefallen, dass schaft zur beruflichen Weiterbildung und Karriere und der Grundstein eines Ver- die Geräte, mit denen ich zu tun hatte, den Willen zur Höheren Berufsbildung mögens sein. Was braucht es dazu, wel- immer mehr Netzwerksteckplätze aufwie- fest. Das Bewusstsein, dass es mit dem ches sind die Möglichkeiten und Voraus- sen. Da wollte ich mehr darüber wissen Lehrabschluss nicht fertig ist, wenn man setzungen? Ein gelernter Radio- und und mich deshalb im IT-Bereich – also in gut durchs Leben kommen will, ist unter TV-Elektriker, der heute als CEO seines Informationstechnologie – weiterbilden. Ich den Jungen viel weiter verbreitet als eigenen Unternehmens 40 Leute beschäf- belegte in der Freizeit einen ersten Kurs in bei früheren Generationen. Ich jedenfalls tigt und sein Lernender im Gespräch mit PC-LAN-Support und merkte, dass mir die habe mir nicht, wie Marco, schon im ers- der «tribune». Zeit im Schulzimmer und das Lernen Spass ten Lehrjahr Gedanken gemacht, wie es machten. Und zudem ermutigte mich mein nach der Lehre weitergehen könnte. «Der Baselbieter Laborant Peter Grogg Lehrer in diesem Kurs, die Höhere Fach- baute die Chemiefirma Bachem auf und schule für Informatik zu absolvieren. Welche Belastungen mussten Sie für Ihr wurde zum Millionär» titelte die NZZ am Käch: Lustig, ich bin auch mit Informatik Weiterkommen so auf sich nehmen? Sonntag vom 20. Juni 2021. Und notierte eingestiegen. Aber acht Stunden täglich Hänggi: Die dreieinhalb Jahre an der in derselben Ausgabe in einem Nachruf vor dem Computer war nicht meine Welt. Höheren Fachschule waren anspruchsvoll. auf einen früheren Schweizer Unterneh- mer, Multi-Verwaltungsrat und FDP-Nati- onalrat: «Ulrich Bremi absolvierte eine Daniel Kobell Berufslehre an der legendären Winter- Bachelor of Arts, FH-Dozent, Gerhard Schneider thurer Metallarbeiterschule, bevor er die Werber und Trend-Scout Leiter Rayon Basel-Stadt & Maturität nachholte und an der ETH stu- Mitinhaber commpact AG für Leimental dierte». Auch der verstorbene Basler Ban- Öffentlichkeitsarbeit UBS Switzerland AG ker und UBS-Verwaltungsratspräsident daniel.kobell@commpact.ch gerhard.schneider@ubs.com Marcel Ospel wies im Zenith seiner Lauf- bahn gerne darauf hin, dass seine Karrie- «Eine Karriere mit einer Lehre zu starten, Die Banklehre erwies sich als perfekte re ihren Anfang mit einer Banklehre macht bei vielen jungen Leuten Sinn. Das Wahl für meine berufliche Karriere. Dank genommen hatte. war auch bei mir so. Schulmüde wie ich der betrieblichen Praxis sammelte ich vom war, freute ich mich aufs «Mechen» in ersten Tag an wertvolle Berufserfahrung «tribune»: Marco Käch, Sie sind Lernen- der Praxis. In der Berufsschule und der und konnte meine Stärken einbringen. Der der im 1. Lehrjahr bei EOTEC AG. Wie Berufsmaturität habe ich dann «Blut erfolgreiche Lehrabschluss öffnete mir steht es um Ihre Karrierepläne? geleckt». Ich wollte mehr! Designstudium viele Türen und bildet zusammen mit Marco Käch: Ich sehe mich weniger in an der Fachhochschule, eigene Agentur gezielten Weiterbildungen ein solides Fun- leitender Funktion in einem Betrieb oder und Berufsschullehrer waren die nächs- dament für meine heutige Position als als Unternehmer wie mein Chef. Trotzdem ten Schritte.» Rayonleiter bei UBS mit 80 Mitarbeitenden. 6
nach neun obligatorischen Schuljahren noch nicht recht wussten, was sie eigent- lich machen wollten. Zwar lernt man in der Schule wie in der Berufslehre Neues und vieles davon ist fürs Leben. Aber in einer Lehre kommt man früh in Kontakt mit der Arbeitswelt und dem wirklichen Leben. Und dank der Möglichkeit, eine Berufsma- tur zu machen, steht mir ja ein Studium offen. Höhere Fachschule oder Fachhoch- schule – das wird sicher auch ein Thema für mich, wenn ich mich weiterbilden will. Und das ist der Plan, keine Frage. Herr Hänggi, was geben Sie Ihrem Ler- nenden auf diesen Weg mit? Hänggi: Mach so weiter. Bleib dran. Mach dir Gedanken. Ich finde es gut, dass du Wir hatten jeden Samstag Schule, und Unterlagen des Studienmoduls «Firmen- Ziele hast, aber überprüfe sie immer wie- nur, weil ich damals in der Firma lediglich gründung» zurückgreifen zu können. Und der, denn Ziele können sich unterwegs ein 80 Prozent-Pensum hatte, konnte ich mitentscheidend für meinen Entschluss auch ändern. Den wichtigsten Schritt zum den Montag zum Lernen einsetzen und und den Zuschlag war sicher die Berufs- Erfolg hast du schon gemacht, als du dich musste nicht noch den Sonntag drange- erfahrung, die ich als IT-Verantwortlicher für eine Berufslehre entschieden hast. ben. Und natürlich waren jede Menge zwischenzeitlich in anderen Unternehmen Feierabende fürs Lernen reserviert. Aber gesammelt hatte. Jene Jobs hätte ich es hat sich gelohnt. ohne abgeschlossenes HF-Studium sicher nicht erhalten. Hätten Sie als langjähriges EOTEC- Kadermitglied die Firma nicht auch ohne Marco, hat es Sie nie gereut, dass Sie diese Parforce-Leistung kaufen können? nicht ans Gymnasium gegangen sind? Hänggi: Es musste damals sehr rasch Käch: Für mich war das nie ein Thema. gehen. Spätestens als ich der Bank inner- Aus meiner Oberstufenklasse haben viele halb von drei Wochen einen Businessplan diesen Weg auch aus einer gewissen vorlegen musste, war ich froh, auf meine Unschlüssigkeit heraus gewählt, weil sie Martin Hänggi ist diplomierter Techniker HF Informa- tik. Er machte eine Lehre als Fernseh- und Radiotechniker und schloss dieser Stephan Walliser ein Studium an der Höheren Fachschule Head of Human Resources Thomas Recher für Informatik an. Nach Stationen als IT- Basler Versicherungen CEO Schweizer Lunch-Check Verantwortlicher in einem Schweizer stephan.walliser@baloise.ch thomas.recher@lunch-check.ch Industrieunternehmen und einem inter- nationalen Konzern stieg er als COO Meine Berufslehre bei der Weleda AG hat Mit einer Speditionslehre, wie ich sie beim Muttenzer Spezialisten für Video- mich nicht nur im kaufmännischen gemacht habe, lernt man neben Sachwis- Sicherheit, Kommunikationssysteme, Bereich bestens auf die späteren Her- sen auch Flexibilität, Improvisationsfähig- Medientechnik und IT-Media EOTEC AG ein. 2018 übernahm er dieses in einem ausforderungen in der Wirtschaft vorbe- keit und Durchhaltevermögen. Für mich Management-Buyout. reitet. Als Leiter Human Resources bei war sie dank stetiger Weiterbildung, unter der Basler Versicherung profitiere ich anderem an der FHNW und der FH Luzern, Marco Käch auch heute noch vom positiven Men- der Anfang meines Weges zum CEO von ist Lernender Multimediaelektronik bei schenbild, das mir das Umfeld dieser Schweizer Lunch-Check, der Nummer eins EOTEC AG. Lehrfirma mitgegeben hat. im Bereich der Verpflegungsbeiträge in der Schweiz mit über 120 Mio. CHF Umsatz. 7
«Rent a Boss», Wirtschaftswochen und tunBasel Ein Überblick über die Aktivitäten und Programme der Handelskammer beider Basel im Bereich Berufswahl und berufliche Weiterbildung. RENT A BOSS und COACHING lierten Unternehmen durch turbulente Geschäftsjahre. Die Han- Mit «Rent a Boss» und «Coaching» stellt die Handelskammer bei- delskammer beider Basel organisiert in Kooperation mit der Basel in Zusammenarbeit mit der Volksschule Basel-Stadt und wirtschaftsbildung.ch jährlich rund 20 Wirtschaftswochen für Basel-Landschaft ein attraktives Angebot für das Fach Berufliche Gymnasiastinnen und Gymnasiasten. Die Wirtschaftswochen sind Orientierung auf der Sekundarstufe bereit. Dabei tauschen sich eine ideale Gelegenheit, die Jugend für das Thema Wirtschaft zu Vertreterinnen und Vertreter aus der Wirtschaft mit den Schülerin- begeistern. Das Angebot ist ein Musterbeispiel für eine erfolg- nen und Schülern aus und geben ihnen Tipps aus der Praxis. Über reiche Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft. 50 Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter stellen sich auf Einla- https://www.hkbb.ch/de/dienstleistungen/bildungsangebote/ dung der Handelskammer beider Basel als «Boss» zur Verfügung. wirtschaftswochen/index.php https://www.hkbb.ch/de/dienstleistungen/bildungsangebote/ rent-a-boss/index.php MINT-Map https://www.hkbb.ch/de/dienstleistungen/bildungsangebote/coa- Die Handelskammer beider Basel hat gemeinsam mit namhaften ching/index.php Unternehmen die MINT-Map ins Leben gerufen. Das virtuelle, interaktive Tool macht neugierig auf Mathematik, Informatik, TUNBASEL Naturwissenschaften und Technik und fördert die bewusste In der Schweiz herrscht in den MINT-Berufen (Mathematik, Infor- Berufs- oder Studienwahl der Jugendlichen. matik, Naturwissenschaften und Technik) auf allen Stufen ein Fach- https://www.hkbb.ch/de/handelskammer/medien/medienmit- kräftemangel. Deshalb hat sich die Handelskammer beider Basel teilungen/MINT-Map_Schluss_mit_langweilig.php die Förderung des beruflichen Nachwuchses in Technik und Natur- ICT CAMPUS HANDELKAMMER BEIDER BASEL wissenschaften zur Aufgabe gemacht. Unter anderem lancierte sie Im Campus in Muttenz treffen sich jeden zweiten Samstagmor- vor rund zehn Jahren die tunBasel, eine Erlebnisschau, die Kinder gen jeweils rund 100 junge Talente aus den Sekundarschulen von und Jugendliche erfahren lässt, wie spannend und herausfordernd Basel-Stadt und Baselland, um zu programmieren, zu codieren, naturwissenschaftliches und technisches Lernen und Arbeiten sind. Roboter zu bauen und Games zu entwickeln. Das Team des ICT Die nächste tunBasel findet vom 7. bis 13. Februar 2022 statt. Campus fördert die jungen Talente gezielt und bereitet sie im https://www.hkbb.ch/de/dienstleistungen/bildungsangebote/tun- basel/index.php Campus auf eine ICT-Karriere vor. Die Handelskammer unter- stützt Campus und verschafft damit den Unternehmen unserer WIRTSCHAFTSWOCHEN Region Zugang zu talentiertem, motiviertem und mit Fachwissen In Wirtschaftswochen erfahren Jugendliche hautnah, was es und praktischer Erfahrung ausgestattetem Berufsnachwuchs. heisst, ein Unternehmen zu führen. Angeleitet von zwei Fachkräf- https://www.be-digital-basel.ch/angebote/ict-campus/ ten aus der Wirtschaft lotsen sie während einer Woche ihre simu- Fotos/Bilder: Seite 7: Roger Thiriet IMPRESSUM Nummer 3/2021, erscheint viermal jährlich. HERAUSGEBER: Handelskammer beider Basel (info@hkbb.ch), Advokatenkammer Basel, Basellandschaftlicher Anwaltsverband (maier@svwam.ch) grosszügig unterstützt von der Jubiläumsstiftung La Roche & Co REDAKTION: Dr. Philip R. Baumann, lic. iur. Roman Felix, Dr. iur. Alexander Filli, lic. phil. I Jasmin Fürstenberger, MLaw Andrea Tarnutzer-Münch, lic. phil. I Roger Thiriet LAYOUT: Elmar Wozilka, Handelskammer beider Basel, Druck: bc medien ag, Münchenstein gedruckt in der Schweiz ADRESSE: «tribune», St. Jakobs-Strasse 25, Postfach, 4010 Basel, Telefon: +41 61 270 60 55, Telefax: +41 61 270 60 05, E-mail: info@hkbb.ch «tribune» ist eine offizielle Publikation der herausgebenden Organisationen für deren Mitglieder. Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen. Für Nichtmitglieder kostet das Jahresabonnement CHF 20.–. AZB CH-4010 Basel P.P. / Journal 8
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