Nach(t)- schicht - Camerata Bern
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Nach(t)— schicht CAMERATA BERN Reto Bieri — Gastgeber, Klarinetten, Leitung, Konzept Lara Stanic — Audio-Design, Tonspur, Radio Nachtschicht Markus Güdel — Licht-Design Sa 07.05.2022 — 19.30 Uhr Theatersaal National, Bern Werke von Adams, Golijov, Beethoven und Weiteren 1
Nach(t)schicht 7. Abokonzert Reto Bieri – Gastgeber, Klarinetten, Franz Schubert (1797–1828) Leitung, Konzept Nacht und Träume für Zuspielband und stummen Sänger (arrangiert) Lara Stanic – Audio-Design, Tonspur, Radio Nachtschicht Osvaldo Golijov Markus Güdel – Licht-Design The Dreams and Prayers of Isaac the Blind für Klarinette und Streichorchester Special Guest: Dieter Thomas Heck – II Graceful, densely slow – Molto transci deutscher Hitparade-Moderator nato – Raucous John Adams (*1947) George Shearing (1919–2011) Hymning Slews aus Shaker Loops Lullaby of Birdland für Streichorchester Feierabendstück für Klarinette und Streicher arrangiert von Reto Bieri Heinz Holliger (*1939) Cardiophonie für Klarinette und drei Hildegard von Bingen (1098–1179) Magnetophone (1971) CAMERATA BERN O ignis spiritus paracliti für Streicher in © Julia Wesely Paarung arrangiert von Reto Bieri Osvaldo Golijov The Dreams and Prayers of Isaac the Blind Reto Bieri (*1975) für Klarinette und Streichorchester Wiegenlied für Spieldose und Streicher III K’vakarat – Andante comodo, Allegro pesante; lV Postlude – Lento, liberamente Osvaldo Golijov (*1960) The Dreams and Prayers of Isaac the Blind Hildegard von Bingen für Klarinette und Streichorchester O ignis spiritus paracliti I Prelude – Calmo, sospeso/Agitato Fragment, Klarinette solo Iannis Xenakis (1922–2001) Ludwig van Beethoven (1770–1827) Diamorphoses (Ausschnitt) für Tonband Heiliger Dankgesang eines Genesenen und Lautsprecher an die Gottheit, 3. Satz aus dem Streich- Anstelle der Konzerteinführung vor Ort bieten wir auf quartett a-Moll op. 132, Fassung für unserer Website einen Podcast mit SRF-Musikredaktor Reto Bieri Streichorchester Benjamin Herzog an – auch zum Nachhören. Atemlos, ein Helene-Fischer-Fragment für Streicher in respiratio und Hitparade- plus AUDIO-EINSPIELUNGEN Programm ohne Pause. Moderator, arrangiert von Reto Bieri passages de nuit 3
Zum Programm durch unseren inneren Weltraum, erle- ben die völlige Absurdität heutiger Pop- musik – mit Reto Bieri als Hitparadenmo- derator – und ganz am Schluss performt die CAMERATA BERN mit Heinz Holligers Cardiophonie sogar eine offene Operation «Aus dem Foyer des Hotel National sind noch fremde Stim- Nach(t)schicht am Herz. Diese nimmt durch den Tod des men, klirrende Gläser, ein paar heitere Melodien, letzte Tänze Zum Titel kommen wir später. Zuerst sei Patienten ein tragisches Ende. zu vernehmen. Im verlassenen Theatersaal ein Wiegenlied. festgehalten, dass das siebte Abokon- Aus der Ferne hört man ein Gebet, stille Schatten, Grillen, zert der Saison ein ganzheitliches Erleb- Doch mit dem Morgen kommt die Hoff- Herumgeflatter. Dann eine allerletzte Meldung aus dem Radio. nis wird – nicht einfach ein Konzert, nein, nung, hier in Form von Golijovs drittem Flackernde Fernsehbilder. Der Glockenschlag vom Münster? ein Hörstück. Satz und dem Postlude, die der Auf- Ein Herzschlag? Es schweifen die Gedanken. Und schon ist erstehung gewidmet sind. Mit den auf- sie da: die Nacht, die in uns alles werden lässt – Tonschicht für Es beginnt bereits im Foyer, auch wenn steigenden Tetrachorden aus Beetho- Tonschicht. Sie kreist uns ein, erzählt im Traum mit Musiken: das Publikum dies möglicherweise nicht vens feierlichem dritten Satz seines von Freuden und Ängsten, biblischen Gestalten, verlorenen bemerken wird. Von dort aus begeben wir 15. Streichquartetts – seiner berühmten Weiten, gar bedrohlichen Cardiophonien aus Langenthal. uns auf eine Reise. Sie beginnt bei Feier- Danksagung an die Gottheit – erscheint abend, diesem erlösenden Moment des am Ende des Abends auch die Morgen- Dieser Musikabend widmet sich dem dunklen Bereich unse- Innehaltens nach einem arbeitsreichen sonne wieder. res Lebens: Erscheinungen, Übertretungen, Verwandlungen. Tag. Die Vögel zwitschern und die Trams Denn in der Nacht lebt sich aus, was mit dem Verstand nicht fahren noch. Die Bar ist nicht nur im Ein- Bei dieser Reise ist nicht alles erklärbar, zu fassen ist.» gang, sondern auch auf der Bühne. nicht alles logisch dem Intellekt ent- sprungen. Wenn ein Mönch den Abend mit Reto Bieri Danach sinken wir in absteigenden Tetra- Weihrauch segnet, das Ensemble sonnen- chorden nach unten, in die Nacht. Die Bar bebrillt und atemlos durch die Nacht tanzt wird zur Kirche und die Kirche zur inneren oder in weissen Kitteln zum Ärzt:innen- Welt, so intim, dass sie sogar Resonanz- team wird, handelt es sich durchaus auch raum für ein Wiegenlied aus der Musik- um ein bisschen Klamauk. Dieses lautma- dose bildet. lerische Wort, dessen Klang seinen Sinn besser erklärt als jegliche Umschreibung. Hier sind wir im Reich der Erscheinun- gen, Übertretungen und Verwandlungen. Fortsetzung Seite 6 Tief in uns ist es aber nicht nur weich, Du fragst mich: was hör’ ich da? schön und erhaben wie bei Hildegard von Ich sage Dir: es ist die Nacht! – Shut your eyes and hear.* Bingen, sondern auch wild und surreal: Wir lauschen in The Dreams and Prayers *«Shut your eyes and SEE», lässt James Joyce im Ulysses Stephen Dedalus denken, bevor of Isaac the Blind Osvaldo Golijovs Aus- dieser die Dunkelheit als ideale Umgebung eines selbstvergewissernden Sehens erkennt: einandersetzung mit Gott (dazu kommen «I am getting on nicely in the dark.» wir später), driften mit Iannis Xenakis 4 5
Es ist nicht zu übersehen, nicht zu über- kulieren kann. Die Bilder sind latent noch hören: Reto Bieri, der Gastgeber dieses da, in Fetzen und Ausschnitten, und auch besonderen Abends, mag Klamauk. Er einige Gefühle bleiben haften. Aber es ist sprudelt vor Ideen, die er mit detail- Zuerst sei die Frage erlaubt: Weshalb nicht mehr möglich, den Handlungsstrang Einerseits ist hier Golijov, dessen Streich- reichen Beschreibungen und glänzen- denn Nachtschicht? Steht dieser Aus- zu rekonstruieren. quartett mit Klarinette The Dreams and den Augen in den Saal hinein entwirft. druck nicht für das genaue Gegenteil des Prayers of Isaac the Blind – von anderen Die Zuschauer:innen werden hier Teil Traumes, nämlich für Arbeit? «Ja, aber ein In diesem Sinne ist das heutige Konzert, Stücken, Klängen und Ideen unterbro- des Bühnenbildes, und die Musiker:in- Traum kann doch auch Arbeit sein», erwi- als Nachtschicht gelesen, die Perfor- chen, unterwandert und unterstützt – uns nen spielen auch mal vom Balkon aus. dert Bieri und erzählt von seinem gestri- mance eines Traumes. Die verschiede- durch den Abend begleitet. Golijov selbst Zugrunde liegt dem Ganzen eine Partitur, gen Traum, der unendlich anstrengend, ja nen Musikstücke bilden die Fetzen und meint dazu: I wanted Dreams and Prayers die ihresgleichen sucht, mit wunderbaren gar verängstigend gewesen sei. «Nacht- Ausschnitte der zu verarbeitenden Ein- to achieve a certain resignation, and I just Zeichnungen, detailreichen Erklärungen schicht ist Traumarbeit, wie Freud bereits drücke und entziehen sich dadurch der wasn’t able to do it. What was supposed to und den entsprechenden Stimmungsbil- gesagt hat, weil wir doch auch im Traum üblichen konzertanten Ordnung. Die Logik be beautiful and static came out stormy. dern. Aber mehr noch als seine lebhafte arbeiten müssen.» entsteht, dem Traum gleich, durch asso- But you have to be who you are, and part of Imagination beeindruckt die Begeisterung ziative Zusammenhänge und einzelne being Jewish is arguing with God. für seine Programme. Bieri redet mit der Tatsächlich, wie die Psychotherapeutin Gedankenstränge, wie mehrere Fäden, die Freude eines Kindes und der Genialität Dunja Voos geschrieben hat: Traumarbeit sich ineinander verflechten und erst beim (Ich wollte mit Dreams and Prayers eine eines Meisters, und dies ist die beste ist nach Sigmund Freud das, was der Schlä Erwachen ein greifbares Bild ergeben. Der gewisse Resignation erreichen, aber ich aller Kombinationen für einen einzigarti- fer im Schlaf aus seinen unbewussten latente Traum wird Stück für Stück zum schaffte es nicht. Was schön und statisch gen Abend. Glauben Sie mir: Das wollen Wünschen, Ängsten, Konflikten, Erinnerun manifesten Konzert, die Verarbeitung des hätte sein sollen, kam stürmisch heraus. Sie sich nicht entgehen lassen! gen, Sinneseindrücken, Empfindungen und Schlafenden passiert vor unseren Augen. Aber du musst der sein, der du bist, und Gefühlen macht: einen Traum. Sogenannte Der Frust über die Unfähigkeit, die laten- jüdisch sein bedeutet unter anderem auch, Nachtschicht «latente Traumgedanken», also unbewus ten Traumgedanken in einen manifesten mit Gott zu diskutieren.) Nun zum Titel dieses Konzertabends, oder ste Gedanken, werden in einen «manifes Traum überführen zu können, bleibt uns zumindest zur einen Lesart. ten Traum» übersetzt, den man später für diese Performance der Nacht glück- Der Komponist diskutiert also mit Gott auch erzählen kann. Die Umwandlung der licherweise erspart: Als wache Zuhörende und beruft sich dabei auf Isaak den Blin- Dieses Konzert ist eine Huldigung der latenten Traumgedanken in einen manifes werden wir alle viel von der Nachtschicht den, der im 13. Jahrhundert als jüdischer Nacht in ihrer ganzen Länge und in all ten Traum ist die «Traumarbeit». erzählen können. Gelehrter in der Provence wirkte. Während ihren Facetten, Lärm und Ruhe, Euphorie Golijov in seinem Stück dieser Blindheit und Entspannung, Angst und Geborgen- Traumarbeit ist also nicht nur Verarbei- Im Kern einen künstlerischen Wert gibt, weil die heit. Der wichtigste Teil des Abends – tung, sondern auch Artikulation des Verar- Aber natürlich sind diese Show, die Stim- besten Streichquartette sich seiner Mei- gewissermassen nach Feierabend und vor beiteten, sie ist dieser schwierige, zweite mung, die Bilder und das Theater wunder- nung nach im übertragenen Sinne durch Morgengrauen – gilt aber nicht der Nacht Schritt. Wie frustrierend es doch ist, wenn bare Nebensachen, um die Hauptattrak- die Musik blind miteinander und dem selbst, sondern ihrem wichtigsten Kom- man am Morgen aufwacht und weiss, dass tion des Abends zu umrahmen: die Musik. Publikum verständigen können, werden plizen: dem Traum. Er wird hier assozia- man im Traum mindestens drei Mal um die Und der Kern dieser Hauptattraktion liegt wir heute daran erinnert, dass auch wir im tiv dargestellt, überlappend, in Schichten Welt gereist ist, die grössten Siege und in zwei wunderschönen Werken, in denen Schlaf blind sind und nur uns selbst beim eben, aber hierzu später mehr. tragischsten Niederlagen erlebt hat, vor sich beide Komponisten auf unterschied- Fantasieren zusehen können. Spannung geladen und mit Wonne erfüllt, liche Art mit dem Spirituellen auseinan- aber all diese Erlebnisse nicht mehr arti- dersetzen. Fortsetzung Seite 8 6 7
der Oberfläche, und die Klarinette wird Quartetts erklingt das Anfangsthema stellenweise nochmals laut und leiden- erneut, diesmal mit innigster Empfindung schaftlich. Sie erhält von den Streichern vorgetragen. Damit ist die Nacht definitiv Golijov erkennt in seinem Werk drei Spra- aber keine Hilfe mehr. Ihre Melodien wer- Vielleicht dachte Golijov an dieses dem neuen Tage gewichen. chen, die die jüdische Gemeinschaft in den dadurch immer melancholischer, ein- Streichquartett, als er von statischer ihrer Geschichte gesprochen hat: das samer, nachdenklicher. Am Ende bleiben Musik sprach. Zumindest sind es die ers- Nachschicht Prélude und der erste Teil in Aramäisch, die langgezogenen Töne der Streicher ten Töne der Danksagung, die, wegen der Wer diesem Text bis hierhin gefolgt ist, der zweite Teil in Jiddisch und der dritte wieder alleine stehen. lydischen Tonart an einen Choral erin- wird jetzt nochmals belohnt: Denn wir Teil und Postlude in Hebräisch. In feinen nernd, tatsächlich eine statische Erha- kommen zum Schluss nochmals zum Zwischentönen wird dabei immer wie- Wo Golijov aufhört, beginnt bald das benheit erzeugen. Minutenlang bilden die Titel, oder besser gesagt zu seiner zwei- der spürbar, dass Golijov eben nicht nur zweite Kernstück des heutigen Abends, Streichinstrumente bei gleichbleibendem ten Lesart. jüdischer Abstammung ist, sondern auch das zugleich sein Ende darstellt. Auch Rhythmus eine perfekte harmonische in Argentinien aufwuchs, und damit der dieses entsteht aus einer spirituellen Einheit, nur die Intensität variiert. Dieser wird ohne Klammer zur Nach- Tango unweigerlich Teil seines musikali- Auseinandersetzung des Komponisten schicht. Ein Stück ‹nach Schichten›, mit schen Denkens wurde. mit dem Übersinnlichen. Beethoven, der Doch dann, nach vier Minuten des Stau- einer Schicht auf, neben, unter, zwischen sich im Mai 1825 wegen seinen diver- nens und Sinnierens, kommt der Durch- der anderen. Unter dem Spassigen, Lau- Durch diese vielseitigen Einflüsse ent- sen wiederkehrenden gesundheitlichen bruch, von Beethoven mit neue Kraft ten und Surrealen, unter all dem Klamauk stand also dieses Werk, offenbar weder Beschwerden in Baden bei Wien zur Kur fühlend überschrieben, und der Genesene treten also andere Schichten hervor. Reto statisch noch schön, sondern vor allem befindet, weiss, wie schlecht es um ihn springt frohlockend von seinem Kranken- Bieri wird hier nochmals nachdrücklich stormy. Wir hören der Klarinette zu, die gestanden hat. Als es ihm wieder bes- bett auf und tanzt noch im Spitalhemd und emotional, diesmal nicht aus Freude uns Geschichten erzählt von wilden Lei- ser geht, widmet er seinem Doktor nicht durch die Morgensonne. Leider wurde an der künstlerischen Gestaltung, son- denschaften und langen, durchtanzten nur einen Kanon mit den Worten «Doktor Beethoven schon während des Kompo- dern, weil er auch andere Gedanken, Ideen Nächten; sie tritt in Dialog mit der Geige, sperrt das Thor dem Todt, Note hilft auch nierens in Baden von diversen Beschwer- und Anliegen in diesem Abendprogramm die sich durch schräge, schnelle Tonab- aus der Not». Er komponiert auch den den wieder eingeholt. Vielleicht kommt verarbeitet hat. Sein inniger Wunsch ist, folgen schrammt, um immer wieder neue dritten Satz seines 15. Streichquartetts es daher, dass bei diesem Stück jedes dass sich am Schluss des Abends das Momente der musikalischen Ekstase zu und versieht diesen mit dem Zusatz: Hei Mal bei Euphorie die Melancholie nicht Publikum nicht nur gut unterhalten hat, erzeugen. Während von Statik also tat- liger Dankgesang eines Genesenen an die weit weg ist, ein Wechselbad der Gefühle sondern dieses Gefühl entsteht: Doch, sächlich nicht die Rede sein kann, sind Gottheit, in der lydischen Tonart. Er ver- von atemberaubender musikalischer was hier dargestellt wurde, das bewegt andere Teile des Werks so schön, dass es arbeitet also musikalisch die Erleichte- Schönheit. etwas in mir, worüber ich nachdenken wehtut. Gerade, wenn die Klarinette dem rung, nochmals mit dem Leben davonge- möchte. Der heutige Abend geht auch Ton im zweiten Teil genug Platz einräumt, kommen zu sein. Egal ob Euphorie oder Melancholie: Im mich etwas an. um auch dem Schmerz eine Gestalt zu heutigen Konzert markiert das Stück geben, ist es genau diese Leidenschaft unüberhörbar das Ende der Nacht. Beet- Fortsetzung Seite 10 und storminess, die das Werk zur perfek- hoven gelingt neben dieser eleganten ten Gesamtkomposition macht. Form des Dankes ganz nebenbei auch noch die perfekte Vertonung eines Son- Mit einem ruhigen dritten Teil – dem Teil nenaufgangs, dieses Spektakel, das trotz der Auferstehung – schliesst sich der des langsamen Tempos eine einzigartige Kreis. Es brodelt zwar weiterhin unter Dramatik entwickelt. Am Ende dieses 8 9
Biografien bestimmen kann, was ich machen will, Reto Bieri – Gastgeber, Klarinetten, oder nur zu sehr kleinen Teilen. Die meis- Leitung, Konzept ten Eindrücke und Informationen dringen Im Zentrum steht bei diesem Programm auf mich ein, ohne dass ich darüber ent- Der Schweizer Klarinettist und Improvi- also das Phänomen der Verschränkung: scheiden kann.» Wer jetzt denkt, dass sator Reto Bieri ist seit über 20 Jahren über Xenakis kommt Golijov kommen dies eine typische Krankheit der Genera- als Solist und Kammermusiker unter- Schubert und Beethoven, genauso, wie tion Smartphone darstelle, dem sei ent- wegs. Gegenwärtig sorgt er als ehemali- wir auch im Alltag immer gleichzeitig gegengehalten, dass Bieri natürlich kei- ger Intendant mit seinen ausgetüftelten und überlappend mit mehreren Schich- nes hat. Vielleicht genau deswegen. und poetischen Themenabenden «à la ten von Informationen, Ideen, Gedanken DAVOS FESTIVAL» in Kooperation mit ver- und Eindrücken konfrontiert sind. «Mich Gleichzeitigkeit ist bei diesem Abend- schiedenen Kammerorchestern und in fasziniert an der Musik, dass sie die ein- programm also nicht nur im Inhalt zu fin- Zusammenarbeit mit langjährigen Kam- zige Kunst ist, die diese Gleichzeitigkeit den, in der Gleichzeitigkeit von Traum und mermusikpartner:innen – allen voran mit darstellen kann. Durch die Augen sehen Wirklichkeit, von Heiligkeit und Profanität, der Violinistin Patricia K opatchinskaja – wir immer nur eines nach dem anderen. von Witz und Wahnsinn oder in der Form, für frischen Wind in der klassischen Reto Bieri Und auch, wenn wir im Alltag glauben, in der Gleichzeitigkeit von Pop, Klassik, Musikszene. Reto Bieri ist als Musiker © Marco Borggreve beim Multitasking mehrere Dinge gleich- Klezmer und Choral. Sie widerspiegelt regelmässig zu Gast bei renommierten zeitig erledigen zu können, konzentrieren sich auch im Programm als Gesamtkom- Orchestern, verschiedenen Festivals und wir uns neurologisch gesehen lediglich in position, in der Gleichzeitigkeit von Kla- bekannten Institutionen. Beim Münchener Schriftsteller Gerhard Meier, dem Musiker schneller Abfolge auf eine Aufgabe nach mauk und Tiefgang, von Leichtigkeit und Kult-Label ECM erscheinen seine CD-Auf- Eberhard Feltz und dem Clown Dimitri. der anderen. Klang aber kann sich über- Schwermut, und vor allem auch in der nahmen, zuletzt das hochgelobte Album lagern, Musik kann gleichzeitig stattfin- Gleichzeitigkeit von Unterhaltung und «quasi morendo» zusammen mit dem Von 2013 bis 2018 war Reto Bieri Inten den», erklärt Bieri. berauschender musikalischer Ästhetik. meta4 Streichquartett aus Finnland. dant des DAVOS FESTIVAL – young artists in concert. Von 2012–2022 unterrichtete Diese Gleichzeitigkeit in Schichten bringt Hannah Plüss Aufgewachsen ist Reto Bieri mit Schwei- er als Professor für Kammermusik an der aber auch mit sich, dass man sich im All- zer Volksmusik. Nach wichtigen Erfahrun- Hochschule für Musik in Würzburg. 2022 tag vieler Eindrücke nicht verwehren gen als Tanzmusiker in Wirtshäusern und folgte dann der Ruf an die Hochschule kann. Das Radio in der Lobby, das Stim- einer Ausbildung zum Grundschullehrer für Musik und Theater München, wo er mengewirr im oberen Stock, der Lärm der studierte er zunächst an den Musikhoch- seitdem als Professor für Kammermusik Strasse, all diese Bruchstücke des Lebens schulen von Basel und Zürich, später tätig ist. Er lebt mit seiner Familie abge- dringen zu uns allen durch, ob wir wollen dann an der berühmten Juilliard School of schieden in den Schweizer Bergen im Ber- oder nicht. Bieri formuliert das so: «Man Music in New York. Wesentlich beeinflusst ner Oberkand. wird für etwas interessiert», im Passiv. wurde er durch den Komponisten György «Ich finde das bedenklich, dass ich nicht Kurtág und die Begegnungen mit dem Fortsetzung Seite 12 10 11
Lara Stanic – Audio-Design, Tonspur, Radio Nachtschicht Lara Stanic ist Musikerin, Komponistin, Lara Stanic ist als Komponistin und Per- Performance- und Medienkünstlerin. formerin in den Bereichen zeitgenössi- sche Musik, Musiktheater, Klangkunst Sie studierte klassische Musik an der und Performance Art tätig. Die Verbin- Musikhochschule Zürich und an der dung von elektronischen und digitalen Hochschule Musik und Theater Bern/ Medien mit dem Körper des Musikers Biel. Anschliessend folgten das «Offene sowie Konzert- und Interpretensitua- Musikdiplom» mit Schwerpunkt Neues tionen sind häufige Themen ihrer perfor- Musiktheater sowie das Diplom in elek- mativen Arbeiten. In den Experimenten tronischer Musik an der Hochschule der mit Elektronik versucht sie, der Technik Künste in Bern. verspielte, poetische Wirkung abzuge- winnen. Ihre Arbeiten führt sie an Musik und Performance Art Festivals im In- und Markus Güdel Ausland auf. © Philippe Stutz Markus Güdel – Licht-Design Der Luzerner Markus Güdel (*1983) ist 2003 gründete er die Lichttechnikfirma seit 2003 als gefragter freischaffender light.vision Lichttechnik GmbH und ist Lichtdesigner in der gesamten Schweiz dort seither als Geschäftsführer und tätig. Sein fundiertes Wissen über die Projektleiter tätig. Neben seiner kultu- Beleuchtung von komplexen Bühnenpro- rellen Tätigkeit berät und vertritt er seit jekten baut der geigenspielende Autodi- Herbst 2015 als Rechtsanwalt unter dem dakt in jahrelanger beruflicher Tätigkeit Label kulturjurist.ch Kulturschaffende immer weiter aus. Aus der Zusammen- rund um Rechtsfragen im Kulturbereich. arbeit mit zahlreichen Regisseuren und Dramaturgen heraus verfestigte er sein Wissen über die Möglichkeiten, mit Licht Räume und Emotionen zu schaffen. Seine künstlerische Tätigkeit findet Eingang in die Lichtgestaltung und technische Lei- Lara Stanic tung bei Musicals, Theater-, Konzert- © Kathrin Schulthess und Crossover-Projekten. 13 12
CAMERATA BERN 1. Violine Viola Suyeon Kang (Leitung) Anna Puig Torné Simona Bonfiglioli Alejandro Mettler Lily Higson-Spence Friedemann Jähnig Mascha Wehrmeyer Cello 2. Violine Thomas Kaufmann Michael Brooks Reid Gabriel Wernly Christina Merblum Bollschweiler Vlad Popescu Kontrabass Simone Roggen Käthi Steuri Impressum Redaktion: CAMERATA BERN CAMERATA BERN Lektorat: Seidel – Lektorat & Text, Bern © Julia Wesely Gestaltung: diff. Kommunikation AG, Bern Druck: Tanner Druck AG, Langnau Änderungen vorbehalten. Danke 15 14
Nächstes Konzert Wohin aber gehen wir Samstag, 4. Juni 2022 — 17.00 Uhr Bern, Zentrum Paul Klee — Suyeon Kang – Leitung und Violine Gabrielle Brunner – Konzept und Composer in Residence Werke von Henze, Brunner, Schubert und Weiteren Weitere Informationen finden Sie unter cameratabern.ch
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