Nachhaltiges Wirtschaften im (Übungsfirmen-)Unterricht - Hintergrundinformationen zum Thema "Nachhaltiges Wirtschaften" sowie zehn ...

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Nachhaltiges Wirtschaften im (Übungsfirmen-)Unterricht - Hintergrundinformationen zum Thema "Nachhaltiges Wirtschaften" sowie zehn ...
Nachhaltiges Wirtschaften
                 im (Übungsfirmen-)Unterricht

                                  Hintergrundinformationen
                                  zum Thema
                                  „Nachhaltiges Wirtschaften“
                                  sowie zehn Unterrichtsbausteine
                                  für den Einsatz im
                                  (Übungsfirmen-)Unterricht.

Im Auftrag von                           Ein Projekt des

                                                           www.umweltbildung.at
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2   Impressum

                Impressum:

                Herausgeber: Umweltdachverband GmbH

                Verleger und Bezugsadresse:
                FORUM Umweltbildung im Umweltdachverband
                Strozzigasse 10, 1080 Wien
                Tel.: 0043-1-402 47 01
                Fax: 0043-1-402 47 01-51
                E-Mail: forum@umweltbildung.at
                www.umweltbildung.at

                Redaktion: Mag.a Anna-Maria Wiesner, Corinna Gartner, MSc
                Autorinnen: Corinna Gartner, MSc, Michaela Aschenbrenner
                Lektorat: Mag.a Theresa Heitzlhofer, Mag.a Nora Niemetz
                Layout: Mag. art. Christoph Rossmeissl
                           Druck: Gedruckt nach der Richtlinie des Österreichischen Umweltzeichens
                           „Schadstoff­arme Druckerzeugnisse“
                           Druckerei Janetschek GmbH, UWNr. 637

                Wir danken ACT (Servicestelle der österreichischen Übungsfirmen), der ARGE kaufmännischer
                Übungsfirmen Österreichs und der ARGE humanberuflicher Übungsfirmen Österreichs für
                die Unterstützung bei der Erstellung der Broschüre. Insbesondere danken wir Mag.a ­Andrea
                Gintenstorfer, Mag. Dr. Peter Krauskopf, Mag. Johannes Lindner, MMag.a Sabine Schnabl,
                MMag.a Beate Tötterström, Mag.a Birgit Wagner.

                Wien, September 2013

                Das FORUM Umweltbildung ist eine Initiative des Bundesministeriums für Land- und Forstwirt-
                schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Abt. II/3 Nachhaltige Entwicklung und Umweltförder-
                politik) und des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (Abt. I/6 Politische und
                Europapolitische Bildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Umweltbildung, Wirtschafts-
                erziehung und VerbraucherInnenbildung, Verkehrserziehung).
                Projektträger: Umweltdachverband gem. GmbH

                Ein Projekt des                                                    Im Auftrag des:
3

  Nachhaltiges Wirtschaften
im (Übungsfirmen-)Unterricht

         Hintergrundinformationen zum Thema
              „Nachhaltiges Wirtschaften“
     sowie zehn Unterrichtsbausteine für den Einsatz
             im (Übungsfirmen-)Unterricht.
4   Inhalt

             Inhalt

              1. Einleitung                                                             5

              2. Theoretische Grundlagen                                                7

                 2.1. Nachhaltiges Wirtschaften - Einführung                            7

                 2.2. Nachhaltiges Wirtschaften – Ansätze aus der Unternehmenspraxis   10
                 2.2.1. Corporate Social Responsibility (CSR)                          10
                 2.2.2. Social und Sustainability Entrepreneurship                     15
                 2.2.3. Gemeinwohlökonomie                                             17
                 2.2.4. Green Economy – Green Jobs                                     20
                 2.2.5. Ökobilanz (Life Cycle Assessment)                              22
                 2.2.6. Cradle to Cradle (C2C)                                         23
                 2.2.7. Umweltmanagementsysteme (UMS)                                  25
                 2.2.8. Nachhaltigkeitsberichte                                        28
                 2.2.9. Der ökologische Fußabdruck                                     30
                 2.2.10. Das Österreichische Umweltzeichen                             31

                 2.3.   Verwendete und weiterführende Quellen:                         32

              3. Übersichtsgrafik Unterrichtsbausteine                                 36

              4. Methodische Ansätze für den (Übungsfirmen-)Unterricht                 38

                 4.1. Kleine Unterrichtsbausteine                                      38
                 4.1.1. Mein ökologischer Fußabdruck                                   38
                 4.1.2. Sustainopreneurship am Beispiel des Boutiquehotel Stadthalle   40
                 4.1.3. Gemeinwohlökonomie – ein Wirtschaftsmodell der Zukunft?        42
                 4.1.4. Nachhaltigkeitsberichte analysieren                            44
                 4.1.5. Das Allmendedilemma am Beispiel des Fischteichspiels           46

                 4.2. Große Unterrichtsbausteine                                       48
                 4.2.1. Ein nachhaltiges Geschäftsmodell für die ÜFA                   48
                 4.2.2. ÜFA-Check: Wie nachhaltig wirtschaften wir?                    50
                 4.2.3. Eine Gemeinwohlmatrix für unsere ÜFA                           52
                 4.2.4. Eine SWOT-Analyse für unsere ÜFA                               54
                 4.2.5. Unser erster Nachhaltigkeitsbericht                            56

              5. Methodensammlung                                                      58

              6. Interessante Links und Materialien                                    71

                 6.1.   Weiterführende Links                                           71

                 6.2.   Weitere Materialien des Forum Umweltbildung                    72
Einleitung   5

Liebe Lehrerinnen und Lehrer,

die vorliegende Broschüre „Nachhaltiges Wirtschaften im (Übungsfirmen-)Unterricht“
wurde vom FORUM Umweltbildung im Auftrag des Lebensministeriums entwickelt. Die Ziel-
gruppe der Broschüre sind LehrerInnen, die das Thema Nachhaltiges Wirtschaften im Unter-
richt behandeln möchten.

Das Ziel der Broschüre ist es, Lehrende und Lernende für das Thema Nachhaltiges Wirtschaften
zu sensibilisieren und ihnen die Bedeutung einer nachhaltigen (Unternehmens-)Entwicklung
bewusst zu machen. Speziell im Übungsfirmenunterricht sollen sie die Möglichkeit erhalten,
ihre eigene Arbeit hinsichtlich einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zu reflektieren und zu ge-
stalten. Folgende Fragestellungen werden dabei u.a. thematisiert:

•   Wie kann ein nachhaltiges Geschäftsmodell (für die ÜFA) aussehen?
•   Wie nachhaltig wirtschaften wir? Ein ÜFA-Check
•   Wie viele Erden würden wir benötigen, wenn jede/r so leben würde wie wir?
•   Wie viele Gemeinwohlpunkte könnte unsere ÜFA erreichen?
•   Wie erstellen wir einen Nachhaltigkeitsbericht für unsere ÜFA?
•   u.v.m.

Die Broschüre beinhaltet einerseits eine kurze Einführung in das Thema Nachhaltiges Wirt-
schaften, als auch methodische Ansätze für den (Übungsfirmen-)Unterricht, die in Form von
kleinen und großen Unterrichtsbausteinen dargestellt werden. Die Unterrichtsbausteine bieten
sich zur Umsetzung in unterschiedlichen Fächern vom Biologieunterricht über den Betriebs-
wirtschaftsunterricht bis hin zum Einsatz in Übungs- und Juniorfirmen an. Bei Durchführung
mehrerer Unterrichtsbausteine erscheint eine fächerübergreifende Zusammenarbeit sinnvoll.

Die Bausteine integrieren Methoden, die kreativ und partizipativ sind und die Lernenden zum
aktiven Mitarbeiten bzw. Mitdenken anregen. Speziell im Übungsfirmenunterricht oder beim
Einsatz in Juniorfirmen könnte die Durchführung einzelner Bausteine an eine Abteilung der
Übungs-/Juniorfirma übertragen werden, die diese dann in Form eines Fortbildungs-Work-
shops mit den MitarbeiterInnen erarbeitet.

Bitte bedenken Sie, dass es bei einigen Ansätzen weder möglich noch sinnvoll erscheint, der
Genauigkeit und Vollständigkeit des betriebswirtschaftlichen Vorbilds nachzueifern. Wichtig
ist es, den Lernenden das Thema Nachhaltiges Wirtschaften näher zu bringen und ihnen im
Sinne einer Sustainable Entrepreneuship Education das nötige Handwerkszeug zur Verfügung
zu stellen, um sich selbstständig für eine nachhaltige Entwicklung – sei es im privaten oder im
unternehmerischen Kontext – zu engagieren.

Bitte lesen Sie auch den Text auf der folgenden Seite, in dem wir Ihnen Empfehlungen
zum Einsatz der Broschüre geben.

Viel Spaß beim Durchführen im Unterricht wünscht Ihnen

das Team vom FORUM Umweltbildung!
6            Einleitung

                                      Empfehlungen zum Einsatz der
                                      Broschüre

                                      Falls Sie keine Zeit haben sollten die gesamte Broschüre durchzulesen, um sich einen Über-
                                      blick über die konkreten Einsatzmöglichkeiten in Ihrem Unterricht zu machen, hier ein paar
                                      kompakte Empfehlungen für unterschiedliche Herangehensweisen:

                                      • Sie haben schon ein recht straffes Programm in der ÜFA und daher nur wenig Zeit?
                                        Lesen Sie Kapitel 2.1., um einen kurzen Überblick über Nachhaltiges Wirtschaften zu
       Unser erster
Nachhaltigkeitsbericht
                                        bekommen und geben Sie Ihren ÜFA-MitarbeiterInnen die wichtigsten Infos weiter.
                                        Danach setzen Sie den großen Unterrichtsbaustein „Unser erster Nachhaltigkeitsbericht“
                                        (Seite 56) um, der ein absolutes Minimum darstellt.

             Nachhaltigkeits-         • Sie möchten sich intensiver mit Nachhaltigem Wirtschaften auseinandersetzen
                berichte
                   analysieren
                                        und Ihren Übungsfirmen-MitarbeiterInnen eine fundierte Weiterbildung in diesem
       Unser erster                     Bereich anbieten?
Nachhaltigkeitsbericht
                                        Dann widmen Sie sich den theoretischen Grundlagen (Kapitel 2) und setzen Sie danach
      ÜFA-Check:
     Wie nachhaltig
                                        die Unterrichtsbausteine zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Seite 44 ff, Seite 56 ff)
    wirtschaften wir?
                                        und den großen Baustein „ÜFA-Check: Wie nachhaltig wirtschaften wir?“ (Seite 50) ein.

                                      • Sie möchten eine neue nachhaltige Übungsfirma gründen und SchülerInnen in
                                        den Entwicklungsprozess des Geschäftsmodells einbinden?
     Ein nachhaltiges
    Geschäftsmodell
       für die ÜFA
                                        Dann lesen Sie sich zunächst in die theoretischen Grundlagen (Kapitel 2) zum Thema ein
                                        und setzen Sie danach den großen Unterrichtsbaustein „Ein nachhaltiges Geschäftsmodell
                                        für die ÜFA“ um.

                                      • Sie möchten Ihren ÜFA-MitarbeiterInnen ein alternatives Wirtschaftsmodell vor-
               Gemeinwohl-
               ökonomie – ein
                                        stellen und in Ihrer ÜFA etablieren?
              Wirtschaftsmodell der
                    Zukunft?
                                        Dann setzen Sie sich intensiv mit der Gemeinwohlökonomie auseinander (Seite 17 ff)
Eine Gemeinwohlmatrix                   und bauen Sie den kleinen und den großen Unterrichtsbaustein zu diesem Modell in Ihre
      für unsere ÜFA
                                        ÜFA-Arbeit ein.

             Abkürzungsverzeichnis
                                                              WICHTIG: Downloadbereich der Materialien
LP                   Lehrperson

P                    Plenum                                                               Alle für die Umsetzung der Unter-
                                                                                          richtsbausteine           benötigten
EA                   Einzelarbeit                                                         Materialien (z.B. Arbeitsblätter)
                                                                                          stehen Ihnen auf www.umwelt-
GA                   Gruppenarbeit
                                                                                          bildung.at (Initiativen > Nachhaltig-
PA                   PartnerInnenarbeit                                                   keit und Wirtschaft > Nachhaltiges
                                                                                          Wirtschaften im (Übungsfirmen-)
WH                   Wiederholung
                                                                                          Unterricht zum Download zur Ver-
AB                   Arbeitsblatt                                                         fügung. Ebenso finden Sie dort be-
                                                             nötigte Links (z.B. zu Filmen) und können weitere Exemplare der
HÜ                   Hausübung                               Broschüre bestellen.

M ..                 Material …
Theoretische Grundlagen          7

                                                                                                                       2
2.1. Nachhaltiges Wirtschaften -
Einführung1

Was ist nachhaltige Entwicklung?

Die zu den Vereinten Nationen gehörende „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung
(WCED)“ definierte im Jahr 1987 in ihrem, nach der Vorsitzenden benannten, Schlussbericht,
dem „Brundtland-Bericht“, den Begriff der nachhaltigen Entwicklung wie folgt:

„Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt,
ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen können.“
                                                              (Hauff, Brundtland-Bericht, 1987, S. 46)

Der Begriff Nachhaltigkeit hat seine Wurzeln in der Forstwirtschaft wo er be-
sagt, dass nicht mehr Holz gerodet werden soll als nachwächst, damit auch
nachkommende Generationen genügend Holz zur Verfügung haben.2 Eine

                                                                                                         ESOZ
nachhaltige Entwicklung beinhaltet nach der Mehrzahl der Autoren mindes-

                                                                                                      I
                                                                                                  LOG
tens drei Zieldimensionen: ökologische, ökonomische und soziale Ziele. Mo-

                                                                                                             IAL
han Munasinghe (1992) stellte diesen Ansatz in einem gleichseitigen Drei-

                                                                                             ÖKO
eck dar, dessen Ecken die drei Ziele abbildet. In diesem Zusammenhang wird

                                                                                                              ES
häufig auch vom Nachhaltigkeitsdreieck bzw. nach John Elkington (1994)
von den drei Säulen der Nachhaltigkeit (Triple Bottom Line) gesprochen.
                                                                                                  ÖKONOMIE
Die Produktion von Gütern und Dienstleistung wuchs bis zur aktuellen Fi-
nanzkrise kontinuierlich an, womit zahlreiche – vor allem westliche Staaten
– ein breites Wohlstandsniveau erreichen konnten. An der Verteilung der
Vermögen und Einkommen hat sich weltweit jedoch relativ wenig geändert. Durch die in-
tensive Nutzung von Ressourcen und Naturschätzen, die mit dieser Entwicklung einhergeht,
kommt es zunehmend zu problematischen ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkun-
gen. Auf die, durch eine Wirtschaftsweise des stetigen Wachstums, folgenden Konsequenzen
für Mensch und Umwelt, wurde bis dato allerdings wenig Rücksicht genommen. Dass end-
loses Wachstum auf einem begrenzten Planeten auf Dauer nicht möglich ist, dringt jedoch
immer mehr ins Bewusstsein der Menschen.

Was bewegt Unternehmen dazu Nachhaltig zu
Wirtschaften?

Unternehmen beeinflussen mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit auf vielseitige Weise das Leben
der Menschen sowie der Umwelt und tragen daher wesentliche Verantwortung für die ökono-
mischen als auch ökologischen und sozialen Folgen ihrer Handlungen. Da in den letzten Jahr-
zehnten die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen, die nachhaltigen sozialen und
ökologischen Kriterien entsprechen, stetig zunahm, sehen sich Unternehmen in Zusammen-
hang mit ihrem Handeln einem immer stärker werdenden Legitimationszwang gegenüber. Die

1
    Verwendete und weiterführende Quellen - siehe Seite 32
2
    (vgl. Rogall 2008 S. 40)
8   Theoretische Grundlagen

2
                   goodpurpose®-Studie 2012 des PR-Beratungsunternehmens Edelman zeigt auf, dass 87 Pro-
                   zent der Befragten von Unternehmen fordern, gesellschaftliche Belange genauso wichtig zu
                   nehmen, wie den Profit. Weiters sind Unternehmen zunehmend selbst von gesellschaftlichen
                   Entwicklungen, wie dem demografischen Wandel und ökologischen Herausforderungen (z.B.
                   Knappheit von Ressourcen) betroffen. Einige Unternehmen reagier(t)en bereits auf die verän-
                   derten Rahmenbedingungen und versuchen ihr Streben nach Gewinnmaximierung mit ökolo-
                   gischen und sozialen Zielsetzungen abzustimmen.

                   Am derzeitigen Höhepunkt dieser Entwicklung stehen sogenannte „Social und Sustainability
                   Entrepreneure“, welche der ökonomischen Zielsetzung nicht mehr oberste Priorität einräu-
                   men, sondern stattdessen versuchen mit kreativen (Produkt-/Dienstleistungs-)Innovationen zur
                   nachhaltigen Lösung gesellschaftlicher Probleme beizutragen.

                   Welchen Nutzen stiftet Nachhaltiges Wirtschaften einem
                   Unternehmen?

                   Nachhaltiges Wirtschaften kann einem Unternehmen in allen betrieblichen Teilbereichen ein
                   kontinuierliches Verbesserungspotenzial bringen und somit Nutzen stiften, z.B. durch

                   • Vermögenssicherung: Nachhaltigkeitsaktivitäten tragen zur Verbesserung der (Ressour-
                     cen-)Produktivität und damit zur Steigerung der Effizienz bei. Dies kann zur langfristigen
                     Sicherung der Unternehmensexistenz beitragen.

                   • Gewinnsteigerung: Auch kurzfristig lassen sich Effizienzsteigerungen durch die Aufde-
                     ckung massiver Kostenreduktionspotentiale verwirklichen.

                   • Wettbewerbsvorteile: Diese können durch Differenzierungsmerkmale gegenüber der
                     Konkurrenz und einer verbesserten Reputation verwirklicht werden. Achten Unternehmen
                     auf die Zukunftsfähigkeit ihrer Produkte und Dienstleistungen, können sie außerdem auf
                     Marktentwicklungen schneller reagieren.

                   • Qualität der Produkte und Dienstleistungen: Wenn ein Produkt oder eine Dienstleis-
                     tung hinsichtlich seiner Umweltverträglichkeit bzw. seiner Kombinierbarkeit mit anderen
                     Produkten und Dienstleistungen verbessert werden kann, wertet dies seine Qualität auf
                     und geht oft mit Kosteneinsparungen einher.

                   • Innovation: Unternehmen sichern mit Innovationen ihr langfristiges Dasein. Wenn Unter-
                     nehmen nach Lösungen für gesellschaftliche und ökologische Probleme streben, erhöhen
                     sie damit ihr Innovationspotential und ihre Zukunftsfähigkeit.

                   • Risikoreduktion und Zugang zu Finanzkapital: Tragfähige Wertschöpfungsketten,
                     transparente Kommunikation und effiziente Nutzung von Ressourcen wirken sich positiv
                     auf die Reputation eines Unternehmens aus. Eine Risikoreduktion ergibt sich auch aus der
                     Fähigkeit von Unternehmen auf gesellschaftliche Anforderungen sowie Marktentwicklun-
                     gen rasch zu reagieren. Weiters bewerten immer mehr Investoren und Finanzkapitalgeber
                     Unternehmen unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit (z.B. Dow Jones Sustainability Index).
Nachhaltige
                                                                              Theoretische
                                                                                         Unternehmen
                                                                                           Grundlagen   9

                                                                                                            2
• ArbeitsnehmerInnenbeziehungen/Attraktivität für potentielle ArbeitnehmerIn-
  nen: Es wird zunehmend schwierig für Unternehmen qualifizierte MitarbeiterInnen zu fin-
  den und zu halten. Nehmen Unternehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung sowohl
  nach innen (z.B. Attraktivität des Arbeitsplatzes, Mitgestaltungsmöglichkeiten, Transpa-
  renz) als auch außen (z.B. Vernetzung mit Bildungseinrichtungen, Umweltschutz) wahr,
  wirkt sich dies positiv auf die Motivation, Loyalität und Fluktuation der MitarbeiterInnen
  sowie die Unternehmenskultur aus.

• KundInnenbindung: Heutzutage sind VerbraucherInnen aufgeklärter wie nie zuvor und
  beziehen Umwelt- und Sozialverantwortlichkeit eines Unternehmens zunehmend in ihre
  Kaufentscheidungen mit ein. Gelebte Nachhaltigkeit kann so einerseits zur Verstärkung
  von Loyalität bestehender Kundschaft, als auch zur Gewinnung neuer AbnehmerInnen
  beitragen. Ein Nachhaltigkeitsbericht, bei dem die Entwicklung und das Engagement des
  Unternehmens ungeschönt dargestellt wird, stärkt nicht nur das Image sondern auch die
  Wettbewerbsfähigkeit auf Produkt- und Kapitalmarkt.

Wie kann Nachhaltiges Wirtschaften kommuniziert werden?

Ein Instrument um die Maßnahmen eines Unternehmens in diesem Bereich nach außen zu
kommunizieren ist der Nachhaltigkeitsbericht. Er übernimmt die Aufgabe, die im Sinne der
gesellschaftlichen Verantwortung des Unternehmens gesetzten Aktivitäten zu dokumentieren
und einer breiteren Öffentlichkeit nahe zu bringen. Eine Vielzahl an Unternehmen veröffent-
licht mittlerweile regelmäßig einen solchen Bericht, welcher meist auf der Website oder integ-
riert in den Geschäftsbericht des jeweiligen Unternehmens zu finden ist (siehe Kapitel 2.2.4.).

In den letzten Jahren haben immer mehr praktische Ansätze Nachhaltigen Wirtschaftens, die
aus dem Gedanken der Nachhaltigkeit heraus entstanden sind, in der unternehmerischen Tä-
tigkeit Einzug gehalten. Im Folgenden werden einige dieser Ansätze kurz vorgestellt.
10   Theoretische Grundlagen

2
                    2.2. Nachhaltiges Wirtschaften –
                    Ansätze aus der Unternehmenspraxis3

                           2.2.1.      Corporate Social Responsibility (CSR)

                    Reduktion von CO2-Emissionen in der Produktion, Erhöhung der MitarbeiterInnenzufrieden-
                    heit, effizienter Kapitaleinsatz, soziales Engagement in der Gesellschaft, Einführung eines
                    Betriebskindergartens, Installation eines Recyclingsystems. In Zusammenhang mit diesen und
                    ähnlichen unternehmerischen Aktivitäten fällt schnell der Begriff Corporate Social Responsibi-
                    lity (CSR). Worum handelt es sich nun genau bei diesem Begriff?

                    Versuch einer Definition

                    Die oben angeführte beispielhafte Aufzählung zeigt, dass CSR sehr vielfältige unternehmeri-
                    sche Tätigkeiten im Bereich des nachhaltigen Wirtschaftens miteinschließt. Dies liegt vor allem
                    daran, dass bis dato keine allgemein gültige einheitliche Definition für CSR existiert und das
                    Thema seit Jahren von einer laufenden wissenschaftlichen, sowie praktischen Weiterentwick-
                    lung geprägt ist. Die Europäische Kommission definierte CSR im Jahr 2001 als

                    „ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis
                    soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeiten und in die
                    Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren.“
                                                                                              (KOMM [2001] 366, S. 7)

                    Unternehmen sollen demnach – unabhängig von ihrer Größe – nicht mehr als isolierte wirt-
                    schaftliche Einheiten agieren, sondern Verantwortung gegenüber den unterschiedlichen Inte-
                    ressen ihrer zahlreichen Stakeholder übernehmen. Als Stakeholder wird jemand bezeichnet,
                    der Interesse an der Entwicklung eines Unternehmens bzw. Ansprüche gegenüber einem Un-
                    ternehmen hat (z.B. KundInnen, MitarbeiterInnen, LieferantInnen, der Staat, Medien etc.).
                    Die Ansprüche von Stakeholdergruppen können jedoch durchaus widersprüchlich zu jenen
                    des Unternehmens sein. Durch einen positiven Dialog mit den Stakeholdern können die un-
                    terschiedlichen Erwartungen identifiziert und im günstigsten Fall gemeinsam erfüllt werden.

                    2011 legte die Kommission eine neue Definition vor, in der sie unterstrich, dass CSR über ge-
                    setzliche Bestimmungen hinausgehen muss. CSR ist demnach als

                    „die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft“
                                                                                              (KOMM [2011] 681, S. 7)

                    definiert. Es geht also um Beiträge von Unternehmen zu einer nachhaltigen Entwicklung, die
                    mehr als nur die bloße Umsetzung ihrer rechtlichen Verpflichtungen gegenüber Gesellschaft
                    und Umwelt bedeuten. Das Ziel sollte ein ganzheitlicher Managementansatz sein, der lang-
                    fristige Auswirkungen auf die gesamten Aktivitäten eines Unternehmens zur Folge hat. Das
                    bedeutet, dass Unternehmen ihre soziale und ökologische Verantwortung in ihr Kerngeschäft
                    integrieren und als fixen Bestandteil in unternehmerische Entscheidungs- und Kommunikati-
                    onsprozesse verankern.

                    3
                        Verwendete und weiterführende Quellen - siehe Seite 32
Theoretische Grundlagen                  11

                                                                                                                                      2
Abgrenzung zu Corporate Citizenship

„Corporate Citizenship“ (bürgerschaftliches Engagement) gilt als verwandtes Konzept, be-
schreibt jedoch vor allem das soziale Engagement eines Unternehmens in seinem lokalen
Umfeld und kann daher als Teilaspekt von CSR angesehen werden. Ein Instrument von Cor-
porate Citizenship wäre zum Beispiel die Auftragsvergabe an eine soziale Organisation oder
Unternehmensspenden.

CSR-Reifegradpyramide

Dieses Modell dient einerseits dazu, das Engagement von Unternehmen
einzuordnen und andererseits soll dieses dabei unterstützen, CSR stra-
tegisch in ein Unternehmen zu integrieren. Je höher die Stufe, die das      CSR 3.0
Unternehmen auf der Pyramide erreicht, desto größer das Potenzial      Unternehmen als proaktive
                                                                          politische Gestalter
zur Entwicklung von gesellschaftlichem, ökologischem und öko-
nomischem Nutzen (drei Säulen der Nachhaltigkeit).
                                                                                         CSR 2.0
                                                                              unternehmerische und gesellschaftliche
Die unterste Ebene des Modells beschreibt keine CSR im                           Wertschätzung durch integriertes
                                                                              Management und integrierte Systematik
eigentlichen Sinn, da es sich dabei um eine rein passive
gesellschaftliche Verantwortung handelt, die sich le-                                CSR 1.0
diglich in der Erfüllung der Gesetze bzw. der öko-                      philantropische CSR – Social Sponsoring –
nomischen Funktion eines Unternehmens äußert.                             sowie CSR-Bausteine ohne Systematik

Viele Unternehmen befinden sich auf Ebene
CSR 1.0 der Pyramide, setzen also vor allem                                          CSR 0.0
auf philanthropische Aktivitäten wie bei-                 gesellschaftliches Engagement – Economic and Legal Responsibility
spielsweise Sponsoring oder Spenden.
Auch Corporate Citizenship fällt überwie-                CSR-Reifegradpyramide nach Andreas Schneider, Renè Schmidpeter, S. 29
gend in diese Ebene, sofern es keinem
strategischen Managementkonzept zu Grunde liegt. Werden einzelne Maßnahmen gesetzt,
die entweder nur auf eine Säule der Nachhaltigkeit abzielen oder keine systematische Einglie-
derung in die Unternehmensstrategie darstellen, befindet sich das Unternehmen ebenfalls
auf Ebene CSR 1.0. Auf dieser Ebene ist die Gefahr des bloßen „Greenwashing“ sehr groß.
Unternehmen die Greenwashing betreiben, brüsten sich mit nachhaltigem Engagement, wel-
ches entweder nicht vorhanden bzw. verschwindend klein im Verhältnis zu den negativen
sozialen und ökologischen Auswirkungen des Kerngeschäfts ist. Erst wenn eine strategische
Integration der CSR-Aktivitäten in die Unternehmenskultur erfolgt und nicht als Kosten- son-
dern Nutzenfaktor angesehen wird, erklimmt das Unternehmen die nächste Ebene (CSR 2.0).
Diese geht über die reine Symptombekämpfung (CSR 1.0) hinaus und versucht direkt bei der
Ursachenbekämpfung anzusetzen, indem schon bei der Wertschöpfung auf Nachhaltigkeit
geachtet wird. CSR 3.0 würde bedeuten, dass ein Unternehmen mit seinen Anspruchsgrup-
pen zukunftsfähige Formen des Wirtschaftens ebenso wie gesellschaftliche und politische
Rahmenbedingungen gestaltet. Auf dieser Ebene ist die Balance der drei Säulen auf jeder
Stufe der Wertschöpfung – vom Einkauf bis zur Wiederverwertung – zentral. Das Unterneh-
men gestaltet mit seinen Stakeholder-Gruppen eine zukunftsfähige, nachhaltige Form des
Wirtschaftens.
12   Theoretische Grundlagen

2
                    TRIGOS – Österreichs Auszeichnung für Corporate Social
                    Responsibility

                    Die österreichische Initiative TRIGOS, welche 2003 von VertreterInnen aus der Wirtschaft sowie
                    dem NGO-Bereich ins Leben gerufen wurde, prämiert jährlich Unternehmen, die sich durch
                    ganzheitliche Maßnahmen im CSR-Bereich auszeichnen. Dabei achtet die Jury darauf, dass
                    es sich bei den umgesetzten Aktivitäten der Unternehmen nicht um bloße Einzelmaßnahmen
                    handelt, sondern sie ihre gesellschaftliche Verantwortung als Unternehmensphilosophie wahr-
                    nehmen und strategisch in alle unternehmerischen Tätigkeiten integrieren.

                          Beispiele für GewinnerInnen des TRIGOS 2013 inkl. Jury­
                          begründung

                          Haberkorn GmbH in der Kategorie Großunternehmen

                          Jurybegründung:

                          Als Österreichs größter technischer Händler beeindruckte Haberkorn mit der nach-
                          haltigen Ausrichtung seines gesamten Produktsortiments. Durch einen umfassen-
                          den Check wurden 200.000 Artikel hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit überprüft.
                          Die signifikant hohe Zufriedenheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bestätigt
                          darüber hinaus den Erfolg der Maßnahmen im Arbeitsplatzbereich, zu denen
                          beispielsweise die Integration von schwer vermittelbaren Jugendlichen gehört.
                          Auch das gesellschaftliche Engagement des Vorarlberger Vorzeigeunternehmens
                          ist vorbildhaft und reicht von der Unterstützung von Familien in Not bis zur Förde-
                          rung regionaler Nachhaltigkeitsinitiativen. Dass unternehmerische Verantwortung
                          bei Haberkorn ganzheitlich umgesetzt wird, zeigt auch die aktive Auseinander-
                          setzung mit Klima- und Umweltschutz: Neben der kontinuierlichen Reduktion der
                          CO2-Emmissionen setzt das Unternehmen auf nachhaltige Energie und Mobilität.

                          Seminar Hotel Restaurant Retter in der Kategorie Mittelunternehmen

                          Jurybegründung:

                          Das Seminar Hotel Restaurant Retter besticht durch sein ganzheitliches Ver-
                          ständnis von Corporate Social Responsibility und die hohe Authentizität bei der
                          Umsetzung. Der steirische Vorzeigebetrieb setzt auf regionale Bio-Produkte und
                          motiviert damit in weiterer Folge auch die gesamte Region zu einer nachhalti-
                          gen Landwirtschaft. Zudem leistet das Unternehmen einen wichtigen Beitrag
                          zur regionalen Wertschöpfung. Auch die Eigeninitiative des Unternehmens zum
                          Erhalt der Biodiversität beeindruckte die Jury. Zahlreiche Maßnahmen im Um-
                          weltbereich wie das eigene Biomasse-Heizwerk, die Verwendung von Regenwas-
                          ser für Toiletten und Gartenbewässerung, Solar-Lampen und energieeffiziente
                          Steuergeräte zeigen eindrucksvoll ihre Wirkung: Jährlich werden 3 Millionen Liter
                          Trinkwasser und 900 Tonnen CO2 eingespart. Darüber hinaus honorierte die Jury
                          die wichtige Multiplikatorfunktion des Hotels: Durch die Berechnung des ökolo-
                          gischen Fußabdrucks der Gäste sowie durch das umfassende Bio-Sortiment wird
                          der Nachhaltigkeitsgedanke konsequent weitergetragen.
Gerhard Zoubek,
                                                                            Theoretische
                                                                                   ADAMAHGrundlagen
                                                                                             BioHof   13

                                                                                                           2
      Lebensart Verlags GmbH in der Kategorie Kleinunternehmen

      Jurybegründung:

      Die Lebensart Verlags GmbH gilt zu Recht als ein Pionier der Nachhaltigkeit.
      Gesellschaftliche Verantwortung wird seit jeher von der Unternehmensführung
      gelebt und mit persönlichem Engagement vorangetrieben. Als Informations-
      dienstleister hat es sich das niederösterreichische Verlags-Unternehmen zum Ziel
      gesetzt, nachhaltiges Handeln sichtbar zu machen. Ein wichtiger Meilenstein da-
      für wurde – neben dem bereits etablierten Magazin Lebensart – mit der 2012
      ins Leben gerufenen BUSINESSART gesetzt. Damit sollen vor allem Klein- und
      Mittelbetriebe bei der Professionalisierung von Corporate Social Responsibility
      unterstützt werden. Dass das Unternehmen auch selbst mit gutem Beispiel voran
      geht, zeigt eine selbst auferlegte Werbebeschränkung: So werden konsequent
      all jene Inserate abgelehnt, die dem Gedanken der Nachhaltigkeit widerspre-
      chen. Damit leistet das Unternehmen wichtige Bewusstseinsbildung innerhalb
      der gesamten Medien-Branche.

Berichterstattung

„Tue Gutes und rede darüber.“ – In diesem Sinne ist die Berichterstattung ein wichtiger Part,
der mit der Umsetzung von CSR Maßnahmen einhergeht. Sofern nachhaltiges Wirtschaften
strategisch im Kerngeschäft des Unternehmens verankert ist und es sich dabei nicht um eine
bloße Marketingstrategie handelt, spricht nichts dagegen, über die eigenen Aktivitäten zu
berichten. Im Gegenteil, Best Practice Beispiele können auch andere Unternehmen zu mehr
Engagement im Bereich nachhaltiger Entwicklung anregen und zu einer stärkeren Sensibilisie-
rung für das Thema in der Gesellschaft führen. Ein mittlerweile vor allem bei Großunterneh-
men beliebtes Medium, um sein Engagement im Bereich der nachhaltigen Entwicklung an die
Öffentlichkeit zu tragen, stellt der Nachhaltigkeitsbericht dar. Dieser enthält eine Darstellung
der Aktivitäten des Unternehmens hinsichtlich der drei Säulen einer nachhaltigen Entwicklung
(siehe 2.8.).

CSR nach gängigem Verständnis (respAct, 2009)

• ist integraler Bestandteil der Geschäftstätigkeit und wirkt sich auf alle unternehmerischen
  Entscheidungen und Unternehmensbereiche aus,

• setzt die Einhaltung von Gesetzen und die Wahrung der Menschenrechte voraus,

• ist Führungsaufgabe und braucht strategische Verankerung,

• erfordert eine systematische Umsetzung und Evaluierung in Form eines kontinuierlichen
  Verbesserungsprozesses
14   Theoretische Grundlagen

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                    UN Global Compact

                    Der United Nations Global Compact (UNGC) wurde im Jahr 2000 auf Initiative des ehemaligen
                    UN-Generalsekretärs Kofi Annan gegründet. Das Ziel des weltumspannenden Pakts aus Wirt-
                    schaft und Zivilgesellschaft ist es, die Globalisierung sozialer und ökologischer zu gestalten. Mit
                    mehr als 10.000 teilnehmenden Unternehmen ist der UN Global Compact heute das weltweit
                    größte Netzwerk für unternehmerische Verantwortung. Es sind jedoch nicht nur Unternehmen
                    eingeladen, sich am weltumspannenden Pakt zu beteiligen, sondern auch Regierungs- und
                    Nichtregierungsinstitutionen sowie Bildungseinrichtungen. Der UN Global Compact versteht
                    sich somit als Multistakeholderplattform, deren primäres Ziel es ist, den Austausch zwischen
                    den einzelnen Interessensgruppen zu fördern und Partnerschaften zustande zu bringen, die
                    gemeinsam an der Umsetzung von insgesamt 10 Prinzipien arbeiten. Diese Prinzipien betref-
                    fen Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung.

                    Kritik an CSR

                    KritikerInnen des Konzepts wenden ein, dass CSR in großen Unternehmen oft zur bloßen
                    Aufgabe von PR- und Marketingabteilungen wird, die vor allem eines forcieren: ein positives
                    Image zu generieren. In diesem Zusammenhang wird oft von „Greenwashing“ gesprochen.
                    Kritisiert wird auch, dass im Prinzip jedes Unternehmen CSR betreiben kann, unabhängig da-
                    von, ob es in seinem Kerngeschäft um fossile Energieträger, Waffen oder Pestizide geht. Kriti-
                    siert wird CSR auch insofern, dass sie zu beschränkt ist, um wirklich notwendige Veränderun-
                    gen im System voranzutreiben.
Ullrich Untermaurer,Theoretische
                                                                            HAARMONIEGrundlagen
                                                                                        Naturfrisör   15

                                                                                                           2
      2.2.2.     Social und Sustainability Entrepreneurship

Was bedeutet Social Entrepreneurship?

Unter Social Entrepreneurship (dt.: Soziales Unternehmertum, Sozialunternehmertum) versteht
man innovative unternehmerische Ansätze, deren Inhalt und Ziel es ist, gesellschaftliche Probleme
nachhaltig und großflächig zu lösen. Der englische Begriff „social“ bedeutet korrekt übersetzt
„gesellschaftlich“ und umfasst daher nicht nur soziale, sondern auch andere, die Gesellschaft
betreffende Aspekte, wie beispielsweise ökologische Gesichtspunkte. Beim Social Entrepreneur-
ship gerät die Gewinnorientierung der neoklassischen Ökonomie in den Hintergrund, stattdes-
sen steht der gemeinnützige Gedanke im Mittelpunkt. Kommt es zu einer Gewinnrealisierung,
wird der Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in das Unternehmen reinvestiert.

Jene Personen, die eine solche Geschäftsidee initiieren und anleiten, werden Social Entrepre-
neure genannt. Sie versuchen ein Geschäftsmodell zu entwickeln, mit dem sie ein gesellschaft-
liches Problem, beispielsweise in den Bereichen Bildung, Umweltschutz, Arbeitsplatzschaffung
für Menschen mit Behinderungen, Armutsbekämpfung oder Menschenrechte, nachhaltig lö-
sen. Als Social Intrapreneure werden Menschen bezeichnet, die innerhalb einer etablierten Ein-
richtung und bestehender Organisationsstrukturen innovative Ideen zur Lösung gesellschaftli-
cher Probleme anregen und umsetzen.

Als einer der Begründer des Sozialen Unternehmertums gilt der Friedensnobelpreisträger Mu-
hammad Yunus. Der Wirtschaftswissenschaftler gründete 1983 die Grameen Bank, die Mik-
rokredite an Menschen in Entwicklungsländern vergibt, sowie die Global Academy of Ashoka,
eine internationale Organisation von und für Social Entrepreneure.

Was versteht man unter „Sustainability Entrepreneurship“
(„Sustainopreneurship“)?

Der Begriff Sustainability Entrepreneurship (dt.: Nachhaltiges Unternehmertum) bzw. die Kurz-
form Sustainopreneurship entwickelte sich aus den Begriffen Social Entrepreneurship und Eco-
preneurship. Ecopreneurship (dt.: Ökologisches Unternehmertum) umfasst ökologisch innovative
und wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen. Sustainopreneure können als AkteurInnen bezeich-
net werden, die Nachhaltigkeitsinnovationen initiieren und erfolgreich umsetzen. Sie verfolgen
neben ökonomischen auch soziale und ökologische Ziele (Gerlach, 2003). Das Konzept spiegelt
die marktwirtschaftlichste Form einer Zusammenführung ökologischer, sozialer und ökonomi-
scher Ziele durch die Gründung oder Entwicklung eines Unternehmens oder Geschäftsbereichs.

Beim Sustainopreneurship geht es nicht um die bloße Optimierung von Produktionsprozessen
und Produkten zur nachhaltigen Unternehmensentwicklung, sondern vor allem um die Mitge-
staltung einer zukunftsfähigen gesellschaftlichen Entwicklung. Eine nachhaltige Entwicklung
erfordert in der Regel sehr substanzielle Veränderungen. Im Sinne Schumpeters „Schöpferi-
scher Zerstörung“ sollen Sustainopreneure daher un-nachhaltige Verhältnisse durch die Schaf-
fung nachhaltigerer Produkt- und Dienstleistungsinnovationen umkehren.
16   Theoretische Grundlagen

2
                    Abgrenzung der Begriffe Sustainability Entrepreneurship
                    (Sustainopreneurship) und Sustainable Entrepreneurhip
                    nach Andrew Abrahamsson

                    Die beiden Begriffe sind recht ähnlich und werden gerne verwechselt. „Sustainable Entre-
                    preneurship” beschreibt den unternehmerischen Prozess, in welchem die Grenzen, die durch
                    nachhaltiges Wirtschaften gesetzt werden, Beachtung finden. Das Unternehmen soll also nicht
                    mit einer bestimmten Absicht in eine spezielle Richtung geleitet werden. Die Strategie und das
                    Geschäftsmodell an sich haben nichts mit Nachhaltigkeit im eigentlichen Sinn gemeinsam,
                    Nachhaltigkeit ist lediglich ein Zusatz-Feature zu dem unternehmerischen Prozess. Im Gegen-
                    satz dazu sieht ein Sustainability Entrepreneur seine Existenzgrundlage und sein strategisches
                    Ziel im Lösen eines nachhaltigkeitsrelevanten Problems.

                    Der Sustainable Entrepreneurship Award (SEA)

                          Der sea zeichnet Projekte oder Unternehmen aus, die auf innovative Weise zu einer
                          nachhaltigen Gesellschaft beitragen. Der Award wird in unterschiedlichen Kategorien
                          vergeben. In der Kategorie „Best Project“ werden Unternehmen ausgezeichnet, die im
                          Rahmen neuer Impulse soziale, ökonomische und ökologische Verantwortung überneh-
                          men. Projekte, die sich noch in der Entwicklungsphase befinden, aber bereits Potential
                          haben zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen, können in der Kategorie „Best
                          Idea“ eingereicht werden. Für den „sea Excellence“ kann man sich nicht bewerben, er
                          wird an Personen mit außergewöhnlichen Verdiensten verliehen.

                          Beispiele für GewinnerInnen des SEA 2013

                          Best Project: Nuru Energy Africa (www.nuruenergy.com)
                          Nuru Energy aus Südafrika hat eine portable und mobile LED-Leuchte entwickelt,
                          die einen sehr geringen Energiebedarf aufweist. Mit dem „Power Cycle Pedal“
                          können unterschiedliche Stromverbraucher unabhängig vom Stromnetz aufge-
                          laden werden. Der Vertrieb wird im ländlichen Raum durch lokale Mikrounter-
                          nehmen gesteuert, die durch den Vertrieb der alternativen Energieprodukte ka-
                          pitalisiert werden. Damit wird angestrebt, dass zwei Milliarden Menschen ohne
                          Stromnetz Zugang zu Strom haben.

                          Kategorie „Integration & Soziales“: Career Moves, Österreich
                          (www.careermoves.at)
                          Career Moves aus Österreich ist die erste Online-Jobinitiative, bei der sich Men-
                          schen mit Einschränkung völlig chancengleich bewerben können. In weniger als
                          drei Jahren wurden von insgesamt 300 Unternehmen 5000 Jobangebote für
                          Menschen mit Behinderung veröffentlicht. Die Plattform vernetzt zudem Unter-
                          nehmen und Arbeitssuchende mit Organisationen und Behörden und sorgt für
                          konkrete Informationsvermittlung.

                    Der SEA wird in sechs weiteren Kategorien von „Klima, Umwelt & Energie“ bis hin zu „Stadt-
                    und Regionalentwicklung“ verliehen. Zudem wird jährlich die beste Idee („Best Idea“) und der
                    „sea of Excellence“ prämiert.
Michaela Reitterer, Theoretische
                                                                          BoutiquehotelGrundlagen
                                                                                        Stadthalle   17

                                                                                                          2
      2.2.3.    Gemeinwohlökonomie

Das Konzept der Gemeinwohlökonomie stellt ein alternatives Wirtschaftsmodell dar,
welches auf Werten wie Menschenwürde, Mitgefühl, Solidarität, Gerechtigkeit, öko-
logische Verantwortung und Demokratie aufbaut. Als inhaltliche Grundlage des
Modells fungiert das gleichnamige Buch des Globalisierungskritikers Christian Felber.
Die Initiative, die 2010 startete und bereits von über 1200 Unternehmen aus mehr
als 15 Staaten unterstützt wird, wurde in Zusammenarbeit zahlreicher AkteurInnen
aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft entwickelt. Die Gemeinwohlökonomie ver-
sucht ein marktwirtschaftliches System zu verwirklichen, das nicht konkurrenzorientiert,
sondern kooperativ agiert.

Die Vision

Die Gemeinwohlökonomie baut darauf auf, durch Solidarität und Kooperation das Gemein-
wohl der Gesellschaft zu erhöhen. Die Gewinnmaxime von Unternehmen wird von jener der
Gemeinwohlsteigerung abgelöst. Unternehmen erstellen Gemeinwohlbilanzen anstatt Finanz-
Bilanzen und werden anhand dieser bewertet und in Zukunft durch Steuererleichterungen,
öffentliche Aufträge, günstigere Kredite etc. belohnt. Die Gemeinwohlbilanz misst also den
unternehmerischen Erfolg. Der Finanzgewinn wird als zu aussageschwach angesehen, wenn
es um die eigentlichen Ziele des Wirtschaftens, wie beispielsweise Bedürfnisbefriedigung, Mit-
bestimmung, Geschlechterdemokratie, ökologische Nachhaltigkeit geht. Die Vermehrung des
Finanzgewinns ist nicht mehr das eigentliche Ziel des Wirtschaftens, sondern nur noch Mittel
zum Zweck. Der neue Unternehmenszweck ist die Gemeinwohlsteigerung. Finanzielle Über-
schüsse aus dem Unternehmenserfolg sollen in sozial nachhaltige Projekte investiert werden.
Das ständige Streben nach Unternehmenswachstum soll damit zurückgedrängt werden. Die
Initiative versucht auf politischer Ebene rechtliche Veränderungen zu bewirken und innerhalb
der Gesellschaft die Bewusstseinsbildung für einen Systemwandel zu fördern.

Gemeinwohl-Bilanz, -Matrix und Berichterstattung

Die „Gemeinwohl-Bilanz“ misst, wie oben erwähnt, den Beitrag eines Unternehmens zum
Gemeinwohl, welcher über rechtliche Verpflichtungen hinausgeht. Jeder Beitrag eines Unter-
nehmens wird mit Punkten positiv bewertet, wobei bei den insgesamt 17 Indikatoren maximal
1.000 Gemeinwohl-Punkte erzielt werden können. Konventionelle Unternehmen würden mit
ca. -100 bis 0 Punkten starten, die bisher erfolgreichsten Unternehmen haben zwischen 600
und 700 Punkte erreicht.

Die Gemeinwohl-Matrix (siehe Seite 19) dient zur Visualisierung der 17 Bilanz-Indikatoren
bzw. für pädagogische und politische Zwecke sowie Öffentlichkeitsarbeit. Auf der x-Achse
der Matrix werden die Werte (1. Menschenwürde, 2. Solidarität, 3. Ökologische Nachhaltig-
keit, 4. Soziale Gerechtigkeit, 5. Demokratische Mitbestimmung und Transparenz) dargestellt.
Auf der y-Achse befinden sich die Berührungsgruppen des Unternehmens (A. LieferantInnen,
B. GeldgeberInnen, C. MitarbeiterInnen inkl. EigentümerInnen, D. KundInnen/ Produkte/
Dienstleistungen/ Mitunternehmen, E. Gesellschaftliches Umfeld) sowie die Negativ-Kriterien.
Im Feld C4 (Soziale Gerechtigkeit/MitarbeiterInnen) könnte ein Unternehmen nachweisen,
dass es eine gerechte Verteilung der Einkommen lebt. Negativ-Kriterien wären beispielswiese
menschunwürdige Produkte (z.B. Atomstrom), grobe Verstöße gegen Umweltauflagen, die
Verhinderung eines Betriebsrates etc. – diese werden mit Negativpunkten geahndet.
18   Theoretische Grundlagen

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                    Gemeinsam mit dem „Gemeinwohlbericht“, welcher die Aktivitäten innerhalb der einzelnen
                    Indikatoren näher beschreibt und dem „Testat“, das am Ende des Auditprozesses von ex-
                    ternen AuditorInnen ausgestellt und dokumentiert wird, stellt die „Gemeinwohl-Bilanz“ das
                    Gesamtpaket des Bilanzierungsprozesses dar.

                    Kritik am Modell der Gemeinwohlökonomie

                    Es existieren Stimmen, die Aussagen des dem Modell zu Grunde liegenden Buches kritisieren
                    bzw. einige Folgen eines solchen Systems als problematisch ansehen. Zum Teil wird angezwei-
                    felt, ob ein solches System konsensfähig und eine weltweite wirtschaftliche und politische
                    Kooperation realistisch ist. Die Mehrheit der kritischen Stimmen unterstreicht dennoch die
                    Notwendigkeit eines Systemwandels.

                          Beispiele für Unternehmen mit Gemeinwohlbilanz

                          Unternehmen bis 15 MitarbeiterInnen:
                          • em-faktor (Dienstleistung, Werbeagentur) – www.em-faktor.de
                          • Weltweitwandern (Reiseveranstalter) – www.weltweitwandern.at
                          • Waldkindergarten St. Andrä Wördern (Kindergarten) – www.derwaldkinder-
                            garten.at

                          Unternehmen 15–99 MitarbeiterInnen:
                          • B.it Büroservice & IT GmbH (IT Unternehmen) – www.bitservice.at
                          • Göttin des Glücks (Bekleidung) – www.goettindesgluecks.at
                          • Märkisches Landbrot (Bio-Bäckerei) – www.landbrot.de

                          Unternehmen über 100 Personen:
                          • Schirnhofer GmbH (Fleisch- und Wurstwaren) – www.schirnhofer-gmbh.at
                          • Sonnentor (Biologische Lebensmittel) – www.sonnentor.com
                          • Sparda Bank München (Bankwesen) – www.spardabank.de

                          Weitere Unternehmen mit Gemeinwohlbilanz finden Sie unter www.gemeinwohl
                          -oekonomie.org
geMeInWOhL-MAtrIX 4.1
Diese Version gilt für alle Bilanzen, die ab dem 15. März 2013 für das zurückliegende
Bilanzjahr eingereicht werden.

                    Wert                                                                                                 Ökologische                                                            Demokratische Mitbestim-
                                      Menschenwürde                                solidarität                                                              soziale gerechtigkeit
 Berührungsgruppe                                                                                                       nachhaltigkeit                                                            mung & transparenz

 A) LieferantInnen             A1: ethisches Beschaffungsmanagement Aktive Auseinandersetzung mit den Risiken zugekaufter Produkte / Dienstleistungen, Berücksichtigung sozialer und
                               ökologischer Aspekte bei der Auswahl von LieferantInnen und DienstleistungsnehmerInnen                                                                                                            90
 B) geldgeberInnen             B1: ethisches Finanzmanagement Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte bei der Auswahl der Finanzdienstleistungen; gemeinwohlorienterte Veranlagung und Finanzierung
                                                                                                                                                                                                                                 30
 C) MitarbeiterInnen           C1: Arbeitsplatzqualität und             C2: gerechte Verteilung der             C3: Förderung ökologischen              C4: gerechte Verteilung des            C5: Innerbetriebliche Demokratie
                               gleichstellung                           erwerbsarbeit                           Verhaltens der MitarbeiterInnen         einkommens                             und transparenz
 inklusive
                               mitarbeiterorientierte Organisations-    Abbau von Überstunden, Verzicht auf     Aktive Förderung eines                  Geringe innerbetriebliche              Umfassende innerbetriebliche Trans-
 eigentümerInnen               kultur und –strukturen, Faire Beschäf-   All-inclusive-Verträge, Reduktion der   nachhaltigen Lebensstils der            Einkommensspreizung (netto),           parenz, Wahl der Führungskräfte
                               tigungs- und Entgeltpolitik, Arbeits-    Regelarbeitszeit, Beitrag zur           MitarbeiterInnen (Mobilität,            Einhaltung von Mindesteinkommen        durch die Mitarbeiter, konsensuale
                               schutz und Gesundheitsförderung          Reduktion der Arbeitslosigkeit          Ernährung), Weiterbildung und           und Höchsteinkommen                    Mitbestimmung bei Grundsatz- und
                               einschließlich Work-Life-Balance/                                                Bewusstsein schaffende                                                         Rahmenentscheidungen, Übergabe
                               flexible Arbeitszeiten, Gleichstellung                                           Maßnahmen, nachhaltige                                                         Eigentum an MitarbeiterInnen.
                               und Diversität                      90                                     50    Organisationskultur             30                                      60     Z.B. Soziokratie                 90
 D) KundInnen /                D1: ethische Kundenbeziehung             D2: solidarität mit Mitunternehmen      D3: Ökologische gestaltung der          D4: soziale gestaltung der produk-     D5: erhöhung der sozialen und
                               Ethischer Umgang mit KundInnen,          Weitergabe von Information, Know-       produkte und Dienstleistungen           te und Dienstleistungen                ökologischen Branchenstandards
 produkte /
                               KundInnenorientierung/ - mitbe-          how, Arbeitskräften, Aufträgen,         Angebot ökologisch höherwertiger        Informationen/Produkten/Dienstleis-    Vorbildwirkung, Entwicklung von
 Dienstleistungen /            stimmung, gemeinsame Produktent-         zinsfreien Krediten; Beteiligung an     Produkte/Dienstleistungen;              tungen für benachteiligte KundInnen-   höheren Standards mit
 Mitunternehmen                wicklung, hohe Servicequalität, hohe     kooperativem Marketing und              Bewusstsein schaffende Maßnahmen;       Gruppen. Unterstützung förderungs-     MitbewerberInnen, Lobbying
                               Produkttransparenz                       kooperativer Krisenbewältigung          Berücksichtigung ökologischer           würdiger Marktstrukturen.
                                                                 50                                       70    Aspekte bei der KundInnenwahl 90                                        30                                       30
 e) gesellschaftliches         e1: sinn und gesellschaftliche Wir-      e2: Beitrag zum gemeinwesen             e3: reduktion ökologischer              e4: gemeinwohlorientierte gewinn-      e5: gesellschaftliche transparenz
                               kung der produkte/Dienstleistungen       Gegenseitige Unterstützung und          Auswirkungen                            verteilung                             und Mitbestimmung
 umfeld:
                               P/DL decken den Grundbedarf oder         Kooperation durch Finanzmittel,         Reduktion der Umweltauswirkungen        Sinkende/ keine Gewinnausschüttung     Gemeinwohl- oder Nachhaltig-
 Region, Souverän,
                               dienen der Entwicklung der Menschen      Dienstleistungen, Produkte,             auf ein zukunftsfähiges Niveau: Res-    an Externe, Ausschüttung an Mitar-     keitsbericht, Mitbestimmung von
 zukünftige Generationen,
                               /der Gemeinschaft/der Erde und           Logistik, Zeit, Know-How,               sourcen, Energie & Klima, Emissionen,   beiter, Stärkung des Eigenkapitals,    regionalen und zivilgesellschaftlichen
 Zivilgesellschaft,
                               generieren positiven Nutzen.             Wissen, Kontakte, Einfluss              Abfälle etc.                            sozial-ökologische Investitionen       Berührungsgruppen
 Mitmenschen und Natur                                           90                                     40                                       70                                     60                                       30
                                                                                                                                                                                                                                        Heini Staudinger, Waldviertler

 negativ-Kriterien             Verletzung der ILO-Arbeitsnormen/        Feindliche Übernahme          -200      Illegitime                              Arbeitsrechtliches Fehlverhalten       Nichtoffenlegung aller
                               Menschenrechte               -200                                                Umweltbelastungen             -200      seitens des Unternehmens       -200    Beteiligungen und Töchter      -100
                                                                        Sperrpatente                  -100
                               Menschenunwürdige                                                                Verstöße gegen                          Arbeitsplatzabbau oder Standort-       Verhinderung eines
                               Produkte, z.B. Tretminen,                                                        Umweltauflagen                 -200     verlagerung bei Gewinn       -150      Betriebsrats                   -150
                                                                        Dumpingpreise                 -200
                               Atomstrom, GMO                 -200
                                                                                                                                                                                                                                                                  Theoretische

                                                                                                                Geplante Obsoleszenz                    Umgehung der Steuerpflicht   -200      Nichtoffenlegung aller Finanzflüsse
                               Beschaffung bei / Kooperation mit                                                (kurze Lebensdauer der                                                         an Lobbies / Eintragung in das
                                                                                                                                                        Keine unangemessene Verzinsung
                               Unternehmen, welche die                                                          Produkte)                      -100                                            EU-Lobbyregister               -200
                                                                                                                                                        für nicht mitarbeitende
                               Menschenwürde verletzen
                                                                                                                                                                                                                                                                       Schuhwerkstatt

                                                             -150                                                                                       Gesellschafter              -200       Exzessive Einkommens-
                                                                                                                                                                                               spreizung                      -100
Detaillierte Beschreibung zu den Indikatoren finden sich im Handbuch zur Gemeinwohlbilanz auf www.gemeinwohl-oekonomie.org und im Redaktionswiki unter https://wiki.gwoe.net/display/Redaktion/Home.
                                                                                                                                                                                                                                                                               Grundlagen
                                                                                                                                                                                                                                                                                      u. GEA

Rückmeldungen an die jeweiligen Redakteure sind sehr erwünscht.

 Quelle: www.gemeinwohl-oekonomie.at
                                                                                                                                                                                                                                        19

                                                                                                                                                                                                            2
20   Theoretische Grundlagen

2
                          2.2.4.     Green Economy – Green Jobs

                    Was versteht man unter Green Economy?

                    „Green Economy ist eine Wirtschaftsweise, die zu erhöhtem menschlichen Wohlbefinden
                    und mehr sozialer Gerechtigkeit führt, während sich gleichzeitig Umweltrisiken und
                    ökologische Knappheit deutlich verringern“
                                                                                 (Towards a Green Economy, UNEP, 2011).

                    Diese Definition des Begriffs Green Economy (dt.: Grüne Wirtschaft) stammt aus dem Um-
                    weltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und stellt eine mögliche Erläuterung des po-
                    pulären Schlagwortes dar. Ein einheitlicher internationaler Konsens über den Begriff „Grüne
                    Wirtschaft“ existiert bis dato jedoch nicht. Durch die Wirtschaftskrise der letzten Jahre sowie
                    dem Fortschreiten des internationalen Klimaschutzes erlebt die Green Economy, die erstmals
                    Ende der 1980er Jahre in Folge des Brundtland-Berichts zum Thema wurde, weltweit eine
                    Renaissance.

                    Stimmen, die meinen, dass sich wirtschaftliche Entwicklung und ökologische Nachhaltigkeit
                    zwingend ausschließen, belehrte die UNEP 2011 in ihrem Konzept zur Green Economy eines
                    Besseren. Dort erklärt sie, dass es evidente Nachweise dafür geben würde, dass ein „Vergrü-
                    nern“ der Wirtschaft weder den Wohlstand noch die Beschäftigung hemmt. Im Gegensatz
                    existieren in diesem Sektor bei Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen durch die
                    politischen EntscheidungsträgerInnen zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten in dieser Hinsicht.

                    Für den Begriff Green Economy gibt es keine einheitliche Definition, er umfasst jedoch die Idee,
                    die Ökonomie mit der Ökologie auszusöhnen und betont dabei die Bedeutung der Umwelt-
                    wirtschaft zur Erreichung von ökologischen als auch von ökonomischen Zielen. Die Grundidee
                    der Green Economy beruht dabei auf der Tatsache, dass einerseits die unterschiedlichen Res-
                    sourcen und andererseits auch die Kapazität zur Schadstoffaufnahme der Erde und zur Kom-
                    pensation von Umweltschäden begrenzt sind. Daraus wird der Bedarf an Umweltmaßnahmen
                    abgeleitet, wobei die derzeitigen Umweltprobleme auch als Begründung dafür dienen, dass
                    teils große Investitionen in technologische Lösungen von Umweltproblemen, die wiederum
                    Arbeitsplätze (Green Jobs) schaffen könnten, notwendig wären.

                    Was sind eigentlich Green Jobs?

                    International wird in Zusammenhang mit Green Economy von einem vielversprechenden
                    Beschäftigungspotential in Form von sogenannten „Green Jobs“ gesprochen. Darüber, wel-
                    che Berufe zu den Green Jobs gehören, existiert derzeit jedoch ebenfalls kein internationaler
                    Konsens. Die EU definiert Green Jobs als „Arbeitsplätze in der Herstellung von Produkten,
                    Technologien und Dienstleistungen, die Umweltschäden vermeiden und natürliche Ressour-
                    cen erhalten“. Solche Arbeitsplätze sind in den unterschiedlichen Sparten, wie beispielsweise
                    erneuerbare Energien, nachhaltiges Bauen und Sanieren sowie Wasser- und Abwasserma-
                    nagement, aber auch im Handel vorzufinden. Die Definition der International Labour Organi-
                    zation (ILO) geht etwas weiter, indem sie nicht nur die Reduktion der Umweltauswirkungen
                    miteinschließt, sondern auch impliziert, dass Green Jobs zu ökologisch, ökonomisch und sozial
                    nachhaltigen Unternehmen und Wirtschaftsformen führen. Im österreichischen „Masterplan
                    Green Jobs“ wird der Beitrag zum Umweltschutz als Hauptzweck von grünen Arbeitsplätzen
                    genannt. Weiters sollen sie langfristig dafür sorgen, die Lebensqualität zu erhöhen.
Theoretische
                                                                                  Roland Berger,
                                                                                            Grundlagen
                                                                                                 APIS-Z   21

                                                                                                               2
In der EU-Strategie „Agenda 2020“ ist die Rede von drei Millionen zusätzlichen Green Jobs,
die durch entsprechende wirtschafts- und beschäftigungspolitische Maßnahmen geschaffen
werden können. Im österreichischen Masterplan ist von 100.000 zusätzlichen Jobs in der Um-
weltwirtschaft bis 2020 die Rede. Hierbei handelt es sich jedoch nicht, wie oft angenommen,
um ausschließlich technische Fachkräfte mit Umweltqualifikationen. Die meisten Green Jobs
sind beispielsweise im Bereich „Management der Energieressourcen“ angesiedelt. Da Wasser-
kraft eine erneuerbare Energiequelle darstellt, zählen dazu alle Beschäftigten der österreichi-
schen Energieversorgungsunternehmen.

Nachhaltigkeit erlangt einen immer größeren Stellenwert in der Gesellschaft, weshalb Unter-
nehmen vermehrt nach MitarbeiterInnen mit „grünen“ Zusatzqualifikationen, sogenannten
„Green Skills“, suchen. Zu diesen zählen beispielsweise umweltbezogenes Fachwissen, aber
auch Teamfähigkeit und Flexibilität. Aspekte der Qualität von Arbeit finden jedoch keinen
Niederschlag im Konzept der Green Jobs, was bedeutet, dass ein Green Job nicht automatisch
auch ein Good Job sein muss. Ein durch die Green Economy geschaffener Arbeitsplatz kann
zwar helfen die Umwelt zu schützen, dafür aber schlechte Arbeitsbedingungen und unange-
messene Entlohnung mit sich bringen.

Kritik an Green Economy

Kritisch ist dabei anzumerken, dass die Unterscheidung von grünen und nicht-grünen Arbeits-
plätzen aufgrund einer fehlenden einheitlichen Definition zum Teil sehr unscharf ist. Ebenso
stellt nicht jeder Green Job die Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes dar. Steigt beispielsweise
ein Landwirt von konventioneller auf biologische Landwirtschaft um, entsteht zwar ein neuer
„Green Job“, ein neuer Arbeitsplatz wird dadurch jedoch nicht geschaffen. Laut dem Institut
für Höhere Studien (IHS) ist die Zunahme von Green Jobs daher primär auf die Veränderung
traditioneller Jobs zurückzuführen. Da weite Teile der Stromversorgung, die gesamte Abfal-
lentsorgung, aber auch Teile der Automobilindustrie (etwa aufgrund der Produktion von Rußp-
artikelfiltern oder Müllwägen) der Green Economy zugerechnet werden, bedeutet eine wach-
sende grüne Wirtschaft aber nicht automatisch auch ökologischen Fortschritt. Das Wachsen
der Umweltwirtschaft kann auch einfach auf mehr Abfall, einen höheren Energieverbrauch
oder mehr Verkehr zurückzuführen sein. Der umweltfreundliche öffentliche Verkehr wird bis
dato aus den Green Jobs Erhebungen ausgeklammert.

Der Hauptkritikpunkt, vor allem unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit, ist, dass soziale Aspekte
in dieses Konzept keinen Eingang finden. Auch werden Verteilungsfragen ausgegrenzt, ob-
wohl Umwelt- und Verteilungsfragen in einem sehr engen Zusammenhang stehen. Beispiels-
weise sind Umweltbelastungen und sich daraus ergebende Schäden ungleich verteilt. Sozial
benachteiligte Personen sind tendenziell stärker betroffen.

Und eine wachsende Green Economy lässt mit dem bestehenden Konzept momentan nicht
darauf schließen, dass zu einer Umweltverbesserung beigetragen wird, denn streng genom-
men kann es auch bedeuten, dass z.B. mehr Abfall anfällt oder der Energiekonsum steigt.
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