Natur in Berlin - Mythos Fledermaus Wie Forscher ihnen auf die Spur kommen Wo wir sie in Berlin beobachten können

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Natur in Berlin - Mythos Fledermaus Wie Forscher ihnen auf die Spur kommen Wo wir sie in Berlin beobachten können
Ausgabe 1/2021

   Landesverband Berlin
                            Natur in Berlin
                                         Mit dem Exkursionsprogramm
                                                     von März bis Juni

Mythos Fledermaus
Wie Forscher ihnen auf die Spur kommen
Wo wir sie in Berlin beobachten können
Natur in Berlin - Mythos Fledermaus Wie Forscher ihnen auf die Spur kommen Wo wir sie in Berlin beobachten können
AKTUELLES   
LIEBE MITGLIEDER,                                                                                                          Petition Flughafensee                                        3
                                                                                                                           Eisvogel-Nisthilfe                                           5
LIEBE FREUNDINNEN UND FREUNDE DES NABU,                                                                                    Vergiftete Greifvögel                                        5
                                                                                                                           Artenschutz-Seminare                                         6
                                       für uns alle war 2020 ein schwieriges Jahr.                                         Fachgruppe Feldherpetologie                                  7
                                       Dennoch konnten wir viel erreichen, und
                                       trotz Corona hatten unsere neuen, vom                                               SCHWERPUNKT FLEDERMÄUSE

                                       Senat geförderten Projekte „Artenschutz                                             Unbekannte Nachttiere                                        8
                                       am Gebäude“ und „Hymenopterenschutz“                                                Was kann ich für Fledermäuse tun?                            9
                                                                                                                           Die Fachgruppe BatCity                                      10
                                       einen guten Start – nicht zuletzt, weil die
                                                                                                                           Tipps zur Fledermaus-Beobachtung                            11
                                       Kolleg*innen flexibel reagierten und mit
                                       vielen ihrer geplanten Veranstaltungen in
                                                                                                                           SPEKTRUM
                                       den virtuellen Raum auswichen.
                                                                                                                           Novellierung der Bauordnung                                12
                                       Neben Haussperlingen und Mauerseglern
                                                                                                                           Wasservogelzählung                                         13
                                       stehen vor allem die Fledermäuse im                                                 Vogelschlag am BER                                         14
                                       Mittelpunkt des Projekts „Artenschutz am
                                       Gebäude“. Dies nehmen wir zum Anlass,                                               NABU VOR ORT
                                       den oft zu Unrecht gefürchteten, noch                                               Der Schäfersee                                              17
                                       immer wenig erforschten Nachttieren den
                                       Schwerpunkt dieses Heftes zu widmen.                                                BERLINER MITBEWOHNER
Lesen Sie mehr über Breitflügelfledermaus, Abendsegler & Co. ab Seite 8.                                                   Die Weiden-Sandbiene                                        16
Zu den weniger erfreulichen Entwicklungen des vergangenen Jahres zählt, dass
uns unsere langjährige Geschäftsführerin Jutta Sandkühler Ende Dezember ver-                                               TERMINE UND KONTAKTE                                        19
lassen hat, um in ihre alte Heimat Hamburg zurückzukehren. Jutta Sandkühler
hat den NABU Berlin in den letzten fünf Jahren maßgeblich geprägt und weiter-
entwickelt; nicht zuletzt dank ihres Engagements konnten wir die oben genann-
ten Projekte angehen. Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlich für ihren uner-
müdlichen und erfolgreichen Einsatz und ihr Bemühen, allen Mitarbeiter*innen
des NABU Berlin eine gute Arbeitsatmosphäre zu schaffen.
Besonders am Herz liegt Jutta Sandkühler das Schicksal des Flughafensees in
Tegel, dessen Zukunft nach der Schließung des Airports ungewiss ist. Mehr als
8.700 Bürger*innen unterzeichneten innerhalb von vier Monaten unsere Petition
für die Unterschutzstellung des Naturjuwels – ein riesiger Erfolg für unsere On-
line-Aktion. Mitte April wird Umweltsenatorin Regine Günther die Unterschriften
entgegennehmen. Bis dahin haben wir hoffentlich die magische Zahl von 10.000
Unterschriften erreicht!                                                                                            Enten zählen
Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung und wünsche viel Spaß beim Lesen.
                                                                                                                    Seit mehr als 50 Jahren beteiligen

                                                                                                                    sich NABU-Aktive jeden Winter an der

                                                                                                                    Wasservogelzählung. Leider gehen
1. Vorsitzender NABU Berlin
                                                                                                                    die Bestände zurück.                           Seite 14

                                                                                                                                                                     IMPRESSUM
NABU Berlin e.V., Wollankstraße 4, 13187 Berlin; 1. Vorsitzender: Rainer Altenkamp, 2. Vorsitzende: Kerstin Brümmer, Geschäftsführung: N.N. ; www.nabu-berlin.de, www.facebook.com/
NABU-Berlin; Herausgeber (V.i.S.d.P.): Rainer Altenkamp (ra); Redaktion und Layout: Alexandra Rigos (ar); Schlussredaktion: Alexandra Vogels; Redaktionelle Beiträge Regina Eidner,
Janna Einöder, Stephan Härtel, Anton Kulmus, Andreas Otto, Ansgar Poloczek, Alexandra Rigos, Lisa Söhn, Jens Scharon, Kerstin Schötschel, Imke Wardenburg (iw); Anzeigendaten:
NABU Berlin e.V., Wollankstraße 4, 13187 Berlin, Tel.: (030) 9860837-18, arigos@nabu-berlin.­de; Mediadaten unter www.nabu-berlin.de; Erscheinungsweise vierteljährlich; Nächster Re-
daktionsschluss 06.05.21, nächster Veranstaltungszeitraum Juli-September 2021; Papier 100% Recycling, Auflage 13.300, Druck Dierichs Druck + Media GmbH, Kassel; Bildnachweis:
Titel: Breitflügelfledermaus: Eckhard Grimmberger, S.2: Rainer Altenkamp: Carmen Baden, Aquarell Schellente: Regina Eidner, S.3: Flughafensee: Alexandra Rigos, Haussperlinge: Nicola
Heyde, S. 5: Bau Eisvogelnisthilfe: Karsten Matschei, Einflugloch: Antje Stavorinus, Janna Einöder: Annika Friedrich; S.6: Mauersegler: Werner Bartsch, S. 7: Amphibien-Aktion: Jens Scha-
ron, toter Mäusebussard: Katrin Koch, S. 8: Großes Mausohr im Flug und hängend: Otto Schäfer, S.9: Jagende Wasserfledermaus: Dietmar Nill, Geißblatt: Helge May, S. 10: Fledermäuse
auf Dachboden, Monitoring: Christoph Schötschel, S. 11: alle Fotos: Eckhard Grimmberger, Grafik Fledermaussilhouette: zaie / Freepik, S.12: Schottergarten: Iris Barthel,
S. 13: Ölbild Gänsesäger: Regina Eidner, S.14: Terminal BER: Arne Müseler / arne-mueseler.com, Waldschnepfe: Lars Lachmann, Kollisionsspur: Claudia Wegworth/BUND, S.15: Schäfer-
see, Gruppenbild: Projektgruppe Schäfersee, S.16: Weiden-Sandbiene: Bildagentur Zoonar GmbH/shutterstock.com, Böschung und Nesteingang: Stephan Härtel, S. 18: Störche: Doro-
thea Bellmer, U4: Anzeigengestaltung: Moira Burges, Stockente: Malte Tschertner, Hinweise der Redaktion: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der
Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen und Bearbeitung von Beiträgen vor. Der NABU Berlin haftet nicht für unverlangt eingesandte Beiträge. Das Magazin und alle in ihm
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NATUR IN BERLIN 1/21
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                                                                                       weis auf Personalmangel und andere Pri-
                                                                                       oritäten der SenUVK jedoch ab.
                                                                                       Allerdings hat die SenUVK ihr Personal
                                                                                       in anderen Bereichen, etwa für die Aus-
                                                                                       weisung von Radwegen, beträchtlich
                                                                                       aufgestockt. „Warum ist das für den
                                                                                       Naturschutz nicht möglich?", fragt der
                                                                                       Berliner NABU-Vorsitzende Rainer Alten-
                                                                                       kamp, „offensichtlich sind Flächesiche-
                                                                                       rung und Naturschutz für die Senatorin
                                                                                       nachrangige Ziele."
                                                                                       Indessen werden bei der städtebaulichen
                                                                                       Planung in Tegel bereits Fakten geschaf-
  Im Vogelschutzreservat am Flughafensee                                               fen: Im Januar legte die Senatsverwaltug
                                                                                       für Stadtentwicklung ein „Quartiers-
                                                                                       handbuch“ vor, das Architekten und

8.753 Stimmen für die Natur in Tegel
                                                                                       Bauherren Orientierung geben soll.
                                                                                       Darin sind zwar viele positive Ansätze
                                                                                       enthalten, etwa autofreie Straßen, aber
Jetzt muss der Senat Konsequenzen ziehen                                               zugleich wird die angrenzende Tegeler
                                                                                       Stadtheide, die zumindest in Teilen un-
Die erste Online-Petition des NABU Ber-     Im Dezember hat Umweltstaatssekretär       ter Naturschutz gestellt werden müsste,
lin war ein Erfolg: Bis Redaktionsschluss   Stefan Tidow endlich auf den entspre-      im wesentlichen als Sport- und Spielflä-
haben 8.753 Unterstützer*innen unseren      chenden Antrag des NABU Berlin geant-      che präsentiert.
Appell unterzeichnet, die artenreichen      wortet, den wir bereits im Juli an die     Der Bezirk Reinickendorf wiederum
Naturoasen am ehemaligen Flughafen          Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr       plant bereits die Neuordnung eines Ge-
Tegel umgehend unter Naturschutz zu         und Klimaschutz (SenUVK) geschickt         biets, das auch den Flughafensee um-
stellen. Mitte April will Umweltsenato-     hatten. Tidow spricht sich in seinem       fasst. Mitte Februar fand dazu eine
rin Regine Günther die Unterschriften       Schreiben zwar prinzipiell für ein Na-     Begehung mit dem Planungsbüro und
persönlich entgegennehmen.                  turschutzgebiet am Flughafen Tegel aus,    Vertreter*innen des NABU Berlin statt.

Naturerfahrung im Netz
Neue Online-Angebote des NABU
                                            Spatz bleibt König der Wintervögel
Berlin erfolgreich gestartet                Neuer Beteiligungsrekord bei NABU-Zählaktion
Immer wieder dasselbe Spiel: Kann die       Mehr Vogelfreund*innen, weniger Vögel      viele Vögel im Wald, wo sie noch genug
Exkursion stattfinden – oder kann sie       – das ist, kurz gesagt, das Ergebnis der   Nahrung finden, statt Futterstellen in
nicht? Während es letzten Sommer ein        diesjährigen „Stunde der Wintervögel“      Menschennähe aufzusuchen.
paar „reale“ Veranstaltungen gab, muss-     Mitte Januar. Sowohl bundesweit als        Auffallend zugelegt haben der Star, der
ten wir im Winter alle Führungen und        auch in Berlin verzeichnete der NABU       immer häufiger den Winter hier ver-
Vorträge absagen. Viele Exkursionsleiter    einen neuen Beteiligungsrekord: 6.451      bringt, statt gen Süden zu ziehen, und
hatten sich umsonst vorbereitet, viele      Berliner*innen machten mit, das sind       die Ringeltaube. Dass auch die Straßen-
Interessent*innen wurden enttäuscht.        74 Prozent mehr als 2020. Vermutlich       taube einen großen Zuwachs verzeichne-
Um Naturfreund*innen trotz anhalten-        hat die Corona-Pandemie mit all ihren      te, dürfte vor allem an ihrer Medienkar-
der Pandemie ein attraktives Angebot        Einschränkungen dazu geführt, dass sich    riere als Top-Kandidat bei der Wahl zum
zu machen, hat der NABU Berlin deshalb      so viele Menschen der Natur vor ihrer      „Vogel des Jahres 2021“ liegen.
Anfang des Jahres eine Online-Seminar-      Haustür widmeten.
reihe gestartet, die sehr gut angenom-      Spitzenreiter in Ber-
men wurde. Insbesondere die Webinare        lin war – wie immer –
des Hymenopterendienstes rund um            der Haussperling, des-
Hummeln, Wespen und Hornissen er-           sen Zahl im Vergleich
freuten sich großer Beliebtheit und ver-    zu 2020 sogar leicht
zeichneten insgesamt mehrere Hundert        zunahm.
Anmeldungen. Auch im Frühjahr wird          Hingegen     machten
es einige digitale Veranstaltungen des      sich Meisen und Fin-
NABU Berlin geben, unter anderem Vo-        ken rar, was wohl an
gelstimmenseminare mit unserem Ar-          der recht milden Wit-
tenschutzreferenten Ansgar Poloczek.        terung lag. In war-
                                                                                                       Haussperlinge im Wedding
Nähere Informationen auf Seite 18.          men Wintern bleiben

                                                                                                               NATUR IN BERLIN 1/21
Natur in Berlin - Mythos Fledermaus Wie Forscher ihnen auf die Spur kommen Wo wir sie in Berlin beobachten können
4 | AKTUELLES / MEINUNG

                                                                        Semi-virtueller Spaziergang
                                                                        BG Mitte erprobt neuartige,
  Einladung zur Mitgliederversammlung                                   pandemiegerechte Veranstaltung
  des NABU Berlin                                                       Als eine bereits ausgebuchte Vogelfüh-
                                                                        rung am Havelufer Anfang Dezember
  am Mittwoch, 19. Mai 2021, um 18.00 Uhr                               schweren Herzens abgesagt werden
                                                                        musste, setzte die Bezirksgruppe Mitte
                                                                        spontan eine coronataugliche Alter-
  Wegen der Corona-Pandemie findet die diesjährige Mitglieder-          nativ-Veranstaltung an: Die Idee der
  versammlung digital statt.                                            „Na(h)-Tour“ war, in einem Kiez nach
                                                                        Wahl allein oder in Zweierteams herum-
  Wir bitten um Anmeldung an mv2021@nabu-berlin.de.                     zustreifen. Dabei waren nach Art einer
                                                                        Rallye verschiedene Aufgaben zu lösen:

  Tagesordnung:                                                         etwa, drei Spatzentrupps zu finden und
                                                                        ihren Aufenthaltsort zu notieren, eine
                                                                        im Dezember noch blühende Pflanze
  TOP 1 		             Begrüßung und Bericht des Vorstands für 2020     zu fotografieren oder Spuren eines wild
  TOP 2 		             Finanzen 2020                                    lebenden Säugetiers zu dokumentieren.
  TOP 3		              Bericht der Kassenprüfer                         Anschließend galt es, dem Exkursi-
  TOP 4 		             Aussprache und Entlastung des Vorstands          onsleiter die Resultate zu übermitteln
  TOP 5		              Perspektiven 2021                                und sich per Videokonferenz bei einer
  TOP 6 		             Finanzplan 2021                                  Tasse Tee über die Entdeckungen aus-
  TOP 7 		             Wahl der Delegierten für die                     zutauschen. Das Angebot wurde gut
                       Bundesvertreterversammlung                       angenommen. Zwar kamen die meisten
  TOP 8 		             Bericht der NAJU Berlin                          Teilnehmer*innen aus der Gruppe, doch
  TOP 9 		             Sonstiges                                        waren auch einige Externe dabei.

  Einladung zur Mitgliederversammlung
  der NAJU Berlin
  am Mittwoch, 7. April 2021, um 18.00 Uhr
  Aufgrund der aktuellen Covid-19-Pandemie und der nicht vor-
  hersehbaren Entwicklung wird die diesjährige Mitgliederver-
  sammlung hybrid durchgeführt.

  Wir bitten um vorherige Anmeldung an mail@naju-berlin.de.

  Tagesordnung:
  TOP 1 		             Begrüßung, Feststellung der Beschlussfähigkeit
  TOP 2 		             Wahl von Sitzungsleitung und Protokoll
  TOP 3		              Beschluss der Tagesordnung
  TOP 4 		             Protokollkontrolle und –beschluss
  TOP 5		              Bericht 2019 und 2020
  TOP 6 		             Haushalt 2019 und 2020
  TOP 7 		             Entlastung des Vorstands
  TOP 8 		             Wahlen
  TOP 9 		             Haushalt 2021 und Ausblick 2021
  TOP 10		             Wahl der Delegierten zur Bundesdelegierten-
  		                   versammlung
  TOP 11		             Anträge
  TOP 12		             Sonstiges

NATUR IN BERLIN 1/21
Natur in Berlin - Mythos Fledermaus Wie Forscher ihnen auf die Spur kommen Wo wir sie in Berlin beobachten können
AKTUELLES | 5

                                                                                             kommentar
                                                                                             Der Wert der Natur

                                                                                             Janna Einöder
                                      Unterkonstruktion der Niströhre, Nesteingang (links)   Pressesprecherin NABU Berlin

                                                                                             „Vögel machen glücklicher als Geld“, so das

Ein Quartier für den Eisvogel
                                                                                             Fazit einer vielzitierten Studie des Sencken-
                                                                                             berg-Instituts in Frankfurt. Die Befragung
                                                                                             von 26.000 Menschen aus ganz Europas er-
Gruppe Treptow-Köpenick baut Nisthilfe                                                       gab, dass die Anzahl der Vogelarten in der
                                                                                             Umgebung stärker mit dem Wohlbefinden der
Einen fischenden Eisvogel hatte ein Mit-    im Dezember mit Schaufel, Werkzeug               Menschen korreliert als das Einkommen. Joel
glied der neu gegründeten Bezirksgrup-      und Betonfertigteilen am Seeufer an.             Methorst und seine Kolleg*innen berechneten
pe Treptow-Köpenick zwar am Müggel-         Der Wurzelteller eines kürzlich umge-            sogar ganz genau: 14 Vogelarten mehr in der
see gesichtet. Ob der gewandte Jäger am     stürzten Baums simulierte geradezu ide-          Umgebung machen zufriedener als zehn Pro-
schilfgesäumten Ufer allerdings auch        al einen senkrechten Abhang. In diese            zent Gehaltserhöhung.
nisten konnte, bezweifelten die NABU-       Struktur bauten die Aktiven eine Röh-            Das klingt zunächst einmal gut: Geld ist nicht
Aktiven.                                    re mit angrenzendem Brutkasten ein.              alles, auch Artenvielfalt macht glücklich! Auf
Eisvögel graben Tunnel in steile Uferbö-    Um die Fertigteile für die zukünftigen           den zweiten Blick wirft die Studie aber Fragen
schungen, die in eine Bruthöhle mün-        Bewohner attraktiv zu machen, kleide-            auf: Zum einen ist eine Korrelation keine Kau-
den. Darin legen sie dann Ende März         ten die Naturfreund*innen Röhre und              salität. Menschen in einer vogelreicheren Um-
oder Anfang April ihre sechs bis acht       Kasten mit Lehm und Sand aus. Zum                gebung könnten ja aus anderen Gründen zu-
Eier. Das Müggelsee-Ufer ist mit geeigne-   Schluss ging es mit Watanzug und Gum-            friedener sein. Interessanterweise macht eine
ten Stellen jedoch nicht reich gesegnet.    mistiefeln ins Wasser, um Lücken um              hohe Vielfalt von Säugetieren oder Bäumen die
Um das Wohnungsangebot für den tür-         den Höhleneingang herum mit Lehm zu              Menschen laut Studie nicht glücklicher.
kisblau schillernden Vogel zu erweitern,    stopfen und das gesamte Konstrukt mit            Zum anderen führt diese Argumentation auf
rückten die Treptower Aktiven deshalb       Erde, Laub und Geäst zuzudecken.                 ein gefährliches Gleis. Denn auch wenn es das
                                                                                             Anliegen der Forscher war zu zeigen, dass Ar-
                                                                                             tenvielfalt wertvoll und deshalb schützenswert
Wer vergiftet Greifvögel auf dem Friedhof Wollankstraße?                                     ist, so leitet sich dieser Wert doch von ihrem
Mehrere ungeklärte Totfunde im Herbst 2020                                                   Nutzen für uns Menschen ab. Aber hat Na-
                                                                                             tur nur dann einen Wert, wenn sie uns etwas
Zwei Mäusebussarde und ein Habicht          fall oder natürlicher Tod unwahrschein-          bringt? Oder anders gefragt: Wenn 14 Vogel-
wurden zwischen Oktober und Dezem-          lich ist. Bereits in früheren Jahren waren       arten mehr die Menschen zufriedener machen,
ber 2020 tot auf dem Friedhof St. Elisa-    auf dem Friedhof Greifvögel vergiftet,           14 Baumarten zusätzlich aber nicht, sind die
beth in der Wollankstraße aufgefunden.      2016 zudem eine mit einem Giftköder              Bäume dann wertlos? Und was ist eigentlich
Zumindest zwei der Tiere waren in bester    präparierte Taube entdeckt worden.               mit Wespen, Spinnen und Blattläusen, die uns
körperlicher Verfassung, so dass ein Un-    Der NABU Berlin hat die toten Vögel              gelegentlich die gute Laune verhageln?
                                            dem Institut für Zoo- und Wildtierfor-           Vor dem Hintergrund von Klimakrise und
                                            schung (IZW) übergeben, das die Tiere            Artensterben ist es wichtiger denn je, den
                                            auf Giftspuren untersucht. Wir bitten            Menschen Wertschätzung für die Natur
                                            alle Besucher*innen des Friedhofs St.            und Artenvielfalt zu vermitteln. Auch, aber
                                            Elisabeth, auf verdächtige Aktivitäten           nicht nur, weil sie uns Menschen nützt. Aber
                                            zu achten. Wer dort einen toten oder ge-         Vogelfreund*innen werden mir beipflichten:
                                            schwächten Vogel findet, sollte ihn kei-         Die Natur mit ihren komplexen Ökosystemen
                                            nesfalls anfassen, da die möglicherweise         und der faszinierenden Artenvielfalt hat einen
  Toter Mäusebussard                        eingesetzten Kontaktgifte auch für Men-          Eigenwert, der sich jeglicher Kosten-Nutzen-
                                            schen gefährlich sein können!                    Rechnung entzieht!

                                                                                                                        NATUR IN BERLIN 1/21
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6 | AKTUELLES

Fachleute vom Bau offen für Naturschutz
Schulungen des Projekts „Artenschutz am Gebäude“ gut nachgefragt
„Viele Fakten waren neu für mich.         bei Renovierungs- und Umbaumaßnah-            geförderten Projekts „Artenschutz am
Danke für die Inspirationen, ich werde    men zu berücksichtigen ist.                   Gebäude“ des NABU Berlin hielten im
einiges davon umsetzen!“, so die Rück-    Schulungsinhalte sind, neben der recht-       letzten Jahr 22 Schulungen mit insge-
meldung einer Architektin, die an einer   lichen Situation, auch die Schaffung          samt etwa 500 Teilnehmer*innen ab.
Schulung zum Thema „Artenschutz am        zusätzlicher Fortpflanzungs- und Ruhe-                                       Imke Wardenburg
Gebäude“ des NABU Berlin teilgenom-       stätten sowie
men hat.                                  von Nahrungs-
Zwar sei sie schon lange im Geschäft,     habitaten     im
aber so richtig hatte sie die gebäude-    Bestand      und
besiedelnden Vogel- und Fledermaus-       beim Neubau.
arten dabei nicht auf dem Schirm. So      Erfeulicherwei-
wie ihr ging es vielen Architekt*innen,   se sind viele Ak-
Energieberater*innen und Planer*innen,    teure vom Bau
die an einer der regelmäßig angebote-     offen für den
nen Artenschutz-Schulungen teilnah-       Naturschutz,
men.                                      und auch in
Dass sich Zwerg- und Breitflügelfleder-   den     Berliner
mäuse ebenso wie Mauersegler, Haus-       Hochschulen
sperling und Hausrotschwanz in Hohl-      ist das Thema
räumen des Mauerwerks oder unter          angekommen.
Dachziegeln einquartieren, ist keine      Die beiden Mit-
Seltenheit. Die Tiere und ihre Lebens-    arbeiterinnen
stätten sind ganzjährig geschützt, was    des vom Senat                 An unsanierten Häusern finden Mauersegler gute Nistmöglichkeiten .

NATUR IN BERLIN 1/21
Natur in Berlin - Mythos Fledermaus Wie Forscher ihnen auf die Spur kommen Wo wir sie in Berlin beobachten können
AKTUELLES | 7

Rückblick auf 40 Jahre FG Feldherpetologie
Amphibienschwund und wenig Interesse: Fachgruppe gibt auf
                                                                                                Interessierte teil, so dass keine kontinu-
                                                                                                ierliche Fachgruppenarbeit mehr erfolgte.

                                                                                                Engagement nötiger denn je
                                                                                                Natürlich ist es weiterhin notwendig,
                                                                                                sich für die Lurche und Kriechtiere in
                                                                                                Berlin einzusetzen. Der Schutz noch vor-
                                                                                                handener oder durch Bauprojekte gefähr-
                                                                                                deter Vorkommen, die Sicherstellung
                                                                                                einer ausreichenden Wasserführung in
                                                                                                den Laichgewässern, die Vernetzung der
                                                                                                Vorkommen durch einen Biotopverbund
                                                                                                und die Umsetzung funktionaler Ersatz-
                                                                                                maßnahmen sind nur einige Themen.
                                                                                                Zumindest bis auf weiteres wird es aber
                                                                                                keine Fachgruppe Feldherpetologie im
                                                                                                NABU Berlin mehr geben. Stattdessen
                                                                                                werden wir sporadisch Vortragsabende,
                                                                                                Besuche von Vorkommen heimischer
Wartung der Amphibienschutzanlage an der Schönerlinder Chaussee im Frühjahr 2019                Lurche und Kriechtiere sowie Besich-
                                                                                                tigungen von Ersatzmaßnahmen im

A
       lles begann am 21. Februar 1979,            Die nun im NABU Berlin organisierte          NABU-Programm anbieten.
       als sich an heimischen Lurchen              Fachgruppe Feldherpetologie erfasste          Jens Scharon, seit 2002 Sprecher der Fachgruppe
       und Kriechtieren interessierte              weiterhin Lurche und Kriechtiere, deren
Menschen aus dem Berliner Raum im                  Bestandsgrößen und -entwicklungen,           Anzeigen
Museum für Naturkunde versammelten.                strebte Schutzgebietsausweisungen an
Was als fachlicher Austausch und Be-               und betrieb praktischen Artenschutz.
ginn einer methodischen Erfassung der
Vorkommen für einen Verbreitungsatlas              Forum für Fachleute
begann, wurde schnell Motor des prak-              Sie war ein Forum, in dem sich Fachleute
tischen Naturschutzes. Gerade in dieser            aus der Verwaltung und Sachverständige
Zeit wollten sich viele DDR-Bürger*innen           mit ehrenamtlich tätigen Naturschüt-
für die Natur engagieren.                          zern austauschten. Gemeinsam mit Na-
Und so trat die Erfassung der Arten gegen-         turschutzämtern, Verbänden und ABM-
über umfangreichen Arbeitseinsätzen,               Trägern errichtete sie allein im Jahr 2004
vor allem zur Pflege von Laichgewässern,           rund 5.600 Meter Schutzzaun an Straßen
in den Hintergrund. Bald wurden die Ver-           und setzte über 22.300 Amphibien um.
anstaltungsräume zu klein, Bezirksgrup-            Mittlerweile hat der Bedarf an prakti-
pen in Weißensee, Marzahn, Köpenick                schen Schutzmaßnahmen wegen des
und Hohenschönhausen gründeten sich.               massiven Rückgangs der Amphibien
Neben den Pflegearbeiten engagierten sie           stark abgenommen. Besuche an traditio-
sich für eine Unterschutzstellung noch             nellen Laichgewässern lohnen sich kaum
vorhandener Laichgewässer. Nicht ohne              noch. Ursache des Rückgangs ist vor al-
Erfolg: Als erstes Flächennaturdenkmal             lem die Austrocknung der Gewässer, aber
mit herpetologischer Bedeutung wurde               auch die zunehmende Waschbärenpopu-
1979 das Kleingewässer „Am Teichberg“              lation und fehlende Pflegemaßnahmen
in Karow gesichert, weitere folgten.               in den Biotopen spielen eine Rolle.
                                                   Hinzu kommt, dass Erfassung und
Keimzelle des NABU                                 Schutz der Amphibien und Reptilien seit
Neue Möglichkeiten brachte die Wende.              2015 vom Senat organisiert werden, ohne
Doris Nabrowsky gründete im Frühjahr               die bis dahin tätigen Akteure angemes-
1990 den damals noch auf die DDR be-               sen einzubinden.                             Erholung mit dem Hauch Abenteuer
schränkten NABU mit, aus dem zusam-                Auch wurde es zuletzt immer schwieri-        Segelurlaub auf der Ostsee: Entdecke die
men mit dem im Westen aktiven „Deut-               ger, Themen und Referent*innen für die       prächtige dänische Inselwelt mit dem Segelschiff
schen Bund für Vogelschutz“ der heutige            Fachgruppentreffen zu finden. Aus all        BANJAARD. Familiengeeignet. Keine Segelkennt-
NABU hervorging.                                   diesen Gründen nahmen immer weniger          nisse nötig. www.banjaard.net.

                                                                                                                            NATUR IN BERLIN 1/21
Natur in Berlin - Mythos Fledermaus Wie Forscher ihnen auf die Spur kommen Wo wir sie in Berlin beobachten können
8 | SCHWERPUNKT

Unbekannte Nachtgeschöpfe
       Das Leben der Fledermäuse
                      steckt voller
Großes Mausohr
(oben und rechts)Überraschungen
  Kahnpartie: Pechsee um 1930

S
       ie sind Säugetiere wie wir und uns    Das zweite Schriftzeichen des chinesi-       Zudem scheinen Fledermäuse Abwechs-
       doch so fremd. Nicht nur, weil sie    schen Worts für „Fledermaus“ entspricht      lung zu lieben, wie ein weiterer Befund
       im Gegensatz zu allen anderen         in seiner Aussprache nämlich dem Wort        nahelegt: Ein im 40 Kilometer entfern-
Säugern das Fliegen gelernt haben und        für „Glück“ – ein linguistischer Zufall,     ten Bad Freienwalde markiertes Mausohr
mit ihrer Echoortung über einen uns un-      der wenig mit den Tieren selbst und ih-      tauchte nicht nur in verschiedenen Win-
zugänglichen Sinn verfügen – sondern         rem Leben zu tun hat.                        terquartieren in Berlin und Brandenburg
auch, weil sie nachtaktiv sind, sich tags-   Immerhin hat die Wissenschaft, unter-        auf, sondern einmal sogar in einem 244 Ki-
über gut verstecken und wir von ihrem        stützt von moderner Technik wie der          lometer entfernten Stollen im Unterharz.
Leben daher wenig mitbekommen. Allen-        Telemetrie, einiges über die geheimnis-      So viel Flexibilität macht es Forschern
falls als hin- und herhuschende Schatten     umwitterten Tiere herausgefunden und         schwer, die Bestände einer Art im Winter-
über unseren Köpfen nehmen wir sie ge-       sie uns so näher gebracht. Zu den über-      quartier zu erfassen: Treffen in einem Jahr
wöhnlich wahr.                               raschendsten Entdeckungen dürfte gehö-       besonders viele Tiere ein, muss das nicht
Ihre heimliche Lebensweise, ihre histo-      ren, wie mobil Fledermäuse sind.             unbedingt auf eine Zunahme der Popula-
risch oft als „widernatürlich“ empfunde-                                                  tion hindeuten. Obendrein versteckt sich
nen Flugkünste und sicher auch ihre geis-    Wandern wie die Zugvögel                     ein Teil der Fledermäuse so gut in unzu-
terhaft-erratisch wirkenden Luftmanöver      Viele Leute wissen zwar, dass Fledermäu-     gänglichen Ritzen, dass sie sich jeder In-
haben dazu beigetragen, dass Fledermäu-      se in Kellern, Bunkern und Höhlen über-      ventur entziehen. Wissenschaftler*innen
se von jeher einen schlechten Ruf genos-     wintern – nicht aber, dass manche wie        können ihre Zahl daher nur grob anhand
sen. Als „unrein“ verdammte sie schon        Zugvögel den Winter im Süden verbrin-        der sichtbaren Exemplare schätzen.
die Bibel, später wurden sie als Begleiter   gen. Auf ihrer Reise in den Mittelmeer-
von Vampiren und anderen Schreckge-          raum legen vor allem Baumbewohner wie        Sommer im Grünen
stalten zum Inbegriff des Gruseligen.        Großer und Kleiner Abendsegler sowie         Wie das wanderlustige Mausohr über-
Bis heute kommt keine Halloween-Deko         die Zweifarbfledermaus leicht 1.000 bis      wintern viele Fledermäuse zwar in Ber-
ohne Fledermausmotive aus.                   1.500 Kilometer zurück – pro Strecke.        lin, verbringen den Sommer jedoch im
                                             Den Weltrekord hält eine Rauhautfleder-      Grünen, etwa in der Schorfheide oder im
Corona kratzt am Image                       maus, die 2015 in Lettland beringt wurde     Oderbruch. Es sind Arten wie Wasser-,
Mit dem steigenden Verständnis auch für      und 2020 in der spanischen Provinz Na-       Zwerg- und Mückenfledermaus, die zu
weniger „charismatische“ Arten in den        varra – leider tot ­– aufgefunden wurde:     den regionalen Wanderern zählen und
letzten Jahrzehnten gerieten Fledermäu-      2.224 Kilometer Luftlinie liegen zwischen    Dutzende oder sogar Hunderte Kilometer
se zwar verstärkt in den Fokus des Na-       beiden Orten, die tatsächliche Flugstrecke   zwischen Sommer- und Winterquartier
turschutzes. Viele Menschen nahmen an        dürfte noch weitaus länger gewesen sein.     pendeln. Andere, wie Bechsteinfleder-
abendlichen Fledermaus-Führungen teil        Die Reise- und Überwinterungsgewohn-         maus und Braunes Langohr, bleiben hin-
oder hängten Kästen für die kleinen Mit-     heiten der Fledermäuse sind komplex. So      gegen eher an Ort und Stelle.
bewohner auf. Zuletzt jedoch hat die Co-     ziehen keineswegs alle Großen Abendseg-      Nicht zuletzt wegen seiner gut besuchten
vid 19-Pandemie wieder schwer an ihrem       ler im Herbst gen Süden. Etliche überwin-    Winterquartiere gilt Berlin als „Haupt-
Image gekratzt, stammt ein Vorläufer des     tern auch, oft in stattlichen Kolonien, in   stadt der Fledermäuse“. Übers ganze
neuen Coronavirus doch wahrscheinlich        Baumhöhlen, Dachzwischenräumen oder          Jahr betrachtet kommen hier 18 der 25
von asiatischen Hufeisennasen.               auch hinter der Fassadenverschalung Ber-     in Deutschland heimischen Arten vor,
Ironisch erscheint, dass die Pandemie        liner Wohnblöcke, etwa im Köpenicker         von denen allerdings nur sieben regelmä-
ausgerechnet in dem Land begann, in          Salvador-Allende-Viertel. Studien zeigen,    ßig in Berlin überwintern. Die Zitadelle
dem Fledermäuse nicht als Boten des Bö-      dass der Klimawandel Abendsegler im-         Spandau, die zeitweise bis zu 11.000 Tiere
sen, sondern als Glückssymbole gelten.       mer weiter nördlich überwintern lässt.       beherbergt, gilt als eines der bedeutends-

NATUR IN BERLIN 1/21
Natur in Berlin - Mythos Fledermaus Wie Forscher ihnen auf die Spur kommen Wo wir sie in Berlin beobachten können
SCHWERPUNKT | 9

ten Winterquartiere Mitteleuropas. Hier       sektenjagd und verlässt spätestens im
wurden in den 1930er Jahren die ersten        September die mütterliche Obhut. Kaum
Fledermäuse in Europa beringt. Bis heu-       sind die Kleinen flügge, dreht sich bei den
te liefern Beringungen der Wissenschaft       erwachsenen Tieren bereits alles um die
wichtige Daten.                               Paarung. Schließlich ist das Jahr für un-
Jetzt, Anfang März, hängen die bei uns        sere heimischen Fledermäuse kurz, da sie
überwinternden Tiere zumeist noch reg-        ganze fünf Monate verschlafen.
los in ihren schützenden Höhlen und           Zur Paarungszeit suchen manche Fleder-
Spalten. Ihre Körpertemperatur liegt mit      mäuse noch einmal besondere Balzquar-
drei bis fünf Grad Celsius nur knapp über     tiere auf. So ist die Zitadelle Spandau ein
dem Gefrierpunkt, Atmung und Herz-            viel frequentiertes Liebesnest der Was-
schlag sind auf das Äußerste reduziert.       serfledermäuse, die hier ab Mitte August
                                              zum Schwärmen eintreffen. Bei anderen                                     Wasserfledermaus
Spermien im Speicher                          Arten besetzen die Männchen Höhlen
Je nach Witterung ab etwa Ende März ver-      entlang der Flugroute ins Winterquartier,
lassen die Tiere ihr Winterquartier – ab-     um die Weibchen abzupassen. Mit Balz-
gemagert um rund 30 Prozent. Die wan-         rufen locken die Männchen ihre Partne-        mehrfach auf dieses Winterquartier hin-
dernden Arten machen sich auf den Weg         rinnen an, kurz nach dem Paarungsakt          gewiesen hatte. Was aus den schlafenden
in ihr mehr oder weniger fernes Som-          beginnt schon das große Schlafen.             Fledermäusen wurde, ist ungewiss.
merquartier, wo die Weibchen trächtig                                                       Schlimm trifft die nächtlichen Flieger
werden. Wer sich nun flatternde Liebes-       Fledermäuse sterben jung                      auch der Schwund ihrer Nahrung, der
spiele im Mai vorstellt, liegt falsch, denn   Fledermäuse können – vor allem in Rela-       Insekten. Eine Fledermaus muss allnächt-
Fledermäuse paaren sich bereits im Spät-      tion zu ihrer geringen Körpergröße – sehr     lich bis zu einem Drittel ihres eigenen
sommer oder Herbst, manchmal auch im          alt werden. Ein beringtes Mausohr brach-      Körpergewichts fressen. Das sind bis zu
Winterquartier. Da die Entwicklung eines      te es auf 25 Jahre, eine Zwergfledermaus      zehn Gramm Insekten – oder mehrere
Embryos im Winter aber zu viel Energie        immerhin auf 16 Jahre. Im Durchschnitt        Kilogramm pro Saison. Da aber die Bio-
kosten würde, speichern die Weibchen          werden diese Arten aber gerade einmal         masse der Luftinsekten Studien zufolge
das Sperma bis zum Frühjahr und lassen        vier respektive 2,5 Jahre alt, denn den       zumindest in Teilen Deutschlands um bis
erst dann die Befruchtung zu.                 wenigsten Fledermäusen ist es vergönnt,       zu 80 Prozent zurückgegangen ist, dürf-
Vor der Niederkunft im Frühsommer             eines natürlichen Todes zu sterben.           ten viele Fledermäuse hungern.
bilden die Weibchen Wochenstuben, in          Viele kommen vorzeitig ums Leben, weil        Immerhin scheinen die Bestände in den
denen üblicherweise zehn bis 50 Tiere,        sie mit Autos oder Windrädern kolli-          großen Berliner Winterquartieren wie
bei einigen Arten aber auch mehrere           dieren oder weil ihre Quartiere aus Un-       der Zitadelle Spandau in den letzten Jah-
Hundert Mütter ihre Jungen aufziehen.         wissenheit oder Nachlässigkeit zerstört       ren recht stabil zu sein. Damit die kleinen
Fledermäuse bringen ein, selten zwei Jun-     werden. So ließ das Pankower Grünflä-         Unbekannten aber auch künftig nachts
ge auf die Welt, die bei der Geburt nur       chenamt im Dezember einen hohlen              über unseren Köpfen herumflitzen, muss
weniger Gramm schwer sind. Doch der           Baum im Bürgerpark kappen, in dem             mehr passieren als die Erhaltung einiger
Nachwuchs entwickelt sich rasch, geht         etliche Große Abendsegler überwinter-         Winterquartiere.
schon nach vier bis fünf Wochen auf In-       ten – obwohl der NABU Berlin das Amt                               Alexandra Rigos, Lisa Söhn

Was kann ich für Fledermäuse tun?                                                           • Erhalten Sie alte Bäume!
                                                                                            Alte Bäume mit rissiger Borke und Specht-
                                                                                            höhlen sind ideale Quartiere, leider oft
• Fördern Sie Insekten!                       nierung an, holen Sie fachkundigen Rat        morsch. Lassen Sie zumindest den Stamm
Blütenreiche, nicht hochgezüchtete Pflan-     ein, wenn Sie vermuten, dass sich Fle-        trotzdem stehen. Wenn Sie Platz haben,
zen, gerne ein Teich sowie nicht allzu viel   dermäuse am Haus aufhalten. Der NABU          pflanzen Sie Obsthochstämme. Setzen Sie
Ordnung im Garten fördern das Insekten-       Berlin hilft Ihnen gerne weiter (arten-       sich für die Erhaltung alter Straßen- und
leben – und damit die Fledermäuse. Auch       schutz_am_gebaeude@nabu-berlin.de oder        Parkbäume ein.
auf dem Balkon kann man Wildblumen            Tel. 986 08 37-0).
und Kräuter kultivieren. „Nachtfalter-
pflanzen“ wie Phlox, Lichtnelke oder          • Vermeiden Sie Unfälle!
Geißblatt, die am Abend duften, locken        Regentonnen und leere, hohe Gefäße im
die Lieblingsspeise vieler Fledermäuse an.    Garten können zur Falle werden – sorgen
                                              Sie für eine Abdeckung. Verzichten Sie
• Schaffen und schützen Sie Quartiere!        auf Leimringe und Klebfallen. Wenn Sie
Hängen Sie an geeigneten Bäumen oder          Kaminholz im Freien lagern, inspizieren
Mauern Fledermauskästen auf. Unter            Sie jedes Scheit genau, bevor sie es ins
www.nabu.de/downloads/praxistipps/fleder-     Haus holen, damit Sie nicht versehentlich
mauskasten.pdf finden Sie eine Anleitung      eine Fledermaus verbrennen. Einige Ar-          Nachtfaltermagnet Geißblatt
zum Selberbauen. Steht eine Gebäudesa-        ten überwintern gern in Holzstapeln.

                                                                                                                      NATUR IN BERLIN 1/21
Natur in Berlin - Mythos Fledermaus Wie Forscher ihnen auf die Spur kommen Wo wir sie in Berlin beobachten können
10 | SCHWERPUNKT

                                                                                                Lieber an der Ecke
                                                                                                wohnen?
                                                                                                Noch Ehrenamtliche für
                                                                                                Monitoring gesucht
                                                                                                Werden im Rahmen von Gebäudesanie-
                                                                                                rungen Fledermausquartiere zerstört,
                                                                                                müssen Bauherr*innen diese Lebensstät-
                                                                                                ten ersetzen. Häufig kommen dabei han-
                                                                                                delsübliche Fledermauskästen zum Ein-
                                                                                                satz. Bisher ist allerdings nicht bekannt,
                                                                                                wie gut die Tiere verschiedene Quartier-
                                                                                                kästen annehmen und von welchen Fak-
   Mücken- oder Rauhautfledermäuse auf dem                                                      toren dies abhängt.
   Dachboden des Museums Julianenhof                                                            Im senatsgeförderten Projekt „Arten-
                                                                                                schutz am Gebäude“ geht der NABU Ber-
                                                                                                lin dieser Frage auf den Grund. Die beim

Großer Einsatz für kleine Flieger
                                                                                                Monitoring gewonnenen Erkenntnisse
                                                                                                sollen helfen, Ersatzmaßnahmen künf-
                                                                                                tig wirkungsvoller umzusetzen.

Die Fachgruppe BatCity stellt sich vor
                                                                                                Künstliche Quartiere auf Fledermäuse zu
                                                                                                überprüfen, stellt eine Herausforderung
                                                                                                dar – nicht nur wegen der heimlichen Le-

D    ie Geburt der „BatCity“-Gruppe
     verdankt sich einem Moment der
Begeisterung: Im März 2017 startete
                                             ßerdem richten wir Kästenquartiere ein,
                                             die wir dann betreuen.
                                                                                                bensweise der Tiere, sondern auch, weil
                                                                                                sie ihr Quartier häufig wechseln.
                                                                                                Im Sommer 2020 hielten rund zehn Eh-
Sebastian Kolberg, Referent für Arten-       Offene Plattform                                   renamtliche 30 Kästen fest im Blick, um
schutz beim NABU-Bundesverband,              BatCity Berlin betrachtet sich als offene          keinen Ausflug zu verpassen. Es gibt ers-
seine Seminarreihe „BatCities“ in der        Plattform für den Fledermausschutz in              te Hinweise darauf, dass Kästen an Ge-
Hauptstadt. Unterstützt wurde er von         Berlin, da uns die Vernetzung und Ko-              bäudeecken besonders beliebt sind. Um
Silke Voigt-Heucke.                          operationen mit anderen Akteuren im                diese These zu bestätigen, bedarf es aller-
Etwa 20 Teilnehmer*innen lernten bei         Fledermausschutz am Herzen liegt. Im               dings weiterer Daten.
dieser Veranstaltung alles über die be-      Jahr 2019 haben wir aus diesem Grund               Deshalb ist der NABU Berlin auch in
sondere Biologie der Fledermäuse, die        den 1. Berliner Fledermaustag organi-              diesem Jahr wieder auf der Suche nach
Echoortung und den Schutz der faszi-         siert. Hier stellten sich verschiedene             Fledermausfreund*innen, die uns tatkräf-
nierenden Tiere. Danach war der Groß-        Fledermausschützer*innen mit Vorträ-               tig bei den Sichterfassungen in der Däm-
teil der Teilnehmenden Feuer und Flam-       gen vor; anschließend fand ein reger               merung unterstützen.                    iw
me und wollte in ein Ehrenamt starten.       Austausch statt. Hieraus hat sich ein                          Interessenten melden sich bitte unter:
Aus diesem Impuls heraus entstand die        „Fledermausstammtisch“         entwickelt,              artenschutz_am_gebaeude@nabu-berlin.de
Gruppe „BatCity Berlin“ (kurz: BCB).         der nach der Corona-Pandemie in die
                                             nächste Runde gehen soll.
„Batnight“ im Tierpark                       Ein weiteres Anliegen unserer Gruppe
Der Fledermausschutz ist gerade in ei-       ist das stetige Lernen. Uns ist es wichtig,
ner so großen Stadt wie Berlin eine wich-    viele Erfahrungen zu sammeln und neue
tige und vor allem vielfältige Aufgabe.      Kenntnisse zu erlangen, die wir im prak-
Ein bedeutender Teil unserer Tätigkeit       tischen Fledermausschutz anwenden
ist der Informationsaustausch und die        können. Daher sind wir stets offen für
Aufklärung der Bevölkerung. Nur wer          gemeinsame Aktionen mit erfahrenen
weiß, was hoch über seinem Kopf fliegt,      Fledermausschützer*innen, aber auch
kann die Tiere auch schützen.                für Neulinge, die sich uns anschließen
Schwerpunkte unserer Arbeit sind da-         möchten und noch am Anfang ihrer „Fle-
her Vorträge und Exkursionen, außer-         dermauslaufbahn“ stehen.
dem Info-Stände, zum Beispiel auf Kin-       BatCity Berlin trifft sich immer in den
derfesten, sowie die Organisation einer      ungeraden Monaten am dritten Dienstag
„Batnight“ zusammen mit dem Tier-            um 19.00 Uhr. Interessierte bitten wir,
park Neukölln in der Hasenheide.             sich vorab per E-Mail unter fledermaus-
Zum praktischen Teil unserer Arbeit ge-      schutz.berlin@posteo.de anzumelden.                 Unterwegs mit dem Bat-Detektor
hören Zählungen und Monitorings. Au-                                       Kerstin Schötschel

NATUR IN BERLIN 1/21
SCHWERPUNKT | 11

                               Breitflügelfledermaus
                               Eptesicus serotinus

             Diese typische „Hausfledermaus“ versteckt sich häu-                                             Zwergfledermaus
             fig unter Dachpfannen, gelegentlich ist sie auch auf                                            Pipistrellus pipistrellus
             Dachböden anzutreffen. Breitflügelfledermäuse flie-
             gen relativ langsam, fast behäbig, und jagen meist                            Die nur fünf Zentimeter langen Tiere fliegen schnell
             nicht weit von ihrem Wochenstubenquartier entfernt.                           und wirken mit ihren abrupten Richtungsänderun-
                                                                                           gen hektisch. Oft jagen sie in der Nähe von Bäumen
                                                                                           oder Hecken, aber auch in geschützten (halb-)offenen
                                                                                           Habitaten wie an Gewässern, in Innenhöfen oder um
                                                                                           Straßenlaternen. Dabei stoßen sie hohe Soziallaute
                                                                                           aus, die Menschen mit bloßem Ohr hören können.

Gesichter der Nacht
Hier können Sie Fledermäuse beobachten
Auf Friedhöfen oder in Parks lassen sich            Auch Gewässer bieten gute Beobach-               Führungen & Ausstellungen :
Fledermäuse häufig gut beim Jagen be-               tungsmöglichkeiten. An der Spree                 • Der BAT e.V. betreut den Fledermauskeller in
obachten. Am häufigsten begegnet man                und am Weißensee jagen Wasser-,                  der Zitadelle Spandau mit einer Ausstellung sowie
dort der Zwergfledermaus, aber auch                 Zwerg- und Rauhautfledermäuse. Ers-              150 tropischen Fledermäusen. Außerdem bietet der
der Breitflügelfledermaus. Bei Tieren,              tere ziehen ihre eher regelmäßigen               Verein in der Schwärmzeit Ende August bis Novem-
die hoch am Himmel fliegen, etwa über               Kreise nahe der Wasseroberfläche,                ber Führungen in der Zitadelle an.
Kleingärten, Parks oder Gewässern, han-             während Zwerg- und Rauhautfleder-                bat-ev.de, Tel.030/36750061
delt es sich meist um Große Abendsegler.            mäuse sich durch einen unsteten,                 • Der Verein ASG Fort Hahneberg e.V. führt an
Im Frühjahr und Herbst hat man gute                 wendigeren Flug höher über dem Was-              Wochenenden und Feiertagen im Sommer durch
Chancen, Fledermäuse sogar bei Tages-               ser oder im Uferbereich auszeichnen.             die zweite Fledermaus-Hochburg in Spandau.
licht zu erblicken. Früh fliegende Arten            Wer ein Fledermausquartier an seinem             www.forthahneberg.de
wie Zwergflügelfledermaus und der Gro-              Haus vermutet, sollte sich im Sommer             • Das Internationale Fledermausmuseum Julia-
ße Abendsegler jagen dann manchmal                  einmal in der Stunde vor Sonnenauf-              nenhof im Naturpark Märkische Schweiz (Branden-
deutlich vor Sonnenuntergang, da es                 gang auf Erkundungstour begeben. Ins-            burg) bietet eine Ausstellung, Veranstaltungen wie
später zu kalt für ihre Beute, die Insek-           besondere Zwergfledermäuse „schwär-              das abendliche "Nachtfalterkino" sowie die Chance,
ten, wird. Sogar an warmen Wintertagen              men“ vor ihrem Quartier, fliegen also zu         die Tiere im Eiskeller oder im Fledermausgarten zu
lassen sich diese Arten bisweilen beob-             mehreren um das Quartier herum und               beobachten.
achten.                                             dieses auch immer weder an.      Lisa Söhn       www.fledermausmuseum-julianenhof.de

                                                                                                     Hinweis: Wegen der Corona-Pandemie sind das
                                                                                                     Museum und der Fledermauskeller ggfs. vorüber-
                                                                                                     gehend geschlossen, bitte informieren Sie sich vor
                                                                                                     einem Besuch. Für Fledermausführungen sind bei
                                                                                                     allen Anbietern Anmeldungen erforderlich.

                             Wasserfledermaus
                             Myotis daubentonii                                                      Großer Abendsegler
                                                                                                     Nyctalus noctula
           Wasserfledermäuse jagen am liebsten nur wenige
           Zentimeter über stehenden oder langsam fließen-                  Mit seinen langen, schmalen Flügeln ist er ein rasanter und wendi-
           den Gewässern. Die eher kleine bis mittelgroße Art               ger Flieger, der gern Sturzflüge einlegt. Vor allem in der Dämme-
           ist auf der Oberseite graubraun, unterseits heller               rung, wenn beide Arten unterwegs sind, kann man ihn leicht mit
           gefärbt. Als Sommerquartier nutzt sie vorwiegend                 einem Mauersegler verwechseln. Der Große Abendsegler besitzt ein
           Baumhöhlen in Ufernähe, den Winter verbringt sie                 kurzes, rostbraunes Fell und ist mit einer Flügelspannweite von bis
           in unterirdischen Höhlen, Stollen oder Kellern.                  zu 40 Zentimetern eine der größten heimischen Arten.

                                                                                                                                   NATUR IN BERLIN 1/21
und mangels Personal auch nicht flächen-
                                                                                              deckend durchführbar. Deshalb wollen wir
                                                                                              zur rechtlichen Klarstellung, dass Schotter-
                                                                                              gärten explizit gesetzlich verboten werden.
Tiere und                                                                                     Das kann in der Bauordnung geschehen
                                                                                              oder nach dem Vorbild von Baden-Würt-
Pflanzen                                                                                      temberg auch im Naturschutzgesetz. Denn
                                                                                              jeder Quadratmeter Vegetationsfläche hilft.
gehören dazu
                                                                                              Der Ökoparagraph
Wie die Berliner                                                                              In der Bauordnung wird es künftig einen
                                                                                              speziellen Ökoparagraphen geben. Arbeits-
Bauordnung                                                                                    titel: „Nicht überbaute Flächen der bebau-
                                                                                              ten Grundstücke, Grundstücksbegrünung,
ökologischer wird                                                                             tierfreundliches Bauen“. Um die Begrünung
                                                                                              von Grundstücken und Gebäuden als Regel-
                                                                                              fall zu etablieren, soll die Bauordnung eine
                                                    Bald explizit verboten: Schottergarten.   Mindestfläche des Grundstücks, der geeig-
                                                                                              neten Dächer und einen Anteil der Fassade
                                                                                              festsetzen, wo Pflanzen wachsen sollen.

B
                                                                                              Neben der Pflanzenwelt haben wir die Tie-
           eim Bau von Häusern aus Beton,     bauten, mehr Barrierefreiheit in öffentli-      re im Blick. Dabei geht es zum einen um
           Ziegel, Stahl, Glas und anderen    chen Gebäuden und im Wohnungsbau, eine          Nistmöglichkeiten für Gebäudebrüter und
           Baustoffen wird enorm viel CO2     Genehmigungspflicht von Abrissen, eine          Fledermäuse. Die Anzahl der Nistmöglich-
           freigesetzt und der Klimawandel    Abstandsfläche von 0,5 mal Gebäudehöhe          keiten, die pro Gebäude oder auf einer be-
beschleunigt. Darüber hinaus enthält je-      (...) zu erreichen. Die Koalition wird eine     stimmten Fassadenlänge anzubringen sind,
des Gebäude Schadstoffe, die im Falle eines   Strategie „Asbestfreie Hauptstadt 2030“ zur     muss noch im parlamentarischen Verfahren
Abrisses oft auf der Deponie landen oder      schrittweisen Asbestsanierung erarbeiten        geklärt werden.
verbrannt werden. Überall wo gebaut wird,     und umsetzen.“                                  Besonders schwierig ist die Debatte um das
verschwindet ein Stück vorhandene Natur.                                                      Thema Vogelschlag an Glas. Dazu gibt es
Boden wird versiegelt, Bäume und Vegetati-    Novelle kommt noch vor der Wahl                 verschiedene Formulierungsvorschläge, die
on werden gerodet.                            Für die bündnisgrüne Fraktion stehen die        insbesondere auf das Vermeiden spiegeln-
Die menschliche Zivilisation verursacht       ökologischen Themen besonders im Fokus.         der Glasflächen abzielen. Spätestens wenn
durch Bautätigkeit viele Schäden an der       Bereits 2018 wurde in der Berliner Bauord-      der Gesetzentwurf im Abgeordnetenhaus
Umwelt, auch in Berlin. Die Stadt erlebt      nung der Grundsatz der Recyclingfähig-          vorliegt, lohnt sich dazu eine Gesprächsrun-
einen Bauboom wie lange nicht mehr. Und       keit von Bauprodukten formuliert und die        de mit den Naturschutzverbänden, um die
damit dieser Bauboom den Lebensraum von       Verwendung von konstruktiven Holzele-           beste Formulierung zu finden.
Pflanzen und Tieren nicht einfach vernich-    menten bei Gebäuden bis 22 Meter Höhe           Letzter Punkt in diesem Kanon ist das The-
tet, muss bei neuen Häusern und Quartie-      erleichtert. Seit zwei Jahren wird an einer     ma Licht. Außenbeleuchtung soll so be-
ren deutlich mehr auf die Verträglichkeit     größeren Novelle gearbeitet, die weitere        schaffen sein, dass die Auswirkungen auf
mit der Natur geachtet werden.                ökologische Fragen behandelt. Sie soll nach     die Tierwelt beachtet werden. Auch das
Ein Weg dahin ist Aufklärung, ein zweiter     der Beteiligung der Verbände noch vor dem       muss noch präziser formuliert werden.
sind Anreize, und ansonsten gibt es natür-    Sommer im Abgeordnetenhaus behandelt            Überhaupt betreten die Senatsverwaltun-
lich Vorschriften und Gesetze. Ein solches    werden, so dass sie vor der Wahl im Septem-     gen für Stadtentwicklung und für Umwelt
Gesetz ist die Bauordnung, die in Deutsch-    ber in Kraft tritt.                             mit den Ökothemen in der Bauordnung
land von den einzelnen Länderparlamenten      Mehrere naturschutzrelevante Änderun-           Neuland.
beschlossen und gegebenenfalls novelliert     gen sind hervorzuheben: Die Abstands-           Historisch befasst sich eine Landesbauord-
wird. Damit die Praxis wenigstens ähnlich     flächen zwischen Gebäuden sollen etwas          nung mit Gebäudesicherheit, insbesondere
ist, gibt es eine Musterbauordnung, die von   größer werden. Das bringt mehr Licht, aber      Statik, Brandschutz, Haustechnik. Dass die
der Bauministerkonferenz regelmäßig dis-      auch mehr Platz für die Vegetation. Die Be-     Tier- und Pflanzenwelt selbstverständlich
kutiert und modifiziert wird. Die Berliner    grünung der Grundstücksteile, die nicht be-     dazu gehört, müssen die Genehmigungs-
Bauordnung lehnt sich weitgehend an die       baut werden, ist auch heute schon pauschal      behörden, die Architekten und viele Bau-
Musterbauordnung an. Trotzdem hat sich        in der Bauordnung (§8, Abs.1) vorgeschrie-      herrinnen erst lernen. Diese Bildungsauf-
unsere Koalition 2016 einige Punkte vorge-    ben. Trotzdem geschieht das oft nicht, oder     gabe lässt sich nicht allein mit Gesetzen
nommen, die wir anders machen wollen.         es werden gar sogenannte Schottergärten         lösen. Dazu sind die Naturschutzverbände,
Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Die      angelegt. Dass diese Praxis nicht durch die     die Schulen, die Medien und wir alle nötig.
Koalition wird die Berliner Bauordnung        Bezirksämter unterbunden wird, macht ein        Aber wann, wenn nicht jetzt, muss es los-
novellieren mit dem Ziel, eine stärkere       Umsetzungsproblem deutlich.                     gehen.                             Andreas Otto
Begrünung von Grundstücken und Gebäu-         Die Bauordnung setzt stark auf die Eigen-       Unser Gastautor ist Mitglied der Fraktion Bündnis 90/
den, mehr recyclingfähige Baustoffe, eine     verantwortung von Bauherrinnen und Ar-                 Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und
Vereinfachung der Genehmigung von Holz-       chitekten. Kontrollen vor Ort sind selten            Sprecher für Baupolitik und Berlin-Brandenburg.

NATUR
NATUR IN
      IN BERLIN
         BERLIN 1/21
                3/19
SPEKTRUM | 13

                                                                                                 vertraut, doch für den Nachwuchs von
                                                                                                 heute ist Entenfüttern keine Selbstver-
                                                                                                 ständlichkeit mehr – nicht nur, weil es
                                                                                                 verboten ist, sondern auch, weil selbst die
                                                                                                 früher allgegenwärtigen Stockenten und
                                                                                                 Blässhühner sich immer rarer machen,
                                                                                                 wie die Datenreihen der WVZ belegen.
                                                                                                 Die Zahl der im April erfassten Stockenten
                                                                                                 war in der Saison 2018/19 gegenüber dem
                                                                                                 Mittelwert der vorherigen Dekade um ein
                                                                                                 Drittel gesunken, und in den letzten 25
                                                                                                 Jahren nahm der Rastbestand des Bläss-
                                                                                                 huhns um 72 Prozent ab. Zwar täuschte
                                                                                                 seine starke Präsenz in einigen Kältewin-
                                                                                                 tern zeitweise über den Abwärtstrend hin-
                                                                                                 weg, doch seit sieben Jahren sank seine
                                                                                                 Zahl ununterbrochen. Da allein diese bei-
                                                                                                 de Arten 77 Prozent der derzeit in Berlin
                                                                                                 gezählten Wasservögel ausmachen, sind
  Regina Eidner zählt nicht nur Wasservögel, sondern malt sie auch.                              diese Ergebnisse ein Alarmzeichen.
  Dieses Ölbild zeigt drei männliche und zwei weibliche Gänsesäger.                              Bei Frost lockt Berlin viele Wasservögel
                                                                                                 an, weil die Stadt wärmer ist und das Was-
                                                                                                 ser unter Brücken oder in Schiffsfahrrin-
                                                                                                 nen lange offen bleibt. Während Gänsesä-
Gänsesäger zum Appell                                                                            ger und Schellenten allwinterlich präsent
                                                                                                 sind, hängt das Auftreten anderer Vögel
Seit mehr als 50 Jahren werden in Berlin allwinterlich                                           deshalb von der Witterung in weiter nörd-
                                                                                                 lich gelegenen Rastgebieten ab.
Wasservögel gezählt – viele NABU-Aktive machen mit                                               Wegen des Klimawandels werden harte
                                                                                                 Winter seltener, doch kann die milde Wit-
                                                                                                 terung allein den Rückgang der Wasservo-

V
       ier Gänsesäger fliegen auf, als wir        Doch nicht nur die Zählfrequenz stieg im       gel-Zahlen nicht erklären. Schließlich sind
       uns dem Ufer nähern. Es ist ein            Laufe der Jahre, auch das Artenspektrum        auch die Brutbestände rückläufig. Wie so
       frostiger Sonntagvormittag Mitte           erweiterte sich. Es umfasst jetzt alle Arten   viele Arten leiden eben auch Wasservögel
Januar, und auf der Dahme bei Schmöck-            von Schwänen, Gänsen, Enten, Sägern,           unter Lebensraumverlusten, in Berlin vor
witz hat sich stellenweise eine Eishaut ge-       Rallen, Tauchern und Reihern, den Kor-         allem durch Bauprojekte.
bildet. Doch an dieser Stelle ist das Wasser      moran, alle Watvögel und Möwen, Greif-
frei, und es tummeln sich allerlei Vögel          vögel mit Wasserbezug wie Rohrweihe,           Partyflöße vergraulen Vögel
auf dem See. Ein Trupp Stockenten läuft           Fischadler und Seeadler sowie ausgewähl-       Auch die zunehmende Störung durch
uns bis vor die Füße, als wolle er zum            te Singvögel wie die Bartmeise und die Ge-     Freizeitsportler spielt eine Rolle. So klagt
Zählappell antreten. Und zum Zählen               birgsstelze.                                   ein Anwohner aus Schmöckwitz über das
sind wir schließlich hier.                        Gezählt wird von Berliner Ehrenamtli-          sommerliche Treiben auf der Dahme, das
Seit 54 Jahren erfassen Vogelfreund*innen,        chen, die jeweils die Verantwortung für        die Graugänse vertreibe. Vor allem die so
darunter viele NABU-Aktive, jeden Winter          ein oder mehrere Gebiete übernommen            genannten Partyflöße seien in den letzten
die Wasservögel in der Hauptstadt. Die            haben, in derzeit 105 Gebieten, von denen      Jahren ein Problem geworden.
vom Dachverband Deutscher Avifaunis-              sieben ganz oder teilweise in Brandenburg      Gleichwohl zählen gerade die Graugänse
ten initiierte Zählung läuft nach einheitli-      liegen. Die erhobenen Datensätze werden        zu den wenigen Gewinnern in der Wasser-
chen Vorgaben bundesweit ab und ist Teil          in die Datenbank der Plattform www.orni-       vogel-Statistik; seit Jahren zieht es immer
eines internationales Programms. Ziel             tho.de eingespeist.                            mehr Gänse in die Stadt. Auch Silberrei-
ist vor allem das Erkennen langfristiger                                                         her lassen sich mittlerweile oft blicken.
Trends bei den häufigen und mittelhäufi-          Stockenten machen sich rar                     Am Ende ihrer Zählung hat Regina Eidner
gen Arten.                                        Am Ufer der Dahme baut Regina Eidner,          immerhin 177 Stockenten gezählt, dazu
Alles begann mit der bis heute besonders          Berliner Koordinatorin der Wasservo-           30 Blässhühner, 22 Gänsesäger und 18
wichtigen Mittwinterzählung im Januar.            gelzählung (WVZ), ihr Spektiv auf. Weit        Höckerschwäne, weiter ein paar Graugän-
In den 1970er Jahren kamen die Novem-             draußen sind noch mehr Gänsesäger und          se, Graureiher, Kormorane, Möwen und,
ber- und Märzzählungen hinzu, die auch            ein paar vereinzelte Graugänse zu sehen.       als Highlight des Tages, eine männliche
international die Migration der Wasservö-         Derweil packen zwei junge Frauen Brot-         Schellente. Nicht berauschend, aber auch
gel ins Visier nehmen. Später wurde von           reste aus und beginnen, die Stockenten zu      nicht übel für diesen Teil der Dahme.
Oktober bis März, seit der Saison 2003/04         füttern. Schnell sind sie von Dutzenden                             Regina Eidner, Alexandra Rigos
sogar von September bis April jeweils ein-        Enten und gut 20 Blässhühnern umlagert.         Interessent*innen, auch Anfänger, sind willkommen.
mal im Monat gezählt.                             Vielen sind solche Bilder aus Kindertagen                      Kontakt: stockente@eidner-berlin.de

                                                                                                                              NATUR IN BERLIN 1/21
14 | SPEKTRUM

Tödliche Wände
Massiver Vogelschlag am BER-Terminal

                                                                                                                                      Photo/Map: Arne Müseler / arne-mueseler.com / CC-BY-SA-3.0 / https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.de
D
        as Terminal befand sich noch im    bäude regelmäßig viele Vögel an                                        Kollisionsspur am
        Bau, da kostete es in einer ein-   den Glasfronten verunglücken.                                      BER-Terminal (oben).
        zigen Oktobernacht schon mehr      Allein am Hauptgebäude des Termi-                             Waldschnepfen (links) sind
als 50 Singdrosseln das Leben. Sie wa-     nals 1 wurden mehr als 20.000 Quadrat-                   häufige Opfer von Glasanflügen.
ren während des Herbstzugs gegen die       meter Glas verbaut, die Fensterf lächen
großf lächigen Fassaden des Glaskas-       der fast 1,5 Kilometer langen Abf lugpiere
tens gef logen und verendet.               nicht eingerechnet. Jalousien oder andere    Flugweg suggerieren. Belastbare Stu-
Mitarbeiter des Flughafens BER spra-       Vorrichtungen, die nächtliche Lichtemis-     dien sind zwar rar, doch Hochrech-
chen damals laut „Tagesspiegel“ von        sion verhindern könnten, gibt es nicht.      nungen gehen von mehreren Milli-
350 toten Vögeln allein im Oktober         Das ist fatal, da illuminierte Gebäude       onen toten Vögeln pro Jahr allein in
2012. Diese Zahl dürfte allerdings das     nachts Vögel anlocken.                       Berlin aus.
absolute Minimum darstellen, denn in       Das durch Glasscheiben hervorgerufene        Dieses Massensterben ließe sich rela-
der Regel werden viele Opfer von Glas-     signifikant erhöhte Tötungsrisiko für        tiv leicht vermeiden: Es nutzt schon
kollisionen erst gar nicht gefunden.       Vögel stellt einen Verstoß gegen §44 des     etwas, Fenster und Glasfassaden
Beutegreifer schleppen die toten Vögel     Bundesnaturschutzgesetzes dar. Mehr-         seltener und weniger gründlich zu
weg, oder das Reinigungsteam erledigt      fach haben Umweltverbände versucht,          reinigen. Zudem können spezielle
die Arbeit, bevor eine Kontrolle statt-    mit der „Flughafen Berlin Brandenburg        Folien die Scheiben für Vögel besser
finden kann.                               GmbH“ ins Gespräch zu kommen, um             sichtbar machen. Wirkungslos sind
                                           Maßnahmen gegen den Vogeltod am BER          hingegen die schwarzen Greifvogel-
Bislang nichts passiert                    anzustoßen. Doch ihre Bemühungen stie-       silhouetten, wie man sie oft sieht.
Schon damals versprachen die Flugha-       ßen bisher auf keinerlei Resonanz. Weder
fenbetreiber, die Gefahr für Zugvögel      hat die Betreibergesellschaft die Schrei-    Offener Brief an Minister
zu entschärfen. Bislang allerdings ist     ben beantwortet noch mitgeteilt, welche      Auf klärung über einen vogelverträg-
wenig passiert. Im Jahr 2019 entdeck-      Verbesserungsmaßnahmen sie konkret           lichen Einsatz von Glas in der Archi-
ten Besucher wiederum während des          anstrebt.                                    tektur ist Teil des senatsgeförderten
Herbstzuges viele tote Singdrosseln vor    Natürlich tritt Vogelschlag nicht nur am     NABU-Projekts „Artenschutz am Ge-
den Scheiben der Terminals.                Flughafen BER, sondern an beinahe allen      bäude“. Im Fall des BER hat der NABU
Bei einer Begehung des Terminals 1 im      Glasfassaden auf. Gerade während des         Berlin nun zusammen mit dem Lan-
Januar 2020 zählten NABU-Expert*innen      Vogelzuges, grundsätzlich aber das ganze     desverband Brandenburg und dem
mindestens 100 Spuren von Vogelkolli-      Jahr über, lassen sich Schlagopfer an oder   BUND in einem offenen Brief an die
sionen. Federfunde und Fotos belegen,      unter Fensterscheiben nachweisen.            Flughafenbetreiber und die zuständi-
dass sich unter den Opfern auch selte-     Vögel sehen das Glas schlichtweg nicht,      gen Verkehrsminister gefordert, dem
ne Arten wie Eisvogel und Waldkauz         Spiegelungen des Himmels oder von Bäu-       massenhaften Vogelsterben am BER
befanden. Man muss also davon ausge-       men können aus der Perspektive eines         endlich Einhalt zu gebieten.
hen, dass seit dem Bau der Flughafenge-    f liegenden Vogels einen hindernisfreien                               Ansgar Poloczek

NATUR IN BERLIN 1/21
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