Neuerscheinungen Frühjahr 2019 - 30 Jahre Verlag Bibliothek der Provinz
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Neuerscheinungen Frühjahr 2019 Verlag Buch Gabriele Vier Frauen Seite 4 Bibliothek der Provinz GmbH. Braendle Christoph Aus den Augen Seite 4 edition linz – edition M (Kunst) – edition münchen – edition seidengasse – edition sommerfrische Verlagssitz: Die Fabrik Litschauerstr. 23, A-3950 Gmünd Csokor Eva Anthropozän Seite 5 Postadresse: A 3970 Weitra, Großwolfgers 29, T +43 (0) 2856/37 94, F +43 (0) 2856/37 92 Eichhorn Hans FAST – Das große Haus Seite 5 verlag@bibliothekderprovinz.at bestellung@bibliothekderprovinz.at Gornikiewicz Maria Schall und Rauch Seite 6 lektorat@bibliothekderprovinz.at Hahn Friedrich Der Autor steht für Lesungen und Pressetermine presse@bibliothekderprovinz.at www.bibliothekderprovinz.at nicht zur Verfügung. Seite 6 Geschäftsführer: Richard Pils und Gottfried Eilmsteiner Kraus Mara Ein Mann mit Eigenschaften Seite 7 Zuständiges Gericht: Landesgericht Krems an der Donau Firmenbuchnummer FN 386485 k Laube Anna Amelie. Die Überwindung der Sprachlosigkeit lediger Mütter Seite 7 Zuständiges Finanzamt Gmünd Ottawa Clemens Der exzentrische Mann Seite 8 UID-Nr. ATU67603845 Petrik Dine Traktate des Windes Seite 8 A 1140 Wien, Rettichgasse 12 (edition seidengasse) A 4040 Linz, Pfeifferstraße 1, T/F +43 (0) 732/71 61 11 (edition linz) Reiter Alois Polterdämmerung Seite 9 D 80469 München, Pils, Auenstraße 102 (edition münchen) Schöffl-Pöll Elisabeth Der Himmel – Das sind die Anderen Seite 9 café der provinz Seidelmann Axel Die Musik der Stille Seite 10 Kaffee Tee Bücher Waffeln Crêpes Salate A 1080 Wien, Maria-Treu-Gasse 3, T +43 (0) 1/944 22 72, www.cafederprovinz.at Wiesenthal Eva Maria Immer wieder jetzt – Fortschritte Seite 10 Öffnungszeiten: täglich 8–23 Uhr, Bio-Brunch: Sa, So und an den meisten Feiertagen 9–15 Uhr Winkler Josef Kalkutta 4 Seite 11 Verlagsauslieferung für Österreich und Südtirol: Mohr-Morawa Buchvertrieb GmbH., A 1230 Wien, Sulzengasse 2 T +43 (0) 1/680 14, F +43 (0) 1/688 71-30 Kinder | Jugend Verlagsauslieferung für Deutschland, Österreich, Schweiz und Südtirol: Hauck Thomas J. / Dürr Julia Graf Wenzelslaus – Der Geräuschesammler Seite 12 Koch, Neff & Volckmar GmbH. D 70565 Stuttgart, Schockenriedstraße 37, T +49 (0) 711/78 60-0 Kaufmann Angelika Und wer bist Du? Seite 12 Verlagsauslieferung für München auch: Kohlhofer Julia Es ist schön, ein Flamingo zu sein Seite 13 Pils, D 80469 München, Auenstraße 102, T/F +49 (0) 89/72 11 857 Antoine de Saint-Exupéry/ conrad-muc@t-online.de Schwarzinger Heinz Der kleine Prinz Seite 13 Verlagsauslieferung überallhin mit Post oder Bücherwagen: Bibliothek der Provinz T +43 (0) 2856/37 94, F +43 (0) 2856/37 92 bestellung@bibliothekderprovinz.at Kunst | Wissenschaft | Musik | Regionalia www.bibliothekderprovinz.at Brettschuh Gerald Figuralien Seite 14 Verkehrsnummer: VN 129018 Bei KNV Logistik ist die Verkehrsnummer 7510 Denk Wolfgang Eine Werkmonographie Seite 14 Fabry Clemens Adria Seite 15 Auskünfte über Veranstaltungen wie Lesungen, Ausstellungen und Präsentationen direkt beim Verlag oder unter: www.bibliothekderprovinz.at Göstl Petra Kasematten und St. Peter an der Sperr Seite 15 Bei Bedarf erhältlich: Kinderbuch-, Kunstbuchprospekt; Frühjahrs- und/oder Herbstvorschau, diverse Plakate, Folder … Heilingsetzer Semirah Rudolf Schönwald – Zeichnungen Seite 16 Die Verkaufspreise einiger Titel, vor allem jener, die noch in Produktion sind, können sich noch ändern! Preisangaben daher wie bei der Wettervorhersage: Alle Angaben ohne Gewähr. Kraft Peter Carnuntum Wiederum Seite 16 Irrtümer, Änderungen und ähnliche Ärgernisse versuchen wir zu vermeiden. Kristan Markus L’Autriche á Paris 1925 Seite 17 Die Bücher und Autoren der Bibliothek der Provinz sind mit Österreichischer Staatspreis, Schönste Bücher Österreichs, Perzy Niklas Österreich Tschechien Seite 17 Österreichischer Förderungspreis für Kinder- & Jugendliteratur, Luchs-Preis der ZEIT, Kinder- & Jugendbuchpreis der Rebernig-Ahamer Regine Hadersdorf-Weidlingau Seite 18 Stadt Wien, Premio Andersen, Josef Binder Award, Österreichischer Kinder- & Jugendbuchpreis, Printissimo, Beste Bücher für junge Leser u. dgl. m. ausgezeichnet. Rohde Rüdiger Schlösser – Burgen – Ruinen im Industrieviertel Seite 18 Wagner Monika Von der Würde der Wellen & den Grenzen des Gugelhupfs Seite 19 Die Bücher des Verlages Bibliothek der Provinz finden Sie in gut sortierten Buchhandlungen, naturgemäß in unserer Verlagsbuchhandlung in Großwolfgers, in den Ausstellungsräumen auf Schloss Raabs und auch im Internet, sowohl über Walser Ewald Aufgefangene Zeit Seite 19 unsere Webseite wie bei diversen Versanddiensten. – Wir würden uns freuen, Sie bei unseren Leseveranstaltungen und Ausstellungen begrüßen zu dürfen. Empfehlungen aus der Backlist Seite 20 Abb. Cover: Wolfgang Denk, Beautiful morning in the Sacred Osun Groves, 1990/92 2 Verlag Bibliothek der Provinz Landessammlungen Niederösterreich, Foto: Christoph Fuchs Verlag Bibliothek der Provinz 3
Braendle Christoph Buch Gabriele Csokor Eva Eichhorn Hans Aus den Augen Vier Frauen Anthropozän Fast – Das große Haus Roman Zeichen die wir malen, wischen wir wieder weg Gedichte Prosa 12/19 cm, 234 Seiten, Broschur, 20 ¤ 13/21 cm, 108 Seiten, Broschur, 13 ¤ 13/21 cm, 88 Seiten, Broschur, 12 ¤ 15/21 cm, 560 Seiten, Hardcover, 28 ¤ ISBN 978-3-99028-823-8 ISBN 978-3-99028-822-1 ISBN 978-3-99028-824-5 ISBN 978-3-99028-827-6 Seit ein paar Wochen sitze ich regelmässig im nur wenige Liliane Vernetzt Das weiss ich nicht, wem das leicht über die Lippen Schritte von meinem Zimmer entfernten Caffè della Pace kommt; wer das Parkgaragenticket nicht mehr findet, wer und mache das, was mir am meisten Vergnügen bereitet: Ich In einem sehr alten Haus. bei der Autobahnmautstelle auf Grund eines elektroni- Von allen Seiten, zeichne, ich skizziere, ich entwerfe, was mir vor die Augen Nach dem Krieg. schen Defektes das Fenster nicht mehr öffnen kann oder aus allen Kanälen, kommt. Ich versuche, flüchtigen Augenblicken Dauer zu wer bei der aktuellen Besprechung seines Befundes durch Kabeln, verleihen. Zeichnen ist eine andere Form, Tagebuch zu füh- Winters alles unter Schnee, sommers der Hof voll Blumen, den hiesigen Arzt einen roten Kopf bekommt, der sei an mit Wörtern, ren. Ich bin ein Gewohnheitstier, und weil hier alles so ist, Gesang von Amseln zum Abend, Hähne zur Früh. dieser Stelle herzlich willkommen geheißen. Wo nichts schmerzenden Tönen, als wäre es immer so gewesen, und niemand glaubt, es stimmt und die Koordinatensysteme purzeln, dort muss werde ich beleidigt eine Ordnung am Werk sein, die fast den Durchblick bedürfe einer modischen Veränderung, fühle ich mich hier Die Liebe wohnte dort nicht. in meinem Empfinden. besonders wohl. Das Caffè della Pace ist ein in sich ruhen- Aber der Mantel wärmt und der See ist dunkel und grün. zu haben scheint und die wir in mancherlei Wegen und der, seiner historischen Bedeutung bewusster Raum mit Ertrunkene, sagen die Leute, gibt er nicht mehr heraus. Umwegen zur Sprache bringen wollen, selbst die Wieder- Schlingerndes Wissen holungen seien hier ausdrücklich begrüßt, sie bilden gera- uralter Holzdecke auf einer zentralen Marmorsäule. Runde auf unrunden Spulen dezu den Zement, das Füll- und Stabilisierungsmaterial Tischchen mit hellen Marmorplatten. Holzstühle mit grü- In die Algen sind sie versponnen, denkt das Kind, mögen versetzt mich in einen unseres Unternehmens. Wo ist demnach zu beginnen? Wo nen Ledersitzflächen. Altrosa getünchte Wände. Der Tresen nicht mehr herauf. dämmrigen Zustand, beispielsweise soll die geöffnete Flasche roten Trauben natürlich. Eine gewaltige Glasvase mit mächtig ausladen- aus dem ich lieber saftes seinem Stellenwert und seiner Funktion gemäß zu dem Blumenschmuck. Ein Holzregal mit Weinflaschen, Böse Blicke für Städter haben die Bauern, wollen den guten Weinen ohne Zweifel. Ein unbenütztes schwarzes Teppich, einträte in einen ruhigen Schlaf, stehen kommen, wenn nicht hier, wenn nicht an Ort und Klavier. Es gibt ein paar Nebenräume und Hinterzimmer. das Klavier für Gemüse und Fleisch, quälen aber wollen Stelle, wenn nicht in diesem flüssigen Prozess einer geistes- Und es gibt ausgesprochen hübsche Kellnerinnen, die deut- die Sätze streng, die Gedanken kurz, die informativen Zeiten gegenwärtigen Anteilnahme? Du sagst du zu dir selbst, lich signalisieren, dass das Bedienen nicht ihrer wahren verwandt mit der Kirche sie alle. sogar noch mit Träumen. um dich in angemessener Distanz zu halten, du sagst du Berufung entspricht. Hier arbeiten Models und Schauspie- zu dir, um am Laufenden zu bleiben, um nicht durch lerinnen. Niemand war froh im alten Haus. Die kurze Fahrt in der Tramway, Nachdenken oder Grübeln das Laufende zu behindern. Ich sitze gerne am immer gleichen Tischchen. Zeichne die Vaters Jüdische Frau wurde in ein Lager geschickt, lesend in einem Buch, So ignorierst du auch, indem du zu dir du sagst, das in der jungen Damen, wie sie bedienen. Zeichne Leute, die ein verließ das Haus, sah es nie wieder. ist meine tiefste Stille. Stadt entgegenkommende Paar, schaust einfach weg, gehst treten, sich an die Bar stellen, einen Espresso trinken, bezah- schnell und dich ein wenig hinter dem Rücken der anderen len und wieder gehen. Gäste, die sich hinsetzen, allein, zu Die Neue Frau war nicht froh, weil man das Schicksal der versteckend in den Hinterhofweg Richtung Gasthaustür. zweit, in kleinen Gruppen. ersten nicht vergaß. Wurdest du erkannt? Wolltest du nicht gesehen werden? Eine Person ist mir dabei immer mehr aufgefallen. Der alte Und das Kind? Sommer frische Welcher Logik bist du insgeheim gefolgt? Das sind die Fra- Herr. Recht gross, ziemlich schlank, aristokratisch anmuten- gen, die zu beantworten sind. Das sind die Nichtfragen, mit der Schädel, von dem in leichten Wellen schlohweisses Haar Ist allein im Garten mit sich und dem Teddy, den Gräsern, denen er sich herumschlägt, die kein Anlass für irgendein lch möchte das Land sehen bis fast auf die Schulter fällt. Grosse Sonnenbrille von der dem Wind, den Rosen. Herumschlagen sind, die bei genauerer Betrachtung nicht und atmen den Ährenduft, Art, wie man sie oft bei Blinden sieht. Dunkelblauer Mantel. einmal Fragen sind, weil es doch nicht angehen kann, dass ich möchte im Bach Hut mit breiter Krempe. Schwarze Lederschuhe, schwarze Niemand hört das Weinen im Haus. jemand auch nur darüber nachdenken soll, warum er ein drin stehen Handschuhe und, was man heute kaum noch sieht, ein Stock Die Mutter will ins Wasser. Ihrem Mann war sie nicht bekanntes Paar in diesem Augenblick und in dieser Situa- und Kind sein. mit Silberknauf. Der Herr stellt sich an die Bar, bestellt einen genug, tion nicht sehen will, während ein paar Schritte weiter ein lch möchte ein früheres Leben leben Jugendlicher wie tot auf dem Straßenpflaster liegt oder die Cognac, schnuppert, trinkt aus, bezahlt und verlässt die Bar. sein heimliches Kind kam zur Welt, weit weg, niemand soll und retten, Interessanter Typ. Strahlt etwas aus. Er taucht jeden Tag um es wissen. Autobombe wiederum Millionen von Fernsehzuschauern was jetzt im Vergehen. ein Urteil buchstäblich vor Augen führt oder das Skalpell die gleiche Zeit auf, bestellt Cognac, steckt die Nase ins Glas, trinkt aus, bezahlt und verlässt das Lokal. Frage die Kellne- Die Oma ist blind, die Tante ist stumm, nur der Cognac hat des Chirurgen gerade die Bauchdecke butterweich öffnet. rinnen, die ab und zu ein paar Worte mit mir wechseln, Mitleid. Ja, das sind Fragen! Du und ich, das ist eine Frage. Gesell- wenige Worte nur, weil mein Italienisch miserabel ist und ihr schaftliche Befunde, die sich an einer geöffneten Trauben- Englisch auch nicht besser, wer dieser Herr sei. Vom Leben erzählen dem Kind die Sterne, die Steine, saftflasche demonstrieren lassen, ja, das sind Fragen, das Il tedesco, antworten sie, der Deutsche. Ich versuche etliche das Moos, wenn es blüht sind Antworten in einem höchst verwinkelten, sehr kurz- Male, ihn zu zeichnen, aber er hält sich so kurz am Tresen . sichtig gesehenen Wohn- oder Lebensraum, wo zwei Paare auf, dass ich ihn nie richtig erwische. sich aufeinander zubewegen. Einmal ist es das Paar im Zen- trum der Stadt und einmal ist es das Paar aus dem Zentrum der Stadt hinaus … 4 l i t e r at u r F r ü hjahr 2 0 1 9 Verlag Bibliothek der Provinz Verlag Bibliothek der Provinz l i t e r at u r F r ü hjahr 2 0 1 9 5
Gornikiewicz Maria Hahn Friedrich Kraus Mara Laube Anna Schall und Rauch Der Autor steht für Lesungen Ein Mann mit Eigenschaften Amelie 12 Menschenskizzen und Pressetermine nicht zur Joe J. Heydecker’s autobiografische Aufzeichnungen Die Überwindung der Sprachlosigkeit lediger Mütter 12/19 cm, 164 Seiten, Broschur, 15 ¤ Verfügung 12/19 cm, 440 Seiten, Hardcover, 28 ¤ 12/19 cm, 120 Seiten, Broschur, 15 ¤ ISBN 978-3-99028-825-2 Eine Nahaufhörerfahrung ISBN 978-3-99028-828-3 ISBN 978-3-99028-821-4 Nur eine Schreibmaschine klappert um sechs Uhr dreißig 12/19 cm, 328 Seiten, Broschur, 28 ¤ Joe J. Heydecker wurde durch seine Fotos des Warschauer Vor fünf Jahren hatte Amelie das seltene Glück, ihrer gro- in den hohen Räumen des Kreisgerichtes St. Pölten. ISBN 978-3-99028-826-9 Ghettos und sein Buch über den Nürnberger Prozess be- ßen Jugendliebe wieder zu begegnen (einer von jenen Draußen ist es noch lange nicht hell. kannt. Als er mit 16 Jahren während seiner Fotografen- jungen Leuten, die sich in den 80er Jahren einmal bei mir Wilhelm ist Frühaufsteher. Seine innere Kraft ist vor Was veranlasst einen umtriebigen Autor, der mehr als 35 Bü- ausbildung sein erstes Buch schrieb, wurde ihm klar, dass für einen Maskenball kostümiert hatten), die sich inzwi- sieben am stärksten. Da entstehen Gedichte und andere cher und über 20 Arbeiten für Radio und Bühne veröffent- er eigentlich Schriftsteller werden wollte. Zeit seines Le- schen zu einer stabilen Partnerschaft entwickelt hat und Schriften. licht hat, dem Literaturbetrieb den Rücken zu kehren? Und bens verfasste er Reiseberichte, Tagebücher, Notizen und vom gegenseitigen Vertrauen und Respekt getragen wird. Wenn um acht die Beamten kommen, lässt sie nach. Dann trotzdem eine Biografie vorzulegen. Friedrich Hahn nennt andere Bücher. Die genauen Beschreibungen von Men- Auch hat sich ihr längst erwachsener Sohn, trotz seiner fallen ihm auch keine genialen Formulierungen ein. seine Biografie eine persönliche Arbeitsbiografie. Und brei- schen und Landschaften lassen das Auge des Fotografen körperlichen Behinderung, im Leben inzwischen recht gut Er borgt sich täglich die Schreibmaschine von der Ober tet vor den Augen der Leserschaft ein breites Panorama erkennen, während der geschulte Journalist und kritische zurechtgefunden. Er war ein problematisches Kind. Dass huber. Sie weiß es, tut aber so, als würde sie es nicht bemer- seiner Betätigungsfelder aus: Literatur, radiophone Poesie, Zeitzeuge präzise Skizzen der kulturellen, politischen ihr stets kränkelnder Sohn dennoch die Handelsakademie ken. Dafür sind ihre Bleistifte am sorgfältigsten gespitzt, bildende Kunst, Fotografie, Drama und Performances. Als und gesellschaftlichen Entwicklungen anfertigt. Manche mit Matura hatte abschließen können, ist ihr großes und er hat noch nie ein Poststück von ihr liegen lassen, Vielschreiber und Verlagsnomade, der sich vom Experi- Tagebucheintragungen, wie etwa die Schilderung des Verdienst. auch wenn es erst nach fünfzehn Uhr fertig geworden ist. ment bis zum „klassischen“ Roman an vielen literarischen Friedhofs Staglieno in Genua sind ein für sich selbst ste- Neben ihrer Verantwortung als alleinerziehende Mutter In der Staatsanwaltschaft sowie im ganzen Gerichts Genres abarbeitete, und darüber hinaus als vielseitiger hendes Essay. Nach Aufzeichnungen über die Kriegs- und hat Amelie mit ihrem enormen Einsatz an Ausdauer und gebäude endet der Posteinlauf um diese Zeit. Was später spartenübergreifender Künstler entsprach Hahn nie den Nachkriegszeit und die Emigration nach Brasilien taucht Geduld auch beruflich viel erreicht. Von ihren Vorgesetz- kommt, bleibt bis zum nächsten Tag liegen. Kriterien eines Künstlers mit einem marketinggemäßen Heydecker im Alter – nicht ohne Wehmut – weit zurück in ten wie auch von der Kollegenschaft hat Amelie immer Dann hat er eine Stunde Zeit zum Kuvertieren, Sortieren, klar umrissenen Profil. seine Kindheit und Jugend. „Du solltest nach meinem Tod große Wertschätzung erfahren, weil Verlässlichkeit und Frankieren und Bündeln. Warum werden aus durchschnittlich begabten Schrei- über mich schreiben“, meinte einmal Joe. Meine Antwort Kompetenz zu ihren Charakterstärken zählen. Man Um sechzehn Uhr ist seine Dienstzeit zu Ende. berlingen Bestseller-AutorInnen? Und warum bleiben für war nur ein lautes Lachen.Wahrscheinlich dachte er, ich bewunderte ihren Elan und mit welcher Konsequenz sie Manchmal, wenn er erfüllt ist von seiner Sendung, wenn Leute jenseits des Mainstreams, die im Sinne Becketts ih- lache ihn aus, nie wieder sprach er darüber. Ich hatte aber immer an die Dinge heranging. ein heiliger Zorn seinen Blutdruck hochhält, kommt er ren Schreibtisch weit nach vorne an den Abgrund rücken, über mich selbst gelacht, über den Gedanken, überhaupt Zu meinem 80. Geburtstag hatten Amelie und mein Enkel zurück, um noch heimlich, still und leise an seinem Werk Leute, die das Scheitern riskieren, nur die Nischen übrig, imstande zu sein, so etwas zu tun. sich im Jahr 2017 eine besondere Geburtstagsüberraschung zu feilen. Er schont sich nicht, ist selbstkritisch und strebt wenn überhaupt? Friedrich Hahn geht den Fragen ohne Menschen werden rasch vergessen. Nach so vielen Jahren ausgedacht: Sie schenkten mir ein Flugticket nach Mar- nach Vollkommenheit. Arg, Anklage oder Larmoyanz nach. Und es gelingt ihm füge ich meine Anmerkungen über das Leben des deut- seille; eine Stadt, die ich nicht mehr gesehen hatte, seit ich Sein bürgerlicher Platz ist die Registratur. Sein Werkzeug ein hinreißendes Zeit- und Berufsbild eines Autors, wo- schen Fotografen, Schriftstellers, Sachbuchautors und sie 1961 mit meiner 2-jährigen Amelie verlassen hatte. Ich des Tages besteht aus Ablage- und Unterschriftsmappen, bei er auch das Private nicht ausklammert. Was passiert, Journalisten Julius Isaak Phillip Heydecker, bekannt als nahm diese besondere Gelegenheit wahr, um die gräfliche aus dem großen Locher, aus braunen Archivumschlägen wenn sich die Literatur in das Leben drängt? Oder um- Joe J. Heydecker, seinen autobiografischen Schriften hinzu. Familie auf ihrem Schloss in der Nähe von Aix-en-Pro- und gemusterten Bändern. Wären die Bänder nicht so gekehrt: das Leben in das Schreiben? Was ist, was wäre Heydecker war, abgesehen von seinem erlernten Fotogra- vence zu besuchen. Eine der Töchter war 1959 gerade ein- bunt, könnte er sie öfter als Schuhriemen nützen. Nur die das Gemeinsame? Leben und Literatur suchen in sich den fenberuf und einer kurzen grafischen Ausbildung, in allen mal sieben Jahre alt gewesen, als ich mit der erst zwei braunweißen sind geeignet und auch so lang, dass er sie für Einklang in Kontrasten. Demut – Unmut. Größenwahn – anderen Tätigkeiten ein Autodidakt. Er bezeichnete sich Monate alten Amelie dort angekommen war. Nun begrüßte die Bergschuhe verwenden kann. Minderwertigkeitskomplex. Nähe – Ferne. Als eines seiner gerne als „Homo ludens“, also als Dilettanten im besten mich überrascht eine zierliche 64-jährige Dame, die sich Sein oberstes Gebot ist Sparsamkeit, damit er seinen Stan- Vorbilder nennt Friedrich Hahn Bazon Brock, den Künstler Sinne des Wortes: ein Amateur, doch mit höchsten An- über die vielen Aufnahmen freute, die ich ihr von Amelie dard und seine Lebensqualität halten kann. ohne Werk, den Generalist mit dem speziellen Drall ins sprüchen an sich selbst. Er ist ein Beispiel, was man alles in auf meinem USB-Stick mitbrachte. Es gab viel zu erzählen. Das Wichtigste in seinem Instrumentarium ist natürlich Nebenhinaus. Da, wo es noch das Staunen gibt. seinem Dasein leisten kann; unabhängig, selbstbestimmt Anschließend führte sie mich in jenes Zimmer, wo Amelie das Postbuch und die Frankiermaschine und der Bleistift- und mutig nach eigenen Überzeugungen zu leben. und ich ein Jahr lang gewohnt hatten. Und tatsächlich: spitzer mit der Kurbel. Er hat alles seit vielen Jahren im Seit frühester Jugend hat Heydecker seinen Tagesablauf in Das Bett stand noch immer an derselben Stelle, so als hätte Griff, was sehr geschätzt wird. Bei seiner Arbeit lässt er Notizbüchern und Kalendern festgehalten. Später schrieb ich eben erst gestern das Zimmer verlassen. Auch die sich nichts nachsagen. er Tagebücher. Zwei Jahre vor seinem Tod, er war damals alten, schweren Bücherregale waren unverändert an ihrem Er ist eine große Stütze der Kanzlei. 79, begann er mit der Niederschrift seiner Memoiren. Sie Platz. Und die dreihundert Jahre alte, breit gefächerte Und seine Umgebung glaubt, das sei alles. Niemand ahnt, reichen nur bis zu seinem 18. Lebensjahr. Zeder stand ebenfalls noch im Schlosshof; wo die Gräfin wie er wirklich die Welt beherrscht. Allerdings gibt es zahlreiche belegte Fakten aus späteren einmal Amelie als Baby auf eine Decke gesetzt hatte, um Zu Hause über seinem Bett hängen einige Zeilen von Dos- Jahren: im Tagebuch seiner Emigration nach Brasilien so- sie zu fotografieren. Dieser stark duftende Baum hatte tojewski an der Wand: „Der Mensch ist unglücklich, weil wie seinem Genealogischen Familien-Arbeitsbuch, in dem Hagelschäden, Blitz sowie Erdbeben gut überstanden. er nicht weiß, dass er glücklich ist. Nur deshalb. Das ist er eine durchaus selbstironische Rolle spielt, und durch die Beim Abschied noch ein letzter Blick von der Lichtung alles. Wer das erkennt, der wird glücklich sein, sofort, im Erinnerungen in „Mein Krieg“. des Schlossparks über Aix-en-Provence zum Berg Saint- selben Augenblick.“ Victoire; dem Berg, den Cézanne immer wieder gemalt Das ist eines seiner Geheimnisse, die er mit der Weltlitera- hat. Damit schließt sich der Kreis meiner Erinnerung. tur teilt … 6 l i t e r at u r F r ü hjahr 2 0 1 9 Verlag Bibliothek der Provinz Verlag Bibliothek der Provinz l i t e r at u r F r ü hjahr 2 0 1 9 7
Ottawa Clemens Petrik Dine Reiter Alois Schöffl-Pöll Elisabeth Der exzentrische Mann Traktate des Windes Polterdämmerung Der Himmel – Eine Novelle in a-Moll Klage / Getöse / Flucht Gedichte & Aphorismen Das sind die Anderen Kurzgeschichten 12/19 cm, 96 Seiten, Broschur, 15 ¤ 12/21 cm, 80 Seiten, Broschur, 12 ¤ 13/21 cm, 68 Seiten, Hardcover, illustriert, 13 ¤ ISBN 978-3-99028-692-0 ISBN 978-3-99028-829-0 ISBN 978-3-99028-802-3 12/21 cm, 194 Seiten, Broschur, 18 ¤ ISBN 978-3-99028-830-6 Was man nicht so alles auf Flohmärkten findet. Als ich SOLON GEHT Literatur entsteht durchaus aus den unsichtbaren Rissen, die mich im Sommer dieses Jahres auf einem dieser Pfarrfloh- durch jede Gesellschaft verlaufen und an denen sich der Fein- märkte herumtrieb, stieß ich auf ein sonderbar aussehen- Alles beredet und beschlossen fühlige ansiedelt, um zu überleben. Man spricht oft im übertragenen Sinn oder humoristisch des Notizheftchen. Es stach unter allen anderen Reader’s mit den ältesten der polis nächtelang von Probeliegen in Gräbern, ich selbst jedoch habe tatsäch- Digest-, Konsalik- und Simmel-Billigbüchern im Karton begossen, so manch ein ratskonsul bestochen Alois Reiter ist nach mannigfaltigen Berufen in der Stadt letzt- lich ausprobiert, wie sich solches Liegen in oder auf einem hervor. Ich überflog die handgeschriebenen Seiten, und : meine thesen und traktate sind gesetz! lich ins Mühlviertel aufgebrochen und zertifizierter Biobauer Grab anfühlt, und das kam so. ohne noch genau zu wissen, was ich da eigentlich gefun- wenngleich auch noch auf schwachen beinen geworden. Zu einem Schlüsselerlebnis wird ihm jener un- Allerheiligen nahte, so schleppten wir Kränze und Blumen den hatte, bezahlte ich die 30 Cent, die als Verkaufspreis die – demokratie – freundliche Akt diverser Mitbewohner, die ihm eines Tages in auf den Friedhof unserer Vorfahren, wo auch wir eines genannt wurden, und schlenderte nach Hause. Irgendwel- ein neues wort für die elite wie die masse Wurzelreichweite seines Biotops alte Asphalte von demon- Tages landen würden, um das Grab so reichhaltig, originell che Vor- oder Nachkriegsnotizen würden es wohl sein, tierten Straßen zu Füßen legen. und schön wie möglich zu schmücken. Es ging ans Umgra- dachte ich, und fiel dann aus allen Wolken, als diese Ver- Und plötzlich aus, zunichte Diese Bedrohung im innigsten Lebensraum zieht sich wie ein ben, Rechen, Säubern und Schmücken und ans Schleppen mutung aber so gar nicht zutraf. Was ich las, in gestochen über nacht verwirrung: datenverwirrung! roter Faden durch die Gedichte Alois Reiters, ob es sich um der alten welken Gewächse zum Komposthaufen. Wir scharfer Handschrift, das muss ich zugeben, ließ mich ohne codes nichts mehr im lot, nichts anklickbar einen Einbruch des Todes in die Kindheit handelt, um das freuten uns, dass auch unsere Tochter, die möglicherweise nicht mehr ruhig schlafen. Die Lebens-Aufzeichnungen klagt er, nichts abrufbar und damit nicht genug Zusammenkippen ganzer Landstriche bei Kriegsende oder ebenfalls eines Tages in diesem Grab landen würde, uns eines Mannes, der sein eigenes Grab geschaufelt hatte, : selbst unsere unterhosen sind jetzt schon um das Zusammenfallen liebgewonnener Lebensordnungen. helfend zur Seite stand. und alles lag erst kürzeste Zeit zurück. Das eigentlich made in sparta, ja sogar der unentbehrliche Helmuth Schönauer Zufrieden betrachteten wir das fertige Werk auf unserem Ungeheure dabei – aber, ich schweife ab.. aeolus weht nur mehr spartanisch Familiengrab, lobten unseren Einsatz über Gebühr und : üble gerüche in athen! IM GARTEN beteten im Stillen. Doch ich greife vor, was ich nicht tun möchte, da alles eine meine traktate nehmen schaden Mit der Lage des Kranzes war ich noch nicht restlos zufrie- Im Komposthaufen den. Ich hatte mir das Ensemble im Geist harmonischer Chronologie hat, wenn sie auch manches Mal schmerzhaft klagt er, zornesfalten im gesicht Mutter Blindschleiche vorgestellt. Der Schmuckteil des Kranzes müsste noch ist. Schmerzhaft ist aber nun einmal das Leben sowieso. Ihre drei Kinder ein wenig nach links gerückt werden. Allzu rasch eilte ich So möchte ich denn poetisch beginnen (denn immerhin Eine plage mit den neuen, parasiten Spaghettidünn an das Grabende und wollte den Kranz am Drahtgeflecht ist die Poesie das Einzige mir noch verbliebene Glück). nicht zu sagen dieses auseinanderfallen dieses werden was wir sind und wir nicht wollen Starr packen. Doch hatte ich die hohe Einfriedung aus Marmor dieses geifern um – am sonngewärmten Stein nicht bedacht. Plötzlich stolperte ich, mein Fuß verdrehte das letzte wort, sage ich, habe – ich bin Die Eidechse sich, und ich kam rücklings im Grab zu liegen, mein Hin- nicht länger euer interpret am platten teller terkopf war an die Marmoreinfriedung geprallt. Ich dürfte Zeternd ins Unterholz an einen Maikäfer erinnert haben, den man auf den Rücken alles abgekupfert, mir, satzzeichen „unten, oben“ Flieht die Amsel dreht. Es muss ein skuriller Anblick gewesen sein, der nur selber lernen, sage ich: demokratie! Dem Habichtschlag. des Anlasses wegen nicht zum Lachen reizte. Mein Kopf SOLON mein Name, ja! der name ist gesetz! und war in den Buchsbaum gefallen, dessen Zweige natürlich diese eingefahrene bahn athen – durch den Aufprall krumm geworden waren. Die noch SOLON geht, er blickt nicht mehr zurück blau blühenden winterharten Büsche streckten jetzt ihre Zweiglein wie Finger von sich. Eine Zeitlang lag ich so da und wollte vor lauter Schmerzen von niemandem berührt werden. Ich hielt mir das linke Knie, vor den Augen war mir schwarz. Ein Schock oder eine leichte Gehirnerschütterung waren die Folge, wie ich später feststellen musste, da ich die eine oder andere sonderbare Handlung vornahm und mein Kopf ein unüberhörbares Sausen aufwies. Das Schlimmste an diesem Fall im doppelten Wortsinn aber war, dass ich kurz vor einer wichtigen Buchpräsen tation stand, die ich leider im Schock sofort absagte. Da- durch entgingen mir wichtige Kontakte, das Honorar und ein nicht zu unterschätzender Buchverkauf. Ich habe es also ausprobiert, das Probeliegen. Anraten möchte ich es jedoch niemandem! 8 l i t e r at u r F r ü hjahr 2 0 1 9 Verlag Bibliothek der Provinz Verlag Bibliothek der Provinz l i t e r at u r F r ü hjahr 2 0 1 9 9
Seidlmann Axel Wiesenthal Eva Winkler Josef Die Musik der Stille Immer wieder jetzt Kalkutta IV Reisebilder Tagebuch Fortschritte Kurzprosa 12/19 cm, 508 Seiten, Broschur, 30 ¤ 12/19 cm, 114 Seiten, vierfärbig, Hardcover, 22 ¤ ISBN 978-3-99028-831-3 ISBN 978-3-99028-833-7 12/21 cm, 212 Seiten, Hardcover, 20 ¤ ISBN 978-3-99028-832-0 Ein Buch, das von Begegnungen und Erfahrungen des „Abfahrt. Mutter hat geweint. Auch ich weinte zu Hause. Die Autors an allerlei Orten der Welt erzählt: Die Brahmanin Jungs empfingen mich lauthals am Bahnhof … Ich hatte kein Rei- im Regen Nepals, der Sadhu in Varanassi, der ihn unter- Sperrangelweit offen sefieber. Doch seit einigen Tagen tut es mir wirklich leid, daß ich richten wollte, seine Qin-Stunden in einem chinesischen abreisen muß“, schreibt im November 1928 der 22jährige Teehaus, Menschenbilder aus dem widersprüchlichen Sperrangelweit offen steht die Tür vor mir. Schaue ich von zukünftige berühmte Religionswissenschaftler und Schrift- Thailand und Auswandererschicksale im Pionierland außen oder von innen? Den Flügel, in dem der Schlüs- steller Mircea Eliade als erste Notiz in sein „Indisches Tage- Israel, wo er selbst einem Anschlag entgangen ist dadurch, sel steckt, sehe ich so, wie er bei mir zuhause nach innen buch, Reisenotizen 1928 – 1931“. Es ist elf Jahre her, ich hatte dass er einen anderen Bus wählte. führt, in meinen Ausdruck des inneren Raumes. Außen versprochen, einen Monat lang nach Indien zu kommen. Ein- Immer wieder sind spannende Episoden aus der Geschichte sehe ich vor mir, wie es Innen aussieht: farbig, vielseitig, geladen hatte mich das Goethe-Institut im Jahre 2007, als auf eingestreut, wie auch Bemerkungen zur Kultur: Das Rätsel lebendig, hell stahlend. Das Dunkle läßt sich beleuchten, der Frankfurter Buchmesse der Schwerpunkt „Indien“ war. „Ägypten“, die ausgelöschten Pharaonen, der Nil. Die lässt sich ansehen, ordnen, überblicken, immer weniger … Angekommen in Kalkutta gab der Direktor des Goethe- rieselnden Brunnen der nächtlichen Alhambra und der beängstigend störend undurchsichtig ist es. Viele Bilder, Instituts in einem Restaurant ein luxuriöses Abendessen mit erschütternde Untergang der letzten Emir-Familie. Die viele Geschichten haften an jedem Stück, das widerspie- mehr als zehn Gästen für einen weltberühmten indischen Traumwelt eines sinkenden Venedig, ein Markttreiben im gelnd mich umgibt. So überreich ist das Äußere des Inne- Schriftsteller, an dem ich gelangweilt und sprachlos teilnahm wilden, einsamen Balkangebirge, die Faszination der ren des Außen von Innen. Ich reduziere so umsichtig ich und bei dem fünf mit weißen Handschuhen um die Gäste Wüste und die Gottsuche auf dem Berg Athos. Da sind kann, Der Reichtum soll nicht verschwinden in der Reduk- herumtanzende, unterwürfige Ober servierten. Beeindruckt auch die Erinnerungen an das London der Beatles-Zeit und tion. Heller wird es in mir und um mich, strukturierter. hatte mich zu später Stunde beim allgemeinen Lob des Essens an die Winter in Ibiza, die Melancholie im herbstlichen Viel gebe ich auf, um das Wesen klarer zum Ausdruck zu ein deutscher Korrespondent, der schon seit Jahrzehnten in Paris und die Frage, warum wir so gern der Nostalgie ver- bringen, das Wesentliche deutlicher sichtbar zu machen. Indien weilte und seine Berichte an die „Frankfurter Allge- fallen. Der Autor sinniert am Großglockner über das Berg- So viele Bücher umgeben mich, so viele, die ich verschen- meine“ schickte, als er mir zuflüsterte: „Ob das Essen wirk- steigen und im Hamburger Hafen über den Mythos der ken kann. Bücher im Hause sind Spiegel. Bedarf es tausen- lich gut ist, werden wir erst am nächsten Tag wissen.“ Nach- Schiffe. der Spiegel des Lichtes verschiedener Seelen, tausender dem ich das Restaurant verlassen hatte, bezog ich um Es sind stimmungsstarke Bilder. Wenn etwa abends die Reflexionen, Reflexe, Perspektiven? Überreich ist, was ich Mitternacht mein Zimmer im Hotel „Bengali Club“ und ver- Frauen des Dschungels aus dem Wald treten, um am Fluss selbst betrachten, erfahren, auf mich wirken lasse, erspü- kroch mich in der nach Chlor riechenden weißen Bettwäsche. Wasser zu schöpfen, oder wenn im sonnengedörrten ren kann. Bereits am frühen Morgen wurde ich von den Krähen und Dalmatien das tintenblaue Meer an den hellen Fels schlägt, Immer tiefer blicke ich in mich. Hier finde ich meine eige- den ständig hupenden Autos und Motorrädern geweckt. während die Zikaden schrillen. nen Bilder, meine ureigenen Quellen. Ich horche. „Drei Raben wecken mich in der Früh. In der Nacht weckten mich Heimat ist dem Autor überall, wo er erfüllte Stunden ver- Vor einem offenen Tor, einem Ausgang und Eingang, stehe dagegen die unsichtbaren Mücken, das schnurrende Geräusch des bringt, was letzten Endes den Gegensatz zwischen „auf ich. Vor und hinter der Tür ist ununterscheidbar. Inein- Ventilators und das bleiche Licht an der Decke, das vom Korridor Reisen sein“ und „zu Hause sein“ auflöst. Das Leben als ander über gehen die Räume an dieser Schwelle. An Janus und aus den Nachbarzimmern kam“, steht im „Indischen Tage- Reise. So wird man noch Zeuge eines berührend stillen denke mit dem Blick in die Ferne und in das eigene Reich, buch“ von Mircea Eliade. Ein Dienerjunge brachte mir eine Todes im Frühling und dann mit einem herbstlichen Bade- in die Zukunft und in die Vergangenheit. Hier fast hinter Kanne Darjeeling-Tee, Toast, Butter und Marmelade, das täg- tag – dem letzten im Jahr – getröstet. der Türe in einem gläsern hellen Bereich sehe ich meine liche Frühstück, das er mir fast einen Monat lang jeden Mor- Mutter. Unerwartet steht sie vor mir. Nach einem kleinen gen auf meinen Zimmertisch stellen sollte. Wenn ich mich im Musik der Stille bedeutet auch: Die Welt sehen wie ein Paradeiser greift sie, den man ihr reicht. Auf einem ande- Hotel aufhielt, saß er immerzu vor meinem Zimmer. Öffnete Liebhaber! ren Tablett reicht man russische Eier wie meine Mutter ich die Tür, erhob er sich, faltete seine Hände und flüsterte: sie servieren ließ. Die frische gesunde rote einfache Leben „Namaste!“ Täglich wechselte er meine Bettwäsche und legte spendende saftige Frucht wählt meine Mutter. Verständi- mir frische Handtücher ins Bad. Manchmal stand er Hand in ger ist sie heute. In liebevollerem Licht sehe ich sie heute. Eine Tochter ist ein kleines Mädchen, lese ich, das einmal Hand mit einem anderen jungen Hoteldiener an der Treppe und blickte mir nach, wenn ich die verschlungene Hotel- Kinder & deine Freundin wird. Meine Tochter ergänzt: Ein wah- rer Freund bleibt dir immer, auch wenn er lange Zeit sich treppe hinuntertrippelte und zur Tür hinaus, auf die Straße ging. Es war Monsunzeit, September. Als einmal die Straße JugenD nicht blicken lässt, nicht hören lässt von sich. So bin ich vor dem Hotel hüfttief unter Wasser stand und ich meine meiner Mutter Freundin heute wie mir meine Tochter in zwei abendlichen Kingfisher-Bier vom Shop von der anderen der Ferne eine Freundin ist. Straßenseite holen wollte, verbat er es mir, das Hotel im strö- menden Regen zu verlassen. Vom Fenster aus sah ich, wie er mit hoch erhobenen Händen mit den beiden Bierflaschen durch das tiefe Wasser watete. 10 l i t e r at u r F r ü hjahr 2 0 1 9 Verlag Bibliothek der Provinz Verlag Bibliothek der Provinz k i n d e r | j u g e n d F r ü hjahr 2 0 1 9 11
Hauck Thomas J. (Text) Kaufmann Angelika (Text & Bilder) Kohlhofer Julia (Text & Illustr.) Antoine de Saint-Exupéry/ Duerr Julia (Bilder) Und wer bist du? Es ist schön, Schwarzinger Heinz (Übersetzer) Graf Wenzelslaus ein Flamingo zu sein Der kleine Prinz 22/22 cm, 36 Seiten, vierfärbig, Hardcover, 20 ¤ der Geräuschesammler ISBN 978-3-99028-801-6 Anorexia nervosa 15/21 cm, 92 Seiten, vierfärbig, Hardcover, 18 ¤ Erzählungen 12/19 cm, 80 Seiten, vierfärbig, Broschur, 13 ¤ ISBN 978-3-99028-808-5 15/21 cm, 72 Seiten, Hardcover, 15 € Jeden Morgen bringt mich meine Mama in den Kinder- ISBN 978-3-99028-807-8 ISBN 978-3-99028-834-4 garten. Jeden Morgen gehen wir denselben Weg. Jeden Ist die erste Übersetzung (von Grete und Josef Leitgeb, Morgen haben wir es eilig. Jeden Morgen sehe ich den erschienen 1950) trotz einiger Irrtümer und Abweichun- Flamingos sind wunderschön. Ihr pinkes Gefieder und selben Mann -aber nur von hinten. gen relativ textgetreu, so bekam sie naturgemäß immer ihre ästhetische Figur machen sie zu einzigartigen Wesen. In dem kleinen Städtchen Sinselbök lebte im schmalsten, Der Mann trägt eine Mütze und eine graue Weste. Er ver- mehr Patina und liest sich heute, als wäre sie schwerfällig. Sie strahlen Freude, Glück und Zufriedenheit aus. Sie füh- höchsten und schrägsten Haus direkt am Marktplatz ein kauft Zeitungen. Jeden Morgen steht er da – immer an der Und auf die Lesbarkeit kommt es sehr stark an. Meine len sich wohl in ihrer Welt, haben Spaß am Leben und ziemlich großer Mann. Sein Fachwerkhaus war sagenhafte gleichen Stelle – immer mit dem Rücken zur Straße. Und Erforschung des Textes ging hauptsächlich in diese Rich- Genuss beim Essen. 2,75 Meter breit und 15,75 Meter hoch. Es bestand aus vier bei jedem Wetter. Auch ich bin ein Flamingo. Oder besser gesagt: Ich bin tung: Wie sensibel, wie harmonisch verläuft die Vermitt- Stockwerken und einem Speicher. Es war so schräg, dass Wie schaut der Mann wohl von vorne aus? wieder ein Flamingo. Denn vor zwei Jahren erkrankte ich lung der Worte und Bilder an/durch den (Vor-)Leser, wie man trockenen Fußes unten vorbeilaufen konnte, wenn Hat er eine große Nase oder eine ganz kleine? Hat er eine an Anorexia nervosa, auch Magersucht genannt, durch die sehr ist er durch dieses moderne Märchen in den Bann es regnete oder schneite. Der ziemlich große Mann, der Hakennase oder eine Knollennase? Oder eine Stupsnase? ich meinen Scharm verlor. Mein ästhetischer Körper gezogen? Wie stark bilden sich die Fäden aus zwischen in diesem Haus wohnte, maß sagenhafte 2,15 Meter und Welche Farbe hat sein Haar? Ist er blond oder schwarz? magerte bis zu den Knochen hin ab, meine Federn fielen den fiktiven Figuren und Landschaften einerseits und dem war sehr, sehr dünn. Er strahlte immer: egal ob es regnete Welche Farbe haben seine Augen? oder schneite, ob die Sonne schien oder nicht. Und immer aus und das bunte Gefieder wurde immer blasser… Zuhörer in der Jetztzeit? Pulst dieses Gefühl der Freund- Trägt er eine Brille? schaft, der Liebe – und der Trauer – in ähnlich unsenti- murmelte er in einer sehr seltsamen Sprache etwas vor sich Ich entwickelte mich zu einem ausgemergelten, hässlichen Und seine Ohren? mentaler Weise durch die Erzählung wie zur Entstehungs- hin. Das klang etwa so: „Isseste nöchte phöntöstomötisch, Vögelchen. Alle nahmen mein Untergewicht und meine Jetzt bin ich schon groß genug und kann allein auf die zeit? Was liegt noch hinter dem Sog dieser Geschichte, ön Sinselbök zu lebeben?“ oder „Dö Kröhen kröchzön lebensbedrohliche Situation wahr – alle, nur ich nicht. Straße gehen. wie lässt sich das Unausgesprochene hinter den Worten höuite wöder phöntöstomötisch!“ Denn ich fühlte mich immer noch wie ein Flamingo. Es Zum ersten Mal sehe ich den Mann von vorne. Ich frage erahnbar, erfühlbar machen? Da ich vor allem Theater Dieser sehr große und sehr dünne Mann hieß Graf Wen- hat lange gedauert, bis auch ich einsichtig wurde. Trotz- ihn nach seinem Namen. „Michai“ sagt der Mann, „ich übersetze, habe ich mit der Zeit ein Gehör für ebendieses zelslaus zu Vegesack und er hatte einen ganz seltsamen, dem war es nicht leicht, wieder zu einem normalen Leben bin Michai“. Und ich sage „hallo Michai, ich bin der Ungesagte entwickelt. Mit eher unscheinbaren Worten, aber wundervollen Beruf. Er war Geräuschesammler. zurückzukehren. Denn die Magersucht zu besiegen, ist ein Felix. Woher kommst du, Michai?“ immer eng am Original entlang, galt es, die literarische Er besaß eine riesige Sammlung mit Geräuschen aller Art. harter Kampf. Doch ich habe es geschafft! „Ich komme von weit her. Ich komme vom Donaudelta, Form und die „Melodie“ herzustellen – hier eigentlich Seine Aufbewahrungsmethode war einmalig, er sammelte Ich weiß, dass es viele Anorexie-Erkrankte gibt, die ver- nämlich seine Geräusche in großen Einweckgläsern. dort fließt die Donau in das Schwarze Meer,“ sagt der mehr Rhythmik als Melodie. Im Original schwankt der zweifelt einen Ausweg aus dieser heimtückischen Krank- Der erste, zweite, dritte und vierte Stock seines schmalen, Mann. „Das Meer ist blau. Text stets zwischen verschiedenen Sprachebenen und heit suchen. Diesen Menschen will ich Hoffnung geben, hohen und schrägen Hauses waren voll mit Geräusch Ein Schwarzes Meer gibt es nicht“, ruft Felix. -rhythmen, wenn das lexikalische Niveau dabei auch indem ich meine Geschichte erzähle. Die Geschichte, wie einweckgläsern. Sogar in seinem Schlafzimmer standen „Doch!“ sagt der Mann und lächelt. ziemlich konstant bleibt und kaum je ins Umgangssprach- ich von einem hässlichen Vögelchen wieder zu einem sie … „Eines Tages … fahre ich auch dahin!“ liche kippt. Das konnte ich im Deutschen beibehalten und prachtvollen Flamingo wurde. Ich war ein ganz normales Mädchen: 16 Jahre alt, 165 cm durchaus nachvollziehen und derart, so hoffe ich, einen groß und wog 57 kg. Nicht dünn, nicht dick – einfach nor- deutschen „Originaltext“ schaffen, der die gleiche Wir- mal. Mit meinem Aussehen war ich zufrieden, hässlich kung wie der französische hat: Traumhaftes wirklich war ich eigentlich nicht. Ich ging ins Gymnasium, hatte erscheinen zu lassen, Märchenhaftes real. gute Noten und war äußerst ehrgeizig. Auch zu Hause war ich brav, half meinen Eltern, kümmerte mich um den Haushalt, nahm mich um meine zwei jüngeren Brüder an und gehorchte immer. zurückzu- kehren. Denn die Magersucht zu besiegen, ist ein harter Kampf. Doch ich habe es geschafft! Ich weiß, dass es viele Anorexie-Erkrankte gibt, die ver- zweifelt einen Ausweg aus dieser heimtückischen Krank- heit suchen. Diesen Menschen will ich Hoffnung geben, indem ich meine Geschichte erzähle. Die Geschichte, wie ich von einem hässlichen Vögelchen wieder zu einem prachtvollen Flamingo wurde. 12 k i n d e r | j u g e n d F r ü hjahr 2 0 1 9 Verlag Bibliothek der Provinz Verlag Bibliothek der Provinz k i n d e r | j u g e n d F r ü hjahr 2 0 1 9 13
Brettschuh Gerald Denk Wolfgang Fabry Clemens Göstl Petra (Hg.) Figuralien Eine Werkmonographie Adria Kasematten und Eine Werkmonografie Wenn der Sommer schläft St. Peter an der Sperr 21/30 cm, 60 Seiten, vierfärbig, Softcover, 20 € Schutz und Glaube für Wiener Neustadt ISBN 978-3-99028-814-6 24/30 cm, 264 Seiten, vierfärbig, Hardcover, 38 ¤ 29/31 cm, 132 Seiten, duplex, Softcover, 28 ¤ ISBN 978-3-99028-811-5 ISBN 978-3-99028-836-8 23/26 cm, 304 Seiten, Hardcover, 29 ¤ Die in dieser Publikation vorliegenden Werke verbindet ISBN 978-3-99028-837-5 ihre Vorläufigkeit. Das Vorläufige scheint mir eine ganz Dieses Buch ist eine Art Gebrauchsanweisung, ein ein Die Welt ist nur den Narren kein Rätsel, und wir – närrisch vornehme künstlerische Ausdrucksform zu sein. Denn sie ladender Pfad zu meinem Werk, ein Wegweiser auf der genug, uns für etwas anderes zu halten –, sind unermüdlich Die mittelalterliche Stadtanlage von Wiener Neustadt ist lässt frei. Manchmal wenige Striche, manchmal mehr, Reise durch Energieströme und Essenzen zu meinem am Deuten und Ergründen. Seit ich Clemens Fabrys Zim- in Österreich von einem Mythos umgeben. Sie gilt als manchmal Farbe, manchmal nicht. Warum gerade so? künstlerischen Denken und den Emanationen meiner mernachbar bin, was eine glückliche Fügung ergeben hat, Monument für die Übernahme der Steiermark durch die Die Erkenntnis, jeder weitere Strich, weitere Farben Kunstwerke – eine Flusswanderung am ultrablauen Strom büßt das Welträtsel jeden Tag etwas von seinem Mysterium Babenberger, finanziert durch das Lösegeld des englischen könnten zu viel sein, zerstören, macht aus dem Unferti- der Phantasien und Träume, eine „Erinnerung an die Zu- ein. Ehrlich: Man braucht ja nur uns zu fragen. Wir haben Königs Löwenherz. Die Forschung kennt sie als bedeu- gen das Fertige. Ein spannender, ein inspirierender Pro- kunft“, ein Stundenbuch der Wellen, Ecken, Kanten und zwar auf fast nichts eine Antwort, aber auf alles was zu tendste Rasterstadt des Landes, ihre monumentalen Wehr- zess für den Betrachter. Lehrreich für unser eigenes Fallen der bildnerischen Versuche. sagen. Bekämen wir mehr Besuch in unserem Bubenzim- mauern waren selbst den Osmanen zweimal zu stark für Leben. Das, was der Maler aufzeigt, sind nicht Zustände. Die Reise ist auf jeden Fall eine Entdeckungsfahrt zu den mer, könnte diese geballte Deutungsmacht besser in die eine Eroberung. Es sind dynamische Dimensionen des Menschseins und Ufern der Kunstwerke, entlang der Grenzlinien zwischen Welt finden. Aber andrerseits ist wohl besser, dass wir unter Doch was blieb von den Befestigungen nach der Öffnung geht über diese hinaus. Daher nennt er die vorliegende Kunst und Lebensrealität, vorbei an Kraftfeldern und sich sind, wie man sagt in Wien. der Stadt und vor allem nach den einschneidenden Zerstö- Auswahl nicht Figuren sondern Figuralien. Wie in mei- Einsichten, Verdunkelungen und Erleuchtungen, Schau- Meistens reden wir über Autos, das ist sowieso das Geschei- rungen des Zweiten Weltkriegs erhalten? Eine in Zusam- nem Gedicht Manche Rahmen / Umfassen die Ewigkeit / stellungen und Provokationen. Von Dramen bis hin zu teste: vermeintlich leblose Objekte, nur nicht dem ewigen menarbeit von Bundesdenkmalamt, Land Niederöster- Von innen zeigen sie weniger wer sie sind, sondern weisen Beispielen visionärer, naiv-kindlicher Spielfreude dient Buben – und erst recht nicht dem Fotografen, der in allem reich und Stadt organisierte Bestandsaufnahme sowie die auf das Unermessliche des Nichtseins hin. Das beschreibt das Buch als Navigationshilfe zu den Indikatoren meines ein Gesicht und ein Wesen findet. Sogar in den Dingen, die Analyse historischer Archivalien und Pläne belegt, dass meistens genauer, jedoch auch unpraktischer. künstlerischen Universums. nicht da sind. Davon handelt dieses Buch. Ich habe mich Wiener Neustadt nicht nur bereits kurz nach der Grün- Da der Berner Kunstphilosoph Johannes Gachnang einst darin sofort wohlgefühlt – behaglich schaudernd: Ist die dung eine zukunftsweisend gestaffelte Befestigung mit Gerald Brettschuh hat zu seinen Bildern, bei aller Liebe zu einen „morgenlandfahrerischen“* Bericht über visionäre Menschheit ausgestorben, stolpert sie nur noch in kleinen Graben, Zwinger und Hauptmauer erhalten hat, sondern ihnen, eine eigenartige Distanz. Sucht ihr aus, sagte er zur Kunstannäherungsrituale geschrieben hatte, lud ich ihn Grüppchen Untoter umher? auch dass davon bis heute wesentliche Bereiche bewahrt Kuratorin Aurelia Meinhart und mir. Sagte es und ver- in die Kunsthalle Krems als Kurator der programmati- Ohne Menschen verliert ein Schauplatz seine vorgegebene sind. Frühe Erhöhungen, periodische Verstärkungen und schwand. Als ob er sagen wollte: Tut das, wozu ihr schen Ausstellung „Chaos – Wahnsinn. Permutationen Handlung, die meist schnell erzählt ist. Es entsteht Raum die ständige Anpassung an die modernste Geschütztechnik der zeitgenössichen Kunst“ ein. Seine Theorien schienen für Deutung. Ich sehe eine Landschaft, an der die Herde das machten (neben der Residenz Wien) aus Wiener Neustadt gekommen seid, ich hab mein Teil getan. Das haben wir die einzige konsequent als solche ausgebaute Festungsstadt getan, das werden wir wie viele andere weiterhin tun. mir wie auf den Leib geschneidert zu sein. Der documen- Interesse verloren hat. Wie eine Sandkiste, in der Kinder Niederösterreichs, die mit ihren Basteien, Wällen und Sucher sind Finder. ta-Macher mit umfassendem Kunstwissen war bis zu sei- ihre Spielsachen zurückgelassen haben… Ravelins als monumentales Landesbollwerk gegen Osten Michael Lehofer nem tragischen frühen Tod mein Freund … diente. 14 k u n s t | w i s s e n s c h a f t | m u s i k | r e g i o n a l i a F r ü hjahr 2 0 1 9 Verlag Bibliothek der Provinz Verlag Bibliothek der Provinz k u n s t | w i s s e n s c h a f t | m u s i k | r e g i o n a l i a F r ü hjahr 2 0 1 9 1 5
Heilingsetzer Semirah Kraft Peter (Text) Kristan Markus Perzi Niklas (Hg.) Rudolf Schönwald Herzenberger Christian (Fotos) L’Autriche á Paris 1925 Österreich Tschechien Zeichnungen Carnuntum Wiederum Text/Bildband Gemeinsame Geschichte Essays 24/29 cm, 292 Seiten, Hardcover, 24 ¤ 17/20 cm, 312 Seiten, vierfärbig, Hardcover, 34 ¤ 16,8/24 cm, 420 Seiten, mit Abb., vierf., Hardcover, 34¤ ISBN 978-3-99028-838-2 15/21 cm, 80 Seiten, duplex, Hardcover, 20 ¤ ISBN 978-3-99028-810-8 ISBN 978-3-99028-817-7 ISBN 978-3-99028-839-9 Die Publikation dokumentiert das umfangreiche künstle- Die von Anfang Mai bis Anfang November 1925 in Paris Václav Havel, damals tschechischer Staatspräsident, rische Werk von Rudolf Schönwald, das aus Anlass seines Der Essayband „Carnuntum wiederum“ ist eingefasst in gezeigte „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et beklagte in einer aufsehenerregenden Rede an der Univer- 90. Geburtstages umfassend gewürdigt wird. zwei persönliche Begegnungen von 2017, die erste gemein- Industriels Modernes“ (auf Deutsch oft kurz auch „Inter- sität Wien im März 1993, dass die Bewohner Österreichs Schönwald, der 1928 in Hamburg geboren wurde, kehrte sam mit einer Freundesgruppe, die zweite in Begleitung nationale Kunstgewerbeausstellung“, „Pariser Ausstel- und Tschechiens „lange Zeit eher nur nebeneinander als nach 1945 nach Österreich zurück und begann seine Aus- eines Fotografen, um den seit mehr als fünfzig Jahren wie- lung“ oder „Art-déco-Ausstellung“ genannt) hat mit rund wirklich miteinander gelebt“ hätten. Und er fügte bedau- bildung an der Akademie in Wien bei Josef Dobrowsky derholten Besuchen des Autors vor den Ruinen der Römer- 140 Pavillons auf dem ungefähr 30 Hektar großen Areal ernd hinzu, dass die gegenseitigen Beziehungen während und Christian Ludwig Martin. stadt Carnuntum durch Aufzeichnungen und eine leben- zwischen dem Hôtel des Invalides und den Champs Ely- des gesamten 20. Jahrhunderts „manchmal mehr Verle- Erstmalig wird Schönwalds künstlerisches Wirken im dige Bilderfolge von Aufnahmen Gestalt zu geben. sées den Rang einer Weltausstellung. Sie ist weltweit die genheit, Bitterkeit, Verdächtigungen oder Neid als wirk- Spiegel der Presse und Publikationen beleuchtet. Die auf- Über dem geschichtsträchtigen Boden stehen die bewah- erste Veranstaltung dieser Größenordnung nach dem lich schöpferische Zusammenarbeit“ hervorgebracht hät- gezeigte Chronologie dokumentiert eine erhebliche renden Museen mit ihren Exponaten und Programmen Ende des Ersten Weltkriegs. Während ihrer sechsmonati- ten. Nachbarschaft als örtliche Nähe bedingt vor allem Öffentlichkeitswirkung und bezeugt eine relevante Posi- gen Öffnungszeit wird sie von ca. sechzehn Millionen Gewohnheit, Berührung sowie Kenntnis des anderen. und Forschungsergebnissen, in der Landschaft schließen tion innerhalb der Wiener Kunstszene vor allem in der Besuchern besichtigt, was einer durchschnittlichen Zahl Gerade diese Parameter schienen im vergangenen Jahr- sich daran die frei liegenden Arenen der Amphitheater und von ca. 90.000 Personen pro Tag entspricht. hundert in den österreichisch-tschechischen Beziehungen Zeitspanne vom Ende 1950er Jahre bis zur Mitte der 1970er die befestigten Lager mit der verbindenden Zivilstadt an, verloren gegangen zu sein. Jahre. flankiert vom historischen Wahrzeichen des „Heidentors“. Havels Befund mag erstaunen, waren doch die Bewohner Die vielfältigen Genres, die Schönwald zeichnerisch auf- Mit dieser eindrucksvollen Kulisse entfalten sich die Mög- Die österreichische Beteiligung (ca. 220 Aussteller) an die- beider Länder über Jahrhunderte durch ein gemeinsames greift, reichen von Comics zur Portraitzeichnung, von lichkeiten der Darstellung in Schrift und Bilderfolgen. ser Ausstellung wird sowohl von christlichsozialen Körper- Staatswesen verbunden. Aber der Befund ist im gleichen Tierdarstellungen zu Städteansichten. Zwischen den beiden Besuchen aus dem Jahr 2017 eröffnet schaften (Republik 4 Mrd. Kr., Wiener Handelskammer Maße zutreffend, da die Trennung nach 1918, die Ereig- Etliche graphisch aufwändige Zyklen realisierte der sich ein Gedankenfeld ganz so, wie es die riesige Ausgra- 1 Mrd. Kr., Bankenverband 1 Mrd. Kr.) als auch einer sozi- nisse während der NS-Herrschaft, die Vertreibung der belesene Zeichner – in dieser Publikation wird erstmals bungsfläche mit ihrer bis heute nicht erschlossenen Ganz- aldemokratischen Körperschaft (Gemeinde Wien 2 Mrd. Sudetendeutschen, die unterschiedliche Blockzugehörig- Schönwalds im 90. Lebensjahr entstandener Zyklus zur heit von Jahr zu Jahr immer deutlicher erkennen lässt. Kr.) mit namhaften Geldbeträgen unterstützt (insgesamt keit und die Abschottung in den Nachkriegsjahrzehnten „Odyssee“ abgebildet. Der Versuchscharakter der einzelnen Kapitel liegt auf der neun Milliarden Kronen, das entspricht 2018 rund 3,3 Mio. nicht nur zur Konservierung lang gehegter Stereotypen Autoren: Hand, beachtet wissenschaftliche Faktenlage, tritt aber mit Euro). Es handelt sich daher um eine der wenigen gemein- und Bilder vom jeweils anderen beitrugen, sondern auch Philipp Blom ihr nicht in Konkurrenz, sondern bemüht sich, alles Gese- samen Unternehmungen der zu dieser Zeit tief gespaltenen zu einer großen Uninformiertheit und der Unmöglichkeit, Berthold Ecker hene und Erfahrene persönlich, in eigener Meinungsbil- politischen Lager in Österreich. Allein schon aus diesem diese zu überwinden. Dies wirkte schließlich trotz aller Semirah Heilingsetzer dung aufzuarbeiten. Der Weg des Essays ist demnach ein Grund kommt dieser Ausstellung aus österreichischer Initiativen und neuen Verbindungen nach 1989 fort und Wolfgang Hilger anderer als jener des akribisch erhobenen Grabungsbe- Sicht eine beachtenswerte politische Bedeutung zu. trug zum Teil zu den bilateralen Konflikten der 1990er und richts. Er kann sich jedoch, gerade durch seine Schlussfol- 2000er Jahre, für die die Chiffren „Temelin“ und „Beneš- gerungen vom Erkenntnisrand her, mit ihm verbünden. Dekrete“ stehen, bei. Wenn auch mittlerweile konstatiert Semirah Heilingsetzer Das Mithereinnehmen früher bedeutender Anreger in den werden kann, dass beide Staaten auf praktisch allen Ebe- Semirah Heilingsetzer DER ZEICHNER RUDOLF SCHÖNWALD Rückblick auf ein halbes Jahrhundert Entwicklungsge- nen des wirtschaftlichen, kulturellen, gesellschaftlichen greiche künstlerische Werk von 90. Geburtstages umfassend ge- schichte des archäologisch und historisch erschlossenen und wissenschaftlichen Lebens so eng verflochten sind wie wurde, kehrte nach 1945 nach Carnuntum hat mit den vorangegangenen Buch- und wohl seit 1918 nicht mehr, so setzt sich die jahrzehntelange ldung an der Akademie in Wien g Martin. Kunstmappenprojekten von Herbert Eisenreich und Kurt Trennung mental dennoch fort. s Wirken im Spiegel der Presse eigte Chronologie dokumentiert d bezeugt eine relevante Positi- Absolon, in der Folge von Eduard Vorbeck, Erik G. Vor diesem Hintergrund hat dieses Buch zum Ziel, die wechselvolle Geschichte der beiden Staaten und Gesell- DER ZEICHNER RUDOLF SCHÖNWALD em in der Zeitspanne vom Ende re. chnerisch aufgreift, reichen von Wickenburg und Anton Watzl nur eine ausgelegte Spur rstellungen zu Städteansichten. sierte der belesene Zeichner - in zum Bogen über die bisherigen Jahrzehnte weiterverfol- schaften darzustellen. Der zeitliche Schwerpunkt liegt auf ds im 90. Lebensjahr entstande- dem 20. Jahrhundert, während zwei Beiträge auf die gen wollen. In letzter Konsequenz sollen und dürfen auch Geschichte vor 1914 zurückgreifen. Das Buch ist keine die Fotoserien von Christian Herzenberger, die diesen Beziehungsgeschichte im engeren Sinn , vielmehr versucht Band begleiten, dazugerechnet werden. … es, beide Gesellschaften in ihren Eigendynamiken zu zeichnen, wobei Vergleiche und Hinweise auf Wechselwir- kungen, aber auch auf völlig unterschiedliche Entwicklun- gen im Mittelpunkt stehen … ition wien SH Bibliothek der Provinz 16 k u n s t | w i s s e n s c h a f t | m u s i k | r e g i o n a l i a F r ü hjahr 2 0 1 9 Verlag Bibliothek der Provinz Verlag Bibliothek der Provinz k u n s t | w i s s e n s c h a f t | m u s i k | r e g i o n a l i a F r ü hjahr 2 0 1 9 1 7
Sie können auch lesen