NEWs (Neues, Ereignisse, Wissenswertes) - März 2021 aus der Bücherstube an der Tie urg - Bücherstube an der Tiefburg
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Wenn ich die Welt nicht mehr ertrage, verkrieche ich mich mit einem Buch, das mich wie ein kleines Raumschiff in die Ferne trägt.“ Zitat von Susan Sontag Liebe Kundinnen und Kunden, nun begleitet uns das Virus schon ein ganzes Jahr und sorgt für anhaltende Einschränkungen. Wir sind froh, dass wir Ihnen seit Januar wenigstens unsere Abholstation anbieten dürfen, an der Sie Montag bis Freitag von 10.00 bis 17.00 Uhr und Samstag von 10.00 bis 13.00 Uhr Ihre Vorbestellungen abholen können. Natürlich liefern wir Ihnen gerne auch weiterhin Ihre Bestellung frei Haus. Sagen Sie uns einfach, was Ihnen lieber ist. Unsere Fahrradkuriere sind gerne für Sie unterwegs. Wir sind zuversichtlich, dass wir vielleicht im März unsere Buchhandlung wieder für Sie öffnen dürfen, wenn auch mit Auflagen und natürlich einem Hygienekonzept, das Sie aber von uns schon kennen: Körbe am Eingang, die die Kundenzahl regulieren, die sich im Laden aufhalten dürfen, Luftreinigungsgeräte, die für saubere Luft in unseren Räumen sorgen und natürlich den Mund-Nasen-Schutz. Wir freuen uns auf Sie, denn wir vermissen Sie, das persönliche Gespräch mit Ihnen, den Austausch. Unsere Reihe mit Verlagsvorstellungen wird in diesem Heft fortgeführt. Dieses Mal stellen sich der Wellhöfer Verlag und der Moritz Verlag vor. Wir bedanken uns bei Marlene Bach, der Handschuhsheimer Autorin, die durch ihre Heidelberg-Krimis vielen von Ihnen bekannt ist, für die Erlaubnis hier eine ihrer Kurzgeschichten abdrucken zu dürfen: „Virus spezial“ -lassen Sie sich überraschen. Auf unserer Homepage gibt es eine neue Rubrik: unsere persönlichen Empfehlungen als Video. Schauen Sie doch mal auf www.buecherstube-handschuhsheim.de vorbei. Andere Zeiten – andere Medien – aber weiterhin IHRE Bücherstube: persönlich, individuell, aktuell! DANKE für IHRE Treue, IHRE Unterstützung, IHRE Bestellungen, IHRE Aufmunterungen, IHRE Solidarität! Es grüßt Sie herzlich Ihr Team der Bücherstube an der Tiefburg
BUCHEMPFEHLUNGEN IM MÄRZ 2021 MARKUS UND LOLA LESLIE CONNOR BERNARDINE EVARISTO ORTHS Die ganze Mädchen, Frau Ein Elefant macht Wahrheit (wie etc. Handstand Mason Buttle sie erzählt) Klett-Cotta Moritz ISBN 9783608504842 ISBN 9783895654084 Hanser 512 Seiten, gebunden, 92 Seiten, gebunden, ISBN 9783446268029 25,00 € 9,95 € 319 Seiten, gebunden, 16,00 € Lola soll in der Schule eine Geschichte schreiben. Sie Mason lebt bei seiner Großmutter und dem Onkel in So viele wunderbare Frauen! hat schon begonnen, kommt aber nicht so recht einem heruntergekommenen Haus auf einer Bernardine Evaristo erzählt zwölf Geschichten von voran. Zum Glück ist ihr Vater Autor und kann ihr Apfelplantage am Rande einer amerikanischen zwölf unangepassten, oft diskriminierten und bestimmt helfen. Es beginnt eine rege Unterhaltung Kleinstadt. Er ist ein liebenswerter, freundlicher und wütenden Frauen zwischen 19 und 93, in allen zwischen Vater und Tochter, wie man Alltägliches ehrlicher Junge, Synästhetiker, der wegen seiner Hautfarben. Sie sind lesbisch, trans, queer und beschreibt und daraus eine spannende und lockere Figur, den ständigen Schweißausbrüchen und seiner hetero. Arbeiten als Lehrerin, Bäuerin, in der Kultur Geschichte wird. Man kann neue Wörter erfindet starken Legasthenie bösartig gemobbt wird. Im Jahr oder bei einer Bank. und seiner Phantasie freien Lauf lassen. Klar ist, dass zuvor hat er seinen besten Freund verloren und wir Was sie alle eint ist ihre Suche nach Identität oder am Ende die Po-Ente nicht fehlen darf. lesen gespannt und gerührt, wie er eine neue einer Art lebbarem Feminismus. Ein witziges, interessantes Buch über’s Geschichten Freundschaft schließt und herausfindet, was im Die britische Autorin inszeniert diese Fülle an schreiben für alle Kinder ab 6 Jahren. vergangenen Sommer passiert ist. Figuren und Geschichten intelligent und ohne Kindgerecht und lustig erfährt man worauf es beim Dieses Buch birgt einen wahren Schatz an Brüche. Sie schafft es, dem Leser die verschiedenen Geschichtenschreiben ankommt. Nicht belehrend unterschiedlichsten Themen, über die es sich Sichtweisen auf aktuelle Probleme und Debatten wie sondern einfühlsam und mutmachend, liebevoll nachzudenken lohnt. Es geht um Gerechtigkeit und Rassismus und Feminismus nahe zu bringen ohne zu illustriert von Kerstin Meyer. Geeignet für alle Kinder Rettung im weitesten Sinn und darum, dass in jedem bedrücken oder zu belehren. ab 6 Jahren. Menschen etwas Wertvolles steckt …. Durch diese Perspektivenvielfalt und die ihren Also : viel Spaß beim Lesen und Umsetzen der satzpunklosen Schreibstil erhöht sie das Tempo und Ratschläge. treibt uns geradezu durch das Buch. Man muss einfach weiterlesen! Evaristo erhielt für „Girl, Woman, other den Booker Prize 2019. Übersetzung: Tanja Handels Lesesetipp von Regina Kaiser-Götzmann Lesesetipp von Sabine Lauterbach Lesesetipp von Nina Emmert-Neumann
BUCHEMPFEHLUNGEN IM MÄRZ 2021 PETER MOHLIN & PETER BENEDICT WELLS CHRISTIAN BARON NYSTRÖM Hard Land Ein Mann seiner Der andere Sohn Klasse Diogenes Harper Collins ISBN 9783257071481 Claassen ISBN 9783749901210 352 Seiten, gebunden, ISBN 9783546100007 528 Seiten,gebunden, 24,00 € 280 Seiten,gebunden, 22,00 Euro 20,00 € Emelie Bjurwall, Tochter aus gutem Hause, ver- Der fast 16 jährige Sam lebt in Grady, einer kleinen „Wenn der Flachbildschirm ausgeschaltet ist, dann schwindet in der schwedischen Kleinstadt Karlstad Stadt in Missouri: er ist ein Außenseiter in der Schule verdeckt ihn ein Vorhang, so als verstecke ein nach einer Party spurlos. Ein Verdächtiger ist schnell und hat auch ansonsten einige Probleme. Um den Teenager seine Schmuddelhefte unter dem Bett. Die gefunden – allerdings kommt Billy Nerman wieder trostlosen Sommerferien zu entfliehen, nimmt er Bücherregale dagegen stelle ich aus wie ein Pfau auf freien Fuß. Verurteilt wird er aber dennoch: von einen Ferienjob in einem alten Kino an, was bald zu seine Federnpracht.“ Heute ist er ein Studierter, aber seinen Mitmenschen vor Ort. einigen Veränderungen in seinem Leben führt. Und Barons Kindheit prägen der laufende Fernseher, der 10 Jahre später wird der „Cold Case“ mit einer neu im Verlauf dieses unvergesslichen Sommers entdeckt trinkende und prügelnde Vater, die geliebte eingesetzten Task-Force um FBI-Agent Frederick er dann die Liebe, kommt den 49 Geheimnissen von misshandelte Mutter, die Scham und der Trotz einer Adamsson wieder aufgerollt. Doch Adamsson ist Grady auf die Spur und beginnt zu ahnen, was im Klasse, die gegen das Abgehängtsein kämpft und nicht nur Jäger, er ist auch Gejagter. Nach einem Leben wirklich wichtig ist. Der Autor Benedict Wells scheitert. Dass ein solches Ausmaß an Gewalt, eine missglückten Undercovereinsatz muss er mit einer erzählt diese Geschichte mit Leichtigkeit und Armut bis hin zum Hungern und die gröbsten neuen Identität untertauchen. Er nutzt die Möglich- Tiefgang, seine Protagonisten sind so wunderbar Formen des Klassismus im Deutschland der 90er keit, um in seine alte Heimat zurückzukehren und authentisch und lebendig, dass sie einem ans Herz Jahre beschrieben wird, ist erschütternd. dem wieder in den Fokus der Ermittlungen geratenen wachsen.. Schnörkellos berichtet der Autor gleichermaßen vom Billy Nerman zu helfen, zu dem alte, persönliche Leid, der Normalität, den Freuden und der Verbindungen bestehen. komplizierten Sehnsucht nach seinem Vater. Es „Der andere Sohn“ ist der Auftakt einer neuen Reihe gelingt ihm dem Leser die innere Logik einer um den Ermittler John Adderley. Das Autorenduo lie- Gefühls- und Erlebenswelt zu vermitteln, die von fert damit einen spannenden Plot, der nicht nur ein- außen betrachtet unerträglich erscheint. mal eine unerwartete Wendung nimmt. Dass dabei nicht nur die Hauptperson nicht immer mit offenen Karten spielt, macht aus dem Krimi mehr als nur ein klassisches „Who-done-it?“-Werk. Lesesetipp von Zoe Ehlen Lesesetipp von Susanne Wassenhoven Lesesetipp von Jana Pacyna
Homeschooling ! NEIL PATRICK HARRIS Die magischen 6 Bei uns finden Schüler und Eltern Mr Vernons Unterstützung. Zauberladen Von der Grundschule bis zum Abitur – für Schneiderbuch alle Themen gibt es Lernhilfen mit passenden ISBN 9783505141881 Tipps bei uns. 304 Seiten,gebunden, 14,00 € Carter, die Hauptperson hat ein Talent für Zaubertricks. Doch sein Onkel zwingt ihn, die Menschen mit seinem Talent zu bestehlen. Als sein Onkel einen besonders fiesen Plan hat haut Carter ab. Er steigt auf einen Zug und fährt als blinder Passagier mit. Doch ehe er es sich versehen hat, landet er ganz alleine auf einem Jahrmarkt. Dort findet er aber schnell Freunde mit denen er gut auskommt. Schnell stürzen sich Die Magischen Sechs in ein halsbrecherisches Abenteuer. Ob sie es schaffen den trügerischen Jahrmarkt zu besiegen? Mut, Freundschaft und noch mehr sind gefragt. Fazit: Ich finde dieses Buch sehr interessant und spannend. Der Autor erzählt lebhaft und spricht den Leser direkt an. Auch sehr cool ist, dass im Buch verschiedene Zaubertricks erklärt werden. Der Schriftsteller ist übrigens auch ein berühmter Fernsehstar. Lesesetipp von Jan Frederik (11 Jahre)
VERLAGSVORSTELLUNGEN Der Wellhöfer Verlag wurde 2006 von Ulrich Wellhöfer in Mannheim gegründet. Im Wellhöfer Verlag erscheinen jährlich ca. 10 bis 15 neue Buchtitel. Der Schwerpunkt des Verlagsprogramms liegt im Bereich regionaler Literatur. Biografien, literarisch ambitionierte Romane, Kunst und Lyrik bereichern das Programm. Seit Mai 2018 betreibt der Verlag das "Kulturhaus Pfistermühle" im elsässischen Wissembourg. Hier finden zahlreiche Verlagsveranstaltungen, Seminare, Autorentreffen, literarische Stammtische uvm. statt. Ulrich Wellhöfer organisiert aktuell die in der regionalen Literaturlandschaft etablierte Kleine Buchmesse im Neckartal (26./27. Juni 2021 in Neckarsteinach) und die erste französisch-deutsche Buchmesse in Wissembourg. Informationen zum Verlag und seinen verschiedenen kulturellen Aktivitäten finden sich unter www.wellhoefer-verlag.de und www.kulturhaus-pfistermuehle.de Ulrich Wellhöfer vor dem Kulturhaus Pfistermühle in Wissembourg
ISBN ISBN 9783954281299 9783954281329 380 Seiten 400 Seiten 150 Seiten 13,90 € 9,95 € 19,80 € Liebe für die Ewigkeit haben sich die Kriminalhauptkommissar Nawrod und Hrsg.: Umweltamt der Stadt Heidelberg, Sechzehnjährigen geschworen. Am 17. seine junge Kollegin Nesrin Yalcin Wellhöfer Verlag Juni 1613 zieht das Traumpaar des ermitteln in einem Entführungsfall. Der Im Heidelberg Kochbuch stellen über Jahrhunderts, Kurfürst Friedrich V. und Fall nimmt ein ungeheures Ausmaß an, 100 Heidelbergerinnen und Heidelber- die englische Königstochter Elisabeth nachdem ein zweites Opfer entführt ger ihre Lieblingsrezepte vor. Stuart, durch die mit Girlanden und und verstümmelt wird. Die Entführer Triumphbögen geschmückten Straßen drohen mit dessen Ermordung. Frisch, bio und fair schmeckt es einfach Heidelbergs zum Schloss. Die Ermittlungen führen schließlich bis besser! Die Kurpfalz sieht herrlichen Zeiten in die höchsten Kreise der katholischen Dieses Credo verbindet die Spitzenkö- entgegen. Kirche und für Nawrod und Yalcin wird che namhafter Heidelberger Restau- Doch dann nimmt der junge Kurfürst gegenüber einem Kartell des rants, die Nachhaltigkeitsexperten, die die böhmische Königskrone an. Schweigens das Eis extrem dünn. Biobauern und -händler und all die Der Traum wird zum Albtraum, der Das hochsensible Thema des sexuellen Hobbyköche, die uns ihre persönlichen „Winterkönig“ zum Spielball der Missbrauchs in der Kirche wird in Rezepte verraten haben. Mächtigen, der Dreißigjährige Krieg diesem packenden Thriller mit viel Lassen Sie sich von ihren beginnt. Respekt und Feingefühl behandelt. Lieblingsrezepten inspirieren! Weh dir Pfalz!
VERLAGSVORSTELLUNGEN ISBN ISBN 9783954281558 9783954281244 320 Seiten 250 Seiten 156 Seiten 12,95 € 24,80 € 15,95 € Heilbronn, Mannheim 1817: Tausende Das Buch richtet sich in seiner chrono- Sie sind in ihrer Heimat wenig bekannt Badener und Württemberger strömen logischen Darstellung der Zeit von 1933 oder fast schon vergessen: Pfälzer zu den Landeplätzen am Neckar, um bis 1945 insbesondere auch an junge Entdecker und Pioniere wie Georg aus ihrer Heimat zu fliehen, die sie Menschen, die einen unmittelbaren Ein- Hohermuth von Speyer, ein nicht mehr ernähren kann. Seelenver- druck der Zeitumstände bekommen Konquistador in Südamerika, der käufer haben den Armutsflüchtlingen und zur eigenen Auseinandersetzung Urweltforscher Edgar Dacqué, der das Blaue vom Himmel versprochen, mit dem dunkelsten Kapitel der deut- Menschen in Sauriergestalt beschrieb, wenn sie auf ihre Angebote zur Aus- schen Geschichte und der Verantwor- der Flugpionier August von Parseval, wanderung nach Amerika eingehen. tung des Einzelnen angeregt werden sol- den man für das Ungeheuer von Loch Unter ihnen sind Barbara und Georg, len. Ness verantwortlich machen wollte, die sich im Auswandererlager von Heil- Die vorliegende Veröffentlichung soll oder der bahnbrechende Mediziner bronn kennengelernt haben. zeigen, dass Politik und privates Leben Johann Peter Frank aus Rodalben. Der Auswandererroman von Ulrich nicht voneinander zu trennen sind, dass Zehn dieser bedeutenden, oft zu Maier fußt auf einer Vielzahl von Quel- die Geschichte des „privaten Lebens“ Unrecht vergessenen Pfälzer und len und macht trotz bzw. wegen der untrennbar mit der „großen Geschichte“ Kurpfälzer stellt dieses Buch in veränderten Perspektive die erschre- verbunden ist. biografischen Skizzen vor. ckende Aktualität des Themas Massen- auswanderung deutlich.
KURZGESCHICHTE Kurzbiographie: Marlene Bach wurde 1961 in Rheydt geboren und wuchs nahe der niederlä ndischen Grenze auf. Seit 1997 lebt die promovierte Psychologin in Heidelberg. 2006 erschien ihr erster Kriminalroman im Emons Verlag, dem inzwischen sechs weitere Bä nde folgten. Daneben wandte sich aber auch anderen Textformen zu. Fü r eine ihrer Kurzgeschichten erhielt sie den Walter-Kempowski-Literaturpreis. Nä here Infos unter: www.marlene-bach.de
Virus spezial von Marlene Bach Der P�leger hatte mich gewarnt. Heute ist sie schlecht drauf. Saya hat diese Woche frei. Ich ziehe meinen regenfeuchten Mantel aus und hä nge ihn an den Haken neben der Tü r. Hallo, Martha. Sie liegt im Bett. An den Tagen, an denen es ihr besonders schlecht geht, bleibt sie oft im Bett. Als ob ihr verwirrter Kopf ein krankes Bein wä re, das man schonen muss. Ihre Augen sind noch so wasserblau wie frü her, ihr Blick nennt mich eine Feindin. Ich bemü he mich, laut und deutlich zu sprechen, damit sie mich trotz Maske verstehen kann. Ich soll dir schöne Grüße von Jens bestellen. Martha sieht mich an, als hä tte ich eine Unverschä mtheit von mir gegeben. Er kommt bald mal wieder mit, aber heute muss er arbeiten. Bla, bla, sagt Martha. Geht es dir nicht gut?
KURZGESCHICHTE Die wasserblauen Augen mustern mich, als wü rden sie in meinem halb verdeckten Gesicht nach einem Hinweis suchen, zu wem es gehö rt. Die Maske macht es nicht einfacher, aber Martha beklagt sich nie. Wahrscheinlich ist fü r sie das hellblaue Rechteck ein Teil von mir wie Kinn und Augenbrauen. Ihre Mundwinkel verziehen sich nach unten. Sie spuckt es regelrecht aus: Saya ist schuld. Saya schafft es, Martha zu beruhigen, wenn sie glaubt, dass ihr wieder etwas gestohlen wurde, Martha zurü ckzubringen, wenn sie hinauslä uft und nach Hause will, sie zu trö sten, wenn sie fü r einen kurzen schmerzvollen Moment erkennt, dass es dieses zu Hause nicht mehr gibt. Saya ist ihre Herzens- P�legerin. Marthas weißer Haarschopf dreht sich zur Wand. Wellig und voll, wie der eines jungen Mä dchens. Frü her habe ich Mutter zu ihr gesagt. Aber das fä llt mir schwer, weil ich fü r sie meistens nicht mehr ihre Tochter bin. Möchtest du lieber schlafen? Saya war es. Deshalb musste sie �liehen, sagt Martha. Was hat sie denn angestellt? Martha dreht sich wieder um und macht eine Kop�bewegung zum Fernseher, der auf der kleinen Anrichte steht. Er hat es gesagt. Die Chinesen waren es.
Wer hat was gesagt? Der Hässliche mit der schönen Frau. Die Gelben machen uns alle krank. Donald Trump. Corona. Chinese Virus. Ich vermute mal, dass es darum geht. Saya kommt von den Philippinen, nicht aus China. Sie ist nicht hier, weil sie diese Woche frei hat. Auf dem kleinen Nachttisch steht der Plastikbecher mit dem Trinkaufsatz. Willst du etwas trinken? Martha setzt sich auf, ihr Gesicht das pure Misstrauen. Dann warst du das. Nein bestimmt nicht. Ich habe damit nichts zu tun. Doch. Du warst es. Wo ist Saya? Saya hat frei. Sie kommt nächste Woche wieder. Alle sind sie ge�lohen. Haben sich vom Acker gemacht, die Drecksäcke. U� ber Wochen hat das Virus uns davon abgehalten zu kommen. Fü r Martha unerklä rlich. Ihr Verstand weiß nichts mehr davon, und doch hat sie es uns noch nicht verziehen. Sie haben die Brille gestohlen. Die Brille liegt auf der Anrichte, Martha hat sie nicht gesehen. Martha liebt einfache Erklä rungen. Schau, deine Brille ist hier. Willst du sie haben? Du lügst. Das ist nicht meine.
KURZGESCHICHTE Es klopft. Der P�leger kommt herein. „Florian“ steht auf dem blauen Schild an seinem Kittel. Ich kenne Florian nicht. Er muss neu sein. Ich beziehe nur schnell das Bett neu. Martha presst die Lippen zusammen, so fest, dass sich um ihren Mund ein weißer Kranz bildet. Florian ist nicht Saya. Dafü r kann er nichts, aber Martha ist das egal. Ich nutze meine Chance auf eine Pause. Ich geh solange auf den Flur, dann störe ich nicht. Draußen riecht es nach Zitrone und Desinfektionsmitteln. So intensiv, dass es sogar durch den Zellstoff dringt. Der Linoleumboden glä nzt, als wü rde er den ganzen Tag poliert. Ich schaue in die Whatsapp- Nachrichten und bereue es sofort. Gleich zwei von diesen Youtube-Videos, mit denen ein alter Freund seit Beginn der Corona-Pandemie meint, mich au�klä ren zu mü ssen. Oder vielleicht doch etwas Neues? Ein Mann verkü ndet mit gewichtiger Stimme, dass das Tragen von Masken eine Verä nderung der Gehirnstrukturen in Gang setze, und man daher das Interesse am Gegenü ber verliere. Ein anderer erklä rt mir, warum das Corona-Virus eine per�ide PR-Strategie von Bill Gates ist. Ich falle jedes Mal darauf herein, schaue mir die Sachen an. Zumindest die ersten Minuten. Schließlich kommen sie von einem Freund. Von einem, von dem ich inzwischen weiß, wie wenig ich von ihm wusste. Aber er ist mir wichtig. Meine zaghaften Hinweise, dass mich diese Art von Au�klä rung eigentlich nicht interessiert, hat er mit dem Argument zunichte gemacht, die Krise verp�lichte dazu, sich umfassend zu informieren. Also ü be ich mich in hö �lichem Nicht-Reagieren und stecke das Handy weg.
Als ich zurü ck ins Zimmer komme, sitzt Martha aufrecht im frisch bezogenen Bett. Sobald ich auf dem Stuhl davor Platz genommen habe, beugt sie sich zu mir. Ihre Finger umschließen mein Handgelenk, als wollte sie mich am Weglaufen hindern. Du warst es. Was denn? Das mit dem, was alle kriegen. Auf das Gefü hl soll man eingehen, so haben sie es uns im Kurs fü r Angehö rige beigebracht. Nicht auf den Inhalt. Aber manchmal geht es nicht. Meinst du Corona? Das Virus ist vermutlich auf die Menschen übergegangen, weil sie Tiere gegessen haben, die es hatten. Ich kann da nichts für. Papperlapapp! Du warst es. Du warst mal gelb. Nein, ich war nie gelb. Und ich bin auch keine Chinesin, falls du das meinst. Doch. Marthas Augen funkeln in ihrem blassen Gesicht. Ich habe es gesehen. Da waren ganz viele. Ein grüner Drache. Und eine Prinzessin. Du warst das mit der Krankheit. Ablenkung. Meine Rettung an schlechten Tagen. Manchmal funktioniert es. Sollen wir ein bisschen Fernsehen?
KURZGESCHICHTE Wir schauen fast eine halbe Stunde. Fü r Martha eine lange Zeit. Im Fernsehen lä uft eine Kindersendung. Aus�lug auf den Bauernhof. Martha lacht ü ber das Schwein. Danach kommen Nachrichten. Corona. Demonstrationen. Donald Trump auf der Gangway eines Flugzeugs, neben sich Melania. Da ist der mit der Frau. Das ist Donald Trump. Den lasse ich nicht rein, sagt Martha. Der weiß, dass du es warst. Ich gebe auf. Es ist besser fü r uns beide. Danke, Martha. Das ist sehr nett von dir. Fü r einen friedlich nahen Moment lä sst sie zu, dass ich ihre Hand nehme. Dann dreht sie sich von mir weg und zieht die Decke bis ü ber die Ohren. Nur die silberweißen Haare schauen heraus. Mein Handy gibt den Ton von sich, der mir sagt, dass ich wieder eine neue Nachricht bekommen habe. Wenig spä ter sitze ich auf der kleinen Bank an der Haltestelle und warte auf den Bus. Eine Frau mit einem Kind an der Hand geht an mir vorbei. Ich erinnere mich: Ich war einmal gelb. Vor langer Zeit. Anfang der siebziger Jahre. Kostü miert als Chinesin, mit einer gelben Jacke, die geheimnisvolle schwarze Schriftzeichen auf dem Rü cken hatte, einem gelb gefä rbten Stroh-Hut und einem schwarzen Zopf. Mein kleiner Bruder war ein grü ner Drache und meine Cousine eine rosa Tü ll-Prinzessin. Bonner Karneval. Martha war mit uns dort gewesen. Danach hatte ich die Windpocken bekommen.
Der Bus kommt, ich ziehe meine Maske wieder auf. Als ich einen Sitzplatz ergattert habe, hole ich unvorsichtigerweise mein Handy hervor. Ein neues Video, das mein Freud mir schickt. Ein anderer Mann. Der Inhalt ä hnlich. Menschen, die eine Maske tragen, sind obrigkeitshö rig und haben ihren Autoritä tskon�likt nicht gelö st. Diesmal antworte ich: Habe unglaubliche Neuigkeiten! Weiß aus sicherer geheimer Quelle, dass an allem eine Person schuld ist, die sich Anfang der 70er zum Karneval in Bonn aufgehalten hat. Virus war so lange in Karnevalsschminke konserviert. Alaaf! Helau! Kamelle! Der Freund antwortet nicht. Nun hat unsere Freundschaft wohl Corona.
Bücher Bücherstube an der Tie�urg Dossenheimer Landstr. 2 Überraschungen 69121 Heidelberg-Handschuhsheim Telefon 06221 47 55 10 Charmantes Fax 06221 47 53 03 Heiteres E-Mail rkg@buecherstube-hd.de Webseite www.buecherstube-handschuhsheim.de Ernstes Roman�sches Spannendes Tolle Beratung Ungewöhnliches Bibliophiles Einzigar�ges
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