Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste - Wissenschaftliche Sitzungen 2. Halbjahr 2019 - Nordrhein-Westfälische ...

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Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste - Wissenschaftliche Sitzungen 2. Halbjahr 2019 - Nordrhein-Westfälische ...
Nordrhein-Westfälische Akademie
       der Wissenschaften und der Künste

Wissenschaftliche Sitzungen 2. Halbjahr 2019
Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste - Wissenschaftliche Sitzungen 2. Halbjahr 2019 - Nordrhein-Westfälische ...
Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste - Wissenschaftliche Sitzungen 2. Halbjahr 2019 - Nordrhein-Westfälische ...
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Wissenschaftliche Klassensitzungen und
Akademieveranstaltungen für alle Klassen
der Nordrhein-Westfälischen Akademie
der Wissenschaften und der Künste im
2. Halbjahr 2019

Die Akademie ist eine Vereinigung führender Forscher und Künstler des
Landes und die Heimat von zurzeit 13 wissenschaftlichen Forschungsvorha-
ben. In der Akademie pflegen die Mitglieder wie in den weiteren sieben
deutschen Landesakademien den wissenschaftlichen und künstlerischen
Gedankenaustausch untereinander sowie mit Vertretern von Politik und
Gesellschaft und unterhalten enge Kontakte zu anderen wissenschaftlichen
Einrichtungen im In- und Ausland.

Die Nordrhein-Westfälische Akademie ist in drei wissenschaftliche Klassen,
Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften und Medizin, Ingenieur- und
Wirtschaftswissenschaften, und eine Klasse der Künste gegliedert. In ihnen
findet das eigentliche wissenschaftliche und diskursive Leben der Akademie
statt. Die regelmäßigen nicht öffentlichen Klassensitzungen bieten die
Gelegenheit zur Diskussion wissenschaftlicher Forschungsergebnisse oder
künstlerischer Fragestellungen, in ihnen werden für die akademieeigenen
Schriftenreihen vorgesehene Publikationen vorgelegt. Die Vielfalt der vertre-
tenen Fachrichtungen bietet die Gewähr für disziplinenübergreifenden
Gedankenaustausch und interdisziplinäres Arbeiten.

Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste

                                                                                5
Übersicht 2 | 2019

          G           Mittwoch, 18.09.2019 um 15.00 Uhr

    Buchgestaltung als Poiesis.
    Über das Buch als Gegenstand und Thema literarischer Formung.
    Prof.’ in Dr. Monika Schmitz-Emans, Bochum .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 12

        NM            Mittwoch, 25.09.2019 um 15.30 Uhr

    Von der Entdeckung des Higgs-Teilchens zur Suche nach Dunkler Materie –
    Neues zur Forschung am CERN
    Prof. Dr. Karl Jakobs, Freiburg  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 14

    Wie der Wellencharakter von Röntgenlicht die medizinische Bildgebung
    verbessern wird
    Prof. Dr. Franz Pfeiffer, München  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 16

         IW           Donnerstag, 26.09.2019 um 14.30 Uhr

    Renaissance als Querschnittsdisziplin – Elektrochemie für die Energiewende,
    Ressourceneffizienz und Sensorik
    Prof.’ in Dr. Kristina Tschulik, Bochum  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 18

    Akustische und elastische Metamaterialien:
    Grundkonzepte und Anwendungen
    Prof. Dr.-Ing. Chuanzeng Zhang, Siegen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 20

    Experimentelle Einsichten zu (un)moralischem Verhalten in Organisationen
    Prof. Dr. Bernd Irlenbusch, Köln  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 22

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A           Dienstag, 01.10.2019 um 18.00 Uhr (ÖV)

Eröffnung der Ausstellung von Prof. Cornelius Völker
Die Ausstellung ist vom 02.10. bis 07.11.2019, montags – donnerstags,
von 12 – 17 Uhr geöffnet.

      A           Mittwoch, 09.10.2019 um 17.00 Uhr (ÖV)

Leo Brandt-Vortrag
Vortragender Dr. Burkhard Spinnen, Mitglied der Klasse der Künste

      G           Mittwoch, 16.10.2019 um 14.30 Uhr

Kunst, Angst und Befreiung in Christoph Schlingensiefs Atta-Atta-Trilogie
Dr. Lore Knapp, Bielefeld (Junges Kolleg)  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 24

Die Anfänge der Christianisierung gebildeter Schichten im
2. und 3. Jahrhundert
Prof. Dr. Georg Schöllgen, Bonn .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 25

      A           Dienstag, 29.10.2019 um 16 Uhr (ÖV)

Künstliche Intelligenz
Symposium zum Thema des Wissenschaftsjahres 2019

    NM            Mittwoch, 30.10.2019 um 15.30 Uhr

Zahlen und Geometrie
Prof. Dr. Peter Scholze, Bonn .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 27

Über die Einheit fundamentaler Kräfte
Prof. Dr. Hans Peter Nilles, Bonn  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 27

                                                                                                                            7
G          Mittwoch, 06.11.2019 um 14.30 Uhr

    „Adel verpflichtet!“ – Die Ansprüche junger Nobiles als Herausforderung der
    Römischen Republik im 2. Jh. v. Chr.
    Dr. Jan-Markus Kötter, Düsseldorf (Junges Kolleg)  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 29

    Gibt es den objektiven Geist?
    Prof. Dr. Ludwig Siep, Münster .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 30

         JK          Freitag, 15.11.2019 um 15.00 Uhr (ÖV)

    Forschungstag des Jungen Kollegs zum Thema Kontrollverlust

        NM           Mittwoch, 20.11.2019 um 15.30 Uhr

    Ultrakalte Atome in optischen Fallen:
    Ein Weg zur Quanteninformationsverarbeitung
    Dr. Andrea Alberti, Bonn (Junges Kolleg) .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 33

    CO­2 als Rohstoff: Herausforderungen und Chancen an der Schnittstelle von
    Chemie und Energie
    Prof. Dr. Walter Leitner, Mülheim .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 34

         IW          Mittwoch, 27.11.2019 um 14.30 Uhr

    Stadtentwicklungskonflikte und Planungspraxis in europäischen Städten
    Jun.-Prof.’ in Dr. Carola Silvia Neugebauer, Aachen (Junges Kolleg)  .  .  .  .  .  .  . 36

    Data-Driven Customer Journey Mapping in Local High Street Retail (Daten-
    getriebene Analyse von Kundeninteraktionen im stationären Einzelhandel)
    Prof. Dr. Daniel Beverungen, Paderborn  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 37

    Maschinelles Lernen in nichtstationären Umgebungen
    Prof.’ in Dr. Barbara Hammer, Bielefeld  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 39

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A           Donnerstag, 21.11.2019 um 16.00 Uhr (ÖV)

Versailles 1919: Frieden durch Recht?
Kolloquium im Gedenken an Rudolf Schieffer
Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Prof. Dr. Claus Kreß, Prof. Dr.
Herfried Münkler, Prof.’ in Dr. Angelika Nußberger und Prof. Dr. Marcus Payk,
Moderation: Prof. Dr. Fabian Klose

      G           Mittwoch, 04.12.2019 um 15.00 Uhr

Zum Charakter der griechischen Wirtschaft archaischer und klassischer Zeit:
Der Beitrag archäologischer Forschungen
Prof. Dr. Martin Bentz, Bonn  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 41

    NM            Mittwoch, 11.12.2019 um 15.30 Uhr

Instabile, hochalpine Felsböschungen im Wandel der Zeit
Prof. Dr. Florian Amann, Aachen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 43

Falling Walls: IceCube auf dem Weg in neue Welten
Dr. Christian Spiering, Zeuthen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 44

                                                                                                                            9
Legende/Erläuterungen­­

         A     = Akademieveranstaltung für alle Klassen

         G     = Klasse für Geisteswissenschaften

        NM     = Klasse für Naturwissenschaften und Medizin

        IW     = Klasse für Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften

         K     = Klasse der Künste

        JK     = Junges Kolleg

        ÖV     = Öffentliche Veranstaltung
     ­
     Weitere Informationen zu den Klassensitzungen sind zeitnah im Internet zu finden.
     Bitte beachten Sie bei den genannten öffentlichen Terminen die Einladungen und
     hierbei eventuelle Terminänderungen. Weitere Terminhinweise finden Sie unter
     www.awk.nrw.de.

     Die Klassensitzungen sind grundsätzlich nur für die Mitglieder der Akademie,
     des Jungen Kollegs und der Stiftung der Freunde und Förderer der Akademie sowie
     für geladene Gäste zugänglich.

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Wissenschaftliche Sitzungen 2 | 2019

         G       Mittwoch, 18.09.2019 um 15.00 Uhr, 597. Sitzung

     Buchgestaltung als Poiesis.
     Über das Buch als Gegenstand und Thema
     literarischer Formung.
     Prof.’ in Dr. Monika Schmitz-Emans, Bochum

     Inwiefern ist Literatur „Buch-Kunst“? Ist das Buch als Präsentations- und
     Publikationsform von Literarischem nicht eine bloße Äußerlichkeit, noch dazu
     eine mittlerweile altmodische? Bemerkenswert oft wird die Vorstellung, es sei
     für einen Text selbst gleichgültig, ob man ihn in einem Buch oder auf einem
     Bildschirm lese, gerade von solchen Beobachtern vertreten, die sich ansonsten
     durchaus mediensensibel geben. Demgegenüber zeigt sich in verschiedenen
     Beispielen der neueren und der Gegenwartsliteratur eine Tendenz, die Gestalt
     und Materialität des Kodex nicht nur auf inhaltlicher Ebene zu reflektieren,
     sondern Architektur und Materialität des Buchs zum konstitutiven Bestandteil
     des Werks selbst zu machen. Solche „Buchliteratur“ hat viele Gesichter: In den
     vergangenen Jahrzehnten ist hier, parallel und teilweise in Beziehung zu
     Entwicklungen im Bereich des Künstlerbuchs und des Buchdesigns, ein
     erhebliches Spektrum an Formen erprobt worden. Als Gestaltungsparameter
     genutzt werden dabei – in den Spuren literarischer und druckgraphischer
     Wegbereiter – Typographie, Seitenlayout und die Strukturierung des Kodex,
     ferner Formen und Typen der Bebilderung sowie die Verwendung spezifischer
     Papiere und Einbandmaterialien. Die Autoren und Autorinnen buchliterari-
     scher Werke sind teilweise übrigens ausgebildete Buchdesigner. Dies gilt etwa
     für Judith Schalansky, deren Buch „Verzeichnis einiger Verluste“ (2018) eine
     Art poetisches Theater der Erinnerungen darstellt. Am Beispiel dieses Werks
     lassen sich diverse Strategien der Selbstreflexion des Buchs mit Blick auf seine
     vielfältigen Funktionen aufzeigen. Materialien und Struktur des Kodex

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korrespondieren mit den dargestellten Gegenständen und mit der zentralen
Thematik von Zeitlichkeit, Erinnern und Vergessen. Exemplarisch zeigt sich
dabei, dass die Nutzung der Gestaltungsebenen des Kodex keine nostalgische
Reminiszenz an ein anachronistisches Medium ist, sondern ein Beitrag zur
literarisch-künstlerischen Auslotung der eigenen Darstellungsmöglichkeiten
und -grenzen.

Prof.’ in Dr. Monika Schmitz-Emans, in Leverkusen geboren, nahm 1975 in
Bonn ihr Studium der Germanistik und Philosophie, später auch der Italianis-
tik und Kunstwissenschaft auf. 1980 legte sie das erste Staatsexamen für das
Lehramt ab. 1984 promovierte sie in Bonn und arbeitete dort von 1983 bis
1989 als wissenschaftliche Mitarbeiterin. 1992 erfolgte ihre Bonner Habilitati-
on für Neuere deutsche Literaturgeschichte und Allgemeine Literaturwissen-
schaft. Im selben Jahr auf eine C3-Professur für Europäische Literatur der
Neuzeit an der FernUniversität Hagen berufen, wechselte sie 1995 auf eine
C4-Professur für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der
Ruhr-Universität Bochum. Auslandsaufenthalte führten sie zweimal als Max
Kade Distinguished Visiting Professor in die USA. Seit 2005 ist sie Mitglied
der Academia Europea, seit 2017 Mitglied der AWK (NRW). Von 1999–2005
leitete sie die Deutsche Gesellschaft für Allgemeine und Vergleichende
Literaturwissenschaft; von 2007–2017 die Jean-Paul-Gesellschaft. Seit ihrer
Dissertation (Jean Pauls Ansätze zu einer Theorie der Sprache, 1986) und ihrer
Habilitationsschrift (Schrift und Abwesenheit. Historische Paradigmen zu
einer Poetik der Entzifferung und des Schreibens, 1995) rücken viele For-
schungsarbeiten Formen literarischer Sprachreflexion in den Blick; dazu
gehören auch Phänomene literarischer Mehrsprachigkeit. In den Blick geraten
von hier aus schriftreflexive Texte und Konzepte, die graphische Dimension
von Literatur, Modi poetischer Textgestaltung sowie die Beziehungen zwi-
schen Sprachlichkeit, Schriftlichkeit und Bildlichkeit. Wichtige Arbeitsschwer-
punkte haben sich in jüngerer Zeit um mehrere Forschungsprojekte gebildet,
so um eines zur literarischen Adaption wissensbezogener Darstellungsmodi,
etwa in Form literarischer Lexika, eines zur Beziehung zwischen Literatur und
Künstlerbuch, eines zu alphabetischen Schreibweisen, eines zur Beziehung
zwischen Literatur und Photographie sowie eines zum Zukunftsroman.

                                                                                  13
NM        Mittwoch, 25.09.2019 um 15.30 Uhr, 601. Sitzung

     Vortrag 1

     Von der Entdeckung des Higgs-Teilchens
     zur Suche nach Dunkler Materie – Neues
     zur Forschung am CERN
     Prof. Dr. Karl Jakobs, Freiburg

     Mit der Inbetriebnahme des Large Hadron Collider (LHC) vor etwa zehn Jahren
     am europäischen Forschungszentrum CERN in Genf begann für die Elemen-
     tarteilchenphysik eine neue Ära. Im Vergleich zu früheren Beschleunigeranla-
     gen konnte der zugängliche Energiebereich – und damit der Massenbereich
     für die Suche nach neuen Teilchen – maßgeblich erweitert werden und
     erstmals der sogenannte TeV-Bereich erreicht werden.

     Mit der Entdeckung des Higgs-Teilchens im Jahre 2012 wurde ein wichtiger
     Meilenstein in der Erforschung der fundamentalen Bauteile der Materie und
     der zwischen ihnen wirkenden Kräfte erreicht. Seit Jahrzenten war eine
     zentrale Frage der Physik, wie elementare Teilchen ihre Masse erhalten. Trotz
     dieser Entdeckung bleiben weitere wichtige Fragen offen, z. B. gibt es neue
     Arten von Materie? – und wenn ja, können diese die beobachtete Dunkle
     Materie im Universum erklären? Hat das Higgs-Teilchen genau die Eigenschaf-
     ten, die im Rahmen der Standardtheorie vorhergesagt werden oder zeigen sich
     bei präziseren Messungen Abweichungen?

     Mittlerweile sind am LHC zwei Datennahmeperioden (von 2010–2012 bei
     Energien von 7 bzw. 8 TeV und von 2015–2018 bei der bislang höchsten
     Energie von 13 TeV) erfolgreich abgeschlossen worden. Dabei haben sowohl
     der Beschleuniger als auch die Experimente eine hervorragende Leistungs-
     fähigkeit gezeigt und eine große Datenmenge aufgezeichnet. Basierend auf
     diesen Daten sind zahlreiche präzise Vermessungen und Tests der Quanten-
     feldtheorien der fundamentalen Wechselwirkungen durchgeführt worden.
     Darüber hinaus nahmen die präzise Bestimmung der Eigenschaften des

14
Higgs-Bosons sowie Suchen nach Erweiterungen der Standardtheorie großen
Raum ein.

Im Vortrag werden Einblicke in die spannende Forschung am CERN und der
heutige Kenntnisstand vermittelt. Darüber hinaus werden die Pläne für die
kommenden Messperioden diskutiert.

Prof. Dr. Karl Jakobs ist seit mehr als 25 Jahren an den Experimenten der
Teilchenphysik bei höchsten Energien beteiligt. So forschte er an verschiede-
nen Experimenten am CERN in Genf und am US-Forschungslabor Fermilab in
der Nähe von Chicago. An der Konzeption, am Bau und an der Datenanalyse
des ATLAS-Experiments am Large Hadron Collider (LHC) war er maßgeblich,
seit Anfang der 1990er-Jahre, beteiligt. Für seine herausragenden Beiträge zur
Entdeckung des Higgs-Teilchens erhielt er 2015 die Stern-Gerlach-Medaille,
die höchste Auszeichnung für experimentelle Leistungen der Deutschen
Physikalischen Gesellschaft (DPG). Neben der Erforschung des Higgs-Teil-
chens steht die Suche nach sogenannten supersymmetrischen Teilchen im
Vordergrund seines Interesses. Darüber hinaus ist er an der Entwicklung von
hochauflösenden Siliziumdetektoren zur präzisen Vermessung der Bahnen
geladener Teilchen beteiligt. Seit März 2017 ist er der wissenschaftliche Leiter
(Spokesperson) des ATLAS-Experiments am CERN.

Hauptarbeitsgebiete: Forschungen zu den Wechselbeziehungen zwischen
byzantinischer Literatur und Kunst; zum Nachleben der jüdischen Literatur
der hellenistischen Zeit in der byzantinischen Welt; zur Bedeutung der
byzantinischen Kultur für die orthodoxen Slaven; zur Wirkung des öffentli-
chen Stundengebets der lateinischen Kirche auf die mittelalterliche und
frühneuzeitliche Kunst Westeuropas.

                                                                                   15
Vortrag 2

     Wie der Wellencharakter von Röntgenlicht
     die medizinische Bildgebung verbessern
     wird
     Prof. Dr. Franz Pfeiffer, München

     Vor mehr als 100 Jahren entdeckte Max von Laue in München, dass Röntgen-
     strahlung nicht nur als Röntgenquanten im Teilchenbild interpretiert werden
     können, sondern ebenso einen Wellencharakter aufweisen. Diese Eigenschaft
     wird mittlerweile auch schon lange in der Grundlagenforschung eingesetzt
     (zum Beispiel in der Kristallographie zur Strukturbestimmung von Proteinen),
     hatte bisher jedoch keine Anwendung in der medizinischen Bildgebung. In
     den letzten zehn Jahren allerdings konnten in der vorklinischen Forschung
     sehr große technologische Fortschritte erzielt werden, die eine Nutzung dieses
     Wellencharakters von Röntgenlicht auch für die medizinische Bildgebung
     möglich machen. Diese neuartigen Radiographie-Verfahren, die sogenannte
     Phasenkontrast- und Dunkelfeld-Bildgebung, bergen ein großes Potenzial für
     eine deutliche Verbesserung der Röntgen-Bildgebung und somit auch der
     Diagnose von wichtigen Krankheiten. Dieser Vortrag zeigt die Grundprinzipi-
     en dieser neuen Verfahren auf, fasst exemplarisch die bereits erreichten vor-
     klinischen Forschungsergebnisse an verschiedenen Organen zusammen, und
     zeigt das Potenzial für zukünftige klinische Nutzung in Radiographie und
     Computertomographie auf.

     Prof. Dr. Franz Pfeiffer wurde 1972 in Kösching, Landkreis Eichstätt, geboren.
     Pfeiffer studierte von 1993–1999 Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität
     München. Nach Forschungs- und Lehraufenthalten am Institut Laue-Langevin
     und der Europäischen Synchrotronstrahlquelle ESRF (Grenoble, Frankreich),
     dem Center of Nanoscience (München) und der Universität des Saarlands
     (Saarbrücken) war er 2003 als Gastwissenschaftler an der University of Illinois,
     Urbana-Champaign, USA. Von 2003–2005 war er Wissenschaftler an der
     Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS, Paul Scherrer Institut in Villingen in der
     Schweiz, ab 2005 als Gruppenleiter. Die École Polytechnique Fédérale de

16
Lausanne berief ihn 2007 zum Assistenzprofessor. 2009 erhielt Pfeiffer einen
Ruf als Physikprofessor auf den Lehrstuhl für Biomedizinische Physik am
Institut für Physik der Technischen Universität München. 2012 wurde er zudem
als Professor in die Fakultät für Medizin an der Technischen Universität
München berufen. 2017 wurde Pfeiffer zum Direktor der zwei Jahre zuvor
gegründeten Munich School of BioEngineering (MSB) ernannt.

Franz Pfeiffer ist vor allem bekannt für seine herausragenden Forschungen zur
Entwicklung der Phasenkontrast-Bildgebung mit Röntgenstrahlen. Pfeiffer legte
mit seinen Arbeiten den Grundstein für die breite Anwendung dieses Verfah-
rens in Medizin und Industrie. Über die biomedizinische Grundlagenforschung
hinaus haben seine Forschungen ein immenses Potenzial für die Verbesserung
der gesamten Palette der medizinischen Röntgen-Diagnostik.

Über das Hauptforschungsgebiet der Phasenkontrastentwicklung hinaus, be-
schäftigt sich Franz Pfeiffer auch mit der Weiterentwicklung der Ptychographie
(eine Erweiterung der Rastertransmissions-Röntgenmikroskopie), der Tensor-
Tomographie zur Untersuchung räumlicher Strukturverteilungen und der
gitterinterferometrischen Bildgebung mit Neutronen. Zu seinen Forschungs-
gebieten gehören auch iterative Rekonstruktionsalgorithmen für die Computer-
tomographie, die Dual-Energy Computertomographie, die Entwicklung von
Röntgenkontrastmitteln sowie hochauflösende Mikro- und Nanotomographie.

Franz Pfeiffer ist Autor von über 300 wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Er
hält zahlreiche Patente, hat eine Spin-off-Firma ausgegründet, und zahlreiche
Forschungsgroßprojekte eingeworben. Für seine Forschungen wurde er u. a.
ausgezeichnet mit dem Dr.-Eduard-Martin-Award der Universität Saarbrücken
(2003), dem Nationalen Latsis Preis der Schweiz (2008), dem Röntgen-Preis der
Universität Gießen (2010), dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der DFG
(2011), dem Alfred-Breit-Preis der Deutschen Röntgengesellschaft (2017), und
der Röntgenplakette des Dt. Röntgenmuseums in Remscheid.

                                                                                  17
IW       Donnerstag, 26.09.2019 um 14.30 Uhr, 119. Sitzung

     Vortrag 1

     Renaissance als Querschnittsdisziplin –
     Elektrochemie für die Energiewende,
     Ressourceneffizienz und Sensorik
     Prof.’ in Dr. Kristina Tschulik, Bochum

     In den letzten zwei Jahrzenten hat die Elektrochemie in der Wahrnehmung
     vieler Wissenschaftler einen bemerkenswerten Wandel vollzogen. Von einer
     vermeintlich erschöpfend erforschten Disziplin wurde sie zu einem modernen
     und vielseitigen Werkzeugkoffer für physiko-chemische Grundlagenstudien,
     smarte Bio-und Nanopartikelsensoren, umweltfreundliche Syntheseansätze
     und erneuerbare Energietechnologien.

     Dieser Wandel wurde vor allem getrieben durch das Ziel der nachhaltigen
     Umwandlung und Speicherung von Energie aus erneuerbaren Energieträgern
     und nicht-fossilen Brennstoffen, da fast alle dafür diskutierten Technologien
     auf elektrochemischen Prozessen beruhen: Batterien, Superkondensatoren,
     photovoltaische Zellen, Wasserelektrolyseure, Brennstoffzellen usw. Da
     elektrochemische Reaktionen stets an einer Elektrode erfolgen, spielen neben
     der Reaktionskinetik auch der Transport von Reaktanden und Produkten zur
     und von der Elektrode eine wesentliche Rolle, was das quantitative Verständ-
     nis erschwert. Um große Oberflächen und damit hohe Reaktionsraten zu
     erzielen, kommen oft Nanomaterialien zum Einsatz. Deren Reaktivität und
     Degradation wird durch etablierte elektrochemische Konzepte nur unzurei-
     chend beschrieben. Dies hemmt die Charakterisierung – und somit die ge-
     zielte Weiterentwicklung von Nanokatalysatoren sowie Aktivmaterialien und
     erfordert die Entwicklung neuartiger elektrochemischer Methoden. Solche
     neuen elektrochemischen Methoden zur Bestimmung von intrinsischen Nano-
     partikeleigenschaften und Reaktivitäten werden im Vortrag ebenso diskutiert
     wie deren Anwendung in Sensoren und in der Entwicklung umweltfreundli-
     cher Korrosionsinhibitoren.

18
Prof.’ in Dr. Kristina Tschulik hat an der Technischen Universität Dresden zu-
nächst ihr Studium als Diplomchemikerin abgeschlossen und danach im Jahr
2012 zum Dr. rer. nat. promoviert. Ihre Dissertation fertige sie, unterstützt
durch ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes, am Institut
für Metallische Werkstoffe des Leibniz Instituts für Festkörper- und Werkstoff-
forschung (IFW) Dresden an. Nach einem Postdoktorat am Institut für komplexe
Materialien des IFW Dresden, war sie von 2012 bis 2015 als Postdoktorandin
am Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Oxford
tätig, gefördert durch ein Marie-Curie Intra-European Fellowship der Europäi-
schen Kommission. Ein „NRW Rückkehrerprogramm zur Förderung der Rück-
kehr des hochqualifizierten Forschungsnachwuchses aus dem Ausland“ des
Landes NRW, ermöglichte es ihr ab 2015 als Juniorprofessorin ihre Forschungs-
gruppe an der Ruhr-Universität Bochum zu etablieren. Seit 2018 leitet sie dort
als Inhaberin den Lehrstuhl für Analytische Chemie II und forscht im Bereich
„Elektrochemie und nanoskalige Materialien“.

Zusätzlich zu ihrer Forschungstätigkeit in Oxford (UK), hat Kristina Tschulik
an der University of Virginia (Charlottesville, USA) sowie dem Nationalen
Mineralieninstitut Südafrikas MINTEK (Johannesburg, ZA) internationale
Forschungserfahrung gemacht und war Gastprofessorin an der Université
Paris Diderot (Paris, Fr). Sie publizierte mehr als einhundert Artikel in referier-
ten, internationalen Fachzeitschriften. Die Originalität und Qualität dieser
wissenschaftlichen Arbeiten wurde in vielfältiger Weise gewürdigt. Kristina
Tschulik erhielt unter anderem den „Nachwuchspreis der Leibniz-Gemein-
schaft“ in der Kategorie Natur- und Technikwissenschaften (2013), die „Hell-
muth-Fischer-Medaille“ der DECHEMA (2018), den „Early Career Analytical
Electrochemistry Prize“ der International Society of Electrochemisty (ISE,
2017), den „Joachim Walter Schultze-Preis“ der Arbeitsgemeinschaft Elektro-
chemischer Forschungsinstitutionen e.V. (AGEF, 2016) und den Förderpreis
auf dem Gebiet der Angewandten Elektrochemie“ der Gesellschaft Deutscher
Chemiker (GDCh, 2012).

                                                                                      19
Vortrag 2

     Akustische und elastische Metamaterialien:
     Grundkonzepte und Anwendungen
     Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Chuanzeng Zhang, Siegen

     Akustische und elastische Metamaterialien stellen eine neue Klasse von multi-
     funktionalen Materialien dar. Sie werden aus gewöhnlichen Materialien künst-
     lich hergestellt, weisen jedoch außergewöhnliche und verblüffende Effekte auf,
     welche bei natürlichen und konventionellen Materialien nicht vorhanden sind
     und damit viele bekannte physikalische Grundgesetze brechen können. Solche
     Metamaterialien bestehen normalerweise aus einer speziellen Anordnung von
     unterschiedlichen Materialkomponenten oder den sogenannten lokalen Re-
     sonatoren. Auf der Sub-Wellenlängenskala können Metamaterialien durch
     effektive homogene Materialien approximiert werden (siehe Abbildung). Als
     überraschende und verblüffende Effekte solcher Metamaterialien sind zu
     nennen: negative Massendichte, negative Steifigkeit, negative Brechungsindi-
     zes, Frequenz-Bandlücken usw. Da akustische und elastische Metamaterialien
     durch ein gezieltes Design künstlich herstellbar und kontrollierbar sind, bei-
     spielsweise durch spezielle Materialkombination, Periodizität, Form und
     Größe der Materialkomponente sowie Einführung von lokalen Defekten und
     Resonatoren, können sich gänzlich neue erwünschte Materialeigenschaften
     maßschneidern lassen.

     In diesem Vortrag werden die Grundkonzepte bzw. die Erfolgsrezepte akusti-
     scher und elastischer Metamaterialien dargestellt und erläutert. Neue eigene
     Arbeiten in den letzten Jahren auf dem Forschungsgebiet werden vorgestellt.
     Dabei werden insbesondere einige revolutionäre und innovative Anwendungs-
     möglichkeiten von akustischen und elastischen Metamaterialien gezeigt und
     diskutiert, wie z. B. Manipulation akustischer und elastischer Wellenausbrei-
     tungen, Wellenfokussierung und Wellenlokalisierung, Wellenleiter und Wellen-
     splitter, neuartige akustische Geräte, Schalldämmung und Lärmreduzierung,
     Schwingungs- und Erschütterungsisolierung, aktive Schwingungskontrolle,
     neuartige Erdbeben-Schutzmaßnahmen, akustische und elastische Tarnkappen,
     akustische und elastische Energie-Harvester, topologische akustische und

20
elastische Isolatoren, Zerstörung von Tumorgewebe durch stark fokussierte
Ultraschallwellen etc.

Prof. Dr.-Ing. habil. Chuanzeng Zhang ist seit 2004 Professor und Inhaber des
Lehrstuhls für Baustatik am Department Bauingenieurwesen, Naturwissen-
schaftlich-Technische Fakultät, Universität Siegen. Er studierte von 1980 bis
1983 Bauingenieurwesen und Mechanik an der TH Darmstadt mit dem Ab-
schluss „Dipl.-Ing.“ 1983. Von 1983 bis 1986 war er wissenschaftlicher Mit-
arbeiter, und 1986 promovierte er mit dem akademischen Grad „Dr.-Ing.“ am
Institut für Mechanik der TH Darmstadt. Von 1986 bis 1988 war er Postdoktor
am Department of Civil Engineering an der Northwestern University (USA)
und von 1988 bis 1990 Associate Professor und Professor am Department of
Engineering Mechanics an der Tongji University in Shanghai (China). Im Jahr
1993 habilitierte er am Institut für Mechanik an der TH Darmstadt. Von 1995
bis 2004 war er Professor am Fachbereich Bauwesen der Hochschule Zittau/
Görlitz. Seine Forschungsgebiete beinhalten Wellenausbreitungen und
-beeinflussungen in phononischen Kristallen und akustischen/elastischen
Metamaterialien, Numerische Mechanik, Mechanik intelligenter Materialien
und Strukturen, dynamische Analyse von Funktionsgradientenwerkstoffen
und -strukturen mit Rissen, Mechanik multifunktionaler Materialien und
Strukturen, Oberflächen- und Grenzflächeneffekte in Nanomaterialien und
Nanostrukturen, Elastodynamik und Baudynamik, Mikromechanik und
Nanomechanik, Bruchmechanik und Schädigungsmechanik, Ermüdungs- und
Lebensdaueranalyse von Ingenieurmaterialien und -strukturen. Er hat über
750 Publikationen in Fachzeitschriften und Tagungsbänden. Er ist Co-Chief
Editor der Buchreihe „Advances in Materials and Mechanics“, Associate Editor
von „International Journal of Mechanics and Materials in Design“, Editorial
Member der Buchreihe „Computational and Experimental Methods in Structures“,
Managing Guest Editor von „Engineering Fracture Mechanics“ (2009–2010),
Guest Editor von „Advances in Mechanical Engineering“, Guest Editorial
Member von „Chinese Quarterly of Mechanics“, und Editorial Member von
„International Journal of Computational Methods“, „Structural Durability and
Health Monitoring“, „Computer Modeling in Engineering & Sciences“ (2004–
2007), „Electronic Journal for Boundary Elements“, „Mathematical Methods
and Physicomechanical Fields“, „Engineering Analysis with Boundary Ele-
ments“, „Acta Mechanica Solida Sinica“ und „Theoretical and Applied Mecha-
nics Letters“. Er ist bzw. war Gastprofessur von Tongji University, Harbin

                                                                                21
Engineering University, Harbin Institute of Technology, Nanjing University of
     Aeronautics and Astronautics und China Building Materials Academy, Consul-
     ting Professor von Northwestern Polytechnical University, Ehrenprofessur von
     Beijing Jiaotong University und Qingdao University, Fellow vom Wessex
     Institute of Technology (UK), und Distinguished Visiting Scholar (2011–2012)
     der Faculty of Science and Technology, University of Macau. Er ist Ehrendoktor
     (Dr. h. c.) der Slovak University of Technology in Bratislava und Ehrendoktor
     (Dr. h. c.) der Aristotle University of Thessaloniki. Er ist Mitglied der European
     Academy of Sciences, European Academy of Sciences and Arts und von
     Academia Europaea.

     Vortrag 3

     Experimentelle Einsichten zu (un)morali-
     schem Verhalten in Organisationen
     Prof. Dr. Bernd Irlenbusch, Köln

     Die Vielzahl von Unternehmensskandalen – wie zum Beispiel bei VW oder
     Wells Fargo – weisen darauf hin, dass Erklärungen nicht einfach bei einzelnen
     Übeltätern, sogenannten „faulen Äpfeln“, zu suchen sind, sondern die Ursachen
     für unmoralisches Verhalten in Organisationen wahrscheinlich tiefer liegen.
     Zu diesen Ursachen zählen sogenannte moralische Verhaltensfallen, in die
     Menschen systematisch hineingeraten. Beispiele für solche Verhaltensfallen
     sind: die Nutzung von Feigenblättern, das Hinabgleiten auf moralisch schiefen
     Ebenen, die Generierung moralischer Selbst-Lizenzen, strategische Ignoranz
     oder moralische Überblendungen. Um Ursachen für Skandale besser zu ver-
     stehen, müssen solche Verhaltensfallen systematisch untersucht werden. Da
     unmoralisches Verhalten in Organisationen nur schwer durch Beobachtungen
     oder Befragungen gemessen werden kann, bieten sich ökonomische Labor-
     experimente als Methode an, um kausale Mechanismen empirisch zu beleuch-
     ten. So untersuchen wir zum Beispiel unter welchen Umständen Menschen
     versuchen, anderen gegenüber moralisch zu erscheinen, ohne es tatsächlich zu
     sein. Hierzu führen wir eine Reihe von einfachen Diktatorspiel-Experimenten
     durch, bei denen der Diktator drei Möglichkeiten hat: Er kann direkt ein faires
     oder unfaires Ergebnis umsetzen oder eine private Münze werfen, um eines
22
der beiden Ergebnisse zu bestimmen. Wir stellen fest, dass Diktatoren entweder
vorgeben, die Münze geworfen zu haben, oder, wenn sie die Münze tatsächlich
benutzt haben, das Ergebnis des Münzwurfs zu ihren Gunsten verfälschen.
Dies gilt insbesondere bei erhöhter öffentlicher Sichtbarkeit. Die Verfügbarkeit
der Münze scheint eine korrumpierende Wirkung zu haben. Sie reduziert die
Umsetzung fairer Ergebnisse, auch wenn diese effizient sind. Wenn die heuch-
lerische Natur der Verwendung der Münze jedoch explizit offenbart wird,
wird sie seltener verwendet.

Prof. Dr. Bernd Irlenbusch, geboren 1966, schloss nach einer Ausbildung zum
Kaufmann im Einzelhandel seine Studien zum Diplom-Informatiker, Diplom-
Volkswirt und Diplom-Kaufmann an den Universitäten Bonn und Hagen ab.
Während seiner Studienzeit erhielt er ein Stipendium des Cusanuswerks. Von
1994–1999 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Reinhard Selten an der
Universität in Bonn. Dort promovierte er im Jahr 2000 zum Dr. rer. pol. mit
einer Arbeit „Behaviour governed by non-binding contracts: theory and ex-
perimental observations“, für die er mit dem Heinz-Sauermann-Preis ausge-
zeichnet wurde. Im Anschluss wechselte er an die neugegründete, interdiszip-
linäre Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Erfurt. Dort erfolgte
2004 seine Habilitation mit der Arbeit „Incentives in organisations: economic
and behavioural perspectives“ und er erhielt die venia legendi für Volkswirt-
schaftslehre.

Im Jahr 2004 wechselte Bernd Irlenbusch an die London School of Economics
and Political Science (LSE), an der er zunächst als Lecturer im Interdisciplinary
Institute of Management und ab 2006 als (tenured) Reader im Department of
Management lehrte. Nach Rufen auf W3-Professuren an die Universitäten
Jena, Würzburg, Wien und Frankfurt wechselte er im Jahr 2010 an die Wirt-
schafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln auf eine
W3-Professur für Betriebswirtschaftslehre, Unternehmensentwicklung und
Wirtschaftsethik. In Köln ist er Principal Investigator im Center for Social and
Economic Behavior (C-SEB) sowie im Exzellenzcluster ECONtribute mit
seinen Forschungsschwerpunkten in Experimenteller Wirtschaftsforschung
und Verhaltensökonomischer Forschung in Unternehmens- und Wirtschafts-
ethik, Organisations- und Personalökonomie. Bernd Irlenbusch ist Research
Fellow am Institut zur Zukunft der Arbeit sowie Mitglied im Wissenschaftlichen
Beirat des Berufsverbandes der Compliance Manager (BCM).

                                                                                    23
G       Mittwoch, 16.10.2019 um 14.30 Uhr, 598. Sitzung

     Vortrag 1

     Kunst, Angst und Befreiung in Christoph
     Schlingensiefs Atta-Atta-Trilogie
     Dr. Lore Knapp, Bielefeld (Junges Kolleg)

     Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 brachte der Regisseur und
     Aktionskünstler Christoph Schlingensief in den Jahren 2003 und 2004 drei
     Arbeiten auf deutschsprachige Bühnen, die bei seinen Zuschauern weitgehend
     Unverständnis und Abwehr auslösten, ihm aber dennoch zum Engagement
     bei den Wagnerfestspielen in Bayreuth verhalfen: Eine postdramatische
     Inszenierung an der Berliner Volksbühne mit dem Titel „Atta Atta – Die Kunst
     ist ausgebrochen“, Aufführungen des Prosatextes Bambiland von Elfriede
     Jelinek am Wiener Burgtheater sowie ein von Antonin Artauds Theater der
     Grausamkeit inspiriertes Spektakel am Schauspielhaus Zürich. Thematisch
     sind die drei Arbeiten durch die Auseinandersetzung mit der Angst vor dem
     Fremden und die Frage, was Kunst ist und bewirken kann, verbunden. Außer-
     dem gelten die Performances als Stationen einer großen Prozession der soge-
     nannten Church of Fear, einer Kirche, die der Künstler 2003 in Reaktion auf
     das Phänomen der (Terror-)Angst gründete. Der Vortrag beleuchtet die Aus-
     druckssprache und persönliche Mythologie Schlingensiefs ebenso wie das
     Verhältnis zwischen Kunst und Religion in der Atta-Atta-Trilogie.

     Dr. Lore Knapp, geboren 1983, ist seit 2014 Akademische Rätin auf Zeit an
     der Universität Bielefeld. Sie studierte Neuere deutsche Literatur, Theaterwis-
     senschaft und Musikwissenschaft an der Freien Universität Berlin sowie
     Violoncello und Musikpädagogik an der Universität der Künste Berlin. Im
     Rahmen der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche
     Studien promovierte sie über den Eingang des theologischen Denkens in litera-
     rische und performative Formen der Gegenwart sowie in die philosophische
     Beschreibung von Kunst. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Universität
     Cambridge wurde sie im Jahr 2013 an der FU Berlin promoviert. Im Anschluss
     war sie Honors Fellow der Dahlem Research School der FU Berlin, Gastdozen-

24
tin an der Universität Basel und an der Chulalongkorn-Universität Bangkok
sowie Stipendiatin der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Sie arbeitet
an einer Habilitationsschrift über den britisch-deutschen Literaturtransfer im
achtzehnten Jahrhundert.

Lore Knapp ist seit Januar 2017 Mitglied im Jungen Kolleg der Nordrhein-
Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

Vortrag 2

Die Anfänge der Christianisierung gebildeter
Schichten im 2. und 3. Jahrhundert
Prof. Dr. Georg Schöllgen, Bonn

Um die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert lassen sich zwei gegenläufige Ent-
wicklungen beobachten: auf der einen Seite werden die Christen von anti-
christlichen Autoren als gänzlich ungebildete Zeitgenossen vorgestellt, die aus
den untersten Schichten (de ultima plebe) stammen, auf der anderen Seite
gelingt es dem Christentum in den Großstädten zum ersten Mal nicht nur,
eine größere Zahl von Intellektuellen zu gewinnen, sondern mit dem kartha-
gischen Rhetor Tertullian, einem Mitglied des ordo equester, sowie einer
Reihe von Lehrern der sogenannten alexandrinischen Katechetenschule,
darunter Origenes, einige der klügsten und originellsten Köpfe des römischen
Reiches für sich einzunehmen.

Im Mittelpunkt des Vortrags steht die Frage nach den Ursachen dieser Ent-
wicklung.

Dabei soll ein wichtiger Aufsatz von Norbert Box herangezogen werden, der
die These aufstellt, dass es im zweiten und dritten Jahrhundert so gut wie
keine christliche Mission gegeben hat. Wenn pagan geprägte Gebildete sich
dem Christentum nicht aufgrund missionarischer Werbung anschlossen, was
hat sie dann dazu gebracht, dieser übel beleumundeten Religion näherzutreten?

                                                                                  25
Prof. Dr. Georg Schöllgen, geboren 1951 in Düsseldorf, Abitur am altsprachli-
     chen Görres Gymnasium. Studium der Katholischen Theologie und Klassischen
     Philologie in Bonn, Tübingen und Oxford. 1981 Dissertation; 1990 Habilitation,
     1991–1997 Hochschuldozent (C2) für Kirchengeschichte an der RWTH
     Aachen, 1997–2017 Professor für Alte Kirchengeschichte und Patrologie,
     Universität Bonn, 2001–2019 Direktor des Dölger-Instituts und Hauptheraus-
     geber des RAC.

     Seit 2002 Mitglied, seit 2016 stv. Vorsitzender der Patristischen Kommission
     der Deutschen Akademien der Wissenschaften, 2004–2006 Dekan und von
     2006–2008 Prodekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität
     Bonn, seit 2005 Ordentliches Mitglied der Klasse für Geisteswissenschaften
     der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste,
     2008–2012 Mitglied des Fachkollegiums Theologie der DFG.

     Hauptforschungsinteressen: Frühchristliche Sozial-, Amts- und Rechtsge-
     schichte

26
NM        Mittwoch, 30.10.2019 um 15.30 Uhr, 602. Sitzung

Vortrag 1

Zahlen und Geometrie
Prof. Dr. Peter Scholze, Bonn

Details zum Vortrag lagen zum Redaktionsschluss noch nicht vor.

Vortrag 2

Über die Einheit fundamentaler Kräfte
Prof. Dr. Hans Peter Nilles, Bonn

Symmetrievorstellungen haben die Entwicklung der Physik seit jeher stark
beeinflusst. Dies gilt insbesondere für die Fragen nach den kleinsten Baustei-
nen der Materie und der Natur der fundamentalen Kräfte. Mathematische
Strukturen (etwa der Gruppentheorie) spielen eine zentrale Rolle in der Suche
nach Modellen der Vereinheitlichung fundamentaler Wechselwirkungen
(Grand Unified Theory (GUT)). Wir analysieren die Argumente für eine solche
Theorie und diskutieren mögliche Konsequenzen für Phänomene der Elemen-
tarteilchenphysik und Kosmologie.

Prof. Dr. Hans Peter Nilles, Lehrstuhl für Theoretische Physik an der Universi-
tät Bonn, Dissertation 1978, Wissenschaftler am Stanford Linear Accelerator
Center (SLAC), Stanford, USA (1979–1981), am europäischen Forschungszent-
rum CERN, Genf, Schweiz (1981–1988) und der Universität Genf (1983–1985).
Professor für Theoretische Physik, Technische Universität München (TUM)
und Max-Planck-Institut für Physik (Heisenberg Institut), München (1988–
1997). Forschungsarbeiten an den Schnittstellen zwischen Elementarteilchen-
physik, mathematischer Physik und Kosmologie. Grundlegende Beiträge zu
Modellkonstruktionen der Teilchenphysik, Stringtheorie sowie der Entwick-
lung des inflationären Universums. Seit 1997 Professor an der Universität
Bonn, Forschungsaufenthalte am SLAC, CERN, Fermi National Accelorator

                                                                                  27
Center (FermiLab), Batavia, USA sowie der Ludwig-Maximilians-Universität
     München (LMU). Leitende Funktion in zahlreichen Forschungsprojekten der
     Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie der Europäischen Gemein-
     schaft.

     Seit Gründung 2008 Direktor des Bethe Zentrums für Theoretische Physik
     (bctp) der Universität Bonn und seit 2017 Mitglied des Center of Science and
     Thought (CST), Bonn.

28
G       Mittwoch, 06.11.2019 um 14.30 Uhr, 599. Sitzung

Vortrag 1

„Adel verpflichtet!“ – Die Ansprüche junger
Nobiles als Herausforderung der Römischen
Republik im 2. Jh. v. Chr.
Dr. Jan-Markus Kötter, Düsseldorf (Junges Kolleg)

Die Aristokratie der Römischen Republik war durch ihre politische Betätigung
charakterisiert, durch die der aristokratische Status eines Individuums an sich
überhaupt erst konstituiert wurde. Eine klassische Definition von Christian
Meier hat in diesem Sinne nichts von ihrer Gültigkeit verloren: „Wer Politik
trieb, gehörte zum Adel, und wer adelig war, trieb Politik.“ Zu Recht wird das
politische System des republikanischen Rom insofern als eine „Meritokratie“
beschrieben, in der die individuelle Statuszuweisung eng von den Verdiensten
um die Republik abhing.

Diese idealtypische Zusammensetzung der römischen Aristokratie als reiner
„Amtsadel“ ist aber nur eine Seite der Medaille: Zu den vielen eigentümlichen
Ambivalenzen der politischen Kultur der Römischen Republik gehört es, dass
gerade die direkten Nachkommen verdienter Aristokraten per se einen gewis-
sermaßen ererbten Anspruch erhoben, ebenfalls in Amt und Würden für das
Gemeinwesen wirken zu dürfen, ohne zuvor unter Beweis stellen zu müssen,
über entsprechende qualifizierende Fähigkeiten zu verfügen. Auf dieser Grund-
lage fanden sich im zweiten Jahrhundert v. Chr., in der Zeit der sogenannten
„klassischen Republik“, vor allem Mitglieder der führenden Familien immer
wieder dazu bereit, den (amts-)adligen Komment zugunsten des eigenen
Fortkommens zu missachten, wobei sie die Prominenz ihrer Ahnen als
Wettbewerbsvorteil im Ringen um die umkämpften Ämter und Militärkom-
manden in die Waagschale warfen.

Gleichzeitig kam es aber vermehrt zu gesetzlichen Regelungen, die darauf
abzielten, entsprechende Wettbewerbsvorteile im politischen Wettbewerb zu

                                                                                  29
neutralisieren. Diesem Spannungsverhältnis, das als einer der maßgeblichen
     Faktoren für die spezifische Dynamik der konfliktträchtigen inneraristokrati-
     schen Beziehungen in der mittleren Republik gesehen wird, widmet sich die
     in Entstehung begriffene Habilitation von Jan-Markus Kötter, der einige
     ausgewählte Aspekte seiner Untersuchung präsentieren wird.

     Dr. Jan-Markus Kötter (Jahrgang 1983) arbeitet als wissenschaftlicher Mitar-
     beiter an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Mit einem Stipendium
     der Studienstiftung des deutschen Volkes studierte er von 2002 bis 2008
     Geschichtswissenschaften und Evangelische Theologie in Bielefeld, Uppsala
     und Bonn. Seine Promotion im Fach Alte Geschichte erfolgte 2011 im Rahmen
     des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der
     Goethe-Universität Frankfurt am Main. Hier erhielt seine Dissertationsschrift
     „Zwischen Kaisern und Aposteln. Das Akakianische Schisma (484–519) als
     kirchlicher Ordnungskonflikt der Spätantike“ den Dissertationspreis des
     Stiftungsfonds Kopper. Im Anschluss ging Kötter nach Düsseldorf, wo er von
     2012 bis 2017 im NRW-Akademieprojekt „Kleine und fragmentarische Histori-
     ker der Spätantike“ arbeitete und ab 2018 im DFG-Projekt „Scipio Aemilianus
     und die Strategien im Wettbewerb römischer Aristokraten“ seine Habilitation
     anfertigen wird.

     Jan-Markus Kötter ist seit Januar 2018 Mitglied im Jungen Kolleg der Nord-
     rhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

     Vortrag 2

     Gibt es den objektiven Geist?
     Prof. Dr. Ludwig Siep, Münster

     Die deutsche Tradition des Begriffes „Geisteswissenschaften“ hat ihre Herkunft
     in der Hegelschule. Hegels Geistbegriff ist aber seit der Mitte des 19. Jahrhun-
     derts immer wieder „überwunden“ worden. Heute bestreiten nicht nur Anhän-
     ger der Naturalisierung des Geistes ein solches „Gespenst“, auch in den
     „Kulturwissenschaften“ wird seit Strukturalismus und Poststrukturalismus die
     „Austreibung des Geistes aus den Geisteswissenschaften“ (Kittler 1988)

30
gefordert. Es gibt aber auch Bestrebungen, den Begriff des „objektiven Geistes“
zu aktualisieren. Er kann als gegenständlicher Ausdruck von „Wir-Intentionen“,
als institutionell geregelte gemeinsame Lebensform oder als kulturelles Ge-
dächtnis (Assmann) verstanden werden. Texte und materiale Zeugnisse ver-
gangener und gegenwärtiger Kulturen als objektiven Geist zu betrachten, hieß
aber bei Hegel auch, Fortschritte der Selbsterkenntnis und Handlungsfreiheit
zu identifizieren. Geschichtsphilosophien des Fortschritts gelten heute freilich
ebenfalls als obsolet. Was bleibt dann noch von der Idee des objektiven Geis-
tes? Ohne normative Kriterien wie Freiheit und Gerechtigkeit scheint sich das
Studium der kulturellen Zeugnisse nicht wesentlich von dem des „Reichtums“
der Natur oder der vielfältigen Funktionen sozialer und technischer Systeme
zu unterscheiden. Kultur als objektivierten Geist zu verstehen, verlangt zumin-
dest, kulturelle Zeugnisse auch nach der Lösung von Problemen, der Vermei-
dung von Irrtum und Schuld, der Verbesserung von Institutionen (Recht,
Religion, Bildung) oder nach Graden der Vollkommenheit (Kunst) zu befragen.
Es impliziert also evaluative und normative Fragestellungen. Lässt sich das mit
der Wertfreiheit der (Geistes)Wissenschaft vereinbaren?

Prof. Dr. Ludwig Siep studierte Philosophie, Germanistik, Geschichte und
politische Wissenschaften an den Universitäten Köln und Freiburg (1962–
1969). Nach seiner Promotion 1969 war er wissenschaftlicher Assistent am
Philosophischen Seminar der Universität Freiburg. 1976 war er visiting
assistant professor an der Princeton University. Nach der Habilitation in Frei-
burg 1976 hatte er Lehrstuhlvertretungen in Heidelberg und Berlin (FU) inne.
1979–1986 war er ordentlicher Professor für Philosophie an der Universität-
GH Duisburg. 1986 war er visiting full professor an der Emory University
(Atlanta/USA). Von 1986–2011 war er Professor und Direktor des Philosophi-
schen Seminars an der Universität Münster. Seit seiner Emeritierung 2011 ist
er Seniorprofessor am Exzellenzcluster Religion und Politik der Universität
Münster. Sein Forschungsfeld ist die Systematik und Geschichte der prakti-
schen Philosophie, sowie die allgemeine und angewandte Ethik. Er ist seit
1993 Ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der
Wissenschaften und der Künste sowie seit 2002 Korrespondierendes Mitglied
der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Von 1999–2003 war er Mitglied
des Ethik-Beirates des Bundesministeriums für Gesundheit und von 2002–
2011 Vorsitzender der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellforschung
beim Robert-Koch-Institut in Berlin. Er war Fachgutachter der DFG (1988–1992)

                                                                                   31
und fellow verschiedener Wissenschaftskollegs (Max-Weber Kolleg Erfurt,
     Bogliasco-Stiftung Genua, Kulturwissenschaftliches Institut NRW). Er ist Autor
     und Herausgeber zahlreicher Bücher über die Philosophie des Deutschen
     Idealismus sowie über Ethik, darunter Kommentare über Hegels Phänomeno-
     logie des Geistes (5. Aufl. 2018, engl. 2014, span. 2015) und John Lockes
     Zweite Abhandlung über die Regierung (3. Aufl. 2018).

32
NM        Mittwoch, 20.11.2019 um 15.30 Uhr, 603. Sitzung

Vortrag 1

Ultrakalte Atome in optischen Fallen: Ein
Weg zur Quanteninformationsverarbeitung
Dr. Andrea Alberti, Bonn (Junges Kolleg)

Die zunehmende Kontrolle von Quantenzuständen, die man in den letzten
Jahren in verschiedenen physikalischen Systemen beobachten konnte, ver-
spricht eine Vielfalt von neuen Anwendungen von abhörsicherer Quanten-
kommunikation, über präzise Quantensensoren, neuartige atomare Uhren, bis
hin zu Quantensimulatoren und Quanteninformationsverarbeitung. In diesem
Vortrag werde ich mich auf Quantensysteme aus ultrakalten Atomen konzent-
rieren, deren einzelne Komponenten – die Atome – bei Temperaturen von
unter einem Mikrokelvin in Atomfallen aus Laserstrahlen manipuliert und
detektiert werden. Insbesondere werde ich auf die Fragestellung eingehen, wie
individuelle Atome für die Verarbeitung von Quanteninformation verwendet
werden können. Zu diesem Zweck haben wir an der Universität Bonn eine
neuartige Vorgehensweise entwickelt, die darin besteht, die Quanteninforma-
tion im Spin der Atome zu kodieren und ein Gitter aus Laserlicht für den
spinabhängigen Transport der Atome zu verwenden. Dadurch können wir die
Atome in eine Quantenüberlagerung getrennter Orte aufspalten, und gezielt in
Kontakt miteinander bringen. Ziel dieser Quantenmanipulationen ist es, die
in den Atomen kodierte Quanteninformation effizient „auszutauschen“ und
somit zu verarbeiten. Auf diese Weise hofft man, einst mit Hilfe von Quanten-
algorithmen bestimmte Probleme, wie z. B. die Berechnung komplexer Makro-
moleküle für die Entwicklung von Katalysatoren und neuen Medikamenten,
extrem effizienter als mit herkömmlichen Computern zu lösen.

Dr. Andrea Alberti (Jahrgang 1982) habilitiert derzeit am Institut für Ange-
wandte Physik der Universität Bonn, wo er als Projektleiter im Sonderfor-
schungsbereich OSCAR (SFB/TR 185) in der experimentellen Quantenoptik
forscht. Er trat 2010 der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dieter Meschede an der
Universität Bonn als Postdoktorand bei und erhielt 2011 ein Alexander-von-

                                                                                33
Humboldt-Forschungsstipendium. Von 2011 bis 2014 wurde er als Leiter
     einer Nachwuchsforschergruppe vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert.
     2018 wurde er mit dem Rudolf-Kaiser-Preis ausgezeichnet.

     Seine Ausbildung in Physik hat er 2001 als Stipendiat der Eliteuniversität
     Scuola Normale Superiore in Pisa, Italien, begonnen und im Jahr 2006 mit
     einer Masterarbeit am Laboratoire Kastler-Brossel der École Normale
     Supérieure in Paris abgeschlossen. Unter der Betreuung von Prof. Dr. Guglielmo
     Tino hat er von 2007 bis 2010 am European Laboratory for Nonlinear Spectro-
     scopy in Florenz mit einer Arbeit über Quantensensoren zur Messung der
     Schwerkraft promoviert.

     2018 wurde ihm der Rudolf-Kaiser-Preis zur „Nachwuchsförderung für die
     Experimentalphysik“ verliehen. Seit 2018 ist er Mitglied des Jungen Kollegs
     der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

     Vortrag 2

     CO2 als Rohstoff: Herausforderungen und
     Chancen an der Schnittstelle von Chemie
     und Energie
     Prof. Dr. Walter Leitner, Mülheim an der Ruhr

     Die Nutzung von Kohlendioxid als Rohstoff bietet interessante Möglichkeiten
     zur Sektor-Kopplung an der Schnittstelle von Energie und Chemie. In günsti-
     gen Fällen kann CO2 schon heute erdölbasierte Rohstoffe ersetzen und somit
     zu nachhaltigen Produktionsverfahren beitragen. Im Rahmen der Speicherung
     oder Nutzung von fluktuierendem Strom aus erneuerbaren Quellen wird CO2
     auch als C-Quelle für „Power-to-X“-Konzepte von Bedeutung. Dies eröffnet
     alternative Wege mit reduziertem Kohlenstoff-Fußabdruck zu etablierten
     molekularen Strukturen und ermöglicht den Zugang zu neuartigen Kraftstof-
     fen mit verbesserten Verbrennungseigenschaften. Der Vortrag diskutiert
     grundlegende wissenschaftliche Fragen und erfolgreiche Anwendungsbeispiele

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aus der Katalyseforschung und beleuchtet kritisch die Herausforderungen und
Chancen dieser Konzepte.

Prof. Dr. Walter Leitner ist seit Oktober 2018 Direktor am Max-Planck-Institut
für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr und seit 2002
Professor für Technische Chemie und Petrolchemie an der RWTH Aachen. Seit
2006 ist er außerdem wissenschaftlicher Direktor des gemeinsam von der
RWTH Aachen und Covestro betriebenen Katalysezentrums CAT. Nach dem
Studium der Chemie und der Promotion in Anorganischer Chemie an der
Universität Regensburg (Prof. Dr. Henri Brunner, 1989) forschte er als Postdok-
torand bei John M. Brown an der University of Oxford. Als Liebig Stipendiat
des Fonds der Chemischen Industrie kehrte er zunächst nach Regensburg
zurück, von wo er an die Max-Planck-Arbeitsgruppe „CO2-Chemie“ an der
Universität Jena wechselte. Dort habilitierte er sich im Jahr 1995 und erhielt
die venia legendi im Fach Anorganische Chemie. Zwischen 1995 und 2002
forschte er am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, dem er auch nach
seiner Berufung auf den Lehrstuhl an der RWTH als externes wissenschaftli-
ches Mitglied verbunden blieb.

Gegenstand der wissenschaftlichen Arbeiten von Prof. Leitner ist die Katalyse-
forschung zur Entwicklung nachhaltiger chemischer Prozesse, wobei die
katalytische Nutzung von Kohlendioxid als Synthesebaustein einen Schwer-
punkt bildet. Er ist Autor von mehr als 300 wissenschaftlichen Publikationen
und Mitglied des Kuratoriums der Zeitschrift „Angewandte Chemie“. Die
Forschungsarbeiten seines Teams wurden mehrfach ausgezeichnet, unter
anderem mit dem Gerhard-Hess-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(1997), der Otto-Roelen-Medaille der DECHEMA (2001), dem Wöhler-Preis
der Gesellschaft Deutscher Chemiker (2009) und dem European Sustainable
Chemistry Award der European Association of Chemical and Molecular
Sciences (gemeinsam mit Prof. Klankermayer, 2014). Seit 2011 ist Prof. Leitner
Mitglied des Vorstands der DECHEMA und seit 2015 im Wissenschaftlichen
Beirat der Deutschen Gesellschaft für Erdöl, Erdgas und Kohle (DGMK).

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IW       Mittwoch, 27.11.2019 um 14.30 Uhr, 120. Sitzung

     Vortrag 1

     Stadtentwicklungskonflikte und Planungs-
     praxis in europäischen Städten
     Jun.-Prof.’ in Dr. Carola Silvia Neugebauer, Aachen (Junges Kolleg)

     Weitere Informationen zum Vortrag lagen bei Redaktionsschluss noch nicht
     vor.

     Jun.-Prof.’ in Dr. Carola Silvia Neugebauer (Jahrgang 1980) ist seit Juni 2014
     Juniorprofessorin für „Sicherung Kulturellen Erbes“ an der Fakultät für Archi-
     tektur der RWTH Aachen. Sie studierte Landschaftsarchitektur mit Schwer-
     punkt Städtebau an der Technischen Universität Dresden und ENSP in Ver-
     sailles. Ab 2005 war sie Wissenschaftlerin am Leibniz-Institut für Ökologische
     Raumentwicklung sowie am Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL), wo sie u.
     a. zu fluvialen Kulturlandschaften in Europa und sozialräumlichem Wandel in
     Stadtregionen des mittleren und östlichen Europas (DFG Projekt) forschte.
     Parallel zur Tätigkeit am IfL promovierte sie an der TU Dresden zum Thema
     UNESCO-Weltkulturerbe und nachhaltige Stadtentwicklung: Sie evaluierte die
     Wirkungen des UNESCO-Labels für nachhaltige Stadtentwicklung und formu-
     lierte raumdifferenzierte Ansätze zur Inwertsetzung des Erbes. Ab 2013 war
     sie Postdoc am IfL in dem Forschungsverbund „Urban Reconfigurations in
     Post-Soviet Space“. Vortragsreisen führten sie u. a. nach China und in die USA.

     Carola Neugebauer ist seit 2016 Mitglied des Jungen Kollegs der Nordrhein-
     Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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