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Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste Wissenschaftliche Sitzungen 2. Halbjahr 2019
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Wissenschaftliche Klassensitzungen und Akademieveranstaltungen für alle Klassen der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste im 2. Halbjahr 2019 Die Akademie ist eine Vereinigung führender Forscher und Künstler des Landes und die Heimat von zurzeit 13 wissenschaftlichen Forschungsvorha- ben. In der Akademie pflegen die Mitglieder wie in den weiteren sieben deutschen Landesakademien den wissenschaftlichen und künstlerischen Gedankenaustausch untereinander sowie mit Vertretern von Politik und Gesellschaft und unterhalten enge Kontakte zu anderen wissenschaftlichen Einrichtungen im In- und Ausland. Die Nordrhein-Westfälische Akademie ist in drei wissenschaftliche Klassen, Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften und Medizin, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften, und eine Klasse der Künste gegliedert. In ihnen findet das eigentliche wissenschaftliche und diskursive Leben der Akademie statt. Die regelmäßigen nicht öffentlichen Klassensitzungen bieten die Gelegenheit zur Diskussion wissenschaftlicher Forschungsergebnisse oder künstlerischer Fragestellungen, in ihnen werden für die akademieeigenen Schriftenreihen vorgesehene Publikationen vorgelegt. Die Vielfalt der vertre- tenen Fachrichtungen bietet die Gewähr für disziplinenübergreifenden Gedankenaustausch und interdisziplinäres Arbeiten. Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste 5
Übersicht 2 | 2019 G Mittwoch, 18.09.2019 um 15.00 Uhr Buchgestaltung als Poiesis. Über das Buch als Gegenstand und Thema literarischer Formung. Prof.’ in Dr. Monika Schmitz-Emans, Bochum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 NM Mittwoch, 25.09.2019 um 15.30 Uhr Von der Entdeckung des Higgs-Teilchens zur Suche nach Dunkler Materie – Neues zur Forschung am CERN Prof. Dr. Karl Jakobs, Freiburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Wie der Wellencharakter von Röntgenlicht die medizinische Bildgebung verbessern wird Prof. Dr. Franz Pfeiffer, München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 IW Donnerstag, 26.09.2019 um 14.30 Uhr Renaissance als Querschnittsdisziplin – Elektrochemie für die Energiewende, Ressourceneffizienz und Sensorik Prof.’ in Dr. Kristina Tschulik, Bochum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Akustische und elastische Metamaterialien: Grundkonzepte und Anwendungen Prof. Dr.-Ing. Chuanzeng Zhang, Siegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Experimentelle Einsichten zu (un)moralischem Verhalten in Organisationen Prof. Dr. Bernd Irlenbusch, Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 6
A Dienstag, 01.10.2019 um 18.00 Uhr (ÖV) Eröffnung der Ausstellung von Prof. Cornelius Völker Die Ausstellung ist vom 02.10. bis 07.11.2019, montags – donnerstags, von 12 – 17 Uhr geöffnet. A Mittwoch, 09.10.2019 um 17.00 Uhr (ÖV) Leo Brandt-Vortrag Vortragender Dr. Burkhard Spinnen, Mitglied der Klasse der Künste G Mittwoch, 16.10.2019 um 14.30 Uhr Kunst, Angst und Befreiung in Christoph Schlingensiefs Atta-Atta-Trilogie Dr. Lore Knapp, Bielefeld (Junges Kolleg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Die Anfänge der Christianisierung gebildeter Schichten im 2. und 3. Jahrhundert Prof. Dr. Georg Schöllgen, Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 A Dienstag, 29.10.2019 um 16 Uhr (ÖV) Künstliche Intelligenz Symposium zum Thema des Wissenschaftsjahres 2019 NM Mittwoch, 30.10.2019 um 15.30 Uhr Zahlen und Geometrie Prof. Dr. Peter Scholze, Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Über die Einheit fundamentaler Kräfte Prof. Dr. Hans Peter Nilles, Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 7
G Mittwoch, 06.11.2019 um 14.30 Uhr „Adel verpflichtet!“ – Die Ansprüche junger Nobiles als Herausforderung der Römischen Republik im 2. Jh. v. Chr. Dr. Jan-Markus Kötter, Düsseldorf (Junges Kolleg) . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Gibt es den objektiven Geist? Prof. Dr. Ludwig Siep, Münster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 JK Freitag, 15.11.2019 um 15.00 Uhr (ÖV) Forschungstag des Jungen Kollegs zum Thema Kontrollverlust NM Mittwoch, 20.11.2019 um 15.30 Uhr Ultrakalte Atome in optischen Fallen: Ein Weg zur Quanteninformationsverarbeitung Dr. Andrea Alberti, Bonn (Junges Kolleg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 CO2 als Rohstoff: Herausforderungen und Chancen an der Schnittstelle von Chemie und Energie Prof. Dr. Walter Leitner, Mülheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 IW Mittwoch, 27.11.2019 um 14.30 Uhr Stadtentwicklungskonflikte und Planungspraxis in europäischen Städten Jun.-Prof.’ in Dr. Carola Silvia Neugebauer, Aachen (Junges Kolleg) . . . . . . . 36 Data-Driven Customer Journey Mapping in Local High Street Retail (Daten- getriebene Analyse von Kundeninteraktionen im stationären Einzelhandel) Prof. Dr. Daniel Beverungen, Paderborn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Maschinelles Lernen in nichtstationären Umgebungen Prof.’ in Dr. Barbara Hammer, Bielefeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 8
A Donnerstag, 21.11.2019 um 16.00 Uhr (ÖV) Versailles 1919: Frieden durch Recht? Kolloquium im Gedenken an Rudolf Schieffer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Prof. Dr. Claus Kreß, Prof. Dr. Herfried Münkler, Prof.’ in Dr. Angelika Nußberger und Prof. Dr. Marcus Payk, Moderation: Prof. Dr. Fabian Klose G Mittwoch, 04.12.2019 um 15.00 Uhr Zum Charakter der griechischen Wirtschaft archaischer und klassischer Zeit: Der Beitrag archäologischer Forschungen Prof. Dr. Martin Bentz, Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 NM Mittwoch, 11.12.2019 um 15.30 Uhr Instabile, hochalpine Felsböschungen im Wandel der Zeit Prof. Dr. Florian Amann, Aachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Falling Walls: IceCube auf dem Weg in neue Welten Dr. Christian Spiering, Zeuthen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 9
Legende/Erläuterungen A = Akademieveranstaltung für alle Klassen G = Klasse für Geisteswissenschaften NM = Klasse für Naturwissenschaften und Medizin IW = Klasse für Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften K = Klasse der Künste JK = Junges Kolleg ÖV = Öffentliche Veranstaltung Weitere Informationen zu den Klassensitzungen sind zeitnah im Internet zu finden. Bitte beachten Sie bei den genannten öffentlichen Terminen die Einladungen und hierbei eventuelle Terminänderungen. Weitere Terminhinweise finden Sie unter www.awk.nrw.de. Die Klassensitzungen sind grundsätzlich nur für die Mitglieder der Akademie, des Jungen Kollegs und der Stiftung der Freunde und Förderer der Akademie sowie für geladene Gäste zugänglich. 10
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Wissenschaftliche Sitzungen 2 | 2019 G Mittwoch, 18.09.2019 um 15.00 Uhr, 597. Sitzung Buchgestaltung als Poiesis. Über das Buch als Gegenstand und Thema literarischer Formung. Prof.’ in Dr. Monika Schmitz-Emans, Bochum Inwiefern ist Literatur „Buch-Kunst“? Ist das Buch als Präsentations- und Publikationsform von Literarischem nicht eine bloße Äußerlichkeit, noch dazu eine mittlerweile altmodische? Bemerkenswert oft wird die Vorstellung, es sei für einen Text selbst gleichgültig, ob man ihn in einem Buch oder auf einem Bildschirm lese, gerade von solchen Beobachtern vertreten, die sich ansonsten durchaus mediensensibel geben. Demgegenüber zeigt sich in verschiedenen Beispielen der neueren und der Gegenwartsliteratur eine Tendenz, die Gestalt und Materialität des Kodex nicht nur auf inhaltlicher Ebene zu reflektieren, sondern Architektur und Materialität des Buchs zum konstitutiven Bestandteil des Werks selbst zu machen. Solche „Buchliteratur“ hat viele Gesichter: In den vergangenen Jahrzehnten ist hier, parallel und teilweise in Beziehung zu Entwicklungen im Bereich des Künstlerbuchs und des Buchdesigns, ein erhebliches Spektrum an Formen erprobt worden. Als Gestaltungsparameter genutzt werden dabei – in den Spuren literarischer und druckgraphischer Wegbereiter – Typographie, Seitenlayout und die Strukturierung des Kodex, ferner Formen und Typen der Bebilderung sowie die Verwendung spezifischer Papiere und Einbandmaterialien. Die Autoren und Autorinnen buchliterari- scher Werke sind teilweise übrigens ausgebildete Buchdesigner. Dies gilt etwa für Judith Schalansky, deren Buch „Verzeichnis einiger Verluste“ (2018) eine Art poetisches Theater der Erinnerungen darstellt. Am Beispiel dieses Werks lassen sich diverse Strategien der Selbstreflexion des Buchs mit Blick auf seine vielfältigen Funktionen aufzeigen. Materialien und Struktur des Kodex 12
korrespondieren mit den dargestellten Gegenständen und mit der zentralen Thematik von Zeitlichkeit, Erinnern und Vergessen. Exemplarisch zeigt sich dabei, dass die Nutzung der Gestaltungsebenen des Kodex keine nostalgische Reminiszenz an ein anachronistisches Medium ist, sondern ein Beitrag zur literarisch-künstlerischen Auslotung der eigenen Darstellungsmöglichkeiten und -grenzen. Prof.’ in Dr. Monika Schmitz-Emans, in Leverkusen geboren, nahm 1975 in Bonn ihr Studium der Germanistik und Philosophie, später auch der Italianis- tik und Kunstwissenschaft auf. 1980 legte sie das erste Staatsexamen für das Lehramt ab. 1984 promovierte sie in Bonn und arbeitete dort von 1983 bis 1989 als wissenschaftliche Mitarbeiterin. 1992 erfolgte ihre Bonner Habilitati- on für Neuere deutsche Literaturgeschichte und Allgemeine Literaturwissen- schaft. Im selben Jahr auf eine C3-Professur für Europäische Literatur der Neuzeit an der FernUniversität Hagen berufen, wechselte sie 1995 auf eine C4-Professur für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Auslandsaufenthalte führten sie zweimal als Max Kade Distinguished Visiting Professor in die USA. Seit 2005 ist sie Mitglied der Academia Europea, seit 2017 Mitglied der AWK (NRW). Von 1999–2005 leitete sie die Deutsche Gesellschaft für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft; von 2007–2017 die Jean-Paul-Gesellschaft. Seit ihrer Dissertation (Jean Pauls Ansätze zu einer Theorie der Sprache, 1986) und ihrer Habilitationsschrift (Schrift und Abwesenheit. Historische Paradigmen zu einer Poetik der Entzifferung und des Schreibens, 1995) rücken viele For- schungsarbeiten Formen literarischer Sprachreflexion in den Blick; dazu gehören auch Phänomene literarischer Mehrsprachigkeit. In den Blick geraten von hier aus schriftreflexive Texte und Konzepte, die graphische Dimension von Literatur, Modi poetischer Textgestaltung sowie die Beziehungen zwi- schen Sprachlichkeit, Schriftlichkeit und Bildlichkeit. Wichtige Arbeitsschwer- punkte haben sich in jüngerer Zeit um mehrere Forschungsprojekte gebildet, so um eines zur literarischen Adaption wissensbezogener Darstellungsmodi, etwa in Form literarischer Lexika, eines zur Beziehung zwischen Literatur und Künstlerbuch, eines zu alphabetischen Schreibweisen, eines zur Beziehung zwischen Literatur und Photographie sowie eines zum Zukunftsroman. 13
NM Mittwoch, 25.09.2019 um 15.30 Uhr, 601. Sitzung Vortrag 1 Von der Entdeckung des Higgs-Teilchens zur Suche nach Dunkler Materie – Neues zur Forschung am CERN Prof. Dr. Karl Jakobs, Freiburg Mit der Inbetriebnahme des Large Hadron Collider (LHC) vor etwa zehn Jahren am europäischen Forschungszentrum CERN in Genf begann für die Elemen- tarteilchenphysik eine neue Ära. Im Vergleich zu früheren Beschleunigeranla- gen konnte der zugängliche Energiebereich – und damit der Massenbereich für die Suche nach neuen Teilchen – maßgeblich erweitert werden und erstmals der sogenannte TeV-Bereich erreicht werden. Mit der Entdeckung des Higgs-Teilchens im Jahre 2012 wurde ein wichtiger Meilenstein in der Erforschung der fundamentalen Bauteile der Materie und der zwischen ihnen wirkenden Kräfte erreicht. Seit Jahrzenten war eine zentrale Frage der Physik, wie elementare Teilchen ihre Masse erhalten. Trotz dieser Entdeckung bleiben weitere wichtige Fragen offen, z. B. gibt es neue Arten von Materie? – und wenn ja, können diese die beobachtete Dunkle Materie im Universum erklären? Hat das Higgs-Teilchen genau die Eigenschaf- ten, die im Rahmen der Standardtheorie vorhergesagt werden oder zeigen sich bei präziseren Messungen Abweichungen? Mittlerweile sind am LHC zwei Datennahmeperioden (von 2010–2012 bei Energien von 7 bzw. 8 TeV und von 2015–2018 bei der bislang höchsten Energie von 13 TeV) erfolgreich abgeschlossen worden. Dabei haben sowohl der Beschleuniger als auch die Experimente eine hervorragende Leistungs- fähigkeit gezeigt und eine große Datenmenge aufgezeichnet. Basierend auf diesen Daten sind zahlreiche präzise Vermessungen und Tests der Quanten- feldtheorien der fundamentalen Wechselwirkungen durchgeführt worden. Darüber hinaus nahmen die präzise Bestimmung der Eigenschaften des 14
Higgs-Bosons sowie Suchen nach Erweiterungen der Standardtheorie großen Raum ein. Im Vortrag werden Einblicke in die spannende Forschung am CERN und der heutige Kenntnisstand vermittelt. Darüber hinaus werden die Pläne für die kommenden Messperioden diskutiert. Prof. Dr. Karl Jakobs ist seit mehr als 25 Jahren an den Experimenten der Teilchenphysik bei höchsten Energien beteiligt. So forschte er an verschiede- nen Experimenten am CERN in Genf und am US-Forschungslabor Fermilab in der Nähe von Chicago. An der Konzeption, am Bau und an der Datenanalyse des ATLAS-Experiments am Large Hadron Collider (LHC) war er maßgeblich, seit Anfang der 1990er-Jahre, beteiligt. Für seine herausragenden Beiträge zur Entdeckung des Higgs-Teilchens erhielt er 2015 die Stern-Gerlach-Medaille, die höchste Auszeichnung für experimentelle Leistungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG). Neben der Erforschung des Higgs-Teil- chens steht die Suche nach sogenannten supersymmetrischen Teilchen im Vordergrund seines Interesses. Darüber hinaus ist er an der Entwicklung von hochauflösenden Siliziumdetektoren zur präzisen Vermessung der Bahnen geladener Teilchen beteiligt. Seit März 2017 ist er der wissenschaftliche Leiter (Spokesperson) des ATLAS-Experiments am CERN. Hauptarbeitsgebiete: Forschungen zu den Wechselbeziehungen zwischen byzantinischer Literatur und Kunst; zum Nachleben der jüdischen Literatur der hellenistischen Zeit in der byzantinischen Welt; zur Bedeutung der byzantinischen Kultur für die orthodoxen Slaven; zur Wirkung des öffentli- chen Stundengebets der lateinischen Kirche auf die mittelalterliche und frühneuzeitliche Kunst Westeuropas. 15
Vortrag 2 Wie der Wellencharakter von Röntgenlicht die medizinische Bildgebung verbessern wird Prof. Dr. Franz Pfeiffer, München Vor mehr als 100 Jahren entdeckte Max von Laue in München, dass Röntgen- strahlung nicht nur als Röntgenquanten im Teilchenbild interpretiert werden können, sondern ebenso einen Wellencharakter aufweisen. Diese Eigenschaft wird mittlerweile auch schon lange in der Grundlagenforschung eingesetzt (zum Beispiel in der Kristallographie zur Strukturbestimmung von Proteinen), hatte bisher jedoch keine Anwendung in der medizinischen Bildgebung. In den letzten zehn Jahren allerdings konnten in der vorklinischen Forschung sehr große technologische Fortschritte erzielt werden, die eine Nutzung dieses Wellencharakters von Röntgenlicht auch für die medizinische Bildgebung möglich machen. Diese neuartigen Radiographie-Verfahren, die sogenannte Phasenkontrast- und Dunkelfeld-Bildgebung, bergen ein großes Potenzial für eine deutliche Verbesserung der Röntgen-Bildgebung und somit auch der Diagnose von wichtigen Krankheiten. Dieser Vortrag zeigt die Grundprinzipi- en dieser neuen Verfahren auf, fasst exemplarisch die bereits erreichten vor- klinischen Forschungsergebnisse an verschiedenen Organen zusammen, und zeigt das Potenzial für zukünftige klinische Nutzung in Radiographie und Computertomographie auf. Prof. Dr. Franz Pfeiffer wurde 1972 in Kösching, Landkreis Eichstätt, geboren. Pfeiffer studierte von 1993–1999 Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach Forschungs- und Lehraufenthalten am Institut Laue-Langevin und der Europäischen Synchrotronstrahlquelle ESRF (Grenoble, Frankreich), dem Center of Nanoscience (München) und der Universität des Saarlands (Saarbrücken) war er 2003 als Gastwissenschaftler an der University of Illinois, Urbana-Champaign, USA. Von 2003–2005 war er Wissenschaftler an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS, Paul Scherrer Institut in Villingen in der Schweiz, ab 2005 als Gruppenleiter. Die École Polytechnique Fédérale de 16
Lausanne berief ihn 2007 zum Assistenzprofessor. 2009 erhielt Pfeiffer einen Ruf als Physikprofessor auf den Lehrstuhl für Biomedizinische Physik am Institut für Physik der Technischen Universität München. 2012 wurde er zudem als Professor in die Fakultät für Medizin an der Technischen Universität München berufen. 2017 wurde Pfeiffer zum Direktor der zwei Jahre zuvor gegründeten Munich School of BioEngineering (MSB) ernannt. Franz Pfeiffer ist vor allem bekannt für seine herausragenden Forschungen zur Entwicklung der Phasenkontrast-Bildgebung mit Röntgenstrahlen. Pfeiffer legte mit seinen Arbeiten den Grundstein für die breite Anwendung dieses Verfah- rens in Medizin und Industrie. Über die biomedizinische Grundlagenforschung hinaus haben seine Forschungen ein immenses Potenzial für die Verbesserung der gesamten Palette der medizinischen Röntgen-Diagnostik. Über das Hauptforschungsgebiet der Phasenkontrastentwicklung hinaus, be- schäftigt sich Franz Pfeiffer auch mit der Weiterentwicklung der Ptychographie (eine Erweiterung der Rastertransmissions-Röntgenmikroskopie), der Tensor- Tomographie zur Untersuchung räumlicher Strukturverteilungen und der gitterinterferometrischen Bildgebung mit Neutronen. Zu seinen Forschungs- gebieten gehören auch iterative Rekonstruktionsalgorithmen für die Computer- tomographie, die Dual-Energy Computertomographie, die Entwicklung von Röntgenkontrastmitteln sowie hochauflösende Mikro- und Nanotomographie. Franz Pfeiffer ist Autor von über 300 wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Er hält zahlreiche Patente, hat eine Spin-off-Firma ausgegründet, und zahlreiche Forschungsgroßprojekte eingeworben. Für seine Forschungen wurde er u. a. ausgezeichnet mit dem Dr.-Eduard-Martin-Award der Universität Saarbrücken (2003), dem Nationalen Latsis Preis der Schweiz (2008), dem Röntgen-Preis der Universität Gießen (2010), dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der DFG (2011), dem Alfred-Breit-Preis der Deutschen Röntgengesellschaft (2017), und der Röntgenplakette des Dt. Röntgenmuseums in Remscheid. 17
IW Donnerstag, 26.09.2019 um 14.30 Uhr, 119. Sitzung Vortrag 1 Renaissance als Querschnittsdisziplin – Elektrochemie für die Energiewende, Ressourceneffizienz und Sensorik Prof.’ in Dr. Kristina Tschulik, Bochum In den letzten zwei Jahrzenten hat die Elektrochemie in der Wahrnehmung vieler Wissenschaftler einen bemerkenswerten Wandel vollzogen. Von einer vermeintlich erschöpfend erforschten Disziplin wurde sie zu einem modernen und vielseitigen Werkzeugkoffer für physiko-chemische Grundlagenstudien, smarte Bio-und Nanopartikelsensoren, umweltfreundliche Syntheseansätze und erneuerbare Energietechnologien. Dieser Wandel wurde vor allem getrieben durch das Ziel der nachhaltigen Umwandlung und Speicherung von Energie aus erneuerbaren Energieträgern und nicht-fossilen Brennstoffen, da fast alle dafür diskutierten Technologien auf elektrochemischen Prozessen beruhen: Batterien, Superkondensatoren, photovoltaische Zellen, Wasserelektrolyseure, Brennstoffzellen usw. Da elektrochemische Reaktionen stets an einer Elektrode erfolgen, spielen neben der Reaktionskinetik auch der Transport von Reaktanden und Produkten zur und von der Elektrode eine wesentliche Rolle, was das quantitative Verständ- nis erschwert. Um große Oberflächen und damit hohe Reaktionsraten zu erzielen, kommen oft Nanomaterialien zum Einsatz. Deren Reaktivität und Degradation wird durch etablierte elektrochemische Konzepte nur unzurei- chend beschrieben. Dies hemmt die Charakterisierung – und somit die ge- zielte Weiterentwicklung von Nanokatalysatoren sowie Aktivmaterialien und erfordert die Entwicklung neuartiger elektrochemischer Methoden. Solche neuen elektrochemischen Methoden zur Bestimmung von intrinsischen Nano- partikeleigenschaften und Reaktivitäten werden im Vortrag ebenso diskutiert wie deren Anwendung in Sensoren und in der Entwicklung umweltfreundli- cher Korrosionsinhibitoren. 18
Prof.’ in Dr. Kristina Tschulik hat an der Technischen Universität Dresden zu- nächst ihr Studium als Diplomchemikerin abgeschlossen und danach im Jahr 2012 zum Dr. rer. nat. promoviert. Ihre Dissertation fertige sie, unterstützt durch ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes, am Institut für Metallische Werkstoffe des Leibniz Instituts für Festkörper- und Werkstoff- forschung (IFW) Dresden an. Nach einem Postdoktorat am Institut für komplexe Materialien des IFW Dresden, war sie von 2012 bis 2015 als Postdoktorandin am Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Oxford tätig, gefördert durch ein Marie-Curie Intra-European Fellowship der Europäi- schen Kommission. Ein „NRW Rückkehrerprogramm zur Förderung der Rück- kehr des hochqualifizierten Forschungsnachwuchses aus dem Ausland“ des Landes NRW, ermöglichte es ihr ab 2015 als Juniorprofessorin ihre Forschungs- gruppe an der Ruhr-Universität Bochum zu etablieren. Seit 2018 leitet sie dort als Inhaberin den Lehrstuhl für Analytische Chemie II und forscht im Bereich „Elektrochemie und nanoskalige Materialien“. Zusätzlich zu ihrer Forschungstätigkeit in Oxford (UK), hat Kristina Tschulik an der University of Virginia (Charlottesville, USA) sowie dem Nationalen Mineralieninstitut Südafrikas MINTEK (Johannesburg, ZA) internationale Forschungserfahrung gemacht und war Gastprofessorin an der Université Paris Diderot (Paris, Fr). Sie publizierte mehr als einhundert Artikel in referier- ten, internationalen Fachzeitschriften. Die Originalität und Qualität dieser wissenschaftlichen Arbeiten wurde in vielfältiger Weise gewürdigt. Kristina Tschulik erhielt unter anderem den „Nachwuchspreis der Leibniz-Gemein- schaft“ in der Kategorie Natur- und Technikwissenschaften (2013), die „Hell- muth-Fischer-Medaille“ der DECHEMA (2018), den „Early Career Analytical Electrochemistry Prize“ der International Society of Electrochemisty (ISE, 2017), den „Joachim Walter Schultze-Preis“ der Arbeitsgemeinschaft Elektro- chemischer Forschungsinstitutionen e.V. (AGEF, 2016) und den Förderpreis auf dem Gebiet der Angewandten Elektrochemie“ der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh, 2012). 19
Vortrag 2 Akustische und elastische Metamaterialien: Grundkonzepte und Anwendungen Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Chuanzeng Zhang, Siegen Akustische und elastische Metamaterialien stellen eine neue Klasse von multi- funktionalen Materialien dar. Sie werden aus gewöhnlichen Materialien künst- lich hergestellt, weisen jedoch außergewöhnliche und verblüffende Effekte auf, welche bei natürlichen und konventionellen Materialien nicht vorhanden sind und damit viele bekannte physikalische Grundgesetze brechen können. Solche Metamaterialien bestehen normalerweise aus einer speziellen Anordnung von unterschiedlichen Materialkomponenten oder den sogenannten lokalen Re- sonatoren. Auf der Sub-Wellenlängenskala können Metamaterialien durch effektive homogene Materialien approximiert werden (siehe Abbildung). Als überraschende und verblüffende Effekte solcher Metamaterialien sind zu nennen: negative Massendichte, negative Steifigkeit, negative Brechungsindi- zes, Frequenz-Bandlücken usw. Da akustische und elastische Metamaterialien durch ein gezieltes Design künstlich herstellbar und kontrollierbar sind, bei- spielsweise durch spezielle Materialkombination, Periodizität, Form und Größe der Materialkomponente sowie Einführung von lokalen Defekten und Resonatoren, können sich gänzlich neue erwünschte Materialeigenschaften maßschneidern lassen. In diesem Vortrag werden die Grundkonzepte bzw. die Erfolgsrezepte akusti- scher und elastischer Metamaterialien dargestellt und erläutert. Neue eigene Arbeiten in den letzten Jahren auf dem Forschungsgebiet werden vorgestellt. Dabei werden insbesondere einige revolutionäre und innovative Anwendungs- möglichkeiten von akustischen und elastischen Metamaterialien gezeigt und diskutiert, wie z. B. Manipulation akustischer und elastischer Wellenausbrei- tungen, Wellenfokussierung und Wellenlokalisierung, Wellenleiter und Wellen- splitter, neuartige akustische Geräte, Schalldämmung und Lärmreduzierung, Schwingungs- und Erschütterungsisolierung, aktive Schwingungskontrolle, neuartige Erdbeben-Schutzmaßnahmen, akustische und elastische Tarnkappen, akustische und elastische Energie-Harvester, topologische akustische und 20
elastische Isolatoren, Zerstörung von Tumorgewebe durch stark fokussierte Ultraschallwellen etc. Prof. Dr.-Ing. habil. Chuanzeng Zhang ist seit 2004 Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Baustatik am Department Bauingenieurwesen, Naturwissen- schaftlich-Technische Fakultät, Universität Siegen. Er studierte von 1980 bis 1983 Bauingenieurwesen und Mechanik an der TH Darmstadt mit dem Ab- schluss „Dipl.-Ing.“ 1983. Von 1983 bis 1986 war er wissenschaftlicher Mit- arbeiter, und 1986 promovierte er mit dem akademischen Grad „Dr.-Ing.“ am Institut für Mechanik der TH Darmstadt. Von 1986 bis 1988 war er Postdoktor am Department of Civil Engineering an der Northwestern University (USA) und von 1988 bis 1990 Associate Professor und Professor am Department of Engineering Mechanics an der Tongji University in Shanghai (China). Im Jahr 1993 habilitierte er am Institut für Mechanik an der TH Darmstadt. Von 1995 bis 2004 war er Professor am Fachbereich Bauwesen der Hochschule Zittau/ Görlitz. Seine Forschungsgebiete beinhalten Wellenausbreitungen und -beeinflussungen in phononischen Kristallen und akustischen/elastischen Metamaterialien, Numerische Mechanik, Mechanik intelligenter Materialien und Strukturen, dynamische Analyse von Funktionsgradientenwerkstoffen und -strukturen mit Rissen, Mechanik multifunktionaler Materialien und Strukturen, Oberflächen- und Grenzflächeneffekte in Nanomaterialien und Nanostrukturen, Elastodynamik und Baudynamik, Mikromechanik und Nanomechanik, Bruchmechanik und Schädigungsmechanik, Ermüdungs- und Lebensdaueranalyse von Ingenieurmaterialien und -strukturen. Er hat über 750 Publikationen in Fachzeitschriften und Tagungsbänden. Er ist Co-Chief Editor der Buchreihe „Advances in Materials and Mechanics“, Associate Editor von „International Journal of Mechanics and Materials in Design“, Editorial Member der Buchreihe „Computational and Experimental Methods in Structures“, Managing Guest Editor von „Engineering Fracture Mechanics“ (2009–2010), Guest Editor von „Advances in Mechanical Engineering“, Guest Editorial Member von „Chinese Quarterly of Mechanics“, und Editorial Member von „International Journal of Computational Methods“, „Structural Durability and Health Monitoring“, „Computer Modeling in Engineering & Sciences“ (2004– 2007), „Electronic Journal for Boundary Elements“, „Mathematical Methods and Physicomechanical Fields“, „Engineering Analysis with Boundary Ele- ments“, „Acta Mechanica Solida Sinica“ und „Theoretical and Applied Mecha- nics Letters“. Er ist bzw. war Gastprofessur von Tongji University, Harbin 21
Engineering University, Harbin Institute of Technology, Nanjing University of Aeronautics and Astronautics und China Building Materials Academy, Consul- ting Professor von Northwestern Polytechnical University, Ehrenprofessur von Beijing Jiaotong University und Qingdao University, Fellow vom Wessex Institute of Technology (UK), und Distinguished Visiting Scholar (2011–2012) der Faculty of Science and Technology, University of Macau. Er ist Ehrendoktor (Dr. h. c.) der Slovak University of Technology in Bratislava und Ehrendoktor (Dr. h. c.) der Aristotle University of Thessaloniki. Er ist Mitglied der European Academy of Sciences, European Academy of Sciences and Arts und von Academia Europaea. Vortrag 3 Experimentelle Einsichten zu (un)morali- schem Verhalten in Organisationen Prof. Dr. Bernd Irlenbusch, Köln Die Vielzahl von Unternehmensskandalen – wie zum Beispiel bei VW oder Wells Fargo – weisen darauf hin, dass Erklärungen nicht einfach bei einzelnen Übeltätern, sogenannten „faulen Äpfeln“, zu suchen sind, sondern die Ursachen für unmoralisches Verhalten in Organisationen wahrscheinlich tiefer liegen. Zu diesen Ursachen zählen sogenannte moralische Verhaltensfallen, in die Menschen systematisch hineingeraten. Beispiele für solche Verhaltensfallen sind: die Nutzung von Feigenblättern, das Hinabgleiten auf moralisch schiefen Ebenen, die Generierung moralischer Selbst-Lizenzen, strategische Ignoranz oder moralische Überblendungen. Um Ursachen für Skandale besser zu ver- stehen, müssen solche Verhaltensfallen systematisch untersucht werden. Da unmoralisches Verhalten in Organisationen nur schwer durch Beobachtungen oder Befragungen gemessen werden kann, bieten sich ökonomische Labor- experimente als Methode an, um kausale Mechanismen empirisch zu beleuch- ten. So untersuchen wir zum Beispiel unter welchen Umständen Menschen versuchen, anderen gegenüber moralisch zu erscheinen, ohne es tatsächlich zu sein. Hierzu führen wir eine Reihe von einfachen Diktatorspiel-Experimenten durch, bei denen der Diktator drei Möglichkeiten hat: Er kann direkt ein faires oder unfaires Ergebnis umsetzen oder eine private Münze werfen, um eines 22
der beiden Ergebnisse zu bestimmen. Wir stellen fest, dass Diktatoren entweder vorgeben, die Münze geworfen zu haben, oder, wenn sie die Münze tatsächlich benutzt haben, das Ergebnis des Münzwurfs zu ihren Gunsten verfälschen. Dies gilt insbesondere bei erhöhter öffentlicher Sichtbarkeit. Die Verfügbarkeit der Münze scheint eine korrumpierende Wirkung zu haben. Sie reduziert die Umsetzung fairer Ergebnisse, auch wenn diese effizient sind. Wenn die heuch- lerische Natur der Verwendung der Münze jedoch explizit offenbart wird, wird sie seltener verwendet. Prof. Dr. Bernd Irlenbusch, geboren 1966, schloss nach einer Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel seine Studien zum Diplom-Informatiker, Diplom- Volkswirt und Diplom-Kaufmann an den Universitäten Bonn und Hagen ab. Während seiner Studienzeit erhielt er ein Stipendium des Cusanuswerks. Von 1994–1999 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Reinhard Selten an der Universität in Bonn. Dort promovierte er im Jahr 2000 zum Dr. rer. pol. mit einer Arbeit „Behaviour governed by non-binding contracts: theory and ex- perimental observations“, für die er mit dem Heinz-Sauermann-Preis ausge- zeichnet wurde. Im Anschluss wechselte er an die neugegründete, interdiszip- linäre Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Erfurt. Dort erfolgte 2004 seine Habilitation mit der Arbeit „Incentives in organisations: economic and behavioural perspectives“ und er erhielt die venia legendi für Volkswirt- schaftslehre. Im Jahr 2004 wechselte Bernd Irlenbusch an die London School of Economics and Political Science (LSE), an der er zunächst als Lecturer im Interdisciplinary Institute of Management und ab 2006 als (tenured) Reader im Department of Management lehrte. Nach Rufen auf W3-Professuren an die Universitäten Jena, Würzburg, Wien und Frankfurt wechselte er im Jahr 2010 an die Wirt- schafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln auf eine W3-Professur für Betriebswirtschaftslehre, Unternehmensentwicklung und Wirtschaftsethik. In Köln ist er Principal Investigator im Center for Social and Economic Behavior (C-SEB) sowie im Exzellenzcluster ECONtribute mit seinen Forschungsschwerpunkten in Experimenteller Wirtschaftsforschung und Verhaltensökonomischer Forschung in Unternehmens- und Wirtschafts- ethik, Organisations- und Personalökonomie. Bernd Irlenbusch ist Research Fellow am Institut zur Zukunft der Arbeit sowie Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Berufsverbandes der Compliance Manager (BCM). 23
G Mittwoch, 16.10.2019 um 14.30 Uhr, 598. Sitzung Vortrag 1 Kunst, Angst und Befreiung in Christoph Schlingensiefs Atta-Atta-Trilogie Dr. Lore Knapp, Bielefeld (Junges Kolleg) Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 brachte der Regisseur und Aktionskünstler Christoph Schlingensief in den Jahren 2003 und 2004 drei Arbeiten auf deutschsprachige Bühnen, die bei seinen Zuschauern weitgehend Unverständnis und Abwehr auslösten, ihm aber dennoch zum Engagement bei den Wagnerfestspielen in Bayreuth verhalfen: Eine postdramatische Inszenierung an der Berliner Volksbühne mit dem Titel „Atta Atta – Die Kunst ist ausgebrochen“, Aufführungen des Prosatextes Bambiland von Elfriede Jelinek am Wiener Burgtheater sowie ein von Antonin Artauds Theater der Grausamkeit inspiriertes Spektakel am Schauspielhaus Zürich. Thematisch sind die drei Arbeiten durch die Auseinandersetzung mit der Angst vor dem Fremden und die Frage, was Kunst ist und bewirken kann, verbunden. Außer- dem gelten die Performances als Stationen einer großen Prozession der soge- nannten Church of Fear, einer Kirche, die der Künstler 2003 in Reaktion auf das Phänomen der (Terror-)Angst gründete. Der Vortrag beleuchtet die Aus- druckssprache und persönliche Mythologie Schlingensiefs ebenso wie das Verhältnis zwischen Kunst und Religion in der Atta-Atta-Trilogie. Dr. Lore Knapp, geboren 1983, ist seit 2014 Akademische Rätin auf Zeit an der Universität Bielefeld. Sie studierte Neuere deutsche Literatur, Theaterwis- senschaft und Musikwissenschaft an der Freien Universität Berlin sowie Violoncello und Musikpädagogik an der Universität der Künste Berlin. Im Rahmen der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien promovierte sie über den Eingang des theologischen Denkens in litera- rische und performative Formen der Gegenwart sowie in die philosophische Beschreibung von Kunst. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Universität Cambridge wurde sie im Jahr 2013 an der FU Berlin promoviert. Im Anschluss war sie Honors Fellow der Dahlem Research School der FU Berlin, Gastdozen- 24
tin an der Universität Basel und an der Chulalongkorn-Universität Bangkok sowie Stipendiatin der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Sie arbeitet an einer Habilitationsschrift über den britisch-deutschen Literaturtransfer im achtzehnten Jahrhundert. Lore Knapp ist seit Januar 2017 Mitglied im Jungen Kolleg der Nordrhein- Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Vortrag 2 Die Anfänge der Christianisierung gebildeter Schichten im 2. und 3. Jahrhundert Prof. Dr. Georg Schöllgen, Bonn Um die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert lassen sich zwei gegenläufige Ent- wicklungen beobachten: auf der einen Seite werden die Christen von anti- christlichen Autoren als gänzlich ungebildete Zeitgenossen vorgestellt, die aus den untersten Schichten (de ultima plebe) stammen, auf der anderen Seite gelingt es dem Christentum in den Großstädten zum ersten Mal nicht nur, eine größere Zahl von Intellektuellen zu gewinnen, sondern mit dem kartha- gischen Rhetor Tertullian, einem Mitglied des ordo equester, sowie einer Reihe von Lehrern der sogenannten alexandrinischen Katechetenschule, darunter Origenes, einige der klügsten und originellsten Köpfe des römischen Reiches für sich einzunehmen. Im Mittelpunkt des Vortrags steht die Frage nach den Ursachen dieser Ent- wicklung. Dabei soll ein wichtiger Aufsatz von Norbert Box herangezogen werden, der die These aufstellt, dass es im zweiten und dritten Jahrhundert so gut wie keine christliche Mission gegeben hat. Wenn pagan geprägte Gebildete sich dem Christentum nicht aufgrund missionarischer Werbung anschlossen, was hat sie dann dazu gebracht, dieser übel beleumundeten Religion näherzutreten? 25
Prof. Dr. Georg Schöllgen, geboren 1951 in Düsseldorf, Abitur am altsprachli- chen Görres Gymnasium. Studium der Katholischen Theologie und Klassischen Philologie in Bonn, Tübingen und Oxford. 1981 Dissertation; 1990 Habilitation, 1991–1997 Hochschuldozent (C2) für Kirchengeschichte an der RWTH Aachen, 1997–2017 Professor für Alte Kirchengeschichte und Patrologie, Universität Bonn, 2001–2019 Direktor des Dölger-Instituts und Hauptheraus- geber des RAC. Seit 2002 Mitglied, seit 2016 stv. Vorsitzender der Patristischen Kommission der Deutschen Akademien der Wissenschaften, 2004–2006 Dekan und von 2006–2008 Prodekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, seit 2005 Ordentliches Mitglied der Klasse für Geisteswissenschaften der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste, 2008–2012 Mitglied des Fachkollegiums Theologie der DFG. Hauptforschungsinteressen: Frühchristliche Sozial-, Amts- und Rechtsge- schichte 26
NM Mittwoch, 30.10.2019 um 15.30 Uhr, 602. Sitzung Vortrag 1 Zahlen und Geometrie Prof. Dr. Peter Scholze, Bonn Details zum Vortrag lagen zum Redaktionsschluss noch nicht vor. Vortrag 2 Über die Einheit fundamentaler Kräfte Prof. Dr. Hans Peter Nilles, Bonn Symmetrievorstellungen haben die Entwicklung der Physik seit jeher stark beeinflusst. Dies gilt insbesondere für die Fragen nach den kleinsten Baustei- nen der Materie und der Natur der fundamentalen Kräfte. Mathematische Strukturen (etwa der Gruppentheorie) spielen eine zentrale Rolle in der Suche nach Modellen der Vereinheitlichung fundamentaler Wechselwirkungen (Grand Unified Theory (GUT)). Wir analysieren die Argumente für eine solche Theorie und diskutieren mögliche Konsequenzen für Phänomene der Elemen- tarteilchenphysik und Kosmologie. Prof. Dr. Hans Peter Nilles, Lehrstuhl für Theoretische Physik an der Universi- tät Bonn, Dissertation 1978, Wissenschaftler am Stanford Linear Accelerator Center (SLAC), Stanford, USA (1979–1981), am europäischen Forschungszent- rum CERN, Genf, Schweiz (1981–1988) und der Universität Genf (1983–1985). Professor für Theoretische Physik, Technische Universität München (TUM) und Max-Planck-Institut für Physik (Heisenberg Institut), München (1988– 1997). Forschungsarbeiten an den Schnittstellen zwischen Elementarteilchen- physik, mathematischer Physik und Kosmologie. Grundlegende Beiträge zu Modellkonstruktionen der Teilchenphysik, Stringtheorie sowie der Entwick- lung des inflationären Universums. Seit 1997 Professor an der Universität Bonn, Forschungsaufenthalte am SLAC, CERN, Fermi National Accelorator 27
Center (FermiLab), Batavia, USA sowie der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Leitende Funktion in zahlreichen Forschungsprojekten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie der Europäischen Gemein- schaft. Seit Gründung 2008 Direktor des Bethe Zentrums für Theoretische Physik (bctp) der Universität Bonn und seit 2017 Mitglied des Center of Science and Thought (CST), Bonn. 28
G Mittwoch, 06.11.2019 um 14.30 Uhr, 599. Sitzung Vortrag 1 „Adel verpflichtet!“ – Die Ansprüche junger Nobiles als Herausforderung der Römischen Republik im 2. Jh. v. Chr. Dr. Jan-Markus Kötter, Düsseldorf (Junges Kolleg) Die Aristokratie der Römischen Republik war durch ihre politische Betätigung charakterisiert, durch die der aristokratische Status eines Individuums an sich überhaupt erst konstituiert wurde. Eine klassische Definition von Christian Meier hat in diesem Sinne nichts von ihrer Gültigkeit verloren: „Wer Politik trieb, gehörte zum Adel, und wer adelig war, trieb Politik.“ Zu Recht wird das politische System des republikanischen Rom insofern als eine „Meritokratie“ beschrieben, in der die individuelle Statuszuweisung eng von den Verdiensten um die Republik abhing. Diese idealtypische Zusammensetzung der römischen Aristokratie als reiner „Amtsadel“ ist aber nur eine Seite der Medaille: Zu den vielen eigentümlichen Ambivalenzen der politischen Kultur der Römischen Republik gehört es, dass gerade die direkten Nachkommen verdienter Aristokraten per se einen gewis- sermaßen ererbten Anspruch erhoben, ebenfalls in Amt und Würden für das Gemeinwesen wirken zu dürfen, ohne zuvor unter Beweis stellen zu müssen, über entsprechende qualifizierende Fähigkeiten zu verfügen. Auf dieser Grund- lage fanden sich im zweiten Jahrhundert v. Chr., in der Zeit der sogenannten „klassischen Republik“, vor allem Mitglieder der führenden Familien immer wieder dazu bereit, den (amts-)adligen Komment zugunsten des eigenen Fortkommens zu missachten, wobei sie die Prominenz ihrer Ahnen als Wettbewerbsvorteil im Ringen um die umkämpften Ämter und Militärkom- manden in die Waagschale warfen. Gleichzeitig kam es aber vermehrt zu gesetzlichen Regelungen, die darauf abzielten, entsprechende Wettbewerbsvorteile im politischen Wettbewerb zu 29
neutralisieren. Diesem Spannungsverhältnis, das als einer der maßgeblichen Faktoren für die spezifische Dynamik der konfliktträchtigen inneraristokrati- schen Beziehungen in der mittleren Republik gesehen wird, widmet sich die in Entstehung begriffene Habilitation von Jan-Markus Kötter, der einige ausgewählte Aspekte seiner Untersuchung präsentieren wird. Dr. Jan-Markus Kötter (Jahrgang 1983) arbeitet als wissenschaftlicher Mitar- beiter an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Mit einem Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes studierte er von 2002 bis 2008 Geschichtswissenschaften und Evangelische Theologie in Bielefeld, Uppsala und Bonn. Seine Promotion im Fach Alte Geschichte erfolgte 2011 im Rahmen des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Hier erhielt seine Dissertationsschrift „Zwischen Kaisern und Aposteln. Das Akakianische Schisma (484–519) als kirchlicher Ordnungskonflikt der Spätantike“ den Dissertationspreis des Stiftungsfonds Kopper. Im Anschluss ging Kötter nach Düsseldorf, wo er von 2012 bis 2017 im NRW-Akademieprojekt „Kleine und fragmentarische Histori- ker der Spätantike“ arbeitete und ab 2018 im DFG-Projekt „Scipio Aemilianus und die Strategien im Wettbewerb römischer Aristokraten“ seine Habilitation anfertigen wird. Jan-Markus Kötter ist seit Januar 2018 Mitglied im Jungen Kolleg der Nord- rhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Vortrag 2 Gibt es den objektiven Geist? Prof. Dr. Ludwig Siep, Münster Die deutsche Tradition des Begriffes „Geisteswissenschaften“ hat ihre Herkunft in der Hegelschule. Hegels Geistbegriff ist aber seit der Mitte des 19. Jahrhun- derts immer wieder „überwunden“ worden. Heute bestreiten nicht nur Anhän- ger der Naturalisierung des Geistes ein solches „Gespenst“, auch in den „Kulturwissenschaften“ wird seit Strukturalismus und Poststrukturalismus die „Austreibung des Geistes aus den Geisteswissenschaften“ (Kittler 1988) 30
gefordert. Es gibt aber auch Bestrebungen, den Begriff des „objektiven Geistes“ zu aktualisieren. Er kann als gegenständlicher Ausdruck von „Wir-Intentionen“, als institutionell geregelte gemeinsame Lebensform oder als kulturelles Ge- dächtnis (Assmann) verstanden werden. Texte und materiale Zeugnisse ver- gangener und gegenwärtiger Kulturen als objektiven Geist zu betrachten, hieß aber bei Hegel auch, Fortschritte der Selbsterkenntnis und Handlungsfreiheit zu identifizieren. Geschichtsphilosophien des Fortschritts gelten heute freilich ebenfalls als obsolet. Was bleibt dann noch von der Idee des objektiven Geis- tes? Ohne normative Kriterien wie Freiheit und Gerechtigkeit scheint sich das Studium der kulturellen Zeugnisse nicht wesentlich von dem des „Reichtums“ der Natur oder der vielfältigen Funktionen sozialer und technischer Systeme zu unterscheiden. Kultur als objektivierten Geist zu verstehen, verlangt zumin- dest, kulturelle Zeugnisse auch nach der Lösung von Problemen, der Vermei- dung von Irrtum und Schuld, der Verbesserung von Institutionen (Recht, Religion, Bildung) oder nach Graden der Vollkommenheit (Kunst) zu befragen. Es impliziert also evaluative und normative Fragestellungen. Lässt sich das mit der Wertfreiheit der (Geistes)Wissenschaft vereinbaren? Prof. Dr. Ludwig Siep studierte Philosophie, Germanistik, Geschichte und politische Wissenschaften an den Universitäten Köln und Freiburg (1962– 1969). Nach seiner Promotion 1969 war er wissenschaftlicher Assistent am Philosophischen Seminar der Universität Freiburg. 1976 war er visiting assistant professor an der Princeton University. Nach der Habilitation in Frei- burg 1976 hatte er Lehrstuhlvertretungen in Heidelberg und Berlin (FU) inne. 1979–1986 war er ordentlicher Professor für Philosophie an der Universität- GH Duisburg. 1986 war er visiting full professor an der Emory University (Atlanta/USA). Von 1986–2011 war er Professor und Direktor des Philosophi- schen Seminars an der Universität Münster. Seit seiner Emeritierung 2011 ist er Seniorprofessor am Exzellenzcluster Religion und Politik der Universität Münster. Sein Forschungsfeld ist die Systematik und Geschichte der prakti- schen Philosophie, sowie die allgemeine und angewandte Ethik. Er ist seit 1993 Ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste sowie seit 2002 Korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Von 1999–2003 war er Mitglied des Ethik-Beirates des Bundesministeriums für Gesundheit und von 2002– 2011 Vorsitzender der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellforschung beim Robert-Koch-Institut in Berlin. Er war Fachgutachter der DFG (1988–1992) 31
und fellow verschiedener Wissenschaftskollegs (Max-Weber Kolleg Erfurt, Bogliasco-Stiftung Genua, Kulturwissenschaftliches Institut NRW). Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher über die Philosophie des Deutschen Idealismus sowie über Ethik, darunter Kommentare über Hegels Phänomeno- logie des Geistes (5. Aufl. 2018, engl. 2014, span. 2015) und John Lockes Zweite Abhandlung über die Regierung (3. Aufl. 2018). 32
NM Mittwoch, 20.11.2019 um 15.30 Uhr, 603. Sitzung Vortrag 1 Ultrakalte Atome in optischen Fallen: Ein Weg zur Quanteninformationsverarbeitung Dr. Andrea Alberti, Bonn (Junges Kolleg) Die zunehmende Kontrolle von Quantenzuständen, die man in den letzten Jahren in verschiedenen physikalischen Systemen beobachten konnte, ver- spricht eine Vielfalt von neuen Anwendungen von abhörsicherer Quanten- kommunikation, über präzise Quantensensoren, neuartige atomare Uhren, bis hin zu Quantensimulatoren und Quanteninformationsverarbeitung. In diesem Vortrag werde ich mich auf Quantensysteme aus ultrakalten Atomen konzent- rieren, deren einzelne Komponenten – die Atome – bei Temperaturen von unter einem Mikrokelvin in Atomfallen aus Laserstrahlen manipuliert und detektiert werden. Insbesondere werde ich auf die Fragestellung eingehen, wie individuelle Atome für die Verarbeitung von Quanteninformation verwendet werden können. Zu diesem Zweck haben wir an der Universität Bonn eine neuartige Vorgehensweise entwickelt, die darin besteht, die Quanteninforma- tion im Spin der Atome zu kodieren und ein Gitter aus Laserlicht für den spinabhängigen Transport der Atome zu verwenden. Dadurch können wir die Atome in eine Quantenüberlagerung getrennter Orte aufspalten, und gezielt in Kontakt miteinander bringen. Ziel dieser Quantenmanipulationen ist es, die in den Atomen kodierte Quanteninformation effizient „auszutauschen“ und somit zu verarbeiten. Auf diese Weise hofft man, einst mit Hilfe von Quanten- algorithmen bestimmte Probleme, wie z. B. die Berechnung komplexer Makro- moleküle für die Entwicklung von Katalysatoren und neuen Medikamenten, extrem effizienter als mit herkömmlichen Computern zu lösen. Dr. Andrea Alberti (Jahrgang 1982) habilitiert derzeit am Institut für Ange- wandte Physik der Universität Bonn, wo er als Projektleiter im Sonderfor- schungsbereich OSCAR (SFB/TR 185) in der experimentellen Quantenoptik forscht. Er trat 2010 der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dieter Meschede an der Universität Bonn als Postdoktorand bei und erhielt 2011 ein Alexander-von- 33
Humboldt-Forschungsstipendium. Von 2011 bis 2014 wurde er als Leiter einer Nachwuchsforschergruppe vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert. 2018 wurde er mit dem Rudolf-Kaiser-Preis ausgezeichnet. Seine Ausbildung in Physik hat er 2001 als Stipendiat der Eliteuniversität Scuola Normale Superiore in Pisa, Italien, begonnen und im Jahr 2006 mit einer Masterarbeit am Laboratoire Kastler-Brossel der École Normale Supérieure in Paris abgeschlossen. Unter der Betreuung von Prof. Dr. Guglielmo Tino hat er von 2007 bis 2010 am European Laboratory for Nonlinear Spectro- scopy in Florenz mit einer Arbeit über Quantensensoren zur Messung der Schwerkraft promoviert. 2018 wurde ihm der Rudolf-Kaiser-Preis zur „Nachwuchsförderung für die Experimentalphysik“ verliehen. Seit 2018 ist er Mitglied des Jungen Kollegs der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Vortrag 2 CO2 als Rohstoff: Herausforderungen und Chancen an der Schnittstelle von Chemie und Energie Prof. Dr. Walter Leitner, Mülheim an der Ruhr Die Nutzung von Kohlendioxid als Rohstoff bietet interessante Möglichkeiten zur Sektor-Kopplung an der Schnittstelle von Energie und Chemie. In günsti- gen Fällen kann CO2 schon heute erdölbasierte Rohstoffe ersetzen und somit zu nachhaltigen Produktionsverfahren beitragen. Im Rahmen der Speicherung oder Nutzung von fluktuierendem Strom aus erneuerbaren Quellen wird CO2 auch als C-Quelle für „Power-to-X“-Konzepte von Bedeutung. Dies eröffnet alternative Wege mit reduziertem Kohlenstoff-Fußabdruck zu etablierten molekularen Strukturen und ermöglicht den Zugang zu neuartigen Kraftstof- fen mit verbesserten Verbrennungseigenschaften. Der Vortrag diskutiert grundlegende wissenschaftliche Fragen und erfolgreiche Anwendungsbeispiele 34
aus der Katalyseforschung und beleuchtet kritisch die Herausforderungen und Chancen dieser Konzepte. Prof. Dr. Walter Leitner ist seit Oktober 2018 Direktor am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr und seit 2002 Professor für Technische Chemie und Petrolchemie an der RWTH Aachen. Seit 2006 ist er außerdem wissenschaftlicher Direktor des gemeinsam von der RWTH Aachen und Covestro betriebenen Katalysezentrums CAT. Nach dem Studium der Chemie und der Promotion in Anorganischer Chemie an der Universität Regensburg (Prof. Dr. Henri Brunner, 1989) forschte er als Postdok- torand bei John M. Brown an der University of Oxford. Als Liebig Stipendiat des Fonds der Chemischen Industrie kehrte er zunächst nach Regensburg zurück, von wo er an die Max-Planck-Arbeitsgruppe „CO2-Chemie“ an der Universität Jena wechselte. Dort habilitierte er sich im Jahr 1995 und erhielt die venia legendi im Fach Anorganische Chemie. Zwischen 1995 und 2002 forschte er am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, dem er auch nach seiner Berufung auf den Lehrstuhl an der RWTH als externes wissenschaftli- ches Mitglied verbunden blieb. Gegenstand der wissenschaftlichen Arbeiten von Prof. Leitner ist die Katalyse- forschung zur Entwicklung nachhaltiger chemischer Prozesse, wobei die katalytische Nutzung von Kohlendioxid als Synthesebaustein einen Schwer- punkt bildet. Er ist Autor von mehr als 300 wissenschaftlichen Publikationen und Mitglied des Kuratoriums der Zeitschrift „Angewandte Chemie“. Die Forschungsarbeiten seines Teams wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Gerhard-Hess-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (1997), der Otto-Roelen-Medaille der DECHEMA (2001), dem Wöhler-Preis der Gesellschaft Deutscher Chemiker (2009) und dem European Sustainable Chemistry Award der European Association of Chemical and Molecular Sciences (gemeinsam mit Prof. Klankermayer, 2014). Seit 2011 ist Prof. Leitner Mitglied des Vorstands der DECHEMA und seit 2015 im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Gesellschaft für Erdöl, Erdgas und Kohle (DGMK). 35
IW Mittwoch, 27.11.2019 um 14.30 Uhr, 120. Sitzung Vortrag 1 Stadtentwicklungskonflikte und Planungs- praxis in europäischen Städten Jun.-Prof.’ in Dr. Carola Silvia Neugebauer, Aachen (Junges Kolleg) Weitere Informationen zum Vortrag lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Jun.-Prof.’ in Dr. Carola Silvia Neugebauer (Jahrgang 1980) ist seit Juni 2014 Juniorprofessorin für „Sicherung Kulturellen Erbes“ an der Fakultät für Archi- tektur der RWTH Aachen. Sie studierte Landschaftsarchitektur mit Schwer- punkt Städtebau an der Technischen Universität Dresden und ENSP in Ver- sailles. Ab 2005 war sie Wissenschaftlerin am Leibniz-Institut für Ökologische Raumentwicklung sowie am Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL), wo sie u. a. zu fluvialen Kulturlandschaften in Europa und sozialräumlichem Wandel in Stadtregionen des mittleren und östlichen Europas (DFG Projekt) forschte. Parallel zur Tätigkeit am IfL promovierte sie an der TU Dresden zum Thema UNESCO-Weltkulturerbe und nachhaltige Stadtentwicklung: Sie evaluierte die Wirkungen des UNESCO-Labels für nachhaltige Stadtentwicklung und formu- lierte raumdifferenzierte Ansätze zur Inwertsetzung des Erbes. Ab 2013 war sie Postdoc am IfL in dem Forschungsverbund „Urban Reconfigurations in Post-Soviet Space“. Vortragsreisen führten sie u. a. nach China und in die USA. Carola Neugebauer ist seit 2016 Mitglied des Jungen Kollegs der Nordrhein- Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. 36
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