NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews - Dossier - Bundeszentrale für ...
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Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 2 Einleitung Das nationalsozialistische Deutschland schuf eines der größten Zwangsarbeits-Systeme der Geschichte. Über 13 Millionen zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge arbeiteten im Zweiten Weltkrieg im Deutschen Reich. Auch in den besetzten Gebieten wurden Millionen Männer, Frauen und Kinder zur Arbeit für den Feind gezwungen. Erst 55 Jahre nach Kriegsende rief die Entschädigungs-Debatte die lange Zeit vergessenen Opfer der Zwangsarbeit wieder ins Gedächtnis. Um diese Erinnerung auch in Zukunft lebendig zu halten, stellt das Interview-Archiv Zwangsarbeit 1939-1945. Erinnerungen und Geschichte (http://www. zwangsarbeit-archiv.de/") 590 Erinnerungsberichte ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im Internet bereit. Auf diesen lebensgeschichtlichen Video-Interviews beruht das von der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" geförderte neue Online-Bildungsangebot Lernen mit Interviews (http:// zwangsarbeit.lernen-mit-interviews.de) der Freien Universität Berlin: Sieben biografische Kurzfilme vermitteln unterschiedliche Erfahrungen in Lagern und Fabriken; zwei Hintergrundfilme informieren über Thema und Quellengattung. Zusatzmaterialien und interaktive Aufgaben unterstützen das forschende Lernen zu Zwangsarbeit und Oral History. bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 3 Inhaltsverzeichnis 1. Überblick: Die nationalsozialistische Zwangsarbeit 4 2. Begriffe: Fremdarbeiter – Zwangsarbeiter – Sklavenarbeiter 7 3. Zeitzeugen erzählen 11 3.1 Sinaida Baschlai. Eine ukrainische "Ostarbeiterin" in Haushalt und Rüstungsindustrie 12 3.2 Reinhard Florian. Verfolgung und Sklavenarbeit eines deutschen Sinto 14 3.3 Helena Bohle-Szacki. Eine deutsch-jüdische Polin in KZ und Emigration 16 3.4 Claudio Sommaruga. Zwangsarbeit und Verweigerung eines italienischen Militärinternierten 18 3.5 Victor Laville. Ein französischer Zwangsarbeiter in Bayern 20 3.6 Anita Lasker-Wallfisch. Musikerin – Jüdin – Überlebende 22 4. Profiteure, Helfer, Handlungsspielräume 24 5. Nach 1945: Vergessene Opfer, vergessene Lager 29 6. Der lange Weg zur Entschädigung 35 7. Oral History als Methode 42 8. Lernen mit Interviews 45 9. Expertengespräche 51 9.1 Zum Umgang mit der NS-Zwangsarbeit seit 1945 52 9.2 Das Projekt „Dokumentation lebensgeschichtlicher Interviews mit ehemaligen Sklaven- und 54 Zwangsarbeitern“ 9.3 Zur Entstehung und Arbeit der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" 56 10. Literatur 58 11. Redaktion 59 bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 4 Überblick: Die nationalsozialistische Zwangsarbeit Von Cord Pagenstecher 1.6.2016 Historiker, geb. 1965, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center für Digitale Systeme der Freien Universität Berlin, Bereich Interview-Archive, Online-Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945". Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs arbeiteten über 13 Millionen zivile Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich. Die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter hielten landwirtschaftliche Versorgung und Rüstungsproduktion aufrecht. Die Industrie profitierte von der Ausweitung der Produktion, deutsche Beschäftigte stiegen in Vorarbeiter-Stellen auf. Zwangsarbeit in der Kriegswirtschaft Im Zweiten Weltkrieg fehlten der deutschen Kriegswirtschaft in großem Umfang Arbeitskräfte. Daher setzten Staat und Wirtschaft auf den massenhaften Einsatz von ausländischen Arbeitskräften. Alle überfallenen Länder wurden als Arbeitskräftereservoir für Deutschland genutzt. Anfängliche Anwerbungsversuche hatten geringen Erfolg; nach Tschechien und Polen wurden ab 1940 auch aus Westeuropa immer mehr Männer und Frauen – zum Teil in kompletten Jahrgängen – zwangsverpflichtet. Die große Wende brachte aber das Jahr 1942, als das Deutsche Reich nach dem Scheitern der " Blitzkrieg"-Strategie auf die Kriegswirtschaft des"totalen Kriegs" umstellte. Dies war angesichts der Einberufung fast aller deutschen Männer nur mit der massenhaften Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte durchzuführen. Sie bildeten mehr als ein Viertel, in manchen Werksabteilungen bis zu 60 Prozent der Belegschaft. Nur mit ihnen wurde die Versorgung der Bevölkerung und die von Albert Speer als dem zuständigen Minister organisierte Rüstungsproduktion aufrechterhalten. Großunternehmen wie auch kleine Handwerksbetriebe, Kommunen und Behörden, aber auch Bauern und private Haushalte forderten immer mehr ausländische Arbeitskräfte an und waren so mitverantwortlich für das System der Zwangsarbeit. Die Industrie profitierte von der starken Ausweitung der Produktion, die dadurch erst möglich wurde. Auf dem Höhepunkt des "Ausländereinsatzes" im August 1944 arbeiteten sechs Millionen zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im Deutschen Reich, die meisten davon aus Polen und der Sowjetunion. Über ein Drittel waren Frauen, von denen manche gemeinsam mit ihren Kindern verschleppt wurden oder diese in den Lagern zur Welt brachten. Außerdem mussten 1944 fast zwei Millionen Kriegsgefangene in der deutschen Wirtschaft arbeiten. Immer stärker griff die deutsche Industrie auch auf Konzentrationslager-Häftlinge zu. bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 5 Die Lebensbedingungen der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter Die Lebensbedingungen der zwangsweise in Deutschland oder in den besetzten Gebieten für Deutschland arbeitenden Menschen waren je nach Nation, rechtlichem Status und Geschlecht unterschiedlich. Menschen aus der Sowjetunion (im NS-Jargon sogenannte Ostarbeiter) und aus Polen waren durch diskriminierende Sondererlasse der Willkür der Gestapo und anderer polizeilicher Dienststellen wehrlos ausgeliefert. Sie durften ihre Lager oft nur zur Arbeit verlassen und mussten entsprechende Kennzeichen ("OST", "P") auf der Brust tragen. Gestützt wurde diese rassistische Hierarchie des NS-Regimes durch die innerhalb der deutschen Bevölkerung weit verbreiteten antislawischen Vorurteile, die zu vielen zusätzlichen Beleidigungen, Denunziationen und Misshandlungen führten. Auch die nach dem Kriegsaustritt Italiens im Herbst 1943 als "Militärinternierte" nach Deutschland verschleppten Italiener wurden als angebliche Verräter miserabel behandelt. Erträglicher, aber dennoch entbehrungsreich und demütigend, war das Leben für westeuropäische oder der "nordischen Rasse" zugerechnete Facharbeiter und Ingenieure. Am schlimmsten war das Schicksal der Konzentrationslager-Häftlinge, vor allem der zur "Vernichtung durch Arbeit " vorgesehenen Jüdinnen, Juden, Sinti und Roma. Ein System rassistisch-bürokratischer Repression Alle ausländischen Arbeitskräfte wurden durch einen rassistisch-bürokratischen Repressions- und Kontrollapparat aus Wehrmacht, Arbeitsamt, Werkschutz, Polizei und SS streng überwacht. Sie wurden in zugige Baracken oder in überfüllte Gaststätten und Festsäle eingepfercht. In den Lager- und Betriebskantinen wurden sie nur äußerst unzureichend verpflegt; ohne Lebensmittelmarken konnten sie von ihrem geringen Lohn nichts zu Essen kaufen und litten ständig Hunger. Die wenigen nach der oft zwölfstündigen Arbeitsschicht verbleibenden Stunden Freizeit nutzten sie zunächst, um ihr Überleben zu sichern. Sie versuchten auf dem Schwarzmarkt Brot zu erstehen oder putzten – gegen ein Mittagessen – für eine deutsche Familie. Damit konnten sich auch ärmere Deutsche ein Dienstmädchen oder einen Bauarbeiter ins Haus holen – wortwörtlich für ein Butterbrot. Den Bombenangriffen waren die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter noch wehrloser ausgesetzt als die deutsche Bevölkerung, da sie meist keinen Zugang zu Schutzräumen hatten. Viele Frauen litten unter zusätzlichen Schikanen und Gewalttätigkeiten. Trotz Repression, Denunziation, Orientierungslosigkeit und der verheerenden Lebensbedingungen in der besetzten und ausgeplünderten Heimat versuchten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter immer wieder zu fliehen; auch gab es Ansätze zu Widerstand und Sabotage. Ohne juristische Einspruchsmöglichkeiten und allein schon bei Verdacht auf diese Delikte konnten sie im Extremfall in Konzentrationslager eingewiesen oder gar hingerichtet werden. Im Falle von "Bummelei" oder Arbeitsverweigerung drohten die berüchtigten Arbeitserziehungslager. bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 6 Nach der Befreiung Das Ende des Zweiten Weltkriegs brachte Millionen versklavter und todesbedrohter Menschen die Befreiung. Nach ihrer Befreiung machten sich viele ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter auf eigene Faust sofort auf den Heimweg; andere lebten als "Displaced Persons" oder " Repatrianten" weiterhin in Lagern und warteten auf ihre Rückkehr oder Ausreise ins westliche Ausland. Für viele, insbesondere sowjetische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter war der Leidensweg 1945 noch nicht zu Ende. Sie wurden in ihrer Heimat pauschal der Kollaboration mit den Deutschen verdächtigt; nicht wenige verschwanden in den stalinistischen Lagern. Die meisten leiden noch immer und besonders im Alter unter den psychischen und physischen Folgeschäden des "Totaleinsatzes" (so die tschechische Bezeichnung für die NS-Zwangsarbeit). In vielen osteuropäischen Ländern leben sie nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Gesellschaften am Rand des Existenzminimums. In Deutschland wurde die NS-Zwangsarbeit – trotz ihrer Verurteilung in den Nürnberger Prozessen – jahrzehntelang als übliche Begleiterscheinung von Krieg und Besatzungsherrschaft bezeichnet und damit zugleich bagatellisiert, nicht aber als spezifisches NS-Unrecht anerkannt. Entschädigung und Erinnerung Die deutschen Regierungen und die von dem Sklaveneinsatz profitierenden Betriebe lehnten lange Zeit – von wenigen Ausnahmen abgesehen – jegliche Übernahme von Verantwortung für diese Opfer ab. Erst 65 Jahre nach Kriegsende rief die Entschädigungs-Debatte die lange Zeit vergessenen Opfer der Zwangsarbeit wieder ins Gedächtnis. Überall in Deutschland erforschten lokale Initiativen die Geschichte der Zwangsarbeit, organisierten Begegnungen, sammelten Erinnerungen und errichteten Gedenkstätten. Die im Jahr 2000 gegründete Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" zahlte eine Gesamtsumme von rund 4,7 Mrd. Euro an 1,7 Mio. Überlebende aus. Um die Erinnerung an die NS- Zwangsarbeit auch in Zukunft zu bewahren, stellt das Interview-Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945. Erinnerungen und Geschichte" 590 Erinnerungsberichte ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im Internet bereit. Die dazugehörige Online-Lernumgebung "Lernen mit Interviews " stellt beispielhaft sieben Video-Interviews vor. Weiterführende Links Interview-Archiv Zwangsarbeit 1939-1945. Erinnerungen und Geschichte (http://www.zwangsarbeit- archiv.de) Lernumgebung "Lernen mit Interviews: Zwangsarbeit 1939-1945", Hintergrundfilm Zwangsarbeit und Entschädigung (http://zwangsarbeit.lernen-mit-interviews.de/ hintergrund/zwangsarbeit-und-entschadigung#) mit Zusatzmaterialien (Registrierung notwendig) Bücher und Medien zur NS-Zwangsarbeit (http://www.zwangsarbeit-archiv.de/buecher_medien/index. html) Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by-nc-nd/3.0/ de/ (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/) Der Name des Autors/Rechteinhabers soll wie folgt genannt werden: by-nc- nd/3.0/de/ Autor: Cord Pagenstecher für bpb.de bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 7 Begriffe: Fremdarbeiter – Zwangsarbeiter – Sklavenarbeiter Von Cord Pagenstecher 1.6.2016 Historiker, geb. 1965, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center für Digitale Systeme der Freien Universität Berlin, Bereich Interview-Archive, Online-Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945". In Quellen und Literatur werden unterschiedliche Begriffe verwendet, um die nationalsozialistische Zwangsarbeit zu bezeichnen. Der Oberbegriff "Zwangsarbeit" umfasst verschiedene Formen des Arbeitseinsatzes und konnte unterschiedliche Lebensumstände bedeuten. Auch in den zeitgenössischen Quellen finden wir verschiedene Bezeichnungen für Zwangsarbeit: Oft schrieben die Dienststellen oder Betriebe von "Ausländern", aber auch von "Gefangenen" oder " Fremdvölkischen", manchmal sogar von "Gastarbeitern". Im mündlichen Sprachgebrauch waren auch Schimpfwörter wie "Polenschweine" oder "Russenweiber" gängig. Hier werden die wichtigsten Bezeichnungen kurz erläutert. Zwangsarbeit Arbeit, die mit nicht-wirtschaftlichem Zwang und unter Androhung von Strafe verlangt wird. Unter Zwangsarbeit im Nationalsozialismus versteht man insbesondere die Verschleppung und Ausbeutung von über 13 Millionen ausländischen KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen und zivilen Arbeitskräften in Deutschland. Zwangsarbeit gab es auch in Ghettos, Arbeitserziehungslagern und anderen Lagern im gesamten besetzten Europa und betraf insgesamt etwa zwanzig Millionen Menschen. Deutsche Jüdinnen und Juden und deutsche Häftlinge leisteten ebenfalls Zwangsarbeit. Daneben herrschte in vielen besetzten Ländern ein allgemeiner Arbeitszwang für die Zivilbevölkerung. Davon abzugrenzen sind die Arbeitspflichten für die deutsche Bevölkerung (Reichsarbeitsdienst, Dienstverpflichtung, Landjahr), die unter völlig anderen Bedingungen stattfanden. Fremdarbeiter Umgangssprachliche Bezeichnung für zivile Zwangsarbeiter im Nationalsozialismus. Der Begriff " Fremdarbeiter" verschleiert den Zwang als Grundlage des Arbeitseinsatzes. Selbst die ursprünglich freiwillig, d. h. oftmals aus wirtschaftlicher Not nach Deutschland gekommenen "Fremdarbeiter" durften später ihren Arbeitsplatz nicht mehr verlassen. Der in den Quellen nur selten verwendete Begriff " Fremdarbeiter" fand nach 1945 Verbreitung, um den nationalsozialistischen Ausländereinsatz von der Beschäftigung der "Gastarbeiter" in der Bundesrepublik zu unterscheiden. In politischen Debatten werden Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten noch heute gelegentlich als "Fremdarbeiter " bezeichnet. bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 8 Fremdvölkische Nationalsozialistische Bezeichnung für Menschen, die nicht "germanischer Abstammung" waren und nicht zur "Volksgemeinschaft" zählten. Als "fremdvölkisch" galten alle Ausländerinnen und Ausländer, die nicht aus "germanischen" Ländern wie den Niederlanden oder Skandinavien kamen. Als "rassisch minderwertig" wurden insbesondere Slawinnen und Slawen angesehen. Ganz unten in der NS- Rassenhierarchie standen Jüdinnen und Juden, "Zigeuner" und "Farbige"; sie galten als "fremdvölkisch ", auch wenn sie Deutsche waren. Sklavenarbeiter Heutige Bezeichnung für völlig rechtlose Arbeitskräfte, vor allem für die Häftlinge von Konzentrationslagern. Der Begriff "Sklavenarbeiter" wurde in den Nürnberger Prozessen für alle zur Arbeit ins Reich Verschleppten verwendet. In den Entschädigungsverhandlungen der 1990er Jahre bezeichnete er dagegen nur die Gruppe der KZ-Häftlinge, die für die SS, für private oder staatliche Unternehmen arbeiten mussten und extrem ausgebeutet wurden ("Vernichtung durch Arbeit"). Der mit diesem Begriff verbundene Vergleich der NS-Zwangsarbeit mit der Sklaverei in anderen Epochen ist umstritten, unter anderen, weil die SS im Unter-schied zu anderen Sklavenhaltern kaum am Überleben ihrer "Sklavenarbeiter" interessiert war. Am 1. Oktober 1946 endete der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess, der die "Sklavenarbeit" als zentrales Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten verurteilte. Im folgenden Video sprechen zwei Zeitzeugen und eine Zeitzeugin über Zwangsarbeit als Sklaverei. Sie verwenden den Begriff "Sklave" in unterschiedlichen Bedeutungen. Ausschnitte aus den Video-Interviews mit den Zwangsarbeitern Wasyl B., Bloeme E. und Claudio S. (http://www.bpb. de/mediathek/227592/sklavenarbeit) bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 9 Zivilarbeiter Heutige Bezeichnung für Zwangsarbeiter, die keine Kriegsgefangenen oder KZ-Häftlinge waren. Im Sommer 1944 gab es im Deutschen Reich rund 5,7 Millionen ausländische Zivilarbeiterinnen und Zivilarbeiter. Sie wurden von privaten Firmen, Behörden, Bauern oder Familien beschäftigt, untergebracht und überwacht. Kriegsgefangene und Militärinternierte unterstanden dagegen der Wehrmacht, Häftlinge der SS oder der Gestapo. Die Bezeichnung "Zivilarbeiter" verweist also nicht auf besonders zivilisierte Lebensumstände, sondern nur auf die nicht-militärische Verantwortung für ihre Zwangsarbeit. Ostarbeiter Nationalsozialistische Bezeichnung für Zivilarbeiter, die aus den besetzten Gebieten der Sowjetunion stammten. Nach der anfänglichen Anwerbung von Freiwilligen folgte sehr bald die gewaltsame Verschleppung von 2,1 Millionen sowjetischen Frauen und Männern nach Deutschland. " Ostarbeiterinnen" und "Ostarbeiter" mussten das diskriminierende "OST"-Abzeichen tragen, wurden meistens in besonderen Lagern untergebracht und weitaus schlechter behandelt als Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus anderen Ländern. Nach der Befreiung wurden viele von ihnen in der Sowjetunion wegen angeblicher Kollaboration diskriminiert oder verfolgt. Menschen aus Polen zählten nicht zu den "Ostarbeitern", wurden aber als Slawen ebenfalls besonders schlecht behandelt. Am 20. Februar 1942 gab Heinrich Himmler die "Ostarbeiter-Erlasse" heraus. Sie unterwarfen über drei Millionen aus der Sowjetunion verschleppte zivile Arbeitskräfte einem diskriminierenden Sonderrecht. Im folgenden Interview- Ausschnitt (Audio) berichtet eine Zeitzeugin, wie sie bei der Zwangsarbeit in Chemnitz als "Ostarbeiterin" behandelt wurde. Audio-Slideshow mit Ausschnitten aus dem Audio-Interview und Fotos der sowjetischen Zwangsarbeiterin Hanna Fedoriwna H., Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945". Aktuelle Fotos der Diamant-Werke: Udo Thierfelder (http:// www.bpb.de/mediathek/227595/20-februar-1942-die-ostarbeiter-erlasse) bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 10 Weiterführende Links Nationalsozialistische Lager: Begriffserklärungen zu Konzentrations-, Kriegsgefangenen-, Zwangsarbeiter- und anderen Lagern (http://www.zwangsarbeit-archiv.de/zwangsarbeit/erfahrungen/ lager/index.html) auf der Webseite "Zwangsarbeit 1939-1945" Lexikon in der Online-Anwendung "Lernen mit Interviews: Zwangsarbeit 1939-1945" mit ca. 150 Begriffserläuterungen zur NS-Zwangsarbeit (http://zwangsarbeit.lernen-mit-interviews.de/dictionary/) (Registrierung notwendig) Themenfilm 8. März 1940: Die Polen-Erlasse (http://www.zwangsarbeit-archiv.de/zwangsarbeit/ ereignisse/polenerlasse) auf der Webseite "Zwangsarbeit 1939-1945" (Ausschnitte aus 3 Interviews, 10 Minuten) Themenfilm 8. September 1943: Die italienischen Militärinternierten (http://www.zwangsarbeit-archiv. de/zwangsarbeit/ereignisse/8-september/) auf der Webseite "Zwangsarbeit 1939-1945" (Ausschnitte aus 3 Interviews, 9 Minuten) Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by-nc-nd/3.0/ de/ (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/) Der Name des Autors/Rechteinhabers soll wie folgt genannt werden: by-nc- nd/3.0/de/ Autor: Cord Pagenstecher für bpb.de bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 11 Zeitzeugen erzählen 11.10.2016 Der Begriff „Zwangsarbeit“ umfasst verschiedene Formen des Arbeitseinsatzes, die unterschiedliche individuelle Erfahrungen bedeuteten. Zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter hatten mehr Freiraum als Kriegsgefangene oder KZ-Häftlinge. Die Zwangsarbeit in Bergwerken und Bunkerbauten war schlimmer als ein Einsatz in der Haus- und Landwirtschaft. In den besetzten Gebieten herrschten andere Bedingungen als im Reich selbst. Frauen litten unter zusätzlichen Schikanen. Menschen slawischer Abstammung wurden besonders diskriminiert. Viele Roma und jüdische Häftlinge wurden sogar zu Opfern der „Vernichtung durch Arbeit“, während ihre Arbeitsfähigkeit andere wiederum zumindest zeitweise vor der Ermordung rettete. Die Vielfalt dieser Erfahrungen zeigt sich in den höchst unterschiedlichen individuellen Erinnerungen der Überlebenden. Ihre verschiedenen Lebenswege eröffnen zugleich eine internationale Perspektive auf die NS-Zwangsarbeit als Teil der europäischen Geschichte des Zweiten Weltkriegs. In der Online- Anwendung Lernen mit Interviews: Zwangsarbeit 1939-1945 (http://zwangsarbeit.lernen-mit- interviews.de) (Registrierung notwendig) berichten sechs Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Opfergruppen von ihren Erfahrungen in Lagern und Fabriken. Ihre Lebenswege werden hier vorgestellt. Weiterführende Links: Themenfilm 8. September 1943: Die italienischen Militärinternierten (http://www.zwangsarbeit-archiv. de/zwangsarbeit/ereignisse/8-september/) auf der Webseite „Zwangsarbeit 1939-1945“ (Ausschnitte aus 3 Interviews, 9 Minuten) Themenfilm Sinti und Roma: Der Beginn der Verfolgung (http://www.zwangsarbeit-archiv.de/ zwangsarbeit/ereignisse/sintiundroma/) auf der Webseite „Zwangsarbeit 1939-1945“ (Ausschnitte aus einem Interview, 8 Minuten) bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 12 Sinaida Baschlai. Eine ukrainische "Ostarbeiterin" in Haushalt und Rüstungsindustrie 11.5.2016 1942: Verschleppung nach Berlin und Arbeit in der Fabrik (© 2016 Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945") (http://www.bpb. de/mediathek/240044/sinaida-baschlai) 1914: Geburt in Belgorod (Russisches Reich, heute Russland) 1916-1942: Kindheit und Jugend in Charkow Umzug nach Charkow Schulbesuch und Studium als technische Zeichnerin und Konstrukteurin Arbeit als Ingenieurin bei " Giprokoks" 1942: Zwangsarbeit in Berlin Verschleppung zur Zwangsarbeit bei der Firma "Schwarzkopf" in Berlin-Tempelhof Später Arbeit als Dienstmädchen bei einer baltendeutschen Familie in Berlin-Steglitz 1943: Zwangsarbeit in Bäckerei in Schönstadt Nach Luftangriffen auf Berlin zieht die Hausherrin nach Hessen und nimmt Sinaida Baschlai mit Arbeit in einer Bäckerei in Schönstadt bei Marburg bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 13 Sommer 1944: Zwangsarbeit für die WASAG in Allendorf Arbeit in der Munitionsfabrik, Unterbringung im "Russenlager" April 1945: Überprüfung in Filtrierlager Magdeburg Befreiung durch US-Truppen, dann Überprüfung in einem Filtrierlager in Magdeburg (Sowjetische Besatzungszone) Oktober 1945: Rückkehr nach Charkow (Sowjetunion, heute Ukraine) Wiedereinstellung bei "Giprokoks" 1978: Rente 1984: Heirat Weiterführender Link: Sinaida Baschlai. Eine ukrainische ‘Ostarbeiterin’ in Haushalt und Rüstungsindustrie (http:// zwangsarbeit.lernen-mit-interviews.de/menschen/sinaida-baschlai) Biografischer Kurzfilm in der Online-Anwendung „Lernen mit Interviews“ (Registrierung notwendig) Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by-nc-nd/3.0/ de/ (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/) bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 14 Reinhard Florian. Verfolgung und Sklavenarbeit eines deutschen Sinto 11.5.2016 "Es fängt alles klein an und groß hört es auf." (© 2016 Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945") (http://www.bpb.de/ mediathek/240053/reinhard-florian) 1923: Geburt in Matheninken bei Insterburg (Ostpreußen, heute Ugrjumowo, Oblast Kaliningrad, Russland), Schulbesuch 1937: Zwangsverpflichtung als Melker auf einem Rittergut 1941: Inhaftierung in Insterburg (Ostpreußen, heute Tschernjachowsk, Oblast Kaliningrad, Russland) Monatelanger Transport durch zahlreiche weitere Gefängnisse in Deutschland 1941: Einlieferung ins KZ Mauthausen Sklavenarbeit im Steinbruch 1942: Zwangsarbeit im KZ Auschwitz Gefangenschaft im KZ Auschwitz und seinen Nebenlagern Monowitz, Rydultau (Charlottengrube) und Blechhammer bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 15 Sklavenarbeit unter anderem im Bergbau Januar 1945: Transport ins KZ-Außenlager Melk Wegen Herannahen der Roten Armee Transport über Mauthausen ins KZ Melk (Außenlager von Mauthausen) Mai 1945: Befreiung im KZ Ebensee (Außenlager von Mauthausen) Nach 1945: Leben in Bayreuth Lebt als Staatenloser in Bayreuth. Infolge der KZ-Haft lange arbeitsunfähig Bis 2014: Aktiv für die Erinnerung Erst nach 1990 Wiedererlangung der deutschen Staatsangehörigkeit Ehrengast bei der Eröffnung des Mahnmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin am 24. Oktober 2012 17. März 2014: Reinhard Florian stirbt im Alter von 91 Jahren Weiterführender Link: Reinhard Florian. Verfolgung und Sklavenarbeit eines deutschen Sinto (https://zwangsarbeit.lernen- mit-interviews.de/menschen/reinhard-florian) Biografischer Kurzfilm in der Online-Anwendung "Lernen mit Interviews" (Registrierung notwendig) Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by-nc-nd/3.0/ de/ (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/) bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 16 Helena Bohle-Szacki. Eine deutsch-jüdische Polin in KZ und Emigration 11.5.2016 1944/45: Im Außenlager Helmbrechts des KZ Flossenbürg (© 2016 Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945") (http://www. bpb.de/mediathek/240054/helena-bohle-szacki) 1928: Geburt in Białystok (Polen) Vater deutsch, Mutter jüdisch 1939: sowjetische Besatzung seit 1941: deutsche Besatzung Ermordung der Schwester illegaler Schulbesuch April 1944: verhaftet Juni 1944: Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück Transport ins Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück, inhaftiert als "asoziale Halbjüdin" Arbeitseinsatz im Lager Herbst 1944: Transport ins KZ Helmbrechts (Außenlager von Flossenbürg) in Oberfranken bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 17 Zwangsarbeit in der Rüstungsfabrik Neumeyer Freundschaft mit Gruppe aus Lodz April/Mai 1945: Todesmarsch nach Falkenau-Zwodau Todesmarsch nach Böhmen Befreiung durch amerikanische Truppen im Lager Falkenau-Zwodau (heute Svatava, Tschechien) 1945: Leben in Łódź Rückkehr über Bialystok nach Łódź (Polen) Beginn des Kunststudiums 1950: Tod des Vaters nach Verhaftung durch Staatssicherheit 1968: Emigration Emigration nach West-Berlin wegen Antisemitismus in Polen Arbeit in der Modebranche und als Künstlerin 21. August 2011: Helena Bohle-Szacki stirbt in Berlin Weiterführender Link: Helena Bohle-Szacki. Eine deutsch-jüdische Polin in KZ und Emigration (https://zwangsarbeit.lernen- mit-interviews.de/menschen/helena-bohle-szacki) Biografischer Kurzfilm in der Online-Anwendung "Lernen mit Interviews" (Registrierung notwendig) Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by-nc-nd/3.0/ de/ (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/) bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 18 Claudio Sommaruga. Zwangsarbeit und Verweigerung eines italienischen Militärinternierten 11.5.2016 1945: Befreiung und Rückkehr (© 2016 Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945") (http://www.bpb.de/mediathek/240056/ claudio-sommaruga) 1920: Geburt in Genua (Italien) Schulbesuch 1939: Studium der Geologie 4. September 1943: Einberufung als Offizier 8. September 1943: Gefangennahme in Alessandria (direkt nach der deutschen Besetzung Italiens) Transport nach Deutschland September 1943: Ankunft im Kriegsgefangenenlager Stalag X B Sandbostel (bei Bremerhaven) Anwerbung zu den faschistischen Truppen verweigert September 1943 - Januar 1944: Kriegsgefangenschaft im Stalag 367 in Tschenstochau (Polen) bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 19 Januar 1944: Transport ins Stalag 307 Dęblin (Polen) dort später im Offizierslager Oflag 77 im März wegen des russischen Vorstoßes Abtransport nach Westen Sommer 1944: Kriegsgefangenschaft im Stalag VI G Duisdorf-Hardhöhe (bei Bonn) weitere Anwerbungsversuche verweigert August 1944: Zwangsarbeit in Köln "Straflager AK96", Zwangsarbeit bei der Fallschirmfabrik Glanzstoff & Courtaulds in Köln Krankenhausaufenthalt Oktober 1944: Transport nach Wietzendorf über das Straflager Forellenkrug ins Oflag 83 Wietzendorf (Niedersachsen), auf 38 Kilo abgemagert April 1945: Befreiung durch kanadische Truppen August 1945: Rückkehr zur Familie nach Varese (Italien) Fortsetzung des Studiums an verschiedenen Orten, dann Arbeit als Geologe seit den 1980er Jahren aktiv in der Erinnerungsarbeit für die italienischen Militärinternierten 4. November 2012: Claudio Sommaruga stirbt Weiterführender Link: Claudio Sommaruga. Zwangsarbeit und Verweigerung eines italienischen Militärinternierten (http:// zwangsarbeit.lernen-mit-interviews.de/menschen/claudio-sommaruga) Biografischer Kurzfilm in der Online-Anwendung "Lernen mit Interviews" (Registrierung notwendig) Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by-nc-nd/3.0/ de/ (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/) bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 20 Victor Laville. Ein französischer Zwangsarbeiter in Bayern 11.5.2016 1943: Im Bahnkonvoi nach Bayern (© 2016 Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945") (http://www.bpb.de/mediathek/240055/ victor-laville) 18. Juli 1921: Geburt in Grau du Roi (Frankreich) 1928: Schulbesuch in Sète Bekanntschaft mit dem späteren Chansonnier Georges Brassens, Abitur 1940: Studium in Montpellier Beginn des Kunststudiums in Montpellier, 1941 Marseille Veröffentlichung von Zeichnungen 1941 - Juni 1942: Arbeitsdienst in den Cevennen Waldarbeiten bei den „Chantiers de Jeunesse“ (Arbeitsdienst des Vichy-Regimes) in den Cevennen März 1943: Zwangsarbeit bei der Luitpoldhütte Amberg (Oberpfalz) Verpflichtung zum Service du Travail Obligatoire (STO, „Pflichtarbeitsdienst“) bei der Luitpoldhütte der „Reichswerke Hermann Göring“ in Amberg bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 21 April - Juni 1943: Zwangsarbeit in Hirschau (Oberpfalz) Arbeit im Zementwerk von Polensky und Zöllner in Hirschau 1943: Zwangsarbeit in Penzberg (Oberbayern) Vermessungsarbeiten auf einer Baustelle der Reichsbahn Mai 1944: Rückkehr nach Sète Victor Laville bleibt nach Heimaturlaub in Sète und taucht in der Nähe unter Bombardierung seiner Heimatstadt Nach 1945: Leben in Paris Arbeit als Gestalter und Redakteur bei „Paris Match“ 1981: Rente und Rückkehr nach Sète Pflegt die Erinnerung an seinen alten Freund, den französischen Chansonnier Georges Brassens Weiterführender Link: Victor Laville. Ein französischer Zwangsarbeiter in Bayern (https://zwangsarbeit.lernen-mit-interviews. de/menschen/victor-laville) Biografischer Kurzfilm in der Online-Anwendung "Lernen mit Interviews" (Registrierung notwendig) Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by-nc-nd/3.0/ de/ (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/) bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 22 Anita Lasker-Wallfisch. Musikerin – Jüdin – Überlebende 11.5.2016 Im Frauenorchester von Auschwitz-Birkenau: 1943 bis 1944 (© 2016 Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945") (http://www. bpb.de/mediathek/239478/anita-lasker-wallfisch) 17. Juli 1925: Geburt in Breslau Vater Rechtsanwalt, Mutter Geigerin und Hausfrau, zwei ältere Schwestern, Marianne und Renate Besuch einer Privatschule und Musikunterricht in Breslau (heute Wrocław, Polen) Ausreise der ältesten Schwester Marianne 1939 nach England März 1940: Zwangsumzug Zwangsumzug und Zusammenleben mit Verwandten Januar bis Juni 1941: Besuch einer jüdischen Schule Bemühungen des Vaters um die Ausreise der Familie Herbst 1941: Zwangsarbeit in Papierfabrik Zwangsarbeit der Schwestern Anita und Renate in der Sacrauer Papierfabrik, Unterstützung französischer Kriegsgefangener bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 23 9. April 1942: Deportation der Eltern ins Durchgangsghetto Izbica in Polen Todesdatum und -ort unbekannt September 1942: Fluchtversuch und Verhaftung, Gerichtsverhandlung und Gefängnisurteil Herbst 1943: KZ Auschwitz-Birkenau Inhaftierung im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Häftlingsnummer 69388; Arbeitskommando: Frauenorchester Oktober 1944 bis April 1945: KZ Bergen-Belsen Ende Oktober 1944 Evakuierungstransport in das KZ Bergen-Belsen 15. April 1945: Befreiung 1945: Nach der Befreiung Leben im DP-Lager Bergen-Belsen Herbst 1945 Zeugin im Lüneburger Bergen-Belsen-Prozess, Ausreise nach Brüssel und 1946 nach England Ausreise der Schwester Marianne aus London nach Palästina Ab 1946: Leben in London Musizieren mit verschiedenen Orchestern 1948 Mitbegründerin des „English Chamber Orchestra“ 1952 Heirat mit dem Pianisten Peter Wallfisch; Tod der ältesten Schwester Marianne in Israel 1953 und 1958 Geburt des Sohnes und der Tochter 1990er Jahre: Besuche in Deutschland Anfang der 1990er Jahre erstmalig wieder in Deutschland, seitdem Auftritte als Zeitzeugin in der deutschen Öffentlichkeit 1993: Tod des Ehemannes 1996: Anita Lasker-Wallfischs Erinnerungen „Inherit The Truth“ erscheinen Die deutsche Ausgabe „Ihr sollt die Wahrheit erben. Die Cellistin von Auschwitz“ kommt 1997 heraus Weiterführender Link: Anita Lasker-Wallfisch. Musikerin – Jüdin – Überlebende (http://zwangsarbeit.lernen-mit-interviews. de/menschen/anita-lasker-wallfisch) Biografischer Kurzfilm in der Online-Anwendung "Lernen mit Interviews" (Registrierung notwendig) Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by-nc-nd/3.0/ de/ (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/) bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 24 Profiteure, Helfer, Handlungsspielräume Von Cord Pagenstecher 1.6.2016 Historiker, geb. 1965, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center für Digitale Systeme der Freien Universität Berlin, Bereich Interview-Archive, Online-Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945". Neben der Rüstungsindustrie profitierten auch öffentliche Dienststellen, Handwerker und Bauern sowie private Haushalte von der Zwangsarbeit. Mehr noch als andere nationalsozialistische Massenverbrechen fand die Zwangsarbeit direkt vor der Haustür statt. Die "Fremdvölkischen" waren auf ihren langen täglichen Arbeitswegen ebenso unübersehbar wie in den Fabriken und Lagern. Die allgegenwärtige und überall sichtbare Ausbeutung und Diskriminierung der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wurde von der deutschen Bevölkerung weithin hingenommen oder – wie die hohe Zahl von Denunziationen bei der Gestapo zeigt – gar begrüßt und unterstützt. Nicht nur die Rüstungsindustriellen, auch einfache Deutsche profitierten von der Zwangsarbeit, die ihnen die Lebensmittelversorgung sicherte und einen gewissen sozialen Aufstieg ermöglichte. Persönliche Kontakte waren verboten, durch Misstrauen und Sprachbarrieren aber ohnehin selten. Viele ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter berichten gleichwohl von kleinen Anzeichen von Solidarität oder konkreten Hilfsleistungen wie dem Zustecken von Nahrungsmitteln. Zwangsarbeit für Industrie, Staat und Handwerk Die meisten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter waren in den großen Fabriken der Rüstungsindustrie tätig. Ab 1942 bemühten sich die Firmen aktiv um die Zuweisung von immer mehr ausländischen Arbeitskräften, um damit Rüstungsaufträge übernehmen zu können und so an dem von Albert Speer (http://www.chotzen.de/bibliothek/biografien/albert-speer) organisierten Wirtschaftsboom teilzuhaben. Ohne Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter hätten die meisten Fabriken schließen müssen, mit ihnen konnten sie ihre Produktionskapazitäten erheblich ausbauen. Zu Kriegsende produzierte etwa die zum Flick-Konzern gehörende Spandauer Stahlindustrie mit einem Anteil von über 80 Prozent Ausländern an der Belegschaft. Millionen von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in ganz Europa arbeiteten für große Baufirmen, oft in Verbindung mit der Organisation Todt (http://www. Der Großindustrielle chotzen.de/bibliothek/glossar/die-organisation-todt). Auch der Bergbau setzte Günther Quandt besaß massenhaft Zwangsarbeiter ein; der Sinto Reinhard Florian etwa musste als viele Rüstungsfirmen, die Zwangsarbeiter Häftling in einer oberschlesischen Kohlengrube arbeiten. Besonders schlecht einsetzten, 1941. Lizenz: waren die Bedingungen in den Untertage-Projekten, mit denen die cc by-sa/3.0/de (Bunde sarchiv, Bild 183-B03534) Rüstungsfirmen unterirdische, vor Luftangriffen geschützte Produktionsstätten einrichteten. Ohne Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wäre nicht nur die Rüstungsindustrie, sondern auch die Versorgung der Deutschen rasch zusammengebrochen. Bahn und Post, Krankenhäuser und Friedhöfe sowie die meisten städtischen Werke bedienten sich der Zwangsarbeit: Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) etwa berichteten dem Arbeitsamt über die "vielen Ostarbeiterkinder bei uns bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 25 ". Der 19-jährige Pole Roman Melnyk musste ab 1940 bei der Berliner Stadtreinigung arbeiten, ehe er 1942 – vermutlich weil er sich über die schlechten Bedingungen beschwerte – ins Konzentrationslager Sachsenhausen eingewiesen wurde. Allein für die Reichsbahndirektion Berlin schufteten 20.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Der Franzose Victor Laville arbeitete erst für eine Eisengießerei, dann auf einer Baustelle der Reichsbahn. Viele der Verschleppten waren auch bei kleinen Handels- und Handwerksbetrieben beschäftigt. Die Kreuzberger Weinhandlung Robert Boos beschäftigte ein Dutzend Ostarbeiter. Der Ukrainer Roman F. arbeitete als Heizergehilfe im Hotel Adlon. Zwangsarbeit auf Bauernhöfen und in Privathaushalten Viele deutsche Bauernhöfe setzten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ein, die die zur Wehrmacht eingezogenen Knechte, Mägde und Landarbeiter ersetzten. Auf dem Land waren die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter meist besser verpflegt und weniger von Bombenangriffen betroffen als in der Stadt; doch mussten sie hart arbeiten, waren isoliert von ihren Landsleuten und der Willkür ihrer Bauernfamilien ausgesetzt. Besonders viele sowjetische Zwangsarbeiterinnen wurden als Dienstmädchen in bürgerlichen Haushalten beschäftigt. Viele leitende Angestellte von Unternehmen und NS-Bürokratie nutzten ihre Beziehungen, um ihren Ehefrauen eine Haushaltshilfe zu besorgen. Für die "Ostarbeiterinnen“ bedeutete das eine bessere Versorgung, aber auch lange Arbeitszeiten, persönliche Willkür und eine höhere Gefahr sexueller Ausbeutung. Die aus Charkow nach Berlin verschleppte Ingenieurin Sinaida Baschlai wurde zunächst bei der Kosmetikfirma Schwarzkopf eingesetzt, kam dann aber als Haushaltshilfe in eine Villa am Stadtpark in Steglitz. Ihre Herrin behandelte sie klassenbewusst, aber nicht schlecht: "Sie war die Herrin, ich ihr Dienstmädchen. Ich arbeitete den ganzen Tag, und sie konnte sich ans Klavier setzen; sie dachte, wenn sie spielte und ich arbeitete, würde ich eine bessere Laune bekommen." Nachbarschaft Die Zwangsarbeit fand direkt vor der Haustür der Bevölkerung statt; fast jeder Deutsche hatte ein Zwangsarbeiterlager in der Nachbarschaft. In Münster sind 180 solcher Unterkünfte nachgewiesen, in Hamburg 1300, in Berlin über 3000. Mancher Volksgenosse protestierte gegen die Einrichtung eines Ausländerlagers in seinem Wohngebiet und die – so ein Berliner in einer Beschwerde – damit drohende "Überflutung der Gegend durch herumlungernde Ausländer". Josef Kroupa erinnert sich Auf einem Privatfoto aus dem Jahr 1942 feiert Familie K. im Garten hinter dem Haus eine Einschulung; im Hintergrund sieht man eine Baracke. In diesen Baracken in der Steinstraße lebten Zwangsarbeiter der Reichspostdirektion Berlin. Der Tscheche Josef Kroupa erinnerte sich 1997: „Wir schliefen auch bei strengsten Frösten nur unter einer Decke. Wir haben uns einen Ofen organisiert, Zweige und Kohle am Bahnhof gesammelt, um uns wenigstens Tee zu kochen. […] Es war ein Hundeleben.“* Im Nachbargarten jedoch lief das bürgerliche Familienleben unberührt weiter. Was der Familie K. über das benachbarte Zwangsarbeiterlager bekannt war, ist unbekannt – die auf dem Foto vorne abgebildete Zeitzeugin erinnert sich kaum noch daran. * Erinnerungsbericht von Josef Kroupa, 1997, Sammlung Berliner Geschichtswerkstatt bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 26 Auch auf ihren langen täglichen Arbeitswegen waren die "Fremdvölkischen" unübersehbar. Viele Deutsche erinnerten sich noch lange nach dem Krieg an das typische Klappern der Holzpantinen auf dem Pflaster, wenn die Lagerinsassinnen und -insassen zur Arbeit geführt wurden. Mit einem Sonderfahrplan regelte die Reichsbahndirektion Berlin im Juli 1944 den S-Bahn-Transport von russischen Zivilarbeitern und Kriegsgefangenen durch Berlin. Danach passierte beispielsweise jeden Werktag um 6:16 Uhr ein Sonderzug mit Ostarbeitern den Bahnhof Bornholmer Straße. Die Direktion merkte an: "Die Sonderzüge sind auf allen Bahnhöfen mit dem Richtungsschild 'Nicht einsteigen' anzukündigen." Misstrauen Die von der NS-Sondergesetzgebung vorgegebene Abschottung der "Fremdvölkischen" beschränkte die Kontakte zwischen Deutschen und Ausländern. Der "verbotene Umgang" wurde teilweise streng verfolgt. Die Sprachbarriere und das gegenseitige Misstrauen taten ein Übriges, um – in der Großstadt ohnehin seltenere – persönliche Beziehungen zu verhindern. In die anfangs oft siegesgewiss überhebliche Wahrnehmung der Ausländer mischte sich gegen Ende des Krieges nun häufiger Angst vor den Fremden. Die Journalistin Ursula von Kardorff notierte Ende 1944 in ihrem Tagebuch: "Die Fremdarbeiter sollen vorzüglich organisiert sein. Es heißt, daß Agenten unter ihnen sind, Offiziere, Abgesandte der verschiedenen Untergrundbewegungen, die gut mit Waffen ausgerüstet seien, auch mit Sendegeräten. […] Zwölf Millionen Fremdarbeiter gibt es in Deutschland. Eine Armee für sich. Manche nennen sie das Trojanische Pferd des heutigen Krieges."[1] Hilfsleistungen Nahezu drei Millionen Frauen, Männer und Kinder aus Polen mussten während des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeit in Deutschland leisten. Die Begegnungen mit Deutschen prägten entscheidend ihre Erinnerung daran. In diesem Video sprechen eine Zeitzeugin und ein Zeitzeuge über ihre Erfahrungen mit einzelnen Deutschen. Ausschnitte aus den Videointerviews mit Janina Halina G. und Zdzisław D. (http://www.bpb.de/mediathek/227598/gute-deutsche- schlechte-deutsche) bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 27 Viele ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter berichten gleichwohl von konkreten Hilfsleistungen wie dem Zustecken von Nahrungsmitteln. Dieses zwischenmenschliche Mitgefühl war von großer Bedeutung für das Überleben der Ausländer, aber auch für die moralische Integrität der Helfenden. In Berlin ist eine ganze Reihe von Hilfsaktionen aus Reihen des deutschen, vor allem des Arbeiterwiderstands dokumentiert. Die Zwangsarbeiter registrierten aufmerksam jedes Anzeichen von Solidarität. Jerzy Bukowiecki aus Polen etwa erinnerte sich 1998: "Es arbeitete dort auch ein alter Mann […]. Dieser sehr sympathische alte Mann fing jede Unterredung mit 'Hitler kaputt' an. Er hasste, nicht weniger als wir, Hitler und alle Nazileute. Sein Gruß war: 'Hitler kaputt.' Allen Ausländern war er sehr sympathisch."[2] Zustimmungsdiktatur Überwiegend wurde die "Apartheid nebenan" von den Deutschen aber akzeptiert, wenn sie nicht gar die nationalsozialistische Herrenmenschen-Ideologie fanatisch unterstützten. Die meisten Verhaftungen und Bestrafungen von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern gingen auf Anzeigen von Meistern und Lagerführern, aber auch auf Denunziationen von unbeteiligten Nachbarn oder Passanten zurück. Gerade im Kontext der Zwangsarbeit erscheint Götz Alys Wort von der "Zustimmungsdiktatur"[3] zutreffend. Auch die deutschen Arbeiter profitierten schließlich von dem massenhaften Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern. Zwar trug Zwangsarbeit dazu bei, dass auch immer mehr Facharbeitern die Einberufung an die Front drohte, da Ausländerinnen und Ausländer ihre Arbeit übernahmen. Andererseits erlaubte die Zwangsarbeit einfachen Arbeitern einen sozialen Aufstieg, etwa durch Aufrücken in Vorarbeiter-Stellen, und bewahrte viele, vor allem allerdings bürgerliche, Frauen vor einer Dienstverpflichtung in der Rüstungsindustrie. Zusammen mit der durch die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter gesicherten Versorgung der deutschen Bevölkerung stärkte dies den Zusammenhalt unter den "Volksgenossen". Lagerführer Die meisten Deutschen hatten freilich nur begrenzte Handlungsspielräume, sofern sie nicht in ihrer beruflichen Position mit den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern zu tun hatten, etwa als Abwehrbeauftragter, Werkschutzmann oder Lagerführer. Besondere Verantwortung trug der Abwehrbeauftragte, in kleineren Betrieben meist identisch mit dem Betriebsführer. Ihm unterstanden die Werkschutzmänner, die die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter oft in gewalttätiger Weise – beaufsichtigten. Die Lagerführer der betriebseigenen Lager unterstanden ebenfalls dem Abwehrbeauftragten. Vor Ort hatten die Lagerführer einen großen Handlungsspielraum gegenüber ihren Insassen, waren aber auch mit einer Vielzahl organisatorischer Aufgaben beschäftigt. In einem Lager der Evangelischen Kirche Berlin verhielt sich etwas ein Lagerführer ruhig und verständnisvoll, während der andere häufig schlug und mit der Gestapo drohte. bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 28 Weiterführende Links und Literatur Hintergrundfilm Zwangsarbeit und Entschädigung (https://zwangsarbeit.lernen-mit-interviews.de/ hintergrund/zwangsarbeit-und-entschadigung#) mit Zusatzmaterialien in der Online-Anwendung "Lernen mit Interviews: Zwangsarbeit 1939-1945" (Registrierung notwendig) Zwangsarbeit. Die Zeitzeugen-App der Berliner Geschichtswerkstatt (http://www.berliner- geschichtswerkstatt.de/app.html) Buggeln, Marc/Pagenstecher, Cord: Zwangsarbeit, in: Berlin 1933-1945, hg. v. Michael Wildt und Christoph Kreutzmüller, München: Siedler 2013, 127–142 Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by-nc-nd/3.0/ de/ (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de/) Der Name des Autors/Rechteinhabers soll wie folgt genannt werden: by-nc- nd/3.0/de/ Autor: Cord Pagenstecher für bpb.de Fußnoten 1. Ursula von Kardorff, Berliner Aufzeichnungen 1942-1945, München 1962 2. Bericht Jerzy Bukowiecki, Archiv Berliner Geschichtswerkstatt, zwa.br.pl 599. 3. Vgl. Götz Aly, Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus, Frankfurt/M. 2005 bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 29 Nach 1945: Vergessene Opfer, vergessene Lager Von Cord Pagenstecher 1.6.2016 Historiker, geb. 1965, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center für Digitale Systeme der Freien Universität Berlin, Bereich Interview-Archive, Online-Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945". In Deutschland wurde Zwangsarbeit lange als Begleiterscheinung von Besatzung und Krieg bagatellisiert. Erst in den 1980er und 1990er Jahren gelang es Opferverbändern und lokalen Erinnerungsverbänden, sich Gehör zu verschaffen. Die Entschädigungsdebatte Anfang der 2000er Jahre ließ die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter schließlich aus ihrer Rolle als "vergessene Opfer" heraustreten. Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zählten lange zu den vergessenen Opfern des Nationalsozialismus. Nach ihrer Befreiung machten sich viele auf eigene Faust sofort auf den Heimweg und waren damit schlagartig aus dem Blickfeld der Deutschen verschwunden. Andere lebten als "Displaced Persons" (http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/dossier-migration/56359/nach-dem-2- weltkrieg) (DPs) oder "Repatrianten" weiterhin in Lagern und warteten auf ihre Rückkehr oder Weiterreise. Für viele, insbesondere sowjetische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter war der Leidensweg 1945 noch nicht zu Ende. Sie wurden in ihrer Heimat pauschal der Kollaboration mit den Deutschen verdächtigt; nicht wenige verschwanden in den stalinistischen Lagern. In Deutschland wurde die NS-Zwangsarbeit – trotz ihrer Verurteilung in den Nürnberger Prozessen – seitens der Politik und der Gerichte jahrzehntelang als übliche Begleiterscheinung von Krieg und Besatzungsherrschaft bezeichnet und damit zugleich bagatellisiert, nicht aber als spezifisches NS- Verbrechen anerkannt. Ausländische NS-Opfer hatten im Nachkriegsdeutschland ohnehin kaum eine Stimme. Erst in den 1980er und 1990er Jahren konnten sich Opferverbände und lokale Erinnerungsinitiativen allmählich Gehör verschaffen. Um die Jahrtausendwende ließ die Entschädigungsdebatte dann die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus dem Status der "vergessenen Opfer" heraustreten. Interview: Zum Umgang mit der NS-Zwangsarbeit seit 1945 bpb.de
Dossier: NS-Zwangsarbeit. Lernen mit Interviews (Erstellt am 03.12.2021) 30 Prof. Dr. Constantin Goschler im Interview, Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/ (FU Berlin, CeDiS) Prof. Dr. Constantin Goschler ist Zeithistoriker an der Ruhr-Universität Bochum. Er spricht im Interview über gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Entwicklungen, die zur Gründung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ führten. Die Stiftung organisierte und beaufsichtigte die Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Goschler geht auch der Frage nach, weshalb sich die Entschädigungsforderungen über Jahrzehnte nicht durchsetzen konnten und erläutert, inwiefern die Zahlungen überhaupt bei den Opfern angekommen sind. Weiter... (http://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/ns-zwangsarbeit/235774/zum-umgang-mit-der-ns- zwangsarbeit-seit-1945) Die Befreiung: Zwischen Freude und Verzweiflung Die bedingungslose Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschland am 8. Mai 1945 markierte das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa. Monate und Tage vor diesem symbolischen Datum erlebten Millionen Menschen ihre Befreiung: aus den Konzentrations- und Arbeitslagern, den Orten der Zwangsarbeit und der Verschleppung, aber auch von der grausamen deutschen Herrschaft in ihren Ländern. Dies war freilich kein einmaliger Akt, sondern ein langsamer Prozess, der sich mit der Verschiebung der alliierten Front im Osten und Westen vollzog und extrem unterschiedliche Aspekte hatte. In den ersten Tagen und Monaten nach der Befreiung starben noch Unzählige. Die oft freudig begrüßten Soldaten der Roten Armee befreiten einerseits Osteuropa von den Deutschen, brachten den Menschen andererseits aber eine erneute Bedrängnis. Nicht wenige der nach Deutschland Verschleppten galten in ihren Ländern als Heimatverräter. Frauen litten besonders unter Vergewaltigungen und sexuell konnotierten Verratsvorwürfen. Viele Menschen mussten zwischen Exil und Heimkehr wählen. Noch anders die jüdischen Überlebenden: Nach der Ermordung ihrer Familienangehörigen und der Auslöschung ihrer Gemeinden konnten sie nur mühsam einen Neuanfang in der Fremde starten. bpb.de
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