Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
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ANZEIGE Museum Kloster Schussenried mit Bibliothekssaal ÖFFNUNGSZEITEN: 01. April bis 31. Oktober: Di. – Fr. 10 –13 und 14 –17 Uhr 01. November bis 31. März: Sa., So. und Feiertage 13 –17 Uhr geöffnet Gruppen und Sonderführungen ganzjährig nach Vereinbarung KONTAKT: Telefon (07583) 92 69 140 info@kloster-schussenried.de www.kloster-schussenried.de
EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, Liebe Leserinnen und Leser, das Oberschwäbische Museumsdorf Kürnbach ist ein Ort, auch die zweite Ausgabe des Magazins „Ab aufs Land“ an dem Geschichte auf besondere Weise erfahrbar wird – zeigt eindrucksvoll, wie abwechslungsreich das Ober- das zeigt das Magazin „Ab aufs Land“ auf beeindruckende schwäbische Museumsdorf Kürnbach Einblick in die Ver- Weise. gangenheit gewährt. In unserem Freilichtmuseum finden sich in den fast 40 his- Dazu trägt der Förderverein Oberschwäbisches Museums- torischen Bauwerken viele Stuben und Werkstätten, Aus- dorf Kürnbach e.V. durch viele Aktionen bei: Wir bringen stellungen und Präsentationen. Außergewöhnlich wird beispielsweise Leben in das „Stüble“ aus Betzenweiler. Bei das Museumsdorf aber dank der vielen Menschen, die vielen Veranstaltungen sind wir auf dem Gelände und ma- den Besucherinnen und Besuchern mit Vorführungen in chen den Alltag von früher erfahrbar – vom traditionellen Küchen und Werkstätten lebendige Einblicke in den Alltag Basteln bis hin zum Saftpressen und Kartoffeldämpfen. Im von früher gewähren. Magazin können Sie mehr darüber erfahren. Der Förderverein Oberschwäbisches Museumsdorf Kürn- Das Oberschwäbische Museumsdorf Kürnbach ist ein bach e.V. ist hierbei längst unverzichtbar. Die finanzielle ganz besonderer Ort, der seit Jahren nicht nur bewahrt, Unterstützung des Vereins ermöglicht etwa, dass wir alte sondern mit immer neuen Ideen auch in die Zukunft ge- und bedrohte Tierrassen halten können. Und dank eines führt wird. Unser Dank gilt dem Museumsteam, das hier herausragenden persönlichen Engagements gelang es den viel Zeit und Arbeit investiert – und der Kommunalpolitik, Ehrenamtlichen des Fördervereins auch in der vergan- allen voran Herrn Landrat Dr. Schmid und den Mitgliedern genen Saison unter Corona-Bedingungen den Besucher- des Kreistags, für die nachhaltige Weiterentwicklung des innen und Besuchern ebenso informative wie unterhaltsa- Freilichtmuseums. me Erlebnisse zu ermöglichen. Dafür danke ich dem För- derverein und allen Mitgliedern von Herzen. Wenn auch Sie das Museumsdorf in besonderer Weise un- terstützen wollen: Werden Sie doch Mitglied im Förder- Auch wenn manche Planung im Museumsdorf für 2021 verein! Nähere Informationen finden Sie auf Seite 33. unter Corona-Vorbehalt steht: Auch in diesem Jahr gibt es viel Neues und Spannendes im Museumsdorf zu ent- Ich wünsche Ihnen nun eine vergnügte Lektüre unseres decken. Deshalb wünsche ich Ihnen allen nicht nur Magazins „Ab aufs Land“ und lade Sie herzlich ein: Besu- große Freude beim Lesen in diesem Magazin, sondern chen Sie das Oberschwäbische Museumsdorf Kürnbach auch viele vergnügte Stunden im Oberschwäbischen und schauen Sie bei uns vom Förderverein vorbei – wir Museumsdorf Kürnbach. freuen uns auf Sie! Dr. Heiko Schmid Wolfram Blüml Landrat des Landkreises Biberach Vorsitzender des Fördervereins Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach e.V. 3
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I N H A LT Mitten im Herzen des Schwäbischen Oberlands steht ein Dorf, das aus der Zeit 3 Editorial gefallen zu sein scheint: Fachwerkhäuser mit altertümlichen Strohdächern 6 Auf Entdecker-Tour und Wiesen mit Obstbäumen, an denen Apfelsorten hängen, die kaum noch einer kennt; eine Kapelle hier, ein üppiger Bauerngarten dort, eine Braunvieh- AUSSTELLUNGEN Kuh behütet ihr Kälbchen, das eiserne Windrad dreht sich wie vor 100 Jahren – 8 Dieselross & Pferdestärken: Dorfidylle, wie gemalt. Vor den Toren Bad Schussenrieds, inmitten einer ur- Die Motorisierung der ober- alten Bauernlandschaft, liegt das Oberschwäbische Museumsdorf Kürnbach, schwäbischen Landwirtschaft 12 Versteckter Schatz im Tanzhaus: das Freilichtmuseum des Landkreises Biberach. Sein Besuch gleicht einer Rei- Oberschwäbische Trachten se in die oberschwäbische Geschichte, die vom rauen Alltag seiner Bauern und 13 Im Gespräch mit Handwerksleute erzählt, vom Wandel der Dinge und vom Einzug der Moderne. Textilrestauratorin Sandra Wache 14 Gewürzluike trifft Vielfalt in rustikalem Gewand, Jahrhunderte zum Anfassen, immer ehrlich und Geflammten Kardinal: nah am Leben. Ganz Oberschwaben in einem Dorf – lassen Sie sich berühren! Obstsortenausstellung HAUS UND HOF 16 Historische Brennerei: Im Gespräch mit Franz Bohner 18 Historisches Handwerk: u f s Im Gespräch mit Museumsbäcker a Dietmar Neltner & Reiner Schowald b 20 Rezepte aus dem Backhäusle: A nd Dennete & Holzofenbrot 23 Historisches Handwerk: Im Gespräch mit Zimmerermeister Alfred Leuthold La 26 Historisches Handwerk: Im Gespräch mit Weberin Hildegard Igel MUSEUMSALLTAG 28 Im Gespräch mit Kräutergärtnerin Regina Neumann 30 Leckeres aus der Museumsküche: Krautkrapfen & Linsensalat 32 Ein Tag mit Robert Mayer und den Museumstieren 34 Bauernhofpädagogik: Zu Besuch bei Hahn, Schwein & Co. 36 Basteltipps: Anziehpuppen & Tiermasken 39 Museumslädele: Bombole wie früher bei Tante Emma VERANSTALTUNGEN 42 Kürnbacher Dampffest 44 FamilienSonntag „Kartoffelernte“ 46 FamilienSonntag „Tiere auf dem Bauernhof“ 48 Termine 2021 50 Impressum 5
AUF TUCHFÜHLUNG MIT BAUERNHOFTIEREN P3 g 2 Eingan nur bei staltungen an Großver WC P2 i WC g Eingan P1 HISTORISCHES HANDWERK ERLEBEN 6
D I E S E L RO S S & P F E R D E S TÄ R K E N l e p p e r Der S s c h c h w a b i s c h e und d i e o b e r La n d w i r t s c h a f t Nichts hat die oberschwäbische Landwirtschaft im letzten Jahrtausend stärker beeinflusst als der Einsatz von Motoren im 20. Jahrhundert. Vor allem Traktoren veränderten das Arbeiten auf dem Feld und das Leben im Dorf von Grund auf. Zwei Ausstellungen im Museumsdorf präsentieren nicht nur beeindruckende Maschinen, sondern zeigen auch die Folgen der Motorisierung für die Menschen in Oberschwaben auf. 8
D I E S E L RO S S & P F E R D E S TÄ R K E N : D I E M O T O R I S I E RU N G D E R O B E R S C H WÄ B I S C H E N L A N D W I R T S C H A F T Kulturhistorisches Wissen und praktische Erfahrung flossen gleichermaßen in die Ausstellung ein: Franz Bohner (li.), Landwirtschaftsmeister und Leiter des Technik- teams im Museum, und der Wissenschaftliche Mitarbeiter Torsten Albinus, Kurator der Ausstellung. Entschlossen erklimmt Peter Münch, Techni- Mähdrescher der 1970er-Jahre. 1930er-Jahren kleine Stationärmotoren und scher Mitarbeiter des Museumsdorfs, seine „Klar, der Schlepper war die wichtigste Ent- Einachsschlepper, die nicht nur beweglich wa- Leiter und verändert auf drei Metern Höhe wicklung. Ohne den wäre unsere Landwirt- ren, sondern dank einer Zapfwelle auch Ge- die letzten Einstellungen der Audiostation schaft niemals so effektiv geworden und räte antreiben konnten, etwa Fräsen. der Ausstellung „Dieselross und Pferdestär- ohne den würden hier im Herbst die Leute im ken“. „So, jetzt müsste es klappen!“, ruft er Dutzend noch die Kartoffeln von Hand klau- Seinen Durchbruch erlebte der Schlepper Torsten Albinus, dem Kurator der Ausstel- ben“, betont Franz Bohner. „Aber die Verän- aber erst mit dem Wirtschaftsaufschwung lung, zu. Albinus drückt einen Knopf und derung hat früher angefangen, bei den ers- nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Altkreis Bi- lauscht. Das markante Geräusch eines star- ten Mähern und stationären Motoren – und berach stieg zwischen dem Ende der 1940er- tenden großvolumigen Dieselmotors er- ist über den Mähdrescher weitergegangen zu Jahre und dem Beginn der 1960er die Zahl tönt. Es wird immer lauter und gleichmäßi- den riesigen Maschinen von heute!“ der Betriebe mit einem Traktor von 5 auf 77 ger, bis der Traktor schließlich davonzufah- Der Landwirtschaftsmeister ist Technischer Prozent. „Gleichzeitig“, erklärt Franz Bohner, ren scheint. „Passt! Ist laut genug.“ Torsten Leiter im Museumsdorf und weiß, wovon er „haben technische Neuerungen die Schlep- Albinus hebt den Daumen seinem Kollegen spricht: Er ist in Kürnbach in der Landwirt- per immer effektiver gemacht und die Land- entgegen und ist zufrieden – Klang und Laut- schaft aufgewachsen, viele Entwicklungen maschinenindustrie hat immer ausgefeiltere stärke der ersten Station stimmen und de- hat er in der eigenen Familie und bei Nach- Geräte angeboten.“ Egal, ob Kartoffeln, Heu monstrieren fortan den Besucherinnen und barn erlebt. Außerdem arbeitet er seit über oder Getreide: Die Ernte wurde komplett me- Besuchern, wie sich ein startender Lanz- 30 Jahren im Museumsdorf und kennt die chanisch und gipfelte in sogenannten Voll- „Bulldog“ von 1940 anhört. Sammlung bestens. Der Ausstellung „Diesel- erntern wie dem Mähdrescher. Ob HeLa, Eicher oder Fendt: Traktoren gehö- ross und Pferdestärken“ merkt man an, dass ren heute zum ländlichen Oberschwaben wie sie beide Perspektiven vereint: Zum einen Arbeitslosigkeit und Höfesterben der Käsʼ auf die Spätzle. die praktische Kenntnis des Landwirtschafts- Zahlen zeigen, wie stark solche Vollernter meisters und Zeitzeugen, wie die Arbeit mit die Arbeit auf dem Land veränderten: Um ein Traktoren und vieles mehr und auf Maschinen funktioniert – und zum Hektar Getreide zu ernten, zu transportie- Und ohne die massenhafte Verbreitung des anderen das breite Wissen des Kurators, der ren, auszudreschen und einzulagern waren Traktors wäre der Alltag heute ein ganz an- die Aussagen in einen größeren Kontext stellt. im Jahr 1900 140 Mannstunden nötig. Schon derer. Grund genug für das Team des Mu- die frühen selbstfahrenden Mähdrescher An- seumsdorfs, der Motorisierung der ober- Vom Elektromotor zum Mähdrescher fang der 1960er-Jahre leisteten die gleiche schwäbischen Landwirtschaft rund 300 Am Anfang der Erfolgsgeschichte standen Arbeit in gerade einmal drei Stunden. Quadratmeter Ausstellung zu widmen. Eine kleine Elektromotoren, die ab 1910 auf im- reine Traktorenschau ist die Präsentation mer mehr oberschwäbischen Höfen fest in- Das war zwar wirtschaftlich, für die Arbeit aber nicht: Sie schlägt vielmehr den weiten stalliert waren und Maschinen wie Stroh- auf dem Feld und dem Hof wurde zugleich je- Bogen von den ersten Motoren in den ober- schneider und Melkmaschine antrieben. Der doch auch immer weniger Personal nötig. schwäbischen Dörfern um 1900 bis zum nächste Entwicklungsschritt waren in den Abertausende Landarbeiter und Erntehelfer Weiter auf Seite 11 9
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D I E S E L RO S S & P F E R D E S TÄ R K E N wurden überflüssig und mussten sich neue Arbeit suchen. Auch viele Hofbesitzer standen unter Druck: nur wer in teure, motorgetriebene Geräte investierte, überlebte. In der Folge verschwanden viele kleine Güter – das Höfesterben griff um sich. Die Ausstellung „Dieselross und Pferdestärken“ erzählt mithin, wie Motoren Einzug in Oberschwaben hielten und das Leben der Men- schen für immer veränderten. Die zweite Ausstellung in der Feld- scheuer widmet sich dem Thema mit einem anderen Fokus: Ein er- folgreiches Unternehmen der Zeit war die Firma Hermann Lanz aus Aulendorf. Um nicht mit der Firma Lanz aus Mannheim verwechselt zu werden, bildete Hermann Lanz aus den ersten Buchstaben seines Vor- und Nachnamens die Marke „HeLa“. Die Aulendorfer Schlepper haben bis heute in Oberschwaben Kultstatus. Die zweite Ausstellung präsentiert Geschichte und Produkte der legendären Marke, die bei- spielhaft für Licht und Schatten im deutschen Traktorenbau stehen – vom Innovationsgeist der frühen Jahre bis zum späteren Niedergang, als sich der Markt weiter veränderte. Das Thema Mähdrescher und Arbeitskraftersparnis ist übrigens so in- teressant, da sind sich Torsten Albinus und Franz Bohner einig, dass es auch Kindern vermittelt werden soll. Und so planen sie für nächstes Zu sehen sind seltene historische Filmaufnahmen mit Traktoren, Jahr einen begehbaren Mähdrescher als neue Station des Kinder-Ent- unter anderem aus Häusern bei Ummendorf von 1948. deckerpfads. „Bald können die Kleinen nicht nur ein Kuhmodell mel- ken oder den Lanz zum Brüllen bringen, sondern auch oben auf einem echten Mähdrescher sitzen!“, freut sich Franz Bohner. Historisches Landleben zum Anfassen – typisch Kürnbach eben. Die Ausstellung zeigt einen Mähdrescher von der Firma Bautz aus Bad Saulgau. Per Knopfdruck können Besucherinnen und Besucher hören, wie der Lanz-„Bulldog“ von 1940 klingt, wenn er startet – ein beeindruckendes Erlebnis. 11
O B E R S C H WÄ B I S C H E T R AC H T E N t e c k t e r S c h a t z Vers im Tan z h a u s Im Erdgeschoss des Kürnbacher Tanzhauses findet sich in einem klimatisierten und abgedunkelten Raum ein wahrer Schatz: Festtagstrachten aus dem Oberschwaben vergangener Zeiten. Ob Mieder oder Herrenweste, Dreispitz oder Radhaube: Hier ist zu entdecken, was die Menschen früher zu festlichen Anlässen aus den Kleidertruhen hervorgeholt haben. Was ist eigentlich „Tracht“? Heutzutage ist „konnte“ – auch heute fällt uns ja auf, wenn Händler in die oberschwäbischen Dörfer damit vielfach das Dirndl und die Lederhose sich beispielsweise alte Männer „zu jung“ an- brachten – und was dann eben so gut gefiel, gemeint, die vornehmlich junge Menschen ziehen oder eine Teenagerin „wie eine alte dass es auch gekauft wurde. auf dem Weg ins Bierzelt anlegen – also ein Frau“ daherkommt. Diese große Vielfalt historischer Festtags- Partygewand. Bei historischen Volkstrach- Was tatsächlich getragen wurde, war stark trachten zeigt die Ausstellung im Kürnbacher ten hingegen ist schon länger die Vorstellung von Moden geprägt und hing ganz maßgeb- Tanzhaus. Manches Stück wäre auch heute verbreitet, dass die Tracht wie eine Art Uni- lich auch davon ab, was im Handel erhältlich noch kleidsam – und bei anderen Exponaten form funktioniert habe: Mit Kleidungsstü- war. Entscheidend war also, welche Stoff- ist man dankbar, dass sich die Mode geändert cken, die für jedes Dorf verschieden und für arten, welche Farben und welche Accessoires hat! jede Region typisch gewesen seien – zudem versehen mit einem „Dresscode“, an dem sich Ehestand, Konfession und soziale Stellung des Besitzers haben ablesen lassen. Diese Vorstellungen von Tracht als Uniform wurden um 1900 geprägt, haben aber mit der historischen Realität in Oberschwaben wenig gemein: Wenn man alte Inventarlisten genau prüft und damit auch in oberschwäbische Kleidertruhen schaut, findet sich stattdessen eine große Vielfalt an verschiedenen Mate- rialien, Schnitten und Farben. Natürlich hat- Der Biberacher Maler Johann Baptist Pflug, der um 1815 diese Bilder mit „Landleuten aus Oberschwaben“ ten die Zeitgenossen aber klare Vorstellun- und „Landleute vom Bussen“ schuf, prägte unsere heutige Vorstellung oberschwäbischer Trachten gen davon, wer im Dorf was und wann tragen (Vorlage: Museum Biberach). 12
Textilrestauratorin Sandra Wache zeigt hier ein Hochzeitskleid aus der Kürnbacher Sammlung: In den 1910er-Jahren wurde häufig noch in Schwarz geheiratet. i r m a c h e n " W " nicht s n e u ! Sandra Wache ist Textilrestauratorin. Sie betreut seit über 18 Jahren die Textilsammlung des Museumsdorfs, von der Festtagstracht in der Ausstellung bis zu wertvollen Stücken aus dem Depot. Wir haben mit ihr über die Kürnbacher Sammlung gesprochen. Frau Wache, was genau ist die Aufgabe einer Restauratorin? Die Faustregel für Restauratoren ist: Wir machen nichts neu, sondern bewahren die historischen Textilien. Das bedeutet, wenn ein Klei- dungsstück ein altes Mottenloch hat, flicke ich es nicht, wie es eine Schneiderin machen würde, sondern hinterlege es mit einem ähnli- chen Stoff, um das Loch zu stützen. Man soll die Geschichte der Stücke nach der Restauration also noch sehen. Was ist die größte Herausforderung bei der Restaurierung? Es ist jedes Mal erneut eine Herausforderung, denn man weiß nie, wie sich ein Stück entwickelt, wenn man es zum ersten Mal in die Hand nimmt. Die Stücke haben immer ein Geheimnis: Sie wurden umge- Die Radhaube wurde früher arbeitet, es wurde ein besonderer Stoff verwendet oder man entdeckt zu festlichen Anlässen aus den eine besondere Verarbeitung. Diese Geheimnisse und Geschichten, Kleidertruhen hervorgeholt. die die Stoffe erzählen, sind auch das Spannende an meinem Beruf. Was ist Ihr Lieblingsstück in der Ausstellung? Was ist das Besondere an der Kürnbacher Textilsammlung? Der Hochzeitslader. Das war mein erstes Stück, das ich in Kürnbach Neben den Hauben ist vor allem die Vielseitigkeit außergewöhnlich: restauriert habe. Die Tracht erinnert an den schönen Brauch, dass frü- Die Ausstellung zeigt nicht nur ländliche, sondern auch städtische her extra jemand bezahlt wurde, um herumzugehen und die Gäste zur Trachten. Als die Trachtensammlung vor knapp 20 Jahren gekauft wur- Hochzeit einzuladen – und überall einen Schnaps bekommen hat. Die- de, war die Bedingung, dass eine Restauratorin die Stücke betreut – ses Stück und alle anderen in der Ausstellung betreue und begleite ich und so kam ich ins Museumsdorf. Damals war die Trachtenausstellung jetzt seit fast zwei Jahrzehnten – und ich freue mich jedes Jahr wieder auch die einzige in dieser Größe weit und breit. auf meine Arbeit im Museumsdorf. 13
OBSTSORTENAUSSTELLUNG FamilienSonntag „Unsere Äpfel“ 17. Oktober e w u r z l u i k G eflammten Kardinale t r i f f t G Eine Ausstellung für alle Sinne: Schon am Eingang des Ziegelstadels leuchten den Besucherinnen und Besuchern die roten, grünen und goldenen Äpfel entgegen, dazu begrüßt der süßliche Duft zahlloser Früchte. Klangvolle Namen finden sich auf den vielen Schildern, von der Gewürzluike bis zum Geflammten Kardinal. Tausende Obstbegeisterte kommen jedes Jahr im Oktober ins Museumsdorf, um rund 350 alte Apfel- und Birnensorten zu bestaunen. Roter Ziegler, Aufhofer Klosterapfel, Schöner von Eichen, Waldseer Oberschwaben als Teil ihrer Heimat ge- Apfel: Viele der oberschwäbischen Lokalsorten in der Apfelausstel- schätzt. Wenn dieser Trend anhält, ist lung wurden im späten 19. Jahrhundert entdeckt oder gezüchtet. der Kampf noch nicht verloren. Zum Das ist kein Zufall: Damals begann die Blütezeit des Streuobstbaus in Glück, denn die Streuobstwiesen Oberschwaben. sind nicht nur als historische Kultur- landschaft wichtig – sondern auch Der harte Kampf um die Streuobstwiesen als artenreiches Ökosystem. Die Obstsortenausstellung erzählt jedoch nicht nur vom Aufstieg, sondern auch vom jähen Ende des Siegeszuges der Streuobstwiese: Streuobstwiesenvielfalt mitten im Verglichen mit dem modernen Plantagenanbau galt sie nach 1950 als Museumsdorf rückständig und unzählige Bäume fielen der Säge zum Opfer. Aktuell Die Artenvielfalt springt schon beim Gang über die Streuobstflächen macht auch der Klimawandel dem Biotop Streuobstwiese zu schaffen: des Museumsdorfs ins Auge: Schmetterlinge, Bienen und Wespen Trockenheit, steigende Schädlingspopulation und Unwetter schwä- summen im Frühjahr zu den Blüten und saugen im Herbst am Fall- chen die Bäume. obst. Amseln, Rotschwänze und Meisen sind in Wiese und Geäst auf Ist die Streuobstwiese überhaupt zukunftsfähig? Auf jeden Fall! Das Futterjagd und wer Geduld hat, kann Specht und Wendehals beob- öffentliche und politische Interesse an regionalen und biologisch an- achten. Und in Erde, Gras und Borke tummeln sich Ohrkneifer, Wür- gebauten Lebensmitteln wächst – in den Läden findet man wieder mer, Ameisen, Raupen und Käfer. Über 5.000 Tier- und Pflanzenarten Saft aus lokalen Früchten, es gibt Prämien für die Nachpflanzung von sind auf Streuobstwiesen zu finden, ein riesiger Schatz der Vielfalt. Streuobstbäumen und Vereinigungen wie die Obst- und Gartenbau- Die Obstsortenausstellung macht diese Fülle und Schönheit fassbar: akademie Biberach vermitteln Wissen rund um den Streuobstanbau. Tierpräparate ermöglichen eine genaue Betrachtung von Tieren, auf Wer den Gesprächen in der gut besuchten Kürnbacher Apfelausstel- die draußen oft nur ein kurzer Blick erhascht werden kann. lung lauscht, merkt schnell: Die Streuobstwiesen werden von den 14
STREUOBSTWIESEN-WISSEN LEICHT GEMACHT – MIT DER OGAB Jeder kann beim Erhalt der Streuobstwiese helfen: Die Obst- und Gar- tenbauakademie Biberach (OGAB) bietet im Museumsdorf jährlich Kurse zum Obstbaumschnitt, der Veredelungspraxis und zum Wühl- mausschutz an, damit auch Laien sich fachkundig um ihre Bäume kümmern können. Sie berät zudem bei Neuanpflanzungen oder der Bestandspflege und bildet jedes Jahr zahlreiche Baumpfleger aus. Und auch wer keinen eigenen Garten besitzt, kann etwas beitragen: Viele Umweltverbände suchen ehrenamtliche Hilfe bei der Pflege von Streuobstwiesenbeständen. Weitere Infos zu den Kursen der OGAB im Museumsdorf: www.Museumsdorf-Kürnbach.de Neu im Jahr 2021: Kürnbacher Streuobstleitern Doch was ist in den Monaten ohne Obstsortenausstellung? Schon seit einigen Jahren können die Besucherinnen und Besucher mit der Streu- obst-App das ganze Jahr über auf Entdeckungstour über die Streuobst- wiese gehen. Ab dem Frühjahr 2021 gibt es in Kürnbach nun einen wei- teren ganzjährigen Streuobstgenuss: In sieben Stationen lenken soge- nannte Streuobstleitern den Blick auf die Streuobstwiese des Museums- dorfs. Aktivelemente laden die jungen Besucher zum Mitmachen ein und lassen sie spielerisch die Wunder der Streuobstwiese entdecken. Ein Thema für Groß und Klein Wer denkt, dass die Streuobstwiese nur etwas für Erwachsene ist, liegt übrigens weit daneben. Wie schnell sich Kinder für das Thema begeis- tern können, weiß Volontärin Anna Pegios. Sie ist schon oft mit Kin- dergruppen durch die Ausstellung und die Streuobstwiese gezogen: „Im Museumsdorf zu entdecken, dass Apfel nicht gleich Apfel ist, son- dern jeder anders aussieht und schmeckt, das beeindruckt schon die Jüngsten. Und wenn dann noch jedes Kind seine Lieblingssorte und sein Streuobstkrabbeltier sucht oder in unserem Mitmach-Apfelbüch- lein eine eigene Apfelsorte erfindet – da ist einfach jeder mit Feuer- eifer dabei!“ Auch abseits der Programme können Kinder aktiv in die Welt des Ap- fels eintauchen, sei es im Kindereck der Apfelausstellung oder an den Kürnbacher Apfelsonntagen mit vielen Mitmachangeboten und Vor- führungen. So können im Museumsdorf Groß und Klein gemeinsam die Streuobstwiese erkunden – der Apfel fällt hier nicht weit vom Stamm! 15
IM GESPRÄCH MIT FRANZ BOHNER e n n e n w i e v o r Br ahren 1 0 0 J Info Schnaps vom Kürnbacher Obst gibt’s im Museumslädele Nur wenige Vorführungen im Oberschwäbischen Museumsdorf sprechen mehr Sinne an als das Schnapsbrennen: Die Besucherinnen und Besucher kommen in einen kleinen, dämpfigen Raum, die Luft ist sehr heiß, es riecht intensiv nach Alkohol – und während das Hochprozentige aus dem Kühler läuft, können Zwetschge, Apfel und Birne sogar probiert werden. Seit Jahren brennt Museumsverwalter Franz Bohner auf der historischen Anlage. Wir haben mit ihm gesprochen. Franz, Du brennst seit über 20 Jahren auf der historischen Anla- heute üblich, übereinander. Der größte Unterschied ist aber, dass un- ge Schnaps. Welche Frage hörst Du von den Besucherinnen und sere Anlage die Maische noch durch direkten Dampfeinlass erhitzt, Besuchern am häufigsten? das heißt: Der Dampf strömt direkt auf das vergorene Obst und bringt Ganz ehrlich? (lacht) Ob ich nach Stunden in diesem Alkoholdampf es so zum Kochen. noch nüchtern bin! Aber im Ernst: Das Interesse der Besucherinnen und Besucher ist breit, das geht vom Obst als Rohstoff über techni- Was heißt das für das Brennen? sche Fragen bis hin zum Geschmack. Mich freut es auf jeden Fall sehr, Der ganze Brennvorgang muss von Hand gesteuert werden – es gibt dass sich die Besucher so für die Brennvorführungen begeistern. kein Überdruckventil oder einen automatischen Schieber. Und wie schnell das eigentliche Destillieren vor sich geht, bestimme ich über Was unterscheidet die Arbeit mit der historischen Anlage denn die Größe des Feuers. Dafür braucht man viel Erfahrung. Aber das vom heutigen Brennen? führt auch dazu, dass wir langsamer brennen und so mit dem Alkohol Wir feuern mit Holz, außerdem stehen in unserer Brennerei der Kes- möglichst viel Aroma aus der Maische holen können. sel, der Maischebehälter und der Kühler nebeneinander, nicht, wie 16
GETREIDE, KARTOFFELN, OBST – HAUPTSACHE: HOCHPROZENTIG Hochprozentiges gehörte früher dazu: Auf vie- len oberschwäbischen Höfen zählte ein „Budelle“ Branntwein am Morgen oder am Abend zur nor- malen Ration von Bauer und Knecht. Jahrhundertelang wurde „Brennts“ oder „Brenn- tewei“ nur aus Getreide destilliert. Als „Schnaps“ wurde dann der Kartoffelbrand bezeichnet, der in Oberschwaben ab etwa 1820 populär wurde – allerdings nicht wegen seines Geschmacks, son- dern weil das viel billiger war. Nicht nur das Trinken, auch das Brennen war weit verbreitet: Im Oberamt Waldsee, zu dem da- mals auch Schussenried gehörte, wurde in 176 Brennereien Hochprozentiges hergestellt – da- mit kam etwa auf 100 Einwohner eine Brennerei. Obst wurde damals kaum gebrannt, denn Obst- bäume wurden in Oberschwaben erst ab der Mit- te des 19. Jahrhunderts im großen Stil gepflanzt. Seither werden auch Apfel, Birne und Zwetschge eingemaischt und anschließend gebrannt. Du warst auch schon dabei, als das Brennhäusle ins Museum kam. War eine alte Brennerei einfach zu finden? Der Museumsladen verkauft die hoch- Wir haben länger nach einem passenden Gebäude mit alter Technik prozentigen Schätze aus der Brennerei: gesucht und schließlich auf dem Hof Hagmann in Dürmentingen ge- Zwetschge, Birne und Apfelbrand – funden: Ein altes Back- und Waschhaus, in das später eine landwirt- ein gutes Stück Heimat in der Flasche. schaftliche Brennerei eingebaut worden ist. Es war alles noch so beiei- Neu im Lädele gibt es den Renekloden- nander, wie wir das den Besuchern im Museum zeigen wollten. Bis wir schnaps von 2019. wirklich brennen durften, war es aber noch ein langer Weg … (lacht). Welches Obst brennst Du denn? Was war daran so schwierig? Naja, wir haben hier im Museum nicht umsonst eine der sortenreichs- Die historische Technik hat nicht mehr geltenden Vorschriften ent- ten Streuobstwiesen des Landes: Das macht uns nicht nur viel Arbeit, sprochen, vor allem aber war die Brennblase eigentlich zu groß, als sondern liefert auch jede Menge Obst. Da hätten wir Apfel, Birne, dass wir sie in Betrieb hätten nehmen dürfen. Die Steuerverwaltung Zwetschge. 2018 haben wir zum ersten Mal auch Renekloden einge- hat sich deshalb quer gestellt, und der damalige Landrat Peter Schnei- maischt. Bei den Äpfeln brennen wir übrigens manches sortenrein, der musste Himmel und Hölle in Bewegung setzen. 1999 waren wir wie den Jakob Fischer. Oft maischen wir aber ganz bewusst verschie- dann endlich am Ziel, als wir eine Sondergenehmigung von Bundes- dene Sorten ein, da bestimmt die richtige Mischung das Aroma. Wir finanzminister Hans Eichel für den Betrieb der Brennerei erhalten ha- machen das alles selbst – der Schnaps kann bekanntlich nicht besser ben. Diesen Brief haben wir stolz an die Wand der Brennerei gehängt, sein als die Maische, da kommt es auf den Rohstoff an. und da hängt er noch heute! 17
I M G E S P R Ä C H M I T D I E T M A R N E LT N E R & R E I N E R S C H O WA L D Museumsbäcker Dietmar Neltner: „Auch nach neun Jahren im Museumsdorf lerne ich immer noch jedes ! Mal etwas Neues im l a Backhäusle.“ N o i t h u d Das Backhaus im Oberschwäbischen Museumsdorf Kürnbach aus dem Jahr 1886 stammt vom Hof Zell in Mittelbiberach. Anders als viele andere Backhäuser ist es nicht nur erhalten geblieben, sondern auch noch regelmäßig in Betrieb: Jeden Sonntag stehen hier abwechselnd die Museumsbäcker Dietmar Neltner und Reiner Schowald und holen für die Besucherinnen und Besucher köstliche Dennete, Brote und Seelen aus dem Ofen. Wir haben mit den beiden über ihr Handwerk gesprochen – und wie es ist, wie vor 150 Jahren zu arbeiten. Dietmar, Reiner, seit wann seid Ihr beiden das nichts aus. Aber ich muss ehrlich zuge- man es in den Ofen und lässt es durch die denn schon im Bäckerhandwerk? ben, langsam merke ich es. Aber Bäcker ist Restwärme vom vorigen Backtag trocknen. Reiner: Hmm, da muss ich überlegen … ich so ein toller Beruf! Sonst hätte ich das auch Und die Teige müssen wir auch vorbereiten. habe meine Ausbildung 1986 in Aulendorf nicht so lange gemacht. Reiner: Oh ja. Wenn man am Sonntag backen begonnen und hatte das Glück, dass ich bei Reiner: Stimmt! Und früh aufstehen gehört will, geht es eigentlich schon Anfang der Wo- einem alten Meister in die Lehre ging. Viele halt dazu, auch in Kürnbach: Der Ofen muss che los. Am Sonntag muss man dann gleich von seinen Rezepten backe ich seit 15 Jahren angeheizt und der Teig vorbereitet werden. morgens den Ofen anheizen, gegen sechs Uhr. im Museumsdorf. Wenn die Besucher um halb elf ins Museums- Dietmar: … bis der auf die Temperaturen von Dietmar: Bei mir ist es auch ungefähr so lange dorf kommen und Hunger haben, kann ich ja um die 500 Grad kommt, die wir brauchen. her – ich bin seit über 35 Jahren Bäcker. Ge- schlecht sagen ‚Entschuldigen Sie, ich habe Nach ungefähr vier Stunden räumen wir den lernt habe ich in Mengen, im Kreis Sigmarin- mal ausschlafen wollen. Kommen Sie in drei Ofen aus und fangen mit dem Backen an. Als gen, mittlerweile arbeite ich jedoch in einer Stunden wieder.‘ erstes kommen die Dennete in den Ofen. Bäckerei in Ochsenhausen. Und am Wochen- Reiner: Wenn die Temperatur etwas abfällt, ende bin ich natürlich in Kürnbach. Was unterscheidet denn das Backen im his- schießen wir das Brot ein und auch Seelen torischen Kürnbacher Backhaus von einem und Knauzen. Schließlich kommen dann zum Bäcker müssen bekanntermaßen früh auf- normalen Ofen? Beispiel noch Zöpfe in den Ofen. stehen – fällt Euch das schwer? Dietmar: Man muss das Holz, das man zum Dietmar: In den Anfangsjahren macht einem Anheizen braucht, erst trocknen. Dazu legt 18
I M G E S P R Ä C H M I T D I E T M A R N E LT N E R & R E I N E R S C H O WA L D Was ist im Museumsbackhaus die größte ne Familie würde das nicht funktionieren, Reiner: So ist es: Wir Museumsbäcker zeigen Herausforderung? die stehen da voll hinter mir. Meine Frau und ehrliches, altes Handwerk, traditionelle Re- Reiner: Jeder Backtag ist anders – wir müssen mein Sohn helfen beide mit und der Sohne- zepte und Zutaten von hier – und das kommt auf die Jahreszeit schauen, das Wetter, die mann ist ja quasi im Museumsdorf aufge- bei den Besuchern einfach gut an! Temperatur … wachsen. Der war schon als kleiner Junge im Dietmar: … wie der Teig heute ist und auch Kinderwagen mit in Kürnbach dabei. das Holz … Reiner: … und wie früher haben wir in Kürn- Und was kommt bei den Besucherinnen NO IT HUDLA! bach keine Kühlung für den Teig – der ar- und Besuchern am besten an? beitet immer weiter. Ich arbeite auch mit Dietmar: Eindeutig: Dennete! dem Prinzip des altdeutschen Backofens. Reiner: Bei mir ist es das Holzofenbrot. Vie- Die Redewendung „No it hudla“ ken- Das sind viele verschiedene Faktoren – erst, le Stammkunden verbringen ihren Sonntag nen viele – doch dass ihr Ursprung aus wenn alles zusammenpasst, klappt das. im Museumsdorf und holen dann noch ihre dem Bäckerhandwerk stammt, das wissen Natürlich hat der alte Ofen kein Thermo- Brotbestellung bei mir ab. So hat jeder eben nur wenige: Der Ofen wurde mit Holz be- feuert. Bevor der Bäcker das Brot meter und keine Regler wie heute. Wenn es seine Spezialität! (lacht) „einschießen“, also in den Ofen hineinschie- zu warm ist, muss man die Tür eine Weile Dietmar: Das macht ja auch den Reiz aus. Frü- ben konnte, musste er natürlich die Asche des aufmachen. her hat auch nicht jeder Bäcker das genau Brennholzes mit einem feuchten Lumpen, Dietmar: Ich nenne unseren Backofen ger- gleiche Sortiment gehabt! Außerdem pas- auf Schwäbisch: dem „Hudel“, vom heißen ne meinen Hightech-Ofen: Da ergeben sich sen wir uns ja den Jahreszeiten und den Ver- Stein entfernen. Und bei mehreren hundert so viele Möglichkeiten zu backen, das über- anstaltungen an: Im Herbst freuen sich die Grad kam es bei diesem Hudeln vor allem rascht mich immer wieder! Nach neun Jahren Leute zum Beispiel, dass wir mit den Äpfeln auf das Tempo an. im Museumsdorf lerne ich immer noch jedes arbeiten, die wir im Museumsdorf gesammelt Mal etwas Neues. Das ist auch das Reizvol- haben. le daran – so einen Backofen zu beherrschen und mit ihm umgehen zu können. Reiner: Genau so ist es, der Ofen gibt den Takt an und wir müssen uns darauf einstellen! Museumsbäcker Ihr habt viel Kontakt mit den Besucherin- Reiner Schowald zeigt nen und Besuchern – welche Reaktionen regelmäßig im Museums- erlebt Ihr? dorf den Besucherinnen Dietmar: Das ist das Tolle – wir bekommen und Besuchern sein so viele positive Rückmeldungen von den Be- Handwerk. sucherinnen und Besuchern! Nicht nur da- rüber, dass wir backen, sondern auch über das Museumsdorf und die verschiedenen Ange- bote. Es kommen viele Familien mit Kindern, und auch Großeltern mit ihren Enkelkindern ins Museumsdorf. Und die kennen das ja noch selbst. Da höre ich oft, wie der Opa zu sei- nen Enkeln sagt: ‚Guck mal, so habe ich früher auch gebacken!‘ Reiner: Viele Besucher sind auch erst mal erstaunt, dass da überhaupt jemand in der Backstube steht. Und freuen sich dann, das Feuer zu sehen, die Hitze zu spüren – und einfach zu erleben, wie in einem Backhäusle vor 100, 150 Jahren gebacken wurde. Für Euch beide ist das Backen im Muse- umsdorf ja fast schon ein Familienbetrieb, oder? Reiner: Oh ja, Unterstützung braucht man auf jeden Fall. Meine Frau hilft mir nicht nur beim Verkaufen, sondern auch daheim beim Vor- bereiten der Teige. Und meine beiden Töch- ter sind eigentlich mit dem Backhäusle groß geworden. Dietmar: Bei mir ist es genauso – ohne mei- 19
REZEPTE AUS DEM Backhäusle ZUTATEN 1 kg Weizenmehl - Type 550 600 g Wasser 50 g Margarine 20 g Salz 10 g Zucker 14 g Trockenhefe Für den Belag: DIETMARS DENNETE Schmand, Lauch, Käse, Guten t! Appeti Speck, Tomaten Dennete waren früher ein schnelles Essen, das als erste Backware aus dem Ofen geholt wurde. Der Ofen hat am Anfang um die 500 Grad und durch die „schwäbischen Flammkuchen“ wird ihm ein Teil der Hitze entnommen. Alle Zutaten werden zusammengemischt und gut ausgeknetet. Aber Beim Belag können Sie kreativ werden und experimentieren. Auf die Vorsicht, man sollte den Teig nicht überkneten. Je nach Festigkeit des Schmandmasse kann Lauch, Käse, Speck, Tomaten und vieles anderes Teiges muss man 100 g Wasser oder Mehl mehr verwenden – manches mehr. „Da muss man sich auch mal was trauen! Es muss ja nicht immer Mehl nimmt mehr Feuchtigkeit auf als andere. Der Teig sollte lieber alles gleich schmecken. Und wenn es einem nicht schmeckt, probiert etwas weicher als zu fest sein. man beim nächsten Mal halt was anderes“, sagt Dietmar. Dann lässt man den Teig über Nacht in einem verschließbaren Behäl- Den Ofen gut vorheizen, Ober-/ Unterhitze, 200 bis 220 Grad. ter ruhen. Er sollte in einem kühlen Raum stehen, allerdings nicht im Die Dennete 12 bis 15 Minuten, je nach gewünschter Bräune, backen. Kühlschrank. ANZEIGE Besuchen Sie unser Ofen- fachgeschäft und informieren Sie sich über Kachelöfen, Heiz- kamine, Pellet- und Kaminöfen sowie Heizeinsätze und Wasser- technik. 88427 Bad Schussenried Bahnhofstraße 17+19 Biberacher Str. 2 | Bad Schussenried | 0 75 83 926 72 01 www.ofenbau-renz-gerner.de Telefon 0 75 83 - 23 55 Mobil 0 1 76 61 38 70 69 | www.holzwerk-kaeppeler.de 20
REZEPTE AUS DEM Backhäusle ZUTATEN Weizenvorteig 550 g Weizenmehl (Type 1050) 300 ml lauwarmes Wasser 2 g Frischhefe ZUTATEN Hauptteig Guten t! Appeti ca. 850 g Vorteig 1000 g Weizenmehl (Type 1050) 250 g Dinkelmehl (Type 630) 250 g Roggenmehl (Type 1150) 40 g Salz 25 g Frischhefe Kümmel oder Brotgewürze REINERS BAUERNBROT nach Bedarf dazugeben 1100 ml Wasser Rezept für 3 Laib Brot je 1150 Gramm Teiggewicht und einem Vorteig. ANZEIGE Die Zutaten des Vorteigs vermischen und den Teig ca. drei Stunden bei Raumtemperatur reifen lassen. Den Vorteig und die Zutaten für den Hauptteig in die Teigknetma- schine geben und 12-15 Minuten kneten. Beim Gebrauch eines Hand- rührgerätes die Teigmenge anpassen. Danach den Teig ca. 1,5 Stunden IHR BACK & PARTYSERVICE S.P.S. unter einem sauberen Handtuch ruhen lassen. Sie wünschen – wir backen! Im Anschluss den Teig in drei gleich schwere Stücke teilen, diese zu einem Laib formen und mit dem Verschluss nach unten auf den Tisch setzen. Reiner Schowald Nach einer weiteren Teigruhe von ca. 20 Minuten den Teig mit dem BACK & PARTYSERVICE Teigverschluss nach oben auf dem Brotschiesser legen, kräftig abmeh- len und die Brotlaiber in den heißen Holzbackofen schieben. Müllergasse 9 88427 Bad Schussenried Bei einer Backtemperatur von ca. 260 Grad fallend beträgt die Back- Telefon 07583 94 27 82 zeit ca. 60 Minuten. Im Haushaltsbackofen 30 Minuten bei 250 Grad Mobil 0157 55 84 59 59 backen, danach auf 180 Grad runterschalten und für weitere 30 Minu- schowalds@gmx.de ten bis zur gewünschten Bräunung backen. 21
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Alfred Leuthold ist 72 Jahre alt und dem Museumsdorf seit Jahrzehnten verbunden. Als Zimmerermeister hat er eine ganze Reihe der Häuser, die heute in Kürnbach stehen, von ihrem Originalstandort nach Kürnbach mit umgesetzt. Seit Jahren bietet er auch für Schulklassen das museumspädagogische Programm „Schaffe, schaffe, Häusle baue“ an und bringt den Kindern dabei das Handwerk des Zimmermanns näher. Wir haben mit ihm gesprochen. Alfred, wie lange warst Du als Zimmermann tätig? Wie hat sich denn seit den 1960ern die Arbeit des Zimmermanns Mein ganzes Leben lang. Ich habe mir schon als 14-Jähriger ein biss- verändert? chen Geld in einer Zimmerei dazuverdient. 1969 habe ich dann mit Früher war das noch viel Handarbeit, heute ist alles volltechnisiert. 21 Jahren meine Ausbildung bei der Firma Hopp in Unteressendorf Jetzt berechnet der Computer, wo gesägt werden soll. Damals muss- begonnen und 1978 meinen Meister gemacht. Und bis zu meiner ten wir noch selbst Hand anlegen – da gab es keine Maschinen, die Rente habe ich bei Walser Holzbau in Bad Schussenried gearbeitet. aus einem runden Baumstamm einen Balken mit vier Kanten gemacht haben. 23
IM GESPRÄCH MIT ZIMMERERMEISTER ALFRED LEUTHOLD Wie wird denn aus einem runden Stamm ein eckiger Balken? Ganz ehrlich: Das ist auch die Frage, die mir die Kinder bei dem Pro- gramm „Schaffe, schaffe, Häusle baue“ am häufigsten stellen (lacht). Grundsätzlich gilt: Zimmermannsarbeit ist Teamwork! Zwei Mann hal- ten die sogenannte „Schlagschnur“ am jeweiligen Ende des Stammes, sodass der Zimmerer in der Mitte eine gerade Linie hat und das Holz mit seinem Breitbeil beschlagen kann. So bekommt man einen per- fekten geraden Balken. Wir zeigen das auch bei Vorführungen im Mu- seumsdorf, da sind viele Besucherinnen und Besucher sehr fasziniert, wie akkurat das am Ende ist. Was waren die wichtigsten Werkzeuge des Zimmerers? Neben dem Breitbeil hat jeder Zimmermann eine Bundaxt gebraucht, um die Kerben vorzubereiten. Für das Zusägen hatte er außerdem eine Bundsäge – die sieht eigentlich aus wie eine Waldsäge und ist zum Be- arbeiten von Rundhölzern. Ich bringe meine Bundsäge immer zu den Am Kürnbachhaus zeigt sich sogenanntes Schmuckfachwerk – auch früher wollten museumspädagogischen Programmen mit und zeige sie den Kindern. Zimmermänner nicht nur funktional bauen, sondern auch ihr Können zeigen. Die sind jedes Mal begeistert! Wenn wir kunstvolles Fachwerk, also Schmuckfachwerk, machen wollten, haben wir wieder eine andere Säge gebraucht, die Schweifsäge. Sie hat ein ganz schmales Blatt, um Du hast als aktiver Zimmermann bei mehreren Gebäudeumsetzun- die Kurven zu sägen. Am Kürnbachhaus kann man solche Flammenrie- gen, den sogenannten Translozierungen, mitgearbeitet. Welche gel, oder Feuerlinien, wie der Fachbegriff lautet, gut sehen. Häuser hast Du auf ihrem Weg ins Museumsdorf begleitet? Ich war beim Tanzhaus dabei, dem Haus Wolfer, dem ältesten Haus im Wie wurde denn so ein Fachwerkhaus früher gebaut? Museum, und dem Bendelshof. Außerdem habe ich noch bei den Res- Das Haus haben wir auf einem Abbundplatz einmal zusammengesetzt, taurierungen am Haus Laternser und der Hueb mitgeholfen. dann auseinandergenommen und vor Ort wieder aufgebaut. Damit wir noch wussten, welcher Balken wohin gehört, haben wir das Holz Wie funktioniert so eine Translozierung überhaupt? „scharf gezeichnet“, das heißt, mit besonderen Kerben markiert – ein- Als erstes nimmt man die Biberschwanzziegel vom Dach, dann baut fach nur Kreide oder Bleistift hätte da nicht gehalten, die Balken sind man den Dachstuhl ab. Anschließend werden die Wände stabilisiert, oft mehrere Monate, der Witterung ausgesetzt, gelegen. Die Längs- gesichert und einzeln verpackt. Damit sie nicht auseinanderfallen, ver- hölzer haben wir mit Ruten und die Querhölzer mit Bundzeichen ver- schraubt man sie mit Stahlträgern und Rundeisen. Die Wände kom- sehen. Je nach Stockwerk haben die Balken auch noch Stockzeichen men dann als Ganzes auf einen Tieflader und werden an ihren neu- bekommen: einen Ausstich für den ersten Stock, zwei für den zweiten en Standort gebracht. Dort werden sie auf dem schon vorbereiteten und so weiter. Dank dieser „Geheimsprache“ wusste jeder Zimmer- Fundament wieder zusammengebaut. Das klingt theoretisch einfach, mann genau, wo welcher Balken hinkommt. Solche Abbundzeichen braucht aber viele Experten und Spezialisten, damit die Häuser sicher kann man heute noch an den Häusern im Museumsdorf finden, beson- und denkmalschutzgerecht umgesetzt werden können. ders gut sieht man sie am Voggenhaus. SCHAFFE, SCHAFFE, HÄUSLE BAUE Wer Alfred Leuthold in Aktion erleben möchte und zugleich Kindern Geschich- te lebendig vermitteln will, ist beim mu- seumspädagogischen Programm „Schaffe, schaffe, Häusle baue“ genau richtig: Hier können Gruppen mit Kindern zwischen 9 und 14 Jahren bauen, hämmern, sägen – und staunen. Weitere Informationen zu diesem und den anderen museumspädago- gischen Angeboten finden Sie unter www.Museumsdorf-Kürnbach.de Zimmermänner zeigen im Museumsdorf, wie früher mithilfe einer „Schlagschnur“ aus einem runden Stamm ein eckiger Balken geschlagen wurde. 24
IM GESPRÄCH MIT ZIMMERERMEISTER ALFRED LEUTHOLD Du machst ja auch museumspädagogische Programme mit Kindern Gibt es denn ein Erlebnis mit einer Kindergruppe, das Dir beson- und Jugendlichen. Was genau machst Du mit den Gruppen? ders in Erinnerung geblieben ist? Zum einen erkläre ich den Kindern, wie so ein Fachwerkhaus gebaut Ich hatte einmal einen Jungen in einer Gruppe von Viertklässlern. wird. Die Kinder können dann mit unserem kleineren Holzmodell auch Nachdem er seine Holzscheibe zusammen mit mir abgesägt hatte, einmal selbst eine Fachwerkwand zusammensetzen. Durch Anfassen kam er auf die Idee, einen Kreisel daraus zu basteln. Dazu hat er einen und Selbermachen lernen die Kinder in dem Programm den Werkstoff Nagel genau durch die Mitte geschlagen, sodass der auf der anderen Holz kennen und bekommen viel einfacher einen Zugang zur Arbeit Seite ein Stück rausgeschaut hat. Und die Scheibe hat auch richtig auf der Zimmermänner. dem Tisch gekreiselt! Dass ein Viertklässler auf so eine Idee kommt, Zum anderen habe ich immer mehrere Hämmer und Nägel dabei. Die ohne dass man es ihm gezeigt hat, hat mich wirklich beeindruckt. Da Kinder dürfen dann selbst ran und Nägel in einen Holzbalken rein- sieht man sehr schön: In Kürnbach lernt man immer etwas Neues! schlagen wie der Zimmermann früher. Außerdem dürfen die Kinder an die Säge und gemeinsam mit mir von runden Stangen Scheiben absägen. Dürfen die Kinder auch an das beeindruckende Breitbeil? Nein, natürlich nicht – das Beil ist sehr scharf, das wäre viel zu gefähr- lich. Ich zeige es aber immer und erkläre die Arbeit, alleine das beein- druckt Kinder sehr. Zum Schluss gibt es dann als kleines Erinnerungs- stück einen Zimmermannsbleistift geschenkt. Der ist allerdings noch stumpf – die Kinder dürfen ihn mit einem Schnitzmesser so lange an- spitzen, bis sie damit schreiben können. 1988 wurde der Bendelshof aus Aulendorf samt Remise nach Kürnbach umge- setzt – und dies in ganzen, mit Eisenstreben gesicherten Teilen, wie hier die östliche Giebelwand der Remise. ANZEIGE WELTERBE UND BAROCK Bad Buchau mit seinem einzigartigen Naturparadies Federsee Durch die sanften, oft langgezogenen Hügelketten, ist die ist ein spannendes Ausfllugsziel für Kinder. Ob Vögel beobach- oberschwäbische Region geradezu geeignet für gemütliche ten, Einbaum fahren, Forschen am Elebnisteich oder im Wanderungen oder Radtouren, auf der kulturelle und baro- Wackelwald hüpfen: Spaß garantiert! cke Sehenswürdigkeiten erkundet werden können. Tourist-Information Tourist-Information Bad Buchau Bad Schussenried Marktplatz 6 Wilhelm-Schussen-Straße 36 88422 Bad Buchau 88427 Bad Schussenried Telefon 0 75 82 / 93 36 - 0 Telefon 0 75 83 / 94 01-171 info@bad-buchau.de info@touristinfo-bs.de www.bad-buchau.de www.bad-schussenried.de www.federsee-schussen.de 25
IM GESPRÄCH MIT WEBERIN HILDEGARD IGEL h i ff c h e n c https// www... S n sc h lag u n d A jeder Schuss kann Sie Hildegard Igel, 78 Jahre, webt seit ihrer Jugend. Sie ist immer sehen! wieder im Museumsdorf aktiv und zeigt den Besucherinnen und Besuchern am historischen Webstuhl im Kürnbachhaus ihr Handwerk: freundlich und fachkundig, aber mit einem lauten „Rums“, wenn sie den Schussfaden anschlägt. …und da ist Ihnen egal, wie Ihre Webseite aussieht? Virtuelle Tour 360° Bilddateien Ranking SEO Google Domain Navigation WEBEREI Imagefilm IM KÜRNBACHHAUS Menü Shopsysteme Die Bewohner des Kürnbachhauses ka- Links men mit der Landwirtschaft alleine nicht Sidemap über die Runden und mussten sich immer Responsive etwas dazuverdienen. Ihr Zubrot fanden Content sie lange Zeit in der Weberei. Aus einem Inventar von 1832 wissen wir, dass im Cookies Datenschutz Kürnbachhaus „2 Weberstühl samt al- ler Zugehör“ vorhanden waren, ebenso mehrere Ballen Tuch – darunter 6 Meter „Reistetuch“ (Stoff aus gehecheltem, also sauber gekämmtem Flachs) und 18 Me- ter „Abwerktuch“ (Stoff aus ungehechel- tem Flachs). Wir aktualisieren Ihren Internet-Auftritt mit allem, was dazu gehört. www.buschtrommel.de 26
Frau Igel, Sie führen seit Jahren im Kürnbachhaus das Weben vor. Wo haben Sie dieses Handwerk denn gelernt? Das Weben habe ich im Internat als Teil meiner Schulausbildung ge- lernt. Meine Mutter meinte aber, ich solle mir lieber einen anderen Beruf suchen, da man von der Weberei nicht leben könne. Erst nach meiner Heirat und als ich schon Kinder hatte, habe ich wieder mit dem Weben begonnen. Mittlerweile habe ich fünf verschiedene Webstühle zu Hause: einen großen Webstuhl, ähnlich dem im Museumsdorf, und spezielle Webstühle wie einen Bildwebstuhl, der aufrecht steht, sowie einen Muster- und einen Bandwebstuhl. Was ist die größte Herausforderung beim Weben? Es durchzustehen! Die Vorarbeit nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und man ist gespannt, wie es wird. Aber erst wenn man einen halben Me- ter gewebt habt, sieht man, wie es wirklich aussieht und ob es etwas geworden ist – und dann muss man immer noch 30 Meter weben. Das ist die größte Herausforderung: Die Lust nicht zu verlieren. Der Kürnbacher Webstuhl ist ein etwa 200 Jahre altes Modell. Webt es sich dort anders als auf einem neuen Webstuhl? Eigentlich nicht, das Prinzip ist heute noch das gleiche wie früher: Man hat Kettfäden, Schiffchen, Schuss und Anschlag. Allerdings ist der Webstuhl im Kürnbachhaus für einen größeren Menschen gemacht – früher war das Weben ja auch Arbeit der Männer. Ich bin zu klein, mei- ne Beine sind etwas zu kurz (lacht). Dadurch ist es sehr anstrengend für mich, an diesem Webstuhl zu weben. Diesbezüglich hat sich die Technik schon verändert: an den heutigen Webstühlen kann man die Bank verstellen. Wir wissen, dass im Kürnbachhaus früher vor allem Leinen gewebt wurden. Was sind dabei die Besonderheiten? Die Fäden früher waren sehr dünn und nicht verzwirnt. Und Flachs, also Lein, reißt sehr schnell, wenn es nicht feucht ist. Außerdem staubt Flachs auch sehr, wenn er trocken ist. Ständig reißende Kettfäden be- deuten echten Stress, man muss sie jedes Mal wieder neu verknoten – und sieht das auch im Gewebe. Deshalb hat man den Raum, in dem der Webstuhl stand, beim Weben immer kühl und feucht gehalten, was natürlich für den Weber nicht sonderlich komfortabel war. Auch wenn das Weben für Sie heute im Kürnbachhaus etwas be- quemer ist als vor 200 Jahren: Es ist für Sie wirklich anstrengend. Was motiviert Sie immer noch zu dieser Arbeit? Das sind die Begegnungen mit den Besucherinnen und Besuchern. Viele kommen zu mir ins Kürnbachhaus, oft bleiben die Kinder sogar bei mir, schauen mir zu und werden später wieder von ihren Eltern ab- geholt. Da kann ich viel Aufklärungsarbeit leisten: Ich möchte den Be- suchern eine Vorstellung davon geben, wie viel Arbeit und Aufwand in einem Stück Stoff steckt. Das wird heute meist überhaupt nicht mehr wertgeschätzt, sondern man kauft sich für sehr wenig Geld seine Kla- motten aus Billiglohnländern. Gibt es ein Erlebnis mit einem Besucher oder einer Besucherin, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist? Ich hatte mal ein Kind mit Down-Syndrom, das mir beim Weben zu- geschaut hat und so fasziniert war, dass es unbedingt bei mir bleiben wollte, auch, als es die Eltern eigentlich weitergezogen haben. Das Kind hat seinen Eltern schließlich erklärt, dass es bei mir weben ler- nen will. Und so ist es eine Woche zu mir nach Hause gekommen und hat die Grundtechniken des Webens bei mir gelernt. Für solche Erleb- nisse sitze ich gerne im Museumsdorf auf der Bank meines Webstuhls. 27
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