Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach

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Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
2021
Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
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          Museum Kloster Schussenried
              mit Bibliothekssaal
          ÖFFNUNGSZEITEN:
          01. April bis 31. Oktober:
          Di. – Fr. 10 –13 und 14 –17 Uhr
          01. November bis 31. März:
          Sa., So. und Feiertage 13 –17 Uhr geöffnet
          Gruppen und Sonderführungen ganzjährig nach Vereinbarung

          KONTAKT:
          Telefon (07583) 92 69 140
          info@kloster-schussenried.de
          www.kloster-schussenried.de
Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,                                       Liebe Leserinnen und Leser,

das Oberschwäbische Museumsdorf Kürnbach ist ein Ort,             auch die zweite Ausgabe des Magazins „Ab aufs Land“
an dem Geschichte auf besondere Weise erfahrbar wird –            zeigt eindrucksvoll, wie abwechslungsreich das Ober-
das zeigt das Magazin „Ab aufs Land“ auf beeindruckende           schwäbische Museumsdorf Kürnbach Einblick in die Ver-
Weise.                                                            gangenheit gewährt.

In unserem Freilichtmuseum finden sich in den fast 40 his-        Dazu trägt der Förderverein Oberschwäbisches Museums-
torischen Bauwerken viele Stuben und Werkstätten, Aus-            dorf Kürnbach e.V. durch viele Aktionen bei: Wir bringen
stellungen und Präsentationen. Außergewöhnlich wird               beispielsweise Leben in das „Stüble“ aus Betzenweiler. Bei
das Museumsdorf aber dank der vielen Menschen, die                vielen Veranstaltungen sind wir auf dem Gelände und ma-
den Besucherinnen und Besuchern mit Vorführungen in               chen den Alltag von früher erfahrbar – vom traditionellen
Küchen und Werkstätten lebendige Einblicke in den Alltag          Basteln bis hin zum Saftpressen und Kartoffeldämpfen. Im
von früher gewähren.                                              Magazin können Sie mehr darüber erfahren.

Der Förderverein Oberschwäbisches Museumsdorf Kürn-               Das Oberschwäbische Museumsdorf Kürnbach ist ein
bach e.V. ist hierbei längst unverzichtbar. Die finanzielle       ganz besonderer Ort, der seit Jahren nicht nur bewahrt,
Unterstützung des Vereins ermöglicht etwa, dass wir alte          sondern mit immer neuen Ideen auch in die Zukunft ge-
und bedrohte Tierrassen halten können. Und dank eines             führt wird. Unser Dank gilt dem Museumsteam, das hier
herausragenden persönlichen Engagements gelang es den             viel Zeit und Arbeit investiert – und der Kommunalpolitik,
Ehrenamtlichen des Fördervereins auch in der vergan-              allen voran Herrn Landrat Dr. Schmid und den Mitgliedern
genen Saison unter Corona-Bedingungen den Besucher-               des Kreistags, für die nachhaltige Weiterentwicklung des
innen und Besuchern ebenso informative wie unterhaltsa-           Freilichtmuseums.
me Erlebnisse zu ermöglichen. Dafür danke ich dem För-
derverein und allen Mitgliedern von Herzen.                       Wenn auch Sie das Museumsdorf in besonderer Weise un-
                                                                  terstützen wollen: Werden Sie doch Mitglied im Förder-
Auch wenn manche Planung im Museumsdorf für 2021                  verein! Nähere Informationen finden Sie auf Seite 33.
unter Corona-Vorbehalt steht: Auch in diesem Jahr gibt
es viel Neues und Spannendes im Museumsdorf zu ent-               Ich wünsche Ihnen nun eine vergnügte Lektüre unseres
decken. Deshalb wünsche ich Ihnen allen nicht nur                 Magazins „Ab aufs Land“ und lade Sie herzlich ein: Besu-
große Freude beim Lesen in diesem Magazin, sondern                chen Sie das Oberschwäbische Museumsdorf Kürnbach
auch viele vergnügte Stunden im Oberschwäbischen                  und schauen Sie bei uns vom Förderverein vorbei – wir
Museumsdorf Kürnbach.                                             freuen uns auf Sie!

Dr. Heiko Schmid                                                  Wolfram Blüml
Landrat des Landkreises Biberach                                  Vorsitzender des Fördervereins
                                                                  Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach e.V.

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Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
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                                                       und spannender
                                                       Geschichten aus
                                                     dem Museumsdorf

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Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
I N H A LT

Mitten im Herzen des Schwäbischen Oberlands steht ein Dorf, das aus der Zeit     3    Editorial
gefallen zu sein scheint: Fachwerkhäuser mit altertümlichen Strohdächern         6    Auf Entdecker-Tour

und Wiesen mit Obstbäumen, an denen Apfelsorten hängen, die kaum noch
einer kennt; eine Kapelle hier, ein üppiger Bauerngarten dort, eine Braunvieh-   AUSSTELLUNGEN
Kuh behütet ihr Kälbchen, das eiserne Windrad dreht sich wie vor 100 Jahren –
                                                                                 8    Dieselross & Pferdestärken:
Dorfidylle, wie gemalt. Vor den Toren Bad Schussenrieds, inmitten einer ur-           Die Motorisierung der ober-
alten Bauernlandschaft, liegt das Oberschwäbische Museumsdorf Kürnbach,               schwäbischen Landwirtschaft
                                                                                 12   Versteckter Schatz im Tanzhaus:
das Freilichtmuseum des Landkreises Biberach. Sein Besuch gleicht einer Rei-
                                                                                      Oberschwäbische Trachten
se in die oberschwäbische Geschichte, die vom rauen Alltag seiner Bauern und     13   Im Gespräch mit
Handwerksleute erzählt, vom Wandel der Dinge und vom Einzug der Moderne.              Textilrestauratorin Sandra Wache
                                                                                 14   Gewürzluike trifft
Vielfalt in rustikalem Gewand, Jahrhunderte zum Anfassen, immer ehrlich und
                                                                                      Geflammten Kardinal:
nah am Leben. Ganz Oberschwaben in einem Dorf – lassen Sie sich berühren!             Obstsortenausstellung

                                                                                 HAUS UND HOF

                                                                                 16   Historische Brennerei:
                                                                                      Im Gespräch mit Franz Bohner
                                                                                 18   Historisches Handwerk:

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                                                                                      Im Gespräch mit Museumsbäcker

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                                                                                      Dietmar Neltner & Reiner Schowald

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                                                                                 20   Rezepte aus dem Backhäusle:

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                                                                                      Dennete & Holzofenbrot
                                                                                 23   Historisches Handwerk:
                                                                                      Im Gespräch mit Zimmerermeister
                                                                                      Alfred Leuthold

               La
                                                                                 26   Historisches Handwerk:
                                                                                      Im Gespräch mit Weberin
                                                                                      Hildegard Igel

                                                                                 MUSEUMSALLTAG

                                                                                 28   Im Gespräch mit Kräutergärtnerin
                                                                                      Regina Neumann
                                                                                 30   Leckeres aus der Museumsküche:
                                                                                      Krautkrapfen & Linsensalat
                                                                                 32   Ein Tag mit Robert Mayer und den
                                                                                      Museumstieren
                                                                                 34   Bauernhofpädagogik:
                                                                                      Zu Besuch bei Hahn, Schwein & Co.
                                                                                 36   Basteltipps:
                                                                                      Anziehpuppen & Tiermasken
                                                                                 39   Museumslädele: Bombole wie
                                                                                      früher bei Tante Emma

                                                                                 VERANSTALTUNGEN

                                                                                 42   Kürnbacher Dampffest
                                                                                 44   FamilienSonntag „Kartoffelernte“
                                                                                 46   FamilienSonntag
                                                                                      „Tiere auf dem Bauernhof“
                                                                                 48   Termine 2021

                                                                                 50   Impressum

                                                          5
Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
AUF TUCHFÜHLUNG
                                                          MIT BAUERNHOFTIEREN
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     nur bei staltungen
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                                                   P1

                                                        HISTORISCHES HANDWERK
                                                                      ERLEBEN

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Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
Auf
                    n t
                   E ourd e c k e r
                       T
ALTE GEMÜSESORTEN UND
   KRÄUTER ENTDECKEN

                        SPIELEN WIE UROPA FRÜHER
                   7
Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
D I E S E L RO S S & P F E R D E S TÄ R K E N

                        l e p p e r
              Der S
                   s
                    c h
                      c h  w a b i s c h e
 und d i e o b e r
      La   n d w  i r t s c h a f t
   Nichts hat die oberschwäbische Landwirtschaft im letzten Jahrtausend stärker beeinflusst als der Einsatz
von Motoren im 20. Jahrhundert. Vor allem Traktoren veränderten das Arbeiten auf dem Feld und das Leben im
 Dorf von Grund auf. Zwei Ausstellungen im Museumsdorf präsentieren nicht nur beeindruckende Maschinen,
          sondern zeigen auch die Folgen der Motorisierung für die Menschen in Oberschwaben auf.

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Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
D I E S E L RO S S & P F E R D E S TÄ R K E N : D I E M O T O R I S I E RU N G D E R O B E R S C H WÄ B I S C H E N L A N D W I R T S C H A F T

Kulturhistorisches Wissen und praktische Erfahrung flossen gleichermaßen in die Ausstellung ein: Franz Bohner (li.), Landwirtschaftsmeister und Leiter des Technik-
teams im Museum, und der Wissenschaftliche Mitarbeiter Torsten Albinus, Kurator der Ausstellung.

Entschlossen erklimmt Peter Münch, Techni-               Mähdrescher der 1970er-Jahre.                             1930er-Jahren kleine Stationärmotoren und
scher Mitarbeiter des Museumsdorfs, seine                „Klar, der Schlepper war die wichtigste Ent-              Einachsschlepper, die nicht nur beweglich wa-
Leiter und verändert auf drei Metern Höhe                wicklung. Ohne den wäre unsere Landwirt-                  ren, sondern dank einer Zapfwelle auch Ge-
die letzten Einstellungen der Audiostation               schaft niemals so effektiv geworden und                   räte antreiben konnten, etwa Fräsen.
der Ausstellung „Dieselross und Pferdestär-              ohne den würden hier im Herbst die Leute im
ken“. „So, jetzt müsste es klappen!“, ruft er            Dutzend noch die Kartoffeln von Hand klau-                Seinen Durchbruch erlebte der Schlepper
Torsten Albinus, dem Kurator der Ausstel-                ben“, betont Franz Bohner. „Aber die Verän-               aber erst mit dem Wirtschaftsaufschwung
lung, zu. Albinus drückt einen Knopf und                 derung hat früher angefangen, bei den ers-                nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Altkreis Bi-
lauscht. Das markante Geräusch eines star-               ten Mähern und stationären Motoren – und                  berach stieg zwischen dem Ende der 1940er-
tenden großvolumigen Dieselmotors er-                    ist über den Mähdrescher weitergegangen zu                Jahre und dem Beginn der 1960er die Zahl
tönt. Es wird immer lauter und gleichmäßi-               den riesigen Maschinen von heute!“                        der Betriebe mit einem Traktor von 5 auf 77
ger, bis der Traktor schließlich davonzufah-             Der Landwirtschaftsmeister ist Technischer                Prozent. „Gleichzeitig“, erklärt Franz Bohner,
ren scheint. „Passt! Ist laut genug.“ Torsten            Leiter im Museumsdorf und weiß, wovon er                  „haben technische Neuerungen die Schlep-
Albinus hebt den Daumen seinem Kollegen                  spricht: Er ist in Kürnbach in der Landwirt-              per immer effektiver gemacht und die Land-
entgegen und ist zufrieden – Klang und Laut-             schaft aufgewachsen, viele Entwicklungen                  maschinenindustrie hat immer ausgefeiltere
stärke der ersten Station stimmen und de-                hat er in der eigenen Familie und bei Nach-               Geräte angeboten.“ Egal, ob Kartoffeln, Heu
monstrieren fortan den Besucherinnen und                 barn erlebt. Außerdem arbeitet er seit über               oder Getreide: Die Ernte wurde komplett me-
Besuchern, wie sich ein startender Lanz-                 30 Jahren im Museumsdorf und kennt die                    chanisch und gipfelte in sogenannten Voll-
„Bulldog“ von 1940 anhört.                               Sammlung bestens. Der Ausstellung „Diesel-                erntern wie dem Mähdrescher.
Ob HeLa, Eicher oder Fendt: Traktoren gehö-              ross und Pferdestärken“ merkt man an, dass
ren heute zum ländlichen Oberschwaben wie                sie beide Perspektiven vereint: Zum einen                 Arbeitslosigkeit und Höfesterben
der Käsʼ auf die Spätzle.                                die praktische Kenntnis des Landwirtschafts-              Zahlen zeigen, wie stark solche Vollernter
                                                         meisters und Zeitzeugen, wie die Arbeit mit               die Arbeit auf dem Land veränderten: Um ein
Traktoren und vieles mehr                                und auf Maschinen funktioniert – und zum                  Hektar Getreide zu ernten, zu transportie-
Und ohne die massenhafte Verbreitung des                 anderen das breite Wissen des Kurators, der               ren, auszudreschen und einzulagern waren
Traktors wäre der Alltag heute ein ganz an-              die Aussagen in einen größeren Kontext stellt.            im Jahr 1900 140 Mannstunden nötig. Schon
derer. Grund genug für das Team des Mu-                                                                            die frühen selbstfahrenden Mähdrescher An-
seumsdorfs, der Motorisierung der ober-                  Vom Elektromotor zum Mähdrescher                          fang der 1960er-Jahre leisteten die gleiche
schwäbischen Landwirtschaft rund 300                     Am Anfang der Erfolgsgeschichte standen                   Arbeit in gerade einmal drei Stunden.
Quadratmeter Ausstellung zu widmen. Eine                 kleine Elektromotoren, die ab 1910 auf im-
reine Traktorenschau ist die Präsentation                mer mehr oberschwäbischen Höfen fest in-                  Das war zwar wirtschaftlich, für die Arbeit
aber nicht: Sie schlägt vielmehr den weiten              stalliert waren und Maschinen wie Stroh-                  auf dem Feld und dem Hof wurde zugleich je-
Bogen von den ersten Motoren in den ober-                schneider und Melkmaschine antrieben. Der                 doch auch immer weniger Personal nötig.
schwäbischen Dörfern um 1900 bis zum                     nächste Entwicklungsschritt waren in den                  Abertausende Landarbeiter und Erntehelfer
                                                                                                                                                       Weiter auf Seite 11

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Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
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                                                                                                                                      aufauch
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                                            Raiffeisenbank                                geschäft mit gläserner Produktion in Andelfingen besuchen.
                                                                                                              Wirwww.schauts.de
                                                                                                                  freuen uns auf Sie.
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D I E S E L RO S S & P F E R D E S TÄ R K E N

wurden überflüssig und mussten sich neue Arbeit suchen. Auch viele
Hofbesitzer standen unter Druck: nur wer in teure, motorgetriebene
Geräte investierte, überlebte. In der Folge verschwanden viele kleine
Güter – das Höfesterben griff um sich.
Die Ausstellung „Dieselross und Pferdestärken“ erzählt mithin, wie
Motoren Einzug in Oberschwaben hielten und das Leben der Men-
schen für immer veränderten. Die zweite Ausstellung in der Feld-
scheuer widmet sich dem Thema mit einem anderen Fokus: Ein er-
folgreiches Unternehmen der Zeit war die Firma Hermann Lanz aus
Aulendorf. Um nicht mit der Firma Lanz aus Mannheim verwechselt
zu werden, bildete Hermann Lanz aus den ersten Buchstaben seines
Vor- und Nachnamens die Marke „HeLa“. Die Aulendorfer Schlepper
haben bis heute in Oberschwaben Kultstatus. Die zweite Ausstellung
präsentiert Geschichte und Produkte der legendären Marke, die bei-
spielhaft für Licht und Schatten im deutschen Traktorenbau stehen –
vom Innovationsgeist der frühen Jahre bis zum späteren Niedergang,
als sich der Markt weiter veränderte.
Das Thema Mähdrescher und Arbeitskraftersparnis ist übrigens so in-
teressant, da sind sich Torsten Albinus und Franz Bohner einig, dass
es auch Kindern vermittelt werden soll. Und so planen sie für nächstes        Zu sehen sind seltene historische Filmaufnahmen mit Traktoren,
Jahr einen begehbaren Mähdrescher als neue Station des Kinder-Ent-            unter anderem aus Häusern bei Ummendorf von 1948.
deckerpfads. „Bald können die Kleinen nicht nur ein Kuhmodell mel-
ken oder den Lanz zum Brüllen bringen, sondern auch oben auf einem
echten Mähdrescher sitzen!“, freut sich Franz Bohner. Historisches
Landleben zum Anfassen – typisch Kürnbach eben.

                                                                              Die Ausstellung zeigt einen Mähdrescher von der Firma Bautz aus Bad Saulgau.

Per Knopfdruck können
Besucherinnen und
Besucher hören, wie der
Lanz-„Bulldog“ von 1940
klingt, wenn er startet –
ein beeindruckendes
Erlebnis.

                                                                         11
O B E R S C H WÄ B I S C H E T R AC H T E N

                     t e c k t e r S c h a t z
                Vers            im Tan     z  h a u s
        Im Erdgeschoss des Kürnbacher Tanzhauses findet sich in einem klimatisierten und abgedunkelten Raum ein
        wahrer Schatz: Festtagstrachten aus dem Oberschwaben vergangener Zeiten. Ob Mieder oder Herrenweste,
          Dreispitz oder Radhaube: Hier ist zu entdecken, was die Menschen früher zu festlichen Anlässen aus den
                                             Kleidertruhen hervorgeholt haben.

Was ist eigentlich „Tracht“? Heutzutage ist     „konnte“ – auch heute fällt uns ja auf, wenn          Händler in die oberschwäbischen Dörfer
damit vielfach das Dirndl und die Lederhose     sich beispielsweise alte Männer „zu jung“ an-         brachten – und was dann eben so gut gefiel,
gemeint, die vornehmlich junge Menschen         ziehen oder eine Teenagerin „wie eine alte            dass es auch gekauft wurde.
auf dem Weg ins Bierzelt anlegen – also ein     Frau“ daherkommt.                                     Diese große Vielfalt historischer Festtags-
Partygewand. Bei historischen Volkstrach-       Was tatsächlich getragen wurde, war stark             trachten zeigt die Ausstellung im Kürnbacher
ten hingegen ist schon länger die Vorstellung   von Moden geprägt und hing ganz maßgeb-               Tanzhaus. Manches Stück wäre auch heute
verbreitet, dass die Tracht wie eine Art Uni-   lich auch davon ab, was im Handel erhältlich          noch kleidsam – und bei anderen Exponaten
form funktioniert habe: Mit Kleidungsstü-       war. Entscheidend war also, welche Stoff-             ist man dankbar, dass sich die Mode geändert
cken, die für jedes Dorf verschieden und für    arten, welche Farben und welche Accessoires           hat!
jede Region typisch gewesen seien – zudem
versehen mit einem „Dresscode“, an dem sich
Ehestand, Konfession und soziale Stellung
des Besitzers haben ablesen lassen.

Diese Vorstellungen von Tracht als Uniform
wurden um 1900 geprägt, haben aber mit der
historischen Realität in Oberschwaben wenig
gemein: Wenn man alte Inventarlisten genau
prüft und damit auch in oberschwäbische
Kleidertruhen schaut, findet sich stattdessen
eine große Vielfalt an verschiedenen Mate-
rialien, Schnitten und Farben. Natürlich hat-   Der Biberacher Maler Johann Baptist Pflug, der um 1815 diese Bilder mit „Landleuten aus Oberschwaben“
ten die Zeitgenossen aber klare Vorstellun-     und „Landleute vom Bussen“ schuf, prägte unsere heutige Vorstellung oberschwäbischer Trachten
gen davon, wer im Dorf was und wann tragen      (Vorlage: Museum Biberach).

                                                                       12
Textilrestauratorin Sandra Wache
      zeigt hier ein Hochzeitskleid aus der
      Kürnbacher Sammlung: In den
      1910er-Jahren wurde häufig noch
      in Schwarz geheiratet.

          i r m a c h e n    "
        W
       " nicht   s   n e u !
        Sandra Wache ist Textilrestauratorin. Sie betreut seit über 18 Jahren die Textilsammlung des Museumsdorfs,
                  von der Festtagstracht in der Ausstellung bis zu wertvollen Stücken aus dem Depot.
                              Wir haben mit ihr über die Kürnbacher Sammlung gesprochen.

Frau Wache, was genau ist die Aufgabe einer Restauratorin?
Die Faustregel für Restauratoren ist: Wir machen nichts neu, sondern
bewahren die historischen Textilien. Das bedeutet, wenn ein Klei-
dungsstück ein altes Mottenloch hat, flicke ich es nicht, wie es eine
Schneiderin machen würde, sondern hinterlege es mit einem ähnli-
chen Stoff, um das Loch zu stützen. Man soll die Geschichte der Stücke
nach der Restauration also noch sehen.

Was ist die größte Herausforderung bei der Restaurierung?
Es ist jedes Mal erneut eine Herausforderung, denn man weiß nie, wie
sich ein Stück entwickelt, wenn man es zum ersten Mal in die Hand
nimmt. Die Stücke haben immer ein Geheimnis: Sie wurden umge-                                                     Die Radhaube wurde früher
arbeitet, es wurde ein besonderer Stoff verwendet oder man entdeckt                                               zu festlichen Anlässen aus den
eine besondere Verarbeitung. Diese Geheimnisse und Geschichten,                                                   Kleidertruhen hervorgeholt.
die die Stoffe erzählen, sind auch das Spannende an meinem Beruf.
                                                                              Was ist Ihr Lieblingsstück in der Ausstellung?
Was ist das Besondere an der Kürnbacher Textilsammlung?                       Der Hochzeitslader. Das war mein erstes Stück, das ich in Kürnbach
Neben den Hauben ist vor allem die Vielseitigkeit außergewöhnlich:            restauriert habe. Die Tracht erinnert an den schönen Brauch, dass frü-
Die Ausstellung zeigt nicht nur ländliche, sondern auch städtische            her extra jemand bezahlt wurde, um herumzugehen und die Gäste zur
Trachten. Als die Trachtensammlung vor knapp 20 Jahren gekauft wur-           Hochzeit einzuladen – und überall einen Schnaps bekommen hat. Die-
de, war die Bedingung, dass eine Restauratorin die Stücke betreut –           ses Stück und alle anderen in der Ausstellung betreue und begleite ich
und so kam ich ins Museumsdorf. Damals war die Trachtenausstellung            jetzt seit fast zwei Jahrzehnten – und ich freue mich jedes Jahr wieder
auch die einzige in dieser Größe weit und breit.                              auf meine Arbeit im Museumsdorf.

                                                                         13
OBSTSORTENAUSSTELLUNG

  FamilienSonntag
   „Unsere Äpfel“
  17. Oktober

  e w u r z l u i k
G eflammten Kardinale t r i f f t
 G
Eine Ausstellung für alle Sinne: Schon am Eingang des Ziegelstadels leuchten den Besucherinnen und Besuchern die roten,
grünen und goldenen Äpfel entgegen, dazu begrüßt der süßliche Duft zahlloser Früchte. Klangvolle Namen finden sich auf
den vielen Schildern, von der Gewürzluike bis zum Geflammten Kardinal. Tausende Obstbegeisterte kommen jedes Jahr im
                   Oktober ins Museumsdorf, um rund 350 alte Apfel- und Birnensorten zu bestaunen.

Roter Ziegler, Aufhofer Klosterapfel, Schöner von Eichen, Waldseer                                        Oberschwaben als Teil ihrer Heimat ge-
Apfel: Viele der oberschwäbischen Lokalsorten in der Apfelausstel-                                         schätzt. Wenn dieser Trend anhält, ist
lung wurden im späten 19. Jahrhundert entdeckt oder gezüchtet.                                              der Kampf noch nicht verloren. Zum
Das ist kein Zufall: Damals begann die Blütezeit des Streuobstbaus in                                        Glück, denn die Streuobstwiesen
Oberschwaben.                                                                                                sind nicht nur als historische Kultur-
                                                                                                             landschaft wichtig – sondern auch
Der harte Kampf um die Streuobstwiesen                                                                      als artenreiches Ökosystem.
Die Obstsortenausstellung erzählt jedoch nicht nur vom Aufstieg,
sondern auch vom jähen Ende des Siegeszuges der Streuobstwiese:                                            Streuobstwiesenvielfalt mitten im
Verglichen mit dem modernen Plantagenanbau galt sie nach 1950 als                                      Museumsdorf
rückständig und unzählige Bäume fielen der Säge zum Opfer. Aktuell           Die Artenvielfalt springt schon beim Gang über die Streuobstflächen
macht auch der Klimawandel dem Biotop Streuobstwiese zu schaffen:            des Museumsdorfs ins Auge: Schmetterlinge, Bienen und Wespen
Trockenheit, steigende Schädlingspopulation und Unwetter schwä-              summen im Frühjahr zu den Blüten und saugen im Herbst am Fall-
chen die Bäume.                                                              obst. Amseln, Rotschwänze und Meisen sind in Wiese und Geäst auf
Ist die Streuobstwiese überhaupt zukunftsfähig? Auf jeden Fall! Das          Futterjagd und wer Geduld hat, kann Specht und Wendehals beob-
öffentliche und politische Interesse an regionalen und biologisch an-        achten. Und in Erde, Gras und Borke tummeln sich Ohrkneifer, Wür-
gebauten Lebensmitteln wächst – in den Läden findet man wieder               mer, Ameisen, Raupen und Käfer. Über 5.000 Tier- und Pflanzenarten
Saft aus lokalen Früchten, es gibt Prämien für die Nachpflanzung von         sind auf Streuobstwiesen zu finden, ein riesiger Schatz der Vielfalt.
Streuobstbäumen und Vereinigungen wie die Obst- und Gartenbau-               Die Obstsortenausstellung macht diese Fülle und Schönheit fassbar:
akademie Biberach vermitteln Wissen rund um den Streuobstanbau.              Tierpräparate ermöglichen eine genaue Betrachtung von Tieren, auf
Wer den Gesprächen in der gut besuchten Kürnbacher Apfelausstel-             die draußen oft nur ein kurzer Blick erhascht werden kann.
lung lauscht, merkt schnell: Die Streuobstwiesen werden von den

                                                                        14
STREUOBSTWIESEN-WISSEN
                                                                                      LEICHT GEMACHT – MIT DER OGAB

                                                                              Jeder kann beim Erhalt der Streuobstwiese helfen: Die Obst- und Gar-
                                                                              tenbauakademie Biberach (OGAB) bietet im Museumsdorf jährlich
                                                                              Kurse zum Obstbaumschnitt, der Veredelungspraxis und zum Wühl-
                                                                              mausschutz an, damit auch Laien sich fachkundig um ihre Bäume
                                                                              kümmern können. Sie berät zudem bei Neuanpflanzungen oder der
                                                                              Bestandspflege und bildet jedes Jahr zahlreiche Baumpfleger aus.
                                                                              Und auch wer keinen eigenen Garten besitzt, kann etwas beitragen:
                                                                              Viele Umweltverbände suchen ehrenamtliche Hilfe bei der Pflege
                                                                              von Streuobstwiesenbeständen. Weitere Infos zu den Kursen der
                                                                              OGAB im Museumsdorf: www.Museumsdorf-Kürnbach.de

Neu im Jahr 2021: Kürnbacher Streuobstleitern
Doch was ist in den Monaten ohne Obstsortenausstellung? Schon seit
einigen Jahren können die Besucherinnen und Besucher mit der Streu-
obst-App das ganze Jahr über auf Entdeckungstour über die Streuobst-
wiese gehen. Ab dem Frühjahr 2021 gibt es in Kürnbach nun einen wei-
teren ganzjährigen Streuobstgenuss: In sieben Stationen lenken soge-
nannte Streuobstleitern den Blick auf die Streuobstwiese des Museums-
dorfs. Aktivelemente laden die jungen Besucher zum Mitmachen ein
und lassen sie spielerisch die Wunder der Streuobstwiese entdecken.

Ein Thema für Groß und Klein
Wer denkt, dass die Streuobstwiese nur etwas für Erwachsene ist, liegt
übrigens weit daneben. Wie schnell sich Kinder für das Thema begeis-
tern können, weiß Volontärin Anna Pegios. Sie ist schon oft mit Kin-
dergruppen durch die Ausstellung und die Streuobstwiese gezogen:
„Im Museumsdorf zu entdecken, dass Apfel nicht gleich Apfel ist, son-
dern jeder anders aussieht und schmeckt, das beeindruckt schon die
Jüngsten. Und wenn dann noch jedes Kind seine Lieblingssorte und
sein Streuobstkrabbeltier sucht oder in unserem Mitmach-Apfelbüch-
lein eine eigene Apfelsorte erfindet – da ist einfach jeder mit Feuer-
eifer dabei!“
Auch abseits der Programme können Kinder aktiv in die Welt des Ap-
fels eintauchen, sei es im Kindereck der Apfelausstellung oder an den
Kürnbacher Apfelsonntagen mit vielen Mitmachangeboten und Vor-
führungen. So können im Museumsdorf Groß und Klein gemeinsam die
Streuobstwiese erkunden – der Apfel fällt hier nicht weit vom Stamm!

                                                                         15
IM GESPRÄCH MIT FRANZ BOHNER

               e n n e n w i e v o r
             Br ahren
               1 0 0  J
                 Info
             Schnaps vom
           Kürnbacher Obst
               gibt’s im
           Museumslädele

    Nur wenige Vorführungen im Oberschwäbischen Museumsdorf sprechen mehr Sinne an als das Schnapsbrennen:
Die Besucherinnen und Besucher kommen in einen kleinen, dämpfigen Raum, die Luft ist sehr heiß, es riecht intensiv nach
  Alkohol – und während das Hochprozentige aus dem Kühler läuft, können Zwetschge, Apfel und Birne sogar probiert
werden. Seit Jahren brennt Museumsverwalter Franz Bohner auf der historischen Anlage. Wir haben mit ihm gesprochen.

Franz, Du brennst seit über 20 Jahren auf der historischen Anla-             heute üblich, übereinander. Der größte Unterschied ist aber, dass un-
ge Schnaps. Welche Frage hörst Du von den Besucherinnen und                  sere Anlage die Maische noch durch direkten Dampfeinlass erhitzt,
Besuchern am häufigsten?                                                     das heißt: Der Dampf strömt direkt auf das vergorene Obst und bringt
Ganz ehrlich? (lacht) Ob ich nach Stunden in diesem Alkoholdampf             es so zum Kochen.
noch nüchtern bin! Aber im Ernst: Das Interesse der Besucherinnen
und Besucher ist breit, das geht vom Obst als Rohstoff über techni-          Was heißt das für das Brennen?
sche Fragen bis hin zum Geschmack. Mich freut es auf jeden Fall sehr,        Der ganze Brennvorgang muss von Hand gesteuert werden – es gibt
dass sich die Besucher so für die Brennvorführungen begeistern.              kein Überdruckventil oder einen automatischen Schieber. Und wie
                                                                             schnell das eigentliche Destillieren vor sich geht, bestimme ich über
Was unterscheidet die Arbeit mit der historischen Anlage denn                die Größe des Feuers. Dafür braucht man viel Erfahrung. Aber das
vom heutigen Brennen?                                                        führt auch dazu, dass wir langsamer brennen und so mit dem Alkohol
Wir feuern mit Holz, außerdem stehen in unserer Brennerei der Kes-           möglichst viel Aroma aus der Maische holen können.
sel, der Maischebehälter und der Kühler nebeneinander, nicht, wie

                                                                        16
GETREIDE, KARTOFFELN,
                                                                                                           OBST – HAUPTSACHE:
                                                                                                             HOCHPROZENTIG

                                                                                                     Hochprozentiges gehörte früher dazu: Auf vie-
                                                                                                     len oberschwäbischen Höfen zählte ein „Budelle“
                                                                                                     Branntwein am Morgen oder am Abend zur nor-
                                                                                                     malen Ration von Bauer und Knecht.
                                                                                                     Jahrhundertelang wurde „Brennts“ oder „Brenn-
                                                                                                     tewei“ nur aus Getreide destilliert. Als „Schnaps“
                                                                                                     wurde dann der Kartoffelbrand bezeichnet, der in
                                                                                                     Oberschwaben ab etwa 1820 populär wurde –
                                                                                                     allerdings nicht wegen seines Geschmacks, son-
                                                                                                     dern weil das viel billiger war.
                                                                                                     Nicht nur das Trinken, auch das Brennen war
                                                                                                     weit verbreitet: Im Oberamt Waldsee, zu dem da-
                                                                                                     mals auch Schussenried gehörte, wurde in 176
                                                                                                     Brennereien Hochprozentiges hergestellt – da-
                                                                                                     mit kam etwa auf 100 Einwohner eine Brennerei.
                                                                                                     Obst wurde damals kaum gebrannt, denn Obst-
                                                                                                     bäume wurden in Oberschwaben erst ab der Mit-
                                                                                                     te des 19. Jahrhunderts im großen Stil gepflanzt.
                                                                                                     Seither werden auch Apfel, Birne und Zwetschge
                                                                                                     eingemaischt und anschließend gebrannt.

                                                                            Du warst auch schon dabei, als das Brennhäusle ins Museum kam.
                                                                            War eine alte Brennerei einfach zu finden?
                          Der Museumsladen verkauft die hoch-               Wir haben länger nach einem passenden Gebäude mit alter Technik
                          prozentigen Schätze aus der Brennerei:            gesucht und schließlich auf dem Hof Hagmann in Dürmentingen ge-
                          Zwetschge, Birne und Apfelbrand –                 funden: Ein altes Back- und Waschhaus, in das später eine landwirt-
                          ein gutes Stück Heimat in der Flasche.            schaftliche Brennerei eingebaut worden ist. Es war alles noch so beiei-
                          Neu im Lädele gibt es den Renekloden-             nander, wie wir das den Besuchern im Museum zeigen wollten. Bis wir
                          schnaps von 2019.                                 wirklich brennen durften, war es aber noch ein langer Weg … (lacht).

Welches Obst brennst Du denn?                                               Was war daran so schwierig?
Naja, wir haben hier im Museum nicht umsonst eine der sortenreichs-         Die historische Technik hat nicht mehr geltenden Vorschriften ent-
ten Streuobstwiesen des Landes: Das macht uns nicht nur viel Arbeit,        sprochen, vor allem aber war die Brennblase eigentlich zu groß, als
sondern liefert auch jede Menge Obst. Da hätten wir Apfel, Birne,           dass wir sie in Betrieb hätten nehmen dürfen. Die Steuerverwaltung
Zwetschge. 2018 haben wir zum ersten Mal auch Renekloden einge-             hat sich deshalb quer gestellt, und der damalige Landrat Peter Schnei-
maischt. Bei den Äpfeln brennen wir übrigens manches sortenrein,            der musste Himmel und Hölle in Bewegung setzen. 1999 waren wir
wie den Jakob Fischer. Oft maischen wir aber ganz bewusst verschie-         dann endlich am Ziel, als wir eine Sondergenehmigung von Bundes-
dene Sorten ein, da bestimmt die richtige Mischung das Aroma. Wir           finanzminister Hans Eichel für den Betrieb der Brennerei erhalten ha-
machen das alles selbst – der Schnaps kann bekanntlich nicht besser         ben. Diesen Brief haben wir stolz an die Wand der Brennerei gehängt,
sein als die Maische, da kommt es auf den Rohstoff an.                      und da hängt er noch heute!

                                                                       17
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     Museumsbäcker
     Dietmar Neltner:
      „Auch nach neun Jahren
     im Museumsdorf lerne
     ich immer noch jedes

                                         !
     Mal etwas Neues im

                                     l a
     Backhäusle.“

                       N o i t h u d
Das Backhaus im Oberschwäbischen Museumsdorf Kürnbach aus dem Jahr 1886 stammt vom Hof Zell in Mittelbiberach.
    Anders als viele andere Backhäuser ist es nicht nur erhalten geblieben, sondern auch noch regelmäßig in Betrieb:
    Jeden Sonntag stehen hier abwechselnd die Museumsbäcker Dietmar Neltner und Reiner Schowald und holen für
                   die Besucherinnen und Besucher köstliche Dennete, Brote und Seelen aus dem Ofen.
       Wir haben mit den beiden über ihr Handwerk gesprochen – und wie es ist, wie vor 150 Jahren zu arbeiten.

Dietmar, Reiner, seit wann seid Ihr beiden       das nichts aus. Aber ich muss ehrlich zuge-     man es in den Ofen und lässt es durch die
denn schon im Bäckerhandwerk?                    ben, langsam merke ich es. Aber Bäcker ist      Restwärme vom vorigen Backtag trocknen.
Reiner: Hmm, da muss ich überlegen … ich         so ein toller Beruf! Sonst hätte ich das auch   Und die Teige müssen wir auch vorbereiten.
habe meine Ausbildung 1986 in Aulendorf          nicht so lange gemacht.                         Reiner: Oh ja. Wenn man am Sonntag backen
begonnen und hatte das Glück, dass ich bei       Reiner: Stimmt! Und früh aufstehen gehört       will, geht es eigentlich schon Anfang der Wo-
einem alten Meister in die Lehre ging. Viele     halt dazu, auch in Kürnbach: Der Ofen muss      che los. Am Sonntag muss man dann gleich
von seinen Rezepten backe ich seit 15 Jahren     angeheizt und der Teig vorbereitet werden.      morgens den Ofen anheizen, gegen sechs Uhr.
im Museumsdorf.                                  Wenn die Besucher um halb elf ins Museums-      Dietmar: … bis der auf die Temperaturen von
Dietmar: Bei mir ist es auch ungefähr so lange   dorf kommen und Hunger haben, kann ich ja       um die 500 Grad kommt, die wir brauchen.
her – ich bin seit über 35 Jahren Bäcker. Ge-    schlecht sagen ‚Entschuldigen Sie, ich habe     Nach ungefähr vier Stunden räumen wir den
lernt habe ich in Mengen, im Kreis Sigmarin-     mal ausschlafen wollen. Kommen Sie in drei      Ofen aus und fangen mit dem Backen an. Als
gen, mittlerweile arbeite ich jedoch in einer    Stunden wieder.‘                                erstes kommen die Dennete in den Ofen.
Bäckerei in Ochsenhausen. Und am Wochen-                                                         Reiner: Wenn die Temperatur etwas abfällt,
ende bin ich natürlich in Kürnbach.              Was unterscheidet denn das Backen im his-       schießen wir das Brot ein und auch Seelen
                                                 torischen Kürnbacher Backhaus von einem         und Knauzen. Schließlich kommen dann zum
Bäcker müssen bekanntermaßen früh auf-           normalen Ofen?                                  Beispiel noch Zöpfe in den Ofen.
stehen – fällt Euch das schwer?                  Dietmar: Man muss das Holz, das man zum
Dietmar: In den Anfangsjahren macht einem        Anheizen braucht, erst trocknen. Dazu legt

                                                                      18
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Was ist im Museumsbackhaus die größte             ne Familie würde das nicht funktionieren,       Reiner: So ist es: Wir Museumsbäcker zeigen
Herausforderung?                                  die stehen da voll hinter mir. Meine Frau und   ehrliches, altes Handwerk, traditionelle Re-
Reiner: Jeder Backtag ist anders – wir müssen     mein Sohn helfen beide mit und der Sohne-       zepte und Zutaten von hier – und das kommt
auf die Jahreszeit schauen, das Wetter, die       mann ist ja quasi im Museumsdorf aufge-         bei den Besuchern einfach gut an!
Temperatur …                                      wachsen. Der war schon als kleiner Junge im
Dietmar: … wie der Teig heute ist und auch        Kinderwagen mit in Kürnbach dabei.
das Holz …
Reiner: … und wie früher haben wir in Kürn-       Und was kommt bei den Besucherinnen                           NO IT HUDLA!
bach keine Kühlung für den Teig – der ar-         und Besuchern am besten an?
beitet immer weiter. Ich arbeite auch mit         Dietmar: Eindeutig: Dennete!
dem Prinzip des altdeutschen Backofens.           Reiner: Bei mir ist es das Holzofenbrot. Vie-      Die Redewendung „No it hudla“ ken-
Das sind viele verschiedene Faktoren – erst,      le Stammkunden verbringen ihren Sonntag            nen viele – doch dass ihr Ursprung aus
wenn alles zusammenpasst, klappt das.             im Museumsdorf und holen dann noch ihre            dem Bäckerhandwerk stammt, das wissen
Natürlich hat der alte Ofen kein Thermo-          Brotbestellung bei mir ab. So hat jeder eben       nur wenige: Der Ofen wurde mit Holz be-
                                                                                                     feuert. Bevor der Bäcker das Brot
meter und keine Regler wie heute. Wenn es         seine Spezialität! (lacht)
                                                                                                     „einschießen“, also in den Ofen hineinschie-
zu warm ist, muss man die Tür eine Weile          Dietmar: Das macht ja auch den Reiz aus. Frü-
                                                                                                     ben konnte, musste er natürlich die Asche des
aufmachen.                                        her hat auch nicht jeder Bäcker das genau
                                                                                                     Brennholzes mit einem feuchten Lumpen,
Dietmar: Ich nenne unseren Backofen ger-          gleiche Sortiment gehabt! Außerdem pas-            auf Schwäbisch: dem „Hudel“, vom heißen
ne meinen Hightech-Ofen: Da ergeben sich          sen wir uns ja den Jahreszeiten und den Ver-       Stein entfernen. Und bei mehreren hundert
so viele Möglichkeiten zu backen, das über-       anstaltungen an: Im Herbst freuen sich die         Grad kam es bei diesem Hudeln vor allem
rascht mich immer wieder! Nach neun Jahren        Leute zum Beispiel, dass wir mit den Äpfeln        auf das Tempo an.
im Museumsdorf lerne ich immer noch jedes         arbeiten, die wir im Museumsdorf gesammelt
Mal etwas Neues. Das ist auch das Reizvol-        haben.
le daran – so einen Backofen zu beherrschen
und mit ihm umgehen zu können.
Reiner: Genau so ist es, der Ofen gibt den Takt
an und wir müssen uns darauf einstellen!
                                                                                                                                     Museumsbäcker
Ihr habt viel Kontakt mit den Besucherin-                                                                                       Reiner Schowald zeigt
nen und Besuchern – welche Reaktionen                                                                                       regelmäßig im Museums-
erlebt Ihr?                                                                                                                   dorf den Besucherinnen
Dietmar: Das ist das Tolle – wir bekommen                                                                                         und Besuchern sein
so viele positive Rückmeldungen von den Be-                                                                                               Handwerk.
sucherinnen und Besuchern! Nicht nur da-
rüber, dass wir backen, sondern auch über das
Museumsdorf und die verschiedenen Ange-
bote. Es kommen viele Familien mit Kindern,
und auch Großeltern mit ihren Enkelkindern
ins Museumsdorf. Und die kennen das ja noch
selbst. Da höre ich oft, wie der Opa zu sei-
nen Enkeln sagt: ‚Guck mal, so habe ich früher
auch gebacken!‘
Reiner: Viele Besucher sind auch erst mal
erstaunt, dass da überhaupt jemand in der
Backstube steht. Und freuen sich dann, das
Feuer zu sehen, die Hitze zu spüren – und
einfach zu erleben, wie in einem Backhäusle
vor 100, 150 Jahren gebacken wurde.

Für Euch beide ist das Backen im Muse-
umsdorf ja fast schon ein Familienbetrieb,
oder?
Reiner: Oh ja, Unterstützung braucht man auf
jeden Fall. Meine Frau hilft mir nicht nur beim
Verkaufen, sondern auch daheim beim Vor-
bereiten der Teige. Und meine beiden Töch-
ter sind eigentlich mit dem Backhäusle groß
geworden.
Dietmar: Bei mir ist es genauso – ohne mei-

                                                                       19
REZEPTE AUS DEM

                                                          Backhäusle
ZUTATEN

1 kg Weizenmehl - Type 550
600 g Wasser
50 g Margarine
20 g Salz
10 g Zucker
14 g Trockenhefe
Für den Belag:
                                            DIETMARS DENNETE
Schmand, Lauch, Käse,
                                                                                                                                      Guten
                                                                                                                                               t!
                                                                                                                                   Appeti
Speck, Tomaten                   Dennete waren früher ein schnelles Essen, das als erste Backware aus
                             dem Ofen geholt wurde. Der Ofen hat am Anfang um die 500 Grad und durch
                              die „schwäbischen Flammkuchen“ wird ihm ein Teil der Hitze entnommen.

Alle Zutaten werden zusammengemischt und gut ausgeknetet. Aber                Beim Belag können Sie kreativ werden und experimentieren. Auf die
Vorsicht, man sollte den Teig nicht überkneten. Je nach Festigkeit des        Schmandmasse kann Lauch, Käse, Speck, Tomaten und vieles anderes
Teiges muss man 100 g Wasser oder Mehl mehr verwenden – manches               mehr. „Da muss man sich auch mal was trauen! Es muss ja nicht immer
Mehl nimmt mehr Feuchtigkeit auf als andere. Der Teig sollte lieber           alles gleich schmecken. Und wenn es einem nicht schmeckt, probiert
etwas weicher als zu fest sein.                                               man beim nächsten Mal halt was anderes“, sagt Dietmar.
Dann lässt man den Teig über Nacht in einem verschließbaren Behäl-            Den Ofen gut vorheizen, Ober-/ Unterhitze, 200 bis 220 Grad.
ter ruhen. Er sollte in einem kühlen Raum stehen, allerdings nicht im         Die Dennete 12 bis 15 Minuten, je nach gewünschter Bräune, backen.
Kühlschrank.

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                                88427 Bad Schussenried
                                Bahnhofstraße 17+19                                            Biberacher Str. 2 | Bad Schussenried | 0 75 83 926 72 01
www.ofenbau-renz-gerner.de      Telefon 0 75 83 - 23 55                                          Mobil 0 1 76 61 38 70 69 | www.holzwerk-kaeppeler.de

                                                                         20
REZEPTE AUS DEM

                                                                 Backhäusle

                                                 ZUTATEN
                                                 Weizenvorteig

                                                 550 g Weizenmehl (Type 1050)
                                                 300 ml lauwarmes Wasser
                                                 2 g Frischhefe

                           ZUTATEN
                           Hauptteig
                                                                                                                                              Guten
                                                                                                                                                      t!
                                                                                                                                            Appeti
                           ca. 850 g Vorteig
                           1000 g Weizenmehl (Type 1050)
                           250 g Dinkelmehl (Type 630)
                           250 g Roggenmehl (Type 1150)
                           40 g Salz
                           25 g Frischhefe
                           Kümmel oder Brotgewürze
                                                                                     REINERS BAUERNBROT
                           nach Bedarf dazugeben
                           1100 ml Wasser
                                                                                     Rezept für 3 Laib Brot je 1150 Gramm Teiggewicht und einem
                                                                                     Vorteig.

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                                                                                     Raumtemperatur reifen lassen.
                                                                                     Den Vorteig und die Zutaten für den Hauptteig in die Teigknetma-
                                                                                     schine geben und 12-15 Minuten kneten. Beim Gebrauch eines Hand-
                                                                                     rührgerätes die Teigmenge anpassen. Danach den Teig ca. 1,5 Stunden
 IHR BACK & PARTYSERVICE

                                                         S.P.S.                      unter einem sauberen Handtuch ruhen lassen.
                                         Sie wünschen – wir backen!                  Im Anschluss den Teig in drei gleich schwere Stücke teilen, diese zu
                                                                                     einem Laib formen und mit dem Verschluss nach unten auf den Tisch
                                                                                     setzen.
                                              Reiner Schowald                        Nach einer weiteren Teigruhe von ca. 20 Minuten den Teig mit dem
                                              BACK & PARTYSERVICE                    Teigverschluss nach oben auf dem Brotschiesser legen, kräftig abmeh-
                                                                                     len und die Brotlaiber in den heißen Holzbackofen schieben.
                                              Müllergasse 9
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                                              schowalds@gmx.de
                                                                                     ten bis zur gewünschten Bräunung backen.

                                                                                21
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Alfred Leuthold ist 72 Jahre alt und dem Museumsdorf seit Jahrzehnten verbunden.
    Als Zimmerermeister hat er eine ganze Reihe der Häuser, die heute in Kürnbach stehen, von ihrem Originalstandort
     nach Kürnbach mit umgesetzt. Seit Jahren bietet er auch für Schulklassen das museumspädagogische Programm
         „Schaffe, schaffe, Häusle baue“ an und bringt den Kindern dabei das Handwerk des Zimmermanns näher.
                                              Wir haben mit ihm gesprochen.

Alfred, wie lange warst Du als Zimmermann tätig?                            Wie hat sich denn seit den 1960ern die Arbeit des Zimmermanns
Mein ganzes Leben lang. Ich habe mir schon als 14-Jähriger ein biss-        verändert?
chen Geld in einer Zimmerei dazuverdient. 1969 habe ich dann mit            Früher war das noch viel Handarbeit, heute ist alles volltechnisiert.
21 Jahren meine Ausbildung bei der Firma Hopp in Unteressendorf             Jetzt berechnet der Computer, wo gesägt werden soll. Damals muss-
begonnen und 1978 meinen Meister gemacht. Und bis zu meiner                 ten wir noch selbst Hand anlegen – da gab es keine Maschinen, die
Rente habe ich bei Walser Holzbau in Bad Schussenried gearbeitet.           aus einem runden Baumstamm einen Balken mit vier Kanten gemacht
                                                                            haben.

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IM GESPRÄCH MIT ZIMMERERMEISTER ALFRED LEUTHOLD

Wie wird denn aus einem runden Stamm ein eckiger Balken?
Ganz ehrlich: Das ist auch die Frage, die mir die Kinder bei dem Pro-
gramm „Schaffe, schaffe, Häusle baue“ am häufigsten stellen (lacht).
Grundsätzlich gilt: Zimmermannsarbeit ist Teamwork! Zwei Mann hal-
ten die sogenannte „Schlagschnur“ am jeweiligen Ende des Stammes,
sodass der Zimmerer in der Mitte eine gerade Linie hat und das Holz
mit seinem Breitbeil beschlagen kann. So bekommt man einen per-
fekten geraden Balken. Wir zeigen das auch bei Vorführungen im Mu-
seumsdorf, da sind viele Besucherinnen und Besucher sehr fasziniert,
wie akkurat das am Ende ist.

Was waren die wichtigsten Werkzeuge des Zimmerers?
Neben dem Breitbeil hat jeder Zimmermann eine Bundaxt gebraucht,
um die Kerben vorzubereiten. Für das Zusägen hatte er außerdem eine
Bundsäge – die sieht eigentlich aus wie eine Waldsäge und ist zum Be-
arbeiten von Rundhölzern. Ich bringe meine Bundsäge immer zu den                  Am Kürnbachhaus zeigt sich sogenanntes Schmuckfachwerk – auch früher wollten
museumspädagogischen Programmen mit und zeige sie den Kindern.                    Zimmermänner nicht nur funktional bauen, sondern auch ihr Können zeigen.
Die sind jedes Mal begeistert! Wenn wir kunstvolles Fachwerk, also
Schmuckfachwerk, machen wollten, haben wir wieder eine andere
Säge gebraucht, die Schweifsäge. Sie hat ein ganz schmales Blatt, um              Du hast als aktiver Zimmermann bei mehreren Gebäudeumsetzun-
die Kurven zu sägen. Am Kürnbachhaus kann man solche Flammenrie-                  gen, den sogenannten Translozierungen, mitgearbeitet. Welche
gel, oder Feuerlinien, wie der Fachbegriff lautet, gut sehen.                     Häuser hast Du auf ihrem Weg ins Museumsdorf begleitet?
                                                                                  Ich war beim Tanzhaus dabei, dem Haus Wolfer, dem ältesten Haus im
Wie wurde denn so ein Fachwerkhaus früher gebaut?                                 Museum, und dem Bendelshof. Außerdem habe ich noch bei den Res-
Das Haus haben wir auf einem Abbundplatz einmal zusammengesetzt,                  taurierungen am Haus Laternser und der Hueb mitgeholfen.
dann auseinandergenommen und vor Ort wieder aufgebaut. Damit
wir noch wussten, welcher Balken wohin gehört, haben wir das Holz                 Wie funktioniert so eine Translozierung überhaupt?
„scharf gezeichnet“, das heißt, mit besonderen Kerben markiert – ein-             Als erstes nimmt man die Biberschwanzziegel vom Dach, dann baut
fach nur Kreide oder Bleistift hätte da nicht gehalten, die Balken sind           man den Dachstuhl ab. Anschließend werden die Wände stabilisiert,
oft mehrere Monate, der Witterung ausgesetzt, gelegen. Die Längs-                 gesichert und einzeln verpackt. Damit sie nicht auseinanderfallen, ver-
hölzer haben wir mit Ruten und die Querhölzer mit Bundzeichen ver-                schraubt man sie mit Stahlträgern und Rundeisen. Die Wände kom-
sehen. Je nach Stockwerk haben die Balken auch noch Stockzeichen                  men dann als Ganzes auf einen Tieflader und werden an ihren neu-
bekommen: einen Ausstich für den ersten Stock, zwei für den zweiten               en Standort gebracht. Dort werden sie auf dem schon vorbereiteten
und so weiter. Dank dieser „Geheimsprache“ wusste jeder Zimmer-                   Fundament wieder zusammengebaut. Das klingt theoretisch einfach,
mann genau, wo welcher Balken hinkommt. Solche Abbundzeichen                      braucht aber viele Experten und Spezialisten, damit die Häuser sicher
kann man heute noch an den Häusern im Museumsdorf finden, beson-                  und denkmalschutzgerecht umgesetzt werden können.
ders gut sieht man sie am Voggenhaus.

                                                                                                                      SCHAFFE,
                                                                                                                 SCHAFFE, HÄUSLE BAUE

                                                                                                              Wer Alfred Leuthold in Aktion erleben
                                                                                                              möchte und zugleich Kindern Geschich-
                                                                                                              te lebendig vermitteln will, ist beim mu-
                                                                                                              seumspädagogischen Programm „Schaffe,
                                                                                                              schaffe, Häusle baue“ genau richtig: Hier
                                                                                                              können Gruppen mit Kindern zwischen
                                                                                                              9 und 14 Jahren bauen, hämmern, sägen –
                                                                                                              und staunen. Weitere Informationen zu
                                                                                                              diesem und den anderen museumspädago-
                                                                                                              gischen Angeboten finden Sie unter
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Zimmermänner zeigen im Museumsdorf, wie früher mithilfe einer „Schlagschnur“ aus einem runden Stamm ein eckiger Balken geschlagen wurde.

                                                                             24
IM GESPRÄCH MIT ZIMMERERMEISTER ALFRED LEUTHOLD

Du machst ja auch museumspädagogische Programme mit Kindern                  Gibt es denn ein Erlebnis mit einer Kindergruppe, das Dir beson-
und Jugendlichen. Was genau machst Du mit den Gruppen?                       ders in Erinnerung geblieben ist?
Zum einen erkläre ich den Kindern, wie so ein Fachwerkhaus gebaut            Ich hatte einmal einen Jungen in einer Gruppe von Viertklässlern.
wird. Die Kinder können dann mit unserem kleineren Holzmodell auch           Nachdem er seine Holzscheibe zusammen mit mir abgesägt hatte,
einmal selbst eine Fachwerkwand zusammensetzen. Durch Anfassen               kam er auf die Idee, einen Kreisel daraus zu basteln. Dazu hat er einen
und Selbermachen lernen die Kinder in dem Programm den Werkstoff             Nagel genau durch die Mitte geschlagen, sodass der auf der anderen
Holz kennen und bekommen viel einfacher einen Zugang zur Arbeit              Seite ein Stück rausgeschaut hat. Und die Scheibe hat auch richtig auf
der Zimmermänner.                                                            dem Tisch gekreiselt! Dass ein Viertklässler auf so eine Idee kommt,
Zum anderen habe ich immer mehrere Hämmer und Nägel dabei. Die               ohne dass man es ihm gezeigt hat, hat mich wirklich beeindruckt. Da
Kinder dürfen dann selbst ran und Nägel in einen Holzbalken rein-            sieht man sehr schön: In Kürnbach lernt man immer etwas Neues!
schlagen wie der Zimmermann früher. Außerdem dürfen die Kinder
an die Säge und gemeinsam mit mir von runden Stangen Scheiben
absägen.

Dürfen die Kinder auch an das beeindruckende Breitbeil?
Nein, natürlich nicht – das Beil ist sehr scharf, das wäre viel zu gefähr-
lich. Ich zeige es aber immer und erkläre die Arbeit, alleine das beein-
druckt Kinder sehr. Zum Schluss gibt es dann als kleines Erinnerungs-
stück einen Zimmermannsbleistift geschenkt. Der ist allerdings noch
stumpf – die Kinder dürfen ihn mit einem Schnitzmesser so lange an-
spitzen, bis sie damit schreiben können.

                                                                             1988 wurde der Bendelshof aus Aulendorf samt Remise nach Kürnbach umge-
                                                                             setzt – und dies in ganzen, mit Eisenstreben gesicherten Teilen, wie hier die östliche
                                                                             Giebelwand der Remise.

                                                                                                                                                         ANZEIGE

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              ist ein spannendes Ausfllugsziel für Kinder. Ob Vögel beobach-           oberschwäbische Region geradezu geeignet für gemütliche
              ten, Einbaum fahren, Forschen am Elebnisteich oder im                    Wanderungen oder Radtouren, auf der kulturelle und baro-
              Wackelwald hüpfen: Spaß garantiert!                                      cke Sehenswürdigkeiten erkundet werden können.

              Tourist-Information               Tourist-Information
              Bad Buchau                        Bad Schussenried
              Marktplatz 6                      Wilhelm-Schussen-Straße 36
              88422 Bad Buchau                  88427 Bad Schussenried
              Telefon 0 75 82 / 93 36 - 0       Telefon 0 75 83 / 94 01-171
              info@bad-buchau.de                info@touristinfo-bs.de
              www.bad-buchau.de                 www.bad-schussenried.de                                                 www.federsee-schussen.de
                                                                          25
IM GESPRÄCH MIT WEBERIN HILDEGARD IGEL

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      jeder Schuss
     kann Sie                                 Hildegard Igel, 78 Jahre, webt seit ihrer Jugend. Sie ist immer

     sehen!
                                              wieder im Museumsdorf aktiv und zeigt den Besucherinnen
                                              und Besuchern am historischen Webstuhl im Kürnbachhaus
                                                   ihr Handwerk: freundlich und fachkundig, aber mit
                                               einem lauten „Rums“, wenn sie den Schussfaden anschlägt.

    …und da ist Ihnen
    egal, wie Ihre
    Webseite aussieht?

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                                                              sie lange Zeit in der Weberei. Aus einem
                                                              Inventar von 1832 wissen wir, dass im
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                                                              ler Zugehör“ vorhanden waren, ebenso
                                                              mehrere Ballen Tuch – darunter 6 Meter
                                                              „Reistetuch“ (Stoff aus gehecheltem, also
                                                              sauber gekämmtem Flachs) und 18 Me-
                                                              ter „Abwerktuch“ (Stoff aus ungehechel-
                                                              tem Flachs).

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Frau Igel, Sie führen seit Jahren im Kürnbachhaus das Weben vor.
Wo haben Sie dieses Handwerk denn gelernt?
Das Weben habe ich im Internat als Teil meiner Schulausbildung ge-
lernt. Meine Mutter meinte aber, ich solle mir lieber einen anderen
Beruf suchen, da man von der Weberei nicht leben könne. Erst nach
meiner Heirat und als ich schon Kinder hatte, habe ich wieder mit dem
Weben begonnen. Mittlerweile habe ich fünf verschiedene Webstühle
zu Hause: einen großen Webstuhl, ähnlich dem im Museumsdorf, und
spezielle Webstühle wie einen Bildwebstuhl, der aufrecht steht, sowie
einen Muster- und einen Bandwebstuhl.

Was ist die größte Herausforderung beim Weben?
Es durchzustehen! Die Vorarbeit nimmt sehr viel Zeit in Anspruch und
man ist gespannt, wie es wird. Aber erst wenn man einen halben Me-
ter gewebt habt, sieht man, wie es wirklich aussieht und ob es etwas
geworden ist – und dann muss man immer noch 30 Meter weben. Das
ist die größte Herausforderung: Die Lust nicht zu verlieren.

Der Kürnbacher Webstuhl ist ein etwa 200 Jahre altes Modell.
Webt es sich dort anders als auf einem neuen Webstuhl?
Eigentlich nicht, das Prinzip ist heute noch das gleiche wie früher:
Man hat Kettfäden, Schiffchen, Schuss und Anschlag. Allerdings ist der
Webstuhl im Kürnbachhaus für einen größeren Menschen gemacht –
früher war das Weben ja auch Arbeit der Männer. Ich bin zu klein, mei-
ne Beine sind etwas zu kurz (lacht). Dadurch ist es sehr anstrengend
für mich, an diesem Webstuhl zu weben. Diesbezüglich hat sich die
Technik schon verändert: an den heutigen Webstühlen kann man die
Bank verstellen.

Wir wissen, dass im Kürnbachhaus früher vor allem Leinen gewebt
wurden. Was sind dabei die Besonderheiten?
Die Fäden früher waren sehr dünn und nicht verzwirnt. Und Flachs,
also Lein, reißt sehr schnell, wenn es nicht feucht ist. Außerdem staubt
Flachs auch sehr, wenn er trocken ist. Ständig reißende Kettfäden be-
deuten echten Stress, man muss sie jedes Mal wieder neu verknoten –
und sieht das auch im Gewebe. Deshalb hat man den Raum, in dem
der Webstuhl stand, beim Weben immer kühl und feucht gehalten, was
natürlich für den Weber nicht sonderlich komfortabel war.

Auch wenn das Weben für Sie heute im Kürnbachhaus etwas be-
quemer ist als vor 200 Jahren: Es ist für Sie wirklich anstrengend.
Was motiviert Sie immer noch zu dieser Arbeit?
Das sind die Begegnungen mit den Besucherinnen und Besuchern.
Viele kommen zu mir ins Kürnbachhaus, oft bleiben die Kinder sogar
bei mir, schauen mir zu und werden später wieder von ihren Eltern ab-
geholt. Da kann ich viel Aufklärungsarbeit leisten: Ich möchte den Be-
suchern eine Vorstellung davon geben, wie viel Arbeit und Aufwand in
einem Stück Stoff steckt. Das wird heute meist überhaupt nicht mehr
wertgeschätzt, sondern man kauft sich für sehr wenig Geld seine Kla-
motten aus Billiglohnländern.

Gibt es ein Erlebnis mit einem Besucher oder einer Besucherin, das
Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ich hatte mal ein Kind mit Down-Syndrom, das mir beim Weben zu-
geschaut hat und so fasziniert war, dass es unbedingt bei mir bleiben
wollte, auch, als es die Eltern eigentlich weitergezogen haben. Das
Kind hat seinen Eltern schließlich erklärt, dass es bei mir weben ler-
nen will. Und so ist es eine Woche zu mir nach Hause gekommen und
hat die Grundtechniken des Webens bei mir gelernt. Für solche Erleb-
nisse sitze ich gerne im Museumsdorf auf der Bank meines Webstuhls.

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