OrgelMatinee um Zwölf 2023 - VOM 16. APRIL BIS 1. OKTOBER 2023 SONNTAGS UM ZWÖLF
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
OrgelMatinee um Zwölf 2023 Asamkirche Maria de Victoria VOM 16. APRIL BIS 1. OKTOBER 2023 SONNTAGS UM ZWÖLF Eine Reihe des Kulturamts Ingolstadt
Programmübersicht Sonntag, 16. April 2023, 12 Uhr ASAM-COLLEGIUM Nicole Ostmann, Violine und Leitung Sonntag, 23. April 2023, 12 Uhr ASAM-COLLEGIUM Jacobo Sabina, Laute Georg Staudacher, Orgel und Leitung Sonntag, 30. April 2023, 12 Uhr ENSEMBLE BAROCKIN‘ Kozue Sato, Flauto traverso Sonntag, 07. Mai 2023, 12 Uhr Johanna Kurz, Barockvioline Andrea Riemer, Barockvioloncello Martin Sokoll, Orgel Sonntag, 14. Mai 2023, 12 Uhr Christian Bacheley, Orgel (F) Sonntag, 21. Mai 2023, 12 Uhr Juan Paradell Solé, Orgel (E) Pfingstsonntag, 28. Mai 2023, 12 Uhr Mara Fanelli & Olimpio Medori, Orgel (I) Sonntag, 04. Juni 2023, 12 Uhr BACH-ZYKLUS I ASAM-COLLEGIUM Martin Sokoll & Franz Hauk, Cembalo Sonntag, 11. Juni 2023, 12 Uhr Christian-Markus Raiser, Orgel (Karlsruhe) Sonntag, 18. Juni 2023, 12 Uhr Münsterchor Christoph Hämmerl, Leitung Luise Künzl, Orgel Sonntag, 25. Juni 2023, 12 Uhr Giorgio Revelli, Orgel (I) Sonntag, 02. Juli 2023, 12 Uhr Roman Hauser, Orgel (A)
Sonntag, 09. Juli 2023, 12 Uhr BACH-ZYKLUS II CONCERTO DE BASSUS Evi Weichenrieder • Stefanie Geith Oliver Scheffels • Franz Hauk, Cembalo Sonntag16. Juli 2023, 12 Uhr Michael Dierks, Orgel (SE) Sonntag, 23. Juli 2023, 12 Uhr CONCERTO DE BASSUS Theona Gubba-Chkheidze, Violine und Leitung Sonntag, 30. Juli 2023, 12 Uhr Giampaolo di Rosa, Orgel (I) Sonntag, 06. August 2023, 12 Uhr Andrzej Chorosinski, Orgel (P) Sonntag, 13. August 2023, 12 Uhr Alessandra Montani, Barockvioloncello Fabio Ciofini, Orgel (I) Sonntag, 20. August 2023, 12 Uhr Hans-Jürgen Huber, Trompete Manfred Hößl, Orgel Sonntag, 27. August 2023, 12 Uhr Christian von Blohn, Orgel (Saarbrücken) Sonntag, 03. September 2023, 12 Uhr Christian Tarabbia, Orgel (I) Sonntag, 17. September 2023, 12 Uhr Konstantin Igl, Tenor Giovanni Michelini, Orgel (I/D) Sonntag, 24. September 2023, 12 Uhr Roberto Rigo, Tromba Stefania Mettadelli, Orgel (I) Sonntag, 01. Oktober 2023, 12 Uhr BACH-ZYKLUS III CONCERTO DE BASSUS Giovanni Michelini & Franz Hauk, Cembalo
Sonntag, 29. August 2004, 12.00 Uhr Liebe Musikfreunde, seit 1990 widmen wir diese sommerliche Konzertreihe der Königin der Instrumente. Die Orgelmatinee im wunderbaren Ambiente der Asamkirche Maria de Victoria hat sich rasch zu einem gerne besuchten Treffpunkt für Musikliebhaber aus Nah und Fern entwickelt. Kultur an historischer Stätte: im Geiste des weltumspannenden, universalen Anspruchs, der vom einzigartigen Deckengemälde des Cosmas Damian Asam ausgeht, bieten wir nicht nur den einhei- mischen Künstlern, sondern ebenfalls international renommierten Organisten ein Forum. Ganz herzlich danke ich Ihnen für den regen Besuch und für Ihre Spendenbereitschaft. Immerhin konnten in den zurück- liegenden Jahren mit Ihrer Unterstützung einige wertvolle Instrumente erworben werden. Ihnen, liebe Besucher, wünsche ich viel Freude beim Erleben eines Gesamtkunstwerkes. Gabriel Engert Kulturreferent 5
Sonntag, 29. August 2004, 12.00 Uhr Der Kirchenrektor „Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefallen Gott an uns hat nun ist groß Fried ohn Unterlaß all Fehd hat nun ein Ende.“ So lautet die erste Strophe des geistlichen Liedes von Nikolaus von Hof aus dem 16. Jahrhundert, das auch heute noch in aller Munde ist. „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ – „Soli Deo gloria“ – „einzig Gott zur Ehre“, diesem Motto S. D. G. befahlen große Komponisten wie Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel oder Joseph Haydn ihre Werke. Kirchenbauten wie Maria de Victoria erweisen Gott in ihrer Pracht alle Ehre. Als tönende Architektur, Harmonie ordnet die Musik den Men- schen. Das Bild von der Musica mundana – humana – instru- mentalis ist alt und hat doch nichts von seiner Bedeutung eingebüßt. Möge das Gotteslob für Augen und Ohren Sie berühren und Ihnen in den Konzerten der Orgelmatinee Freude schenken. Ihr Bernhard Oswald Münsterpfarrer, Kirchenrektor von Maria de Victoria 6
Sonntag, 29. August 2004, 12.00 Uhr Papst Benedikt XVI. über Kirchenmusik „Obwohl ich damals noch ein ziemlich einfältiger Bub war, habe ich begriffen, dass wir mehr als ein Konzert erlebt hatten, dass es gebetete Musik, dass es Gottesdienst war.“ Papst Benedikt XVI. am 15. Januar 2009 über ein Konzert, das er zusammen mit seinem Bruder Georg während der Salzburger Festspiele 1941 in der dortigen Stiftskirche besuchte. Auf dem Programm stand die unvollendete Missa c-Moll KV 427 von Wolfgang Amadeus Mozart. birds and flutes, Öl und Sprühlack auf Leinwand, je 100 x 100 cm, 2020 7
Sonntag, 16. April 2023, 12 Uhr Antonio Vivaldi 1678–1741 Le Quattro Stagioni – Die vier Jahreszeiten op. 8: Concerto I E-Dur RV 269 La Primavera – Der Frühling Allegro Largo e pianissimo sempre Danza pastorale. Allegro Antonio Vivaldi Concerto II g-Moll RV 315 L’Estate – Der Sommer Allegro Adagio Presto ASAM-COLLEGIUM Andreas Wittmann, Violine Valentina Toni, Violine Jiaying Wang, Viola Sara Roque Coroado, Violoncello Mariclara Ruiz Neudauer, Kontrabass Nao Nagayama, Cembalo Nicole Ostmann, Violine und Leitung 8
Die Vier Jahreszeiten sind Violinkonzerte der besonderen Art. Allen vieren sind Sonette vorangestellt, deren Stimmungsgehalt Vivaldi sinngetreu in Musik umsetzte. Als Programm-Musik stehen die Vier Jahreszeiten in Vivaldis Schaffen jedoch nicht einzeln da. Die Sammlung op. 8 enthält noch weitere Konzerte mit speziellen Titeln. Frühling Der Frühling ist gekommen und freudig / begrüßen ihn die Vögel mit heiterem Gesang. / Wenn die Zephyrwinde schmei- cheln, / murmeln süß die Quellen. / Wenn der Himmel sich in schwarz hüllt, / Blitz und Donner erschrecken, / verstummt der Vögel Gesang / und lebt im wiedergewonnen Licht erst auf / Und auf den lieblichen Blumenwiesen, / beim zarten Rau- schen von Blättern und Pflanzen, / schlummert der Hirte, den treuen Hund zur Seite. / Zu ländlichen Dudelsackweisen / tanzen Nymphen und Hirten / unter dem leuchtenden Früh- lingshimmel. Sommer Unter der lastenden Hitze der Sonne / dürsten Mensch und Herde und versengt die Pinie. / Erhebt der Kuckuck die Stim- me / und mit ihm singen Taube und Stieglitz. / Der Zephyr- wind weht süß, / aber auf einmal bläst ihm der Nord ins Ge- sicht. / Es klagt der Schäfer überrascht vom wilden Sturm und seinem Geschick. / Von den Gliedern flieht der Schlaf, / aus Furcht vor Blitz und Donner, / vor Fliegen und Brummern. / Ach seine Furcht ist nur allzu wahr. / Donner und Blitz und Hagelschauer vernichten Lavendel und Getreide. 9
Sonntag, 23. April 2023, 12 Uhr Johann Sebastian Bach 1685–1750 Praeludium e-Moll BWV 548/1 Johann Friedrich Fasch 1688–1758 Concerto d-Moll für Laute, Streicher und Basso continuo FaWV L:d1 (Ohne Bezeichnung) Andante Un poco Allegro Antonio Vivaldi 1678–1741 Concerto F-Dur für Violine, Cembalo, Streicher und Basso continuo RV 542 (Ohne Bezeichnung) (Ohne Bezeichnung) Allegro ASAM-COLLEGIUM Seika Koike, Barockvioline (auch Solo) Valentina Toni, Barockvioline Ulrike von Sybel-Erpf, Barockviola Anderson Fiorelli, Barockvioloncello Vanessa Lorenz, Violone Jacopo Sabina, Laute Solo / Theorbe continuo Georg Staudacher, Orgel, Cembalo und Leitung 10
Monumental erscheint BWV 548/1, was Umfang und komposi- torisches Gewicht betreffen. In der Leipziger Zeit entstanden ist eine Nähe zum Eingangschor der Matthäus-Passion spürbar. Formal ist der Satz geprägt vom Wechsel thematischer Absätze mit Ritornell-Episoden. Als Knabe war Fasch Sänger in Weißenfels und im Leipziger Thomas-Alumnat unter Thomaskantor Johann Kuhnau. Ab 1714 studierte er in Darmstadt, unter anderem bei Christoph Graupner. Nach Stationen in Gera, Greiz und Prag wurde er 1722 Hofka- pellmeister in Zerbst. Johann Friedrich Fasch schätzte vor allem die Kompositionen von Antonio Vivaldi und Georg Philipp Telemann. Dies geht aus dem höfischen Inventarverzeichnis der Concert-Stube (1743) hervor. Antonio Vivaldi, Il prete rosso, lehrte ab 1703 am Ospedale della Pietà, einem Konservatorium für Frauen. Für seine Schü- lerinnen schrieb Vivaldi Werke in unterschiedlichsten Besetzun- gen. Berühmt waren die öffentlichen Konzerte des Instituts, die ob ihrer herausragenden Qualität manchem Berufsmusiker der Lagunenstadt das Fürchten lehrten. o.T., Öl und Sprühlack auf Leinwand, 70 x 50 cm, 2020 11
Sonntag, 30. April 2023, 12 Uhr Johann Sebastian Bach 1685–1750 Christ, unser Herr, zum Jordan kam Choralbearbeitung BWV 684 Georg Philipp Telemann 1681–1767 Suite a-Moll für Flauto traverso, Streicher und Basso continuo TWV55:a2 Ouverture Les Plaisirs Air á l‘italien Menuet I +II Rejouissance Passepied I +II Polonaise ENSEMBLE BAROCKIN‘ Kozue Sato Stiller, Flauto Traverso Dimtry Lepekhov, Barockvioline Marina Momeny, Barockvioline Susanne Zippe, Barockviola Felix Stross, Barockvioloncello Michael Schönfelder, Violone Andreas Behrendt, Orgel und Cembalo 12
Im Pedal liegt der Choral, die linke Hand symbolisiert das unablässige Fließen des Wassers, in der Oberstimme werden Figuren in Kreuzesform aufgerichtet – so interpretiert Hermann Keller BWV 684: Christ unser Herr zum Jordan kam/ nach sei- nes Vater willen,/ Von S. Johans die Tauffe nam,/ Sein werck und ampt zurfüllen./ Da wolt er stifften uns ein Bad,/ Zu wa- schen uns von sünden,/ Erseuffen auch den bittern Tod/ Durch sein selbs Blut und Wunden,/ Es galt ein newes Leben. Georg Friedrich Telemann, zu Lebzeiten hochgeachtet und einer der ersten Komponisten in Europa, erlebt heute wieder eine Re- naissance: Weniger die erstaunliche Produktivität, die ihm häufig den Vorwurf eines Vielschreibers eintrug, als die musikalische Qualität vieler seiner Werke rücken wieder ins Bewusstsein und zeigen einen Meister, der sich, stärker als beispielsweise Johann Sebastian Bach, stilistisch den modernen Richtungen seiner Zeit aufgeschlossen hat. The garden grows beyond itself, Aquarell und Kreide auf Papier, 2023 13
Sonntag, 07. Mai 2023, 12 Uhr Bernardo Storace 1637–1707 Ballo della Battaglia Pietro Locatelli 1695–1764 Triosonate A-Dur für Violine, Violoncello und Basso continuo op. 8/10 Cantabile – Allegro – Vivace Antonio Veracini 1659–1733 Triosonate a-Moll für Violine, Violoncello und Basso continuo op. 3/4 Grave – Vivace – Largo –Vivace Giovanni Platti um 1700–1763 Triosonate c-Moll für Violine, Violoncello und Basso continuo Adagio – Allegro – (Mesto) – (Allegro) Johanna Kurz, Barockvioline Andrea Riemer, Barockvioloncello Martin Sokoll, Orgel und Cembalo 14
Sonntag, 29. August 2004, 12.00 Uhr Musikhistorische Kenntnisse über Bernardo Storace fußen auf ei- ner einzigen von ihm hinterlassene Sammlung, nämlich Selva di varie compositioni d’intavolatura per cimbalo ed organo, die im Jahr 1664 in Venedig erschienen ist. Im Vorwort bezeichnet er sich als Vizekapellmeister, der im Auftrag des Senats der Stadt Messina tätig ist. Über Locatellis Kindheit ist wenig bekannt. In seiner frühen Jugend war er dritter Violinist mit dem Titel virtuoso in der cap- pella musicale der Kirche Santa Maria Maggiore zu Bergamo. Ab dem Herbst 1711 studierte Locatelli in Rom, wahrscheinlich bei Giuseppe Valentini, vielleicht auch kurz bei Arcangelo Corelli. 1729 zog Locatelli nach Amsterdam, wo er sesshaft wurde und bis zu seinem Lebensende wirkte. Er komponierte wenig, gab Dilettanten Violinunterricht und edierte seine Opera 1 bis 9 und Werke anderer Musiker. Die groß besetzten Werke übergab er verschiedenen Verlagen, die kleiner besetzten edierte und vertrieb er selbst. Veracini war Sohn eines Apothekers und erlernte das Violin- spiel bei seinem Onkel Antonio. Der junge Giuseppe Tartini hörte 1712 Veracinis Spiel zum ersten Mal und war so sehr beeindruckt, dass er sich für eine gewisse Zeit aus dem aktiven Musikleben zurückzog, um sich der Verbesserung seines eigenen Geigenspiels, insbesondere der sauberen Bogenführung zu wid- men, bevor er wieder öffentlich auftrat. Nach Stationen in London, Düsseldorf, Dresden und Venedig kehre er schließlich zurück in seine Geburtsstadt Florenz, wo er sich vorwiegen der Kirchen- musik widmete. Platti stammt aus Padua. 1722 wurde er als Oboenvirtuose nach Würzburg in den Dienst der Fürstbischöfe von Bamberg und Würzburg geholt, Bis zu seinem Tod 1763 blieb Platti am Würzburger Hof tätig, ab 1729 auch als Sänger, Gesangslehrer und Violinist. 15
Sonntag, 14. Mai 2023, 12 Uhr Nicolaus Bruhns 1665–1697 Praeludium e-Moll Johann Sebastian Bach 1685–1750 Pièce d’orgue G-Dur BWV 572 Très vitement – Grave – Lentement Felix Mendelssohn-Bartholdy 1809–1847 Sonate c-Moll op.65/2 (1844/45) Grave – Adagio – Allegro maestoso e vivace – Fuga. Allegro moderato Christian Bacheley, Orgel 16
Bruhns’ Praeludium ist die wohl eindrucksvollste Ausprägung des norddeutschen Stylus phantasticus. In beispielloser Drama- turgie wechselt vierzehn Mal der Affekt, wobei lediglich die zwei fugierten Teile längere selbstständige Abschnitte bilden. Umrahmt werden die Fugen von drei freien Abschnitten, die in ihrer Fülle fesselnder Gesten und harmonischer Überraschungseffekte von großer rhetorischer Wirkung sind. „Piéce, pl. Piéces [gall.] wird hauptsächlich von Instrumental- Sachen gebraucht, deren etliche Theile ein gantzes Stück zusammen constituiren.“ (Johann Gottfried Walther, Musika- lisches Lexikon, 1732). In Bachs BWV 572 werden drei recht unterschiedliche Abschnitte attaca miteinander verbunden. Zunächst ausgehend vom englischen Voluntary übertrug Mendelssohn in op. 65 nicht etwa den klassisch-romantischen Sonaten-Typus auf die Orgel, er fügte bereits komponierte Einzelsätze suitenartig zueinander und nannte das Ergebnis schließlich Sonate. Open window, Aquarell und Kreide auf Papier, 2023 17
Sonntag, 21. Mai 2023, 12 Uhr Johann Sebastian Bach 1685–1750 Fantasia g-Moll BWV 542/1 Johann Sebastian Bach Wachet auf, ruft uns die Stimme Choralbearbeitung BWV 645 Johann Schneider 1702–1788 Praeludium und Fuga g-Moll Antonio Vivaldi 1678–1741 Largo e-Moll RV 443 (Orgelbearbeitung von Bengt Berg) Agostino Tinazzoli 1660–1723 Toccata Decima settima Pietro A. Yon 1886–1943 Humoresque “L’organo primitivo” (Toccatina for Flute) Paul Huber 1918–2001 Toccata über die Glocken des Domes zu St. Gallen Juan Paradell Solé, Orgel 18
Die Berühmtheit und Beliebtheit der Fantasie g-Moll BWV 542 gründet sich vor allem auf die harmonische Kühnheit des Werks. Die in die Zukunft weisende Chromatik und die Dissonanzen der Fantasie stellen in dieser Häufung auch im Bach’schen Schaffen eine Ausnahme dar und verleihen dem durch zwei abgestufte Fugato-Teile gegliederten Stück einen ungeheuren Ausdruck. Das Thema der Fuge bildete Bach aus einem niederländischen Volks- lied. Bach spielte diese Fuge 1720 bei seiner Bewerbung um die Organistenstelle an St. Jacobi in Hamburg. Anwesend war dabei auch Jan Adam Reinken, der aus den Niederlanden stammte. Bach selbst bearbeitete einen Satz aus seiner Kantate BWV 140 zum populären Orgelwerk: Zion hört die Wächter singen,/ das Herz tut ihr vor Freude springen,/ sie wachet und steht eilend auf./ Ihr Freund kommt vom Himmel prächtig,/ von Gnaden stark, von Wahrheit mächtig; / ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf./ „Nun komm, du werte Kron,/ Herr Jesu, Gottes Sohn./ Hosianna./ Wir folgen all zum Freudensaal / und halten mit das Abend- mahl.“ Viel ist über Agostino Tinazzoli nicht bekannt: Er wurde in Bologna geboren und starb in Pesaro. Yon wurde 1905 Organist am Petersdom in Rom. 1907 wander- te er in die USA aus und gründete eine Musikschule in New York. Seine Humoresque mag an die primitive im Sinne von ursprüngliche altitalienische Orgel erinnern. 1951 bis 1983 wirkte Huber, der unter anderem in Paris bei Nadia Boulanger studiert hatte, als Dozent für Gesang und Klavier an der Kantonsschule in St. Gallen. Stilistisch bewegte sich Huber in einer Tradition der Anton-Bruckner-Nachfolge. 19
Pfingstsonntag, 28. Mai 2023, 12 Uhr Wolfgang Amadeus Mozart 1756–1791 La Clemenza di Tito (1791): Sinfonia Wolfgang Amadeus Mozart Die Zauberflöte (1791): Der, welcher wandert diese Strasse Vincenzo Bellini 1801–1835 Norma (1831): Ouverture Giuseppe Verdi 1813–1901 Rigoletto (1851): Bella Figlia dell’Amore Gioachino Rossini 1792–1868 Otello (1816): Assisa a’ pié d’un salice Gioachino Rossini Il barbiere di Siviglia (1816): Largo al factotum Mara Fanelli & Olimpio Medori, Orgel zu vier Händen 20
Italien – nicht nur im 19. Jahrhundert das Land der Oper: Auch in der Kirche zur Messfeier fanden die flotten Melodien eines Rossini oder Verdi begeisterten Eingang, der Organist präludier- te sie als Einlagen zum Gloria, Graduale, Offertorium, Wandlung, Kommunion und zum Auszug, wenn möglich sogar vierhändig. Open up! Aquarell und Kreide auf Papier, 2023 21
Sonntag, 04. Juni 2023, 12 Uhr BACH-ZYKLUS I Johann Sebastian Bach 1685–1750 Concerto c-Moll für zwei Cembali, Streicher und Basso continuo BWV 1060 Allegro Adagio Allegro Concerto C-Dur für zwei Cembali, Streicher und Basso continuo BWV 1061 (Ohne Bezeichnung) Adagio ovvero Largo Fuga Martin Sokoll, Cembalo Franz Hauk, Cembalo ASAM-COLLEGIUM (auf authentischen Instrumenten) Charlotte Sophie Kohl, Violine Kazue Hamada, Violine Christine Sontheim, Viola Julian Weiß, Violoncello Florian Schormair, Violone 22
Die Tonumfänge und die unterschiedliche Behandlung der beiden Instrumente lassen vermuten, dass bei BWV 1060 ein Konzert für Violine und Oboe zugrunde liegt. Die cembalistische Schreibweise und die geringe Rolle des Orches- ters, das nur vorhandene Linien verdoppelt und im Mittelsatz ganz schweigt, legen nahe, dass BWV 1061 ursprünglich für zwei Cembali alleine konzipiert war. Dieser Ansicht war jedenfalls schon Forkel, der in seiner Bach-Biographie von 1802 schreibt: Es kann ganz ohne Begleitung der Bogeninstrumente beste- hen, und nimmt sich sodann ganz vortrefflich aus. Das letzte Allegro ist eine streng und prachtvoll gearbeitete Fuge. Das Auf- führungsmaterial ist in der Zeit von 1732 bis 1735 entstanden. Deep Cuts, Aquarell und Kreide auf Papier, 2023 23
Sonntag, 11. Juni 2023, 12 Uhr Carl Philipp Emanuel Bach 1714–1788 Sonate VI g-Moll Wq 70,6 Allegro moderato Adagio Allegro Johann Christian Heinrich Rinck 1770–1846 Flöten-Concert F-Dur op. 55 (um 1820) Maestoso Jean-Philippe Rameau 1683–1764 Les Indes Galantes (1735): Chaconne Johann Sebastian Bach 1685–1750 Pièce d’orgue – Fantasie G-Dur BWV 572 Vitement – Gravement – Lentment Christian-Markus Raiser, Orgel 24
Bei den Wiener Klassikern stand Carl Philipp in hohem Ansehen. „Wer mich gründlich kennt, der muss finden, dass ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke, dass ich ihn verstanden und fleißig studiert habe.“ (Joseph Haydn). „Er (Emanuel Bach) ist der Vater; wir sind die Bubn. Wer von uns was Rechts kann, hats von ihm gelernt.“ (Wolfgang Amadeus Mozart). Johann Christian Heinrich Rinck wurde von Johann Christian Kittel unterrichtet, der selbst Schüler von Johann Sebastian Bach gewesen war. 1805 übersiedelte Rinck nach Darmstadt; dort war er tätig als Kantor und Organist der Stadtkirche, später Hofor- ganist und Kammermusiker von Großherzog Ludwig I. Zudem wirkte Rinck als Musiklehrer am Paedagogium, dem späteren Ludwig-Georgs-Gymnasium, und als einflussreicher Musikkritiker. Bekannt wurde er als Organist, Lehrer und Komponist, der Elemente der barocken Polyphonie, der Klassik und der Früh- romantik in seinem Personalstil vereinte. Seine erste musikalische Ausbildung erhielt Jean-Philippe durch seinen Vater. Er besuchte eine Jesuitenschule, musste sie jedoch we- gen mangelnder Leistungen verlassen. Ungefähr mit achtzehn Jahren unternahm er eine Italienreise, die ihn aber nicht weiter als bis nach Mailand führte. Er wirkte in verschiedenen Städten, als Orchestergeiger und Organist in Marseille, Avignon, Albi, Montpellier, Nîmes und Lyon. Ab 1722 ließ er sich in Paris nieder. Eine ganze Reihe seiner Cembalostücke verwendete Rameau später in orchestrierter Fassung als Balletteinlagen zu seinen Bühnenwerken. „Piéce, pl. Piéces [gall.] wird hauptsächlich von Instrumental- Sachen gebraucht, deren etliche Theile ein gantzes Stück zu- sammen constituiren.“ (Johann Gottfried Walther, Musikali- sches Lexikon, 1732). In Bachs BWV 572 werden drei recht unterschiedliche Abschnitte attaca miteinander verbunden. Das Stück ist dreiteilig gebaut und enthält französische Bezeichnungen, wie sie sonst in Bachs Orgelwerken nicht vorkommen. Improvi- satorisch anmutenden Manualpassagen folgt ein fünfstimmiger hymnischer Mittelsatz. Der Schlussteil, rasche Arpeggien über der chromatisch absinkenden Basslinie, fasst die charakteristischen Elemente der vorhergehenden Abschnitte zusammen. 25
Sonntag, 18. Juni 2023, 12 Uhr Johann Sebastian Bach 1685–1750 Praeludium D-Dur BWV 532/1 Alessandro Scarlatti 1659–1725 Exsultate Deo für vier Stimmen Josef Gabriel Rheinberger 1839–1901 Missa St. Crucis op. 151 (1882): Kyrie für vier Stimmen Felix Mendelssohn Bartholdy 1809–1847 Richte mich, Gott für acht Stimmen op. 78/2 (1843/45) Johann Sebastian Bach Triosonate C-Dur BWV 529: Largo Heinrich Kaminski 1886–1946 Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir für vier bis sechs Stimmen (1912) Ola Gjeilo *1978 Ubi caritas für vier bis sechs Stimmen Vytautas Miškinis *1954 Cantate Domino für vier bis sechs Stimmen Luise Künzl, Orgel Münsterchor Ingolstadt Christoph Hämmerl, Leitung 26
BWV 532, wohl um 1710 in Weimar entstanden, zählt zu denje- nigen Werken Johann Sebastian Bachs, mit denen der junge Virtuose sein organistisches Können, besonders sein glänzendes Pedalspiel, ins helle Licht rücken wollte. Das Praeludium ist mehrteilig gebaut: Tonleitern und Akkordfanfaren des Beginns sowie der dissonanzreiche, rezitativartige Schluss rahmen einen streng vierstimmigen Alla-Breve-Mittelteil, der auf eine der D-Dur- Tonart eigene, strahlende Festlichkeit gestimmt ist. Bachs Triosonaten übertragen das Musizieren im Ensemble auf ein einzelnes Instrument, die Orgel: die Baß-Stimme wird vom Pedal übernommen, die beiden Hände übernehmen die duettie- renden Oberstimmen auf zwei unterschiedlich registrierten Manualen. Die vokalen Beiträge reichen von Alessandro Scarlatti, der vor allem im damaligen Königreich Sizilien zwischen Neapel und Palermo, aber auch zwischen den Musikzentren Venedig und Rom erfolgreich wirkte, über Mendelssohn, der in seinen Psalm- kompositionen immer wieder das rezitierende Element heraus- stellte, Rheinberger, der in München einen künstlerischen Gegen- entwurf zum strikten Cäcilianismus Regensburger Prägung präsentierte und als ein gesuchter Kompositionsprofessor an der Akademie lehrte, bis zur neueren Garde: Kaminski verstand Komponieren als mystische Offenbarung, er litt unter den Repres- salien des NS-Regimes. Der Norweger Gjeilo schreibt Musik, die von Klassik, Jazz, Volks- und Popmusik beeinflusst ist. Der Lette Miškinis lehrt an der Litauischen Musik- und Theaterakademie und ist dort seit 2002 Professor für Chorleitung. 27
Sonntag, 25. Juni 2023, 12 Uhr Johann Ludwig Krebs 1713– 1780 Toccata a-Moll KWV 441 Peeter Cornet 1570–1633 Tantum Ergo Peeter Cornet Aria del Granduca Anonimus Um 1600 Drei Variationen über Daphne Anthoni van Noordt 1619–1675 Psalm 24 (3 Verse) Giorgio Revelli, Orgel 28
Johann Nikolaus Forkel schrieb über Krebs, den jahrelangen Freund und Privatschüler Johann Sebastian Bachs: „Er war nicht nur ein sehr guter Orgelspieler, sondern auch ein fruchtbarer Componist für Orgel, Clavier und Kirchenmusik. […] Zur Bezeichnung seiner Vortrefflichkeit sagten zu seiner Zeit die witzigen Kunstliebhaber: es sey in einem Bach nur ein Krebs gefangen worden.“ Cornet wurde in den 1570er Jahren in Brüssel, der damaligen Hauptstadt der südlichen Niederlande, geboren. Zur Familie ge- hörten zahlreiche Musiker, darunter ein Geiger, Sänger und Organisten. Von 1603 bis 1606 wirkte Cornet als Organist an der St.-Nikolaus-Kirche in Brüssel. Um 1606 wurde er Hoforganist von Albrecht VII., Erzherzog von Österreich und seiner Frau Infantin Isabella Clara Eugenia von Spanien, den Gouverneuren der südlichen Niederlande, die ihren Hof in Brüssel unterhielten. Für einen Monat, im März 1611, war Cornet Kanoniker in Soignie. Als Apollon den Liebesgott Eros als schlechten Schützen ver- spottete, rächte sich dieser, indem er einen Liebespfeil mit einer goldenen Spitze auf ihn und einen mit bleierner Spitze auf Daph- ne abschoss. Apollon verliebte sich unsterblich in Daphne, wäh- rend diese, von einem genau das Gegenteil bewirkenden Pfeil Eros’ getroffen, für jene Liebschaft unempfänglich wurde. Er- schöpft von der Verfolgung durch Apollon flehte sie zu ihrem Vater Peneios, dass er ihre – den Apollon reizende – Gestalt wan- deln möge. Daraufhin erstarrten ihre Glieder und sie verwandel- te sich in einen Lorbeerbaum. Van Noordt wurde 1638 Organist in der Nieuwe-Zijdskapel in Amsterdam und blieb das bis 1664. Bis 1673 war er Organist der Nieuwe Kerk zu Amsterdam. Er wurde berühmt durch sein Tabulaturboeck van psalmen en fantasyen, das 1659 in Ams- terdam erschien. Hierin finden sich zehn Psalmen und sechs Fantasien im Stil Sweelincks, in denen klar wird, dass vierzig Jahre nach Sweelincks Tod, dessen Schule nicht nur in Nord- deutschland, sondern auch in den Niederlanden weiterlebt. 29
Sonntag, 02. Juli 2023, 12 Uhr Nicolaus Bruhns 1665–1697 Praeludium ex e Jean-François Dandrieu 1682–1738 Tièrce en taille du 8e ton Johann Sebastian Bach 1685–1750 Toccata, Adagio und Fuge C-Dur BWV 564 Roman, Hauser, Orgel 30
Bruhns galt weit über die Stadtgrenzen Husums hinaus als Orgel- und Violinvirtuose. Wie Mattheson berichtet, habe er dann und wann gleichzeitig Geige und an der Orgel mit dem Pedal den Bass gespielt. Gerber berichtet 1790/1792, dass er währenddessen sogar gesungen habe, sodass sich sein Spiel wie von mehreren Personen anhörte. Im Alter von achtzehn Jahren erhielt Dandrieu die Organisten- stelle an Saint-Merry in Paris. 1721 avancierte er zum Organisten der königlichen Kapelle. Schließlich folgte er 1733 seinem Onkel, Pierre d’Andrieu (1660–1733) in der gleichen Funktion an St. Bar- thelémy. Er zählt zu denjenigen französischen Komponisten seiner Zeit, die versuchten, aus den strengen Formen der in Frankreich geltenden musikalischen Konventionen auszubrechen und Elemente des italienischen Stils in ihre Werke zu integrieren. Seinem Stil nach gehört BWV 564 wohl in die Weimarer Zeit. „Dass es nicht aus Bachs Weimarer Kreis überliefert ist, ist viel- leicht damit zu erklären, dass Bach dieses ebenso virtuose wie originelle, ja geradezu extravagante Werk zunächst nicht aus der Hand geben wollte, um es sich für seinen eigenen Gebrauch vor- zubehalten. Der dreisätzige Zyklus eignet sich in idealer Weise als Vorspielstück bei Orgelprüfungen, da er die klanglichen Facetten der Orgel geradezu systematisch ausleuchtet.“ (Werner Breig). Grids and more, Aquarell auf Papier, 2023 31
Sonntag, 09. Juli 2023, 12 Uhr Diese Matinee dauert etwa 40 Minuten BACH-ZYKLUS II Johann Sebastian Bach 1685–1750 Concerto d-Moll für drei Cembali, Streicher und Basso continuo BWV 1063 (ohne Bezeichnung) Alla Siciliana Allegro Concerto C-Dur für drei Cembali, Streicher und Basso continuo BWV 1064 Allegro Adagio Allegro Concerto a-Moll für vier Cembali, Streicher und Basso continuo BWV 1065 (ohne Bezeichnung) Largo Allegro Evi Weichenrieder, Cembalo Stefanie Geith, Cembalo Oliver Scheffels, Cembalo Franz Hauk, Cembalo CONCERTO DE BASSUS (auf authentischen Instrumenten) 32
Bach komponierte seine Cembalokonzerte für die Auftritte des von ihm zwischen 1729 und 1737 und erneut von 1739 bis wohl mindestens zur Mitte der 1740er Jahre geleiteten Collegium Musicum. Die Konzerte fanden in der kalten Jahreszeit stets frei- tags zwischen 20 und 22 Uhr im Coffé-Haus von Gottfried Zimmermann statt, im Sommer mittwochs wohl zwischen 16 und 18 oder 19 Uhr auch im Cofé-Garten von Enoch Richter. An Tagen, an denen das Orchester pausierte, übernahm ein Organist am Pedalcembalo die Rolle eines Alleinunterhalters. Das Konzert BWV 1063 wird heute eher selten gespielt, in der Bach-Renaissance des 19. Jahrhunderts war es durchaus populär: Besonders Felix Mendelssohn Bartholdy setzte sich sehr dafür ein und spielte es häufig, beispielsweise mit Clara Schumann und Louis Rakemann oder mit Ignaz Moscheles und Sigismund Thal- berg. In der Forschung wird über eine Frühfassung mit drei Soloinstrumenten spekuliert, die in die späte Weimarer Zeit da- tiert, beispielsweise um 1716 oder 1718. Auch beim Konzert BWV 1064 wird als Urform ein Konzert für drei Violinen vermutet. Vielleicht wichtiger: das Werk quillt über von jugendlichem Übermut, wie Bernhard Billeter konstatiert. BWV 1065 ist eine Bearbeitung von Antonio Vivaldis Konzert h-Moll für vier Violinen und Streicher op. 3/10 aus dessen Samm- lung L’Estro Armonico. Bach ergänzte das Werk durch zusätz- liche Chromatik, lebendigere Bass-Stimmen und viele kleine Details, im letzten Satz ergänzte er einen Takt. Tabula rasa 2.0, Öl und Sprühlack auf Leinwand, je 100 x 100 cm, 2020 33
Sonntag, 16. Juli 2023, 12 Uhr Johann Sebastian Bach 1685–1750 Fantasia C-Dur BWV 573 (ergänzt von Wolfgang Stockmeier) Johann Sebastian Bach Aria variata alla maniera italiana BWV 989 Michael Praetorius 1571–1621 Terpsichore (1612): Zwei Tänze Johann Sebastian Bach Toccata d-Moll BWV 538/1 Michael Dierks, Orgel 34
Die Fantasie BWV 573 ist eingetragen im Clavier-Büchlein vor Anna Magdalena Bachin Anno 1722, das Johann Sebastian Bach kurz seiner Hochzeit anlegte. BWV 989 dürfte, was den ungewöhlichen Manualumfang im Bass bis A1 betrifft, in Zusammenhang mit den Choralpartiten von Georg Böhm stehen, also in Lüneburg zwischen 1700 und 1702 entstanden sein. Im Dezember 1604 wurde Praetorius als Nachfolger von Thomas Mancinus zum Hofkapellmeister ernannt und lebte fortan in Wolfenbüttel. Damit war Praetorius für die Hofkapelle mit ihren etwa 18 Sängern und Instrumentalisten verantwortlich und hatte für gottesdienstliche Musik in der Schlosskapelle sowie für Tafelmusik bei festlichen oder privaten Essen und Tanzmusik bei höfischen Festen zu sorgen. Diese und weitere Pflichten, auch einige Rechte, wurden in der Bestallungsurkunde festgelegt. Er hatte beispielsweise den Söhnen und Töchtern des Herzogs täglich Instrumentalunterricht zu erteilen. Die Bezahlung ent- sprach der eines höheren Hofbeamten: jährlich 100 Taler Gehalt, 10 Taler Holzgeld, freier Tisch bei Hofe, eine Sommer- und eine Winter-Hofkleidung, als Deputat jährlich einen Ochsen, zwei Schweine, vier Scheffel Roggen, vier Scheffel Gerste. Den Manualwechsel in BWV 538/1 hat Bach selbst vorgeschrie- ben. Er spielt mit dem Alternieren von Klangflächen, mischt die Form einer Toccata mit dem Concerto. o.T., Aquarell auf Papier, 2023 35
Sonntag, 23. Juli 2023, 12 Uhr Diese Matinee dauert etwa 40 Minuten Arcangelo Corelli 1653–1713 Concerto grosso c-Moll op. 6/3 (1712) Largo Allegro Grave Vivace Allegro Arcangelo Corelli Concerto grosso F-Dur op. 6/9 (1712) Preludio. Largo Allemanda. Allegro Corrente. Vivace Gavotta. Allegro – Adagio Minuetto. Vivace Francesco Geminiani 1687–1767 Concerto grosso d-Moll nach Corellis Violinsonate op. 5 /12 (1729) La Folia CONCERTO DE BASSUS (auf authentischen instrumenten) Theona Gubba-Chkheidze, Violine und Leitung 36
Corellis Werke hatten weitreichenden Einfluss auf die Entwick- lung der Kammermusik, der Kirchen- und Kammersonate sowie der maßgeblich von Corelli mitentwickelten Gattung des Concerto grosso. Sein virtuoser Musizierstil wurde zur Grund- lage der modernen Violintechnik des 18. und 19. Jahrhunderts und beeinflusste zahlreiche Komponisten. 1714 reiste Geminiani nach London. Unter dem Mäzenat des 3. Herzogs von Essex beschäftigte er sich mit dem Unterrichten und Komponieren. Erfolgreiche Konzertreisen nach Irland in den 1730er-Jahren festigten seinen Ruf als Virtuose. Dem englischen Musikhistoriker zufolge festigte die Veröffentlichung der op. 3 im Jahre 1733 Geminianis Namen: „Sie setzen ihn an die Spitze aller damals lebenden Meister.“ In diesen Concerti grossi arbeitete er Violinsonaten von Corelli in eigenständiger Weise um, worauf sich Burneys Wort von Geminianis musikalischer Kochkunst bezog. Mit führte er seine Violinkonzerte am königlichen Hof zu London auf. Nach einem Paris-Aufenthalt (1732) beschloss er, sich in nie- derzulassen. Seine beruflichen Aktivitäten schwankten zwischen dem gescheiterten Versuch, eine Musikzeitschrift herauszugeben, dem Virtuosentum, dem Verfassen musiktheoretischer Werke und dem Handel mit Gemälden bedeutender italienischer Maler wie auch seiner eigenen. Ab 1759 war er Konzertmeister bei dem späteren 5. Earl of Bellomont in Dublin. Layers with crystals, Aquarell und Kreide auf Papier, 2023 37
Sonntag, 30. Juli 2023, 12 Uhr Johann Sebastian Bach 1685–1750 Praeludium Es-Dur BWV 552,1 Domenico Scarlatti 1685–1757 Fünf Sonaten: Sonate C-Dur K 159 Sonate d-Moll K 1 Sonate c-Moll K 11 Sonate G-Dur K 146 Sonate D-Dur K 492 Johann Sebastian Bach Fuga Es-Dur BWV 552,2 Giampaolo di Rosa, Orgel 38
Als dritte Folge seiner sogenannten Clavierübung veröffentlich- te Bach 1739 beim Nürnberger Notenstecher Balthasar Schmidt eine Sammlung von Orgelwerken. Eingerahmt werden diese von Praeludium und Fuge Es-Dur. Durch sein gravitätisch-punktiertes erstes Thema und das schnelle, fugiert ausgeführte dritte Thema weist das Praeludium Merkmale der französischen Ouvertüre auf. Die drei thematischen Komplexe hat Albert Schweitzer als Symbol der Dreifaltigkeit gedeutet: Das gravitätische, im punk- tierten Rhythmus gehaltene Thema repräsentiere Gott den Vater, das zweite, auf- und abstrebende Jesus Christus, das dritte schließ- lich, das in Sechzehntelnoten erst eine Oktave absteige und sich dann auffächere, den Heiligen Geist. Die ebenfalls fünfstimmige Fuge ähnelt einer Tripelfuge, das heißt einer Fuge mit drei Themen. Sie verzichtet jedoch auf die abschließende Kombina- tion aller drei Themen in einem gleichzeitigen Ablauf. 1719 übersiedelte Domenico Scarlatti nach Portugal und wurde in Lissabon Musiklehrer und Hofkapellmeister am Hofe von König Johann V., wo er den jüngeren Bruder des Königs, Dom António (1695–1757), und am Cembalo die an Asthma leidende portu- giesische Prinzessin Maria Barbara de Bragança unterrichtete. Als die musikalisch hochbegabte Maria Bárbara 1729 den spanischen Thronfolger Don Fernando von Asturien (ab 1746 König Ferdi- nand VI.) heiratete, folgte ihr Scarlatti in ihre neue Heimat. Sie gingen zunächst nach Andalusien, wo der Hof anfangs zwischen Sevilla, den Sierras, Granada, Cádiz und anderen Hafenstädten hin- und herreiste. Die Cembali der Prinzessin wurden dabei auf dem Rücken von Maultieren transportiert. Von Oktober 1730 bis zum 16. Mai 1733 wurden die Alcázares Reales in Sevilla zur fes- ten Residenz. Danach zog der Hof nach Norden in die Umgebung von Madrid, wo er je nach Jahreszeit abwechselnd in den Schlös- sern Buen Retiro, El Pardo, Aranjuez, La Granja und El Escorial weilte. 39
Sonntag, 06. August 2023, 12 Uhr Antonio Vivaldi 1678–1741 Le Quattro Stagioni – Die vier Jahreszeiten op. 8: Concerto I E-Dur RV 269 La Primavera – Der Frühling Allegro Largo e pianissimo sempre Danza pastorale. Allegro Frédéric Chopin 1810–1849 Notturno Es-Dur op. 9/2 (1830/31) Wolfgang Amadeus Mozart 1656–1791 Fantasie f-Moll KV 608 (1791) Andrzej Chorosinski, Orgel 40
Auch Organisten wollen bisweilen am Erfolg eines Werkes par- tizipieren in Form von virtuosen Bearbeitungen. Chopin verehrte Johann Sebastian Bach – kein Wunder, er wirk- te zeitweise selbst als Organist. Und Bel canto geht im Prinzip auch auf der Orgel. Graf Joseph Deym-Müller hatte in Wien ein Raritätenkabinett mit panoptikumartigen Charakter eröffnet: neben einigen Orginal- plastiken, hundert Gipskopien berühmter antiker Statuen, kunst- voll verzierten Gefäßen, Gemälden und Zeichnungen enthielt die Sammlung auch Spieluhren, Automaten und andere Kuriositäten. Mozart steuerte drei Kompositionen für eine Orgelwalze bei. KV 608 ist eine Trauermusik für den verstorbenen Feldmarschall Laudon, der 1790 verstorben war. Graf Deym hatte eine Gedächt- nisstätte in Form eines Mausoleums eingerichtet, hier erklang in regelmäßigen Abständen Mozarts Trauermusik. Refraction, Aquarell auf Papier, 2023 41
Sonntag, 13. August 2023, 12 Uhr Bernardo Storace 1637–1707 Ballo della Battaglia Giovan Battista Platti 1697–1763 Sonata I g-Moll für Violoncello und Basso continuo Adagio – Non presto – Largo – Allegro Antonio Maria Bononcini 1677–1726 Sonata A-Dur für Violoncello und Basso continuo Andante – Allegro – Minuetto grazioso Antonio Caldara 1670–1736 Sonata 16 G-Dur für Violoncello und Basso continuo Adagio – Allegro – Largo – Allegro Alessandra Montani, Barockvioloncello Fabio Ciofini, Orgel und Cembalo 42
Musikhistorischen Kenntnisse über Bernardo Storace fußen auf einer einzigen von ihm hinterlassene Sammlung, nämlich Selva di varie compositioni d’intavolatura per cimbalo ed organo, die im Jahr 1664 in Venedig erschienen ist. In dem Vorwort be- zeichnet er sich als Vizekapellmeister, der im Auftrag des Senats der Stadt Messina tätig ist. Plattis Werke sind vor allem als Handschriften in der Musika- liensammlung des Grafen Rudolf Franz Erwein von Schönborn- Wiesentheid erhalten, für den Platti eine ganze Reihe von Wer- ken für Cello komponierte, darunter auch 28 Cellokonzerte, die zu den interessantesten der Übergangszeit zwischen Spätbarock und Frühklassik gehören. Antonio Maria Bononcini wirkte von 1704 bis 1711 am Wiener Hof. 1714 lebte er in Rom, wo unter anderem Gottfried Heinrich Stölzel sein Schüler war. 1721 wurde er Hofkapellmeister in Mo- dena. Bononcini schrieb von 1690 bis 1723 zwanzig Opern, drei Oratorien, Kammerkantaten, eine fünfstimmige Messe und ein vierstimmiges Stabat mater. Caldara erhielt seine musikalische Ausbildung vermutlich bei Giovanni Legrenzi in Venedig. Von 1700 bis 1707 war er als Kapellmeister in Mantua tätig. Im Jahr 1708 komponierte er für Kaiser Karl VI. den 2. Akt der Oper L’Atenaide. Von 1709 bis 1716 war Caldara in Rom tätig. Nach der Übersiedlung nach Wien im Jahr 1716 wurde Caldara unter Johann Joseph Fux erster Vizekapellmeister der Wiener Hofmusikkapelle am Kai- serhof. Er komponierte über 3400 Werke, vor allem im Bereich der Vokalmusik. Kaiser Karl VI. dirigierte damals einige Opern seines Vizekapellmeisters selbst. 43
Sonntag, 20. August 2023, 12 Uhr Georg Philipp Telemann 1681–1767 Marches Heroïques – Heldenmusik für Trompete und Orgel TWV 50:31-42 (1728): La Majesté L´Amour La Réjouissance Robert Schumann 1810–1856 Sechs Studien für den Pedalflügel op. 56 (1845): 1. Kanon in C Joseph Gabriel Rheinberger 1839–1901 Sonate Nr. 11 d-Moll op. 148 (1887): Cantilene für Trompete und Orgel Johann Sebastian Bach 1685–1750 Kommst du nun, Jesu, vom Himmel herunter Choralbearbeitung für Trompete und Orgel BWV 650 Vincent Lübeck 1656–1740 Praeambulum in G Jean-Joseph Mouret 1682–1738 Sinfonies de Fanfares: Rondeau für Trompete und Orgel Hans Jürgen Huber, Trompete Manfred Hößl, Orgel 44
In seiner Heldenmusik beschreibt Telemann verschiedene mensch- liche Gemütsverfassungen, wie Liebe, Großmut oder Freude. Affekte bildeten im 17. und 18. Jahrhundert die Grundlage jegli- chen Musizierens. Nicht der Kanon, sondern dessen Poetisierung ist Schumanns Ziel dieser Sechs Stücke in kanonischer Form: Im Eingangsstück, einem präludierenden Trio, wird der Geist Bachs beschworen. Rheinberger war auf allen musikalischen Gebieten bis hin zur Oper erfolgreich tätig. Er schuf auch ein umfangreiches Œuvre für die Orgel, das zwischen Mendelssohn und Reger den bedeu- tendsten deutschen Beitrag bildet. Mit der Cantilene ist dem Kom- ponisten ein rechter Ohrwurm gelungen. In den sogenannten Schübler-Chorälen bearbeitete Bach einige seiner Kantatensätze für die Orgel. BWV 650 stammt aus dem zweiten Satz der Kantate BWV 137. Lübeck wurde 1674 Organist der St.-Cosmae-Kirche in Stade, Seit 1673 besaß St. Cosmae eine Orgel des berühmten Orgelbauers Arp Schnitger, mit dem Lübeck eine lebenslange Freundschaft ver- band. In Stade erwarb Lübeck eine hohe Reputation als Organist, Komponist und Lehrer, weshalb er 1702 an die Nikolaikirche nach Hamburg berufen wurde. Dort stand ihm Schnitgers größte Orgel zur Verfügung, die aber im Mai 1842 dem großen Brand von Hamburg zum Opfer fiel. Mouret wurde 1714 Mitglied der Académie royale de musique, der Vorläuferin der Pariser Oper, welche das Musikleben in Frankreich regelte. Von 1728 bis 1734 war er der Leiter der Concert spirituel. 45
Sonntag, 27. August 2023, 12 Uhr Johann Sebastian Bach 1685–1750 Concerto a-Moll BWV 593 nach dem Concerto für zwei Violinen, Streicher und Basso continuo op. 3/8 RV 522 von Antonio Vivaldi (1678–1741) Allegro – Adagio – Allegro Louis James Alfred Lefébure-Wély 1817–1869 Scène Pastorale Louis Vierne 1870–1937 Pièces de Fantaisie (1929): Carillon de Westminster op. 54/6 Christian von Blohn, Orgel 46
Bereits um 1715 hatte Bach Konzerte verschiedener, vorwiegend italienischer Autoren für ein Tasteninstrument übertragen, wohl auch um sich mit dem neuen italienischen Konzertstil eines Vivaldi, Marcello oder Albinoni vertraut zu machen, dann viel- leicht auch, um am Hofe diese beliebten Werke jederzeit, auch ohne Beteiligung des Hoforchesters, quasi im Klavierauszug vor- zutragen. Lefébure-Wély studierte am Pariser Conservatoire in der Orgel- klasse von François Benoist. Zuletzt wirkte er an der neuerbauten Cavaillé-Coll-Orgel der Kirche St. Sulpice in Paris. Bekannt wa- ren seine Improvisationen und seine Kompositionen, die oft einem mondänen Stil huldigen. Die „Hirtenszene“ wurde vom Kompo- nisten ausdrücklich für die Aufführung bei Orgeleinweihungen oder in der Christmette bestimmt, ein Stück Programm-Musik mit tanzenden Landleuten, Gewitterszene und abschließender Bitt- prozession. Vierne amtierte als Organist an Notre Dame in Paris. Seine Sammlung Pièces de Fantaisie besteht aus Charakterstücken, einem zunächst dem Klavier vorgehaltenen Genre. Im Carillon de Westminster nimmt Vierne das Wechselläuten des Big Ben zur thematischen Grundlage. o.T., Aquarell und Kreide auf Papier, 2023 47
Sonntag, 03. September 2023, 12 Uhr Georg Böhm 1661–1733 Praeludium, Fuga und Postludium g-Moll Giovanni Battista Ferrini 1601–1674 Ballo di Mantova Antonio de Cabezón 1510–1566 Differencias sobre el Canto Llano del Caballero William Byrd 1543–1623 My Lady Nevell’s Ground Antonio Martín y Coll 1650–1734 Flores de música (1709): Bayle del Gran Duque Johann Christian Kittel 1732–1809 Praeludium a-Moll Christian Tarabbia, Orgel 48
Nach dem Studium in Jena hielt sich Böhm zunächst einige Jahre in Hamburg auf und war danach als Organist an der Kirche St. Johannis in Lüneburg tätig. In dieser Zeit war Johann Sebas- tian Bach in Lüneburg Freischüler des Michaelis-Klosters und sang als Diskantist im Mettenchor. Böhms Einfluss auf Bachs frühe Orgelwerke und Klaviersuiten liegt nahe. Die Stelle des Organisten hatte Böhm bis zu seinem Tod im Jahre 1733 inne. Giovan Battista Ferrini war ab 1619 Organist an der Kirche Saint-Louis-des-Français in Rom und von 1623 bis 1653 an der Hauptkirche der Oratorianer in Rom, der Chiesa Nuova (Santa Maria in Valicella). Möglicherweise gehörte er zum engen Umfeld von Girolamo Frescobaldi. Antonio de Cabezón war seit seiner Kindheit blind. Als Hofor- ganist Karls V. und später Philipps II. unternahm er von 1548 bis 1551 und von 1554 bis 1556 zwei Reisen quer durch Europa. Dabei lernte er bedeutende Musiker anderer Höfe kennen. Cabezón gilt als der bedeutendste spanische Komponist für Tas- teninstrumente seiner Zeit. Zu Zeiten von William Shakespeare galt Byrd als der bedeu- tendste Komponist in England. Seine Kompositionen für Tasten- instrumente finden sich unter anderm im Fitzwilliam Virginal Book und im im My Ladye Nevells Booke. Martín y Coll wuchs in einem Kloster auf und wurde schließlich Franziskanermönch. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er im Kloster San Francisco el Grande in Madrid. Er starb dort wahrscheinlich nach 1733 und vor 1735. Der fünfte Band seiner Sammlung Flores de Música, genannt Ramillete oloroso: suabes flores de música para órgano, enthält hauptsächlich Orgelmusik. 1756 wurde Kittel als Organist an die Barfüßerkirche in Erfurt be- rufen, wo er sechs Jahre tätig war. Danach nahm er die Position des Organisten an der Predigerkirche an. Als einer der letzten Schüler Bachs erlangte er hohes Ansehen und lehrte in der Tradition Bachs viele Schüler. Bewunderer seines Orgelspiels waren neben anderen Goethe, Johann Gottfried von Herder und Christoph Martin Wieland. 49
Sonntag, 17. September 2023, 12 Uhr Johann Sebastian Bach 1685–1750 Fantasia sopra: Komm heiliger Geist, Herre Gott BWV 651 Heinrich Schütz 1585–1672 Kleine geistliche Konzerte op. 9 (1639): O misericordissime Jesu SWV 309 Johann Sebastian Bach O Mensch, bewein’ dein’ Sünde groß Choralbearbeitung BWV 622 Johann Sebastian Bach Komm, du süße Todesstunde Kantate BWV 161 (1715): Rezitativ und Arie „Mein Verlangen, den Heiland zu umfangen“ Max Reger 1873–1916 Toccata d-Moll op. 129/1 (1913) Max Reger Zwei geistliche Lieder WoO VII/30: Wenn in bangen, trüben Stunden Hugo Wolf 1860–1903 Mörike-Lieder: Gebet, für Singstimme und Orgel bearbeitet von Max Reger Max Reger Fuge d-Moll op. 129/2 (1913) Konstantin Igl, Tenor Giovanni Michelini, Orgel 50
Komm, Heiliger Geist, Herre Gott, / erfüll mit deiner Gnaden Gut / deiner Gläubigen Herz, Mut und Sinn, / dein brünstig Lieb entzünd in ihn’. / O Herr, durch deines Lichtes Glast / zu dem Glauben versammelt hast / das Volk aus aller Welt Zun- gen: / das sei dir, Herr, zu Lob gesungen. / Alleluja, alleluja! Bach beginnt mit der Anrufung des Heiligen Geistes organo ple- no in feurig auflodernden Sechzehntel-Figuren über dem Pedal- Cantus-firmus. Die Spitzentöne des Motivs lassen immer wieder den Liedanfang anklingen. Die in zwei Teilen publizierten Kleinen geistlichen Konzerte bilden jeweils Sammlungen geringstimmiger, generalbassbeglei- teter Vokalmusik auf überwiegend deutsche, teils auch lateinische Texte mit einer breit gefächerten Stilistik. Durch die nur wenige Musiker umfassende Besetzung waren die Konzerte, zumal wäh- rend des Dreißigjährigen Krieges, universal aufführbar. Sie konn- ten am Hof, in Stadt oder Dorf, aber auch in der Schule oder in privater Häuslichkeit musiziert werden. Bach folgt in ausdrucksvollen Melismen dem 1530 verfassten Text von Sebald Heyen: O Mensch, bewein dein Sünde groß, / darum Christus seins Vaters Schoß / äußert und kam auf Erden; / von einer Jungfrau rein und zart / für uns er hier geboren ward, / er wollt der Mittler werden. / Den Toten er das Leben gab / und tat dabei all Krankheit ab, / bis sich die Zeit herdrange, / dass er für uns geopfert würd, / trüg unsrer Sünden schwere Bürd/ wohl an dem Kreuze lange. Zeitlebens fristete Mörike ein eher armseliges Dasein, das im schroffen Gegensatz zu manchen kompositorischen Erfolgen stand. Regers Opus 129 verzichtet auf Monumentaltät, die Stücke sind kurz, prägnant und von atmosphärischer Dichte. Kompositori- scher Anlaß war die neu erbaute Steinmeyer-Orgel im Meininger Schützenhaussaal. 51
Sonntag, 24. September 2023, 12 Uhr Domenico Cimarosa 1749–1801 Concerto c-Moll per tromba e organo Introduzione - Allegro - Siciliana – Allegro giusto Filippo Allegri 1768–1853 Offertorio per organo Enrico Pasini 1937–2022 Cantabile n° 10 per tromba e organo Giuseppe Verdi 1813–1901 Adagio per tromba e organo Louis James Alfred Lefébure-Wély 1817–1869 Sortie in Es per organo Jean-Baptiste Arban 1825–1889 Variationen über ein Thema aus “Norma” von Vincenzo Bellini In Zusammenarbeit mit der Comune di Carrara Seit Juni 1962 besteht zwischen Ingolstadt und Carrara eine Städtepartnerschaft (www.ingolstadt.de/partnerstaedte). Roberto Rigo, Tromba Stefania Mettadelli, Orgel 52
1791 ging Cimarosa auf Einladung von Kaiser Leopold II. als Nachfolger Antonio Salieris als Hofkomponist nach Wien. Hier komponierte er sein Meisterwerk Il matrimonio segreto (Die heimliche Ehe), das unter den besten Leistungen leichter Opern- musik rangiert. Allegri wirkte als Priester, Kapellmeister am Priesterseminar und der Praepositur S. Michele seiner Heimatstadt Florenz. Pasini, geboren und ausgebildet in Rom, liebte das Cross over, Musik mit einem gehörigen Schuß Unterhaltung. Nach der Fertigstellung der mit 100 Registern größten Orgel Cavaillé-Colls wirkte Lefébure-Wély bis zu seinem Tod 1869 an der Kirche St-Sulpice in Paris. Er genoß große Popularität in Frankreich und war bekannt als genialer Improvisateur und Kom- ponist, der die neuen Möglichkeiten der modernen Orgel effekt- voll einzusetzen wusste. 1864, als er seine inzwischen weltberühmte Schule La grande mé- thode complète de cornet à pistons et de saxhorn par Arban zum ersten Mal veröffentlichte, war er bereits zum Professor am Éco- le Militaire aufgestiegen. 1869 wurde er Professor für cornet à pistons am Conservatoire von Paris. Neben der bereits erwähn- ten Schule hat er als Komponist einige Paradestücke für Trompete oder Kornett hinterlassen, die allesamt den Ausführenden große Virtuosität abverlangen. 53
Sonntag, 01. Oktober 2023, 12 Uhr BACH-ZYKLUS III Johann Sebastian Bach 1685–1750 Concerto c-Moll für zwei Cembali, Streicher und Basso continuo BWV 1062 (ohne Bezeichnung) Andante Allegro assai Antonio Vivaldi 1678–1741 Concerto G-Dur für Streicher und Basso continuo RV 151 (Alla Rustica) Allegro Largo Allegro Giovanni Michelini, Cembalo Franz Hauk, Cembalo CONCERTO DE BASSUS (auf authentischen Instrumenten) 54
BWV 1062 ist eine Bearbeitung und Transposition des in die tiefere Tonstufe. Hier hat sich auch die 1736 geschriebene auto- graphe Partitur Bachs erhalten. Erkennbar ist eine weiterentwick- elte Bearbeitungstechnik: „Hatten die Cembali vorher noch als Relikte ihrer Generalbaß-Aufgabe Akkorde zu spielen, so fehlen diese nun fast ganz zugunsten einer der linken Hand noch mehr Sechzehntelbewegung gönnenden Ausführung.“ (Bernhard Billeter) Der sogenannte vermischte Geschmack meint eine Synthese aus den unterschiedlichen Musiktraditionen in der Musik des 18. Jahrhunderts, zunächst bezogen auf den französischen und den italienischen Stil, die beide durch klare Stilmerkmale abgegrenzt waren. In der Anweisung die flûte traversière zu spielen schreibt Quantz 1752: „wenn man auf verschiedene Völker, ihrem Geschmacke in der Musik, mit gehöriger Beurtheilung das Beste zu wählen weis: so fliesst daraus ein vermischter Geschmack“. Als Konzertmeister der Dresdener Hofkapelle vertrat Pisendel die Auf- fassung, dass die Musiker des Orchesters sowohl den italienischen als auch den französischen Stil auf hohem Niveau beherrschen sollten. Carl Philipp Emanuel Bach formulierte anerkennend über Graun’s Kompositionsweise, daß er „das Propere und Bril- lante des französischen Geschmackes mit dem Schmeichelhaften der welschen Singart vereinigt“. Der vermischte Geschmack zeigt sich ebenfalls an einer Integration der Volksmusik ins Concerto, wie Vivaldis Concerto G-Dur unterhaltsam zeigt. o.T., Aquarell auf Papier, 2023 55
Sie können auch lesen