OTC-SWITCHES IN ÖSTERREICH-Potenziale erkennen und Chancen nutzen Eine Broschüre der IGEPHA
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2 3 PROLOG Switches zur Förderung von Self Care Mit dem Begriff „Switch“ bezeichnet man die Ent- Switches sind somit ein unverzichtbarer Bestand- lassung eines bisher verschreibungspflichtigen teil zur Förderung der Self Care und zum Em- Arzneimittels oder eines Wirkstoffes aus der Re- powerment der Patienten. Diese fördern so nicht zeptpflicht. Österreich scheint bei diesem Prozess nur ihre eigene Gesundheit, sie ersparen außerdem zurzeit durchaus Nachholbedarf zu haben. Dies dem öffentlichen Gesundheitssystem sowie der wird offensichtlich, wenn man die Anzahl der in österreichischen Wirtschaft insgesamt (Stichwort: Österreich rezeptfrei verfügbaren Arznei- krankheitsbedingte Ausfälle) Kosten in beachtli- mittel-Substanzen mit jener in anderen Ländern cher Höhe. Dieser positive ökonomische Aspekt vergleicht. der Self Care sollte keinesfalls unberücksichtigt bleiben. Die Rahmenbedingungen für den eigenverant- wortlichen Umgang mit Arzneimitteln haben sich Für viele Wirkstoffe gilt: Was in Österreich nur ebenso weiterentwickelt wie die Informationsmög- gegen Rezept abgegeben wird, ist in anderen lichkeiten im medizinischen Bereich. Wir sprechen EU-Staaten rezeptfrei zu erwerben. Die Zeit ist reif daher heute vom „mündigen Verbraucher“. Damit für entschiedene Schritte der zuständigen Behör- ist es an der Zeit zu reagieren – auch in Österreich: den, um die Situation in Österreich an den euro- Die Verfügbarkeit rezeptfreier Arzneimittel kann päischen Standard anzunähern. durchaus weiter verbessert und damit den Bedürf- nissen und Fähigkeiten der Verbraucher angepasst werden. Sind Arzneimittel ohne Vorlage einer ärztlichen Verschreibung in der Apotheke erhältlich, so erwei- tert dies den Handlungsspielraum der Patienten bei der Behandlung ihrer Krankheiten. Teilweise wird durch einen Switch eine gesamte Indikati- on überhaupt erst der Selbstmedikation zugäng- lich. Die Folge: Menschen, die zuvor gar keine Therapie in Anspruch genommen haben, erhalten die Möglichkeit, ihren Problemen nun aktiv und Impressum rasch zu begegnen. OTC-Switches in Österreich – Potenziale erkennen und Chancen nutzen (2/2018) I Verantwortlich für den Inhalt: IGEPHA – The Austrian Self Care Association, Dornbacher Straße 49/1, 1170 Wien I Tel.: +43 1 914 95 12, Fax: +43 1 914 95 12-12 I office@igepha.at www.igepha.at I Redaktion: Mag. Christina Nageler | Fotos: IGEPHA, istockphoto, Cosima Bauer, Natalie Gauld, Uwe May I Gestaltung: Renate Majer, www.highdesign.at I Druck: Johann Sandler GesmbH & Co KG, www.sandler.at | Die in dieser Publikation verwendeten Personen- und Berufsbezeichnungen treten der besseren Lesbarkeit halber nur in der männlichen Form auf, sind aber natürlich gleichwertig auf beide Geschlech- ter bezogen.
4 5 INHALT EDITORIAL IGEPHA belebt die Switch-Diskussion Editorial 5 Die IGEPHA engagiert sich seit Jahren für eine Ver- österreichischen OTC-Industrie unterstützt. Die besserung des Switch-Klimas. Darum haben wir vorliegende Broschüre ist ein wichtiger Schritt in Rezeptfreie Substanzen: Status quo in Österreich 6 nun eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gege- diese Richtung. Sie liefert Zahlen, Daten und Fak- ben, die aufzeigt, welche Substanzen in Österreich ten rund um das Thema „Switch“ – kurz: eine solide Mehr OTC-Wirkstoffe für ganz Europa 7 einem Switch-Prozess zugänglich wären. Diskussionsgrundlage. Moderne Medikation für mündige Patienten 8 Die Ergebnisse dieser Studie sowie jede Menge Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre! Hintergrundinformationen rund um das Thema Auf die Größe kommt es (nicht) an 10 „Switch“ stellen wir nun mit dieser Broschüre zur öffentlichen Diskussion. Nutzen und Risiken von Switch-Prozessen 12 Als spannend erwies sich die Frage, was wir in Switch-Kandidaten am Catwalk 14 Sachen „Switch“ von anderen Ländern lernen Mag. Christina Nageler können – in Europa, aber auch weltweit. Österreich Geschäftsführerin der IGEPHA Österreich als Vorreiter? Visionäre Switch-Projekte 16 ist vorerst in der vorteilhaften Lage, in Bezug auf Switches keine risikoreiche Vorreiterrolle mehr Und in der Praxis? So funktioniert ein Switch! 18 übernehmen zu müssen. Eine Vielzahl an Produkten und Wirkstoffen wurde bereits in anderen Ländern Switch-Prozesse in Schwung bringen 20 wie Deutschland oder Großbritannien erfolgreich aus der Rezeptpflicht entlassen. Von den Erfahr- Rezepte für mehr Rezeptfreiheit 22 ungen, die in diesem Zusammenhang gemacht wurden, können wir heute profitieren. Switches in Österreich fördern 24 Switches müssen von wissenschaftlichen Daten Die Rolle des Apothekers 26 begleitet werden. Nutzen wir die Erfahrungen aus anderen Ländern! Sie liefern uns wichtige Ökonomische Überlegungen rund um den Switch 28 Hintergrundinformationen und Argumente, um Switch-Prozesse auch in Österreich vorantreiben Switches von A bis Z 30 zu können. Was wir fordern, ist ein umfangreicheres Angebot rezeptfrei erhältlicher, sicherer Arzneimittel. Aktivitäten in diese Richtung werden hierbei von der IGEPHA als Interessenvertretung der
6 7 Rezeptfreie Substanzen: Status quo in Österreich Mehr OTC-Wirkstoffe für ganz Europa Die Verfügbarkeit rezeptfreier Arzneimittel ist wesentlich für die Quantität und Qualität der Selbstbe- Im Rahmen der 2010 von Antonio Tajani, dem Vize- dürfnisse von Patienten befriedigt. handlung. Dies betonen auch die Autoren der von der IGEPHA in Auftrag gegebenen Studie „Potenziale präsidenten der EU-Kommission, gestarteten Taja- • In erfolgreiche Switch-Verfahren werden Ange- und Chancen von OTC-Switches in Österreich“, Prof. Dr. Uwe May und Cosima Bauer, M. A. Tatsache ist ni-Initiative wurden unter anderem OTC-Listen der hörige der Heilberufe frühzeitig mit eingebun- jedoch, dass in Österreich eine ganze Reihe von Substanzen der Rezeptpflicht unterliegen, die in ande- EU-Mitgliedsstaaten untersucht. Das ernüchtern- den. Letzteres wurde als zentraler Punkt be- ren europäischen Ländern, aber auch weltweit betrachtet, rezeptfrei erhältlich sind. de Ergebnis lautete: 2011 standen lediglich fünf nannt. Wirkstoffe (Paracetamol, Acetylsalicylsäure, Panto- Der österreichischen Bevölkerung steht ein einge- Arzneimittelwirkstoffe zur Verfügung. Die Studien- prazol, Orlistat und topisches Ketoconazol) in 24 Potenziale nutzen schränkteres Spektrum an frei erhältlichen Arznei- autoren May und Bauer sprechen von Substanz- der damals 27 EU-Staaten rezeptfrei zur Verfügung. mitteln zur Verfügung, als dies etwa im Nachbar- und Indikationslücken, die in Österreich die Mög- Welche Perspektiven sich eröffnen können, wenn land Deutschland der Fall ist. Zurückzuführen ist lichkeiten der Selbstmedikation einschränken. Eine Switches würden, so lautete eine der Kernaussagen man sich mit möglichen Switch-Kandidaten aus- diese Situation auf ein in Österreich restriktiveres Substanzlücke ist dann vorhanden, wenn Wirkstoffe einer Arbeitsgruppe der Tajani-Initiative, einen ra- einandersetzt, stellte die Reclassification Strategy regulatorisches Umfeld. in mehreren oder in der Mehrzahl vergleichbarer scheren Zugang zu einer Behandlung ermöglichen Group in Großbritannien unter Beweis. „Die Grup- Länder rezeptfrei verfügbar sind. Substanzlücken und den Patienten zusätzliche therapeutische Al- pe hatte den Auftrag, neue Wege im Switch-Pro- Ein internationaler Vergleich der Situation in 15 geben, so argumentieren die Studienautoren, ternativen bieten. Ärzte hätten dann mehr Zeit, um zess zu identifizieren“, berichtet Elmar Kroth. In Ländern zeigt, dass Österreich mit 76 rezeptfrei- wichtige Hinweise darauf, welche Wirkstoffe inter- sich um ernstere Erkrankungen zu kümmern. Au- weiterer Folge wurden zwischen 2002 und 2008 en Substanzen zu den Schlusslichtern hinsicht- national einer wissenschaftlichen und arzneimit- ßerdem würden Switches das Gesundheitssystem über 50 Produkte geswitcht. Seitens der britischen lich der Verfügbarkeit von OTC-Präparaten zählt. telrechtlichen Bewertung hinsichtlich der Rezept- entlasten, erläuterte Dr. Elmar Kroth, Geschäftsfüh- Zulassungsbehörde MHRA wurde zum Ausdruck An der Spitze liegt mit Neuseeland ein Land, das freiheit standgehalten haben.2 rer Wissenschaft und Switch-Experte beim deut- gebracht, dass der Nutzen eines vereinfachten Zu- Österreich in vieler Hinsicht gar nicht so unähnlich schen Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller gangs zu Arzneimitteln die Risiken klar überwiege. ist. Hier stehen jedoch 149 verschreibungsfreie Häufen sich Substanzlücken in einem bestimm- e. V. (BAH) in einer Zusammenfassung der Ergeb- „Eine starke Unterstützung für Switches“, freut sich ten Anwendungsgebiet, so kann daraus nisse der genannten Arbeitsgruppe. Switch-Experte Kroth. eine Indikationslücke entstehen. Das bedeutet, dass eine Selbstbehandlung Die Tajani-Arbeitsgruppe identifizierte die folgen- Nach sorgfältiger, evidenzbasierter Überprüfung gar nicht stattfinden kann, weil die da- den Kriterien für erfolgreiche Switches: sämtlicher Kriterien halten durchgeführte Swit- für erforderlichen OTC-Präparate nicht ches einem Praxistest in der Regel souverän stand: vorhanden sind. • Das geswitchte Produkt ist sicher, einfach anzu- So wurde in Deutschland keiner der seit dem Jahr wenden und gut zu überwachen. 2000 vorgenommenen Switches wegen Sicher- • Der Switch ist mit einem klaren Nutzen für die heitsbedenken revidiert. Elmar Kroth resümiert: öffentliche Gesundheit verbunden. „OTC-Switches haben sich im Grundsatz bewährt • Nicht nur die Patientenverantwortung wird und nicht zu einer Gefährdung der Patienten ge- Abb. 1: Anzahl rezeptfrei erhältlicher Präparate auf durch den Switch gestärkt, er schafft auch einen führt.“ Länderebene1 Zugang zu verbesserten Therapien. Die Folge ist eine gesteigerte Lebensqualität der Patienten. 1 Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und politischen Ent- • Durch den Switch werden bislang unerfüllte Be- scheidungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 30. | 2Vgl. ebd., S. 33.
8 9 Moderne Medikation für mündige Patienten Werden durch Switches mehr rezeptfreie Arzneimittel angeboten, so stellt dies für den Patienten eine positiv zu bewertende Erweiterung seiner Handlungsmöglichkeiten dar. Der niedrigschwellige Zugang zu einer vielfältigen und qualifizierten Arzneimittelversorgung unterstützt Menschen in ihrem Em- powerment. Er macht sie zu aktiven Beteiligten ihrer persönlichen Gesundheitsversorgung. „Viel wird über den ‚mündigen Patienten‘ gespro- Bauer. Als Beispiel nennen sie die Migräne- lich der Heuschnupfen-Therapeutika eine progres- chen, der sich wünscht, mehr für seine Gesundheit Therapie. In Österreich ist für diesen Bereich ein sive Haltung ein und stellte im Herbst 2016 zwei tun zu können“, sagt Dr. Christoph Baumgärtel von hoher Grad an Unterversorgung mit Triptanen zu nasal anzuwendende Glucocorticoide (Mometason der Koordinationsstelle der Geschäftsfeldleitung bedauern. Migräne-Patienten könne der Weg zum und Fluticason) rezeptfrei. Lautet die Erstdiagnose und Risikokoordinierung der Arzneimittelbehörde. Arzt oftmals nicht zugemutet werden. Aufgrund durch einen Arzt „saisonale allergische Rhinitis“, Der stellvertretende Vorsitzende der österreichi- ihrer Schmerzen seien sie einfach nicht dazu in der dürfen im Anschluss die entsprechenden Medika- schen Rezeptpflichtkommission und Arzneimittel- Lage, so May und Bauer. Eine frühzeitige Selbstbe- mente bis zu einer bestimmten maximalen Tages- Experte der Agentur für Gesundheit und handlung führe dagegen zu einer deutlichen Stei- dosis ohne Vorlage eines Rezeptes in Apotheken Ernährungssicherheit (AGES) war als Co-Autor am gerung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. abgegeben werden. Die Anwendung der rezept- Forschungsbericht über Potenziale und Chancen Ökonomisch betrachtet ergeben sich daraus klar freien Mometason- und Fluticason-Präparate ist von OTC-Switches in Österreich beteiligt. erkennbare volkswirtschaftliche Vorteile, v. a. durch außerdem auf Erwachsene beschränkt. eine Reduktion der Krankenstandstage.3 Die AGES sei bereit, den Menschen mehr Verant- In Deutschland löste der Switch der Heuschnupfen- wortung zu geben und sie in ihrer Gesundheits- 2006 bzw. 2009 wurden ausgewählte Triptane mittel eine starke Nachfrage nach diesen Nasen- kompetenz zu stärken. Im Übrigen sei er selbst, so zur Migränebehandlung in Großbritannien und sprays aus. Viele Allergiker waren dankbar, dass sie Christoph Baumgärtel, zutiefst davon überzeugt, Deutschland in die Selbstmedikation überführt. In die für sie so wichtigen Medikamente endlich rezept- dass dem österreichischen Patienten keines- Deutschland sind die Wirkstoffe Naratriptan und frei in der Apotheke erwerben konnten. In Österreich falls weniger zuzutrauen sei als einem britischen Almotriptan als sogenannte „Attack-Packs“ mit ist dazu nach wie vor eine ärztliche Verschreibung Patienten, der schon seit Jahren sehr gut in Eigen- zwei Tabletten verschreibungsfrei erhältlich. Zum erforderlich. verantwortung auf ein breites Spektrum an rezept- Erwerb muss die Erstdiagnose einer Migräne durch freien Substanzen in sicherer Weise zugreifen kann. einen Arzt vorliegen. Switches führen oftmals überhaupt erst dazu, dass Betroffene von einer Therapie profitieren können. Darauf verweisen die Studienautoren May und Der Bundesrat in Deutschland nahm auch hinsicht- 3 Vgl. Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und politischen Entscheidungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 68.
10 11 132 rezeptfrei verfügbare Wirkstoffe Auf die Größe kommt es (nicht) an 94 % jener IGEPHA Mitglieder, die an einer Umfrage zum Thema „Switch-Potenziale“ teilgenommen ha- 149 ben, sind der Meinung, dass Switches in Österreich Umsatzpotenziale in relevantem Umfang erschließen rezeptfrei verfügbare können. Allerdings leidet Österreich unter dem „Dilemma kleiner Länder“.4 Wirkstoffe Bei der Analyse der Switch-Aktivitäten in Öster- Daher sprechen die Studienautoren insgesamt von Dass eine geringe Marktgröße kein Hindernis reich und anderen Ländern zeigt sich, dass der einem „Dilemma der kleinen Länder“.7 für rege Switch-Aktivitäten sein muss, zeigt die österreichische Arzneimittelmarkt aus Unterneh- Situation in Neuseeland, wie OTC-Experte Elmar menssicht möglicherweise insgesamt als zu klein Switch-Experte Dr. Elmar Kroth vom Bundesver- Kroth weiter anmerkt. Zwar ist das Interesse global erscheinen könnte.5 band der Arzneimittel-Hersteller e. V. in Deutsch- agierender Arzneimittelhersteller, Wirkstoff-Swit- land kommt zu demselben Schluss: Eine große Be- ches zu beantragen, nur schwach ausgeprägt. Auch Unter Abwägung sämtlicher wirtschaftlicher As- völkerungszahl und das damit verbundene größere sind Anträge seitens der Industrie in Neuseeland pekte kommt offenbar so mancher Hersteller Marktpotenzial begünstigen Anträge auf Switches. eher die Ausnahme. Dafür zeigen sich aber dritte zu dem Schluss, dass sich die Investition in ein Beteiligte umso engagierter (beispielsweise phar- Switch-Verfahren innerhalb eines angemessenen Um dem genannten Dilemma zu begegnen, könnte mazeutische Vereinigungen). Im Zeitraum von den Zeithorizonts nicht rentieren würde. sich Österreich an switch-aktiveren europäischen späten 1990er-Jahren bis zum Jahr 2003 entwi- Nachbarn orientieren: So könnten etwa gezielt ckelte sich Neuseeland zu einem der dynamischs- Aus wirtschaftlichen Gründen werde in kleinen Wirkstoffe, die beispielsweise in Deutschland re- ten Switch-Länder weltweit.8 Ländern wie Österreich für manche Substanzen zeptfrei zur Verfügung stehen, automatisch auf die gar keine Zulassung beantragt oder zugelassene Möglichkeit eines Switches auch hierzulande un- Substanzen werden nicht vermarktet, berichtet tersucht werden. Uwe May. Ist der Absatzmarkt zu klein, lohnen sich weder aufwendige Zulassungsprozesse noch die in Um die Bevölkerung in den Genuss einer breite- 76 rezeptfrei weiterer Folge erforderliche Vermarktung mit teu- ren Palette rezeptfrei verfügbarer Wirkstoffe kom- verfügbare Wirkstoffe ren Werbemaßnahmen.6 men zu lassen, sollte das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) zudem selbst aktiv Das Kriterium der Marktgröße kommt in mehreren werden und den Switch von Wirkstoffen aus Ländern mit vergleichsweise kleinen Arzneimittel- eigenem Antrieb initiieren. märkten zum Tragen. 4 Vgl. Umfrage im Kontext des Studienprojektes May/Bauer über Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich, Frühsommer 2017. Befragt wurden 18 IGEPHA Mitglieder. | 5Vgl. Bauer, C.; May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehme- Lesen Sie mehr dazu auf S. 22/23 dieser Broschüre. 8 rischen und politischen Entscheidungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 77. | 6Vgl. ebd., S. 33. | 7Ebd., S. 77.
12 13 Ri s i k e n Nu t z e n Nutzen und Risiken von Switch-Prozessen Der mündige Patient steht im Zentrum einer positiven Nutzen-Risiko-Abwägung. Apotheker, Ärzte und gen kann überdies nicht darüber hinweg gesehen unvermeidbare Risiken so weit wie möglich zu Arzneimittelhersteller sind jene Akteure, die jedem Einzelnen mehr Eigenverantwortung für die persön- werden, dass ein bedeutender Teil der verschrei- minimieren. Dies gelingt nach May und Bauer, in- liche Gesundheit ermöglichen können. Pharmazeutische Beratung, patientenorientierte Informationen bungspflichtigen Arzneimittel in der ärztlichen dem man zum einen die Schnittstellen im österrei- sowie eine breite Palette rezeptfrei bereitgestellter Arzneimittel stärken die Gesundheitskompetenz und Praxis de facto ohne einen persönlichen Kontakt chischen Gesundheitswesen noch enger verknüpft. minimieren Risiken. Eine aktive Self Care hilft letztlich allen und entlastet das Gesundheitssystem. mit dem Arzt, d. h. ohne eine ärztliche Inaugen- Zum anderen müssen die Konsumenten dazu befä- scheinnahme des Patienten, an den Patienten higt werden, fundierte Entscheidungen zu treffen. gelangt.“ 11 Dazu muss zunächst ihre Kompetenz hinsichtlich Gegenspieler der möglichst weitgehenden Pati- entgegengewirkt, betonen die Studienautoren. der Arzneimittelanwendung gesteigert werden. entenautonomie hinsichtlich der Wahl geeigneter Rezeptpflichtgesetz, Zulassungsvoraussetzungen, Dies sei zu einem großen Teil im Zusammen- Therapieverfahren ist der Verbraucherschutz. Er eine engmaschige Überwachung am Markt befind- hang mit Wiederholungsrezepten bei chronischen Sicherheitsfaktoren gilt klar als oberste Maxime einer jeden arzneimit- licher Produkte, Apothekenpflicht – all dies trägt Erkrankungen wie beispielsweise Asthma zu telrechtlichen Bewertung der Anwendungssicher- entscheidend zur Förderung der Patientensicher- beobachten – für die Studienautoren ein klares Es zeigt sich, dass das Verantwortungsbewusstsein heit von Arzneimitteln. heit im Zusammenhang mit der Anwendung re- Indiz dafür, dass somit „für zahlreiche Indikationen der österreichischen Verbraucher bei der Anwen- zeptfreier Arzneimittel bei10. respektive Substanzen zumindest eine teilweise dung rezeptfreier Präparate durchaus hoch ist: Risikobewertung Entlassung aus der Verschreibungspflicht nach „Rezeptfreiheit“ wird von den Patienten keinesfalls Rezeptpflicht und Arzneimittel- ärztlicher Initialdiagnose zu diskutieren“ sei.12 mit „risikoarm“ oder „nebenwirkungsfrei“ gleichge- Jedem Switch-Prozess muss also eine Risikobewer- verwendung setzt. Generell ist zudem eine zunächst abwartende tung vorangehen. Liegen belegbare und empirisch Zudem gilt: Es können durch die Therapiehoheit des Haltung bei geringfügigen Erkrankungen verbrei- relevante Sicherheitsbedenken vor, so heißt es in Im gelebten Alltag relativiert sich im Übrigen Arztes weder Medikationsrisiken vollständig aus- tet, was einer „übereilten“ und somit unkritischen der Studie von May und Bauer unter Mitwirkung der strenge Anspruch der Rezeptpflicht: Eben- geschlossen noch Wechsel- oder Nebenwirkungs- Einnahme von Arzneimitteln entgegensteht.14 von Dr. Christoph Baumgärtel, so können diese so bekannt wie bedenklich ist beispielsweise der freiheit garantiert werden. Trotz hoher Sicherheits- durchaus eine Hürde für einen Switch darstellen9. schnelle Griff in die private Hausapotheke, in der standards bleibt bei der Anwendung von Arznei- Was folgt daraus? Gelebter Alltag unterläuft viel- Übersteigt das Risiko der Anwendung einer spe- Restmengen früher verordneter, also rezeptpflich- mitteln immer ein gewisses unvermeidbares Rest- fach den Idealzustand restriktiver Bestimmungen. zifischen Substanz in der Selbstmedikation jenes tiger Medikamente lagern – eine durchaus täglich risiko – egal, ob diese Medikamente mit oder ohne Apotheker und Arzt stellen ganz klar wichtige Risiko, das bei einer Anwendung unter ärztlicher erlebbare Praxis. Rezept erworben wurden13: Bestimmte Risiken und Gatekeeper und Schnittstellen im gesamten Selbst- Aufsicht entsteht, so wird die Behörde üblicher- Nebenwirkungen liegen nun einmal in der Arznei- medikationsprozess dar. Doch letztlich obliegt es weise von einem Switch absehen. May und Bauer verweisen in ihrer Studie auf eine mittelverwendung an sich begründet. immer dem Patienten selbst, verantwortungsvoll weitere Alltagssituation: „Im Hinblick auf die mit Medikamenten umzugehen und beispielsweise Grundsätzlich wird in Österreich einer „unkontrol- Bewertung der tatsächlichen Schutzfunktion der Da aber der Nutzen der Arzneimittelanwendung vorgeschriebenen Dosierungen einzuhalten. lierten Selbstmedikation“ durch die Gesetzgebung Verschreibungspflicht unter Real-Life-Bedingun- das Risiko übersteigt, muss vorrangiges Ziel sein, Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und politischen Entschei- 12 9 Vgl. Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und politischen Entschei- dungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 40. | 13Vgl. ebd., S. 41. | 14Vgl. GfK (2017): Selbstmedikation. Eine Studie von dungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 37. | 10Vgl. ebd., S. 39. | 11Ebd., S. 40. GFK im Auftrag von IGEPHA. Wien 2017.
14 15 Switch-Kandidaten am Catwalk Im internationalen Vergleich wird deutlich, dass Österreich bei der Verfügbarkeit rezeptfreier Substan- zen Aufholbedarf hat. Gesundheitsökonom Uwe May und Politikwissenschaftlerin Cosima Bauer haben in einer wissenschaftlichen Studie erhoben, welche Substanzlücken durch Switches geschlossen werden könnten. Für ihre Studie „Potenziale und Chancen von Je nach Stellenwert und Marktbedeutung dieser OTC-Switches in Österreich“ trugen die Autoren potenziellen „Switch-Kandidaten“ ergibt sich das Weitere interessante mögliche Switch-Kandidaten eine Liste von Wirkstoffen zusammen, die in vielen folgende Ranking jener Substanzen, die sich für ergab eine von der IGEPHA erhobene Umfrage: 370 Vergleichsländern rezeptfrei erhältlich sind. Die eine Entlassung aus der Rezeptpflicht in Öster- österreichischen Apothekern wurden u. a. folgende breite internationale Verfügbarkeit der ermittel- reich anbieten würden: Frage gestellt: „Im Folgenden sehen Sie Wirkstoffe, ten Substanzen spreche dafür, dass die jeweiligen die bereits mindestens in einem anderen Land re- Zulassungs- und Arzneimittelsicherheitsbehörden zeptfrei erhältlich sind. Sollten diese Wirkstoffe Ih- die Rezeptfreiheit dieser rer persönlichen Meinung nach auch in Österreich Wirkstoffe unter Risiko- Rang Wirkstoff wichtigstes Anwendungsgebiet aus der Verschreibungspflicht in die Apotheken- gesichtspunkten als ver- 1 Diclofenac (oral) leichte bis mittelschwere akute und chronische Schmerzen pflicht entlassen werden?“ Neben den schon in der tretbar eingestuft haben, 2 Mometason (nasal) Heuschnupfen & ganzjähriger Schnupfen (Kortikosteroid) Studie als Top-Switch-Kandidaten identifizierten so May und Bauer. Ketoprofen starke bis sehr starke akute und chronische Schmerzen Wirkstoffen wie beispielsweise Desloratadin und Abb. 2: Potenzielle OTC-Switch-Kandidaten aus pharmazeutischer 3 Cimetidin Ulcus Ventriculi und Ulcus Duodeni Sicht > 50 % 16 Hydrocortison wurde hier außerdem der Switch Cinchocain (topisch) Hämorrhoiden, Hautrisse an After, Mastdarm Und noch etwas lässt von verschiedenen weiteren Wirkstoffen als über- Codein Hustenstiller sich aus der Tatsache ab- aus sinnvoll für Österreich bestätigt. Ausgewählt Hierbei handelt es sich um eine Diskussionsgrund- Desloratadin allergische Reaktionen (Antihistaminikum) leiten, dass eine Substanz Doxylamin succinat leichte Einschlafstörungen wurden in diesem Zusammenhang mit einer Zu- lage, die in der Switch-Debatte zu weiteren Über- bereits in vielen Län- Hydrocortison leichte bis mäßig stark ausgeprägte, juckende oder stimmung von über 50 % beispielsweise topisch legungen anregen soll. Alle Beteiligten – pharma- dern geswitcht wurde: (topisch) entzündliche Hauterkrankungen anzuwendende Mittel gegen Akne, verschiedene zeutische und medizinische Fachkreise ebenso wie Hier besteht ein entspre- Meclozin* Übelkeit, Erbrechen, Schwindelzustände Impfstoffe, v. a. der Grippeimpfstoff (in Kombination Behörden, Patientenvertreter und Arzneimittel- chender Bedarf! Oberste Metoclopramid Übelkeit, Erbrechen mit einer Impfmöglichkeit in der Apotheke), topisch hersteller – sind eingeladen, sich an dieser Priorität kommt dabei Noscapin (Noscapin + Hustenstiller wirksame Antibiotika zur kurzzeitigen Behandlung Diskussion zu beteiligen. Switches zu, durch die Guaifenesin) von Augeninfektionen, Protonenpumpeninhibito- gänzlich neue Optionen Sucralfat Ulcus Ventriculi und Ulcus Duodeni ren (wie etwa Rabeprazol oder Lansoprazol) zur Sumatriptan Migräne für die Selbstbehandlung kurzzeitigen Behandlung von Refluxbeschwerden oder eine neue Indikati- *Dieser Wirkstoff ist zur Zeit in Österreich nicht zugelassen. oder auch systemisches oder oral anzuwendendes Tab. 1: Top-Switch-Kandidaten15 on erschlossen werden. Famciclovir gegen Lippenherpes. Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und politischen Entschei- 15 dungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 53. Da die Switchpotenziale vor dem Hintergrund eines internationalen Vergleichs auszuloten waren, fallen Substanzen wie z. B. Mefenaminsäure, die derzeit 16 Österreichischer Apothekerverband, Verband Angestellter Apotheker Österreichs, Forum!pharmazie - Verein für angestellte Apothekerinnen und praktisch nur in Österreich eine Bedeutung haben, aus dem methodischen Ansatz von vornherein heraus. Gleichwohl können sie für einen Switch infrage Apotheker Österreichs: OTC-Switches. Eine Umfrage innerhalb österreichischer Apotheken. Wien 2017. kommen.
16 17 Österreich als Vorreiter? Visionäre Switch-Projekte Österreich könnte durch innovative Switches zusätzliche Potenziale in der Selbstmedikation erschließen. In Deutschland wurden zur Migränebehandlung Risiko-Relation entsprechen, wie es beispiels- Der Switch von Levonorgestrel oder Ulipristal öff- Rezeptpflicht: 2006 Naratriptan und 2009 Almotriptan aus der weise bei der Notfallkontrazeption der Fall ist. nete einen niedrigschwelligen Zugang zur Not- Weitere mögliche innovative Switch-Kandidaten Substanzklasse der Triptane geswitcht. In Großbri- Zum anderen kann es auch der Fall sein, dass ih- fallkontrazeption ohne die zeitaufwendige und oft wären Antibiotika zur Behandlung von rezidivie- tannien wurde ebenfalls im Jahr 2006 Sumatriptan nen die fest definierten Kriterien der Selbstdiag- gemiedene Konsultation eines zur Verschreibung renden unkomplizierten Harnwegsinfekten, Stati- aus der Rezeptpflicht entlassen. Dort stehen au- nosefähigkeit und/oder einer kurzfristigen, vor- benötigten Arztes. ne zur Cholesterinkontrolle oder auch Aknemittel. ßerdem ein Statin (Simvastatin), das Antibiotikum übergehenden Gesundheitsstörung fehlen17. Azithromycin zur Therapie von Chlamydien-Infek- Österreich habe, so postulieren die Studien- Die Studienautoren fordern für alle zur Diskussi- tionen sowie der Alpha-Blocker Tamsulosin zur Innovative Switch-Kandidaten sind daher immer autoren, einen erheblichen Nachholbedarf bei der on stehenden innovativen Switch-Kandidaten eine Behandlung der benignen Prostatahyperplasie re- einer Einzelfallbetrachtung zu unterziehen. Spezi- Durchführung innovativer Switches. Die beiden offene und evidenzbasierte Nutzen-Risiko-Abwä- zeptfrei zur Verfügung. Neuseeland machte unter fische Effekte gelangen dabei bei der Betrachtung Autoren identifizierten die folgenden Indikatio- gung. Sie appellieren an alle Beteiligten, im Sinne anderem mit dem Switch von Impfstoffen gegen der Nutzen-Risiko-Relation ins Blickfeld. Klar für nen bzw. Anwendungsbereiche als Diskussions- einer konstruktiven Entscheidungsfindung auf un- Grippe, Herpes Zoster und andere Infektionskrank- einen innovativen Switch kann der Vorteil eines felder für zukunftsweisende Entlassungen aus der begründete Vorbehalte zu verzichten. heiten, eines Antibiotikums (Trimethoprim) zur Be- erweiterten Versorgungszugangs sprechen. Dies handlung von urogenitalen Infektionen, mehrerer ist dann der Fall, wenn in einzelnen Indikationsbe- Innovative Switches sind Triptane zur Migränetherapie sowie von Calcipot- reichen eine Unterversorgung droht, weil z. B. ein in der Lage, erhebliche riol gegen Schuppenflechte Schlagzeilen. Arztbesuch für betroffene Patienten eine Hürde Umsatzvolumina gezielt darstellen würde. in den OTC-Markt zu ver- Weniger eifrig waren die USA: Der einzige „First-in- schieben. Und das hätte World“-Switch, der zwischen 2006 und 2016 in den „Die Entlassung neuer Substanzen oder Substanz- attraktive Einsparpoten- Vereinigten Staaten durchgeführt wurde, war jener klassen aus der Rezeptpflicht, wie sie vielen inno- ziale für die Kranken- für ein Wirkstoff-Pflaster mit Oxybutynin zur Be- vativen Switches zugrunde liegt, kann die initiale kassen und das Gesund- handlung der Symptome einer hyperaktiven Blase.Voraussetzung dafür schaffen, dass ganze Anwen- heitssystem zur Folge. dungsbereiche oder Teilindikationen erstmals ei- Werden die gewohnten Grenzen herkömmlicher ner Selbstbehandlung zugänglich werden“, führen eigenverantwortlichen Selbstmedikation bei ei- May und Bauer in ihrer Studie aus18. nem Switch überschritten, so spricht man von einem „innovativen Switch“. Das kann zum ei- So leitete die Freistellung von Nikotin zur Nikotin- Tab.2: Diskussionsvorschläge für innovative Switches in Öster- nen bedeuten, dass sie vermeintlich nicht den ersatztherapie aus der Rezeptpflicht erst den Erfolg reich19 etablierten Standards einer adäquaten Nutzen- verschiedener Raucherentwöhnungskonzepte ein. 17 Vgl. Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und politischen Entschei- 19 Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und politischen Entschei- dungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 57. | 18Ebd., S. 58. dungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 65.
18 19 Und in der Praxis? So funktioniert ein Switch! Zwei Wege können in Österreich beschritten werden, wenn es um die Entlassung aus der Rezeptpflicht geht: Entweder wird eine bestimmte Arzneispezialität in den Status der Rezeptfreiheit übergeführt oder der Switch wird für einen Wirkstoff an sich vollzogen. 1. Switch eines Produktes Diese gibt eine entsprechende Empfehlung an das Ministerium ab. In der Praxis fließt diese Empfeh- Die erste Möglichkeit der Aufhebung der Rezept- lung in eine Änderung der Rezeptpflichtverordnung pflicht ist die Änderung der Klassifikation einer be- ein. Dies bedeutet, dass ein rezeptfreier Wirkstoff stimmten Arzneispezialität. Hierzu bedarf es eines dann generell bzw. unter den angeführten Bedin- Vordringlich gilt es, direkte und indirekte Risiken Hohes Maß an Sicherheit Antrags auf Änderung der Zulassung gemäß § 24 gungen für die Verwendung in der Selbstmedikati- zu beurteilen. Insbesondere ist der Nachweis zu Abs. 2 AMG beim Bundesamt für Sicherheit im Ge- on zur Verfügung steht. führen, dass das Produkt bzw. die Substanz eine Beim Switch vom rezeptpflichtigen zum OTC-Sta- sundheitswesen (BASG). geringe Toxizität aufweist und hinsichtlich der tus wird das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Wirk- Sechs Monate nach diesem Vorgang werden gemäß Nebenwirkungen und der Interaktionen mit an- stoffes oder Produktes unter dem Blickwinkel der Der Weg über die Arzneispezialität bietet gewisse § 2 Abs. 1 Rezeptpflichtgesetz alle diejenigen Arz- deren Arzneimitteln unbedenklich ist. Wichtig ist besonderen Situation der Selbstmedikation einer strategische Vorteile für die beantragende Firma: neimittel mit demselben Wirkstoff rezeptfrei, die der EU-Kommission außerdem, ob der Patient in strengen Prüfung unterzogen und auch danach in Sofern nämlich ein Antrag mit signifikanten klini- die in der Rezeptpflichtverordnung angeführten der Lage ist, die zu behandelnde Erkrankung selbst regelmäßigen Abständen im Rahmen der Pharma- schen oder nicht-klinischen Daten belegt wurde Bedingungen erfüllen. Einzige Ausnahme dieses korrekt zu erkennen und im Zuge der Selbstmedi- kovigilanz überprüft. Dadurch wird ein hohes Maß und diese für die Beurteilung maßgeblich waren, Procedere bildet die Möglichkeit, dass das Bundes- kation die Therapie ohne ärztliche Überwachung an Sicherheit für die Patienten gewährleistet, die so wird diesem Produkt gemäß § 1 Abs. 3a Rezept- amt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) durchzuführen. Dazu benötigt der Patient eine das Medikament eigenverantwortlich anwenden. pflichtgesetz ein Jahr Datenschutz gewährt. Das erneut per Bescheid eine Abgabebeschränkung für aussagekräftige Produktinformation, die gut ver- bedeutet, dass kein weiteres Produkt auf Basis der bestimmte Präparate vorschreibt.20 ständlich und lesbar sein muss und unter anderem vorgelegten Daten geswitcht werden kann. Informationen zu Einnahme, Gegenanzeigen und Warnhinweisen enthält. 2. Switch eines Wirkstoffes Switch-Guideline als Hilfestellung Soll hingegen ein Wirkstoff selbst geswitcht wer- Wird über den Switch eines Produktes oder den, so befasst sich die Rezeptpflichtkommission eines Wirkstoffes diskutiert, so steht vorrangig die als beratendes Gremium des Bundesministeriums Sicherheitsbewertung des Switch-Kandidaten im für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumen- Fokus. Eine Orientierungshilfe bietet dabei die tenschutz mit der Änderung der Klassifikation. Switch-Guideline der EU-Kommission21. 20 Vgl. Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und politischen Entschei- dungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 73. | 21Vgl. EU-Kommission (2012): Reference Dokuments. Im Internet abrufbar unter: http://ec.europa.eu/health/documents/eudralex/vol-2/index_en.htm (Stand: 16.11.2017).
20 21 Switch-Prozesse in Schwung bringen Die Analyse von Gesundheitsökonom Uwe May und Politikwissenschaftlerin Cosima Bauer ergab, dass Österreich in Bezug auf Switches von Substanzen, die in anderen Ländern längst rezeptfrei erhält- lich sind, Aufholbedarf hat. Hier stellt sich nun die Frage: Wie kann der Switch-Prozess erfolgreich in Schwung gebracht werden? Ein Blick auf die Zahlen führt den Status quo ein- heitsbildung der Bevölkerung Rechnung trägt. Das drucksvoll vor Augen: Während in Österreich das zeitgemäße Verständnis für die Bedürfnisse und Verhältnis zwischen rezeptpflichtigen und rezept- Fähigkeiten eines mündigen Patienten führte, so freien Präparaten bei 75 % zu 25 % liegt, teilt sich May und Bauer in ihrer Studie, teilweise zu Entlas- das Spektrum aller Arzneimittel im Nachbarland sungen aus der Verschreibungspflicht, die zu frühe- Deutschland auf 52 % nicht-rezeptpflichtige und ren Zeiten so nicht denkbar gewesen wären25. 48 % rezeptpflichtige Präparate auf – die Waage Cosima Bauer, M. A., und schlägt bei unseren Nachbarn also sogar stärker in „Durch die zunehmende Zahl an Informationsange- Prof. Dr. Uwe May Richtung OTC aus22! boten im Internet und deren immer stärkere Nut- zung durch Verbraucher aller Alters- und Bevölke- Verfügung steht. Derart geförderte nachhaltige May und Bauer führen den identifizierten Switch- rungsgruppen hat diese Entwicklung in Österreich und zukunftsorientierte Self Care hat stets die Rückstand zumindest teilweise auf die Tatsache ebenso wie anderswo an Dynamik gewonnen“, Krankheitsprävention im Auge. zurück, dass es in Österreich praktisch keine po- führen die Studienautoren aus26. Die künftig wohl litische Rückendeckung gebe – von einer proakti- noch schneller fortschreitende Digitalisierung und Switch-Experte Elmar Kroth (BAH) betont, dass ven Unterstützung für die Themen „Self Care“ und Omnipräsenz aufbereiteter Daten und Diagnose- durch Switches therapeutische Lücken geschlos- „Switch“ ganz zu schweigen23. Die Autoren spre- tools könnten diesen Trend sogar noch beschleu- sen und Patienten am medizinischen Fortschritt chen von einer immer noch feststellbaren „Voll- nigen. Aufgabe der Politik in Österreich ist es, die- beteiligt werden können. Öffentliche und private kasko-Mentalität“24 der Bevölkerung. Außerdem sem Trend Rechnung zu tragen. Und das bedeutet, Kostenträger erschließen sich durch Switches er- sei die Bereitschaft, sich auch bei relativ gering- Rahmenbedingungen zu schaffen, die Self Care als hebliche Einsparpotenziale. Außerdem eröffnen fügigen Anlässen in die Betreuung eines Arztes zu wichtigen Bestandteil eines modernen Gesund- sie sich die Chance, freiwerdende Ressourcen für begeben, sehr hoch. heitswesens anerkennen und fördern. die Behandlung schwerwiegender Gesundheits- störungen einzusetzen. Voraussetzung für all dies In Österreich könnte in Sachen Switch einiges in Teil eines solchen Engagements ist die Bereit- ist allerdings eine Belebung des Switch-Prozesses, Bewegung geraten. Dazu müsse man sich aller- stellung einer ähnlich breiten Palette rezept- wie sie in anderen Ländern längst stattgefunden dings einer international zu beobachtenden Ten- freier Arzneimittel, wie sie bereits in anderen hat. denz anschließen, die der zunehmenden Gesund- hochentwickelten switch-aktiven Ländern zur Vgl. Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und politischen Entschei- 22 dungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 71/72. | 23Vgl. ebd., S. 83. | 24Ebd., S. 83. | 25Vgl. ebd., S. 84. | 26Ebd., S. 84/85.
22 23 In Neuseeland und Singapur fördern besonders Rezepte für mehr Rezeptfreiheit kostengünstige und schnelle Prozesse das Interesse an Switches. Wodurch lassen sich Switches stimulieren? Die neuseeländische Switch-Expertin Dr. Natalie Gauld hat gemeinsam mit einem wissenschaftlichen Team in mehreren Studien27 untersucht, wie förderliche und „Viele Unternehmen bevorzugen den Switch auf hemmende Faktoren das Switch-Klima in unterschiedlichen Ländern beeinflussen. Produktebene, der den Transfer einer gut etablier- Dr. Natalie Gauld ten Marke in den OTC-Bereich ermöglicht“, berich- tet BAH-Switch-Experte Elmar Kroth29. Die Bereit- für beide Produktgruppen Trainingsmaterialien Als wichtigste Triebfeder für Switches stellte sich dabei die Unterstützung durch eine entspre- schaft, den Switch von Wirkstoffen zu beantragen, erarbeitet hatte. Nicht zuletzt diese Trainings- chende positive politische Haltung der Regierung sowie der zuständigen Behörden heraus. Gauld sei bei Original-Herstellern weniger stark ausge- programme trugen dazu bei, das Switch-Komitee und ihr wissenschaftliches Team fanden heraus, dass beispielsweise die japanische Regierung prägt – eine nachvollziehbare Einstellung, beginne zu überzeugen: Trimethoprim zur Behandlung von Behörde, Industrie und Apothekerschaft zu Projekten zur Entlassung aus der Verschreibungspflicht doch bei dieser Variante praktisch unmittelbar nach Harnwegsinfekten sowie einige bestimmte Impf- geradezu ermutige. dem Switch häufig ein generischer Wettbewerb. stoffe dürfen in Apotheken nur dann rezeptfrei ab- Als hilfreich werden Regelungen zur Marktexklusi- gegeben werden, wenn der zuständige Pharmazeut In Neuseeland traf das NZL AUS UK USA Japan vität wahrgenommen. Während in der EU und auch zuvor ein entsprechendes Training absolviert hat. Wissenschaftlerteam rund Unterstützung durch Politik/Regierung 0 -- ++ - ++/- in Österreich Antragstellern nur eine einjährige Für ausgewählte geswitchte Produkte ist in Neu- um Natalie Gauld auf ein Aufgeschlossenheit der Behörden und +++ - ++ +/- +/- Marktexklusivität zugestanden wird, erstreckt sich seeland die Abgabe sogar dahingehend einge- insgesamt gegenüber neu- Komitees für Switches diese Schutzphase für frisch geswitchte Präparate schränkt, dass sie durch namentlich akkreditierte en Ideen aufgeschlossenes Zusammenarbeit mit Behörden ++ - +++ +++ + in Japan und in den USA über drei Jahre. Von we- Apotheker oder nur in einem bestimmten Zeitraum Klima. Positiv wurde hier Kosten und Aufwand einer Antragstellung + + - - sentlicher Bedeutung für den Erfolg von Switches erfolgen darf. Bisweilen ist eine ärztliche Erst- Marktexklusivität und Transparenz --- -- + +++ +++ vor allem das Vertrauen ist weiters das Engagement von Apothekern und diagnose erforderlich oder aber das OTC-Präparat Vertrauen der Industrie in das Switch-Komitee ++ -- + + bewertet, das die Industrie Ärzten. Wie Natalie Gauld in ihren Studien feststel- wird nur in bestimmten Packungsgrößen abge- Bevölkerungs- und Marktgröße --- - ++ +++ dem neuseeländischen len konnte, arbeiten in Großbritannien Apotheken- geben. Wird gemeinhin ein kleiner Markt als hin- Werbemöglichkeiten für OTC + -- ++ + +/- Switch-Komitee entgegen- unterschiedliche Abgaberegelungen +++ ++ + -- ++/- organisationen bei der Umsetzung von Switches derlich für eine rege Switch-Tätigkeit gesehen, so bringt. Unterstützung durch Ärzteorganisationen 0 -- ++/- +/- -- aktiv mit Unternehmen und Behörden zusammen scheint in Neuseeland das Gegenteil der Fall zu Einsatz von Einzelpersonen ++ +/-- +/- und unterstützen Apotheken mit Trainingsmaterial. sein: Die geringe Größe des Landes mit seinen Das Switch-Komitee wiede- Kultur der Selbstmedikation +/- +/- +++ -- 4,6 Mio. Einwohnern und seine damit verbundene rum traut den Verbrauchern Erstattung für verordnete Arzneimittel -- + -- + -- Bemerkenswert ist, dass in Neuseeland Switches Flexibilität wurden von vielen Beteiligten sogar zu, prinzipiell mit OTC- Widerstand gegenüber Änderungen/ - -- - - --- bisweilen auf Anträge von dritter Seite zurückgehen. als hilfreich für Switch-Prozesse beschrieben, Arzneimitteln sachgerecht Besitzstandswahrung Elmar Kroth (BAH) berichtet, dass die Freistellung seine „just-do“-Mentalität als vorteilhaft erkannt. umgehen zu können. Tab. 3: Switches-beeinflussende Faktoren nach Gauld et al.28 der „Pille danach“ (2002) und von Chlorampheni- col (2006 bis 2009) in Neuseeland auf Antrag je- ner pharmazeutischen Gesellschaft erfolgte, die 27 Vgl. Gauld NJ, Kelly FS, Kurosawa N, Bryant LJM, Emmerton LM, Buetow SA. Widening Consumer Access to Medicines through Switching Medicines to NonPrescription: A Six Country Comparison, PLOS ONE, September 2014, Vol. 9, Issue 9. / Gauld NJ, Bryant LJM, Emmerton LM, Kelly FS, Kurosawa N, Buetow SA. Why does increasing public access to medicines differ between developed countries? Qualitative comparison of nine countries. J Health Serv Res Policy. 2015; 20(4): 231– 239. / Vgl. Gauld N, Kelly F, Emmerton L, Bryant L, Buetow S. Innovations from ‚down-under‘: a focus on prescription to non- 28 Gauld, N. J.: Switch and pharmacist-supply: A view from abroad. Skript zum Vortrag anlässlich der IGEPHA Switch-Konferenz am 14. März 2018 in Wien. prescription medicine reclassification in New Zealand and Australia. Selfcare Journal. 2012;3(5): 88–107. / Vgl. Gauld NJ, Kelly FS, Emmerton LM, Buetow Zitiert nach: Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und politischen SA. Widening consumer access to medicines: A comparison of prescription to non-prescription medicine switch in Australia and New Zealand. PLoS ONE. Entscheidungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 78/79. | 29Kroth, E. (2017): Begünstigende und behindernde Faktoren 2015;10(3): e0119011. eines Switch. In: Pharm. Ind. 79, Nr. 7. S. 927–932.
24 25 Switches in Österreich fördern Was ist zu tun, um das Switch-Klima in Österreich zu verbessern? Aufbauend auf vorhandenen switch- förderlichen Grundpfeilern, ist anzustreben, die deutlich längere Liste switch-hemmender Faktoren zu reduzieren. May und Bauer haben in ihrer Studie die jeweils Die Voraussetzungen für mehr OTC-Arzneimittel in Switch-fördernden und Switch-hemmenden Fakto- der Apotheke sind damit in Österreich prinzipiell tragen durch eine grundsätzlich an Switches in- lagenschutz, wie etwa in Japan und den USA üblich, ren mit folgender Grafik veranschaulicht: günstig: teressierte Haltung positiv zum Switch-Klima in könnte Switches auch für österreichische Antrag- Österreich bei. steller wirtschaftlich interessanter machen. • Die Apothekenpflicht für rezeptfreie Arzneimit- tel gewährleistet die Möglichkeit, Trotz dieser positiven Voraussetzungen zählt Um es auf den Punkt zu bringen: Beleuchtet man sich umfassend durch geschultes Österreich zu den Schlusslichtern im europäischen sämtliche Rahmenbedingungen des Switch-Pro- Personal über das zu erwerbende und weltweiten Vergleich. zesses, so erweist sich vor allem eine bisweilen Produkt informieren zu lassen. Dies allzu risikofokussierte Perspektive des Switch- erhöht die Sicherheit und fördert so- Was ist also noch zu tun? Komitees als hinderlich. mit ebenfalls Entlassungen aus der Verschreibungspflicht. • Am Beispiel anderer Länder lässt sich ablesen, Die Autoren der Studie „Potenziale und Chancen wie entscheidend gerade eine befürwortende Posi- von OTC-Switches in Österreich“ empfehlen daher • Das praktizierte Preisbildungssys- tionierung der Politik für ein lebendiges Switch-Kli- dringend einen breiteren Ansatz zur Abwägung von tem liefert keine finanziellen Anrei- ma ist. In Österreich ist auf der politischen Agenda Nutzen und Risiko, der neben Anwendungs- und ze für Apotheken, bevorzugt rezept- durchaus noch Platz für ein beherztes Bekenntnis Substanzrisiken auch die Versorgungs- und Knapp- pflichtige Präparate abzugeben. zu Self Care und Eigenverantwortung hinsichtlich heitsrisiken berücksichtige31. der persönlichen Gesundheit. • Dank liberaler Werberegeln kön- nen Verbraucher rasch, umfassend • Wünschenswert sind zudem konkrete gesund- Abb. 3: Switches in Österreich – fördernde und und effizient über neu-geswitchte heitspolitische Maßnahmen, die eine Kultur der hemmende Faktoren30 Produkte informiert werden. Apotheken profitie- zunehmenden Verantwortungsübernahme für die ren so von einer durch die Werbung angeregten eigene Gesundheit fördern. Nachfrage. • Switch-förderlich ist ein verlängerter Unter- • Die zuständigen Behörden AGES (Agentur für lagenschutz für antragstellende Unternehmen. Gesundheit und Ernährungssicherheit) und BASG Aktuell wird die Schutzfrist durch eine EU-Vorgabe (Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen) mit einem Jahr bemessen. Ein dreijähriger Unter- 30 Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und politischen Entschei- 31 Vgl. Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und politischen Entschei- dungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 82. dungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 84.
26 27 Die Rolle des Apothekers „Anspruchsvolle, beratungsintensive Switches unterstreichen die Bedeutung des Apothekers als Heilbe- ruf und sichern die Apothekenpflicht ab“, sagt der deutsche Switch-Experte Elmar Kroth (BAH). Ohne die Unterstützung der Apothekerschaft ver- Der Apotheker sei im Zusammenhang mit der Be- pufft die Wirkung eines Switches rasch. Arbeiten urteilung von Nutzen, Risiken und Aufwand der Pharmaindustrie und Apotheken jedoch Hand in Selbstbehandlung für den Verbraucher eine klare Hand, so profitiert auch der einzelne Apotheker Schlüsselfigur. Aus empirischen Untersuchungs- von den für frisch geswitchte Produkte publizier- ergebnissen lasse sich schließen, dass Apotheken ten Werbekampagnen und der verstärkten Nach- in vielen Fällen der entscheidende Impulsgeber frage durch die Verbraucher. „Switches sind vor al- dafür seien, dass Verbraucher tatsächlich den Weg lem dann erfolgreich, wenn die Apotheker dahinter der Selbstbehandlung wählten, anstatt einen Arzt stehen“, sagt Elmar Kroth. aufzusuchen. Die österreichischen Apotheker genießen seitens Aus dieser begleitenden Unterstützung durch den der Bevölkerung höchstes Vertrauen, wie Umfra- Pharmazeuten ergeben sich erhebliche Einspa- gen immer wieder zeigen32. Dieses Vertrauen bil- rungspotenziale für das Gesundheitswesen. So hat det auch die tragfähige Basis für eine kompetente eine Untersuchung des Beratungsunternehmens Fachberatung und Empfehlungen der Apotheker PriceWaterhouseCooper im Auftrag der britischen zu Präparaten, die aus der Rezeptpflicht entlassen Regierung ergeben, dass Apothekendienstleistun- wurden. gen dem britischen Gesundheitswesen im Jahr 2015 Kosten in Höhe von drei Mrd. Britischen Der Stellenwert einer professionellen Beratung Pfund erspart haben. Die Unterstützung bei der durch den Apotheker beim Kauf eines rezept- Selbstbehandlung leistete dabei mit 40 % den freien Medikaments kann nicht hoch genug ge- größten Beitrag am Gesamtwert, gefolgt vom Arz- schätzt werden. „Wie Befragungen zur subjekti- neimittelmanagement (31 %) und der öffentlichen ven Verbraucherwahrnehmung zeigen, können Gesundheit (29 %)34. Die Studienautoren führen an, hier vor allem Apotheken die Kenntnis- und Ver- dass Berechnungen für Deutschland ebenfalls ei- trauenslücken schließen, die einer Selbstbe- nen hohen gesundheitsökonomischen Wertschöp- handlung entgegenstehen können“, erläutern fungsanteil der Apotheken in der Selbstmedikation SWITCHES bieten Apothekern die May und Bauer in ihrer Studie zu Chancen und bestätigen. Potenzialen von OTC-Switches in Österreich33. Möglichkeit, sich als kompetente Beratungsinstanz auch bei komplexeren 32 Vgl. GfK Studie „Trust in Professions Report 2016“, https://www.gfk.com/fileadmin/user_upload/dyna_content/AT/PM_2016/GfK_PM_Vertrauen_in_Beru- fe_03_2016.pdf. | 33Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und poli- Gesundheitsfragen zu positionieren. tischen Entscheidungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 85. | 34Vgl. PriceWaterhouseCoopers. The value of community pharmacy – detailed report. September 2016. http://psnc.org.uk/wp-content/uploads/2016/09/The-value-of-community-pharmacydetailed-report.pdf.
28 29 Ökonomische Überlegungen rund um den Switch Für marktwirtschaftlich agierende Unternehmen ist nicht zuletzt die Frage ausschlaggebend, ob ein Switch aus ökonomischer Sicht Vorteile bringt. Studien zeigen, dass aus der Rezeptpflicht entlassene Wirkstoffe und Präparate am Markt eine ganz unterschiedliche Performance entwickeln können. Die Autoren der Studie zu Potenzialen und Chancen Zu Vor- und Nachteilen von Switches äußerten sich von OTC-Switches in Österreich verweisen auf eine die befragten Unternehmer wie folgt: Auswertung von Daten, die durch das Marktfor- schungsinstitut Insight Health erhoben wurden. „Perspektivisch bietet ein Zukunftsszenario, Aus ihr geht hervor, dass geswitchte Präparate ei- bei dem mithilfe von Switches eine stärke- nem variablen Preisverhalten unterliegen, das die re Ausrichtung des österreichischen Phar- komplette Bandbreite von einem Sinken bis zu mamarkts auf die Selbstmedikation erfolgt, einem erheblichen Anstieg der Verkaufspreise ab- allen Herstellern neben den beschriebenen deckt. Herausforderungen auch die Chance, sich in einem marktwirtschaftlich geprägten Umfeld May und Bauer führen an, dass die Preisentwicklung freier als im Krankenkassen-Markt zu entfal- dann relativ gut absehbar sei, wenn das neu ges- ten und letztlich mit einem höheren Maß an witchte Produkt in ein bereits durch andere Wirkstof- Planungssicherheit sowie losgelöst von den fe etabliertes Selbstmedikationsumfeld eintrete.35 Regulierungsmechanismen des Erstattungs- sektors zu agieren“, so die Zusammenfassung Österreichische Hersteller von OTC-Präparaten der Studienautoren37. sind hinsichtlich der wirtschaftlichen Konsequen- zen von Switch-Prozessen durchaus optimistisch. Dies ergab eine Mitgliederbefragung, die von der IGEPHA im Frühsommer 2017 im Kontext des Stu- dienprojekts von May und Bauer zum Thema „Swit- ches in Österreich“ durchgeführt wurde. Bei zwölf der 18 Befragten handelt es sich um Hersteller von Abb. 4: Vor- und Nachteile aus Unternehmensperspektive 36 OTC- und Rx-Arzneimitteln, während sechs reine OTC-Hersteller sind. 35 Vgl. Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und politischen Entschei- 37 Bauer, C., May, U.: Potenziale und Chancen von OTC-Switches in Österreich. Daten und Erkenntnisse zur unternehmerischen und politischen Entschei- dungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 102. | 36Ebd., S. 103. dungsfindung. Unter Mitarbeit von Dr. Christoph Baumgärtel. Wien 2018. S. 103.
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