Pädagogisch-psychologische Maßnahmen zum Umgang mit Schulvermeidung - Handreichung für Schulen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Hessisches Kultusministerium Pädagogisch-psychologische Maßnahmen zum Umgang mit Schulvermeidung Handreichung für Schulen ⟡
Impressum Herausgeber: Hessisches Kultusministerium Luisenplatz 10 65185 Wiesbaden Telefon: 0611 368-0 www.kultusministerium.hessen.de Verantwortlich: Wolfgang Heimer Redaktion: Carmen Adenaw, Annika Löffler, Miriam Rackowitz, Petra Steinheider Uta Schmidt-Böcking, Dr. Stephan Jeck Lektorat: Dr. Maria Zaffarana, Wesseling Gestaltung: ansicht Kommunikationsagentur, Wiesbaden Fotos: ansicht Kommunikationsagentur; S. 8 © fotolia/shootingankauf Druck: Druck Brühl GmbH & Co. KG, Ranstadt Vertrieb: Sie finden diese Publikation auf den Internetseiten des Hessischen Kultusministeriums www.kultusministerium.hessen.de unter Presse » Publikationen. Unter https://kultusministerium.hessen.de/publikationen-a-z finden Sie die Gesamtübersicht aller Publikationen. Bestell-Nr.: 10050 Stand: 2. Auflage, Juni 2020 Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Hessischen Landesregierung herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahl- werbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommu- nalwahlen sowie Wahlen zum Europaparlament. Missbräuchlich ist besonders die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner Gruppen verstanden werden könnte. Die genannten Beschränkungen gelten unabhängig davon, wann, auf welchem Wege und in welcher Anzahl die Druckschrift dem Empfänger zugegangen ist. Den Parteien ist jedoch gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden.
Gliederung 1 Allgemeine Informationen 6 1.1 Für wen ist diese Handreichung gedacht? 6 1.2 Was ist Schulvermeidung? 7 1.3 Welche Ursachen von Schulvermeidung gibt es? 8 1.4 Warum sich überhaupt mit dem Thema beschäftigen? 8 2 Registrieren – Recherchieren – Reagieren 10 2.1 Registrieren 10 2.1.1 Umgang mit Fehlzeiten: verbindliche Regeln, Absprachen und Abläufe 10 2.1.2 Warnzeichen 12 2.2 Recherchieren (Ursachenklärung) 13 2.2.1 Schulangst: Leistungsangst, soziale Angst, soziale Konflikte 13 2.2.2 Schulphobie 14 2.2.3 Schulschwänzen 15 2.2.4 Zurückhalten vom Schulbesuch durch die Eltern 16 2.2.5 Übersicht über die verschiedenen Formen von Schulabsentismus 17 2.3 Reagieren 20 2.3.1 Ursachenspezifische Handlungsempfehlungen 20 2.3.2 Allgemeine Handlungsempfehlungen 23 2.3.3 Strategien zur Gesprächsführung 25 2.3.4 Unterstützungsmöglichkeiten und Vernetzung 28 2.3.5 Wiedereingliederung 30 3 Rechtsgrundlagen für schulisches Handeln 32 3.1 Schulpflicht 32 3.2 Umgang mit Entschuldigungen von Fehlzeiten 33 3.2.1 Pflichten der Eltern beziehungsweise der volljährigen Schülerinnen und Schüler 33 3.2.2 Pflichten der Schule 33 3.3 Ordnungswidrigkeitsverfahren und Schulzwang 34 3.3.1 Hinweise zur schulinternen Vorbereitung für das Stellen von Anträgen auf Einleitung 34 von Ordnungswidrigkeitsverfahren beim Staatlichen Schulamt 3.3.2 Ablauf und Durchführung des Ordnungswidrigkeitsverfahrens 35 3.3.3 Tabellarische Übersicht über das Ordnungswidrigkeitsverfahren 37 3.3.4 Ablauf und Durchführung des Schulzwangs 38 3.4 Weitere Rechtsgrundlagen für schulisches Handeln 39 3.4.1 Leistungsbewertung und Notengebung 39 3.4.2 Teilbeschulung und Wiedereingliederung 39 4
G lied erun g 4 Schulkonzept 40 4.1 Umgang mit Schulvermeidung als Baustein des Schulprogramms 40 4.2 Evaluation 43 5 Prävention 44 5.1 Ebene Schule und Kollegium 44 5.1.1 Entwicklung eines guten Schulklimas 44 5.1.2 Professionelle Selbstfürsorge 46 5.2 Ebene Klasse und Schülerinnen und Schüler 47 5.2.1 Lern- und Klassenklima 47 5.2.2 Lernen und schulisches Selbstkonzept 47 5.2.3 Feedbackkultur 47 6 Fazit 48 7 Literatur 49 8 Anhang 50 8.1 Beispiele zur Fehlzeiterfassung 50 8.2 Checkliste: Warnzeichen 51 8.3 Checkliste: Formen der Schulvermeidung 52 8.4 Merkzettel für direktes Reagieren auf unentschuldigtes Fehlen 54 8.5 Hilfe zur Gesprächsvorbereitung 55 8.6 Gliederung zum Gesprächsverlauf 56 8.7 Handlungsleitfaden (orientiert an den „Drei R ‘s“) 57 8.8 Dokumentationsbogen schulischer MaSSnahmen bei Schulabsentismus 58 8.9 Antrag auf Einleitung eines BuSSgeldverfahrens für Allgemeinbildende Schulen 59 8.10 Antrag auf Einleitung eines BuSSgeldverfahrens für Berufliche Schulen 61 5
1 Allgemeine Informationen 1.1 Für wen ist diese Diese Handreichung wurde für Schulen entwickelt. Sie ist als pragmatische Hilfestellung zum Umgang Handreichung gedacht? mit Schulvermeidung gedacht. Es werden sowohl Nahezu jede Lehrkraft kommt im Laufe ihres Berufs- Hintergründe von Schulvermeidung als auch konkrete lebens mit dem Thema Schulvermeidung in Kontakt. Handlungsideen beschrieben, darunter der Umgang Die Tatsache, dass sich Schülerinnen und Schüler dem mit Fehlzeiten und Vorschläge zur Gesprächsführung. System Schule entziehen, ist leider nicht selten. Die Im Anhang befinden sich Arbeitsmaterialien wie Folgen sind oft gravierend. Checklisten, Handlungsleitfäden und Dokumenta- tionsbögen. Wer häufig dem Unterricht fernbleibt, erbringt mit erhöhter Wahrscheinlichkeit schlechtere Leistungen Bitte beachten Sie, dass der Begriff Eltern im Folgen- und hat infolgedessen damit zu rechnen, eine Klasse den dem in § 100 Absatz 1 des Hessischen Schulge- wiederholen zu müssen (PISA 2012). Intensiv ausge- setzes in der Fassung der Bekanntmachung vom prägte Schulvermeidung gehört zu den bedeutsa- 30. Juni 2017 (GVBl. S. 150) (HSchG) definierten men Faktoren für einen späteren Schulabbruch und Personenkreis entspricht. steigert zusätzlich das Risiko für delinquentes Ver- halten (Stamm 2008). Die schulische Unterstützung ist einer der wichtigsten Gelingensfaktoren, wenn es darum geht, gefährdete oder bereits schulabsente Schülerinnen und Schüler wieder zu einem regelmä- ßigen Schulbesuch zu ermutigen. Dabei gilt stets: Je früher gehandelt wird, desto eher entfalten Maß- nahmen auch ihre Wirkung. Es ist daher sinnvoll, sich möglichst zeitig mit dem Thema Schulvermeidung zu befassen. 6
1 . A llg e m e i n e I n f o r m ationen 1.2 Was ist Schulvermeidung? Schulvermeidung ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene Formen des Fernbleibens von der Die Ursachen für das Fehlen Schule: Manche Schülerinnen und Schüler fehlen sind vielschichtig und erfordern zum Beispiel regelmäßig in Randstunden, andere durchgängig mehrere Wochen. Die Ursachen für das jeweils ein spezifisches Vorgehen. Fehlen sind vielschichtig und erfordern jeweils ein spezifisches Vorgehen. Die Begriffe Schulvermeidung und Schulabsentismus Der Begriff Schulvermeidung wird in der Fachlitera- werden hier synonym verwendet. Vom Begriff Schul- tur nicht einheitlich definiert. Das erschwert es, die verweigerung, der in der Literatur zum Teil ebenfalls Häufigkeit einzuschätzen. So interpretieren einige synonym verwendet wird, wird hier abgesehen, da er Fachleute bereits geistige Abwesenheit oder stören- die Annahme impliziert, die Absenz habe grundsätz- des Verhalten und Verspätungen als leichte Form von lich mit aktiver Verweigerung zu tun. Schulvermeidung, andere verwenden diesen Begriff erst ab einer bestimmten Stunden- oder Tagesfehlzahl Auch wenn das schulvermeidende Verhalten psy- (Steins, Weber und Welling 2013). chologisch bedingt ist, kann es von körperlichen Symptomen begleitet sein. Daher können selbst Letztlich zählt jedoch nicht, ab welchem Punkt man entschuldigte Fehltage oder ärztliche Atteste nicht genau von Schulvermeidung sprechen kann. Wich- immer ausschließen, dass es sich um Schulvermei- tig ist vielmehr, dass sich die Schule mit dem Thema dung handelt. Einige Krankheitsgründe, zum Bei- beschäftigt. Damit sich die Problematik erst gar nicht spiel ein Beinbruch, sind gut von Schulvermeidung verfestigen kann, gilt dabei immer: je früher, desto abzugrenzen. Andere körperliche Beschwerden wie besser (siehe Abbildungen 1, 3, 4 und 5). Bauchschmerzen oder Übelkeit können hingegen auch psychosomatisch begründet sein; sie können als Auslöser beziehungsweise als aufrechterhaltende Faktoren fungieren. Psychische von physischen Aus- lösefaktoren für das Fernbleiben zu unterscheiden, ist daher nicht immer leicht. Es muss stets genau beob- achtet werden. Studien und Häufigkeitszahlen Bei wissenschaftlichen Studien stellt sich oft vorab die Frage, ab wann Schulvermeidung überhaupt vorliegt und welche Stichproben einbezogen werden sollen. Dementsprechend unterscheiden sie sich auch in Aufbau und resultierenden Häufigkeitsangaben. Da neben dem Studiendesign auch die Art der Fehlzeiterfassung variiert, ist die tatsächliche Zahl der Schulvermeiderinnen und -vermeider in Deutschland nur grob zu schätzen: ie Zahlen variieren zwischen 5 und 13 Prozent der Schülerinnen und Schüler; die meisten D Studien gehen von mindestens 5 Prozent der Schülerinnen und Schüler aus, die nicht regelmäßig zur Schule gehen. it dem Alter der Schülerinnen und Schüler nimmt auch die Häufigkeit schulvermeidenden M Verhaltens zu. Mehr Jungen als Mädchen zeigen schulvermeidendes Verhalten. ie Anzahl fehlender Schülerinnen und Schüler variiert je nach Schulform, der größte Teil findet D sich in Haupt- und Förderschulen. (aus: Steins et al. 2013) 7
1.3 Welche Ursachen von 1.4 Warum sich überhaupt mit Schulvermeidung gibt es? dem Thema beschäftigen? In der Fachliteratur werden meist Schulangst, Schul- Schnell und effektiv auf das Fernbleiben zu reagieren, phobie und Schulschwänzen als Unterformen von ist für die Schülerinnen und Schülern von hohem Schulvermeidung unterschieden. Nutzen: Schulangst bezieht sich auf konkrete Anlässe und Je länger sie der Schule fernbleiben und sich auch kann beispielsweise durch Mobbing oder Leistungs- innerlich weiter von der Schule entfernen, desto druck ausgelöst werden. größer wird der Aufwand, sie wieder zum regelmä- ßigen Schulbesuch zu motivieren. Dies liegt unter Schulphobie wird durch die Angst verursacht, sich anderem daran, dass vermehrte Fehlzeiten meist zu von zu Hause beziehungsweise von engen Bezugs- Wissenslücken führen, die in ihrer Folge schlechtere personen entfernen zu müssen. Noten und Frustration mit sich bringen können und Schulschwänzen wird als vorsätzliches, meist unent- die Wahrscheinlichkeit weiterer Fehlzeiten erhöhen schuldigtes Fernbleiben von der Schule definiert. (siehe Abbildung 1). Je größer die Distanz zur Schule wird, desto weniger Möglichkeiten haben Schule und Schulvermeidung auf diese Weise zu unterteilen, andere helfende Institutionen, die Betroffenen noch erleichtert zwar die Einordnung mit Hilfe klinischer aufzufangen. Sind sie dem System Schule erst einmal Kategorien; doch Schulvermeidung ist häufig mul- vollends entglitten, ist der Wiedereinstieg in gere- tifaktoriell begründet. Meist ist sie nur eines von gelte Tagesabläufe oft sehr mühsam und funktioniert vielen Symptomen in einem komplexen Geflecht von dann nur noch mit engmaschiger Begleitung. Daher ernstzunehmenden Problemen. Daher muss jeder müssen sich Schulleitung und Lehrkräfte unbedingt Fall einzeln betrachtet und behandelt werden (siehe konsequent mit dem Thema Schulvermeidung aus- Kapitel 2.2) einandersetzen. 8
1 . A llg e m e i n e I n f o r m ationen Dies erfordert zeitliche, personelle und auch materiel- Ein erfolgreicher Umgang mit Schulvermeidung hin- le Ressourcen sowie eine effektive Kommunikations- gegen stärkt das Selbstbewusstsein der Schülerinnen struktur im System Schule. Gründe, sich nicht konse- und Schülern, aktiviert ihre persönlichen Ressourcen quent mit dem Thema auseinanderzusetzen, können und verbessert ihre Zukunftschancen. Somit lassen sein, dass im heutigen Kurssystem der Überblick über sich auf lange Sicht auch gesellschaftliche Folgekos- die Anwesenheit einzelner Schülerinnen und Schüler ten reduzieren. leicht verloren geht und die Häufigkeit des Auftretens („So etwas gibt es bei uns nicht.“) oder die Relevanz des Fehlens („Wir haben alle mal geschwänzt.“) schlichtweg unterschätzt wird. Ein erfolgreicher Umgang Greift die Schule rechtzeitig ein, sendet sie das Signal mit Schulvermeidung aus, dass Erwachsene die Schwierigkeiten wahrge- stärkt das Selbstbewusstsein nommen haben, diese ansprechen und die der Schülerinnen und Schüler ... Betroffenen Hilfe erwarten können. Mehrere Studien nennen Schulvermeidung sogar als Risikofaktor dafür, später straffällig zu werden oder psychische Störungen zu entwickeln (Steins et al. 2013). Abbildung 1: Teufelskreis Lernlücken Fehlzeiten Frustration Lernlücken schlechte Noten Lernen fällt schwerer 9
2 Registrieren – Recherchieren – Reagieren B ei der Intervention und Prävention von Schulvermeidung hat es sich bewährt, in drei Schritten vorzugehen. 2.1. Registrieren 2.1.1. Umgang mit Fehlzeiten: Verbindliche Regeln, Absprachen Als erstes steht das genaue Registrieren von Fehl- und Abläufe zeiten. An zweiter Stelle hilft das sorgfältige Recher- In Deutschland besteht eine allgemeine Schulpflicht chieren der individuellen Ursachen und aufrechter- (siehe Kapitel 3). haltenden Bedingungen, damit wertvolle Daten zur Erkundung der Motivlage berücksichtigt und etwaige Für die Schülerinnen und Schüler bedeutet das, dass Interventionen auf die Besonderheiten des Einzelfalls sie nach § 69 Absatz 4 HSchG insbesondere verpflich- abgestimmt werden können. Möglichst zeitnahes tet sind, regelmäßig am Unterricht und den pflichtmä- Reagieren im dritten Schritt verhindert schließlich, ßigen Schulveranstaltungen sowie an den gewählten dass sich das schulvermeidende Verhalten verfestigt Ganztagsangeboten teilzunehmen, die erforderlichen und dadurch die Wiedereingliederung erschwert wird Arbeiten anzufertigen und die Hausaufgaben zu (siehe in Anhang 8.7). erledigen. 10
2 . R e g i st r i er e n – R e c h er c h i er e n – R eagie ren Für die Eltern bedeutet das, dass sie für die Einhal- Hat die Schule sich für eine bestimmte Art der sys- tung der Schulpflicht ihrer minderjährigen Kinder tematischen Erfassung entschieden, ist im nächsten verantwortlich sind (§ 67 Absatz 1 HSchG). Kommt es Schritt ein einheitliches Prozedere wichtig. Dies muss zu einer Verletzung der Schulpflicht, stellt dies eine konsequent eingehalten werden, wenn Fehlzeiten Ordnungswidrigkeit nach § 181 HSchG dar, für die ein auftreten, insbesondere unentschuldigte. Bußgeldverfahren eingeleitet werden kann (siehe § 12 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über Ordnungs- Die Schulkonferenz soll nach § 2 Absatz 1 Satz 2 widrigkeiten (OWiG)). Je nach Verantwortlichkeit der VOGSV festlegen, wann spätestens und in welcher Schülerin oder des Schülers richtet sich dieses Buß- Form die Mitteilung erfolgen soll, und dass eine geldverfahren gegen sie oder ihn selbst oder gegen schriftliche Entschuldigung vorgelegt oder nachge- die Erziehungsberechtigten. reicht werden muss. Außerdem hat es sich bewährt, dass sich das Kollegium — unter Berücksichtigung des In § 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung zur Gestaltung Einzelfalls — unter anderem über folgende Fragen des Schulverhältnisses vom 19. August 2011 verständigt: (ABl. S. 546), zuletzt geändert durch Verordnung vom Wann spätestens und in welcher Form erfolgt die 29. April 2014 (ABl. S. 234) (VOGSV) heißt es: Mitteilung über die Fehlzeiten an die Erziehungs- „Versäumt eine Schülerin oder ein Schüler den Schul- berechtigten? besuch, haben die Eltern, im Fall der Volljährigkeit die Welche pädagogischen Maßnahmen werden Schülerin oder der Schüler selbst, unverzüglich der Schule den Grund mitzuteilen“ (siehe Kapitel 3). eingeleitet? Wann wird auf Grundlage eines Beschlusses der Für die Schulen bedeutet das, dass es sich nicht um eine Kann-Bestimmung handelt, die Schulpflicht zu Klassenkonferenz nach vorheriger Ankündigung überwachen, sondern die Schulleitung sogar dazu das Vorlegen einer ärztlichen Bescheinigung verpflichtet ist, Sorge für die Erfüllung der Schulpflicht gefordert? zu tragen (§ 88 Absatz 3 Satz 2 Nr. 2 HSchG). Zudem Wann wird ein Ordnungswidrigkeitsverfahren muss jede Lehrkraft bei unregelmäßigem Schulbe- eingeleitet? such nicht nur die erforderlichen schriftlichen Nach- weise führen (siehe § 4 Absatz 4 Satz 2 der Dienst- Wann sollte das Gesundheitsamt einbezogen ordnung für Lehrkräfte, Schulleiterinnen und Schul- werden? leiter und sozialpädagogische Mitarbeiterinnnen Wann und unter welchen Umständen erfolgt eine und Mitarbeiter vom 4. November 2011 (ABl. S. 870), zwangsweise Zuführung? zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 9. November 2016 (ABl. S. 624) (LDO)), sondern der Wie läuft die Wiedereingliederung in die Schule Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer, erforderli- ab? chenfalls auch der Schulleitung, muss darüber berich- tet werden (siehe § 6 Absatz 2 LDO). Die Schule sollte die Eltern über die vereinbarten Abläufe und Hintergründe möglicher Neuerungen Eine lückenlose Anwesenheitskontrolle ist ein wichti- informieren. ger Schritt, um die Schüleranwesenheit zu verbessern (Plasse 2004). Die Methode der Fehlzeitenerfassung sollte zur jeweiligen Schule passen, für die Lehrkräfte im Alltag handhabbar und in jeder einzelnen Schul- stunde möglich sein. Als Alternativen zur Fehlzeiten- erfassung im Klassenbuch bieten sich elektronische Dokumentationsformen wie die Nutzung spezieller Software oder die Dokumentation in einem Intranet an (siehe Anhang 8.1). Datenschutzrechtliche Vorga- ben sind zu beachten. 11
Damit die Schule routiniert mit Fehlzeiten umge- verlässt häufig den Unterricht oder die Schule auf- hen kann, müssen Fehlzeiten regelmäßig durch die grund unspezifischer körperlicher Symptome wie Klassenlehrkraft oder Tutorinnen und Tutoren in der Kopf- oder Bauchschmerzen, Oberstufe gesichtet werden. Fällt dabei auf, dass eine kommt häufig zu spät oder geht früher, Schülerin oder ein Schüler häufiger fehlt, sollten die Fehlzeiten genauer analysiert werden: Sind bestimm- fehlt einzelne Stunden mit oder ohne Entschul- te Fächer, Wochentage, Randstunden besonders digung in bestimmten Fächern, bei bestimmten betroffen? Lehrkräften oder zu bestimmten Zeiten, Insbesondere in größeren Systemen ist es sinnvoll, fehlt an bestimmten Tagen mit oder ohne dass sich Fach- und Klassenlehrkräfte regelmäßig Entschuldigung, zum Beispiel vor oder nach austauschen. Denn oft fehlen Schülerinnen und Schü- Wochenenden oder Ferien, und/oder ler zunächst nur partiell, dann nach und nach immer mehr. Dagegen hilft, das Fehlen sofort zu registrieren fehlt ungewöhnlich lange aufgrund leichter und frühzeitig zu reagieren (siehe Kapitel 2.3). Erkrankungen. Viele der aufgeführten Warnzeichen sind eher unspe- 2.1.2 Warnzeichen zifisch und können Ausdruck unterschiedlichster Schulabsentismus tritt in der Regel nicht plötzlich auf. Problemlagen sein. Häufig gibt es eine Reihe von Warnzeichen (Staat- Schulschwänzerinnen und -schwänzer können sich liches Schulamt (SSA) Fulda 2012, MaßArbeit kAöR meist sehr gut an ihr erstes Fernbleiben vom Unter- 2013), die dem Fernbleiben von der Schule voraus- richt erinnern. Sie wissen häufig noch genau, wie gehen können: ängstlich und besorgt sie negative Konsequenzen Die Schülerin oder der Schüler erwartet haben. Wird ihr Schwänzen von den Lehr- kräften allerdings nicht registriert, kann dies die stört im Unterricht, Hemmschwelle für weiteres Schwänzen senken. Bleiben zeitnahe Konsequenzen aus, erleichtert dies zeigt nachlassende Leistungen, bei bestimmten Risikoschülerinnen und -schülern die ist wenig motiviert oder unzufrieden mit Schule Entscheidung, ihre schulischen Probleme durch ein und Unterricht, solches Vermeidungsverhalten zu lösen. verweigert die Mitarbeit, Lehrkräfte sollten daher in der Lage sein, frühe An- zeichen zu erkennen, um die Problematik gleich zu ist häufig übermüdet oder schläft im Unterricht, Beginn ihrer Entstehung wirksam aufzugreifen. Eine Checkliste findet sich in Anhang 8.2. hat eine belastete Beziehung zu einer Lehrkraft oder mehreren Lehrkräften, 12
2 . R e g i st r i er e n – R e c h er c h i er e n – R eagie ren 2.2 Recherchieren Soziale Angst als Ursache von Schulangst führt dazu, dass soziale Situationen gemieden werden. Aus (Ursachenklärung) Angst, sich zu blamieren oder in peinliche Situationen Dem Schulabsentismus können vielfältige Ursachen zu geraten, verhalten sich betroffene Schülerinnen und Bedingungen zugrunde liegen. Um angemessen und Schüler im Unterricht oft auffallend ruhig, wirken auf die jeweilige Situation reagieren zu können, ist es schüchtern und sprechen sehr leise oder nur nach sinnvoll und wichtig, die verschiedenen Formen der Aufforderung. Schulvermeidung zu unterscheiden und zu prüfen, welche Problematik im Einzelfall konkret vorliegt (SSA Darüber hinaus können soziale Konflikte oder das so- Bebra 2015). ziale Klima in der Schule weitere Ursachen für Schul- angst sein. Dabei kann es sich um Schwierigkeiten mit bestimmten Lehrkräften oder Mitschülerinnen und 2.2.1 Schulangst: Leistungsangst, Mitschülern handeln. Wenn Schülerinnen und Schü- soziale Angst, soziale Konflikte ler über einen längeren Zeitraum einer belastenden Konflikt- oder Mobbingsituation ausgesetzt sind, die Bei Schülerinnen und Schülern, die unter Schulangst sie aus eigener Kraft nicht verändern können, sehen leiden, liegt die Ursache der Schulvermeidung im sie häufig den einzigen Ausweg darin, die Situation zu schulischen Kontext. Verschiedene Auslöser kommen vermeiden. in Frage. Werden diese möglichen Ängste und Sorgen, die das Bei Leistungsangst als Ursache von Schulangst steht Vermeidungsverhalten bedingen, nicht erkannt, kön- die Sorge vor unerfüllbaren Leistungsanforderungen nen sich einzelne Fehlstunden bis zu einer vollständi- im Vordergrund. Sie kann mit einer ausgeprägten gen Vermeidung des Schulbesuchs ausweiten. Prüfungs- und Versagensangst einhergehen. Tatsäch- liche oder befürchtete Leistungsprobleme können zur Folge haben, dass Schülerinnen und Schüler dem Unterricht fernbleiben, um Misserfolgserlebnisse zu vermeiden. Abbildung 2: Mögliche Ursachen von Schulvermeidung Soziale Konflikte Leistungsangst Exzessiver Medienkonsum Soziale Angst Schülerin oder Schüler fehlt in der Schule Zurückhalten vom Schulbesuch Schulphobie Schulschwänzen 13
Da Schulangst oft mit körperlichen Symptomen wie als ob der Auslöser für die Schulvermeidung in der Bauch- und Kopfschmerzen einhergeht, sind die Schule läge, wodurch für Außenstehende die Tren- Eltern in der Regel über die Fehlzeiten informiert und nungsangst als Ursache nicht unmittelbar zu erkennen entschuldigen diese zunächst auch. Eltern werden ist. häufig erst dann misstrauisch, wenn die Symptome regelmäßig und ohne medizinische Grundlage auftre- Typisch bei Schulphobie sind psychosomatische Be- ten oder sich die Symptome schlagartig reduzieren, schwerden wie Kopf- und Bauchschmerzen, teilweise sobald die Erlaubnis gegeben worden ist, zu Hause mit Erbrechen. Symptomatisch ist außerdem die zu bleiben. Oft bessern sich die Symptome über vehemente, gegebenenfalls körperlich aggressive das Wochenende, treten in den Ferien nicht auf und Weigerung, sich auf Situationen einzulassen, die eine verschlimmern sich oder treten erneut auf, sobald der Trennung von der Bezugsperson beinhalten, zum Schulbesuch wieder ansteht (zum Beispiel am Sonn- Beispiel den Schulweg anzutreten. Wegen der körper- tagabend oder am Ende der Ferien). lichen Beschwerden entschuldigen Eltern das Fehlen ihres Kindes anfangs häufig. 2.2.2 Schulphobie Ist das Ziel, nicht zur Schule zu müssen, dann erreicht, klingen die Beschwerden im Laufe des Vormittags Bei einer Schulphobie wird die Schule vermieden, wieder ab und verlieren sich ganz, sobald die Tren- wobei der Grund dafür keinen direkten Bezug zur nung von der Bezugsperson nicht mehr droht. Die Schulsituation hat. Im Gegensatz zur Schulangst spielt Vermeidungshaltung ist dabei nicht nur auf Schule hier Trennungsangst, also eine extreme Angst vor der beschränkt, sondern betrifft auch andere Aktivitäten, Trennung von der Bezugsperson beziehungsweise die eine Trennung von der Bezugsperson erfordern. den Bezugspersonen, eine zentrale Rolle. Sie kommt Das Kind hat somit überhaupt keine andere Möglich- gehäuft im Grundschulalter vor und ist mit der Sorge keit zu erleben, dass die Trennung keine Bedrohung verbunden, während der Abwesenheit könnte den darstellt, was das Vermeidungsverhalten aufrechter- Bezugspersonen etwas zustoßen. Durch eigene Tren- hält oder sogar noch verstärkt (siehe Abbildung 3). nungsängste können Eltern die Ängste des Kindes noch zusätzlich verstärken. Manchmal erscheint es so, Abbildung 3: Teufelskreis Trennungsangst Angst vor Trennung von Bezugspersonen Trennung bleibt Vermeidung der Trennung weiterhin bedrohlich. Erleben, dass Trennung nicht Angst reduziert sich, bedrohlich ist, bleibt aus. Kind fühlt sich besser. 14
2 . R e g i st r i er e n – R e c h er c h i er e n – R eagie ren Bei Schülerinnen und Schülern mit Fluchterfahrung Schwänzende Schülerinnen und Schüler haben in können im Zuge des Schulbesuchs verstärkt Tren- der Regel — zumindest aus ihrer Sicht — gute Gründe nungsängste auftreten. Bedingt durch möglicherwei- für ihr Verhalten, wie beispielsweise das Erleben von se traumatische Erlebnisse während der Flucht kann Sinnlosigkeit in der Schule oder eine gefühlte Pers- die Trennung von den familiären Bezugspersonen pektivlosigkeit. Schulschwänzen kann auch dazu die- als besonders bedrohlich empfunden werden. Ohne nen, ungeliebte Lehrkräfte oder Mitschülerinnen und eine therapeutische Betreuung ist diesen Schülerin- Mitschüler nicht mehr treffen zu müssen. Das Schwän- nen und Schülern ein regelmäßiger Schulbesuch häu- zen stellt also einen Lösungsversuch bei Konflikten fig nicht möglich. Dieser besondere Umstand sollte oder fehlenden sozialen Fertigkeiten dar. Mit zuneh- beim Schulabsentismus von Seiteneinsteigerinnen mendem Alter geraten Jugendliche verstärkt unter und -einsteigern unbedingt mitbedacht werden. sozialen Druck, weil sie sich Gleichaltrigen gegenüber behaupten müssen und dazugehören wollen. Damit gewinnen die Werte der Peergroup an Bedeutung. 2.2.3 Schulschwänzen Haben diese dem Schulbesuch gegenüber eine Gehen Schülerinnen und Schüler ohne Wissen der negative Einstellung, können sich schulvermeidende Eltern und ohne Entschuldigungsgrund nicht in die Verhaltensweisen leicht verstärken. Schule, spricht man von Schulschwänzen. Dies kann sich auf ganze Tage, bestimmte Stunden oder einzel- Hinter der schulischen Problematik steht häufig noch ne Fächer beziehen. Da sich Schulschwänzer in der ein familiäres System, das den Absentismus mit- Regel nicht zu Hause aufhalten, erfahren Eltern häufig bedingt, da es die Schulpflichtigen nur mangelnd erst durch eine Nachfrage aus der Schule von der beaufsichtigt. Mangelndes Interesse oder Vernach- versäumten Unterrichtszeit ihrer Kinder. Während die lässigung können, müssen jedoch nicht die Ursache Mehrzahl der schwänzenden Schülerinnen und Schü- sein. Beispielsweise haben alleinerziehende berufs- ler dem Unterricht nur gelegentlich fernbleibt, gibt es tätige Elternteile und Eltern in Schichtarbeit trotz Fälle chronischer Schulschwänzer, die über Wochen großer Bemühungen oft zeitlich nicht die Möglichkeit, und Monate die Schule nicht oder nur unregelmäßig den durchgängigen Schulbesuch ihres Kindes zu besuchen und damit Wissenslücken ansammeln, überwachen. Sie müssen sich auf den selbstständi- die nur mit erheblichem Lernaufwand wieder zu gen Schulbesuch ihres Kindes schlichtweg verlassen. schließen sind. Abgesehen von den Fehlzeiten fallen Die Lebenssituation der Familie sollte daher bei der schwänzende Schülerinnen und Schüler daher auch Suche nach Ursachen, aber auch bei der Suche nach vermehrt durch mangelnde Schulleistungen oder Lösungen und notwendigen Unterstützungsmaßnah- Verhaltensproblematiken im Schulalltag auf. men, berücksichtigt werden. Tabelle 1 zeigt die häufigsten Formen des Schul- schwänzens (Steinheider 2016). Tabelle 1: Formen des Schulschwänzens Formen Intensität Mögliche Motive sporadisch einzelne Langeweile, jugendlicher Nonkonformismus, Gelegenheitsschwänzen Tage, einzelne Stunden Prüfungsvermeidung regelmäßig Fächer oder Aversionen gegen bestimmte Lehrkräfte, Fächer oder Lektionenschwänzen Randstunden Unterrichtsformen Leistungsprobleme, Versagensängste, soziale Gewohnheitsschwänzen mehrere Tage im Monat Probleme, Mobbing, familiäre Probleme, Schulunlust kaum bis gar kein erhebliche Schuldistanz, Mangel an Schulinteresse, Langzeitschwänzen Schulbesuch mehr Perspektivlosigkeit 15
Im Bundeskinderschutzgesetz (Gesetz zur Koopera- tion und Information im Kinderschutz vom 22. Dezem- In einigen Fällen halten ber 2011) wurden neben der Jugendhilfe auch die Eltern Schülerinnen und Schüler Schulen dem Kinderschutz besonders verpflichtet. Werden Lehrkräften in Ausübung ihrer beruflichen absichtlich vom Schulbesuch fern. Tätigkeit Anhaltspunkte für die Gefährdung des Kin- deswohls bekannt, müssen sie tätig werden, indem sie mit den beteiligten Personen die Situation erörtern und auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken. 2.2.4 Zurückhalten vom Schulbesuch Dabei haben sie den Schutz des Kindes oder durch die Eltern Jugendlichen stets im Auge zu behalten In einigen Fällen halten Eltern Schülerinnen oder (§ 3 Absatz 10 HSchG). Bei der Risiko- und Schüler absichtlich vom Schulbesuch fern. Ursachen Gefährdungseinschätzung sowieder Planung hierfür können psychische oder körperliche Erkran- weiterer Schritte haben Lehrkräfte Anspruch kungen der Eltern sein, die von ihren Kindern zudem auf Beratung durch eine „Insoweit erfahrene viel Unterstützung zu Hause fordern. Auch kulturelle Fachkraft“ im Kinderschutz (IseF), die von den oder religiöse Überzeugungen können dazu führen, örtlichen Jugendhilfeträgern bereitgestellt wird. dass der Schulbildung nur eine geringe Bedeutung beigemessen wird oder die Eltern ihre Werte und Überzeugungen durch die im schulischen Kontext Die Beratung kann auf Wunsch anonym erfolgen. vermittelten Inhalte gefährdet sehen (zum Umgang Erweisen sich die Anhaltspunkte als gewichtig genug, mit religiösen Konfliktfällen siehe auch „Hinweise zur hat die Schule dies dem Jugendamt zu melden. Ist Rechtsprechung bei Konfliktfällen in der Schule auf das Kindeswohl allerdings akut und hochgradig Grund religiöser Grundüberzeugungen“ ABl. 2012, gefährdet, muss das Jugendamt unverzüglich einge- S. 405). schaltet werden (siehe Handreichung zum Umgang mit sexuellen Übergriffen im schulischen Kontext). In einzelnen Fällen kann das gezielte Zurückhalten des Kindes vom Schulbesuch auch dazu dienen, Wenn der Schule in Ausnahmefällen anhand von körperliche oder sexuelle Missbrauchssymptome zu nachweisbaren Tatsachen bekannt wird, dass Schü- verdecken. Sichtbare Hinweise auf häusliche Gewalt lerinnen oder Schüler insbesondere von den Eltern sollen damit vor Außenstehenden verborgen oder dauernd oder hartnäckig wiederholt absichtlich am Äußerungen des Kindes darüber verhindert werden. Schulbesuch gehindert werden, sollte mit dem zu- Dies macht genaues Hinsehen erforderlich. ständigen Staatlichen Schulamt abgestimmt werden, ob es in Betracht kommt, dass das Staatliche Schulamt nach § 182 HSchG als schärfstes Zwangsmittel im Um- gang mit Schulschwänzen eine Strafanzeige stellt. 16
2 . R e g i st r i er e n – R e c h er c h i er e n – R eagie ren Exkurs: Exzessiver Medienkonsum Die Nutzung von Medien ist für Kinder und Jugendliche ein wichtiger Bestandteil ihres sozialen Lebens und als solche nicht verwerflich. Ein deutlich erhöhter Medienkonsum, zum Beispiel durch PC, Smartphone, TV und Spielekonsolen, kann im schulischen Kontext jedoch problematisch werden, wenn damit eine erhöhte Schulunlust und eine geringe Leistungszufriedenheit einhergeht (Leuphana Universität Lüneburg 2012). In extremer Ausprägung kann Medienkonsum zu einer psychischen Abhängigkeit führen, aus der sich Jugendliche aus eigener Kraft nicht mehr befreien können. Weitere Begleiterscheinungen können Antriebsverlust, sozialer Rückzug, Verlust der Tagesstruktur, Verschiebung des Tag-Nacht-Rhythmus, mangelnde Körperhygiene, Schlafmangel und Konzentrationsdefizite sein. Schulische Pflichten wie der tägliche Schulbesuch oder die Erledigung von Hausaufgaben haben keine Priorität mehr und werden daher vernachlässigt. Wird nach den Ursachen des Schulabsentismus gesucht, sollte daher ebenfalls die Frage nach exzes- sivem Medienkonsum beziehungsweise einer Medienabhängigkeit eine Rolle spielen. Dabei kann die Mediennutzung sowohl Ursache als auch Folge sein: Es ist einerseits möglich, dass bei einer Schülerin oder einem Schüler eine Medienabhängigkeit vorliegt und aufgrund des exzessiven Medienkonsums die Schulpflicht vernachlässigt wird. Andererseits lässt sich auch beobachten, dass Schülerinnen und Schüler, die schon seit längerer Zeit nicht mehr zur Schule gehen, einen exzessiven Medienkonsum als Folge des Schulabsentismus aufweisen, da sie die digitalen Medien als attraktive Beschäftigungs- möglichkeit mit hohem Belohnungscharakter nutzen. 2.2.5 Übersicht über die verschiedenen Formen von Schulabsentismus In der Realität sind die verschiedenen Formen von Schulabsentismus mit ihren unterschiedlichen Ursa- So können beispielsweise chen nicht immer trennscharf voneinander abgrenz- häufige Misserfolge aufgrund von bar. So können häufige Misserfolge aufgrund von Leistungsschwierigkeiten eine Schulangst auslösen, Leistungsschwierigkeiten und auch Schulunlust und fehlende Sinnhaftigkeit eine Schulangst auslösen ... können dazu führen, dass Schule aktiv geschwänzt wird. Um angemessene Interventionsansätze entwi- ckeln zu können, ist es sinnvoll, die genauen Motive des Fernbleibens zu hinterfragen und zu erfassen. Tabelle 2 stellt die unterschiedlichen Formen von Schulabsentismus systematisch dar (siehe auch Anhang 8.3). 17
Tabelle 2: Formen der Schulvermeidung (SSA Fulda 2012) Schulangst Soziale Leistungsangst Soziale Angst Konflikte Charakteristische orge vor unerfüll- S ngst, sich zu blamieren oder in A robleme im P Merkmale/ baren Leistungs- peinliche Situationen zu geraten sozialen Miteinander Kurzbeschreibung anforderungen Furcht vor Bewertung durch andere in der Schule usgeprägte Prüfungs- a Menschen und Versagensangst Anzeichen und t ypische körperliche erlegenheit, Scham und V onflikte mit K Begleitfaktoren Anzeichen: Publikumsangst Mitschülerinnen Bauchschmerzen, körperliche Beschwerden ähnlich und Mitschülern Übelkeit, Durchfall, wie bei Leistungsangst Unstimmigkeiten Kopfschmerzen, mit Lehrkräften extreme Schüchternheit, Meiden Schweißausbrüche, von Blickkontakt Mobbing Zittern, Harndrang, Schlaf- und Konzen- uffallend ruhiges Verhalten im a Erpressung trationsstörungen Unterricht; leises, undeutliches Drohungen Sprechen meist nur nach Aufforderung Vermeidung sozialer Aktivitäten Selbstunsicherheit Sind die Versäumnisse in der Regel ja (häufig lange Fehlzeiten aufgrund von unspezifischen Krankheitssymptomen) entschuldigt? Wissen die Eltern in der Regel ja vom Absentismus? Aufenthaltsort zuhause der Schülerin/ des Schülers Mögliche schulische s tark einschränkender überbehütender Erziehungsstil ngeklärte kleine u und familiäre Erziehungsstil hohe Kontrolle Konflikte können sich Bedingungsfaktoren Androhung von ausweiten und wenig emotionale Zuwendung Strafen verfestigen negative Erfahrungen häufige Verweise gescheiterte mangelnder Selbstwert Lösungsversuche auf die besseren Leistungen eines wahrgenommene oder tatsächliche gefühlte Hilflosigkeit Geschwisters Defizite in sozialen Fertigkeiten s ubjektiv empfunde- schulische ne Ablehnung oder Überforderung Zurückweisung zu hohe Erwartungen ngünstige Gruppen- u unangepasste Didaktik dynamik in der Klasse egative, entmutigen- n de, oder kränkende Rückmeldungen nach Prüfungen 18
2 . R e g i st r i er e n – R e c h er c h i er e n – R eagie ren Schulphobie/ Zurückhalten vom Schulschwänzen Exkurs Trennungsangst Schulbesuch Exzessiver Medienkonsum Trennung von der Vermeidung von Initiative geht von den xzessive Beschäftigung e Bezugsperson wird als Schulunlust Erziehungsberechtigten mit Medien, wie Internet, bedrohlich erlebt aus oder Erziehungsbe- TV, Smartphone, rechtigte begünstigen Spielekonsole oder unterstützen die Schulvermeidung nfähigkeit, den Schulweg zu U chule erscheint sinnlos S esinteresse oder D eduzierung sozialer R bewältigen oder das Haus zu und nicht lebensnah Aversion der Eltern Kontakte, Rückzug verlassen f ehlende Bereitschaft, gegen die Schule familiäre Konflikte ermeidung nicht auf Schule V sich an gesellschaftliche Krankheit der Eltern Verlust der Tagesstruktur, beschränkt, sondern betrifft Normen und Konventio- kulturelle Unterschiede Verschiebung des auch andere Aktivitäten, die nen zu halten Tag-Nacht-Rhythmus eine Trennung erfordern törung des S nzeichen von Verwahr- A psychosomatische Sozialverhaltens losung, mangelnde Beschwerden bei Trennung Körperhygiene von Bezugsperson örperliche Folgen, k ngst, dass Bezugsperson A z. B. Schlafmangel und etwas zustoßen könnte Konzentrationsstörungen ngst vor Krankheit, Sterben A und Tod nein, gegebenenfalls fin- häufig ja gierte Entschuldigungen häufig nicht ja, Eltern unterstützen oder häufig ja dulden die Fehlzeiten zuhause, mit Elternteil häufig nicht zuhause, in der Regel zuhause in der Regel zuhause mit Mitschülerinnen bezie- hungsweise Mitschülern s ehr enge und gleichzeitig Vernachlässigung ltern kümmern sich E rhöhter Medienkonsum e unsichere Bindung an eine durch die Eltern wegen eigener Probleme kann Ursache der Schul- Bezugsperson Vorbildfunktion nicht (zum Beispiel Such- unlust/Schulvermeidung Überbehütung durch Eltern wird nicht terkrankung, psychische sein wahrgenommen (zum Erkrankung) edienkonsum kann M roblematische Familienkon- p stellationen oder traumatische, Beispiel Pünktlichkeit) s chulkritische Einstellung auch in Folge der Schul- unverarbeitete Trennungs- egative Schulerfahrun- n der Eltern, zum vermeidung als Be- erlebnisse gen Beispiel aus religiösen schäftigungsmöglichkeit oder kulturellen genutzt werden Verluste und Enttäuschungen Schulunlust Gründen odellverhalten der M orgen um die (problembela- S aum Erfolgserlebnisse k Kindeswohlgefährdung Eltern/Geschwister denen, einsamen oder kranken) in der Schule (Schulvermeidung um Erziehungsverhalten Eltern Lernstörungen Verletzungen zu ver- (Fehlen effektiver nangemessene große u onflikte oder Probleme K heimlichen oder entlar- Kontrolle des Medien- Verantwortung (z. B. für in der Familie vende Äußerungen zu konsums) Geschwister) verhindern) f ehlende Zukunftspers- pektiven und Berufschancen 19
Die Fallmanagerin oder der Fallmanager hat die zentrale Verantwortlichkeit, um die Maßnahmen zu ko- Am Beginn aller Maßnahmen ordinieren. Diese Rolle kann die Klassenlehrerin oder sollte immer das Gespräch mit der Klassenlehrer, aber ebenso eine andere Lehrkraft, die eine unbelastete Beziehung zu der Schülerin oder den Eltern und der Schülerin oder dem Schüler hat, übernehmen. Das Fallmanagement dem Schüler stehen. sollte nicht mit dem ersten Schulbesuchstag beendet, sondern so lange fortgesetzt werden, bis sich die Schülerin oder der Schüler stabilisiert hat und wieder kontinuierlich zur Schule kommt. Am Beginn aller Maßnahmen sollte immer das Ge- 2.3 Reagieren spräch mit den Eltern und der Schülerin oder dem 2.3.1 Ursachenspezifische Schüler stehen (siehe Kapitel 2.3.3). Eltern kennen ihr Handlungsempfehlungen Kind am besten und können dadurch wesentlich zur Aufklärung der Hintergründe beitragen; Eltern steht Welches Vorgehen sich bei welcher Ursache von zudem ein Informationsanspruch nach § 72 HSchG Schulvermeidung eignet, zeigt Tabelle 3. Dort werden zu. Außerdem lassen sich ohne Mitarbeit, Information auch Personen und Institutionen genannt, die die oder Zustimmung der Eltern die meisten Interventi- Schule unterstützen können. Denn bei Fällen von onen nicht erfolgreich und rechtssicher durchführen. Schulabsentismus sind häufig weitere Fachkräfte Die Eltern sollten also stets mit einbezogen sein (Aus- (zum Beispiel Beratungs- und Förderzentrum, nahme: Missbrauch, siehe Zurückhalten vom Schulbe- Jugendamt, Schulpsychologie) zu beteiligen. Der such durch die Eltern in Kapitel 2.2.4). Dokumentationsbogen schulischer Maßnahmen bei Schulabsentismus (siehe Anhang 8.8) kann dabei als Manchmal ist es günstig, wenn eine Lehrkraft die Orientierungshilfe verwendet werden, um schulische Gespräche führt, die eine besondere Vertrauensbasis Maßnahmen zu strukturieren und gegebenenfalls zu der Schülerin oder dem Schüler hat. weiteren Fachkräften in Kopie auszuhändigen. Bei Fällen von Mobbing oder beschämenden Versa- Um das Vorgehen zu koordinieren und zu gemeinsa- genserlebnissen offenbaren sich Kinder und Jugend- men Absprachen zu gelangen, sollten die Fachkräfte liche häufig nur Personen ihres besonderen Vertrau- alle Vorinformationen aus den verschiedenen Berei- ens. chen zusammentragen. Ein geeigneter Rahmen ist der sogenannte Runde Tisch, an dem alle beteiligten Institutionen vertreten sind und die Maßnahmen ko- ordinieren. Dabei ist vorab zu klären, wer das Fallma- nagement übernimmt (im Regelfall die Schule). 20
2 . R e g i st r i er e n – R e c h er c h i er e n – R eagie ren Tabelle 3: Interventionen bei Schulvermeidung (SSA Fulda 2012) Anzeichen, Mögliche Unterstützung Interventionen Formen, Ursachen der Schule durch Zuspätkommen, as Kind mit seinem Verhalten d innerschulisch: Lehrkräfte Abhängen einzelner konfrontieren Stunden, sporadisches das Versäumte nacharbeiten lassen Fehlen Gespräch mit den Eltern führen Fehlzeitenmuster identifizieren Ursachen erforschen auffällige Verhaltens- espräche mit den Eltern, der Schülerin G Beratungs- und Förderzentren weisen, Leistungsabfall, oder dem Schüler führen (BFZ), Schulpsychologie Schulunlust rage nach den Ursachen stellen F (Über- oder Unterforderung, Konflikte, familiäre Probleme etc.) ntsprechende Unterstützungsmaßnahmen e einleiten Leistungsangst lären, ob Kind den Anforderungen entspre- k BFZ, Schulpsychologie, chen kann (gegebenenfalls sonderpädago- außerschulische Förderung, gische oder psychologische Diagnostik) Psychotherapie eistungsansprüche mit den Eltern L thematisieren ei Überforderung Nachhilfe, Klassen- b wiederholung, sonderpädagogische Förderung andenken ei starker Prüfungsangst verhaltensthera- b peutische Maßnahmen erwägen soziale Angst uwendung, Lob, Erfolge ermöglichen, Z außerschulische Institutionen, Stärken fördern Schulpsychologie, Psychotherapie elbstbewusstsein und soziale S (siehe Unterstützungsmöglich- Kompetenzen stärken keiten und Vernetzung in Kapitel 2.3.4) ventuell außerschulische Maßnahmen e (zum Beispiel soziales Kompetenztraining, Kurse zur Selbstbehauptung) einleiten Nachholen des Lernstoffs organisieren ermeidungsverhalten als problemverstär- V kend im Elterngespräch thematisieren sychotherapeutische Unterstützung p anregen Konflikte in der Schule intergründe des Konflikts im Gespräch mit H BFZ, Schulsozialarbeit, der Schülerin oder dem Schüler erfragen Schulpsychologie onflikt klären: Gespräch mit den K beteiligten Personen, Mediation ei verfestigter, länger andauernder Proble- b matik (Mobbing) gezielte Interventionsansät- ze anwenden, wie „No Blame Approach“ egebenenfalls Maßnahmen zur g Verbesserung des Klassenklimas einleiten 21
Schulphobie ltern über aufrechterhaltende E Schulpsychologie, Bedingungen aufklären (siehe Teufelskreis Familientherapie, in Kapitel 2.2.1) Erziehungsberatung ach Möglichkeiten suchen, n den Teufelskreis zu durchbrechen sychotherapeutische Unterstützung p oder Erziehungsberatung anregen Selbstständigkeit des Kindes fördern Schulschwänzen Eltern über Fehlzeiten zeitnah informieren Schulpsychologie, BFZ, Schulvermeidung konsequent sanktionieren Jugendamt nnäherung an den regelmäßigem Schul- A besuch systematisch verstärken (siehe Ver- haltensvereinbarungen in Kapitel 2.3.2) nwesenheit lobend zur Kenntnis nehmen A (positive Verstärkung beim Schulbesuch durch gesteigerte Zuwendung) ventuell die Schülerin oder den Schüler e vorübergehend von den Eltern zur Schule bringen lassen ventuell Ordnungswidrigkeitsverfahren e einleiten ventuell Unterstützung durch das e Jugendamt empfehlen Zurückhalten vom rdnungswidrigkeitsverfahren gegen die O Schulpsychologie, Schulbesuch Eltern einleiten Beratungsstellen (Suchtberatung, nterstützungsmöglichkeiten für die Eltern U Kinderschutzbund), Jugendamt erwägen (zum Beispiel Suchtberatung, psychosoziale Beratung, Therapie) ei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung auf b die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken egebenenfalls die Beratung einer g „Insoweit erfahrenen Fachkraft“ im Kinderschutz (IseF) einholen ei deutlichen Anzeichen für Kindeswohl- b gefährdung Jugendamt einschalten in extremen Fällen von absichtlicher Verhinderung des Schulbesuchs Strafantrag möglich (siehe Kapitel 3.3.2) Exzessiver espräch mit der Schülerin oder dem G Schulpsychologie, Medienkonsum Schüler sowie den Eltern führen Fachstellen zum Thema lären, ob Medienkonsum Ursache k Medienabhängigkeit, oder Folge der Schulvermeidung ist Suchtberatung andere mögliche Ursachen eruieren ei Verdacht auf Medienmissbrauch b oder -abhängigkeit auf spezielle Beratungs- stellen und therapeutische Unterstützung verweisen oder miteinbeziehen 22
2 . R e g i st r i er e n – R e c h er c h i er e n – R eagie ren 2.3.2 Allgemeine ten Fällen ein Nachteilsausgleich nach § 7 Absatz 2 Handlungsempfehlungen VOGSV gewährt werden. Ebenso kann von den allgemeinen Grundsätzen der Leistungsfeststellung Folgende Empfehlungen können helfen, auf Schul- oder von den Grundsätzen der Leistungsbewertung absentismus angemessen zu reagieren (siehe abgewichen werden, sofern die rechtlichen Voraus- Anhang 8.4): setzungen beachtet werden (§ 7 VOGSV). Dies kann eine differenzierte Aufgabenstellung umfassen oder Nehmen Sie sich Zeit für ein persönliches Gespräch auch eine stärkere Gewichtung mündlicher Leistun- mit der Schülerin oder dem Schüler. gen. Klären Sie dies im Vorfeld ab. Geben Sie der Schülerin oder dem Schüler mög- lichst frühzeitig das Signal, dass Sie die Abwesenheit bemerken und ihre oder seine Anwesenheit wün- Auch Fragen der Benotung und gegebenen- schen. Dabei ist der Ausdruck persönlicher Anteil- falls Auswirkungen auf Versetzungsentschei- nahme („Ich mache mir Sorgen.“) hilfreich. Wer die dungen, die zu treffen sind, müssen berück- Gespräche übernehmen soll, kann entweder nach Beziehungsqualität oder formaler Zuständigkeit ent- sichtigt werden. Können die Leistungen einer schieden werden (Thimm 2007). Gerade bei älteren Schülerin oder eines Schülers in Fächern oder Schülerinnen und Schülern ist eine vertrauensvolle Lernbereichen aus Gründen, die die Schülerin Schüler-Lehrer-Beziehung entscheidend. oder der Schüler etwa wegen längerer Krank- heit nicht zu vertreten hat, nicht beurteilt wer- Helfen Sie der Schülerin oder dem Schüler, den den, sind im Zeugnis keine Noten einzutragen. Anschluss beim Lernstoff nicht zu verlieren. Im Zeugnis ist zu vermerken, dass die Schüle- Wenn Schülerinnen und Schüler das Gefühl haben, rin oder der Schüler die fehlende Benotung durch ihr häufiges Fehlen inhaltlich viel verpasst zu nicht zu vertreten hat (§ 60 Absatz 8 VOGSV). haben, und befürchten, keinen Anschluss mehr zu Eine Versetzung kann in besonders begrün- finden, kann dies dazu beitragen, dass sie immer öfter deten Ausnahmefällen auch ohne Ausgleich der Schule fernbleiben — ein Teufelskreis. nicht ausreichender Leistungen erfolgen, Besprechen Sie mit der Schülerin oder dem Schüler, wenn besondere Umstände vorliegen, die die wie sie oder er die verpassten Inhalte nacharbeiten Schülerin oder der Schüler nicht zu vertreten kann. Auf Antrag der Erziehungsberechtigten kann hat (§ 17 Absatz 3 Satz 3 VOGSV). durch Beschluss der Klassenkonferenz in begründe- Abbildung 4: Teufelskreis Versagensängste Fehlen Vermeidung der befürchteten Befürchtungen, Leistungsanforderung Lernstoff verpasst zu haben Versagensängste 23
Wirken Sie Ängsten vor negativen Kommentaren Der Vertrag sollte entgegen. zeitlich überschaubar und inhaltlich verständlich Wenn Schülerinnen und Schüler Kommentare der Mit- sein, schülerinnen und Mitschüler scheuen, wie „Na, auch mal wieder da?“ oder „Warum hast du denn schon konkrete Schritte und realisierbare Zielsetzungen wieder gefehlt?“, kann dies vermeidendes Verhaltens enthalten, über die ein Konsens zwischen Schüle- verstärken, ein neuer Teufelskreis (siehe Abbildung 5). rin oder Schüler, Eltern und Lehrkraft besteht, Sprechen Sie mit der Klasse über die Ängste vor enthalten, welchen Beitrag die Schülerin oder der negativen Kommentaren, um solche Äußerungen Schüler, aber auch die Schule leistet, zu verhindern. Sprechen Sie vorab mit der Schülerin oder dem Schüler, wie sie oder er auf entsprechende motivierende Verstärker enthalten, wobei durch Kommentare reagieren könnte. die Lehrkraft oder die Eltern festgelegt wird, welche Leistung für welchen Verstärker erbracht Treffen Sie mit der Schülerin oder dem Schüler feste werden muss (Beispiel: Für den wertvollsten Verhaltensvereinbarungen. Verstärker, etwa der Besuch eines Popkonzerts, Schulen können nach § 1a VOGSV mit einzelnen muss die höchste Leistung erbracht werden: zum Eltern und einzelnen Schülerinnen und Schülern Ver- Beispiel ein ununterbrochener Schulbesuch von einbarungen schließen, in denen konkrete Verhaltens- vier Wochen), erwartungen formuliert werden. Verhaltensvereinba- enthalten, wie die Einhaltung der Vereinbarun- rungen in Form von schriftlichen Verträgen erhöhen gen überprüft wird (etwa durch Abzeichnen der die Verbindlichkeit der Absprachen und geben der Anwesenheitskarte nach jeder Stunde) und welche Schülerin oder dem Schüler das Gefühl, dass sie oder Konsequenzen bei Nichteinhaltung folgen (zum er ernst genommen wird. Beispiel Fernsehentzug ab zwei Stunden Unter- richtsversäumnis), Abbildung 5: Teufelskreis Soziale Ängste Fehlen Vermeidung der befürchteten Befürchtungen vor sozialen Situation negativen Kommentaren Soziale Ängste 24
Sie können auch lesen