Paris brennt Von James P. Hare - Rosa Luxemburg Stiftung
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Paris brennt Von James P. Hare Mit seiner Entscheidung, aus dem Pariser Kli- um ein Kernstück seiner America-first-Agenda, maschutzabkommen in aller Form auszustei- welche die Verheißung neuer Arbeitsplätze im gen, hat Trump langen Monaten scheinbarer Inland gegen Umweltschutz und internationale Unentschlossenheit ein Ende gemacht. Zwar Zusammenarbeit ausspielt. Trumps gefährli- hebt sein Rückzug das Abkommen, das ja nach che Melange aus Nationalismus und Leugnung wie vor fast alle Länder dieser Erde umfasst, der Klimakrise ist entschieden abzulehnen. nicht auf – schwer vorstellbar allerdings, dass Es kommt aber zugleich darauf an, keine Illu- ein ohnehin schwacher Vertrag ohne die Teil- sionen darüber zu nähren, worum es bei so nahme der Vereinigten Staaten die Zunahme manchem, was als internationale Kooperation der Treibhausgasemissionen abbremsen kann, verklärt wird, in Wahrheit geht. So genannte von einer Umkehr der Erderwärmung ganz zu Handelsabkommen etwa haben Konzerne und schweigen. Kurz: Wer Trumps Entscheidung Superreiche auf Kosten arbeitender Menschen nicht als Sargnagel für das globale Klimaregime sowohl in den Vereinigten Staaten selbst als begreift, macht sich wohl nur etwas vor. auch im Ausland begünstigt. Selbst angesichts einer schon jetzt endlos er- Folgt man Trumps nativistischer Argumentation scheinenden Serie politischer Fehlentscheidun- vom „bad deal“, sind die USA in den NAFTA-Ver- gen – in Sachen Krankenversicherung, Einwan- handlungen von Mexiko über den Tisch gezogen derung oder Militarismus bis hin zur anhalten- worden. Tatsächlich aber haben die Herrschen- den Wohlstandsumverteilung von unten nach den sowohl in den Vereinigten Staaten als auch oben – könnte diese die folgenschwerste der in Mexiko und Kanada ein gutes Geschäft ge- neuen Regierung sein. Vielleicht werden künf- macht – auf Kosten der einfachen Bürgerinnen tige Generationen im Rückblick auf den von und Bürger aller drei Länder. Den arbeitenden Trump angerichteten Schaden den Ausstieg Menschen ist allerdings durchaus klar, wie sehr aus dem Klimaabkommen als sein größtes NAFTA ihre Arbeitsplätze und ihre Communitys Verbrechen einstufen. Das heißt keineswegs, schädigt. Trumps Attacken auf Handelsabkom- die schädlichen Folgen seiner sonstigen Politik men könnten ihm also wirklich geholfen haben, oder des Rassismus, der Fremden- und Frauen- in wahlentscheidenden Bundesstaaten (den feindlichkeit zu unterschätzen, die sein Wahl- „swing states“) genügend Arbeitnehmerstim- kampf geschürt hat und die ihn ins Weiße Haus men zu gewinnen, um die elektorale Geogra- trugen, aber der Klimawandel ist schlichtweg phie zu seinen Gunsten zu kippen. Andererseits die Frage aller Fragen. Er trifft jede und jeden wurde das Ausmaß der Unterstützung, die er in und spitzt zudem alle bestehenden Ungerech- der Arbeiterschaft gefunden hat, von etablier- tigkeiten noch weiter zu. Dabei haben wir nur ten Kommentatoren erheblich übertrieben. eine einzige Chance, ihn zu korrigieren. Trumps Entscheidung kommt allerdings nicht Zwei schlechte Pfade überraschend. Im Wahlkampf hatte er wieder und wieder versprochen, er werde von dem Trotz seines klaren Wahlkampfversprechens, Pariser Abkommen abrücken. Es handelt sich vom Klimaschutzabkommen abzurücken, hat 1
JAMES P. HARE PARIS BRENNT Trump vor der Entscheidung monatelang hin Doch vor die Wahl zwischen zwei schlechten und her manövriert. Nach seiner Amtsüber- Pfaden gestellt, hat Trump, wie schon bei so nahme drängten mächtige Interessengrup- vielen Entscheidungen der neuen Regierung, pen darauf, an den Pariser Vereinbarungen den eindeutig schlechteren eingeschlagen. festzuhalten. Auf den ersten Blick könnte man Dass die Vereinigten Staaten bocken und inter- das für eine Folge des mäßigenden Einflus- nationale Verpflichtungen nicht einhalten, ist ses halten, den Ivanka Trump angeblich auf an sich nichts Neues. Diesmal allerdings dürf- ihren Vater ausübt. Gibt es möglicherweise ten viele Länder das amerikanische Verhalten eine freundlichere, behutsamere Version des zum Vorwand dafür nehmen, ihrerseits eben- Trumpismus, die weiß, dass „America zuerst“ falls aus dem Abkommen auszusteigen. Wie nicht notwendigerweise heißen muss, die Um- provisorisch der in Paris erzielte Konsens auch welt hintanzusetzen? Leider nein. Zwar raten sein mag – ihn aufzubrechen wird unabsehba- unzählige Stimmen dazu, dass die Vereinigten re Folgen haben, auch dann noch, wenn Trump Staaten am Pariser Abkommen festhalten. schon längst nicht mehr im Weißen Haus sitzt. Aber glaubt irgendwer, dass Umweltgruppen, europäische Politiker oder die Demokraten im Andere internationale Abkommen werden Kongress Trump veranlassen werden, seine durch diesen Bruch ebenfalls in Mitleiden- Einstellung zu überdenken? schaft gezogen. Wenn die Vereinigten Staaten Hals über Kopf aus einem Vertrag aussteigen, Sicher, wenn ExxonMobil, der Außenminister der das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit ist, (und frühere CEO von ExxonMobil) Rex Tiller- bewirkt das einen enormen Vertrauensverlust. son und Energieminister Rick Perry empfehlen, Dieser unterminiert die bestehende Weltord- an dem Abkommen festzuhalten, können wir nung und beschädigt alle Aussichten auf künf- davon ausgehen, dass Trump deren Sichtwei- tige multilaterale Abmachungen. se in Betracht zieht. Schließlich unterstützen diese Trump-Verbündeten durchaus dessen Pläne, Umweltschutzmaßnahmen abzubauen. Eine Agenda des Schlimmer-als-gar- Ihnen ist allerdings klar, dass sie, wenn sie in nichts der Pariser Runde verbleiben und auf Nach- verhandlungen pochen, das Abkommen von Die Entscheidung, das Pariser Abkommen innen heraus aushöhlen können, ohne die di- aufzukündigen, ist zweifellos ein Desaster. plomatischen Nachteile eines förmlichen Aus- Wir sollten allerdings nicht so töricht sein zu stiegs in Kauf nehmen zu müssen. glauben, dieses Abkommen reiche auch nur im Entferntesten dazu aus, die Klimakrise zu Trump hat also nicht etwa zwischen einer kli- bewältigen. Selbst wenn sie vollständig um- mafreundlichen und einer klimafeindlichen gesetzt würden, könnten die Verpflichtungen, Agenda geschwankt. Unschlüssig war er allen- die die Teilnehmerstaaten jeweils übernom- falls eine Zeit lang darüber, welches die beste men haben, lediglich eine Verlangsamung des Strategie zum Abbau der Umweltschutzmaß- Zuwachses an Treibhausgas-Emissionen be- nahmen sei. Dass er sämtliche Maßnahmen wirken, aber keinerlei Reduktion, schon gar dieser Art aus der Obama-Ära abschaffen will, nicht auf das von der Wissenschaft geforderte hat Trump mehr als klar gemacht. Sein Vorstoß, Niveau. Obamas Clean Power Plan (vom 3. August 2015) zu widerrufen, belegt eindeutig: Eine Trump-Ad- Darüber hinaus werden die vom Pariser Ab- ministration denkt gar nicht daran, die in Paris kommen bevorzugten Verfahren – etwa im eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten. Emissionshandel – die private Kontrolle des 2
JAMES P. HARE PARIS BRENNT Energiesektors vertiefen und den Zugriff des nahmen – ja sogar deutlich größere Schritte Marktes ausweiten. Das erschwert die Durch- zum Übergang in eine von Kohlenstoff weitge- setzung der Veränderungen im öffentlichen hend unabhängige Zukunft – unterstützen. Sektor, deren es bedarf, um einen Energiewan- del zu fördern, der nicht auf dem Rücken der Der Konflikt, dessen Zeuge wir hier werden, Arbeitnehmer, rassistisch definierter Minder- spielt sich innerhalb der Kapitalistenklasse ab, heiten, von Frauen und anderen verletzlichen wobei die gierigsten Angehörigen dieser Klas- Gruppen erfolgt. se – darunter in vorderster Linie diejenigen, deren Geschäfte sich um fossile Brennstoffe Machen wir uns also nicht mit der sonst so drehen – in Opposition zu „progressiveren“ Ka- selbstgefälligen globalen Elite in ihrer Trauer um pitalisten stehen, etwa denen im Technologie- diese zweifelhafte Errungenschaft gemein. Doch sektor. Trump ist offenkundig zum Sprachrohr immerhin war diese besser als gar nichts, was der bösartigsten und extremsten Kapitalisten in gewöhnlichen Zeiten kein großes Lob wäre, geworden, die auf einen radikal extraktivis- aber wir leben nicht in gewöhnlichen Zeiten. tischen und autoritären Neoliberalismus zu- steuern. Clinton, Obama und deren Verbün- Trump verheißt eine Agenda des Schlim- dete repräsentieren die progressivere Seite mer-als-garnichts. Genügt nicht schon ein Blick des Neoliberalismus, die einen grünen Kapi- auf Scott Pruitt, den neuen Chef der US-Um- talismus anstrebt. So oder so keine gute Wahl, weltschutzbehörde EPA, um zu sehen, was uns gewiss, aber tun wir nicht so, als seien beide in Sachen Klima- und Umweltschutzmaßnah- gleich schlimm. men blüht? Dieser Mann hat als Justizminis- ter von Oklahoma die Umweltschutzabteilung Der Wandel, den wir brauchen, wird nicht von seines Hauses aufgelöst und seine ministeriel- den Politikern ausgehen. In Sachen Klima – wie le Macht hartnäckig dazu eingesetzt, die EPA in so vielen anderen Fällen – erfordert der Wi- und Umweltschutzregelungen generell auf der derstand gegen Trumps Agenda etwas ande- ganzen Linie zu bekämpfen. Sollte es da über- res. So bildet sich gerade eine Klimagerech- raschen, dass er im Lauf der Jahre enorme tigkeitsbewegung heraus, die darauf drängt, Wahlkampfgelder der Öl- und Gaswirtschaft insbesondere die vom Klimawandel am stärks- für sich einwerben konnte? Pruitt als Chef der ten Betroffenen zu unterstützen. Sie führt Umweltbehörde? Hier wurde eindeutig der Gruppen, die in vorderster Front Widerstand Bock zum Gärtner gemacht. leisten, mit Ureinwohnern, Umweltschützern, Gewerkschaften und vielen anderen Kräften Das Pariser Abkommen steht wie der Clean Po- zusammen. Initiativen wie die Gewerkschaf- wer Plan und andere von der Obama-Adminis- ten für Energiedemokratie (Trade Unions for tration getroffene Umweltschutzmaßnahmen Energy Democracy) beispielsweise haben eine – die von einer Clinton-Administration vermut- weltweite Gemeinschaft von Gewerkschafts- lich übernommen worden wären – sicherlich führern gebildet, die auf die Förderung echter nicht für eine radikale Agenda. Wie schon ge- Lösungen für Klimafragen hinarbeiten, solcher sagt reichen diese Maßnahmen vielmehr zur nämlich, die Ausdruck demokratischer Wil- Bewältigung der Krise keineswegs aus. Oben- lensbildung und gemeinwohlorientiert sind. drein würden viele Unternehmen (darunter Von der Rekommunalisierung lokaler Energie- ganze Wirtschaftszweige) und vorbehaltslos versorgungsnetze bis hin zur Blockade neuer prokapitalistische Weltpolitiker (vom chinesi- Infrastrukturen für fossile Brennstoffe – die schen Präsidenten Xi Jinping bis zur deutschen Möglichkeiten, aktiv zu werden, sind schier un- Bundeskanzlerin Angela Merkel) solche Maß- begrenzt. 3
JAMES P. HARE PARIS BRENNT Der Schaden, den Trump anrichtet, darf wahr- wegung schaffen, die groß genug, kreativ ge- lich nicht unterschätzt werden. Doch wer auch nug und radikal genug ist, um nicht ignoriert immer Präsident der Vereinigten Staaten ist werden zu können. Wie der People’s Climate und was auch immer in den Vereinten Natio- March postulierte: „To change everything, we nen an globalen Abkommen zur Debatte steht need everyone“, „Um alles zu ändern, brau- – in jedem Fall müssen müssen wir eine Be- chen wir alle.“ Weitere Publikationen zum Thema Hundert Tage Trump Von Ethan Young - April 2017 Donald Trump und der Niedergang der amerikanischen Unipolarität Von Vijay Prashad - Januar 2017 Donald Trump und der Aufstieg der nationalistischen Rechten Von C. Kilpatrick, L. Spence, L. Featherstone, und E. Young - Dezember 2016 Veröffentlicht von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Büro New York, Juni 2017 Herausgeber: Stefanie Ehmsen und Albert Scharenberg Adresse: 275 Madison Avenue, Suite 2114, New York, NY 10016 E-Mail: info.nyc@rosalux.org; Telefon: +1 (917) 409-1040 Gefördert mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist eine international tätige, progressive Non-Profit-Organisation für politische Bildung. In Zusammenarbeit mit vielen Organisationen rund um den Globus arbeitet sie für demokratische und soziale Partizipation, die Ermächtigung von benachteiligten Gruppen, Alternativen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und für friedliche Konfliktlösungen. Das New Yorker Büro erfüllt zwei Hauptaufgaben: sich mit Themen der Vereinten Nationen zu befassen und mit nordamerikanischen Linken in Hochschulen, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und der Politik zusammenzuarbeiten. www.rosalux-nyc.org 4
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