Pax_zeit 3_2014 - Völker - Ethnisierung der Politik - Pax Christi
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2 | pax_zeit | 3_2014 | Editorial Editorial Wir erinnern uns alle noch an das grausame Morden in Ru- anda vor zwanzig Jahren. Menschen wurden getötet, weil sie einer bestimmten Volksgruppe angehörten. Menschen töteten, weil sie einer bestimmten Volksgruppe angehörten. Auf dem Balkan hat zwanzig Jahre nach dem Krieg die Ab- grenzung zwischen Menschen entlang ethnisch definierter Identität weiterhin hohe Bedeutung. Und wieder bricht in Europa ein Konflikt aus, bei dem ethnisierende Identitätsbil- Weggefährte des Friedens dung zur Grundlage von Gewalttätigkeit wird: Er wolle die pax christi trauert um Pater Paulus Engelhardt OP russisch-stämmigen Einwohner schützen, war Putins Argu- 1921 - 2014 ment bei der Einverleibung der Krim. So unterschiedlich die Foto: pax christi Situationen, so gemeinsam die ethnisierende Konfliktbe- schreibung. Weltweit werden viele gewaltsame Konflikte Mit Trauer aber auch voll Dankbarkeit für die lange Zeit mit Volks- oder Stammeszugehörigkeiten begründet und seines segensreichen Wirkens hat pax christi die Nachricht immer wieder finden sich Menschen, die durch ideologi- vom Tode des früheren Geistlichen Beirats und langjähri- sche Aufladung ihrer Volkszugehörigkeit zu hassen bereit gen Mitglieds, Pater Paulus Engelhardt OP, aufgenommen. sind und gewalttätig werden. Diese Beobachtung ist der Paulus Engelhardt war Präsidiumsmitglied und Geistlicher Hintergrund für den Schwerpunkt dieses Heftes: Völkerkon- Beirat von pax christi in den Jahren 1971 bis 1987. flikte. Drei Einblicke in die Lage in Ruanda, Indien und Bosni- en-Herzegowina reflektieren die Konfliktursachen. Der Dominikaner Paulus Engelhardt kam Mitte der 1950er Jahre zu pax christi und hat seit dieser Zeit maßgeblich an Aktiv für den Frieden ist seit hundert Jahren der Versöh- der Entwicklung und Ausgestaltung der Bewegung mitge- nungsbund. Für die pax_zeit Anlass genug, stellvertre- wirkt. Sein Markenzeichen war mehr das Zuhören als das tend für alle Versöhnungsbundler/innen, den ehemaligen Reden. Umso überzeugender gelang seine Rede, weil sie IFOR-Präsidenten Hans Ulrich Gerber zu Wort kommen zu durch sein persönliches Zeugnis an Kraft gewann. Der Sohn lassen. Hundert Jahre zurück blickt der Präsident unserer einer jüdischen Mutter, der die Verfolgungen durch den deutschen pax christi-Sektion auf die Katholik/innen und Nationalsozialismus unmittelbar erlebte, fand die Kraft den Ersten Weltkrieg – eine kirchenpolitisch wegweisende zur Versöhnung mit einer Gesellschaft, der das Schicksal Erklärung, die ohne jeden Schnörkel bekennt, welche Schuld seiner Familie und eines ganzen Volkes weitestgehend die Kirche im Ersten Weltkrieg auf sich geladen hat. gleichgültig geblieben war. Er stellte sich in den Dienst der Versöhnung, indem er in pax christi die Brücken zu Frank- In die Zukunft der pax christi-Bewegung blickt der Kandidat reich, Polen und Israel/Palästina schlug. Noch weit vor dem für das Amt des Bundesvorsitzenden (früher Vizepräsident) Wort der deutschen Bischöfe „Gerechter Friede“ setzte er Norbert Richter aus Essen und stellt die Blickrichtung der sich kritisch mit der Lehre vom gerechten Krieg auseinan- von der Delegiertenversammlung eingerichteten AG 2020 der und trat engagiert für weltweite Abrüstung und alter- vor. Die Kommission Friedenspolitik stellt Überlegungen native Konfliktstrategien ein. zum Dialog mit der Militärseelsorge vor und dann folgen die beliebten Kurzmeldungen aus Bundesvorstand, Kommissio- nen und Diözesanverbänden. Impressum pax_zeit Zeitschrift der deutschen pax christi-Sektion. Herausgeberin pax christi Dieses Heft erscheint in einer grausam konfliktreichen Zeit – Deutsche Sektion, Hedwigskirchgasse 3, 10117 Berlin, sekretariat@paxchristi.de, www.paxchristi.de Redaktion Klaus Beurle, Christine Hoffmann (verantw.), Odilo auch und gerade im Nahen und Mittleren Osten. Metzler, Josef Roberg, Markus Weber Titelfoto UN Photo/Sylvain Liechti Gesamt- herstellung Ute Begemann, Köln Druck und Versand Druckerei Hitzegrad GmbH & Co. KG, Wuppertal. Ich wünsche uns allen Kraft für den Weg des Friedens in Zei- Die Redaktion behält sich den Abdruck und die Kürzung von Leserbriefen vor. ten von Gewalt und Unrech. Und Gottes Schutz und Segen pax christi – Deutsche Sektion e.V., Hedwigskirchgasse 3, 10117 Berlin, besonders all denen, deren Alltag durch Gewalt geprägt ist. Tel. 030 2007678-0, sekretariat@paxchristi.de Christine Hoffmann Gedruckt auf Circleoffset Premium White (100% Recycling, FSC-zertifiziert) Redaktionsschluss für die Ausgabe 4_2014: 31.10.2014.
Inhalt | pax_zeit | 3_2014 | 3 Inhalt Völker Konflikte Meldungen Seite 4 Seite 18 Indien – jetzt ganz rechts? Notizen aus dem Bundesvorstand Klaus Beurle Sabine Kaldorf Seite 6 Seite 18 Bosnien heute – zwischen 1914 und 2014 Nachrichten aus den Kommissionen Dževada Šuško Odilo Metzler Seite 19 Seite 8 Meldungen aus den Diözesanverbänden Manipulierte Erinnerungsdiskurse? Markus Weber Heinz Werner Wessler Seite 22 Aktiv für den Frieden Aus Leser/innenbriefen Seite 10 Glaube Perspektive Gewalt und Krieg sind keine Lösung Interview mit Hansuli Gerber Seite 23 Feldpostbrief 2014 Bewegung Veronika Hüning Seite 12 Die Katholiken und der Erste Weltkrieg Heinz Josef Algermissen Seite 14 pax christi im Jahr 2020 in Kirche und Gesellschaft – ein Ausblick Norbert Richter Seite 16 „Respektvoll und streitig“ Kommission Friedenspolitik Völker Konflikte Vor 20 Jahren wurden in Ruanda innerhalb von 100 Tagen mindestens 800.000 Menschen bestialisch ermordet, im Sommer 1994 flohen hunderttausende Hutu in den Osten von Zaire. Angesichts des Jahrestages des Beginns des Völ- kermords an den Tutsi am 6./7. April veröffentlichte die Kommission Solidari- UN Photo/Sylvain Liechti tät mit Zentralafrika in Zusammenarbeit mit der pax christi-Gruppe „Twese Hamwe”, eine Erklärung unter dem Titel „Versöhnung und Wahrheit” (pax_ zeit 2_2014). Wie die Erinnerungskultur aktuell in Ruanda aussieht, erfahren Sie in der Rubrik Völker Konflikte auf den Seiten 8 und 9.
4 | pax_zeit | 3_2014 | Völker Konflikte Indien – jetzt ganz rechts? Zwischen Tradition und Moderne Der Unterschied zwi- schen arm und reich, zwischen Tradition und Moderne ist in Indien mehr als sicht- bar. Wird die neue politische Gangart zu einer Verbesserung der Lebensverhältnis- se für alle führen? Fotos: KNA Klaus Beurle stehe bevor, durch den Indien seinen Charakter als säkularer Staat verlieren könne. Orthodoxe Hindus erheben der Hin- Am 26. Mai wurde Nahendra Modi, der Vorsitzende der dutva-Mythologie folgend den Anspruch, dass das moderne Bharatiya Janata Party (BJP), als Premierminister Indiens Indien nicht Erbe multi-religiöser und multi-kultureller Zivi- vereidigt. Seine Partei hatte bei den Lok Sabha Wahlen, den lisationen sei, sondern Erbe der hinduistischen Zivilisation. Unterhauswahlen für das gesamtindische Parlament, ei- „Im Programm der Hindutva wird ein von Hindus in geokul- nen phänomenalen Sieg errungen. Der Hindu-Nationalist tureller Einheit dominierter Subkontinent angestrebt und Nahendra Modi wurde zum Regierungschef der weltweit eine Neuschreibung der indischen Geschichte gefordert”. größten Demokratie gewählt (1.2 Milliarden Einwohner). Die traditionsreiche Kongresspartei, die von der Gandhi/ Es gibt widersprüchliche Ansichten zu dem Entwicklungspo- Nehru-Dynastie – nicht mit Mahatma Gandhi zu verwech- tenzial, das die hinduistische Zivilisation in sich birgt. Noch seln – über Jahrzehnte beherrscht worden war, hatte ihr vor zwei Jahrzehnten gab es starke Stimmen, die im tradi- schlechtestes Ergebnis bei allen gesamtindischen Wahlen tionsgebundenen Kastensystem, in der Stellung der Frau der letzten 60 Jahre erreicht. oder der unkontrollierbaren Korruption Hinderungsgründe für eine Modernisierung Indiens sahen. „Sie bezweifelten, Die vorbildlich abgelaufenen Wahlen dauerten vom 7. April dass die sozialen und wirtschaftlichen Antriebskräfte, wel- bis zum 12. Mai, bei denen ca. 815 Millionen Wahlberechtigte che die hinduistische Religion, Philosophie und Denkweise in 930.000 Wahllokalen ihre Stimmen abgaben – Indien hat freizusetzen in der Lage sind, für eine Entwicklung des Lan- mehr Wahlberechtigte als die gesamte Europäische Union, des zu einem relativen Wohlstand ausreichten“. die Vereinigten Staaten und Russland zusammen. Die Wah- len zogen sich über Wochen hin – aus Sicherheitsgründen, Noch vor drei Jahrzehnten erschien das Lebensziel eines weil die Polizei nicht in allen Bundesländern gleichzeitig für großen Teils der damals nur 600 Millionen Hindus auf die Sicherheit und Ordnung sorgen kann. Verbesserung des Karmas gerichtet zu sein, nicht aber auf gesellschaftliche Veränderungen durch Industrialisierung, Widersprüchliche Ansichten durch Informationstechnologien u.ä. Spätestens seit der Der Sieg der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party Durchsetzung der wirtschaftlichen Liberalisierungspolitik (BJP) mit Nahendra Modi als Wahllokomotive hat indessen vor zwei Dekaden hat sich jedoch das Ethos eines Großteils Befürchtungen verstärkt, ein Wandel des Wertesystems der inzwischen knapp eine Milliarde Hindus entscheidend
Völker Konflikte | pax_zeit | 3_2014 | 5 Viele Inder glauben Landesfläche: 3.287.000 qkm daran, dass sich Hauptstadt: New Delhi mit circa 13,8 durch äußere Rituale Millionen Einwohnern eine entscheidende Bevölkerung: circa 1,2 Milliarden Verbesserung des (Volkszählung 2011) Seelenzustandes er- Bevölkerungswachstum: circa 1,7% reichen lasse. Sünden pro Jahr z.B. können durch ein Landessprachen: Hindi und Englisch, Bad im Ganges weg- 21 weitere anerkannte Sprachen gewaschen werden. Religionen: Hinduismus (circa 80,5%), Islam (circa 13,4%), Christen- tum (circa 2,3%), Sikhismus (circa 1,9%) sowie Buddhismus, Jainismus, Parsen und andere geändert. Richtungsweisend ist heute die durch Medien sichtlich die Energien des neuen Selbstbewusstseins der propagierte globale Verwestlichung und Vermarktung der Hindus zunächst bündeln und bändigen lassen. Exzesse ge- Gesellschaft. gen religiöse Minderheiten könnten so verhindert werden. Nicht der Religion, sondern seiner wirtschaftlichen Erfolge Religion der Hindus spielt große Rolle in Gujarat wegen wurde Modi gewählt. Entscheidend wird Die säkulare Kongresspartei regierte acht Jahre lang. Ihr sein, ob sein Gujarat-Modell auf Gesamtindien übertragen zuvor war die hinduistische BJP-Regierung unter Premier werden kann. Nicht an der Hindutva-Ideologie wird sich das Vajpayee an der Macht, gleichfalls acht Jahre. Die hinduis- Schicksal der Modi-Regierung entscheiden, sondern an den tische Vajpayee-Regierung wurde abgewählt, weil ihr eine wirtschaftlichen Fortschritten. Die erste einschneidende wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnis- Veränderung, die die Regierung Modi herbeigeführt hat, se, die sie vollmundig versprochen hatte, nicht gelungen war die Erhöhung der Bahnpreise um 14 Prozent, was vor war und weil sie nach kurzer Zeit nicht minder als die Kon- allem die armen Bevölkerungsschichten getroffen hat. Wird gress-Partei bis auf die Knochen korrupt war. Die Religion Modi seine Wirtschaftspolitik auf dem Rücken der Armen der Hindus spielte schon immer bei Wahlen eine Rolle: Sie austragen? Es wird sich zeigen. Das indische Volk wird den ist inzwischen immer wichtiger geworden und steht heute Rechtsruck akzeptieren, sich aber seine traditionelle Tole- weit an vorderster Spitze der Motivationskräfte. ranz und religiös-kulturelle Vielfalt weder abkaufen noch zugrunde richten lassen. Zählen wird allein, wie es um die Die Parteien BJP, Shiv Sena-Partei und der Rashtriya Portemonnaies der kleinen Leute am Ende der laufenden Swayamsevak Sangh (RSS/Nationale Freiwilligenorganisati- Legislaturperiode stehen wird. on) führen den Kampf der Hindutva als Kampf um die Seele Indiens. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich unter Führung des Premiers Nahendra Modi alle Bestrebungen darauf rich- ten werden, den wirtschaftlichen Aufschwung Indiens zu beschleunigen. Wirtschaftspolitik auf dem Rücken der Armen Erklärtes Ziel ist es, China als Wirtschaftsmacht zu über- Klaus Beurle ist Mitglied der pax_zeit-Redaktion und lebte treffen. Durch diesen Pragmatismus werden sich voraus- und arbeitete 25 Jahre auf dem indischen Subkontinent.
6 | pax_zeit | 3_2014 | Völker Konflikte Bosnien heute – zwischen 1914 und 2014 Sehnen nach Fortschritt, Frieden und Sicherheit Fotos: Christian Weiß Die Überlebenden des Völkermords kämpfen immer noch um Wahrheit und Gerechtigkeit. Dževada Šuško cheldraht erschienen weltweit auf den Titelseiten. Der Ho- locaust wiederholte sich auf europäischem Boden – und Damals alle sahen zu. Höhepunkt des Völkermordes waren die Er- 1992 haben 99,6 Prozent der Bevölkerung von Bosni- eignisse in Srebrenica: Im Juli 1995 wurden von den hol- en-Herzegowina in einem Volksentscheid für einen ei- ländischen UN-Soldaten, die die Bevölkerung schützen genständigen Staat gestimmt, der nicht mehr Bestandteil sollten, etwa 8.000 Jungen und Männer dem serbischem eines zunehmend zentralistischen, serbisch dominierten Militär ausgeliefert – und massakriert. Daraufhin ergriffen Jugoslawien sein sollte. Damit war das Konzept eines von die USA die Initiative und leiteten energisch die Friedens- Jugoslawien angestrebten „Staates aller Südslawen“, das verhandlungen im Militärstützpunkt Dayton in Ohio. 1918 nach dem Ersten Weltkrieg anvisiert wurde, geschei- tert. Auch Titos Motto „Einheit“ und Brüderlichkeit stellte Der Dayton-Friedensvertrag wurde am 15. Dezember sich als Fiktion heraus. 1995 vom bosnischen Staatspräsidenten Alija Izetbego- Die Jugoslawische Volksarmee erwiderte die demokrati- vić, dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević und sche Entscheidung Bosniens mit einer Aggression. Der dem kroatischen Präsidenten Franjo Tuđman unterzeich- international anerkannte, unabhängige Staat sollte inner- net. Bosnien-Herzegowina wurde in zwei Entitäten aufge- halb von wenigen Monaten von Muslimen (Bosniaken) teilt: in die Republika Srpska und die Bosniakisch-Kroati- sowie Katholiken (Kroaten) gesäubert werden. Später sche Föderation. schlossen sich kroatische Einheiten, angetrieben von Kro- atiens Präsident Tuđman, der Strategie Serbiens an und Damit wurden innerhalb Bosniens neue Grenzen ge- kämpften gemeinsam gegen die Bosniaken. Kulturdenk- zogen. In der Entität Republika Srpska waren die eth- mäler, Moscheen, osmanische Bauten wurden systema- nischen Säuberungen am erfolgreichsten. Heute leben tisch zerbombt. dort etwa 90 Prozent Serben; vor dem Krieg waren es etwa 50 Prozent. Viele Bosniaken wurden vertrieben, Völkermord auf europäischem Boden hingerichtet. Auch wenn im Dayton-Vertrag die Rück- Der amerikanische Journalist Roy Gutman entdeckte im kehr der Vertriebenen in ihre Heimatregionen zugesi- Sommer 1992 in Bosnien mehrere Konzentrationslager. chert wurde, haben nur wenige den Mut dazu gehabt. Seine Reportagen über Massendeportationen und Verge- Kriegsverbrecher werden nach wie vor angehimmelt. waltigungslager mit ausgehungerten Männern hinter Sta- Dario Kordić erwartete nach seinem Gefängnisaufenthalt
Völker Konflikte | pax_zeit | 3_2014 | 7 ein jubelnder Empfang. Anti-muslimische Ressentiments allem Deutschlands. Bis heute ist die Daytoner Verfas- nahmen zu, wie z.B. in Livno, wo im Juni in einer Moschee sung weder vom bosnischen Parlament noch von der Inventar und Korane (Q´uran) geschändet und Drohungen Bevölkerung ratifiziert worden: Bosnien wurde in drei auf die Wände geschrieben wurden. konstitutive Völker von Bosniaken, Serben und Kroaten EU-Beitritt Bosnien-Herzegowina gilt ne- ben anderen westlichen Balkan- ländern seit dem Europäischen Rat von Thessaloniki im Juni 2003 als potenzieller Kandidat für eine EU-Mitgliedschaft. Seitdem ist eine Reihe von Vereinbarungen zwischen der EU und Bosnien und Herzego- wina in Kraft getreten: Abkom- men über Visaerleichterung und Rückübernahme (2008), Interimsabkommen über Handel und Handelsfragen (2008). (Quelle: Europäische Kommission) Gute Herzen, Toleranz und Liebe zu Gott schaffen Wunder aufgeteilt. Dies hat sich jedoch als dysfunktional erwie- Andererseits gibt es hoffnungsvolle Signale, wie die Kon- sen und eine Gesetzgebung verhindert, die allen Volks- ferenz in Sarajevo „Herausforderung von Gewalt – Reli- gruppen gleichermaßen nützlich ist. Die Blockademe- gionen zwischen Krieg und Frieden“, auf der das Ober- chanismen werden von korrupten Regierenden aber zu haupt der katholischen Kirche in Bosnien, Kardinal Vinko ihrem Vorteil ausgenutzt. Politiker in der Republika Srps- Puljić, und das Oberhaupt der Islamischen Gemeinde, ka, allen voran deren Präsident Milorad Dodik, drohen Reisu-l-ulema Husein Kavazović, zu friedlichem Zusam- mit Abspaltung und blockieren den längst fälligen EU-In- menleben, gegenseitigem Respekt und interreligiösem tegrationsprozess – eine Revision der Daytoner Verfas- Dialog aufgerufen haben. Auch die Tatsache, dass der sung ist dringend notwendig. Muslim Hasan Ahmetlić die katholische Kirche in Tešanj renoviert hat, zeigt, dass gute Herzen, Toleranz und die Die Bürger/innen von Bosnien-Herzegowina sehnen sich Liebe zu Gott Wunder schaffen. nach Fortschritt, Frieden und Sicherheit. Viele sind es müde geworden, nach 22 Jahren immer noch um Wahr- Dieser Tage wurde an das Attentat von 1914 erinnert. heit und Gerechtigkeit zu kämpfen. Sie sehnen sich nach Vor genau 100 Jahren hat der Serbe Gavrilo Princip den einem Rechts- und Sozialstaat. Daher bietet die Aufnah- österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine me in die EU den einzigen Ausweg aus der gegenwär- Frau Sophie ermordet. Die Idee eines Großserbiens brei- tigen Stagnation, um nach dem Jahrhundert der Kriege tete sich aus. Doch Österreich-Ungarn stand der Ver- ein Jahrhundert des Friedens einzuleiten. wirklichung dieses Plans im Wege. Das Attentat sollte ein Appell an die Monarchie sein, sich aus Bosnien zurück- zuziehen. Stattdessen löste es den Ersten Weltkrieg aus. Damit begann ein Jahrhundert, in dem Bosnien Schau- platz von drei verheerenden Kriegen wurde. Dr. Dževada Šuško, Sarajevo, Studium der Geschichte, Politik und Ethnologie in Heidelberg und Hamburg, Pro- Politische Korrekturen sind notwendig motion über „Der Loyalitätsbegriff: Reaktion der Bosniaken Um heute aber ein Jahrhundert des Friedens in die auf Österreich-Ungarn (1878 -1918)”, seit 2013 Direktorin Wege zu leiten, sind politische Korrekturen notwendig, des Instituts für islamische Tradition der Bosniaken in und zwar mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft, vor Sarajevo.
8 | pax_zeit | 3_2014 | Völker Konflikte Manipulierte Erinnerungsdiskurse? 20 Jahre nach dem Genozid an den Tutsis in Ruanda 1994 Auch 20 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda werden immer wieder neue Massengräber gefunden. Foto: KNA Heinz Werner Wessler „Versöhnung“ ist ein viel bemühter Begriff in Ruanda. 20 Jahre nach den Ereignissen hat sich eine gewisse Routine In nationalen Erinnerungskulturen sind zwanzig Jahre kein der Traumabewältigungsarbeit eingestellt. Kirchen und langer Zeitraum. So viel oder: so wenig Zeit ist seit den zahlreiche Nichtregierungsorganisationen haben dabei schrecklichen 100 Tagen des Genozids an den Tutsi vergan- einen gewissen Freiraum, doch der Staat behält sich das gen. Das diesjährige Motto der Trauerwoche Anfang April Recht vor, zu bestimmen, was im Rahmen der Erinnerungs- lautete „Kwibuka 20: erinnern – vereinigen – erneuern“. Bei kultur erlaubt ist und was nicht. der Erinnerung geht es immer auch um die Gegenwart. Wer etwa davon spricht, dass es nach wie vor unterschied- Bis heute tauchen immer wieder neue Massengräber von liche kollektive Narrative von Tutsis und Hutus gibt, han- 1994 auf, werden menschliche Gebeine in die laufend aus- delt sich leicht den Vorwurf ein, er oder sie sei „divisionis- gebauten zentralen Gedenkstätten überführt. Im Ortsteil te“ (Spalter) oder gar „génocidaire“ (Völkermörder) und Gasabo in Kigali, wo sich die sterblichen Überreste von muss mit der erbarmungslosen Härte von Polizei- und bereits mehr als einer Viertelmillion Menschen befinden Justizapparat, ja sogar mit fingierten Autounfällen und sollen, ist eine Art zentraler Ort des Gedenkens entstan- Verschwindenlassen rechnen. Der Geheimdienst kennt den, wo in den letzten Jahren zunehmend versucht wird, keine Grenzen, was im vergangenen März angesichts des einzelnen Ermordeten ihre individuelle Geschichte zurück- wiederholten Attentatsversuchs auf den Dissidenten Kay- zugeben. umba Nyamwasa in Johannesburg zu einer schweren Krise im Verhältnis zwischen Südafrika und Ruanda führte. Das Das Narrativ der Erinnerung neue Ruanda verkauft sich als eine gesellschaftliche, poli- Die Erinnerung an den Schrecken von 1994 setzt sich aber tische und wirtschaftliche Erfolgsstory und möchte dabei vor allem aus zahllosen Geschichten der überlebenden Op- nicht gestört werden. fer und Täter und ihrer Familien zusammen. Zu den beinahe unbegreiflichen Rätseln Ruandas gehört, wie überlebende Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Versamm- Opfer und Täter oft Haus an Haus leben. Die Berichterstat- lungsfreiheit, der Kenianer Maina Kiai, legte dagegen im tung über nahezu unglaubliche Versöhnungserfahrungen Februar 2014 einen sehr kritischen Ruanda-Länderbericht findet immer wieder neuen Stoff. vor. Bürgermeister, die oppositionelle Regungen in ihrem Machtbereich nicht konsequent klein halten, werden – so
Völker Konflikte | pax_zeit | 3_2014 | 9 Die Aufarbeitung des Völkermords ist noch „ Die Prävention lange nicht abgeschlossen. von Völkermorden bedarf der Entschie- denheit der Verein- ten Nationen.“ Kordula Schulz-Asche, MdB Foto: KNA der Bericht – aus dem Amt gedrängt. Bildungsinstitutionen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mahnte und die Medien sind politisch unter strenger Kontrolle. In bei der Ruandadebatte im Bundestag am 4. April 2014, man den berüchtigten Ingando-Camps wird jungen Leuten ein- müsse „das uns Mögliche tun, um Völkermord zu verhin- getrichtert, was sie politisch zu denken haben. dern“. Vor einigen Monaten warnte Uno-Generalsekretär Ban vor einer Wiederholung der ruandischen Tragödie in Neben der individuellen Traumaarbeit steht die Frage der der Zentralafrikanischen Republik. Der Befehlshaber der juristischen Aufarbeitung. Die Gerichte, so wurde rasch Blauhelm-Mission in Ruanda 1994, General Roméo Dallaire, nach 1994 deutlich, waren angesichts der unübersehba- vertritt bis heute die Meinung, der Genozid hätte sich mit ren Menge der Verhafteten hoffnungslos überlastet. Die einem robusten UN-Blauhelmeinsatz verhindern lassen. Regierung richtete 2002 die sogenannte Gacaca-Gerich- te ein, eine Form traditioneller Gerichtsbarkeit auf Gras- Zwar sind Mali, Zentralafrika und Südsudan derzeit wie- wurzelebene. Tatsächlich gab es in den folgenden Jahren der aus den Schlagzeilen. Die Bundeswehr kann allerdings eine ungeheure Fülle von Verfahren unter öffentlicher nach den kürzlich neu aufgelegten afrikapolitischen Richt- Beteiligung. Meistens ging es um Eigentumskonflikte linien der Bundesregierung durchaus zum Einsatz kom- und deren pragmatische Lösung. Vielleicht wurden hier men. Doch selbst, wenn sie es wollte, kann weder die Bun- und da auf diese Weise Voraussetzungen für Versöhnung deswehr noch eine andere Armee unmöglich in jeder Krise geschaffen. intervenieren. Es geht eben nichts über Präventionsarbeit und friedliche Konflikttransformation. Dazu gehört als Ers- Wegsehen und Eingreifen tes vermehrte Achtsamkeit. Die Alarmzeichen in Ruanda Rheinland-Pfalz begann 1982 offiziell eine Landespart- 1990-1994 wurden systematisch verdrängt und verleugnet. nerschaft mit Ruanda und ist bis heute stolz auf deren Kontinuität vor wie nach dem Genozid. Schon im Habya- rimana-Regime der 1980er und frühen 1990er Jahre sahen viele ausländische Beobachter, darunter auch der dama- lige deutsche Botschafter Dieter Hölscher, schon eine Art erfolgreiche Entwicklungsdiktatur. Die Aufarbeitung des Völkermords, aber auch des Versagens der internationalen Heinz Werner Wessler ist Mitglied der pax christi-Kommis- Gemeinschaft, ist noch lange nicht abgeschlossen. sion Solidarität mit Zentralafrika.
10 | pax_zeit | 3_2014 | Aktiv für den Frieden Gewalt und Krieg sind keine Lösung Versöhnungsbund: Hundert Jahre ökumenische Friedensarbeit Hansuli Gerber, geb. 1954, Mennonit, Friedensarbeit beim Zentralkomitee der Mennoniten, 2002-2009 beim Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), 2010-2013 Präsi- dent des internationalen Versöhnungsbunds, Pastor in Foto: Privat La Chaux-d´Abel/Jura. Hansuli Gerber im Gespräch mit der pax_zeit Zum Versöhnungsbund bin ich erst 1990 gestoßen, aber ich stamme aus einer Täuferfamilie und ich erinnere mich, dass pax_zeit: Hansuli, Du bist aktiv für den Frieden tätig. Du meine Großmutter von Menschen sprach, die sich für Frie- warst Präsident von IFOR, der International Fellowship of Re- den und Versöhnung einsetzten, wie z.B. Dag Hammarskjöld conciliation. IFOR ist die erste ökumenische Friedensinitiati- oder Visser’t Hooft. Durch meine Begegnungen im friedens- ve, die 1914, gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs entstand, kirchlichen Umfeld und durch mein Studium wurde ich auf- nachdem sich bereits sozialistische Pazifisten für gewalt- merksam auf die Gewaltfreiheit als christliches Postulat, freie Lösungen sozialer und politischer Konflikte eingesetzt auch wenn diese im theologischen Vokabular bis vor kurzem hatten. Worin siehst Du heute Deine Aufgabe bei IFOR, dem praktisch nicht existierte. Bevor ich bei IFOR arbeitete, war ich Internationalen Versöhnungsbund? Sicher nicht allein im auf kirchlicher Ebene für Frieden, Gewaltüberwindung und Jubilieren? Versöhnung tätig. Diese Arbeit, friedenskirchlich, ökumenisch und interreligiös, hat mich tief berührt – es ist ein ständi- Hansuli Gerber: Feiern ist wichtig und die Bewegung für ger Prozess der Veränderung und der Vertiefung. Ich glaube Gewaltfreiheit und gegen Krieg hat umso mehr Grund zum heute, dass Gewaltfreiheit der Grund und Boden spiritueller Feiern, da sie heute neues Interesse findet, weltweit. Die ge- Lebenspraxis ist, egal welcher Religion sie zugehört. Liebe, Re- waltfreie Bewegung war nach zwei Weltkriegen praktisch spekt, Achtung vor der Würde des Lebens sind grundlegend. unsichtbar und unbekannt. Dass es vor 100 Jahren eine Alles andere führt zum Krieg oder rechtfertigt ihn. starke und profilierte Bewegung gegen Krieg und für Ver- ständigung und Versöhnung gab, ist heute den wenigsten Bei pax christi wird immer wieder mal die Frage nach der Menschen bekannt. Deshalb geht es heute darum, ins Be- Vorrangigkeit des Spirituellen bzw. des Politischen aufge- wusstsein zu rufen, dass es gewaltfreie Bewegungen immer worfen. Ist Deiner Meinung nach IFOR heute mehr spirituell gegeben hat und auch immer geben wird. oder mehr politisch? Oder keines von beidem oder gar bei- des zugleich? Wie bist Du auf den Versöhnungsbund, den International Fellowship of Reconciliation gestoßen? Hat die Bewegung Wenn ich an die rund 80 Mitgliedsgruppen oder Mitgliedsor- Dein Leben beeinflusst? ganisationen von IFOR in fast 50 Ländern denke – IFOR hat
Aktiv für den Frieden | pax_zeit | 3_2014 | 11 IFOR Der Versöhnungsbund wurde auf einer internationalen Konferenz 1914 in Konstanz gegründet und feiert in diesem Jahr sein hundertjähriges Bestehen. Christ/innen aus verschiedenen Län- dern versuchten, den drohenden Krieg abzuwenden. Der Kriegsausbruch führte zum Abbruch der damaligen Konferenz. Die Teilnehmer/innen jedoch gründeten anschließend den Versöh- nungsbund als pazifistischen Verband in England und den USA, nach dem Krieg ebenfalls in Deutschland. Im 2. Weltkrieg wurden viele Mitglieder des deutschen Versöhnungsbundes inhaf- tiert, weil sie den Dienst mit der Waffe verweigerten. keine Einzelmitglieder – dann habe ich den Eindruck, dass sie relativ spät. Auch Gewalt selber wird soziologisch und anth- sowohl spirituell als auch politisch sind. Dies mag auf ver- ropologisch erst seit der Mitte des 20. Jahrhunderts unter- schiedene Weise verwirklicht werden. Bei einigen steht die sucht und besprochen. Pazifismus hat den Ruf, unrealistisch, politische Aktion im Vordergrund, oft im Zusammenhang mit verträumt oder gar gefährlich zu sein. Wo immer sich ein den Menschenrechten. Einige sind ausdrücklich christlich ge- Pazifist auf diesem Spektrum situiert – es geht darum, dass prägt, andere nicht. Ich denke, dass beides, die spirituelle und Gewalt und Krieg nicht die Lösung sind, sondern das Problem. die politische Dimension besser artikuliert und ausgestaltet Der Begriff der Gewaltfreiheit ist präziser und auf das eige- werden müssten und in ihrer Zuordnung zueinander stärker ne und öffentliche Leben bezogen: Sie zielt darauf ab, keine in unser Bewusstsein gebracht werden sollten. Ich wehre Gewalt anzuwenden und der Gewalt, wie immer möglich, zu mich dagegen, die spirituelle und die politische Dimension widerstehen und sie in Gewaltfreiheit umzuwandeln. Das gegeneinander auszuspielen. Das Eine kann ohne das Andere braucht Sachverstand, Bescheidenheit und enorm viel Mut. Es nicht nachhaltig für den Frieden wirksam sein. gibt keine Garantie auf Erfolg – Gewaltfreiheit ist risikoreich. Historisch gesehen wurden Pazifisten und ihre Bewegungen Pioniere der aktiven Gewaltfreiheit wie Jean Goss und Hil- von obrigkeitlicher und kirchlicher Seite gnadenlos verfolgt – degard Goss-Mayr oder bedeutende Mitglieder von IFOR weshalb? Weil sie die Welt verändern können, aber nicht im wie Jane Adams, Chief Albert Luthuli, Martin Luther King, Sinne derer, die mit Gewalt herrschen. Mairead Corrigan Maguire und Adolfo Maria Perez Esquivel – einige Friedensnobelpreisträger unter ihnen – haben IFOR Die Fragen stellte Klaus Beurle, Mitglied der pax_zeit-Redak- geprägt und mitgetragen. Mein persönliches Leben wurde tion. stark durch Jean und Hildegard Goss-Mayr geprägt. Wird die von den IFOR-Friedensnobelpreisträgern vertretene und ge- lebte Gewaltfreiheit nicht oft mit Pazifismus verwechselt? Es kümmert mich wenig, wie man Gewaltfreiheit definiert: Um die Jahrhundertwende sprach man von Antimilitarismus und von Pazifismus. Der Begriff der Gewaltfreiheit entstand
12 | pax_zeit | 3_2014 | Bewegung Die Katholiken und der Erste Weltkrieg Erklärung des pax christi-Präsidenten Bischof Heinz Josef Algermis- sen, Fulda, zum Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren In wenigen Tagen, am 28. Juni, jährt sich zum 100. Mal das Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sara- jevo, das dann Anlass, nicht der Grund des Ersten Weltkriegs wurde. Die- ser Krieg war für das Deutsche Reich kein Verteidigungskrieg, sondern der Versuch, mit den damaligen Weltmächten militärisch und politisch auf gleicher Ebene zu stehen und eine geopolitische Rolle einzunehmen. Er wurde mit rücksichtslosem Einsatz von Menschen und Material und mit den ersten Massenvernichtungswaffen geführt. Seine verheerenden Folgen waren 17 Millionen Tote, ungezählte verkrüppelte und traumati- sierte Menschen, zerstörte Landschaften und Gesellschaften. Die politi- schen Ergebnisse der „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts (vgl. George Kennan) brachten keinen dauerhaften Frieden, bildeten ganz im Gegen- teil auch die Voraussetzungen für den Zweiten Weltkrieg. Im August 1914 zogen die deutschen Truppen unter dem Jubel der Bevöl- kerung und dem Läuten der Glocken zum Kampf aus. Dieser Weg in den Krieg wurde in Deutschland von kirchlicher Seite unterstützt, mitunter von offener Begeisterung begleitet. Obwohl die katholische Kirche we- gen ihres universalen Charakters stets Distanz zum Nationalismus des 19. Jahrhunderts gehalten hatte, traten besonders am Anfang des Welt- krieges Bischöfe, Priester und Gläubige in großer Zahl an die Seite derer, die den Krieg als moralische und geistige Erneuerung begrüßten. Wir wissen heute, dass die Kirche damit Schuld auf sich geladen hat. Zudem versuchte die Moraltheologie, die Vorstellung von soldatischem Gehorsam, Opferbereitschaft und Pflichterfüllung bis in den Tod klar zu umreißen und in den Menschen fest zu verankern. Diese Auffassungen wurden auch durch die grausamen Erfahrungen des Krieges später zu- nächst nicht in Frage gestellt. Im Unterschied zum nationalen Denken und Empfinden war Papst Benedikt XV. ein unermüdlicher Mahner ge- gen den Krieg. Er verzichtete auf Schuldzuweisungen, nannte den Krieg
Bewegung | pax_zeit | 3_2014 | 13 Sarajewo 2014: Blick über den Fluss Miljacka auf das kleine Stadt-Museum. An der Ecke des Museums war der Ort des Attentats auf den österreichisch- ungarischen Thronfolger Franz Ferdi- nand und Erzherzogin Sophie am 28. Juni 1914. Foto: röm eine „grauenhaft nutzlose Schlächterei“. Schon in seiner Antrittsenzyk- lika im November 1914 rief er die Regierenden zu einem Verhandlungs- Bitte Termin vormerken frieden auf. Die päpstlichen Bemühungen blieben jedoch erfolglos, auch sein letzter Appell vom 1. August 1917, in dem der Papst alle Krieg füh- Gerechten Frieden weiterdenken renden Mächte zu Friedensverhandlungen aufrief und sich als neutraler Vermittler anbot. Vom Ethos der Gewaltkontrolle zur Praxis der Gewaltfreiheit Wir müssen aus heutiger Sicht erkennen, dass erst die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs und damit zusammenhängend auch des Zweiten ein 26. - 28. Juni 2015 im Bildungshaus stärkeres Engagement der Kirche für den Frieden und eine Abkehr von St. Bernhard in Rastatt der Rechtfertigung von Kriegen begründete. Im Wort „Gerechter Friede“ aus dem Jahr 2000 schrieben wir katholischen deutschen Bischöfe: „Die Ausgehend von der Enzyklika Pa- schrecklichen Erfahrungen der beiden Weltkriege haben in unserer Ge- cem in Terris von Papst Johannes sellschaft ein geschärftes sittliches, besonders auch friedensethisches XXIII von 1963, die die „Perspektive Bewusstsein wachsen lassen, das wir als wertvolles Erbe auf Dauer be- eines ,gerechten‘ Krieges“ aufge- wahren wollen.“ Im Hinblick auf diese Einsicht ist heute zu erkennen geben hat, will dieser Kongress die und zu bekennen, dass sich damals Bischöfe in ihrer Verkündigung und aktuellen friedenspolitischen He- theologischen Billigung des Krieges geirrt und verirrt haben. rausforderungen wie Kampfdroh- nen, Bundeswehrauslandseinsätze, Für pax christi als internationaler katholischer Friedensbewegung sind Schutzverpflichtung sowie Religi- diese Erfahrungen eine bleibende Herausforderung, sich kriegerischer on und Gewalt friedensethisch re- Politik zu widersetzen und immer wieder Schritte der Versöhnung zu flektieren und die Praxis aktiver versuchen. In der Rückschau auf den Ersten Weltkrieg gibt es eine we- Gewaltfreiheit fördern. sentliche Lehre: Wir wollen nie wieder „wie Schlafwandler“ (vgl. Chris- topher Clark) in eine solche Katastrophe hineinrutschen. Um das mit aller Macht zu vermeiden, bedarf es Menschen, die sich keinerlei Gleichgültigkeit und Feigheit erlauben, vielmehr im Sinne des Evangeliums Lüge und Obrigkeitsdenken demaskieren und selbst Schritte des Friedens tun. Berlin/Fulda, 23. Juni 2014 Heinz Josef Algermissen Präsident von pax christi Deutschland Bischof von Fulda
14 | pax_zeit | 3_2014 | Bewegung pax christi im Jahr 2020 in Kirche und Gesellschaft – ein Ausblick Gedanken zur Zukunft von pax christi Generation Organisation Kooperation pax christi Religion Politik 2020 Friedensarbeit Norbert Richter Dazu bedarf es eines eindeutigen Profils, welches durch seine Inhalte überzeugt. Wir müssen die Menschen von pax christi will Zukunft. Dafür haben wir in den letzten unserer Grundhaltung und unserer Notwendigkeit in Kir- Jahren einiges getan: In Berlin Fuß gefasst, Kampagnenfä- che und Gesellschaft überzeugen. Wir wollen zu einer zivil- higkeit bewiesen, die Strukturen von pax christi durch die gesellschaftlichen Stimme werden, die stärker gehört und neue Satzung zukunftsfest gemacht, ein gemeinsames Er- wahrgenommen wird. scheinungsbild gefunden und unsere Zeitschrift erneuert. Wollen wir 2020 noch eine dynamische Bewegung sein, Zukünftige Politik wird uns stärker denn je herausfordern. warten aber weitere Herausforderungen auf uns. Wir erleben den deutschen Bundespräsidenten, der mehr Verantwortung für die Welt, auch mit militärischen Mit- teln, fordert. Gestützt wird diese Position durch die Stu- Eindeutiges Profil für pax christi die: „Neue Macht – Neue Verantwortung“. Sie fordert „… eine Weltordnung, die Deutschland erlaubt, Interessen mit Jetzt ist es für pax christi wichtig, uns damit zu beschäf- grundlegenden Werten zu verbinden. Wenn die Vereinig- tigen, inwieweit wir uns auf veränderte gesellschaftliche ten Staaten nicht ständig mehr leisten können, müssen Rahmenbedingungen sowie dem Wunsch vieler Enga- Deutschland und seine europäischen Partner für ihre Si- gierter nach ihrem Lebensrhythmus angepassten Mitwir- cherheit zunehmend selbst verantwortlich sein“, militäri- kungsformen einstellen können. Ziel ist es, Menschen für sche Optionen werden zum Mittel der Politik, zivile Kon- pax christi zu begeistern und zum Mittun zu motivieren. fliktlösungen spielen eine untergeordnete Rolle.
Bewegung | pax_zeit | 3_2014 | 15 Gewaltfreie Konfliktlösungen in den Zukünftige Inhalte • Welche Themen und Inhalte binden Menschen an pax christi? politischen Diskurs einbringen •Wie können wir unser Profil schärfen? •Sprechen wir die richtige Sprache? pax christi soll als Stimme wahrgenommen werden, von •Wie stellen wir unsere Alleinstellungsmerkmale besser dar? der Anstöße zu einer nicht-militärischen Zukunft und zu • Wie können wir unsere Inhalte besser vermitteln? Welche gewaltfreien Konfliktlösungen in den politischen Diskurs Marketingstrategien sind notwendig? eingebracht werden. Die Hoffnung und Zuversicht, dass unser Zusammenleben gewaltfrei zu gestalten ist, ist der Zukünftige Organisations- und Arbeitsformen Kern unseres Engagements in pax christi und muss in Ge- •Welche Möglichkeiten gibt es, das Potential von Einzelmit- sellschaft und Kirche deutlich sichtbarer werden. Dieses gliedern besser zur Geltung kommen zu lassen? in einem Leitgedanken, einem Slogan zusammengefasst, •Welche Arbeitsformen und Engagementformen sind für könnte unsere Grundhaltung in der Öffentlichkeit besser nachfolgende Generationen attraktiv? positionieren. •Wie können kreative Formen von Mitgliedschaft aussehen? •Inwieweit ist eine Organisation mit Diözesanverbänden, Auch benötigen wir eine Weiterentwicklung unserer Kommissionen und Gruppen zukunftssicher? Strukturen. pax christi ist da stark, wo sich Kompetenzen •Welche Kooperationsoptionen mit anderen innerkirchlichen gebildet haben, u.a. in den Kommissionen. Durch ihre Öf- und Partnern der Friedensbewegung möchten wir fördern? fentlichkeitsarbeit wirken sie in Kirche und Gesellschaft •Welche Weiterbildungs- und Qualifikationsmaßnamen hinein und sind unerlässlich für unsere Profilbildung. Ziel für Haupt- und Ehrenamtliche sind notwendig, um den der Kommissionsarbeit ist es, verstärkt Dienstleister für Zukunftsprozess zu begleiten? Diözesanverbände, Gruppen und Einzelpersonen zu sein. Durch ihre Grundlagenarbeit und die Entwicklung von Zukünftige Finanzierung Handlungsoptionen unterstützen sie die Präsenz von pax • Wie sehen zukünftige Spendenwerbekonzepte aus? christi auf regionaler und lokaler Ebene. • Gibt es weitere innerkirchliche und staatliche Unterstüt- zungs- und Finanzierungsmöglichkeiten? Wichtig ist es, all diese Überlegungen in ein finanzielles Zukunftskonzept einzubinden, welches die inhaltlichen Dieser Prozess ist für unsere Bewegung überlebenswich- und strukturellen Herausforderungen unterstützt. Die tig. Deshalb ist es umso wichtiger, die Bewegung in ihren Einnahmenseite durch Mitgliederbeiträge, Spenden und unterschiedlichsten Organisationsebenen mitzunehmen. kirchliche Unterstützung stagniert, bzw. sinkt kontinuier- lich. Die Finanzierung der Bewegung muss auch für die Wir brauchen viele Ideen und wünschen uns, dass sich Zukunft neu gesichert werden, ansonsten droht eine wei- möglichst viele unserer Mitglieder an diesen Denkprozes- tere Einschränkung des Handlungsrahmens. sen beteiligen, um die Zukunft von pax christi für uns und andere interessant und engagiert zu gestalten. Um die notwendigen Zukunftskonzepte zu beraten, ist die Dazu lade ich jetzt schon herzlich ein. AG 2020 einberufen worden, in der der Bundesvorstand mit Vertreter/innen aus den Diözesanverbänden und Norbert Richter ist Mitglied im geschäftsführenden Bun- Kommissionen folgende Fragen diskutiert und berät: desvorstand und Moderator der AG 2020.
16 | pax_zeit | 3_2014 | Bewegung „Respektvoll und streitig“ Zum Dialog mit der Militärseelsorge © Luftbildfotograf - Fotolia.com © zyphyrus - Fotolia.com Kommission Friedenspolitik deswehr auf die Durchsetzung außenpolitischer Interessen oder gar zur Ressourcensicherung zu erweitern, drohe ein Die fortschreitende Enttabuisierung des Militärischen und Missbrauch von Soldat/innen entgegen dem Friedensauf- Veränderungen in der Kriegsführung, wie die durch den trag des Grundgesetzes. Das Bischofsdokument „Gerechter Einsatz von Drohnen und Robotern, erfordern nach Ein- Friede“ von 2000 ziele auf eine strukturelle Überwindung schätzung der Kommission Friedenspolitik eine friedens- des Krieges. Demgegenüber würden unter dem Konzept ethische Neuorientierung, von der Gewaltkontrolle hin zur der Schutzverantwortung der UNO von 2001 bzw. von 2005 Gewaltüberwindung durch aktive Gewaltfreiheit. Aktive Ge- nach wie vor Kriterien eines Gerechten Krieges propagiert. waltfreiheit steht hier für die Art der Bearbeitung aktueller Kirchlichen Akteuren müsse es daher um einen Paradigmen- Konflikte, als auch für die angestrebte Überwindung struk- wechsel gehen, weg von militärischen Lösungen hin zu einer tureller Gewaltverhältnisse. Eine solche Neuorientierung Ethik in Richtung des messianischen Friedens. Ein Frieden, würde auch die Grundlagen der Militärseelsorge tangieren. der im vorbehaltlosen Vertrauen auf Gott und untereinan- In der Überzeugung, dass sie nur in einem offenen dialogi- der keine Gewalt mehr braucht und jede gewaltbewehrte schen Prozess betrieben werden kann, organisierte die Kom- Friedensordnung durch ein Mehr an Gerechtigkeit und Ver- mission mit dem Bundesvorstand erstmals einen Runden söhnung übersteigt. (vgl. Gerechter Friede, 2000, Ziff. 55f) Tisch, in dem es u.a. um Selbstverständnis, Praxis und Erfah- rungswelt katholischer Militärseelsorger ging. Zu dem Ge- Einsätze, denen die Militärseelsorge nicht zustimmen kann? spräch am 9.11.2013 in Köln trafen sich 20 Teilnehmer/innen Die Militärseelsorge machte deutlich, dass sie nicht zu frie- von pax christi und der Militärseelsorge. denspolitischen Themen Stellung nimmt, sondern ihre Auf- gabe in der pastoralen Begleitung der Soldaten sieht. Es pax christi problematisierte den Umbau der Bundeswehr zur gehe darum, Verantwortungsbewusstsein zu schärfen und Interventionsarmee und die fehlende Klärung ihres Sinns Einsatzerfahrungen zu verarbeiten. Um mit den Betroffe- und Zwecks nach Wegfall der Bedrohung durch Nachbarlän- nen soziale Netzwerke zu bilden, sei eine institutionalisier- der. Indem versucht werde, die Akzeptanz des Militärischen te Militärseelsorge nötig. Ohne Vertrag zwischen Staat und in der Gesellschaft zu erhöhen und den Auftrag der Bun- Kirche könne man nicht in einem staatlichen Hoheitsbe-
Bewegung | pax_zeit | 3_2014 | 17 Gemeinsam mit anderen Friedensorganisationen demonstriert pax christi gegen den Soldatengottesdienst im Kölner Dom. (Neu-)Ausrichtung der Bundeswehr seit der Epochenwende von 1989/90. Dieses im Grunde funktionalistische Selbstverständnis wur- de unter zwei Gesichtspunkten besonders deutlich. Zum einen wurde eindrucksvoll geschildert, wie die konkrete seelsorgerliche (und psycho-soziale) Begleitung der Soldat/ innen im Vordergrund der Arbeit steht, nicht normative Fra- Foto: Arbeiterfotografie gen oder Ansprüche. Zum anderen ist strittig, ob sie im Ein- satzfall von einer eigenen politisch-moralischen Einschät- zung der Situation abhängig gemacht werden soll. Vordergründig ist man sich mit pax christi einig über die Letztinstanz des persönlichen Gewissens der Bundeswehr- reich arbeiten. Im lebenskundlichen Unterricht würden auch angehörigen. Ob und wie man sie aber gegenüber dem Er- ethisch problematische Bereiche wie Drohnenkriege oder die wartungsdruck des militärischen Umfelds und Ansätzen, sie Schwierigkeit von Friedenslösungen angesprochen. zu unterlaufen (z.B. des Verteidigungsministeriums im Fall Florian Pfaff), zu stärken versucht, blieb unthematisiert. Das Konzept der Schutzverantwortung wird auch von der Mi- litärseelsorge als problematisch bewertet. Es bleibe stets be- „Streitig“ weiter arbeiten gründungspflichtig, wenn Gewalt angewendet werde. Nicht Die Frage von pax christi, welche Moral der Soldat/innen geklärt sei, ob Soldat/innen zu allen Einsätzen begleitet wer- man durch die eigene Arbeit befördern wolle oder zu beför- den oder ob es auch Einsätze gebe, bei denen die Kirche nicht dern glaube, wurde nachdenklich differenzierend (Moral im zustimmen könne. Man orientiere sich an den Entscheidun- Sinne militärpolitischer und militärischer Ziele vs. im Sinne gen des Parlaments über Militäreinsätze. der Ethik) zur Kenntnis genommen, blieb aber ebenfalls un- beantwortet. Am Ende des Gesprächs gab es Dissense und gemeinsame Nachdenklichkeit und Interesse der Militärseelsorge an den Die Kommission hält es für wichtig, sich mit den Militärseel- pax christi-Überlegungen zu einer Neuorientierung der Frie- sorger/innen über die genannten offenen Fragen „respekt- densethik. Es war ein Gespräch in einer offenen Atmosphäre voll und streitig“ wie es in „Gerechter Friede“ heißt, ausei- auf hohem inhaltlichen Niveau. nanderzusetzen und sieht sie als wichtige Adressat/innen des Projekts einer friedensethischen Neuorientierung. Begleitung statt öffentliche Stellungnahmen Die ethische Grundproblematik von Gewaltkontrolle mit (militärischer) Gewalt wird von der Militärseelsorge gese- hen und anerkannt, zugleich aber sieht sie sich selbst nicht zuständig für eine vertiefte, gar öffentliche Auseinanderset- zung. Ähnliches gilt für Fragen der Grundgesetz- und Völ- Mitglieder der Kommission Friedenspolitik: Christof Grosse, kerrechts-Konformität einzelner Einsätze, wie der gesamten Albert Fuchs, Odilo Metzler und Norbert Fabian.
18 | pax_zeit | 3_2014 | Meldungen Notizen aus dem Bundesvorstand Alle waren sich anschließend einig, dass diese Art des Treffens sowohl hinsichtlich der inhaltlichen Auseinandersetzung als Sabine Kaldorf auch bezüglich der Gesprächsatmosphäre sehr viel besser eingeschätzt wurde als in den vorangegangenen Jahren. Nachrichten aus den Kommissionen Odilo Metzler Juni 2014 Im Juni traf sich der Bundesvorstand ein ganzes Wochen- ende, erst zur normalen Vorstandssitzung und dann zur Er- weiterten Vorstandssitzung mit den Kommissionen. In der normalen Sitzung befasste sich der Bundesvorstand insbe- HeidelbergCement soll Völkerrecht einhalten sondere mit der Erklärung des bischöflichen Präsidenten zu 100 Jahren 1. Weltkrieg, der Auswertung des Katholikentags, Kritische Aktionäre und Nahostkommission forderten Hei- und der Vorbereitung der Delegiertenversammlung. Aus- delbergCement bei der Hauptversammlung am 7.5. auf, sich führlich diskutiert wurde das Thema „Ziviler Ungehorsam“, von der Tochterfirma Hanson Israel zu trennen und eine Ent- wobei die Frage im Mittelpunkt stand, unter welchen Um- schädigung an die Enteigneten bzw. Geschädigten zu zah- ständen pax christi zu Aktionen zivilen Ungehorsams auf- len. Über Hanson Israel hält die Firma zwei Betonwerke, ein rufen kann oder soll. Als Ergebnis dieser Beratung wird ein Asphaltwerk und einen Steinbruch im besetzten Westjord- Antrag bei der DV eingebracht, der die Mitglieder und Orga- anland, für den palästinensische Bauern enteignet wurden. ne der Bewegung einlädt, sich ebenfalls mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Weiter Rüstungsexporte Wie immer nahmen auch die Berichte zu Aktivitäten der Di- unter Ausschluss der Öffentlichkeit özesanverbände sowie einzelner Mitglieder des Bundesvor- stands breiten Raum ein. Besonders spannend waren hier Die Kommission Rüstungsexporte kritisierte am 12. Mai die die Berichte aus Sarajewo, wo einerseits das „peace event“ Koalitionsbeschlüsse, nach denen der Rüstungsexportbe- anlässlich 100 Jahren 1. Weltkrieg stattgefunden hatte und richt der Bundesregierung künftig halbjährlich vorgelegt andererseits die Gremien von Pax Christi International ge- und der Wirtschaftsausschuss des Bundestages zwei Wo- tagt hatten, die bei uns dem Bundesvorstand und der Dele- chen nach Exportgenehmigung durch den Bundessicher- giertenversammlung entsprechen. heitsrat informiert werden soll. Damit werde alles wie bis- her hinter verschlossenen Türen im Bundessicherheitsrat Bei der anschließenden Erweiterten Vorstandssitzung wa- entschieden und das Parlament könne weiterhin kein Kon- ren in diesem Jahr alle Kommissionen vertreten. In den trollrecht ausüben. vergangenen Jahren hatte diese Sitzung vorrangig aus Be- richten bestanden, was von allen als unbefriedigend emp- Die Rechte aller Israelis schützen funden wurde, da sich mit den Berichten der Kommissionen schon die Delegiertenversammlung beschäftigt. So wurde In einem Schreiben an den Botschafter Israels in Berlin, dieses Jahr ein neuer Weg eingeschlagen und unter Mode- Yakov Hadas-Handelsman, kritisierte die Nahost-Kommis- ration von Christine Hoffmann die Steigerung der Wirksam- sion am 1. Juni, dass das Beduinendorf Al Arakib im Negev keit in den Mittelpunkt der Beratungen gestellt: Statt vorab erneut zerstört und die Bäume entwurzelt wurden, um die Berichte zu verfassen, wurden die Kommissionen gebeten, Bewohner zu vertreiben und anstelle des Dorfes einen Wald ihre Zielgruppen, aktuellen Ziele, Erfolge aus der letzten Zeit anzupflanzen. Der Botschafter wurde aufgefordert, sich da- und aktuellen Herausforderungen zu benennen. Jeweils im für einzusetzen, dass die Rechte aller Bürger/innen Israels Anschluss durfte der Bundesvorstand den Kommissionen ei- geachtet und geschützt werden. nen Spiegel vorhalten, Lob und Kritik äußern und Wünsche benennen. Dabei wurden Themen gesammelt, die einer ge- EU-Taten gegen Siedlungsbau naueren Betrachtung bedurften und die anschließend über- greifend diskutiert wurden, beispielsweise Kommunikation/ Nach dem Scheitern der US-Vermittlungen im Konflikt zwi- Information, unsere Streitkultur oder auch die Frage, was schen Israel und Palästina forderte die Nahost-Kommission „die Praxis“ für pax christi bedeutet. am 4. Juni von der EU „eindeutige Taten“, um den israelischen Siedlungsbau zu stoppen. Dieser war nach US-Diplomaten
Meldungen | pax_zeit | 3_2014 | 19 Foto: pax christi Aachen Aachener Friedenslauf unter dem Motto „1914-2014: Aus Feinden können Freunde der Hauptgrund für das Scheitern der Verhandlungen. Die werden – Mach den ersten Schritt!“ EU habe eine Leitlinie zur Kennzeichnung von Siedlungspro- dukten auf Wunsch der US-Regierung zurückgehalten, um die Verhandlungen nicht zu stören. Deutsche Afrika-Leitlinien tragen Militarisierung mit Jugendlichen einen Trauergruß an die Partnerorganisatio- nen B´Teselem, Gush Shalom, ICAHD und Rabbis for Human In einem Kommentar zu den neuen „Afrikapolitischen Leitli- Rights, in dem sie sich der Forderung anschließen, dass die nien der Bundesregierung“ kritisierte Heinz Werner Wessler Mörder schnell gefunden und zur Rechenschaft gezogen von der Kommission Solidarität mit Zentralafrika am 4. Juni, werden und den Partnern „danken, dass ihr in der Stunde sie brächten nichts Neues zum mafiösen Rohstoffhandel, zur der Trauer Eure Stimmen gegen jede Art von Rache und Ge- Zertifizierung von Rohstoffen, zur zivilen Konfliktprävention walt erhoben habt und Euch darin bestärken“. und -transformation, zu den Gründen für den Migrations- druck in Richtung Festung Europa und kein Wort zu Waffe- nexporten. Dagegen signalisiere die Regierung bereitwillig, Meldungen aus den Diözesanverbänden dass sie die „Militarisierung der Afrikapolitik der westlichen Markus Weber Industriestaaten mitträgt. Das Tor zu zukünftigen Bundes- wehreinsätzen in Afrika ist offen.“ Menschenrechtsbeobachter in Chiapas gesucht Die Kommission Solidarität Eine Welt unterstützte am Diözesanverband Aachen 18. Juni einen Aufruf des Menschenrechtszentrums Fray Bartólome de las Casas in San Cristóbal/Mexico. Für ein Friedenscamp in Chiapas suchen sie freiwillige Menschen- Laufen für den Frieden rechtsbeobachter ab 18 Jahren, die Aggressionen gegenüber Unter dem Motto „1914-2014: Aus Feinden können Freunde den autonomen zapatistischen Gemeinden des Caracol von werden – Mach den ersten Schritt!“ haben sich etwa 2.000 La Realidad beobachten und dazu beizutragen, dass die Wür- Schüler/innen aus 19 Schulen am 13. Friedenslauf durch de ihrer Bewohner gewahrt bleibt. die Aachener Innenstadt beteiligt, der u.a. von pax christi vorbereitet wurde. Die Schüler/innen unterstützen mit den Trauergruß für ermordete Jugendliche von ihnen erlaufenen Spenden in diesem Jahr Projekte, die sich in Aachen, im westlichen Balkan oder im Libanon für Am 3. Juli schickte die Nahostkommission anlässlich der Er- Anti-Rassismus-Arbeit sowie für Frieden und Versöhnung mordung von drei jüdischen und einem palästinensischen einsetzen.
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