München - Münchner Stadtmuseum

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münchen

                        Internationale Stummfilmtage
                                       Katja Raganelli
                                      Alfred Hitchcock
                                      Russian Seasons
                                            Kult-Horror
                                        Stanisław Lem
                                 Untertitelungsprojekt
                                             Underdox
                                    100 Jahre Bauhaus
                               Film und Psychoanalyse
2019 – 2020 | Heft 37

                              Werner-Herzog-Filmpreis
                             Rumänisches Filmfestival
                                       Peter Lilienthal
                                   Antonio Pietrangeli
                                       Aki Kaurismäki
                                   FilmWeltWirtschaft
Eintrittspreise                                           sierten und mit 1,55 € frankierten DIN A5-Briefum-
4 € (3 € für MFZ-Mitglieder). Ab 120 Minuten Film-        schlages an die Adresse des Filmmuseums. WebCalen-
länge oder mit Gästen: 1 € Aufschlag. Ab 180 Minuten,     dar: tinyurl.com/fmm-cal, Twitter: @filmmuseummuc.
mit Live-Musik oder bei 3D: 2 € Aufschlag. Die Kasse
öffnet jeweils 60 Minuten vor und schließt 30 Minu-       Mitgliedschaft
ten nach Beginn der Vorstellung. Bei allen öffentlichen   Wer sich für die Arbeit des Filmmuseums interessiert,
Veranstaltungen verbleibt ein Kartenkontingent für den    kann Mitglied im Verein der Freunde des Filmmuseums
freien Verkauf an der Abendkasse. Die Vorstellungen       München, dem Münchner Filmzentrum e.V. (MFZ) wer-
beginnen pünktlich ohne Vorprogramm.                      den. Mitgliedsanträge sind an der Kinokasse erhältlich.
                                                          Der Jahresbeitrag beträgt 20 € und berechtigt zum
Kartenreservierung                                        ermäßigten Eintritt ins Filmmuseum sowie zur Teil-
Kartenreservierungen sind bis zu vier Wochen im Vor-      nahme an den Mitgliederversammlungen des MFZ, in
aus möglich und können unter der Telefonnummer            denen die Programmplanungen des Filmmuseums
089/23396450 auf Band gesprochen werden. Vorbe-           diskutiert und Projekte entwickelt werden. Weitere
stellte Karten müssen bis 20 Minuten vor Vorstellungs-    Informationen erhalten Sie unter Tel. 089 / 2713354
beginn an der Kasse abgeholt worden sein, ansonsten       und www.muenchner-filmzentrum.de.
verfällt die Reservierung.
                                                          Rollstuhlfahrer / Hörgeschädigte
Kartenvorverkauf                                          Der Kinosaal und die Behindertentoilette im Unterge-
Karten können bis zu vier Wochen im Voraus gekauft        schoss sind über einen Aufzug barrierefrei zugänglich.
werden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass un-       Das Kino ist mit einer Induktionsschleife für Hörgeräte-
mittelbar vor Vorstellungsbeginn bei starkem Besu-        besitzer ausgestattet. Der Empfang ist auf den Plätzen
cherandrang kein Kartenvorverkauf erfolgt. Karten         am Anfang und Ende der Sitzreihen am besten.
behalten ihre Gültigkeit nur bis Vorstellungsbeginn. An
der Abendkasse können vorverkaufte Karten bis 20 Mi-      Mobiltelefone
nuten vor Vorstellungsbeginn gegen Kostenerstattung       Die Benutzung von Mobiltelefonen während der Veran-
wieder zurückgegeben werden.                              staltungen ist nicht gestattet. Dies schließt auch das
                                                          Lesen von E-Mails etc. ein.
Programmabonnement
Das Kinoprogrammheft und unseren Newsletter kön-          Verkehrsanbindung
nen Sie unter www.muenchner-stadtmuseum.de/film           Sie erreichen das Filmmuseum in 5 Gehminuten vom
kostenlos abonnieren. Das Programmheft wird an            U/S-Bahnhof Marienplatz oder in 7 Gehminuten vom
Mitglieder des MFZ auf Wunsch kostenlos versandt.         U-Bahnhof und der Trambahnhaltestelle Sendlinger Tor.
Ansonsten bitten wir um die Zusendung eines adres-        Die Buslinien 52 und 62 halten am St.-Jakobs-Platz.

Mitgliederversammlungen des Münchner Filmzentrums e. V. (MFZ)
Die für alle Interessierten öffentlichen Mitgliederversammlungen des Fördervereins des Filmmuseums finden
einmal im Monat montags um 19.00 Uhr im Gotischen Zimmer des Ignaz-Günther-Hauses (St.-Jakobs-Platz 20,
80331 München, 1. Stock) statt. Termine: 9. September 2019, 7. Oktober 2019, 4. November 2019, 2. Dezember
2019, 13. Januar 2020 und 3. Februar 2020. Informationen: kontakt@muenchner-filmzentrum.de.

Open Scene am Donnerstag
Die Termine am Donnerstag sind teilweise für aktuelle Veranstaltungen reserviert. Das                Das Kino
                                                                                                     ist mit einer
Programm wird etwa acht Tage vorher festgelegt und im Schaukästen des Kinos, im                      Induktionsschleife
                                                                                                     für
E-Mail-Newsletter, unter www.muenchner-stadtmuseum.de/film/open-scene.html, auf                      Hörgerätebesitzer
                                                                                                     ausgestattet
Facebook, auf Twitter und durch Ankündigungen in der Tagespresse bekannt gegeben.

Impressum
Landeshauptstadt München. Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum, St.-Jakobs-Platz 1, 80331 München,
089/23320538, E-Mail: filmmuseum@muenchen.de · Redaktion: Stefan Drößler, Claudia Engelhardt, Christoph
Michel · Gestaltung: KOSCH Werbeagentur, München · Druck: Weber Offset GmbH, München
Katja Raganelli, Alfred Hitchcock, Peter Lilienthal, neue Mitarbeiter

Katja Raganelli war eine der wenigen Frauen, die die Aufnahmeprüfung zum                                    2 Rückblick
ersten Jahrgang der Hochschule für Fernsehen und Film in München bestan-
                                                                                  3 Internationale Stummfilmtage
den. Einen Schwerpunkt ihres langjährigen filmischen Schaffens lag in der
Erforschung und Dokumentation der Arbeit von Filmemacherinnen. Zusammen                              7 Katja Raganelli
mit Konrad Wickler hat sie den noch heute wenig bekannten Pionierinnen Alice
Guy und Dorothy Arzner nachgespürt und Filmemacherinnen wie Mai Zetter-                           14 Alfred Hitchcock
ling und die kürzlich verstorbene Agnès Varda bei Dreharbeiten beobachtet.
Wir freuen uns, Katja Raganelli zu ihrem 80. Geburtstag eine Retrospektive                       31 Russian Seasons
zu widmen, in der wir ihre Essayfilme jeweils zusammen mit einem Werk der
porträtierten Filmemacherin präsentieren.                                                               39 Kult-Horror
    Bereits zum 120. Mal jährt sich der Geburtstag von Alfred Hitchcock, über
dessen umfangreiches Werk unzählige Untersuchungen und Analysen verfasst                            44 Stanisław Lem
wurden. Wir zeigen alle seine Regiearbeiten sowie auch bisher unveröffentlich-
tes Material zu nicht fertiggestellten Projekten wie KALEIDOSCOPE oder sei-                 48 Untertitelungsprojekt
ne Auftritte in Deutschland, bei denen er mit sehr guten Deutschkenntnissen
beeindruckte. Peter Lilienthal, der Ende November 90 wird, stellt aus diesem                               49 Underdox
Anlass seinen ersten Kinofilm MALATESTA vor, der momentan restauriert wird.
Weiterhin werden einige seiner weithin vergessenen frühen Filme zu sehen                      50 100 Jahre Bauhaus
sein, die zum Besten gehören, was das deutsche Fernsehen der 1960er Jah-
ren zu bieten hatte.                                                                    55 Film und Psychoanalyse
    Das Filmmuseum zeigt Filme in analogen und digitalen Filmkopien, je
                                                                                       57 Werner-Herzog-Filmpreis
nachdem welche den Film am besten repräsentieren und der ursprünglichen
Fassung bei der Premiere am nächsten kommen. Oft können wir verschiedene
                                                                                      58 Rumänisches Filmfestival
Vorführmaterialien erst kurz vor dem Spieltermin testen und dann entscheiden,
welches Material unseren Ansprüchen mehr entspricht. Vom Kameranegativ                              63 Peter Lilienthal
gezogene Premierenkopien alter Filme, die gut erhalten sind und keine stö-
renden Gebrauchsspuren wie Sprünge in Bild und Ton oder Farbverfall aufwei-                    68 Antonio Pietrangeli
sen, existieren in aller Regel leider nicht mehr. Gute digitale Restaurierungen
verwenden die besten erhaltenen Ausgangsmaterialien und können Schäden                              73 Zuschauerkino
ausgleichen oder retuschieren, aber auch neue Fehler produzieren und den
ursprünglichen Look eines Films verändern. Seien Sie versichert, dass das                          74 Aki Kaurismäki
Filmmuseum stets bemüht ist, alle Filme in bestmöglicher technischer Bild-
und Tonqualität zu präsentieren.                                                               79 FilmWeltWirtschaft
    Im September werden zwei neue Mitarbeiter im Filmmuseum arbeiten:
Mara Rusch folgt Klaus Volkmer, der aus Altersgründen im letzten Jahr das                      80 Kalenderübersicht
Filmmuseum verlassen musste, und Thomas Franziskowski ersetzt Erich Wag-
ner, der über 40 Jahre als Vorführer gearbeitet hat. Die Nachbesetzung der
Stellen hat sich leider hingezogen, Wolfgang Leitner hat im Vorführraum aus-
geholfen, und der unermüdliche Klaus Volkmer nun ehrenamtlich beim neuen
Programm mitgewirkt, so dass sich keine negativen Auswirkungen bemerkbar
gemacht haben. Mit bangen Gefühlen sehen wir dem Jahresende entgegen,             R = Regie · B = Drehbuch · K = Ka-
wenn der langjährige technische Leiter des Filmmuseums Gerhard Ullmann in         mera · M = Musik · S = Schnitt · T =
                                                                                  Ton · D = Darsteller · P = Produktion
den Ruhestand geht und sich schon jetzt leider wieder abzeichnet, dass die        OF = Originalfassung · OmU = Ori-
Nachbesetzung nicht lückenlos erfolgen wird.                                      ginalfassung mit Untertiteln · OmeU
    Jetzt freuen wir uns aber erst einmal auf die Verstärkung. Ihnen, die Sie     = Originalfassung mit englischen
                                                                                  Untertiteln · OmfU = Originalfassung
dieses Programmheft lesen, wünschen wir eine anregende Lektüre und viele          mit französischen Unter­titeln · OmÜ =
spannende, vergnügliche und nachdenkliche Kinoerlebnisse.                         Originalfassung mit deutscher Über-
                                                                                  setzung · dtF = deutsche Synchron-
                                                                                  fassung · \ = Live-Musik­begleitung
Ihr Filmmuseum                                                                    2 = Einführung ·            = Zu Gast
Rückblick
Rückblick

  2

            7. Februar 2019: Lutz Dammbeck und Claudia Engelhardt vor dem           20. Februar 2019: M+M führen in Salvadors Dalís Hommage an Ray-
            Poster von Dammbecks Film BRUNO & BETTINA, einem Porträt des            mond Roussel IMPRESSIONEN AUS DER HOHEN MONGOLEI ein und
            japanischen Filmemachers und politischen Aktivisten Masao Adachi.       sprechen über die Dreharbeiten mit Kameramann Bodo Kessler.

            21. Februar 2019: Kameramann Jörg Schmidt-Reitwein feiert seinen        28. März 2019: Fabrice Aragno erzählt bei der Uraufführung der von
            80. Geburtstag im Filmmuseum mit der Vorführung von FATA MORGA-         Jean-Luc Godard selbst gesprochenen deutschen Fassung von LE LIVRE
            NA von Werner Herzog und DER PAPIERHUT von La Van Phuong.               D’IMAGE über sein Arbeiten mit Jean-Luc Godard.

            23. April 2019: Stefan Drößler führt ein Gespräch mit Ingemo Engström   13. Juni 2019: Gerhard Ullmann mit Harry Baer und Isolde Barth, die
            und Gerhard Theuring nach der Aufführung ihrer Frühwerke AM ABEND       mit Rainer Werner Fassbinder zusammengearbeitet haben und im Film-
            DES FOLGENDEN TAGES und DARK SPRING.                                    museum gemeinsam aus dem Drehbuch zu LOLA lesen.
Internationale Stummfilmtage

                                                                                                                                                           Internationale Stummfilmtage
                                                                                                                                                                   3
PRÄSTÄNKAN – NACH RECHT UND GESETZ

                                     Das Filmmuseum München beginnt sein neues Pro-                 Alle Filme werden von bewährten Stummfilmpia-
                                     gramm traditionsgemäß mit einer Auswahl von selte-         nisten live am Flügel begleitet, die dem Publikum des
                                     nen und neu rekonstruierten Stummfilmen aus dem            Filmmuseums vertraut sind: Günter A. Buchwald (Frei-
                                     Programm der »Bonner Stummfilmtage«, des größten           burg), Masako Ohta (München), Joachim Bärenz (Ober-
                                     deutschen Stummfilmfestivals. Zur Aufführung gelan-        hausen), Sabrina Zimmermann & Mark Pogolski (Mün-
                                     gen die besten Fassungen der jeweiligen Filme, oft         chen) und Richard Siedhoff (Weimar). Stefan Drößler
                                     wertvolle Unikate, für die namhafte Stummfilmmusiker
                                     neue Musikbegleitungen ausarbeiten und live auffüh-        Les générations comiques (Komische Schöpfungen)
                                     ren. Die einzelnen Filme werden ausführlicher auf der      | Frankreich 1909 | R+B: Émile Cohl | 5 min | OF –
                                     Website www.internationale-stummfilmtage.de und in         Affaires de cœur (Herzensangelegenheiten) |
                                     einem gesonderten Programmheft vorgestellt, das an         Frankreich 1909 | R+B: Émile Cohl | 5 min | ohne Titel
                                     der Kinokasse ausliegt.                                    Neue Restaurierungen von zwei technisch verblüffend
                                         Die Auswahl für das Programm des Filmmuseums           perfekten avantgardistischen Werken des Trickfilm-
                                     konzentriert sich auf Raritäten, die in München lange      Pioniers. – The Second 100 Years (Kavaliere für 24
                                     nicht mehr oder noch nicht zu sehen waren. Es sind         Stunden) | USA 1927 | R: Fred L. Guiol | B: Leo McCa-
                                     sehr unterschiedliche Filme aus verschiedenen Län-         rey | K: George Stevens | D: Stan Laurel, Oliver Hardy,
                                     dern und Kontinenten, die die Vielfalt und hohe Qualität   James Finlayson, Charlie Hall, Stanley Sandford | 21
                                     des Stummfilmschaffens dokumentieren. Oft sind die         min | OF | Der erste Film, in dem Stan Laurel und Oliver
                                     vorgestellten Fassungen das Ergebnis aufwändiger Re-       Hardy als Duo auftreten, in einer neu aufgefundenen
                                     staurierungsarbeiten der Filmarchive, die wie das Film-    vollständigen Fassung mit originalen Zwischentiteln. –
                                     museum in der Fédération Internationale des Archives       Lights of Old Broadway (Die Lichter des Broadway)
                                     du Film (FIAF) Mitglied sind.                              | USA 1925 | R: Monta Bell | B: Carey Wilson, nach dem
Stück »The Merry Wives of Gotham« von Laurence Eyre         schen Komödie erwartete. »Das Ereignis des Films, die
                               | K: Ira H. Morgan | D: Marion Davies, Conrad Nagel,        Sensation des Abends ist der Ludwig XI. Conny Veidts.
                               Frank Currier, George K. Arthur, Julia Swayne Gordon        Veidt verzichtet auf jede Äußerlichkeit und jeden Ef-
                               | 72 min | OF | Marion Davies brilliert in einer Dop-       fekt. Er legt seinen guten König Louis ohne jede flache
                               pelrolle als Zwillinge, die nach der Geburt getrennt        Dämonie an. Dieser König ist eine arme, vom eigenen
                               wurden und im New York Ende des 19. Jahrhunderts            Misstrauen gehetzte Kreatur. Ein Maniake, blutdürs-
                               in unterschiedlichen sozialen Milieus aufwachsen. Die       tig, halb irre, lauernd böse; und manchmal mit einem
Internationale Stummfilmtage

                               erfolgreiche Verfilmung eines Broadway-Hits wurde von       schüchternen Ansatz zur Milde.« (Hans Feld)
                               der Library of Congress restauriert, inklusive der faszi-    Freitag, 6. September 2019, 21.00 Uhr | Live-Musik:
                               nierenden Zweifarb-Technicolor-Sequenzen.                   Günter A. Buchwald
                                Donnerstag, 5. September 2019, 19.00 Uhr | Live-Mu-
                               sik: Günter A. Buchwald | Einführung: Stefan Drößler        Prästänkan (Nach Recht und Gesetz) | Schweden
                                                                                           1920 | R+B: Carl Theodor Dreyer, nach dem Ro-
                               Fen dou (Kampf ums Glück) | China 1932 | R+B:               man »Prestekonen« von Kristofer Janson | K: George
                               Shi Dongshan | D: Zheng Junli, Chen Yanyan, Yuan            Schnéevoigt | D: Hildur Carlberg, Einar Rød, Greta
                               Congmei, Liu Jiqun | 84 min | OmeU | Stark beeinflusst      Almroth, Olav Aukrust, Kurt Welin, Mathilde Nielsen |
                               von amerikanischen Filmen Ende der 1920er Jahre             94 min | OmeU | Carl Theodor Dreyers leise Komödie
       4                       wie Frank Borzages 7th HEAVEN, die zu dieser Zeit in        um einen jungen Pastor und die überkommenden Tra-
                               Shanghai zu sehen waren, ist dieses vom China Film          ditionen in einem Dorf des 17. Jahrhunderts lief nur
                               Archive neu restaurierte Werk eine überraschende            kurzzeitig in den deutschen Kinos, bevor die deutsche
                               Entdeckung: Ungewöhnlich humorvoll wird die Rivalität       Zensur ihn mit einem Aufführungsverbot belegte: »Mit
                               zweier Brüder um die Gunst der über ihnen wohnen-           der Ehe und ihrem sittlichen Ernst wird ein possen-
                               den Nachbarstochter geschildert. Die Geschichte wird        haftes Spiel getrieben, das hier besonders verwerflich
                               melodramatisch, wenn die beiden Brüder in den Krieg         ist, weil ein Geistlicher sich daran beteiligt.« Die neue
                               ziehen. Der Film wurde seinerzeit nur kurzzeitig im Kino    digitale Restaurierung des Schwedischen Filminstituts
                               gezeigt und ist in tadelloser Form erhalten geblieben.      lässt die Schönheit des Films zur Geltung kommen.
                               »Zu meiner freudigen Überraschung ist FEN DOU ei-           »Der Schwedenfilm verfügt über alle Vorzüge seiner
                               nes dieser seltenen Filmjuwelen, denen die Zeit nichts      Gattung; dazu kommt, dass die Aufnahmen durchweg
                               anhaben kann! Beginnend mit häuslichen Problemen            in dem Freilichtmuseum bei Lillehammer in Norwegen
                               öffnet sich der Film in meisterlich komponierten Szenen     gemacht sind. So ist es denn in der Tat gelungen, ein
                               und einem flüssigen, niemals durchhängenden Rhyth-          Stück alten unverfälschten schwedischen Volkstums zu
                               mus zum durch und durch emotional packenden Port-           verlebendigen. Carl Th. Dreyers Regieführung ist mus-
                               rät eines Volkes, das gegen die japanischen Invasoren       tergültig.« (Fritz Olimsky)
                               kämpft.« (Webs of Significance)                              Samstag, 7. September 2019, 18.30 Uhr | Live-Musik:
                                Freitag, 6. September 2019, 18.30 Uhr | Live-Musik:       Günter A. Buchwald
                               Masako Ohta
                                                                                           Anders als die andern | Deutschland 1919 | R: Richard
                               Willi’s Zukunftstraum | DE 1928 | R+B: Paul Peroff |        Oswald | B: Richard Oswald, Magnus Hirschfeld | K:
                               5 min | Zeichentrickfilm: Im Jahr 2950 wird das Leben       Max Faßbender | D: Conrad Veidt, Reinhold Schünzel,
                               von Maschinen und Robotern geregelt. – The Beloved          Magnus Hirschfeld, Anita Berber, Helga Molander | 52
                               Rogue (Der Bettelpoet) | USA 1927 | R: Alan Cros-           min | Der erste Film der Welt, in dem Homosexualität
                               land | B: Paul Bern, nach dem Roman »If I Were King«        thematisiert wird, entstand kurz nach dem Ersten Welt-
                               von Justin Huntley McCarthy | K: Joseph H. August | D:      krieg, als die Zensur aufgehoben war und eine Welle
                               John Barrymore, Conrad Veidt, Marceline Day, Lawson         von »Aufklärungsfilmen« die deutschen Kinos über-
                               Butt, Henry Victor, Slim Summerville | 97 min | OF |        schwemmte. ANDERS ALS DIE ANDERN trat offen für
                               John Barrymore als François Villon und Conrad Veidt         die Abschaffung des § 175 ein und wurde zum Skan-
                               als König Louis XI in einem äußerst unterhaltsamen          dal. Erhalten ist ein verstümmeltes Fragment, das das
                               Kostümfilm mit beeindruckenden Set Designs von Wil-         Filmmuseum digital rekonstruiert hat. – The Red Ki-
                               liam Cameron Menzies. Erstaunlicherweise fiel der Film      mona (Der rote Kimono) | USA 1925 | R: Walter Lang,
                               seinerzeit bei Publikum und Kritik durch, weil man von      Dorothy Davenport | B: Dorothy Arzner, Adela Rogers St.
                               Theaterstar Barrymore keinen Auftritt in einer romanti-     Johns | K: James Diamond | D: Priscilla Bonner, Carl
Miller, Virginia Pearson, Tyrone Power, Mary Carr | 77     gen und kleinen Details erschließt, die als »Lubitsch
min | OF | Dorothy Davenport war mit dem drogensüch-       Touch« berühmt wurden. »Lubitsch, auf der Höhe der
tigen Stummfilmstar Wallace Reid verheiratet und führ-     Inspiration, hat diese Farce zu einer Satire auf die gan-
te nach dem tragischen Tod ihres Mannes als Mrs. Wal-      ze Filmbranche gemacht. Die Liebeslaunen der Köni-
lace Reid einen öffentlichkeitswirksamen Kampf gegen       gin, die feurig-revolutionären Umtriebe, die ein kleiner
die Laster der Menschheit. In ihrem dritten Film geht es   Scheck beruhigt, die delikaten Umschwünge der Hofin-
um den authentischen Fall des sozialen Abstiegs einer      trigen brachte er zu satirischer Perfektion.« (Paul Rotha)

                                                                                                                                             Internationale Stummfilmtage
Frau, die in der Prostitution zu enden droht.               Sonntag, 8. September 2019, 18.30 Uhr | Live-Musik:
 Samstag, 7. September 2019, 21.00 Uhr | Live-Musik:      Sabrina Zimmermann, Mark Pogolski
Joachim Bärenz
                                                           Nogent, Eldorado du dimanche (Nogent) | Frank-
Forbidden Paradise (Das verbotene Paradies) | USA          reich 1929 | R+B+K: Marcel Carné | 17 min | ohne Titel
1924 | R: Ernst Lubitsch | B: Agnes Christine Johnston,    | Ein beliebter Sonntagsausflug der Pariser Bevölkerung
Hanns Kräly, nach dem Stück »The Czarina« von Lajos        aus den einfacheren Quartieren führt nach Nogent an
Biró und Melchior Lengyel | K: Charles J. Van Enger |      die Ufer der Marne. Hierhin kommt man, um spazieren
D: Pola Negri, Rod La Rocque, Adolphe Menjou, Pauline      zu gehen, zu fischen oder Boot zu fahren. Zum Mit-
Starke, Fred Malatesta | 73 min | OF | Mit Filmen wie      tagessen sind alle Lokale brechend voll, anschließend
CARMEN und MADAME DUBARRY wurden Regisseur                 wird getanzt. – L’auberge rouge (Die rote Herberge) |                                     5
Ernst Lubitsch und sein Star Pola Negri in Deutschland     Frankreich 1923 | R+B: Jean Epstein, nach der Erzäh-
berühmt, bevor beide nacheinander nach Hollywood           lung von Honoré de Balzac | K: Raoul Aubourdier, Roger
engagiert wurden. Ihre einzige Zusammenarbeit in           Hubert | D: Léon Mathot, Gina Manès, Jean-David Évre-
Amerika war FORBIDDEN PARADISE, eine brillante             mond, Pierre Hot, Jacques Christiany, Robert Tourneur |
Komödie über eine an Katharina die Große angelehnte        71 min | OmU | Jean Epsteins erster großer Film basiert
Herrscherin, deren Frivolität sich in Blicken, Andeutun-   auf einer Geschichte von Honoré de Balzac, die um 1800

                                                                                                                        FORBIDDEN PARADISE
spielt. Bei einem Souper erzählt einer der Gäste in mit    S. Ziesemer | D: Bernhard Goetzke, Ellen Kürty, Werner
                               dem fortlaufenden Geschehen verflochtenen Rückblen-        Pittschau, Siegfried Arno, Helene von Bolváry | 82 min
                               den von einem Vorfall aus der Vergangenheit: Einer der     | Alfred Lind, ein Spezialist für Zirkusfilme, vermengt
                               Tischgäste verdankt seinen Reichtum einem Mord, für        auf ganz eigenwillige Weise Elemente von Melodrama,
                               den ein anderer hingerichtet wurde. Mit rein filmischen    Thriller, Science Fiction und Horrorfilm: Drei Hochseilar-
                               Mitteln evoziert Epstein eine unheimliche Atmosphäre,      tisten treten im Zirkus in einer sensationellen Nummer
                               in der sich die Spannung kontinuierlich zuspitzt.          als Skelette auf. Als einer von ihnen abstürzt, soll ein
Internationale Stummfilmtage

                                Sonntag, 8. September 2019, 21.00 Uhr | Live-Musik:      steuerbarer künstlicher Mensch seinen Platz einneh-
                               Joachim Bärenz                                             men. »Ein Film, der mit großen Sensationen aus der
                                                                                          Menschen- und Tierwelt arbeitet und durch atemberau-
                               The Single Standard (Gleiche Moral) | USA 1929 |           bende Geschehnisse voll dramatischer Steigerung und
                               R: John S. Robertson | B: Josephine Lovett, nach dem       verblüffender Präzision das Interesse in hohem Grade
                               Roman von Adela Rogers St. Johns | K: Oliver T. Marsh |    festhält. Da die Bestien der Menagerie tätigen Anteil an
                               D: Greta Garbo, Nils Asther, John Mack Brown, Dorothy      der Entwicklung der grausigen Vorgänge nehmen, wirkt
                               Sebastian, Lane Chandler | 71 min | dtF | Greta Garbo in   die ganze Handlung aufregend und nervenpeitschend.«
                               einer ungewöhnlichen Rolle als moderne, unabhängige        (Kino-Journal) Die Rekonstruktion des Bundesarchivs
                               Frau, die sich ihre Männer selber aussucht. »Gleiche       wurde aus einer deutschen und einer englischen Fas-
       6                       Moral ist ein von den Frauenrechtlerinnen aufgestell-      sung des Films zusammengesetzt und hat deshalb ab-
                               tes Schlagwort, welches das Ziel verfolgt, Mann und        wechselnd deutsche und englische Zwischentitel.
                               Frau in Dingen der Moral mit gleichem Maß zu messen.        Dienstag, 10. September 2019, 21.00 Uhr | Live-Musik:
                               Die Verfechterinnen dieses Gedankens verlangen mit         Richard Siedhoff
                               Recht, dass man endlich aufhöre, in einem gewissen
                               Fall den Mann einen ›feschen Kerl‹ und die Frau eine       Alice Guy-Blaché (1873-1968) – Hommage an die
                               ›schamlose Person‹ zu nennen. In ihrem neuen Film          erste Filmemacherin der Welt | Deutschland 1997
                               spielt die Garbo eine Frau, die sich über die Grenzen      | R+B: Katja Raganelli | K: Konrad Wickler | Mit: Eva
                               der verlogenen Moral hinwegsetzt. Nicht mit Gesten         Mattes, Angela Huber, Daniel Legler, Alice Guy-Blaché,
                               und hochtrabenden Reden, sondern durch ihr bloßes          Simone Blaché, Bessie Love | 59 min | Alice Guy leitete
                               Sein, nicht als Frauenrechtlerin, sondern als Frau, die    von 1897 bis 1906 die Filmproduktion bei Léon Gau-
                               ihrem Gefühl folgt.« (Österreichische Film-Zeitung) Von    mont, bevor sie mit ihrem Mann Herbert Blaché nach
                               dem seinerzeit nachträglich mit Musik und Geräuschef-      Amerika ging und dort das Filmstudio Solax aufbaute
                               fekten vertonten Stummfilm hat sich das ursprünglich       und leitete. Katja Raganelli verbindet in ihrem Filmes-
                               unbeschnittene Vollbildformat nur in einer österreichi-    say dokumentarische Aufnahmen, Interviews, Filmaus-
                               schen Filmkopie erhalten.                                  schnitte und Spielszenen zu einem faszinierenden
                                Dienstag, 10. September 2019, 18.30 Uhr | Live-Musik:    Porträt. – La fée printemps (Die Frühlingsfee) | Frank-
                               Richard Siedhoff                                           reich 1906 | R+B: Alice Guy | 4 min | dtF – Madame
                                                                                          a des envies (Madame in Nöten) | Frankreich 1906 |
                               Tragödie im Zirkus Royal | Deutschland 1928 | R:           R+B: Alice Guy | 5 min | OF – Les résultats du fémi-
                               Alfred Lind | B: Armin Petersen, Alfred Lind | K: Edgar    nisme (Emanzipation der Frauen) | Frankreich 1906
                                                                                          | R+B: Alice Guy | 8 min | ohne Titel – Falling Leaves
                                                                                          (Wenn die Blätter fallen) | USA 1912 | R+B: Alice
                                                                                          Guy-Blaché | 12 min | OF – Two Little Rangers (Zwei
                                                                                          kleine Ranger) | USA 1912 | R+B: Alice Guy-Blaché
                                                                                          | 16 min | OF – The High Cost of Living (Der Preis
                                                                                          des Lebens) | USA 1912 | R+B: Alice Guy-Blaché |
                                                                                          15 min | OF – Matrimony’s Speed Limit (Heirat im
                                                                                          Eiltempo) | USA 1913 | R+B: Alice Guy-Blaché | 14
                                                                                          min | OF – Eine Auswahl von neu restaurierten Filmen,
                                                                                          die soziale Probleme thematisieren und herkömmliche
                                                                                          Rollenmuster auf den Kopf stellen.
                                                                                           Mittwoch, 11. September 2019, 19.00 Uhr | Live-Musik:
                                                                                          Richard Siedhoff | Zu Gast: Katja Raganelli
Katja Raganelli: Vierzehn Filmemacherinnen

                                                                                                                                                          Katja Raganelli
                                                                                                                                                              7

                                                                                                                     Katja Raganelli und Mai Zetterling
Das größte Interesse erweckte in meiner Kindheit das      nahmeprüfung. Das war der Beginn meiner 40-jährigen
Kino. Es fiel mir nicht schwer, mehrere Stunden vor der   Filmarbeit, in der 65 Dokumentarfilme und 3 Spielfilme
Kinokasse in Split für die Karten der Abendvorstellung    entstanden sind. Als ich 1971 die HFF abgeschlossen
zu warten, damit ich mit meinen Eltern die magische       hatte, wollte ich »Liebeszauber« von Ludwig Tieck ver-
Leinwand erleben durfte, die mich in eine andere Welt     filmen. Ich schrieb das Drehbuch und versuchte bei
versetzte. Joan Crawford, Bette Davis, Katharine Hep-     verschiedenen Sendern, das Projekt zu realisieren. Das
burn, starke Frauen in den Hollywood-Melodramen der       Drehbuch kam gut an, aber man wollte einen damals
1940er und 1950er Jahre, elegant, klug, manchmal          sehr bekannten Regisseur den Film drehen lassen. Die-
auch gnadenlos in der Erfüllung ihrer Lebensträume,       se Erfahrung sensibilisierte mich. Ich beschloss, durch
faszinierten mich, obwohl ihr Kampf ums Lebensglück       die Porträts der Frauen, die es geschafft haben, in die-
selten mit einem Happy End belohnt wurde. Das Le-         ser männlich dominierten Welt Filme zu machen, auf
ben bestrafte diese mutigen Frauen, die den Emanzi-       die schwierige Situation der Frau im Film aufmerksam
pationspfad betraten. Ich verstand damals schon als       zu machen.
junges Mädchen ihre Sehnsucht nach Unabhängigkeit,            Mein erstes Porträt war über die französische Fil-
die sie trotz ihrer Stärke so verletzbar machte, sobald   memacherin Agnès Varda. Sie war elf Jahre älter als
sie gegen die Spielregeln der Gesellschaft verstießen.    ich und enorm mutig. 1954 wagte sie aus eigenen
Ich schrieb an Joan Crawford, und sie antwortete mir,     Ersparnissen ihren ersten Film LA POINTE COURTE
schickte ein Porträt mit einer Widmung. Damals schwor     zu drehen. Ihre Erfahrung als Fotografin bei Jean Vilar
ich mir, wenn ich endlich erwachsen bin, werde ich        am Théâtre National Populaire in Paris beeinflusste sie
nach Hollywood reisen, um sie persönlich kennen zu        nachhaltig in ihrer Filmarbeit. Für Agnès Varda ist die
lernen.                                                   Fotografie ein starkes Ausdrucksmittel, welches eine
    1967 wurde die Hochschule für Fernsehen und Film      Art Schwingung ausstrahlt. Gerade diese Schwingun-
(HFF) in München eröffnet und ich bestand die Auf-        gen, dachte ich damals, wie auch der festgehaltene
Augenblick, sind Elemente der Frauenästhetik in ihren       einer autonomen Person wurde.« Lilianes Gedanke ge-
                                                      Filmen. Es war kein Zufall, dass ich eine Reihe von         fiel mir, deshalb nannten wir unseren Dokumentarfilm:
                                                      Filmporträts über Filmemacherinnen gerade mit Agnès         DIE FRAUEN MÜSSEN ZWEIMAL GEBOREN WERDEN.
                                                      Varda – la mère de la Nouvelle Vague – beginnen woll-            Als wir das Liliane-de-Kermadec-Porträt um ein In-
                                                      te. Im Oktober 1976 besuchten wir sie bei den Dreh-         terview mit Delphine Seyrig ergänzten, kam ich auf
                                                      arbeiten zu L’UNE CHANTE, L’AUTRE PAS. Agnès war            die Idee, unsere Frauenfilm-Reihe um ihr Porträt zu
                                                      ganz anders als ich sie mir vorstellte. Damals war sie      erweitern. Mit Herzklopfen besuchte ich sie am Place
                                                      48 Jahre alt, und dennoch wirkte sie wesentlich jün-        des Vosges in einem sehr schönen Haus, wo sie mit
                                                      ger. Ihre kurzen schwarzen rund geschnittenen Haare         Familie und Freunden wohnte. Das Außergewöhnliche
Katja Raganelli

                                                      glänzten im Licht der Scheinwerfer und der Pony ließ        an Delphine Seyrigs Persönlichkeit war, dass sie seit
                                                      ihre lebhaften dunklen griechischen Augen schelmisch        über 20 Jahren ihr ganzes schauspielerisches Potential
                                                      dahinter hervorblicken. Um sie herum verbreitete sich       einsetzte, um experimentelle Filme und Theaterproduk-
                                                      eine entspannte Stimmung.                                   tionen zu unterstützen. Delphine Seyrig hatte eine inte-
                                                          Während der Dreharbeiten mit Agnès Varda ent-           ressante Definition: »Die Liebe ist ein Mythos, und viel
                                                      deckte ich in einem ihrer Fotoalben Standfotos aus dem      Geld wird investiert, um diesen Mythos zu erhalten, zu
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                                                      Film CLÉO DE 5 À 7, die außergewöhnlich emotional           kultivieren und um Frauen von seiner Existenz zu über-
                                                      und ausdrucksstark waren. Agnès erklärte mir, dass          zeugen, obwohl die Realität zeigt, dass er nicht existiert.
                                                      diese Fotos Liliane de Kermadec gemacht habe, die           Wenn Sie sich umschauen, sehen Sie, dass Menschen
                                                      jetzt auch Regisseurin geworden sei. Ich wurde neugie-      sich gegenseitig umbringen, aber trotzdem glauben Sie
                                                      rig und suchte Liliane auf. Ich stellte ihr unser Projekt   weiter, dass Liebe existiert und dass man sie mit einem
                                                      vor, und sie willigte in ein Porträt ein, ließ uns an ih-   anderen Menschen verwirklichen kann.« Diese Definiti-
                                                      rem Leben teilhaben und erzählte über ihre Filmarbeit.      on wurde zum Titel unserer Dokumentation.
                                                      »Die Frauen müssen zweimal geboren werden«, meinte               Auf dem Filmfestival in Venedig habe ich 1970 den
                                                      sie lachend: »Das erste Mal ist man wie Jedermann           Film WANDA von Barbara Loden gesehen. Barbara
                                                      und das zweite Mal ist man eine Person, während die         Loden hat in WANDA die Titelrolle gespielt sowie das
                                                      Männer auf einmal geboren werden, so scheint es mir.        Drehbuch und die Regie verantwortet. Ich fragte mich,
                                                      Mein Alter beginnt mit meiner zweiten Geburt, als ich zu    was ist sie für eine Frau? Im Sommer 1980 waren Kon-
                  Simone Blaché und Katja Raganelli
rad Wickler und ich für Vorbereitungen in New York und     Lebens, meinte Mai Zetterling, verberge sich für sie
haben erfahren, dass Barbara Loden Schauspiel am           hinter der Tagesfassade der Normalität auf der Nacht-
Lincoln Center unterrichtet. Ich rief an und wir verab-    seite der Existenz. So entdeckte sie das Werk der 1940
redeten uns. Unserem Vorschlag, einen Film über sie        verstorbenen schwedischen Schriftstellerin Agnes von
zu machen, stimmte sie sofort zu. Unsere Dreharbeiten      Krusenstjerna, deren tragisches Leben sie 1986 in ih-
mit ihr waren eine ungewöhnliche Erfahrung. Ich war        rem Film AMOROSA schilderte. Unter den Filmemache-
zutiefst beeindruckt von der Intensität und Ehrlichkeit    rinnen, die ich porträtierte, war Mai die exzentrischste
ihrer Aussagen. Das war etwas, was ich in meiner Ar-       und die radikalste. Zwei konträre Seiten ihrer Persön-
beit noch nie erlebt hatte. Dann kam von ihrem Schau-      lichkeit vereinigten sich zu einer explosiven, kreativen

                                                                                                                                Katja Raganelli
spiellehrer Paul Mann die Nachricht, dass Barbara kurz     Kraft: eine Königin der Nacht und die Herrscherin des
nach dem Dreh gestorben war. Sie wusste, dass sie          Lichts, eine weise Frau mit dem Bewusstsein, ein Teil
nicht mehr lange zu leben hatte, was mir erklärte, dass    der kosmischen Harmonie zu sein – vielleicht war sie
sie unsere Dokumentation als ein Testament für ihre        tatsächlich eine Zauberin.
Söhne, ihren Ehemann Elia Kazan und die Nachwelt                Alice Guy ist eine neugierige junge Frau. Während
verstanden hat.                                            sie als Sekretärin von Léon Gaumont im Comptoir
                                                                                                                                    9
    1985 konnten wir SEHNSUCHT NACH FRAUEN –               Général de Photographie den Versand der Filmkameras
DOROTHY ARZNER realisieren, ein Filmessay über die         leitet, will sie selbst eine Kamera ausprobieren. Im März
Hollywood-Regisseurin, die als einzige den Sprung vom      1896 inszeniert sie mit ihren Freundinnen LA FÉE AUX
Stummfilm zum Tonfilm wagte und große kommerzielle         CHOUX (DIE FEE DER KOHLKÖPFE), den ersten Spiel-
Filme inszenierte. In ihren siebzehn Kinofilmen spiel-     film der Filmgeschichte. Die Tatsache, dass diese schö-
ten Stars wie Katharine Hepburn, Rosalind Russell,         ne Frau der Belle Époque elf Jahre lang die künstleri-
Joan Crawford, Lucille Ball und Maureen O’Hara. Sie        sche Leiterin von Gaumonts Produktionsfirma war und
verkörperten Frauen in extremen Lebenssituationen,         von 1896 bis 1907 420 Filme für ihn inszeniert und
Außenseiterinnen, die sich gegen die herrschende           produziert hat, haben die Filmhistoriker ignoriert. Ihre
Moral auflehnen, wodurch sie in Isolation oder in den      innovative Arbeit wurde ihren Zeitgenossen zugeschrie-
Tod getrieben wurden. Dorothy Arzner war Star-Re-          ben und so steht Alice Guy noch heute im Schatten von
gisseurin bei Paramount und Anfang der 1930er Jahre        Georges Méliès, Ferdinand Zecca und Louis Feuillade.
die einzige weibliche Filmemacherin Hollywoods. Die        Die Spurensuche nach Alice Guy führte uns 1980 nach
Partnerschaft mit der Choreografin Marion Morgan hat       Rift Mill in New Jersey, wo wir ihrer Tochter Simone
sie inspiriert. Dorothy Arzners Leben ist die Geschichte   begegneten. Sie war so glücklich, an einem Filmpor-
einer Amour fou. Sie starb 1979, 81 Jahre alt, an den      trät über ihre Mutter aktiv mitzuwirken, dass sie uns
Folgen eines schweren Autounfalls. Während unserer         ohne Einschränkung alle Fotos, Briefe und Tagebuch-
Dreharbeiten, im Sommer 1980, flogen wir nach La           eintragungen anvertraute. Sie sprach in einem langen
Quinta. Ihr Haus in der Wüste stand einsam in der glei-    Interview über die Kindheit ihrer Mutter, die Beziehung
ßenden Sonne mit einem Säulenportal, das an antike         zu Herbert Blaché-Bolton, die Ehekrise, die Scheidung
Architektur erinnerte. Es war noch unberührt: die Ein-     und die späten Jahre bis zu ihrem Tod.
richtungsgegenstände, der Flügel, auf dem sie gerne             Jetzt, an der Schwelle zu meinem achtzigsten Le-
gespielt hat, ihre persönlichen Dinge, alles war noch      bensjahr, beobachte ich in der Filmindustrie eine po-
da – Dorothy Arzners Lebensset. Es war, als ob sie nur     sitive Entwicklung für die Situation der Frauen im Film.
für einen Augenblick ausgegangen wäre.                     Mit Freude stelle ich fest, dass immer mehr Frauen an
    Auf dem Festival in Venedig 1966 wurde ich auf         Filmfestivals mit außergewöhnlichen Produktionen teil-
Mai Zetterlings Film NATTLEK (VERSCHWIEGENE                nehmen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass diese
SPIELE) aufmerksam. Einen Tag lang hingen die Film-        Entwicklung anhalten und zu einer neuen Produktions-
plakate mit anatomischen Zeichnungen von Leonardo          situation führen wird, die das Vertrauen in Regie füh-
da Vinci in der ganzen Stadt. In der darauffolgenden       rende Frauen und die Gleichberechtigung für die Chan-
Nacht wurden sie mit schwarzer Farbe übermal, NATT-        cen von Mann und Frau in diesem Beruf ermöglicht.
LEK wurde verboten und zu einer kulturellen Provo-                                                   Katja Raganelli
kation des Festivals. Erst 22 Jahre später danach
                                                           Der Text wurde kompiliert aus einem Interview, das Hans Albrecht
konnte ich Hans-Peter Kochenrath überzeugen, diese         Lusznat und Anna Crotti im Frühjahr 2019 mit Katja Raganelli führ-
ungewöhnliche Filmemacherin zum Thema eines Bei-           ten, und Ergänzungen von Katja Raganelli, die momentan an ihrer
trags für sein Filmforum zu machen. Die Wahrheit des       Autobiografiie arbeitet.
Alice Guy-Blaché (1873–1968) – Hommage an die              nen Leib erlebt: ›Man wird nicht als Frau geboren, man
                  erste Filmemacherin der Welt | Deutschland 1996            wird es‹.« (Agnès Varda)
                  | R+B: Katja Raganelli | K: Konrad Wickler | Mit: Eva       Mittwoch, 18. September 2019, 19.00 Uhr | Zu Gast:
                  Mattes, Angela Huber, Alice Guy, Daniel Legler, Simone     Katja Raganelli
                  Blaché, Bessie Love | 59 min | Filmessay, das Spiel-
                  szenen, dokumentarische Aufnahmen, Filmausschnitte         Die Frauen müssen zweimal geboren werden –
                  und Interviews mit Zeitzeugen miteinander verbindet.       Liliane de Kermadec | BRD 1978 | R+B: Katja Ra-
                  – La fée printemps (Die Frühlingsfee) | Frankreich         ganelli | K: Konrad Wickler | Mit: Liliane de Kermadec,
                  1906 | R+B: Alice Guy | 4 min | dtF – Madame a des         Anne de Kermadec, Jacques Monory, François Wert-
Katja Raganelli

                  envies (Madame in Nöten) | Frankreich 1906 | R+B:          heimer | 43 min | Porträt der französischen Filmema-
                  Alice Guy, nach einer Idee von Louise Kramskoy | 5         cherin Liliane de Kermadec, deren Interesse vor allem
                  min | OF – Les résultats du féminisme (Emanzipa-           dem Grenzbereich zwischen Realität und Traum gilt. –
                  tion der Frauen) | Frankreich 1906 | R+B: Alice Guy |      Leninallee | Deutschland 1991 | R: Liliane de Kerma-
                  8 min | OF – Falling Leaves (Wenn die Blätter fallen)      dec | K: Konrad Wickler | D: Dinko Bogdanic, Alexander
                  | USA 1912 | R+B: Alice Guy-Blaché | D: Mace Green-        Eitner, Cristina aus Amsterdam, Gudrun Ocras, Cong
    10
                  leaf, Blanche Cornwall, Marian Swayne, Magda Foy,          Shan | 105 min | »Nach dem Fall der Mauer macht
                  Darwin Karr | 12 min | OF – Two little Rangers (Zwei       sich der 13-jährige Theodor aus Ost-Berlin auf, um sei-
                  kleine Ranger) | USA 1912 | R+B: Alice Guy-Blaché |        nen unbekannten Großvater, der sich vor dem Bau der
                  D: Vinnie Burns, Blanche Cornwall, Magda Foy | 16 min      Mauer in den Westen absetzte, zu suchen. Er findet den
                  | holl.Titel – The High Cost of Living (Der Preis des      einstigen Tänzer, der nun in einer Transvestiten-Show
                  Lebens) | USA 1912 | R+B: Alice Guy-Blaché | D: Lee        auftritt. Diese Handlung des modernen Märchens dient
                  Beggs, Magda Foy | 15 min | OF – Matrimony’s Speed         dazu, die Traumwelten seiner Akteure transparent
                  Limit (Heirat im Eiltempo) | USA 1913 | R+B: Alice         zu machen, die sich in einem eher trostlosen Dasein
                  Guy-Blaché | D: Fraunie Fraunholz, Marian Swayne |         eingerichtet haben und nun auf eine bessere Zukunft
                  12 min | OF – Neu restaurierte Filme, in denen es um       hoffen. Gleichzeitig wird bruchstückhaft die Vergangen-
                  Fragen der Geschlechterrollen und soziale Probleme         heit der einzelnen Personen zusammengefügt.« (Film-
                  geht.                                                      Dienst)
                   Mittwoch, 11. September 2019, 19.00 Uhr | Live-Musik:     Mittwoch, 25. September 2019, 19.00 Uhr | Zu Gast:
                  Richard Siedhoff | Zu Gast: Katja Raganelli                Katja Raganelli

                  Die Frauen sind auf natürliche Art schöpferisch –          Márta Mészáros – Portrait einer ungarischen Film-
                  Agnès Varda | BRD 1977 | R+B: Katja Raganelli | K:         regisseurin | BRD 1979 | R+B: Katja Raganelli | K: Kon-
                  Konrad Wickler | Mit: Agnès Varda, Jacques Demy,           rad Wickler | Mit: Márta Mészáros, Miklós Jancsó, Jan
                  Valérie Mairesse, Thérèse Liotard | 50 min | OmeU |        Nowicki, Delphine Seyrig, Teri Torday | 59 min | Dieser
                  Agnès Varda bei den Dreharbeiten zu L’UNE CHANTE,          Dokumentarfilm entstand während der Dreharbeiten zu
                  L’AUTRE PAS, im Schneideraum und mit ihrem Mann            Márta Mészáros’ Kinofilm UNTERWEGS, den sie 1979
                  Jacques Demy und ihren Kindern. – L’une chante,            mit Delphine Seyrig und Jan Nowicki in ihrer Heimat-
                  l’autre pas (Die eine singt, die andere nicht) |           stadt Budapest inszenierte. – Örökbefogadás (Adop-
                  Frankreich 1977 | R: Agnès Varda | B: Agnès Varda          tion) | Ungarn 1975 | R: Márta Mészáros | B: Márta
                  | K: Charles Van Damme | M: François Wertheimer |          Mészáros, Ferenc Grunwalsky, Gyula Hernádi | K: Lajos
                  D: Thérèse Liotard, Valérie Mairesse, Robert Dadiès,       Koltai, Márta Mészáros | M: György Kovács | D: Katalin
                  Mona Mairesse, Francis Lemaire | 120 min | OmeU |          Berek, Gyöngyvér Vigh, Péter Fried, László Szabó, István
                  »Zwei junge Frauen 1962 in Paris: Pauline, 17 Jahre,       Szõke | 89 min | OmeU | Zwei Frauen, zwei Generatio-
                  Studentin, träumt davon, ihre Familie zu verlassen und     nen, der Wunsch nach Bindung und Mutterschaft. Kata
                  Sängerin zu werden. Suzanne, 22 Jahre, versorgt ihre       ist Anfang 40, Arbeiterin, verwitwet, und wünscht sich
                  beiden Kinder. Ihre Wege trennen sich. Zehn Jahre spä-     von ihrem Liebhaber ein Kind. Anna ist 17, wurde von
                  ter treffen sie einander bei einer Demonstration wieder.   ihren Eltern verlassen, wächst im Waisenhaus auf und
                  Suzanne arbeitet bei der Familienplanung und Pauline       möchte so schnell wie möglich ihren Freund heiraten.
                  ist Sängerin geworden. 1976 führt sie das Schicksal        Zaghaft entsteht zwischen den Frauen ein Vertrauens-
                  noch einmal zusammen. Sie haben den Satz Simone            verhältnis und eine Freundschaft, in der beide zu sich
                  des Beauvoirs, mit dem der Vorspann endet, am eige-        selber finden können. Sensibel, mit einem feinen Ge-
spür für Zwischentöne und enorm konzentriert schildert   und anderswo mit eigenen Bildern und Kommentaren
Mészáros komplexe Gefühlswelten.                         frech und subversiv zu kontern.
 Mittwoch, 2. Oktober 2019, 19.00 Uhr | Zu Gast:         Mittwoch, 9. Oktober 2019, 19.00 Uhr | Zu Gast:
Katja Raganelli                                          Katja Raganelli

Die Liebe ist ein Mythos – Delphine Seyrig | BRD         Margarethe von Trotta – Portrait einer Filmregis-
1978 | R+B: Katja Raganelli | K: Konrad Wickler | Mit:   seurin | BRD 1979 | R+B: Katja Raganelli | K: Konrad
Delphine Seyrig, Carole Roussoupoulos, Ioana Wider,      Wickler | Mit: Margarethe von Trotta, Volker Schlöndorff,
Alain Resnais, Liliane de Kermadec | 59 min | Delphi-    Gudrun Gabriel, Jutta Lampe, Agnes Fink | 43 min |

                                                                                                                     Katja Raganelli
ne Seyrig wurde als Muse der Nouvelle Vague in Alain     Margarethe von Trotta beschreibt ihren Weg von der
Resnais’ Film LETZTES JAHR IN MARIENBAD (1961)           Schauspielerin zur Regisseurin. – Schwestern oder
gefeiert und arbeitete seitdem fast ausschließlich mit   die Balance des Glücks | BRD 1979 | R: Margarethe
Regisseurinnen: Marguerite Duras, Chantal Akerman,       von Trotta | B: Margarethe von Trotta, Luisa Francia,
Liliane de Kermadec, Márta Mészáros und Ulrike Ot-       Martje Grohmann, Auszüge aus »Traumprotokolle« von
tinger. – Delphine et Carole, insoumuses (Delphine       Wolfgang Bächler | K: Franz Rath | M: Konstantin We-
                                                                                                                         11
und Carole) | Schweiz 2019 | R: Callisto McNulty | B:    cker | D: Jutta Lampe, Gudrun Gabriel, Jessica Früh,
Callisto McNulty, Alexandra Roussopoulos, Géronimo       Konstantin Wecker, Agnes Fink | 95 min | Maria finan-
Roussopoulos | M: Manu Sauvage | D: Carole Rousso-       ziert ihrer jüngeren Schwester das Studium, verlängert
poulos, Delphine Seyrig, Chantal Akerman, Jane Fon-      somit die emotionale Abhängigkeit um die materiel-
                                                         le und erwartet dafür ein Funktionieren der jüngeren
                                                         Schwester. »Ich glaube, dass wir alle auch in unseren
                                                         alltäglichen Verhaltensweisen oder Denkungsarten sehr
                                                         wohl die Gesellschaft widerspiegeln, ihre Zwänge oder
                                                         auch Freiheiten weitertragen. Wir leben in Zwängen, die
                                                         bis zu bewussten oder unbewussten Neurosen führen
                                                         können, die wir dann ebenso bewusst oder unbewusst
                                                         an den anderen Menschen auslassen.« (Margarethe
                                                         von Trotta)
                                                          Mittwoch, 16. Oktober 2019, 19.00 Uhr | Zu Gast:
                                                         Katja Raganelli, Margarethe von Trotta

                                                         Valie Export – Porträt einer Filmregisseurin | BRD
                                                         1981 | R+B: Katja Raganelli | K: Konrad Wickler | Mit:
                                                         Valie Export, Susanne Widl, Maria Martina, Reneé Fel-
                                                         den, Peter Weibel, Klaus Wildbolz | 45 min | Die öster-
                                                         reichische Regisseurin Valie Export, bürgerlich Waltraut
                                                         Fellinger-Lehner, wählte ihren Künstlernamen »um
                                                         Ideen zu exportieren.« Katja Raganelli besuchte die Re-
                                                         gisseurin im Sommer 1980, während der Dreharbeiten
                                                         zu ihrem zweiten Kinofilm MENSCHENFRAUEN und in
                                                         ihrem Wiener Domizil. – Die Praxis der Liebe | Öster-
                                                         reich 1985 | R+B: Valie Export | K: Jörg Schmidt-Reit-
                                                         wein | M: Stephen Ferguson, Gerhard Heinz, Harry So-
                                                         kal | D: Adelheid Arndt, Rüdiger Vogler, Hagnot Elischka,
                                                         Franz Kantner, Paul Müller | 86 min | »DIE PRAXIS DER
da, Maidie Norman | 70 min | OmeU | Zusammen mit         LIEBE könnte als femininer Thriller gesehen werden, der
Carole Roussopoulos gehörte Delphine Seyrig zu den       von einer investigativen Frau handelt, die einem mör-
ersten Videoaktivistinnen in Frankreich, die nicht nur   derischen Komplott auf die Spur kommt und am Ende
Demonstrationen der französischen Frauenbewegung         am Zusammenspiel der staatlichen und der ›privaten‹
dokumentierten, sondern das neue Medium auch nutz-       Macht scheitert. Ebenso lesbar wäre der Film als Es-
ten, um die dominante Darstellung von Frauen im TV       say über die Unmöglichkeit, sich aus dem Netzwerk
der elektronisch/gesellschaftlich bestimmten Blicke zu          your eyes and make your screamingly clever remarks.«
                  befreien, und über die Unzulänglichkeit der Sprache al-          Mittwoch, 6. November 2019, 19.00 Uhr | Zu Gast:
                  lemal.« (Georg Seeßlen)                                         Katja Raganelli
                   Mittwoch, 23. Oktober 2019, 19.00 Uhr | Zu Gast:
                  Katja Raganelli                                                 Unsichtbare Frauen – Filmemacherinnen in Holly-
                                                                                  wood | BRD 1981 | R+B: Katja Raganelli | K: Konrad
                  Joan Micklin Silver – Begegnung mit der New Yor-                Wickler | Mit: Joan Micklin Silver, Joan Tewkesbury,
                  ker Filmregisseurin | BRD 1983 | R+B: Katja Raganel-            Margery Wilson | 43 min | In der Hollywood-Stumm-
                  li | K: Konrad Wickler | Mit: Joan Micklin Silver, Raphael      filmzeit war die Filmindustrie fest in den Händen von
Katja Raganelli

                  Silver, Carol Cane, Amy Robinson, Marc Metcalf, Griffin         Frauen. Stars wie Mary Pickford, Corinne Griffith,
                  Dunne | 43 min | Die New Yorker Filmemacherin Joan              Mabel Normand, Gloria Swanson übten über die Pro-
                  Micklin Silver ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten        duktionsentscheidungen mehr Kontrolle aus als ihre
                  des unabhängigen amerikanischen Films. Sie wird be-             Regisseure. Beulah Marie Dix, Frances Marion, Bess
                  obachtet beim Inszenieren des Off-Broadway-Theater-             Meredyth, Anita Loos waren die bestbezahlten Dreh-
                  stücks »Head over Heels« von David Wimmer. – Hester             buchautorinnen. Mehr als 30 Filmemacherinnen haben
    12
                  Street | USA 1975 | R+B: Joan Micklin Silver, nach              neben ihren männlichen Kollegen qualitativ und quan-
                  der Erzählung »Yekl« von Abraham Cahan | K: Kenneth             titativ mit gleichem Erfolg gearbeitet. Katja Raganelli
                  Van Sickle | M: William Bolcon | D: Steven Keats, Carol         und Konrad Wickler suchen nach Spuren der Frauen-
                  Kane, Mel Howard, Dorie Kavanaugh, Doris Roberts |              macht im amerikanischen Stummfilm. – Margery
                  89 min | OF | Am Beispiel eines jüdischen Immigranten           Wilson (1986-1986) | BRD 1996 | R+B: Katja Ra-
                  in New York kurz vor der Jahrhundertwende, der rasch            ganelli | K: Konrad Wickler | 59 min | Margery Wilson
                  den Habitus der Neuen Welt annimmt, wird der Zusam-             trat als Schauspielerin zwischen 1914 und 1922 in
                  menprall zweier Welten rekonstruiert, als dessen in der         mehr als 50 Filmen auf. Eine ihrer bekanntesten Rol-
                  orthodoxen jüdischen Tradition erzogene Frau mit ihrem          len war »Brown Eyes« in D. W. Griffiths INTOLERANCE
                  kleinen Sohn aus Russland nachkommt. Mit hintersin-             (1916). Zwischen 1920 und 1922 führte sie bei vier
                  nigem, verschmitztem Humor zeigt der Film den Pro-              Filmen selber Regie, die heute leider alle verloren sind.
                  zess der Selbstfindung der Frau in der neuen Umwelt.             Mittwoch, 13. November 2019, 18.30 Uhr | Zu Gast:
                   Mittwoch, 30. Oktober 2019, 19.00 Uhr | Zu Gast:              Katja Raganelli
                  Katja Raganelli
                                                                                  Ich möchte gerne strahlenförmig leben – Anja Brei-
                  Sehnsucht nach Frauen – Dorothy Arzner | BRD 1985               en, Filmregisseurin in Norwegen | BRD 1987 | R+B:
                  | R+B: Katja Raganelli | K: Konrad Wickler | Mit: Esther        Katja Raganelli | K: Konrad Wickler | Mit: Anja Breien,
                  Ralston, Evelyn Scott, Katja Raganelli, Konrad Wickler |        Knut Faldbakken, Lil Terselius, Anita Björk | 43 min |
                  43 min | 17 Jahre lang arbeitete Dorothy Arzner coura-          Die bekannteste Vertreterin des norwegischen Films,
                  giert in der Hollywood-Traumfabrik und schaffte als             im engsten Familienkreis und bei den Proben zu einem
                  einzige Regisseurin den Übergang vom Stumm- zum                 Fernsehfilm nach dem Theaterstück »Spiel mit dem
                  Tonfilm. Erst eine Lungenentzündung zwang sie, sich             Tiger« von Doris Lessing. – Hustruer (Ehefrauen) |
                  auf ihr Privatleben mit der 20 Jahre älteren Choreogra-         Norwegen 1975 | R+B: Anja Breien | K: Halvor Naess |
                  fin Marion Morgan zurückzubesinnen. Katja Raganelli             M: Finn Ludt | D: Anne Marie Ottersen, Katja Medbøe,
                  und Konrad Wickler reisen auf den Spuren von Arzner             Frøydis Armand, Gunnar Alme, Helge Jordal | 84 min |
                  nach Hollywood. – Dance, Girl, Dance | USA 1940 | R:            OmU | Drei Ehefrauen, die sich seit der Schulzeit ken-
                  Dorothy Arzner | B: Tess Slesinger, Frank Davis | K: Rus-       nen und beste Freundinnen waren, brechen aus ihren
                  sell Metty | M: Edward Ward | D: Maureen O’Hara, Lu-            gewohnten Rollen aus und gehen gemeinsam auf eine
                  cille Ball, Louis Hayward, Virginia Field, Ralph Bellamy |      dreitägige Reise, um Erfahrungen zu machen, die ihnen
                  88 min | OmU | Die Geschichte zweier Tänzerinnen im             sonst verwehrt sind. Die Satire auf eine von Männern
                  Varieté-Milieu: Die scheue Judy möchte eigentlich Bal-          beherrschte Konsumwelt wurde angeregt durch John
                  lerina werden, Bubbles macht durch Einsatz ihrer kör-           Cassavetes’ Film HUSBANDS und zog im Abstand von
                  perlichen Reize Karriere. In einer Schlüsselszene wehrt         je zehn Jahren zwei Nachfolgefilme nach sich, die den
                  sich die verzweifelte Judy auf der Bühne gegen das              weiteren Werdegang der Protagonistinnen verfolgten.
                  sensationslüsterne Publikum: »We’d laugh right back at           Mittwoch, 27. November 2019, 19.00 Uhr | Zu Gast:
                  the lot of you, only we’re paid to let you sit there and roll   Katja Raganelli
Vielleicht bin ich wirklich eine Zauberin – Filmre-        | Die amerikanische Schauspielerin Barbara Loden
gisseurin Mai Zetterling und ihre Filme | BRD 1989 |       begann ihre Karriere am Broadway und spielte zuerst
R+B: Katja Raganelli | K: Konrad Wickler | Mit: Mai Zet-   in Filmen ihres späteren Ehemanns Elia Kazan. 1970
terling, David Hughes, Edward Roberts, Harriet Ander-      inszenierte sie ihren einzigen Spielfilm WANDA, in dem
sson, Bibi Andersson, Gunnel Lindblom, Ingrid Thulin |     sie ihre Entwurzelung und die schwierige Beziehung zu
43 min | Mai Zetterling, ehemalige Ingmar-Bergman-         Elia Kazan thematisiert. – Wanda | USA 1970 | R+B
Darstellerin und Hollywood-Star, bei Dreharbeiten zu       Barbara Loden | K: Nicholas T. Proferes | D: Barbara
THE STUFF OF MADNESS nach einer Geschichte von             Loden, Michael Higgins, Dorothy Shupenes, Peter Shu-
Patricia Highsmith und beim Inszenieren einer Folge        penes, Jerome Thier | 102 min | OF | Die Textilarbeiterin

                                                                                                                       Katja Raganelli
der Fernsehserie WILHELM TELL. In ihrem Schloss in         Wanda kehrt einem tristen Kohlebergbaugebiet, ihrem
Südfrankreich züchtet sie leidenschaftlich Blumen,         frisch geschiedenen Mann und ihren Kindern den Rü-
Kräuter und Heilpflanzen, die sie auch anzuwenden          cken, um sich einem Kleinkriminellen anzuschließen
weiß. – Amorosa | Schweden 1986 | R+B: Mai Zet-            und mit ihm eine Bank auszurauben. »Barbara Loden
terling | K: Rune Ericson, Mischa Gavrjusjov | M: Roger    zeigt (und spielt) diese Wanda als eine Frau, die sich
Wallis | D: Stina Ekblad, Erland Josephson, Philip Zan-    im emotionalen Niemandsland verloren hat. Sie ist we-
                                                                                                                           13
dén, Lena T. Hansson, Peter Schildt | 117 min | OmeU |     der Heilige, noch Kämpferin, weder auf dem Weg zur
In Rückblenden wird die Geschichte der Schriftstellerin    Befreiung, noch auf dem zum Untergang. Sie vegetiert
Agnes von Krusenstjerna (1894-1940) erzählt, die glei-     durch eine Anti-Bonnie-and-Clyde-Geschichte als Anti-
chermaßen umstritten, bewundert und gefürchtet war         Heldin.« (Ulrich Behrens)
für ihre expliziten Darstellungen von Hetero- und Ho-       Mittwoch, 11. Dezember 2019, 19.00 Uhr | Zu Gast:
mosexualität. Ihre Bücher wurden immer wieder skan-        Katja Raganelli
dalisiert. Der Film beschreibt ihre Kämpfe gegen Tabus
und starre Normen.                                         Lotte Reiniger – Hommage an die Erfinderin des
 Mittwoch, 4. Dezember 2019, 19.00 Uhr | Zu Gast:         Silhouettenfilms | Deutschland 1999 | R+B: Katja Ra-
Katja Raganelli                                            ganelli | K: Konrad Wickler | Mit: Louis Hagen, Walter
                                                           Schobert, Hartmut W. Redottée | 60 min | Eine behut-
Ich bin Wanda – Porträt der Schauspielerin und             same Annäherung an die Pionierin des Scherenschnitt-
Regisseurin Barbara Loden | BRD 1992 | R+B: Kat-           films anhand ihrer Tagebücher, Skizzen und Entwürfe
ja Raganelli | K: Konrad Wickler | Mit: Barbara Loden,     sowie dokumentiert mit Fotos und Filmausschnitten. –
Marco Kazan, Elia Kazan, Nicholas T. Proferes | 61 min     Die Abenteuer des Prinzen Achmed | Deutschland
                                                           1926 | R+B: Lotte Reiniger | K: Carl Koch | M: Wolfgang
                                                           Zeller | 69 min | »Dem Geist des Trickfilms entspre-
                                                           chend, ist eine Zauberwelt geschaffen worden, in der
                                                           immer das Unerwartete geschieht und das Wunderbare
                                                           selbstverständlich wird. Technisch ist die Beweglich-
                                                           keit der Figuren mit bewunderungswürdigem Geschick
                                                           gelöst. Man kann sich keine Vorstellung von der Ar-
                                                           beit machen, die darin liegt, mehrere hunderttausend
                                                           vielfiguriger Bilder bewegungsmäßig zu gestalten. Die
                                                           Aufgabe ist nicht nur gelöst, sondern die Bewegungen
                                                           erhalten ihre Bestimmung von der Musik, die Wolfgang
                                                           Zeller erfindungsreich und eigentümlich geschaffen
                                                           hat. Walter Ruttmann hat den Figuren einen wunderbar
                                                           bewegten Hintergrund geschaffen mit großen Flächen,
                                                           die sich verschlingen, mit Nebeldämpfen und zucken-
                                                           den Körpern.« (Hans Wollenberg)
                                                            Mittwoch, 18. Dezember 2019, 19.00 Uhr | Zu Gast:
                                                           Katja Raganelli
Retrospektive Alfred Hitchcock
Alfred Hitchcock

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                   Dreharbeiten zu THE BIRDS

                                               Wie nah kann man einem Meister kommen? William              auf den Arm, und sagte: Nein Sir, heute habe ich mir
                                               Friedkin, Jahrgang 1935, hatte einst eine Begegnung         keine Krawatte umgebunden. Und er sagte: Gewöhnlich
                                               mit Alfred Hitchcock, Jahrgang 1899. Er drehte gerade,      tragen unsere Regisseure Krawatten. Dann ging er da-
                                               im Jahr 1965, die letzte Folge der ALFRED HITCHCOCK         von. Und das war’s. Das war das einzige, was er mich
                                               HOUR (OFF SEASON, mit John Gavin), und hat davon in         je übers Filmemachen lehrte.«
                                               einem Interview erzählt.                                        Diese schlipsige Episode, das ist Hitchcock wie er
                                                                                                           leibt und lebt und sich selbst präsentiert. In den Sech-
                                               Schwarzer Schwarm                                           zigern war er der absolute Meister der Selbstinszenie-
                                               »An meinem letzten Drehtag kam Hitchcock ins Studio.        rung. Gab sich distinguiert und kultiviert, zynisch und
                                               Er wurde umringt von all diesen schwarzen Anzügen,          ironisch, aber stets grundbürgerlich – wohl auch ein
                                               dem hohen Studiostab von Universal, und sie folgten         wenig selbstgefällig, war zu jedem Gag bereit. Aber
                                               ihm wie ein Schwarm Krähen ... Wenn er ein Glas Was-        nicht unbedingt für Hemdsärmeligkeit. (Ausnahmen
                                               ser verlangte, war es da. All diese yes men, die sich       bestätigen die Regel: der helle Mantel, den er bei den
                                               da tummelten. Der Produzent der Show, Norman Llo-           Außenaufnahmen zu THE BIRDS im windigen Bodega
                                               yd, der für die Besetzung und für die Arbeit am Script      Bay trägt, oder einmal, kaum zu glauben, Hitchcock im
                                               sorgte und die Regisseure aussuchte, führte mich zu         kurzärmligen Hemd im prallen Sonnenlicht!)
                                               Hitchcock. Ich sagte, es sei wirklich eine Ehre für mich,
                                               und streckte die Hand aus. Er gab mir seine Hand wie        Hitchcock lebenslang
                                               ein König das tut. Er reichte sie mir, als würde er einen   Ende der Fünfziger, im Fünferpack der Filme von VER-
                                               toten Fisch anfassen, und sagte: Mr. Friedkin, ich sehe,    TIGO bis MARNIE, beginnt Hitchcocks Karriere einen
                                               Sie tragen keine Krawatte. Ich dachte, er nähme mich        verrückten, schlingernden Drive zu entwickeln. Die Ge-
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