München - Münchner Stadtmuseum
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münchen Internationale Stummfilmtage Frank Wisbar Carl Laemmle Junior Zauberkunst und Film Ingmar Bergman The School of Reis Herbert Achternbusch Werner-Herzog-Filmpreis Rumänisches Filmfestival Will Tremper 2018 – 2019 | Heft 35 Jeanne Moreau 100 Jahre Emelka Klaus Volkmer Stadtentwicklung Künstlerkino FilmWeltWirtschaft
Eintrittspreise sierten und mit 1,45 € frankierten DIN A5-Brief- 4 € (3 € für MFZ-Mitglieder). Ab 120 Minuten Film- umschlages an die Adresse des Filmmuseums. Den länge oder mit Gästen: 1 € Aufschlag. Ab 180 Minuten, täglich aktualisierten Spielplan finden Sie auch auf mit Live-Musik oder bei 3D: 2 € Aufschlag. Die Kasse Twitter: @filmmuseummuc. öffnet jeweils 60 Minuten vor und schließt 30 Minu- ten nach Beginn der Vorstellung. Bei allen öffentlichen Mitgliedschaft Veranstaltungen verbleibt ein Kartenkontingent für den Wer sich für die Arbeit des Filmmuseums interessiert, freien Verkauf an der Abendkasse. kann Mitglied im Verein der Freunde des Filmmuseums München, dem Münchner Filmzentrum e.V. (MFZ) wer- Kartenreservierung den. Mitgliedsanträge sind an der Kinokasse erhältlich. Kartenreservierungen sind bis zu vier Wochen im Vor- Der Jahresbeitrag beträgt 20 € und berechtigt zum aus möglich und können unter der Telefonnummer ermäßigten Eintritt ins Filmmuseum sowie zur Teil- 089/23396450 auf Band gesprochen werden. Vorbe- nahme an den Mitgliederversammlungen des MFZ, in stellte Karten müssen bis 20 Minuten vor Vorstellungs- denen die Programmplanungen des Filmmuseums beginn an der Kasse abgeholt worden sein, ansonsten diskutiert und Projekte entwickelt werden. Weitere verfällt die Reservierung. Informationen erhalten Sie unter Tel. 089 / 2713354 und www.muenchner-filmzentrum.de. Kartenvorverkauf Karten können bis zu vier Wochen im Voraus gekauft Rollstuhlfahrer / Hörgeschädigte werden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass un- Der Kinosaal und die Behindertentoilette im Unterge- mittelbar vor Vorstellungsbeginn bei starkem Besu- schoss sind über einen Aufzug barrierefrei zugänglich. cherandrang kein Kartenvorverkauf erfolgt. Karten Das Kino ist mit einer Induktionsschleife für Hörgeräte- behalten ihre Gültigkeit nur bis Vorstellungsbeginn. An besitzer ausgestattet. Der Empfang ist auf den Plätzen der Abendkasse können vorverkaufte Karten bis 20 Mi- am Anfang und Ende der Sitzreihen am besten. nuten vor Vorstellungsbeginn gegen Kostenerstattung wieder zurückgegeben werden. Saalmikrofon Das Kino verfügt über ein Saalmikrofon zur Kontrolle Programmabonnement des Kinotons durch die Filmvorführer. Das Kinoprogrammheft und unseren Newsletter kön- nen Sie unter www.muenchner-stadtmuseum.de/film Verkehrsverbindung kostenlos abonnieren. Das Programmheft wird an Sie erreichen das Filmmuseum in 5 Gehminuten vom Mitglieder des MFZ auf Wunsch kostenlos versandt. U/S-Bahnhof Marienplatz oder in 7 Gehminuten vom Ansonsten bitten wir um die Zusendung eines adres- U-Bahnhof und der Trambahnhaltestelle Sendlinger Tor. Mitgliederversammlungen des Münchner Filmzentrums e. V. (MFZ) Die für alle Interessierten öffentlichen Mitgliederversammlungen des Fördervereins des Filmmuseums finden einmal im Monat montags um 19.00 Uhr im Gotischen Zimmer des Ignaz-Günther-Hauses (St.-Jakobs-Platz 20, 80331 München, 1. Stock) statt. Termine: 17. September 2018, 15. Oktober 2018, 12. November 2018, 10. Dezember 2018, 14. Januar 2019 und 11. Februar 2019. Informationen: kontakt@muenchner-filmzentrum.de. Open Scene am Donnerstag Die Termine am Donnerstag sind teilweise für aktuelle Veranstaltungen reserviert. Das Programm wird etwa acht Tage vorher festgelegt und in den Schaukästen an der Kinokasse, im E-Mail-Newsletter, unter www.muenchner-stadtmuseum.de/film/open-scene.html, auf Facebook, auf Twitter und durch Ankündigungen in der Tagespresse bekannt gegeben. Impressum Landeshauptstadt München. Filmmuseum im Münchner Stadtmuseum, St.-Jakobs-Platz 1, 80331 München, 089/23320538, E-Mail: filmmuseum@muenchen.de · Redaktion: Stefan Drößler, Claudia Engelhardt, Christoph Michel, Klaus Volkmer · Gestaltung: KOSCH Werbeagentur, München · Druck: Weber Offset GmbH, München
Emelka, Digitalisierung, Carl Laemmle Junior, Zauberkunst und Film Mit großem Aufwand wurde im vergangenen Jahr der 100. Geburtstag der 2 Rückblick Ufa gefeiert. »Die Ufa – Geschichte einer Marke« heißt eine Ausstellung, die 3 Internationale Stummfilmtage noch bis zum 16. September in München zu sehen ist. Dass im Januar 2019 die Emelka 100. Geburtstag hätte, der in den 1920er Jahren zweitgrößte 7 Frank Wisbar deutsche Filmkonzern, findet weitaus weniger Beachtung. Die Ressentiments, die die Berliner Filmszene der bayerischen Konkurrenz entgegenbrachte, 11 Carl Laemmle Junior setzen sich bis heute fort. Ihnen wird aber auch nicht von bayerischer Seite entgegengetreten: Die bayerische Filmgeschichte ist erschreckend schlecht 20 Zauberkunst und Film aufgearbeitet und dokumentiert. Anlass genug für das Filmmuseum, sich des Themas Emelka einmal genauer anzunehmen. Einige der Filme der größten 27 Ingmar Bergman Retrospektive, die jemals der Emelka-Produktion gewidmet war, werden in neuen Restaurierungen des Filmmuseums und anderer Archive zu sehen sein. 31 The School of Reis Seit Juni 2018 besitzt das Filmmuseum einen eigenen Filmscanner, drei 32 Herbert Achternbusch Workstations, ein mit dem Vorführraum verbundenes Netzwerk und ein digita- les Speichersystem, mit dem Filmdaten gesichert werden können. Damit kann 37 Film und Psychoanalyse es seinen Aufgaben der digitalen Filmvorführung und Filmrestaurierung ge- recht werden. Komplexere Projekte, die aufwändige Zusatzarbeiten erfordern, 39 Werner-Herzog-Filmpreis werden auch weiterhin in Zusammenarbeit mit spezialisierten Studios stattfin- den. Wir freuen uns, dass wir künftig gerade die Filme, die durch das Raster 40 Rumänisches Filmfestival der Digitalisierungsfördermaßnahmen fallen, selber bearbeiten und auch den Verleih der vom Filmmuseum rekonstruierten Filme wesentlich effizienter ge- 46 Will Tremper stalten können. Selbst dem Kinobetrieb bieten sich jetzt neue Möglichkeiten, problematisches Filmmaterial vorführbar zu machen. Sie als Publikum kön- 51 Jeanne Moreau nen sich mehr denn je darauf verlassen, dass Sie im Filmmuseum immer die bestmögliche Filmqualität geboten bekommen. Restaurierungen des Filmmu- 62 Zuschauerkino seums wurden in diesem Jahr schon weit über München hinaus auf internati- onalen Filmfestivals in Berlin, Bangkok, San Francisco, Belgrad, Paris, Bologna, 63 100 Jahre Emelka Locarno und Buenos Aires gezeigt. 72 Klaus Volkmer Im neuen Programm finden Sie wieder eine bewährte Mischung aus Al- tem und Neuem, Bekanntem und Unbekanntem, Leichtem und Schwierigem, 74 Stadtentwicklung Ernsthaftem und Unterhaltendem, Gängigem und Experimentellem. Die Re- trospektive »Carl Laemmle Junior«, die wir in Zusammenarbeit mit Dave Kehr 75 Künstlerkino vom Museum of Modern Art zusammengestellt haben, präsentiert viele Titel, die in Deutschland noch nie im Kino zu sehen waren, meist in neuwertigen 79 FilmWeltWirtschaft 35mm-Filmkopien, die uns aus dem Archiv von NBC Universal zur Verfügung gestellt werden. Ganz besonders unterhaltsame Abende verspricht die Filmrei- 80 Kalenderübersicht he »Zauberkunst und Film«, bei der zwei Münchner Zauberkünstler und eine Zauberkünstlerin Filme einführen und die spannende Wechselbeziehung von Kino und der Kunst der Täuschung anhand praktischer Beispiele erläutern. Und zuguterletzt möchten wir auf die Retrospektive des Münchner Journalisten, R = Regie · B = Drehbuch · K = Ka- Schriftstellers und Filmemachers Will Tremper hinweisen, der am 19. Sep- mera · M = Musik · S = Schnitt · T = Ton · D = Darsteller · P = Produktion tember seinen 90. Geburtstag gefeiert hätte und dessen Regiearbeiten in neu OF = Originalfassung · OmU = Ori- restaurierten digitalen Fassungen präsentiert werden. ginalfassung mit Untertiteln · OmeU = Originalfassung mit englischen Wir wünschen Ihnen spannende, vergnügliche, aufschlussreiche und Untertiteln · OmfU = Originalfassung nachdenkliche Kinoerlebnisse. mit französischen Untertiteln · OmÜ = Originalfassung mit deutscher Über- setzung · dtF = deutsche Synchron- fassung · \ = Live-Musikbegleitung Ihr Filmmuseum 2 = Einführung · = Zu Gast
Rückblick Rückblick 2 16. März 2018: Claudia Engelhardt und Sonja Maria Kröner beim Pub- 5. April 2018: István Szabó im Gespräch mit Stefan Drößler und dem likumsgespräch nach der Vorführung des Films SOMMERHÄUSER, der Publikum über seinen Film MEPHISTO, der in einer Filmreihe zur Aus- es in die Auswahl »Deutsche Filme 2017« geschafft hatte. stellung »Du bist Faust« der Kunsthalle München gezeigt wurde. 26. Mai 2018: Jerzy Skolimowski und Kameramann Charly Steinberger 7. Juni 2018: Die Gamelan-Experten Wayne Vitale aus San Francisco am Kinoeingang vor der Vorführung der überarbeiteten Fassung des und András Varsányi, Leiter der Sammlung Musik des Stadtmuseums, lange verbotenen Films HÄNDE HOCH! eröffnen mit einem Filmprogramm das Internationale Gamelan-Festival. 14. Juni 2018: Ute Aurand und Robert Beavers zeigen in der Under- 30. Juni 2018: Im Rahmen des Filmfests München präsentiert sich dox-Halbzeit ihre Kurzfilme und diskutieren mit dem Publikum über die Emma Thompson dem Publikum im Filmmuseum und spricht über ihr Faszination des Arbeitens mit 16mm-Filmmaterial. Drehbuch für den Film SENSE AND SENSIBILITY von Ang Lee.
Internationale Stummfilmtage Internationale Stummfilmtage 3 DIE STADT OHNE JUDEN Das Filmmuseum München beginnt sein neues Pro- In diesem Jahr sind mehrere Eigenrekonstruktionen gramm traditionsgemäß mit einer Auswahl von selte- des Filmmuseums dabei, so auch ein Film, der in der nen und neu rekonstruierten Stummfilmen aus dem Filmgeschichtsschreibung oft übersehenen Pionierin Programm der »Bonner Stummfilmtage«, des größten Alice Guy, der bis heute einzigen Frau, die von 1911 bis deutschen Stummfilmfestivals. Zur Aufführung gelan- 1914 in Amerika ein eigenes Filmstudio leitete und bei gen die besten Fassungen der jeweiligen Filme, oft mehreren Hundert Filmen selber Regie führte. CUPID wertvolle Unikate, für die namhafte Stummfilmmusiker AND THE COMET ist eine Komödie, die eine einfache neue Musikbegleitungen ausarbeiten und live einspie- Geschichte erzählt, in der eine selbstbewusste junge len. Die einzelnen Filme werden ausführlicher auf der Frau im Mittelpunkt steht, die ihren Willen durchsetzt. Website der Bonner Veranstaltung (www.internationa- Die legendäre Komödie THE BATTLE OF THE CENTURY lestummfilmtage.de) und in einem Programmheft vor- mit Stan Laurel und Oliver Hardy wurde um neu ge- gestellt, das an der Kinokasse ausliegt. fundene Sequenzen ergänzt und ist nun nahezu voll- Die Auswahl für das Programm des Filmmuseums ständig. Zum bizarren sowjetischen Animationsfilm konzentriert sich auf Raritäten, die in München lange INTERPLANETARISCHE REVOLUTION und zu G.W. nicht mehr oder noch nie zu sehen waren. Es sind Fil- Pabsts wiederentdecktem Meisterwerk ABWEGE, des- me aus verschiedenen Ländern und Kontinenten, die sen Kameranegativ erhalten geblieben ist und die die Vielfalt und hohe Qualität des Stummfilmschaffens Grundlage für die digitale Restaurierung war, hat die dokumentieren. Oft sind die vorgestellten Fassungen Münchner Komponistin Masha Khotimski zwei unge- das Ergebnis aufwändiger Restaurierungsarbeiten der wöhnliche Musikbegleitungen komponiert, die sie im Filmarchive, die in der Fédération Internationale des Ar- Filmmuseum persönlich vorstellen wird. chives du Film (FIAF) zusammengeschlossen sind und Alle anderen Filme werden von bewährten Stumm- mit denen das Filmmuseum in regem Kontakt steht. filmpianisten live am Flügel begleitet, die dem Publi-
kum des Filmmuseums vertraut sind: Richard Siedhoff (Weimar), Joachim Bärenz (Oberhausen), Günter A. Buchwald (Freiburg) und Masako Ohta (München). Die Aufführung der vom Filmarchiv Austria erstellten neuen Fassung von DIE STADT OHNE JUDEN findet in Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum München statt. Stefan Drößler Internationale Stummfilmtage Vårt kronprinspar i Hollywood (Unser Kronprin- zenpaar in Hollywood) | Schweden 1926 | 12 min | OmU | Der schwedische Kronprinz Gustaf Adolf und seine Frau, Kronprinzessin Louise, sind zu Besuch in Hollywood und besichtigen das Studio von MGM. Sie werden von Louis B. Mayer empfangen und treffen auf gängen unverbraucht, von strömender Laune. Reizend Stars wie Greta Garbo, Lon Chaney und Ramon No- in momentanen Einfällen, reich in Improvisationen, die varro. Die Schlussszene wurde in Zweifarbtechnicolor aber immer diszipliniert, immer situationsmäßig fest- gedreht. – Flesh and the Devil (Es war) | USA 1926 gelegt sind.« (Herbert Ihering) Eine neue Restaurierung 4 | R: Clarence Brown | B: Benjamin Glazer, nach dem des Museum of Modern Art. Roman »Es war« von Hermann Sudermann | K: William Freitag, 7. September 2018, 18.30 Uhr | Live-Musik: Daniels | D: John Gilbert, Greta Garbo, Lars Hanson, Joachim Bärenz Barbara Kent, William Orlamond | 112 min | OF | Der dritte Hollywoodfilm von Greta Garbo brachte sie mit Ben-Hur: A Tale of the Christ (Ben Hur) | USA 1925 John Gilbert zusammen, mit dem sie fortan auch im | R: Fred Niblo | B: June Mathis, Carey Wilson, Bess Privatleben das große Liebespaar des amerikanischen Meredyth, nach dem Roman von Lew Wallace | K: Cly- Stummfilms wurde. FLESH AND THE DEVIL erzählt die de De Vinna, René Guissart, Percy Hilburn, Karl Struss Geschichte zweier Jugendfreunde, von denen einer als | D: Ramon Novarro, Francis X. Bushman, May McA- Militärkadett auf Heimaturlaub ein Verhältnis mit der voy, Betty Bronson, Claire McDowell, Kathleen Key, Gattin eines Offiziers beginnt. Kameramann William Mitchell Lewis | 141 min | OF | Die Dreharbeiten zum Daniels schuf mit seiner modellierenden Lichtsetzung teuersten Stummfilm aller Zeiten dauerten zwei Jahre das Image der »göttlichen« Garbo. und sprengten alle Grenzen. Allein für das vor großer Donnerstag, 6. September 2018, 19.00 Uhr | Live-Mu- Kulisse real stattfindende Wagenrennen wurden 47 Ka- sik: Richard Siedhoff | Einführung: Stefan Drößler meras eingesetzt. Viele Sequenzen wurden im überaus teuren und komplizierten Zweifarbtechnicolor-Verfah- Rosita (Rosita, die Straßensängerin) | USA 1923 | ren aufgenommen. BEN-HUR beeindruckt bis heute R: Ernst Lubitsch | B: Norbert Falk, Edward Knoblock, als fesselnde Superproduktion, die ein Welterfolg war, Hanns Kräly, nach dem Stück »Don César de Bazan« aber aufgrund der hohen Produktions- und Werbe- von Adolphe d’Ennery und Philippe Dumanoir | K: kosten nur wenig Gewinn einspielte. Dennoch lohnte Charles Rosher | D: Mary Pickford, Holbrook Blinn, sich das Projekt für die Produzenten: Es etablierte den Irene Rich, George Walsh, Charles Belcher | 97 min | Ruf von MGM als mächtigstes Studio der Welt, das in OF | Hauptdarstellerin und Produzentin Mary Pickford den folgenden Jahrzehnten Hollywood dominierte. »Es mochte Ernst Lubitschs ersten Hollywoodfilm in späte- ist vielleicht die bedeutendste Regieleistung Niblos in ren Jahren nicht mehr und ließ das Originalnegativ ver- diesem Film, dass fast unmerklich immer wieder der nichten. Dabei war der unterhaltsame Kostümfilm um Faden aus dem grandiosen Massenbild zum Schicksal eine Straßensängerin, die von den Massen gefeiert wird der Einzelnen führt.« (Licht-Bild-Bühne) und der sogar der König verfällt, seinerzeit sowohl bei Freitag, 7. September 2018, 21.00 Uhr | Live-Musik: der Kritik als auch beim Publikum ziemlich erfolgreich. Richard Siedhoff »Lubitsch hat in ROSITA alles, was er konnte, alles, was er in Deutschland geleistet hat, zusammengefasst und Cupid and the Comet (Die Liebe siegt) | USA 1911 auf die Probe der amerikanischen Schauspielkunst, der | R+B: Alice Guy | D: | 10 min | dtF | viragiert – The amerikanischen Photographiertechnik gestellt. Mary Count (Der Graf) | USA 1916 | R: Charles Chaplin | Pickford ist in den heiteren Partien und in allen Über- B: Charles Chaplin, Vincent Bryan, Maverick Terrell |
K: William C. Foster, Roland Totheroh | D: Charles Chap- auch, die Gefühle des Publikums berühren, und zwar lin, Eric Campbell, Edna Purviance | 25 min | OF – One tiefgehend. Nur aus der Liebe zu unseren Mitmenschen Week (Buster Keatons Flitterwochen) | USA 1920 | können wir schöpferisch tätig werden. Die Menschen- R+B: Buster Keaton, Edward F. Cline | K: Elgin Lessley | liebe ist die Basis jeder Kreativität.« (Gosho) D: Buster Keaton, Sybil Seely, Joe Roberts | 21 min | OF Samstag, 8. September 2018, 21.00 Uhr | Live-Musik: – The Battle of the Century (Alles in Schlagsahne) Joachim Bärenz | USA 1927 | R: Clyde Bruckman | B: Hal Roach, H.M. Internationale Stummfilmtage Walker | K: George Stevens | D: Stan Laurel, Oliver Har- Die Stadt ohne Juden | Österreich 1924 | R: Hans dy, Noah Young | 20 min | OF | viragiert – Vier amerikani- Karl Breslauer | B: Hans Karl Breslauer, Ida Jenbach, sche Komödien: Filmpionierin Alice Guy erzählt die Ge- nach dem Roman von Hugo Bettauer | K: Hugo Eywo | schichte einer selbstbewussten jungen Frau, die ihren D: Johannes Riemann, Eugen Neufeld, Hans Moser, Willen durchsetzt und dafür in Männerkleidung heiratet, Karl Thema, Anna Milety | 87 min | Hugo Bettauers pro- Schneidergeselle Charlie Chaplin wird auf einer Party vokanter Roman, der die politischen und ökonomischen für einen reichen Grafen gehalten, Buster Keaton baut Auswirkungen einer Verbannung der Juden aus Wien sich ein surreales Fertighaus zusammen, und Laurel & beschreibt, lief erfolgreich in den österreichischen Ki- Hardy liefern sich eine legendäre Tortenschlacht, die nos, fand aber international nur wenig Verbreitung. Die durch neu aufgefundene Szenen vom Filmmuseum neue Rekonstruktion des Filmarchivs Austria, die über München vervollständigt wurde. Crowdfunding große internationale Unterstützung er- 5 Samstag, 8. September 2018, 18.30 Uhr | Live-Musik: fuhr, wurde aus zwei Fragmenten zusammengesetzt, Richard Siedhoff | Einführung: Stefan Drößler die in Frankreich und in den Niederlanden gefunden wurden. Die Prophezeiungen des Films sind beklem- Izu no odoriko (Das Mädchen von Izu) | Japan 1933 mend und gelten bis heute als erstes künstlerisches | R: Heinosuke Gosho | B: Akira Fushimi, nach dem Ro- Statement aus Österreich gegen den Antisemitismus. man von Yasunari Kawabata | K: Jôji Ohara | D: Kinuyo Seinerzeit fand der Film außerhalb Wiens, wo er trotz Tanaka, Den Obinata, Tokuji Kobayashi | 124 min | OmeU Störmanöver rechtsgerichteter Kreise in mehreren Ki- | Ein Meisterwerk des japanischen Stummfilms, das auf nos gleichzeitig lief, nur wenig Verbreitung. Heute, in einem erfolgreichen Roman von Yasunari Kawabata ba- einer Zeit der Ab- und Ausgrenzung, wirkt er leider er- staunlich aktuell. Sonntag, 9. September 2018, 18.30 Uhr | Live-Musik: Günter A. Buchwald | Einführung: Nikolaus Wostry Oblomok imperii (Der Mann, der das Gedächt- nis verlor) | Sowjetunion 1929 | R: Fridrich Ermler | B: Katarina Vinogradskaja, Fridrich Ermler | K: Evgenij Šnejder | D: Fëdor Nikitin, Ljudmila Semënova, Valerij Solovcov, Jakov Gudkin, Sergej Gerasimov | 109 min | OmeU | Deutsche Erstaufführung einer neuen Rekon- struktion der Originalfassung von Fridrich Ermlers bild- gewaltigem Filmklassiker, von dem bisher nur gekürzte Fassungen bekannt waren. Ein Bahnarbeiter verliert als siert, der 1968 als erster japanischer Autor mit dem Soldat im Ersten Weltkrieg durch einen Schock sein Ge- Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Die melo- dächtnis. Zehn Jahre später erkennt er am Zugfenster dramatische Geschichte eines Studenten aus Tokyo, seine Frau – und kann sich plötzlich wieder an früher der sich auf der Halbinsel Izu in eine Tänzerin einer erinnern. Auf der Suche nach ihr reist er durch ein ärmlichen Wandertheatertruppe verliebt, beschreibt neues Land und erkennt staunend, was sich seit der Heinosuke Gosho in poetischen Bildern und einer Stim- Oktoberrevolution alles verändert hat. »Eine originelle mung, die der in den später entstandenen Filmen von Fabel, die Ermler mit hoher künstlerischer Meister- Yasujirō Ozu ähnelt. Der Film etablierte Gosho als Meis- schaft umzusetzen versteht. Am meisten beeindrucken ter lyrischer Liebesfilme, der ein besonderes Auge für zweifellos auch heute noch die Sequenzen, in denen sozial Benachteiligte und die Armen der Gesellschaft das wiedererwachende Bewusstsein Filimonows op- hatte. »Filme müssen, wie jedes andere Kunstwerk tisch transparent wird. Die Assoziationsmontagen des
Films sind dabei ein höchst beachtenswertes Experi- It's the Old Army Game (Ein moderner Glücksjä- ment.« (Fred Gehler) ger) | USA 1925 | R: Edward Sutherland | B: William Sonntag, 9. September 2018, 21.00 Uhr | Live-Musik: LeBaron, Thomas J. Geraghty, J. Clarkson Miller, nach Joachim Bärenz dem Bühnenprogramm »The Comic Supplement« von Joseph P. McEvoy und W. C. Fields | K: Alvin Wyckoff Lebende Bilder | Filme aus den Jahren 1897-1907 | | D: W. C. Fields, Louise Brooks, Blanche Ring, William 90 min | engl. OF | Bei Pathé in Paris wie auch bei der Gaxton, Mary Foy | 77 min | OF | W. C. Fields ist heute Internationale Stummfilmtage Filmgesellschaft American Mutoscope & Biograph grif- in erster Linie als Komiker der frühen Tonfilmzeit in Er- fen frühe Filme über das Alltagsleben, kleine Betrüge- innerung, der sich mit zynischen Dialogen dem Chaos reien oder Kinderstreiche gerne auf Werke der Genre- um ihn herum zu entziehen versucht. Dass sein Hu- malerei als visuelle Inspiration zurück. Gemälde waren mor auch im Stummfilm funktioniert, zeigt dieser Film, aber auch Vorlage für Filme über historische Ereignisse der dem wesentlich bekannteren Remake IT'S A GIFT wie Szenen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg oder (1934) durchaus ebenbürtig ist. Als ständig nörgelnder die Ermordung Marats. Besondere Attraktionen bildeten Betreiber eines Drugstores, in dem die attraktive Louise aber Filme, die gegensätzlicher nicht sein konnten: ero- Brooks angestellt ist, fällt er auf einen Hochstapler tisches und religiöses Kino. Unter dem Vorwand, klassi- herein, der sich bei ihm einmietet. »Fields' Spiel ist sche Bilder oder Skulpturen nachzubilden, konnte das sehr amüsant. Wir glauben nicht, jemals ein größeres 6 Kino nackte Menschen präsentieren. Die Möglichkeiten Feuerwerk an Gags in einem einzigen Film gesehen zu des Films erweiterten die von Gemälden bekannten haben. Viele der Einfälle sind neu, aber auch die mehr Darstellungen der Leiden Jesu und der von ihm voll- oder weniger bekannten komischen Szenen gewinnen brachten Wunder. Das von der Filmwissenschaftlerin durch Fields' unnachahmliches Spiel.« (The Moving Valentine Robert zusammengestellte Programm prä- Picture World) sentiert 30 Filme aus der Frühgeschichte des Kinos und Mittwoch, 12. September 2018, 18.30 Uhr | Live-Mu- zeigt die Gemälde, auf die sie sich beziehen. sik: Günter A. Buchwald Dienstag, 11. September 2018, 18.30 Uhr | Live-Mu- sik: Masako Ohta | Einführung: Valentine Robert Mežplanetnaja revoljucija (Interplanetarische Revolution) | Sowjetunion 1924 | R+B: Nikolaj Cho- L'hirondelle et la mésange (Die Schwalbe und die dataev, Senon Komissarenko, Jurij Merkulov | K: V. Meise) | Belgien 1924 | R: André Antoine | B: Gustave Alekseev | 10 min | OmU | Einer der ersten künstle- Grillet | K: Léonce-Henri Burel | D: Louis Ravet, Pierre rischen sowjetischen Zeichentrickfilme beschreibt in Alcover, Maguy Deliac, Georges Denola, Jane Maylia- avantgardistischer Gestaltung die bolschewistische nes | 78 min | OmU | Pierre Van Groot navigiert mit sei- Errettung des Mars vor dem Zugriff des Großkapi- nen zwei Lastkähnen »Schwalbe« und »Meise« auf den tals. – Abwege | DE 1928 | R: G.W. Pabst | B: Franz Kanälen zwischen Belgien und Frankreich. Die Film- Schulz, Adolf Lantz, Ladislaus Vajda, Helen Gosewisch aufnahmen, die André Antoine 1920 drehte, wurden | K: Theodor Sparkuhl | D: Gustav Diessl, Brigitte Helm, vom Produzenten als für die Kinoauswertung ungeeig- Hertha von Walther, Jack Trevor, Fritz Odemar | 96 min | net bewertet, so dass die Produktion gestoppt wurde, Weil der vermögende Rechtsanwalt Thomas Beck über obwohl Antoine noch eine Kriminalgeschichte einbaute. seiner Arbeit seine Frau Irene vernachlässigt, beginnt Erst 1984 wurde das ungeschnittene Material in der diese einen Flirt mit einem Kunstmaler und taucht ins Cinémathèque française zusammengesetzt, und es Berliner Nachtleben ein. G. W. Pabst, der große Realist konnte ein poetisches Meisterwerk entdeckt werden. des Weimarer Kinos, nimmt eine Ehekrise zum Anlass »Es ist Dokumentarrealismus der atemberaubenden für ein flirrendes Gesellschaftsporträt, in dem die Ka- Art, im gleitenden Rhythmus von Kanälen und Flüs- mera in einen Strudel aus Luxus und Laster stürzt. Der sen geschnittene Bilder von Landschaften, Städten, auf der Basis des Kameranegativs rekonstruierte Film von Menschen auf Kähnen, an Ufern, zu Wasser und besticht durch seine brillante Bildqualität und elegante zu Land. Kompositionen, denen man Antoines Sinn für Montage. – Für beide Filme hat Masha Khotimski mo- die Mise-en-Scène jedenfalls anzusehen glaubt, Figu- derne neue Begleitmusiken komponiert. ren, die man bei der Arbeit sieht, in der Stadt, auf dem Mittwoch, 12. September 2018, 21.00 Uhr | Zu Gast: Kahn, auf dem Land.« (Ekkehard Knörer) Masha Khotimski Dienstag, 11. September 2018, 21.00 Uhr | Live-Mu- sik: Günter A. Buchwald
Frank Wisbars Kriegsfilme der 1950er Jahre Frank Wisbar 7 Zeichnung von Helmuth Ellgaard Klaus Kanzog, der im November 2016 seinen 90. Ge- Stalingrad beteiligten Wehrmachtsgeneräle, die im Mili- burtstag feierte, gilt als einer der wichtigen Impulsge- tärarchiv des Bundesarchivs erhalten sind, ergeben ein ber der Filmwissenschaft in Deutschland. Seine neue facettenreiches Bild der komplizierten Interessenkon- Studie über militärische Leitbilder im westdeutschen flikte, denen HUNDE WOLLT IHR EWIG LEBEN und der Spielfilm der 1950er Jahre reiht sich in die zahlreichen Versuch ausgesetzt waren, ein möglichst authentisches jüngeren Publikationen zum Nachkriegsfilm ein. Kanzog Bild der Kämpfe um Stalingrad zu zeichnen. Dabei fo- konzentriert sich auf Filme, deren filmischer Diskurs kussiert Kanzog auf die Darstellung soldatischer Leitbil- sich unmittelbar auf die öffentlichen Diskussionen über der und die Verhandlung der grundsätzlichen Frage der die militärische Verteidigungsbereitschaft und soldati- militärischen Verteidigungsbereitschaft. Zugleich geht sche Ehre während und kurz nach der Wiederbewaff- er auf die Problematik der Faktizität der dargestellten nung der Bundesrepublik bezog, [darunter] vier Filme Sachverhalte im Spannungsfeld künstlerischer Freiheit von Frank Wisbar, HAIE UND KLEINE FISCHE (1957), ein. Fabian Schmidt HUNDE WOLLT IHR EWIG LEBEN (1959), FABRIK DER OFFIZIERE (1960) und NACHT FIEL ÜBER GOTENHAFEN Militärische Leitbilder in Spielfilmen (1960). Seine Analysen sind dabei nicht rein phänome- der Bundesrepublik der 1950er Jahre nologisch fundiert. Vielmehr setzt Kanzog die Filme und Wir sprechen und schreiben über Filme, zuallererst ihre Roman- oder Drehbuchvorlage mithilfe vieler Quel- aber sehen wir sie oder sollten sie gesehen haben; die len in Bezug zueinander und dokumentiert die damit öffentliche Meinungsbildung vollzieht sich vorwiegend verbundenen Auseinandersetzungen in zeitgenössi- in publizistischen Bewertungen, die eigene individuell. schen Briefwechseln von Fachleuten und Zeitzeugen. Für den Betrachter war das Kino in den fünfziger Jah- Insbesondere die Briefe der an der Katastrophe von ren noch der privilegierte Ort filmischer Wahrnehmung
(und gesellschaftlicher Reputation). »Es war die Zeit, da sehnlichen Wunsch nach einer griffigen Unterschei- Millionen Menschen von einem Kinobesuch sich noch dung zwischen »akzeptablem« und »nicht akzeptablem« die schönsten Stunden versprachen. Eine legendäre Verhalten von Wehrmachtsangehörigen und kamen in Zeit war das«. (Horst Frank) Das Kino war gegenüber der öffentlichen Diskussion um die umstrittene Tradi- der alltäglichen Lebenswelt ein »anderer Raum«, den tionsbindung der Bundeswehr einem Rechtfertigungs- man betrat und nach einer gewissen Zeit wieder ver- verlangen nach. Die gezielten Sympathielenkungen ließ. Hier bestanden eigene Wahrnehmungsbedingun- standen im Dienste einer ausgeprägten Argumentati- gen, und hier galten eigene Wahrnehmungsregeln. onsstrategie. Ihr emotionaler Impetus ging von Schau- Dieser »andere Raum« war ein Raum der Distanz, der spielern aus, in die man sich hineinversetzen konnte. Entspannung, aber auch Fluchtraum. Hier ließ man sich Da gewannen Generäle, junge Offiziere und Soldaten Frank Wisbar auf ein Spiel ein, und hier galt die Definition J. Hui- gleichermaßen Überzeugungskraft. Ein charismatischer zingas: »Spiel ist nicht das gewöhnliche oder das ei- Schauspieler überzeugt durch seine persönliche Aus- gentliche Leben. Es ist vielmehr das Heraustreten aus strahlung. Er versetzt Zuschauer in die Lage, Bewäh- ihm in eine zeitweilige Sphäre von Aktivität mit einer rungssituationen nachzuvollziehen und sich an ihnen eigenen Tendenz.« Im Kino setzen Fiktionen Energien zu orientieren. Ein charismatischer Schauspieler ist 8 frei, hier gewinnen Fantasien Realität und meditative auch in Zweifeln und Niederlagen stark. Da hatte man Enklaven an Boden. Das zeitweise Verweilen in diesem bei der Rollenbesetzung in den einzelnen Filmen eine »anderen« Raum erleichtert die Reflexion über das ei- glückliche Hand. Man aktivierte bewährte Schauspie- gene Verhalten. ler, die dem Zuschauer bekannt waren und die sich in Unabdingbar ist das Wiederverlassen dieses die neuen Figurenkonzepte einfügten. Die Geburtsjahr- Raums, so wie in der Selbsthypnose gewonnene Zu- gänge der Schauspieler – 1903 (O. E. Hasse), 1907 stände wieder abgerufen werden müssen. Nach dem (Ernst Wilhelm Borchert), 1908 (Ernst von Klipstein), Zweiten Weltkrieg waren die Kinos besonders ersehnte 1910 (Wolfgang Preiss) – machen deren Generations- »andere« Orte, und die vier Besatzungsmächte entspra- zusammengehörigkeit erkennbar. Ihre gemeinsamen chen jeweils auf ihre Weise diesem Begehren durch die Lebenserfahrungen waren die Voraussetzung für die schnelle Wiederbelebung des Filmwesens. Da sprach authentische Gestaltung ihrer Rollen. man gern von der »Stunde Null«: Doch gab es diese Für die jüngere Generation mussten authentische »Stunde Null« nur in jenem Augenblick, in dem das Repräsentanten gefunden werden. Das gelang Alfred NS-Herrschaftssystem zusammenbrach und die Besat- Weidenmann. Horst Frank berichtet, dass Weidenmann zungsherrschaft errichtet wurde, die alle Überlebenden im Sommer 1956 für DER STERN VON AFRIKA »neue zwang, sich gemäß den veränderten politischen Ver- (preiswerte) Gesichter« suchte und eine Personalent- hältnissen neu zu orientieren. Auch für die deutsche scheidung mit weitreichenden Folgen traf. Unter den Filmwirtschaft war dies nur formal ein Neuanfang. Viele sechs ausgewählten Schauspielern waren Joachim Filmschaffende, die sich von Goebbels hatten kompro- Hansen (1930), Hansjörg Felmy (1931) und Horst Frank mittieren, nicht aber disziplinieren lassen, waren sofort (1929), die er in DER STERN VON AFRIKA einsetzte und wieder zur Stelle und garantierten Kontinuität. Diese für die dieser Film sowie ihr späterer Einsatz in den Wis- Kontinuität im deutschen Filmschaffen der 1930er bis bar-Filmen zum Sprungbrett für eine große Filmkarriere 1950er Jahre beruhte auf fünf Faktoren: (1) auf dem wurde. Gegenüber Hansjörg Felmy und Joachim Han- ungebrochenen Charisma der Stars, (2) auf dem Kön- sen, an denen sich junge Offiziere in der Bundeswehr nen handwerklich erfahrener Kameraleute, (3) auf den durchaus orientieren konnten, bildet Horst Frank den tradierten Schnitt- und Montageverfahren, (4) auf der Gegenpol. »Wenn etwas an Horst Frank ›pathologisch‹ Pflege erprobter Genres, (5) auf der Fähigkeit, sich den ist, so seine innere Erlebnisfähigkeit, die zweifellos weit Interessen und Bedürfnissen der Publikums anzupas- über das Normale hinausgeht – eine Übersensibilität, sen. Die Ufa war als Firma zerschlagen worden, als »Er- die dem geistigen und seelischen Normalverbraucher fahrung« lebte sie weiter. Die neuen Filmproduzenten wahrscheinlich schon darum nicht geheuer ist, weil folgten den Zeittendenzen, so auch in der Debatte um er sie sich ohne Ventil in seinem künstlerischen Beruf die deutsche Wiederbewaffnung. einfach nicht leisten kann, wenn er nicht früher oder Die Filme unterstützten die Verteidigung der Distanz später vor die Hunde gehen will.« (Inge Dombrowski / der Wehrmacht gegenüber den ideologischen Grund- Rudolf Borchert) Horst Frank bekannte: »Meine (Cha- sätzen der NSDAP; den Gesamtkomplex Waffen-SS rakter-)Visage hat mich bekannt gemacht; die Rollen sparten sie wohlweislich aus. Sie erfüllten damit den der Grübler, der Zyniker, der Zerrissenen und Schwieri-
gen lagen mir.« Als Gerd Heyne in HAIE UND KLEINE FI- die in Schach gehalten werden müssen, um die Wahr- SCHE und Feldwebel Böse in HUNDE WOLLT IHR EWIG nehmung der historischen Gegebenheiten von voreili- LEBEN war er mehr als das. Von ihm gingen die Impulse gen Vorurteilen freizuhalten. Dies gilt besonders für die für die kritische Reflexion über den Wehrdienst aus. Umstände, unter denen diese Filme produziert wurden. Das Interesse an dem, »was geschah«, ist ungebro- Angelpunkt ihrer Bewertung ist die Tragfähigkeit chen, doch ein ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein der Argumente des filmischen Diskurses zum Zeitpunkt entwickelt sich daraus nur rudimentär. Zurückliegende ihrer Uraufführung. Historische Beweiskraft erlangen Ereignisse werden zeitlich eingeordnet, am ehesten diese Argumente erst aufgrund gesicherter Kenntnisse im Rückblick auf die eigene Vergangenheit. Man re- über die »historische Zeit« und deren führende Persön- konstruiert Abläufe, versucht, sie teleologisch in ge- lichkeiten; Nachprüfungen bestätigen Korrektheit und Frank Wisbar schichtlichen Zusammenhängen zu sehen und ist auf decken Unschärfen, Lücken, Fehler auf. Der Spielraum Zusatzinformationen angewiesen, die nicht ad hoc zur für Spekulationen ist groß, aber auch die Duldsamkeit Verfügung stehen. Dabei geraten zwei Tendenzen ein- gegenüber Eigenmächtigkeiten. Trotz der unvermeidli- ander ins Gehege, die Suche nach gesicherten Fakten chen Begleitschäden will man in der Hauptsache da- und ihre Nutzanwendung. Informationsfluten treffen auf ran glauben, dass es »wohl so war«. Auf dieser Basis 9 unterschiedliche Interessen, wecken Neugier, Suchbil- können Betrachter durchaus ein Geschichtsbewusst- der bestimmen die Auswahl. Siebzig Jahre nach der sein entwickeln. Eine Kinostunde ist jedoch keine Ge- Wehrergänzung zum Grundgesetz und der dadurch schichtsstunde und ein Spielfilm kein Geschichtsbuch. ermöglichten Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Klaus Kanzog Deutschland richtet sich unser Interesse auf den Ele- mentaraffekt dieses historischen Ereignisses, der in Haie und kleine Fische | BRD 1957 | R: Frank Wisbar | den fünfziger Jahren Verdrängtes aktivierte. Die aus B: Wolfgang Ott, nach seinem Roman | K: Günter Haase dieser Zeit überlieferten Spielfilme vermitteln diesen | M: Hans-Martin Majewski | D: Hansjörg Felmy, Su- Elementaraffekt und lösen zugleich neue Affekte aus, sanne Bethmann, Wolfgang Preiss, Heinz Engelmann, HUNDE WOLLT IHR EWIG LEBEN
Horst Frank, Mady Rahl | 120 min | »Basierend auf dem Rahl | 99 min | »Als letzten Teil seiner Kriegsfilm-Trilogie Roman von Wolfgang Ott (1954) dramatisiert dieser pa- drehte Frank Wisbar eine ›den deutschen Frauen ge- ckende U-Boot-Film eine der unbarmherzigsten Fron- widmete‹ Schicksalsballade, die sich von einem 1939er ten des Zweiten Weltkriegs. Wie der Titel suggeriert, Bunten Abend auf dem Kraft-durch-Freude-Dampfer ist Wisbar ganz auf der Seite der einfachen Soldaten, Wilhelm Gustloff bis zum Untergang des Schiffes hin- die nach bestem Wissen und Gewissen ums Überleben dehnt: Im Januar 1945 wurde es, mit 6000 Flüchtlin- kämpfen und immer wieder die eigene Ohnmacht er- gen an Bord, durch russische U-Boot-Torpedos in der fahren. Immer wieder integriert Wisbar reale Wochen- Ostsee versenkt. Technisch brillant gelang allerdings schauausschnitte – auch in seinen späteren Werken, die Schiffskatastrophe, und mit erstaunlicher Vitalität so dass der Film im Guten wie im Bedenklichen sehr übertrumpft Brigitte Horney alle ihre Mitspieler.« (Der Frank Wisbar zeitgenössisch wirkt: HAIE UND KLEINE FISCHE schafft Spiegel 11/1960) »Dazu passt, dass Wisbar originale eine dichte Simulation des U-Boot-Krieges, bleibt dabei Aufnahmen vom Treck in seinen Film einbaute und mit aber ideologisch indifferent. Das ist insofern legitim, nachgestellten Szenen montierte. Dem Publikum wird als dass der Film sich an der Beleuchtung von Einzel- diese Collage im Film nicht kenntlich gemacht. Zusätz- schicksalen in Grenzsituationen versucht. HAIE UND lich erschuf Wisbar neue Bilder von Flucht und Vertrei- 10 KLEINE FISCHE reflektiert so intensiv die Stimmung je- bung, nämlich die Bilder des Gustloff-Untergangs, von ner Jahre, in denen der Krieg eine noch sehr lebendige dem keine Fotografien oder Filmaufnahmen überliefert Erinnerung ist.« (Marcus Stiglegger) sind. Ungeachtet dessen wurden die ›fiktiven Bilder des Freitag, 14. September 2018, 18.30 Uhr | Einführung: Untergangs‹ selbst in den 2000er Jahren sowohl in Klaus Kanzog Dokumentationen als auch in Printmedien wiederver- wertet, die Bild-Zeitung verwendete Wisbars erfundene Hunde wollt ihr ewig leben | BRD 1959 | R: Frank Bilder des Gustloff-Untergangs im Jahr 2002 sogar als Wisbar | B: Frank Wisbar, Frank Dimen, Heinz Schröter, ›Authentifizierungsreferenz‹.« (Alina Laura Tiews) nach dem Roman von Fritz Wöss | K: Helmuth Ashley | Sonntag, 16. September 2018, 18.30 Uhr | Einführung: M: Herbert Windt | D: Joachim Hansen, Wilhelm Bor- Klaus Kanzog chert, Wolfgang Preiss, Karl Lange, Horst Frank | 98 min | »Wisbar bevölkerte die Szenerie von Stalingrad Fabrik der Offiziere | BRD 1960 | R: Frank Wisbar | mit den vorgeprägten Typen, die dem ideologischen B: Franz Höllering, Frank Wisbar, nach dem Roman von Proporz des deutschen Kriegsfilms entsprechen. Es Hans Hellmut Kirst | K: Kurt Grigoleit | M: Hans-Martin gibt den guten, idealistischen, tapferen Nationalsozia- Majewski | D: Karl Lange, Karl John, Erik Schumann, listen, der am Schluss geläutert wird, und den bösen, Horst Frank, Peter Carsten, Helmut Griem | 96 min | doch feigen Nazi-Offizier, der am Ende angstschlot- »Der deutschen Kriegsfilmzubereitung nach Illustrier- ternd zum Feind überläuft. Darüber hinaus existiert, tenmanier ist jetzt auch der Spielleiter Frank Wisbar in der Gestalt von Sonja Ziemann, sogar das liebende erlegen, als er des 08/15-Autors und Münchner Film- Russenmädchen, das plötzlich hinter der sowjetischen kritikers Hans Hellmut Kirst jüngstes Roman-Opus im Front auftaucht und dem verirrten deutschen Helden Nicht-Anecken-Stil der Zehnten Muse bescherte. Ein die Rückkehr zu den eigenen Truppen ermöglicht. Die- Vorgesetztenmord an einer Kriegsschule liefert die Glie- se Schwächen können auch nicht durch die eindrucks- der für die erprobte Gleichung: Edler Offizier plus sturer voll inszenierten Kampfszenen und die eingeblendeten Nazi plus Widerstandskämpfer plus Kasinoprasser plus Wochenschaubilder wettgemacht werden, die zwar leidende Soldatenbraut gleich deutsche Tragödie.« (Der technisch perfekt eingefügt wurden, aber nicht immer Spiegel 3/1961) »Kein pathetischer Held produziert nahtlos an das Atelier-Grauen anschließen.« (Der Spie- sich vor der Kamera, sondern ein Mensch, den sein Ge- gel 16/1959) wissen gegen alle Absicht in den Konflikt treibt. Helmut Samstag, 15. September 2018, 18.30 Uhr | Einfüh- Griem (in seiner ersten Filmrolle) meistert den schwie- rung: Klaus Kanzog rigen Part mit überzeugender, herber Ausdruckskraft.« (Film-Dienst 3-4/1961) Nacht fiel über Gotenhafen | BRD 1960 | R: Frank Dienstag, 18. September 2018, 21.00 Uhr | Einfüh- Wisbar | B: Frank Wisbar, Victor Schuller, nach einem rung: Klaus Kanzog Tatsachenbericht des Stern | K: Elio Carniel, Willy Win- terstein | M: Hans-Martin Majewski | D: Sonja Ziemann, Gunnar Möller, Erik Schumann, Brigitte Horney, Mady
Universal unter Carl Laemmle Junior Februar 1931. Von links: Will Hays, Carl Laemmle Senior, Mary Pickford, Will Rogers, Carl Laemmle Junior. Carl Laemmle Junior 11 Der aus dem schwäbischen Laupheim in die USA ein- und Universal, Irving Thalberg und Carl Laemmle Junior, gewanderte Carl Laemmle stieg 1909 ins Kinogeschäft bestand eine starke Rivalität, die auch damit zusam- ein und gründete 1912 die Universal Studios, bei denen menhing, dass Thalberg zunächst selber bei Universal das Starsystem seinen Anfang nahm und die als erste tätig gewesen war. Die Konkurrenz der beiden war von auch ihr Gelände als Touristenattraktion vermarkteten. fazinierenden Kontrasten geprägt: Thalberg feuerte den Im Jahr 1928, am Ende der Stummfilmzeit, folgte ein exzentrischen Regisseur Erich von Stroheim, während gewagter Schritt: Carl Laemmle »schenkte« seinem Junior gezielt dessen nicht minder exzentrische Kolle- 20-jährigen Sohn Julius die Position als Head of Pro- gen Paul Fejos und Edward Cahn einstellte. Thalberg duction – doch nicht, ohne den vorher noch umzube- ließ Dickens und Shakespeare verfilmen, Junior da- nennen. Fortan hieß er nicht mehr Julius, sondern »Carl gegen Gegenwartsautoren wie Erich Maria Remarque, Laemmle, jr.«, was Kontinuität signalisieren sollte, sich Hans Fallada oder Stefan Zweig. Und während Thalberg aber für den jungen Mann, der bald nur noch »Juni- einer der Verfasser des Production Code war, setzte or« genannt wurde, als schwere Hypothek erwies. Man Junior alles daran, die Zensur zu untergraben – Wie- bezweifelte des Juniors Befähigung für seinen Posten, deraufführungen von John Stahls BACK STREET (1932) zumal der Senior für seinen Nepotismus bekannt war, wurden nach der Einsetzung des Production Code und machte hinter seinem Rücken Witze über ihn. rundweg abgelehnt, zunächst weil der Film »nicht die Carl Laemmle Senior wandte sich mehr und mehr korrekten moralischen Werte« vertrete. Später wurde seinem humanitären Engagement zu, während Junior, gar beschieden, BACK STREET sei »zum Symbol für stets makellos gekleidet und strahlend, das Studio auf genau die falsche Art Filme geworden«, denen der Pro- neue Wege führte und zugleich viele Filme persönlich duction Code doch ein Ende setzen sollte. produzierte. Zwischen den beiden mächtigen und un- Allein Junior ist es zu verdanken, dass bei der Uni- gewöhnlich jungen Produktionschefs der Studios MGM versal die Horrorklassiker der 1930er Jahre DRACULA,
FRANKENSTEIN, THE MUMMY, THE INVISIBLE MAN etc. des Star-Systems, bewiesen hatte – Margaret Sullavan entstanden (die das Filmmuseum im Frühjahr 2017 kam für ONLY YESTERDAY, dann produzierte Junior für zeigte), doch sein Einfluss ging weit darüber hinaus. sie mit LITTLE MAN, WHAT NOW? einen der ersten Hol- Er wollte das für seine Sparsamkeit berüchtigte Stu- lywoodfilme, die den Aufstieg der Nazis behandelten. dio aufwerten und die gut eingeführte Produktpalette Universal hatte ursprünglich eine besonders enge Bin- aus Western, Serials und Kurzfilmkomödien auf echte dung an die deutsche Filmindustrie gepflegt, doch nun A-Filme umstellen, die vorerst durch die erfolgreiche war Universal das erste große Studio, das sich wegen B-Produktion querfinanziert werden sollten. Er war der Nationalsozialisten aus dem lukrativen deutschen Carl Laemmle Junior kultiviert, ehrgeizig und risikofreudig, förderte Innovati- Markt zurückzog. Derweil hielten sich Fox, Warner und onen in der Studiotechnik und versuchte neue Formen MGM dem Exportgeschäft zuliebe brav an Vorgaben zu etablieren. KING OF JAZZ (1930) sollte eine neue Art der neuen Machthaber in Deutschland und vermieden des Musikfilms begründen und die verschwenderisch jeden Anflug von Kritik. ausgestatteten MGM-Musicals in den Schatten stellen, Bis heute kann man lesen, Juniors teure Flops doch der Aufwand für dieses Farbspektakel zahlte sich hätten das Studio ruiniert, doch das trifft nicht zu. Das nicht aus. Das Projekt, das rund zwei Millionen Dollar Problem war nicht der gelegentliche Misserfolg, son- verschlungen hatte, fiel an der Kasse durch. dern vielmehr eine schleichende Kostenfalle, wie die 12 Junior war eine unverbesserliche Spielernatur. Papiere des Unternehmens belegen: Ein mittlerer Film, Wenn er auf kostspielige, wagemutige und anspruchs- an dem keine großen Erwartungen hingen, war bei der volle Projekte setzte, erwiesen sich seine furchtlosen Universal früher auf $200.000 gekommen; unter Ju- Entscheidungen oft als richtig, wie bei ALL QUIET ON nior konnte er $30.000 bis $80.000 mehr kosten. Die THE WESTERN FRONT (1930), der trotz heftiger Kon- Defizite sammelten sich an, bis Junior 1936 seinem troversen im Vorfeld (den Weltkrieg aus der Sicht des Spielerinstinkt folgte und, anstatt Budgets zusammen- Feindes zeigen?), enormer Schwierigkeiten in der Pro- zustreichen, alles auf eine Karte setzte – eine Verfil- mung des Musicals SHOW BOAT im ganz großen Stil mit aufwändigen Bauten, kunstvollen Kostümen und den Stars der Bühnenversion einschließlich des großen Paul Robeson. Im sicheren Gefühl, einen Riesenhit zu landen und im vollen Vertrauen auf James Whales In- szenierung nickte Junior die Kosten ab, die sich letztlich auf $1.275.000 summierten. Derweil spielte Laemmle Senior, der schon so man- che finanzielle Krise ebenso geschickt wie fragwürdig gemeistert hatte, auf Risiko. Für einen Kredit von gera- de $750.000 stand eine Option auf das gesamte Studio als Sicherheit. Als der Kredit fällig wurde, griffen die Geldgeber zu und übernahmen Universal am 14. März duktion und Zensurproblemen in vielen Ländern doch 1936 für fünfeinhalb Millionen Dollar – gerade viermal letztlich ein Welterfolg wurde und dem 22-jährigen Pro- soviel, wie SHOW BOAT gekostet hatte. Einen Monat duzenten einen Oscar eintrug. Variety schrieb: »Nichts später kündigte Junior. Mit nur 28 Jahren war er ein wird hier dezent übergangen, nichts für das weibliche gescheiterter Filmproduzent. Die bittere Ironie war, dass Publikum geschönt. Gezeigt wird der Krieg, wie er ist, SHOW BOAT ein enormer Erfolg bei Kritik und Publikum Schlachterei. Der Völkerbund könnte keine bessere In- wurde – zu spät für die Rettung der Laemmles. vestition tätigen als den Film aufzukaufen und ihn in James Whale hatte besonderen Grund, Juniors allen Sprachen der Welt allen Nationen alljährlich zu Abschied zu bedauern, denn sein nächster Film, THE zeigen, bis das Wort Krieg aus den Lexika getilgt wird.« ROAD BACK, die Fortsetzung von ALL QUIET ON THE Junior band unkonventionelle Regisseure ans WESTERN FRONT, wurde von den neuen Chefs nach Studio – James Whales doppelbödige Ironie, Edward Boykottdrohungen aus Deutschland massiv zusam- Cahns zynischer Nihilismus, John Stahls humanisti- mengekürzt. Die Library of Congress konnte die jahr- sches Feuer fanden in deren Jahren bei der Universal zehntelang verlorene Urfassung von THE ROAD BACK ihren vollsten Ausdruck. Er konnte Stars mit demselben wieder herstellen, die neben SHOW BOAT am Ende der Geschick aufbauen, das schon sein Vater, der Erfinder Filmreihe steht.
Junior war zunächst noch einige Monate bei MGM den Film in Windeseile auf der Zugfahrt von Los Ange- angestellt, ohne dass das zu einem Film geführt hätte. les nach New York überarbeiten, um ZaSu Pitts durch Nach dem Tod seines Vaters 1939 erbte Junior rund nachgedrehte Szenen mit Beryl Mercer zu ersetzen. fünf Millionen Dollar. Er lebte noch bis 1979, Gerüch- Obwohl es bei Aufführungen in Deutschland zu Störak- te um einzelne Projekte Juniors gab es immer wieder, tionen der SA kam und der Film daraufhin zeitweise doch die Filme nahmen nie Gestalt an. Bei seinem Tod verboten wurde, war ALL QUIET ON THE WESTERN war das Herrenhaus in Beverly Hills beliehen und das FRONT schließlich einer der erfolgreichsten Filme der Vermögen fast aufgebraucht. Sogar sein Oscar für ALL Saison 1931/32. Der Oscar für den besten Film gab Carl Laemmle Junior QUIET ON THE WESTERN FRONT war verschwunden Junior das Gefühl, sich bewiesen zu haben. und wurde nicht wieder aufgefunden. Die New York Freitag, 14. September 2018, 21.00 Uhr Diens- Times hielt es nicht für nötig, einen Nachruf zu bringen. tag, 18. September 2018, 18.30 Uhr Outside the Law (Sirenen um Mitternacht) | USA 1930 | R: Tod Browning | B: Tod Browning, Garrett Fort | K: Roy F. Overbaugh | M: David Broekman | D: Edward G. Robinson, Mary Nolan, Owen Moore, Eddie Sturgis, John George | 79 min | OF | Ein Ganovenpärchen hin- 13 tergeht einen Gangsterboss und muss untertauchen. Regisseur Tod Browning kann in seiner Vorliebe für den amerikanischen fahrenden Carnival schwelgen – eine Welt für sich, ein Zwischenreich aus Showbusiness und Verbrechen. Die Figuren scheinen der Sideshow aus Brownings FREAKS (1932) entsprungen. In der brillan- ten dialogfreien Anfangssequenz tritt Owen Moore als Die Filme dieser Reihe belegen durchweg, dass beinloser »Automat« im Schaufenster eines Kaufhauses Junior als Produzent eine risikofreudige, wagemutige auf, während Mary Nolan als leicht bekleidetes Model Linie verfolgte. Er war weder ein Verschwender noch in einem Museum für »Lebende Bilder« arbeitet – im ein Pfennigfuchser, sondern stattete Projekte, an die er Grunde nichts anderes als eine Burlesque Show. Auf glaubte, mit Mitteln aus, die andere Studios nicht ris- der Flucht vor dem Gangsterboss geben sich die beiden kierten. Die Vielzahl beeindruckender Produktionen aus als Frischvermählte aus und verstecken sich in einer gerade sieben Jahren, von denen wir nur einen kleinen für sie exotischen, befremdlichen »Normalität«, in der Teil ausgewählt haben, lässt uns mit der Frage zurück: Welt der middle class, die sie zugleich anzieht und Was hätte Junior noch geschaffen, was wäre alles anwidert. Browning, der diese Außenseitergeschichte möglich gewesen, wäre die Ära Laemmle nicht 1936 1920 schon einmal für Laemmle Senior als Stumm- abrupt beendet worden? film inszeniert hatte, kehrte nach Jahren bei MGM zur Dave Kehr, Christoph Michel Universal zurück. Samstag, 15. September 2018, 21.00 Uhr All Quiet on the Western Front (Im Westen nichts Neues) | USA 1930 | R: Lewis Milestone | B: Maxwell King of Jazz (Der Jazzkönig) | USA 1930 | R: John Anderson, George Abbott, Del Andrews, nach dem Ro- Murray Anderson | B: Harry Ruskin | K: Jerome Ash, man von Erich Maria Remarque | K: Arthur Edeson | M: Hal Mohr, Ray Rennahan | M: Milton Ager, James Die- David Broekman | D: Lew Ayres, Louis Wolheim, John trich, George Gershwin, Ferde Grofé Sr., Billy Rose, Wray, Arnold Lucy, Ben Alexander | 136 min | OmU | Mabel Wayne, Jack Yellen | D: Paul Whiteman, John Der Film folgt Paul und seinen Freunden von der Schul- Boles, Laura La Plante, Jeanette Loff, Glenn Tryon | bank durch die Grundausbildung in die Schützengräben 98 min | OF | »Mit der Superproduktion KING OF JAZZ und begleitet sie mit großem Aufwand und dokumen- wollte Universal dem darniederliegenden Genre Musi- tarischer Genauigkeit bis zum bitteren Ende. Die Dar- cal neues Leben einhauchen. Paul Whiteman war als stellerin von Pauls Mutter, ZaSu Pitts, war eine beliebte Bandleader auf dem Gipfel seines Ruhmes und hatte Komikerin, und das Publikum in Testvorführungen re- die erste Garde des Jazz engagiert, darunter einen agierte bei ihrem Auftritt reflexartig mit Gelächter. Der jungen Sänger namens Bing Crosby. John Murray An- Cutter (und spätere Regisseur) Edward L. Cahn musste derson hatte spektakuläre Broadwayrevuen inszeniert
und konnte neben Universals Vertragsstars die größten Seed (… und der Tag kam) | USA 1931 | R: John Bühnentalente für seine Vision begeistern, obwohl er M. Stahl | B: Gladys Lehman, nach dem Roman von keine Filmerfahrung hatte. Das Endergebnis war eine Charles G. Norris | K: Jackson Rose | M: Heinz Roem- beispiellose Verbindung von Bühnen- und Filmele- held | D: John Boles, Genevieve Tobin, Lois Wilson, Ray- menten ohne Plot und fast ohne Dialog in strahlendem mond Hackett, Bette Davis, ZaSu Pitts, Richard Tucker, Helen Parrish | 96 min | OF | Bart Carter, verheiratet, fünf Kinder, hat einen Roman geschrieben. Als seine frühere Freundin Margaret ihm hilft, das Buch heraus- Carl Laemmle Junior zubringen, lässt Bart sich scheiden und heiratet Mar- garet. Er produziert immer mehr Schund, um seinen Lebensstil zu finanzieren. Nach einer Begegnung mit seinen Kindern aus erster Ehe, die ohne ihn ganz gut geraten sind, holt er sie zu sich, als könnte er Versäum- tes nachholen. Der Regisseur John Stahl, geboren in Baku als Jacob Strelitsky, hatte schon als junger Mann ein kleines Hollywoodstudio geleitet und war eines der 14 Gründungsmitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Junior verstand sich glänzend mit frühem Technicolor. War KING OF JAZZ jahrzehntelang ihm und ließ ihm freie Hand bei der Besetzung und In- nur in schlechten und unvollständigen Kopien verfüg- szenierung seiner Filme, als hätte Stahl ein Studio im bar, kann man ihn nun erstmals seit 85 Jahren in einer Studio. Seine Filme über Figuren, die gegen unüber- Form sehen und hören, die der ursprünglichen Länge, windliche Vorurteile ankämpfen, deren Leben aus der Szenenfolge und Bildqualität nahe kommt.« (James Bahn gerät, oder die schicksalhafte Fehlentscheidun- Layton, David Pierce) gen nicht mehr korrigieren können, sind geprägt von Sonntag, 16. September 2018, 21.00 Uhr tiefer Menschlichkeit. Samstag, 22. September 2018, 21.00 Uhr A House Divided (Der Mannsteufel) | USA 1931 | R: William Wyler | B: John B. Clymer, Dale Van Every, John Law and Order (Gesetz und Ordnung) | USA 1932 | R: Huston, Olive Edens | K: Charles J. Stumar | D: Walter Edward L. Cahn | B: John Huston, Tom Reed, nach dem Huston, Douglass Montgomery, Helen Chandler, Mary Roman »Saint Johnson« von W. R. Burnett | K: Jack- Foy, Lloyd Ingraham | 70 min | OF | Nach Lehrjahren in son Rose | M: David Broekman | D: Walter Huston, Western und Actionfilmen kann man dies als den ers- Harry Carey, Russell Hopton, Raymond Hatton, Ralph ten echten William-Wyler-Film ansehen. Wie in vielen Ince | 75 min | OF | In Tombstone herrscht das Recht seiner späteren Filme, so ist auch hier die Hauptperson des Stärkeren. Der frühere Marshal Frame Johnson eine Vaterfigur in der Krise. Seth Law ist ein charis- hat das Kämpfen satt, als er mit seinen Brüdern in matischer Mann der Tat, ein Witwer, der seinen emp- den Ort kommt, doch er trägt noch einmal den Stern findsamen Sohn so unerbittlich dominiert wie die kleine und tritt zur letzten Konfrontation an. Edward L. Cahn Gemeinde, in der er lebt. Eine junge Frau in Not heiratet lässt die entfesselte Kamera ins Geschehen eintauchen ihn aus Dankbarkeit, fühlt sich aber zu seinem ver- und hinausflüchten, als wäre sie Beteiligte und nicht ängstigten Sohn hingezogen. Die Geschichte spielt auf Beobachterin der Ereignisse. »Dieser fast vergessene einer kleinen Insel vor der Pazifikküste im Nordosten Film ist vielleicht der einzige Tonfilm-Western, der noch der USA, und die düstere Atmosphäre der zerlumpten einmal zu der urwüchsigen Qualität und dem rigoro- Kolonie von Lachsfischern lässt an Roberto Rossellinis sen Realismus der frühen William-S.-Hart-Filme findet, 20 Jahre später entstandenen STROMBOLI denken. nicht nur in der Handlung, sondern auch in der Bildge- Huston scheint sich im Verlauf der Handlung physisch staltung, der Figurenzeichnung und der Inszenierung. zu verwandeln, er wird vom hoch aufragenden Gigan- Die Geschichte wird geradeheraus und in gelassenem ten zur kriechenden Schlange, ebenso wie sich Wylers Tempo erzählt, die Action ist nie Selbstzweck, doch den Kamerapositionen von Hustons Aussichtspunkt auf der Höhepunkt bildet eines der rohesten und heftigsten Anhöhe bergab zum Erdboden verlagern. Feuergefechte der Filmgeschichte.« (George N. Fenin, Freitag, 21. September 2018, 21.00 Uhr Dienstag, William K. Everson) 25. September 2018, 18.30 Uhr Sonntag, 23. September 2018, 21.00 Uhr
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