Persönlichkeitsstörungen - Systematik der Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. med. Nadine Oberkircher

 
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Persönlichkeitsstörungen - Systematik der Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. med. Nadine Oberkircher
Persönlichkeitsstörungen
 Systematik der Kinder- und Jugendpsychiatrie

                 Dr. med. Nadine Oberkircher
  Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und
                          Psychotherapie
Persönlichkeitsstörungen - Systematik der Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. med. Nadine Oberkircher
Inhalt und Gliederung
     Allgemeine Gesichtspunkte zum Thema Persönlichkeitsstörungen
     1. Definition, Klassifikation, Häufigkeit
     2. Therapie und Verlauf

     Borderline Störungen
     1. Definition, Klassifikation, Häufigkeit
     2. Klinik und Diagnostik
     3. Ätiologie
     4. Therapie und Verlauf

Persönlichkeitsstörungen                 01.04.2021             N. Oberkircher
Inhalt und Gliederung
     Allgemeine Gesichtspunkte zum Thema Persönlichkeitsstörungen
     1. Definition, Klassifikation, Häufigkeit
     2. Therapie und Verlauf

     Borderline Störungen
     1. Definition, Klassifikation, Häufigkeit
     2. Klinik und Diagnostik
     3. Ätiologie
     4. Therapie und Verlauf

Persönlichkeitsstörungen                 01.04.2021             N. Oberkircher
1. Definition
     • Psychopathologie des Erwachsenenalters: Lehre der „Psychopathien“,
       bzw. „Charakterstörungen“, späterer Begriff der
       Persönlichkeitsstörungen

     • Tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster

     • starre Reaktionen in unterschiedlichen persönlichen und sozialen
       Lebenslagen

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1. Definition
     Menschen mit Persönlichkeitsstörungen zeigen deutliche
     Normabweichungen hinsichtlich

     • Wahrnehmungen
     • Denken
     • Fühlen
     • Verhaltens- und Interpretationsmustern in interpersonellen
       Beziehungen

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1. Definition
     Kriterien von Verhaltensmustern bei Persönlichkeitsstörungen:
     • Stabilität
     • betreffen vielfältige Verhaltensbereiche
     • betreffen vielfältige psychische Funktionen
     • gehen oft (aber nicht immer) mit subjektivem Leiden einher
     • Störungen sozialer Funktionen

     Kontroverse Diskussionen bezüglich Definition und Konzept; zudem
     fehlen klare Konzepte einer „normalen“ Persönlichkeit.

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1. Definition
     • Diagnosekriterien gelten nicht unbedingt für das Kindes- und Jugendalter
     • Diagnose sollte aufgrund des Prozesses der Entwicklung nur in
       Ausnahmefällen im Jugendalter gestellt werden (V.a.emotional-instabile
       Persönlichkeitsstörung, dissoziale Persönlichkeitsstörung)
     • Entwicklung wird als offener und unabgeschlossener Prozess beschrieben,
       der interaktiv ist
     • Widerspruch zu einer Betrachtungsweise, welche Störungen als Ergebnis
       einer fixierten und statischen Struktur betrachtet
     • bestimmte Diagnosekriterien können im Jugendalter noch gar nicht erfüllt
       sein

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1. Klassifikation
     • Störungen des Kindesalters können einen
       entwicklungspsychopathologischen Vorläufer für spätere
       Auffälligkeiten bilden
     • eine entsprechende Kontinuität besteht zwischen den dissozialen
       Störungen des Kindesalters und der antisozialen
       Persönlichkeitsstörung des Erwachsenenalters
     • ab dem Jugendalter können bei einer Untergruppe dissozialer
       Jugendlicher gefühlsarme Persönlichkeitszüge ausgemacht werden
       (callous-unemotional traits)

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1. Klassifikation
     Kriterien
     • Unausgeglichenheit in Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle,
       Wahrnehmung, Denken, Beziehungen
     • Verhaltensmuster andauernd und gleichförmig
     • tiefgreifend und in vielen persönlichen und sozialen Situationen unpassend
     • Beginn der Entwicklung im Jugendalter möglich, Manifestation im
       Erwachsenenalter
     • deutliches subjektives Leiden möglich
     • meist deutliche Einschränkungen der beruflichen und sozialen
       Leistungsfähigkeit
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1. Klassifikation und Häufigkeit
     Cluster A- Persönlichkeitsstörungen (sonderbar, exzentrisch)
     Prävalenz 5,7 %

     • ICD-10: paranoide PS
               schizoide PS

     • DSM-5: paranoide PS
              schizoide PS
              schizotype PS

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1. Klassifikation
     Paranoide Persönlichkeitsstörung (F60.0)
     • Übertriebene Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung
     • Neigung zu ständigem Groll wegen der Weigerung Beleidigungen oder
       Missachtungen zu verzeihen
     • Misstrauen und eine Neigung, Erlebtes zu verdrehen (neutrale oder
       freundliche Handlungen anderer werden als feindlich oder verächtlich
       missgedeutet)
     • streitsüchtiges, beharrliches, situationsunangemessenes Bestehen auf
       eigenen Rechten
     • häufiges Misstrauen ggb. der Treue des Ehe- und Sexualpartners

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1. Klassifikation
   zu Paranoide Persönlichkeitsstörung
   • Tendenz zu überhöhtem Selbstwertgefühl, ständige Selbstbezogenheit
   • Gedanken an Verschwörung als Erklärung für Ereignisse in nächster
     Umgebung

   Schizoide Persönlichkeitsstörung (F60.1)
   • wenige oder überhaupt keine Tätigkeiten bereiten Vergnügen
   • emotionale Kühle, Distanziertheit oder flache Affektivität
   • geringe Fähigkeit, warme, zärtliche Gefühle oder auch Ärger zu zeigen
   • anscheinende Gleichgültigkeit ggb. Lob und Kritik
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1. Klassifikation
     zu Schizoide Persönlichkeitsstörung
     • wenig Interesse an sexuellen Erfahrungen mit einer anderen Person
     • einzelgängerische Beschäftigungen
     • Phantasie und Introspektion
     • Mangel an engen Freunden und vertrauensvollen Bezugspersonen
       und fehlender Wunsch nach solchen Beziehungen
     • deutlich mangelndes Erkennen und Befolgen gesellschaftlicher Regeln

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1. Klassifikation
     Schizotype Persönlichkeitsstörung nach DSM-5
     • Beziehungsideen (jedoch kein Beziehungswahn)
     • seltsame Überzeugungen oder magische Denkinhalte, die das
       Verhalten beeinflussen und nicht mit den Normen der jeweiligen
       subkulturellen Gruppen übereinstimmen ( wie z.B. Aberglaube,
       Glaube an Hellseherei, Telepathie)
     • ungewöhnliche Wahrnehmungserfahrungen einschließlich
       körperbezogener Illusionen
     • seltsame Denk- und Sprechweisen (vage , umständlich, metaphorisch,
       übergenau, stereotyp)

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1. Klassifikation
     zu Schizotype Persönlichkeitsstörung nach DSM-5
     • Argwohn und paranoide Vorstellungen
     • inadäquater oder eingeschränkter Affekt
     • Verhalten oder äußere Erscheinung sind seltsam, exzentrisch oder
       merkwürdig
     • Mangel an engen Freunden oder Vertrauten außer Verwandten
       ersten Grades
     • ausgeprägte soziale Angst, die nicht mit zunehmender Vertrautheit
       abnimmt und die eher mit paranoiden Vorstellungen zusammenhängt

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1. Klassifikation und Häufigkeit
     Cluster B- Persönlichkeitsstörungen (dramatisch, emotional)
     Prävalenz 1,5 %

     • ICD-10: dissoziale PS
              emotional instabile PS (impulsiver Typ und Borderline Typ)
              histrionische PS

     • DSM-5: antisoziale PS
              Borderline-PS
              histrionische PS
              narzisstische PS

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1. Klassifikation
     Dissoziale Persönlichkeitsstörung (F60.2)
     • herzloses Unbeteiligtsein ggb. den Gefühlen anderer
     • Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen,
       Verpflichtungen und Regeln
     • Unvermögen zur Beibehaltung längerfristiger Beziehungen
     • geringe Frustrationstoleranz, niedrige Schwelle für Aggressivität
     • Unfähigkeit zum Erleben von Schuldbewusstsein und Lernen aus
       Erfahrung, bzw. Bestrafung
     • Neigung andere zu beschuldigen oder vordergründig Rationalisierung
       für das eigene Verhalten anzubieten

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1. Klassifikation
     Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (F60.3)
     Impulsiver Typ (F60.30)
     • Streit/Konflikte, mangelnde Impulskontrolle, heftige Ausbrüche, v.a.
       bei Kritik oder Einschränkung
     • Tendenz, impulsiv zu handeln ohne Berücksichtigung von
       Konsequenzen
     • wechselnde, instabile Stimmung
     • Ausbrüche intensiven Ärgers
     • gewalttätiges, explosibles Verhalten

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1. Klassifikation
     Borderline Typ (F60.32): zusätzlich mind. 2 aus
     • Unklarheit, bzw. Störung des Selbstbilds, der Ziele, der inneren
       Präferenzen (einschl. der sexuellen)
     • chronisches Gefühl innerer Leere
     • Neigung zu intensiven, unbeständigen Beziehungen
     • Emotionale Krisen mit übermäßiger Anstrengung nicht verlassen zu
       werden
     • häufig Suiziddrohungen und selbstverletzendes Verhalten

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1. Klassifikation
     Histrionische Persönlichkeitsstörung (F60.4)
     • Dramatisierung bzgl. der eigenen Person, theatralisches Verhalten
     • Suggestibilität, leichte Beeinflussbarkeit durch andere
     • oberflächliche und labile Affektivität
     • andauerndes Verlangen nach Aufregung, Anerkennung und im
       Mittelpunkt zu stehen
     • unangemessen verführerisch in Erscheinung und Verhalten
     • übermäßiges Interesse an körperlicher Attraktivität

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1. Klassifikation
     Narzisstische Persönlichkeitsstörung nach DSM-5 (F60.80)
     • hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit (z.B. übertreibt die
       eigenen Leistungen und Talente; erwartet ohne entsprechende
       Leistungen als überlegen anerkannt zu werden)
     • ist stark eingenommen von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht,
       Glanz, Schönheit und idealer Liebe
     • glaubt von sich „besonders“ und einzigartig zu sein und nur von
       anderen besonderen oder angesehenen Personen (oder
       Institutionen) verstanden zu werden oder nur mit diesen verkehren
       zu können

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1. Klassifikation
     zu Narzisstische Persönlichkeitsstörung nach DSM-5
     • verlangt nach übermäßiger Bewunderung
     • legt Anspruchsdenken an den Tag (d.h. übertriebene Erwartungen an
       eine besonders bevorzugte Behandlung oder automatisches Eingehen
       auf die eigenen Erwartungen)
     • ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch (d.h. zieht
       Nutzen aus anderen, um die eigenen Ziele zu erreichen)
     • zeigt einen Mangel an Empathie: ist nicht willens, die Gefühle und
       Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren

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1. Klassifikation
     zu Narzisstische Persönlichkeitsstörung nach DSM-5

     • ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf
       ihn/sie
     • zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen

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1. Klassifikation und Häufigkeit
     Cluster C- Persönlichkeitsstörungen (ängstlich, vermeidend)
     Prävalenz 6 %

     • ICD-10: anankastische (zwanghafte) PS
              ängstliche (vermeidende) PS
              abhängige PS

     • DSM-5: vermeidend-selbstunsichere PS
              dependente PS
              zwanghafte PS

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1. Klassifikation
     Anankastische Persönlichkeitsstörung (F60.5)
     • übermäßiger Zweifel und Vorsicht
     • ständige Beschäftigung mit Regeln, Details, Listen, Ordnung, Plänen
     • Perfektionismus, der behindert
     • übermäßige Gewissenhaftigkeit, Skrupelhaftigkeit unter
       Vernachlässigung von Vergnügen und zwischenmenschl. Beziehungen
     • übermäßige Pedanterie und Befolgung von Konventionen
     • Rigidität, Eigensinn
     • unbegründetes Bestehen auf Unterordnung anderer
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1. Klassifikation
     Ängstlich (vermeidende) Persönlichkeitsstörung (F60.6)
     • andauernde und umfassende Gefühle von Anspannung und
       Besorgtheit
     • Überzeugung, selbst sozial unbeholfen, unattraktiv, minderwertig zu
       sein
     • Sorge, in sozialen Situationen abgelehnt und kritisiert zu werden
     • Abneigung, sich auf persönliche Kontakte einzulassen
     • eingeschränkter Lebensstil, Bedürfnis nach körperlicher Sicherheit
     • Vermeidung sozialer und beruflicher Aktivitäten aus Furcht vor Kritik,
       Ablehnung, Missbilligung
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1. Klassifikation
     Abhängige (asthenische) Persönlichkeitsstörung (F60.7)
     • bei Lebensentscheidungen wird an Hilfe anderer appelliert, bzw. diese
       sogar den anderen überlassen
     • Unterordnung eigener Bedürfnisse unter die anderer, Nachgiebigkeit
     • mangelnde Bereitschaft zur Äußerung angemessener Ansprüche ggb.
       Personen, zu denen eine Abhängigkeit besteht
     • unbehagliches Gefühl beim Alleinsein aus Angst, nicht für sich alleine
       sorgen zu können
     • Angst von einer Person verlassen zu werden
     • eingeschränkte Fähigkeit Alltagsentscheidungen zu treffen

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Inhalt und Gliederung
     Allgemeine Gesichtspunkte zum Thema Persönlichkeitsstörungen
     1. Definition, Klassifikation, Häufigkeit
     2. Therapie und Verlauf

     Borderline Störungen
     1. Definition, Klassifikation, Häufigkeit
     2. Klinik und Diagnostik
     3. Ätiologie
     4. Therapie und Verlauf

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2. Therapie
     Persönlichkeitsstörungen
     • werden traditionell als therapeutisch nur begrenzt korrigierbar
       betrachtet
     • die begrenzten Möglichkeiten spezifischer Therapieverfahren
       bedeutet nicht, dass nicht mit einer Kombination von verschiedenen
       Elementen Erfolge erzielt werden können
     • Empfehlung: multimodaler Therapieansatz
     • Psycho- und Verhaltenstherapie
     • begleitende Eltern- und Familienberatung
     • (Medikation)

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2. Therapie
     Psychotherapie
     • Ziel liegt in der Entwicklung von Möglichkeiten der Realitätsprüfung
     • Therapeut kann als Hilfs-Ich dienen, da diese Patienten ein starkes
       Bedürfnis nach einer verlässlichen, stabilen Vertrauensperson haben
     • andererseits ist ein eher direktives Vorgehen mit klarer Grenzziehung
       und das Fehlverhalten konfrontierenden Elementen, sowie einer
       Modifikation der kognitiven Verzerrung sinnvoll
     • Psychopharmaka je nach Zielsymptom (Antidepressiva, Neuroleptika)

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2. Verlauf
     • sorgfältige Therapiebewertungen fehlen weitgehend
     • längerfristige Therapien unter Einschluss von pädagogisch-
       institutionellen Maßnahmen haben möglicherweise einen
       prognostisch günstigeren Effekt
     • Der längerfristige Verlauf von PS mit Beginn im Jugendalter weist im
       jungen Erwachsenenalter erhöhte Prävalenzraten für Angststörungen,
       affektive Störungen, disruptive Störungen einschließlich Gewalt und
       Kriminalität, sowie für Suizidalität und Substanzenmissbrauch auf
     • Die Wahrscheinlichkeit dass Jugendliche mit einer
       Persönlichkeitsstörung die Störung im Erwachsenenalter beibehalten
       ist trotz einer tendenziellen Abnahme immer noch beträchtlich
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Inhalt und Gliederung
     Allgemeine Gesichtspunkte zum Thema Persönlichkeitsstörungen
     1. Definition, Klassifikation, Häufigkeit
     2. Therapie und Verlauf

     Borderline Störungen
     1. Definition, Klassifikation, Häufigkeit
     2. Klinik und Diagnostik
     3. Ätiologie
     4. Therapie und Verlauf

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1. Definition
     • Das Konzept der Borderline-Störungen stammt ursprünglich aus der
       Psychoanalyse

     • Grenzbereich zwischen „Neurose“ und „Psychose“

     • Defizite in der Entwicklung adäquater, stabiler Funktionen im Bereich
       der Impulskontrolle, Affektmodulation, Aufmerksamkeit, Kognitionen
       und Objektbeziehungen

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1. Klassifikation
     Für Jugendliche sechs Gruppen von Symptomen

     • intensive, zugleich aber gestörte interpersonale Beziehungen
     • Störungen des Realitätssinnes (Denkstörung)
     • ausgeprägte frei flottierende Angst
     • impulsives Verhalten
     • neurotiforme Symptome
     • ungleichmäßige oder gestörte Entwicklung

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1. Häufigkeit

     Schätzungen für Prävalenzraten von 0,4-2 % in der erwachsenen
     Allgemeinbevölkerung

     Die geschätzte Prävalenz bei Jugendlichen liegt bei 0,9 %

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Inhalt und Gliederung
     Allgemeine Gesichtspunkte zum Thema Persönlichkeitsstörungen
     1. Definition, Klassifikation, Häufigkeit
     2. Therapie und Verlauf

     Borderline Störungen
     1. Definition, Klassifikation, Häufigkeit
     2. Klinik und Diagnostik
     3. Ätiologie
     4. Therapie und Verlauf

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2. Klinik und Diagnostik
     Kardinalsymptome
     • instabile Stimmung und Beziehungsgestaltung, impulsives Verhalten
     • Jugendliche zeigen Beziehungsinstabilität eher in Beziehungen zu Eltern
       und Freunden mit heftigen und rapiden Wechseln der Beziehungsqualität
     • Selbstverletzungen mit oder ohne suizidale Motive (häufig Befreiung von
       Angst, Verstimmung, Gereiztheit, Anspannung, Spannungsabbau)

     Typisch: Bild einer jungen Frau, die instabile Beziehungen führt, ausgeprägte
     Stimmungswechsel zeigt, sich selbst verletzt, ausgeprägtes Selbstwertdefizit,
     instabiles Selbstbild

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2. Klinik und Diagnostik
     Anmerkungen:
     • selbstverletzendes Verhalten ist unter Jugendlichen häufig zu finden
       (ohne dass Kriterien für beginnende BPS erfüllt sind)
     • impulsives Verhalten kann auch Weglaufen beinhalten
     • Identitätskonfusion (teils provokatives, teils regressives Verhalten)
     • Konzentrationsprobleme, Schulleistungsprobleme
     • Komorbiditäten (Angststörung, Depressionen, PTBS,
       Sustanzmissbrauch, Essstörungen)
     • Differentialdiagnosen: antisoziale PS, hyperkinetische Störungen,
       bipolare Störungen (rapid cycling)
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2. Klinik und Diagnostik
     In Anamnese häufig
     • Hinweise auf gestörte frühkindliche Bindungen und Vernachlässigung
       (körperlich, emotional)
     • schwere Abweichungen des Elternverhaltens (Modell, double bind)
     • Misshandlung, sexueller Missbrauch
     • broken homes

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Inhalt und Gliederung
     Allgemeine Gesichtspunkte zum Thema Persönlichkeitsstörungen
     1. Definition, Klassifikation, Häufigkeit
     2. Therapie und Verlauf

     Borderline Störungen
     1. Definition, Klassifikation, Häufigkeit
     2. Klinik und Diagnostik
     3. Ätiologie
     4. Therapie und Verlauf

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3. Ätiologie
        Konzept nur unzulänglich aufgeklärt, mögliche Faktoren:
        • in vielen Theorien traumatische Erfahrungen (Misshandlung,
          Vernachlässigung, sex. Missbrauch)
        • unvorhersagbares, nicht verständliches Verhalten im Umfeld
        • negative Mutter-Kind-Interaktion (z.B. teils bedrängende
          Verhaltensweisen der Mutter führt zu heftigen Affekten beim Kind,
          Inkonsistenz im Verhalten)
        • Invalidierendes Umfeld (Bsp. Schmerz-“Ach, das tut doch gar nicht
          weh“, Angst-“Das kann doch nicht sein, dass dir das Angst macht“)

Persönlichkeitsstörungen               01.04.2021                     N. Oberkircher
Inhalt und Gliederung
     Allgemeine Gesichtspunkte zum Thema Persönlichkeitsstörungen
     1. Definition, Klassifikation, Häufigkeit
     2. Therapie und Verlauf

     Borderline Störungen
     1. Definition, Klassifikation, Häufigkeit
     2. Klinik und Diagnostik
     3. Ätiologie
     4. Therapie und Verlauf

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4. Therapie
     • Behandlung von Jugendlichen mit Borderline-Störungen ist
       aufwändig und schwierig: intensiver und kohärenter Ansatz
       erforderlich
     • Behandlung meist institutionell, d. h. in voll- und
       teilstationären Einrichtungen
     • Grund: Jugendliche Patienten benötigen einen stark
       kontrollierenden Rahmen aufgrund ihrer Kontrolldefizite
       einschließlich Selbstverletzung und Suizidalität

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4. Therapie
     • unter den psychotherapeutischen Ansätzen hat sich die dialektische
       Verhaltenstherapie als erfolgsversprechendes Interventionsverfahren
       durchgesetzt

     • DBT (dialektisch-behaviorale Therapie) von Marsha M. Linehan
     • DBT-A für das Jugendalter adaptiert

     • als einzige Intervention empirisch validiert

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4. Therapie
        Die dialektische Verhaltenstherapie (DBT)
        • Annahme: gestörte Affektregulation als Primärproblem
        • Schwierigkeiten der Beziehungsgestaltung, der Verhaltenskontrolle,
          der Regulation des Selbstwertgefühls und der Kognition als
          Konsequenz dieses Primärproblems
        • Ziel: Synthese bzw. Integration von Veränderung der Probleme und
          Akzeptanz vorhandener Anteile in der Person

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4. Therapie
     Die dialektische Verhaltenstherapie (DBT)
     • Problemlösestrategien für Verhalten werden eingeübt
     • Identifikation der Aspekte des Verhaltens, der Emotionen und
       Kognitionen und Validierung angemessener Reaktionen auf die
       aktuelle Situation
     • Teamorientierung
     • Einbeziehung der Familie zur Unterstützung der therapeutischen Ziele
     • (vereinzelt Psychopharmakotherapie supportiv)

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4. Therapie
     Das DBT-A Behandlungsprogramm (Alter 13-19) ist multimodal und
     multifunktional und schließt 5 Funktionen ein:
     • Verbesserung von Fertigkeiten durch Training (meist in der Gruppe)
     • Steigerung der Motivation (meist in Einzeltherapie)
     • Generalisierung (z. B. durch Coaching über Telefon, Fallmanagement,
       trainierte Familienmitglieder)
     • Ausbau der therapeutischen Fertigkeiten und Motivation
       (Teamsupervision, Anwendungskontrolle)
     • Strukturierung des Umfelds (z. B. Familiensitzungen)

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4. Therapie
     Das DBT-A Programm beinhaltet folgende Themengebiete:
     • Achtsamkeit
     • Stresstoleranz
     • Emotionsregulation
     • Zwischenmenschliche Fertigkeiten
     • „Walking the Middle Path“
     Bisher ungenügend randomisierte, kontrollierte Studien,
     mittlere Effektstärken erkennbar (Zielvariablen: suizidales, selbst
     verletzendes Verhalten und hospitalisationsförderndes Verhalten)
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4. Therapie
     Unterschiede zum Erwachsenenprogramm:
     • es muss mehr Verantwortung für Jugendliche übernommen werden,
       v.a. wichtig beim Telefoncoaching, z. B. Jugendliche dürfen auch nach
       selbstverletzendem Verhalten anrufen, Erwachsene Patienten nicht
     • kürzere Therapiedauer (Einzeltherapie 6 Monate, Skillstraining 16
       Wochen)
     • mehr Einbezug der Eltern
     • zusätzliches Modul „Walking the Middle Path“ (den goldenen
       Mittelweg finden)

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4. Verlauf

     • sehr wechselhaft und mit großer Varianz

     • Verfügbarkeit von Therapieangeboten begrenzt

     • prognostisch günstig: konstante ambulante Therapie, konstante
       Beziehung zu mindestens einem Mitglied der Familie

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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