Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau
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Nummer 2 15. Januar bis 4. Februar 2017 3 Wochen Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau
Gesellschaft und Kirche Editorial «Ich bin wieder öpper» Im März 2015 kam der Film «Still Alice» Diagnose «Demenz» und das Leben danach (Immer noch Alice) in die Kinos, dessen Hauptdarstellerin Julianne Moore für ihre schauspielerische Leistung mit einem In der Schweiz leben heute schätzungs- (vaskuläre Demenz). Aber auch eine Oscar ausgezeichnet wurde. Sie verkör- weise 120 000 Menschen, die an Demenz Gehirnentzündung, ein Hirninfarkt, eine pert in diesem Drama eine anerkannte erkrankt sind. Ihre Zahl wird sich bis HIV-Erkrankung oder Alkoholmissbrauch Sprachwissenschaftlerin, bei der Anfang 2030 voraussichtlich verdoppeln. Was können zur Demenz führen. 50 eine erblich bedingte, früh einsetzen- verbirgt sich hinter diesem Krankheits- de Alzheimer-Erkrankung festgestellt wird. bild? Welche Diagnose- und Behandlungs- Keine Heilung möglich Zunächst versucht Alice, ihre Krankheit zu möglichkeiten gibt es? Und wie können Die verschiedenen Formen der Erkrankung ignorieren und gegen die Symptome anzu- Betroffene unterstützt werden? zeigen auch jeweils andere Symptome: kämpfen. Doch die Krankheit schreitet forum-Kirche sprach mit zwei Fachperso- Gedächtnisstörungen weisen eher auf eine unaufhaltsam voran. Die Dozentin verliert nen aus der Medizin und der Pflege. Alzheimer-Erkrankung hin, verminderte Auf- ihre Anstellung an der Universität und merksamkeit und Konzentration eher auf muss sich zusammen mit ihrem Mann Das Risiko, an Demenz zu erkranken, steigt eine vaskuläre Demenz. und den drei erwachsenen Kindern der mit dem Alter: Während bei den 65-Jähri- Die Behandlungsmöglichkeiten sind sehr neuen Realität stellen. gen schätzungsweise 8 Prozent davon be- eingeschränkt. «Wir können nur die Symp- troffen sind, sind es bei den über 90-Jähri- tome behandeln, nicht aber die Ursachen», Als Zuschauer wird man auf eine innere gen mehr als 30 Prozent. Bereits heute ist erklärt Dr. Weber-Luxenburger. In der For- Reise mitgenommen und vor die Frage ge- Demenz der häufigste Grund für Pflege- schung habe man bis heute noch nicht den stellt: Wie würde es mir mit einer solchen bedürftigkeit im Alter. entscheidenden Durchbruch erzielt. Nach Diagnose ergehen? Wie würde ich darauf Mit Demenz verbindet man im Allgemeinen anfänglicher Hoffnung habe sich eine Er- reagieren? Mir wurde klar, dass ich ähn- Einschränkungen kognitiver Fähigkeiten, nüchterung eingestellt. So kann man heute lich wie Alice darunter leiden würde, all der «Hirnleistung». Die Gründe für diese den Verlauf einer Demenz-Erkrankung bes- mein Wissen, all meine Kenntnisse, die Einschränkungen können jedoch unter- tenfalls verlangsamen. «Ein Patient kann ich mir im Laufe meines Lebens mühselig schiedlicher Natur sein. «Man unterschei- drei Jahre lang stabil sein, bei einem ande- erarbeitet habe, einfach so zu verlieren. det über 40 Ursachen, die extrem seltenen ren kann es trotz Intervention sehr schnell Schmerzen würde mich auch, dass ich zu- nicht dazugerechnet», erklärt Dr. Gerald abwärts gehen», sagt der Experte. nehmend Kontakte zu Menschen einbüs- Weber-Luxenburger, Oberarzt der Externen Schliesslich könne Demenz auch zum Tode se, die mir wichtig sind, obwohl ich es mir Psychiatrischen Dienste Thurgau, Clienia AG. führen. Einen sicheren Schutz vor dieser kaum vorstellen kann, wie sich so etwas Die sogenannten primären Demenzerkran- heimtückischen Krankheit gibt es nach anfühlt, vertraute Menschen einfach nicht kungen zeichnen sich dadurch aus, dass Weber-Luxenburger nicht. Ein gesunder mehr zu erkennen. Das Schlimmste wäre Nervenzellen aus bislang ungeklärten Grün- Lebensstil – nicht rauchen, ausgewogene für mich aber, meine Autonomie zu verlie- den absterben. Dazu zählen unter anderem Ernährung, ausreichend Bewegung – sei das ren, die Regie für meine Tage aus der die Alzheimer-Erkrankung, die frontotempo- einzige, was man vorbeugend tun könne. Titelbild: Demenz – wie Nebel macht das Vergessen Vertrautes zu Unbekanntem. Bild: pixabay.com Hand zu geben, keine Pläne mehr zu ha- rale Demenz (Schädigung der Stirn- und ben und sie umzusetzen, die Verantwor- Schläfenlappen) und Demenz bei Parkin- Selbstwert stärken tung für mich anderen zu übertragen, son. Sekundäre Demenzerkrankungen tre- Obwohl jemand, der an Demenz erkrankt mich versorgen und pflegen zu lassen. ten als Folge anderer Krankheiten auf, an ist, nach und nach seine geistigen Fähigkei- Auf der anderen Seite spüre ich in mir erster Stelle bei Durchblutungsstörungen ten verliert, bleibt er in jeder Phase ein aber auch eine Hoffnung, vielleicht sogar Mensch, der Achtung verdient. Das hat eine Zuversicht, dass es für mich trotz Claudia Brüllhardt-Beerli 25 Jahre lang bei einer solchen Erkrankung einen guten Inhalt der Betreuung von Menschen mit Demenz Ort geben wird, dass mir auch dann noch erfahren. Heute leitet sie die Pflege in der Menschen begegnen, die mich mögen Bibel 7 Alterstagesklinik Weinfelden. Mit dieser Er- und die es gut mit mir meinen. Frauen kommen besser weg fahrung verbindet sie eine Grundhaltung, Einblicke in die neue Einheitsübersetzung die versucht, den Betroffenen möglichst Der Film endet offen und anrührend: Alice viel Selbstständigkeit zu ermöglichen und wird von ihrer jüngsten Tochter betreut. Kirche ohne Grenzen – Kroatisch 10 sie damit in ihrem Selbstwert zu stärken. Nach einem Spaziergang liest diese ihr Der Weg zur ewigen Stadt «Jeder Mensch hat gewisse Ressourcen. Kroatische Gläubige pilgerten nach Rom aus einem Theaterstück vor und fragt ihre Diese gilt es zu entdecken und zu fördern», Mutter danach, ob sie verstanden habe, sagt Claudia Brüllhardt. So werden in der Thurgau 12 worum es in dem Stück gehe. Alice ringt Ein Sprachrohr sein Alterstagesklinik zum Beispiel Fähigkeiten um eine Antwort und bringt dann ein Wort Bei der Spitalseelsorgerin in Zihlschlacht im hauswirtschaftlichen Bereich und für hervor, das sowohl die Frage beantwortet den Alltag trainiert. Wie gut das tut, zeigt als auch die dichte Situation beschreibt: Kurse · Tagungen 14 das Beispiel einer Frau, die mit Hilfe eines Liebe. Rollators den Weg zur Einrichtung wieder Gottesdienste an den Wochenenden 15 selber meistern konnte. «Freudestrahlend meinte sie zu mir ‹Ich bin wieder öpper›», Kalenderblatt · Zum Schluss 16 erzählt die Pflegefachfrau. Darüber hinaus 2 forumKirche | 2-2017
Gesellschaft und Kirche Bild: Detlef Kissner News ■ Nächste Taizé-Jugendtreffen in Basel Das 40. europäische Taizé-Jugendtreffen findet Ende 2017 in Basel statt. Das teilte der Prior der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, Bruder Alois Löser, beim Jugendtreffen in Riga mit. «Wir haben Basel gewählt, weil es eine Stadt der Reformation ist. Das erschien uns gerade im Lutherjahr 2017 wichtig. Wir wollen dieses Jahr als Jahr der Versöhnung feiern», so Löser. ■ Gericht spricht Flüchtlingshelfer frei Das Strafgericht in Nizza hat Pierre-Alain Mannoni (45) freigesprochen, der Flücht- linge mit über die italienisch-französische Grenze nahm. «Dies ist ein grosser Sieg für Menschen, die helfen», sagte der An- geklagte. Er hatte im vergangenen Okt- Claudia Brüllhardt-Beerli möchte dazu beitragen, dass Menschen mit Demenz ein möglichst ober in seinem Auto drei verletzte junge selbstbestimmtes Leben führen können. Eritreerinnen auf dem Weg über die Grenze aufgesammelt und in ein Kranken- haus gebracht. Dabei war er von der versucht man, betroffene Personen mit Stimmungen. Sie haben ein sehr gutes Polizei kontrolliert worden. Lebensbereichen in Kontakt zu bringen, die emotionales Gedächtnis», erklärt Claudia ihnen besonders viel bedeuten. So werden Brüllhardt. Ein sensibler Umgang ist auch ■ Flüchtlinge in unbeheizten Zelten Erinnerungsbücher über Pflanzen, Land- angesagt, wenn die Krankheit fortschreitet Menschenrechtler und Flüchtlingshelfer schaften oder Reisen gestaltet, die sie und sich der Abschied von der Tagesein- haben angesichts der Kältewelle die pre- beim Betrachten aufleben lassen. richtung abzeichnet. «Wir raten den Ange- käre Lage von Flüchtlingen angeprangert. hörigen, den Betroffenen frühzeitig mit Rund 2000 Flüchtlinge und Migranten Achtsam kommunizieren dem ausgesuchten Heim – bei einem Kaf- würden trotz Minustemperaturen vor den Besondere Aufmerksamkeit braucht das fee oder durch einen Ferienaufenthalt – ungarischen Transitzonen an der serbi- Gespräch mit Menschen, die an Demenz bekannt zu machen.» schen Grenze und in ungarischen Lagern erkrankt sind. Claudia Brüllhardt empfiehlt, Die Alterstagesklinik ist somit nicht nur der unter freien Himmel oder in Zelten deren Aussagen nicht zu korrigieren. Wenn Ort, an dem an Demenz erkrankte Men- schlafen. An der bulgarisch-türkischen jemand direkt nach dem Mittagessen, schen zwei Tage pro Woche Begleitung er- Grenze erfroren in den letzten Tagen meint, er habe noch nichts zu essen ge- fahren. Sie versteht sich als eine Art «Dreh- sogar drei Flüchtlinge. habt, können damit unterschiedliche Bot- scheibe», die Angehörige auch mit anderen ■ Treffen der Staatskirche ein «Theater» schaften verbunden sein. Es kann bedeu- Hilfsangeboten in Verbindung bringt wie Be- Vertreter der mit dem Vatikan verbunde- ten, dass er Gemeinschaft sucht oder aber suchs-, Fahr-, Entlastungsdienste, dem Pfle- nen Untergrundkirche haben Kritik am dass er noch Hunger hat. «Wichtig ist, dass gedienst der Spitex oder Beratung in recht- Treffen der regierungstreuen katholischen man versucht, die Gefühlsebene einzubezie- lichen Angelegenheiten. Die Angehörigen Kirche Chinas geäussert. Dass die Reli- hen und das eigentliche Anliegen herauszu- können auch für sich selbst Unterstützung gionsbehörde vom Vatikan «Flexibilität und finden», so Brüllhardt. Deshalb arbeitet die bei ihrer aufreibenden Aufgabe in Anspruch Pragmatismus» verlange, sei kein gutes Alterstagesklinik auch mit Bezugspersonen, nehmen in Form von Gesprächsangeboten Vorzeichen für den Dialog. Das Treffen sei die ihre Patienten gut kennen und ihre Aus- und einem Begleitkurs. ein «genau einstudiertes Marionetten- sagen eher zu deuten wissen. Claudia Brüllhardt möchte ihre Arbeit zu- theater» gewesen, so der in Nordchina im Grundsätzlich sei es wichtig, so die Pflege- sammen mit ihrem Team nicht missen. Untergrund tätige «Pater Petrus». expertin, in kurzen Sätzen mit den Betroffe- Sie fühlt sich immer wieder durch besonde- nen zu reden und Fragen nach dem Warum re Momente beschenkt, in denen Men- ■ Schlafsäcke für Obdachlose zu vermeiden. Denn diese hätten etwas schen trotz ihrer Krankheit neue Lebens- Angesichts der ungewöhnlichen Kältewelle Konfrontierendes, würden Aggressivität er- freude erfahren. in Italien griff der Vatikan zu unkonventio- zeugen. Hilfreich sei es auch Schlüsselwör- nellen Mitteln, um Obdachlose vor dem ter zu kennen und zu verwenden, mit denen Detlef Kissner Erfrieren zu retten. Für jene auf der Stras- die Patienten etwas Positives verbinden. se würden Autos als Schlafgelegenheit bereitgestellt, sagte der päpstliche Almo- Abschied vorbereiten Weiterführende Informationen senverwalter Erzbischof Krajewski. Zusätz- Die Begleitung von Personen mit Demenz Die beiden Thurgauer Landeskirchen lich verteile man spezielle, für tiefe Tempe- ist sehr anspruchsvoll. Neben Geduld und bieten Tagungen zum Thema «Demenz» raturen geeignete Bergsteiger-Schlafsäcke. Ruhe muss das Gegenüber auch echt blei- an, die auf Seite 14 beschrieben sind. kath.ch/Red. ben. «Unsere Patienten spüren sehr genau forumKirche | 2-2017 3
Gesellschaft und Kirche «Kein Tag ist wie der andere» Neue Demenzstation in Tobel Bild: Claudia Koch Am 1. November 2016 wurde im Alters- zentrum Sunnewies in Tobel eine neue Demenzstation eröffnet. Diese geschützte Wohngruppe bietet bis zu 16 Menschen Platz, die an fortgeschrittener Demenz erkrankt sind. Heimleitung Heidi Bötschi und Monika Wettstein, Leitung Pflege und Betreuung, gewähren einen Einblick in die Wohngruppe Sunnegarte. Lichtdurchflutete Zimmer und Räumlichkei- ten mit freundlichen Farben sind Haupt- merkmale der neu gebauten Station für Menschen mit Demenz. Zentraler Treff- punkt ist die Küche mit einer grosszügigen Arbeitsfläche, auf der gerade das Zmorge- Buffet angerichtet ist. Der weiträumige Gang bietet genügend Platz, um sich hin und her zu bewegen. Auffallend sind die Sesselgruppen, in denen sich die Demenz- betroffenen zurückziehen können. In den Zimmern stehen jeweils zwei Betten; ein Anblick, der im ersten Moment überrascht. Gibt es denn keine Einzelzimmer? «Neue wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass 2- oder 3-Bett-Zimmer für Demenz- erkrankte idealer sind», sagt die Leiterin Pflege und Betreuung Monika Wettstein. Denn die Betroffenen haben durch die Erkrankung eine veränderte Wahrnehmung. «Manche spüren sich nicht mehr im Lie- gen», sagt Wettstein zur Erklärung, «und Zwei Pflegefachfrauen der Demenzstation Sunnegarte richten den Zmorge für einen Bewohner her. wenn sie alleine sind, kann dies Angst aus- lösen.» Ausserdem sind die Bewohner nur wenig in ihren Zimmern. Sie bewegen sich lassen Freiheit und Sicherheit zu», sagt nen und Bewohner», sagt Heidi Bötschi da- mehrheitlich in den gemeinsamen Räum- Wettstein, die von der neusten Technik be- zu. Die Demenzstation rundet das Angebot lichkeiten oder im neu angelegten Garten. geistert ist. Freiheit und Sicherheit werden des Alterszentrums mit dem Alters- und im Sunnegarte sowieso gross geschrieben: Pflegeheim, der betreuten Wohngruppe Freiheit und Sicherheit Die Badezimmer sind barrierefrei erreichbar sowie der betreuten Wohnungen nun ab. Diese Argumente überzeugten die Heimlei- und der Zugang zur Station wie auch zum Monika Wettstein schwärmt vom neu er- terin Heidi Bötschi, die eigentlich stolz dar- Garten erfolgt mittels einer Schleuse. So- stellten Garten mit der Möglichkeit, sich auf ist, im Alterszentrum bei Bedarf Einzel- bald die eine Türe passiert wird, schliesst an Hochbeeten aktiv einzubringen. Die Er- zimmer anzubieten. Es zeigt sich, dass die sich diese, bevor die Türe nach draussen haltung und Förderung der Mobilität der Demenzerkrankten gerne unter Menschen sich öffnet. Somit wird verhindert, dass die Demenzerkrankten ist der versierten Pfle- sind. «Manchmal sind es die Angehörigen, Menschen mit Demenz sich verirren. gefachfrau ein grosses Anliegen. Entspre- die sich nicht mit der Vorstellung anfreun- chend werden Aktivitäten in den Alltag ein- den können, dass die an Demenz erkrankte Mobilität erhalten und fördern gebaut, soweit die Betroffenen darauf Person in einem Doppelzimmer lebt», sagt Dass die Demenzstation Sunnegarte reali- ansprechen können oder mögen. Es werde Wettstein. Die bisherigen Erfahrungen siert werden konnte, dafür sind Heidi niemand zu etwas gezwungen, so Wettstein. haben inzwischen gezeigt, dass die Betrof- Bötschi wie auch Monika Wettstein sehr Die Pflegefachpersonen der Demenzstation fenen besser und ruhiger schlafen. Nicht dankbar. Die Trägerschaft des Alterszen- sind zusätzlich ausgebildet. Das Personal, nur der Zimmerpartner sorgt für besseren trums liegt bei der katholischen Kirchge- darunter auch Lernende, zeichnet sich durch Schlaf: Eine neue technische Errungen- meinde Tobel; Ja gesagt zum Anbau haben ihre Ruhe und Besonnenheit aus. Aber auch schaft im Bett, der Mobility Monitor, die Kirchbürgerinnen und Kirchbürger. Das Spontaneität sei gefragt. «Kein Tag ist wie zeichnet auf, wenn Unruhe, verminderte Alterszentrum kann auf eine 170-jährige Ge- der andere», sagt Wettstein dazu. Schlafqualität oder gar Schmerzen die schichte zurückblicken. «Früher sorgten hier Demenzerkrankten plagen. «Diese Geräte Ingebohler-Schwestern für die Bewohnerin- Claudia Koch 4 forumKirche | 2-2017
Gesellschaft und Kirche Familie als starker Rückhalt Demenz aus der Sicht eines Angehörigen «Ich habe keine Ahnung, wann meine Mut- von «zu Hause» spricht, spricht sie vom te. Ihr Glaube an den Gott der Bibel zer- ter mich zum letzten Mal erkennen wird», Haus ihrer Kindheit, wie wenn dies gleich brach aber weder an den vorangegangenen sagt der Sohn einer im Alter von 55 Jahren nebenan wäre. Depressionen, noch an den neuen Ein- an Alzheimer erkrankten Frau. Dieser Mit- schränkungen. Auch Peters Vater wurde an arbeiter einer Thurgauer Kirchen-Institu- Der christliche Glaube als Stütze diesem Gott nicht irre, und er fand im christ- tion gibt uns einen Einblick, wie er und Manchmal, wenn Sabine merkte, dass in lichen Glauben immer wieder Halt und seine Familie die Erkrankung der Mutter ihr eine gesundheitliche Veränderung vor- Orientierung. Sabine entspricht nicht dem erleben. ging, stieg in ihr die Frage auf: «Gott, wenn Schema der modernen Leistungsgesell- du doch heilen kannst, warum tust du es schaft, aber dadurch liess der Vater seine Einmal nahm sie – nennen wir sie Sabine – denn nicht?» Und sie war manchmal traurig, Treue zu seiner Ehefrau nie in Frage stellen. sich Zeit, in der Stadt etwas Spezielles ein- dass sie bei gewohnten Aufgaben in der kaufen zu gehen. Mit Erstaunen merkte ihr Kirchgemeinde nicht mehr mithelfen konn- David Gysel/Red. Mann am Abend, dass sie etwas gekauft hatte, das sie gar nicht wollte. Und von Bild: clipdealer.com einem Hausierer liess sie sich einen teuren Gegenstand verkaufen, den sie weder brauchte noch wünschte. Sie konnte bei- des nicht erklären. Sabine litt früher unter Depressionen und hatte deshalb Medikamente zu nehmen. So lag bei den Angehörigen der Gedanke nahe, die neuen Ereignisse könnten auf die Medikamente zurückzuführen sein. Jedoch häuften sich die Gedanken-Ausfälle bei Sabine ganz langsam, und ihr Mann wusste mit der Zeit öfters nicht, was ihn nach der Rückkehr von der Arbeit erwartete. Sabine, die ihre Entwicklung kaum realisierte, stell- te nur mit der Zeit irritiert fest: «Mein Mann verbietet mir immer mehr Dinge.» Dass er zu ihrem Schutz handeln musste, konnte sie nicht erkennen. Familiäre Beziehungen als Stütze Peter, so nennen wir den Sohn, bewundert seinen Vater, wie dieser mit viel Umsicht und Geduld nun schon 14 Jahre Sabine auf ihrem Krankheitsweg begleitet. Peters Vater konnte Sabine vor seiner Pensionie- Es tut gut, mit der Diagnose Demenz nicht allein gelassen zu werden. rung nicht laufend betreuen. Ein Umzug der Eltern ins Nachbarhaus von Peters Schwes- ter ermöglichte es, dass Sabine mindes- Organisierte Hilfe breiten Öffentlichkeit, Organisation von tens bis zur Pensionierung ihres Mannes zu Die Schweizerische Alzheimervereinigung Angehörigengruppen, Ferien für Alzheimer- Hause bleiben konnte. Die Familie spielte ist ein gemeinnütziger Verein, der 1988 Kranke in Begleitung mit ihren Angehöri- so eine entscheidende Rolle für das Wohl- gegründet wurde. Sie setzt sich ein für gen, Ausbildung für Angehörige und Pfle- ergehen von Sabine. Auch die neue Kirch- eine Gemeinschaft, in der die Menschen gende, Unterstützung der Forschung, gemeinde nahm sie freundlich auf. gleichwertig und gleich geschätzt mitein- speziell im Bereich der Begleitung und Mittlerweile ist der Vater pensioniert. Aber ander leben, und ergreift Partei für Men- Pflege. seit einigen Monaten übersteigt die Pflege- schen, die an einer Demenzerkrankung Die Schweizerische Alzheimervereinigung bedürftigkeit die privaten Möglichkeiten leiden. Sie engagiert sich für die Erhaltung ist in jedem Kanton mit einer Anlaufstelle und Sabine ist jetzt in einem Heim. In den der Würde von Menschen mit einer De- vertreten. Im Kanton Thurgau befindet ersten Wochen bat sie ihn bei jedem Be- menz und ihren Angehörigen und für die sich diese in Frauenfeld (T 052 721 32 such, sie doch wieder mit nach Hause zu Verbesserung ihrer Lebensqualität. Zu ih- 54), im Kanton Schaffhausen in Schaff- nehmen. Dies waren für ihn keine leichten rem Angeboten gehören: Information und hausen (T 052 741 60 41). Momente. Jetzt freut sie sich einfach über Auskünfte an Kranke und ihre Angehöri- Nähere Infos unter www.alz.ch, seine täglichen Besuche, realisiert aber die gen, Information und Sensibilisierung der www.alz.ch/tg/ oder www.alz.ch/sh/ Zeitabstände nicht mehr. Wenn sie jetzt forumKirche | 2-2017 5
Abstimmung 12. Februar Keine neuen Sparpakete auf dem Buckel der Ärmsten! Unternehmenssteuerreform III und die Auswirkungen Sowohl auf Bundesebene als auch bei sequenzen einer solchen Politik: beispiel- 2. Kürzung bei der Prämienverbilligung Kantonen und Gemeinden hat Sparen der- lose Sparprogramme auf dem Buckel der Auch die individuelle Prämienverbilligung zeit oberste Priorität. Steuersenkungen Ärmsten. Der Sozialabbau ist heute mindes- (IPV) – eine der Sozialhilfe vorgelagerte der Vergangenheit führen jüngst zu einer tens in drei Bereichen offensichtlich: bedarfsabhängige Leistung – ist zuneh- beispiellosen Sparpolitik – oft zu Lasten mend unter Druck gekommen. Eine Mehr- der Ärmsten in diesem Land. Die Unter- 1. Abbau in der Sozialhilfe heit der Kantone hat aufgrund mangelnder nehmenssteuerreform III würde diese Schwächelnde Kantonsfinanzen haben zu finanzieller Mittel die Beiträge an die Prä- Tendenz verstärken und ist deshalb ab- einem Abbau in der Sozialhilfe geführt. mienverbilligung gesenkt. So spart bei- zulehnen. Das Argument, die Sozialhilfe sei nicht spielsweise der Kanton Aargau 13 Millio- mehr finanzierbar, trieb die Revision der nen Franken bei der IPV. Rund 17 000 Mit dem Ziel, Unternehmen ins Land zu Richtlinien der Schweizerischen Konferenz Personen verloren ihren Anspruch. Mit dem locken, verfolgte die Schweiz in der Vergan- für Sozialhilfe (SKOS) an. Neu wird bei Argument des Spardrucks wurde auch im genheit eine aggressive Tiefsteuerpolitik. Grossfamilien und jungen Erwachsenen ge- Kanton Wallis eine Kürzung der IPV von 29 Multinationale Firmen und Finanzgesell- spart. Mit den neuen SKOS-Richtlinien ist Millionen beschlossen. 21 000 Personen schaften profitierten von umfänglichen das soziale Existenzminimum damit nicht werden deshalb ohne IPV auskommen Steuerprivilegien. In den letzten Jahren wur- mehr für alle gewährt. Wie viel Geld eine müssen. Gesamthaft verringerten sich die de diese Praxis zunehmend kritisiert und ist Einzelperson oder eine Familie zum Leben kantonalen Ausgaben für IPV zwischen fortan international nicht mehr zulässig. Als in der Schweiz mindestens benötigt, richtet 2010 und 2014 um 169 Millionen Franken. neue Lösung präsentieren Bundesrat und sich nicht mehr nach dem wissenschaftlich Dies ist umso stossender, weil man heute Parlament die Unternehmenssteuerreform III ausgewiesenen Bedarf der einkommens- weiss, dass vor allem Familien mit knap- (USR III). Mit der USR III fehlen der öffent- schwächsten 10 Prozent der Bevölkerung. pem Budget – also einem Einkommen lichen Hand künftig gewichtige Einnahmen. Die Armutsgrenze ist zu einer willkürlichen wenig oberhalb der Armutsgrenze – von den Die USR III kostet den Bund 1,3 Milliarden Grösse geworden, zum Spielball der Politik. Kürzungen betroffen sind. Franken pro Jahr. Auf kantonaler Ebene pro- Einige Kantone gehen zudem wegen der duziert die Reform jährliche Einnahmeein- knappen Finanzen weit über die allgemei- 3. Sparen bei der Bildung bussen von 1,4 Milliarden Franken und bei nen Kürzungen hinaus. So erhalten bei- Gespart wurde im Jahr 2015 zunehmend Städten und Gemeinden werden Minderein- spielsweise junge Erwachsene im Thurgau auch im Bildungsbereich. Eine Studie des nahmen von 1,5 Milliarden erwartet. Die Er- anstelle der bereits reduzierten 789 gera- Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer fahrungen der letzten Jahre zeigen die Kon- de noch 611 Franken im Monat. Schweiz zeigt, dass die kantonalen Spar- massnahmen zu Ausgabenkürzungen von 265 Millionen Franken geführt haben. 175 Bild: Thomas Plain/Caritas Millionen davon betreffen die Anstellungs- bedingungen der Lehrerinnen und Lehrer. Weitere 73 Millionen wurden bei den Unter- richtsbedingungen eingespart. Dies ist aber nur der erste Schritt. Bis 2018 sollen weitere 535 Millionen Franken eingespart werden – vorwiegend bei den Unterrichts- bedingungen. Insgesamt werden die Ein- sparungen bei der Bildung mehr als eine Milliarde Franken betragen. Die aktuellen Abbaumassnahmen brechen mit Tabus. So soll der Deutschunterricht für Fremd- sprachige beispielsweise von den Eltern berappt werden oder das 10. Schuljahr als Brückenangebot wird fallen gelassen. Dieser Abbau trifft die Schwächsten. Wird die USR III im Februar 2017 ange- nommen, spitzt sich die Lage weiter zu: Die Situation armutsbetroffener Menschen wird sich verschärfen. Wer Armut in der Schweiz bekämpfen und verhindern will, muss sich deshalb gegen diese Vorlage aussprechen. Kürzungen bei der Prämienverbilligung wirken sich auf Familien mit geringem Einkommen aus. Bettina Fredrich/Caritas Schweiz/Red. 6 forumKirche | 2-2017
Bibel Frauen kommen besser weg Einblicke in die neue Einheitsübersetzung der Bibel «Lob der tüchtigen Frau», sondern… gar Bild: zVg keinen mehr. Ruth Scoralick hatte «Lied auf die starke Frau» vorgeschlagen. Auch andernorts in der revidierten Einheits- übersetzung zählen Frauen zu den Gewin- nerinnen. In den neutestamentlichen Paulus-Briefen werden nun vielerorts nicht bloss die «Brüder», sondern «Brüder und Schwestern» angesprochen. Schliesslich heisst der Apostel Junias aus dem Römer- Brief – nach einhelliger Meinung der For- scher: endlich und folgerichtig! – jetzt Junia. Eine «Geschlechtsumwandlung» mit Folgen? «Das stellt die Ämterfrage durchaus noch einmal neu», meint Detlef Hecking von der Bibelpastoralen Arbeits- stelle (BPA) des Schweizerischen Katholi- schen Bibelwerks. «Daran wird deutlich, dass man sich für den Ausschluss von Frauen von kirchlichen Weiheämtern nicht auf das Argument berufen kann, dass nur Männer Apostel gewesen seien.» Gott: Geheimnisvoller, distanzierter Die neue Einheitsübersetzung fusst auf dem griechischen und hebräischen Urtext. Gleiches galt schon für die Vorläuferversion Hat die Bibelübersetzung behutsam aktualisiert, die Alttestamentlerin Ruth Scoralick. von 1979, zuvor war die sogenannte «Vul- gata», eine traditionelle lateinische Über- setzung, für die katholische Kirche massge- Die deutschsprachigen Standard-Bibeln vor allem darum gegangen, offensichtliche bend. Stellenweise hatte man 1979 den liegen frisch übersetzt vor. Teile der neuen Fehler zu beseitigen. Seitens der Heraus- bisweilen sperrigen Urtext zugunsten einer katholischen Einheitsübersetzung sind in geber gab es zudem klare Vorgaben: Zum verständlicheren Sprache modernisiert. der Schweiz entstanden. Ruth Scoralick Beispiel, den Gottesnamen «Jahwe» neu Diesen Zeitgeist-Einfluss fährt die jetzige übertrug das Buch der Sprichwörter in ei- konsequent mit HERR wiederzugeben. Revision wieder zurück. Ein Beispiel: In der ne Sprache, die sich stark an Urtext und Herr, Frau Scoralick? «Ich weiss, das klingt alten Übersetzung offenbarte sich Gott Tradition orientiert – und doch mit einem schrecklich», seufzt die Theologin. Und dem Mose so: «Ich bin der ‹Ich bin da›.» gestärkten Frauenbild aufwartet. doch sei es richtig, vom Ausdruck «Jahwe» Heute heisst es schlicht: «Ich bin, der ich abzurücken. «Der Gottesname ist eigentlich bin.» Schimmerte zuvor ein seelsorgerli- Die Alttestamentlerin Ruth Scoralick, die unübersetzbar. Man hat immer ein Ersatz- ches Interesse durch, Gottes allgegenwärti- 2011 von der Universität Luzern nach Tü- wort dafür gesucht, die Tradition einigte sich ge Präsenz zu betonen, bleibt Gott nun ge- bingen wechselte, ist Fachfrau für das Buch mehrheitlich auf ‹Herr›.» Scoralick gewinnt heimnisvoller und distanzierter. der Sprichwörter, weise Mahnworte, die ger- dem Herrn sogar Positives ab: «Immerhin Die revidierte Einheitsübersetzung lässt ne König Salomo zugeschrieben werden. kommt so das Wesen Gottes als persönli- Stolperstellen stehen, statt sie zu glätten. Die herausgebenden deutschsprachigen ches Gegenüber klarer zum Ausdruck.» Das macht sie zu einer anspruchsvollen Bischofskonferenzen kamen bei der Revi- Lektüre. Was der Fachwelt gefällt, kann den sion der Einheitsübersetzung nicht um sie Starke, sinnliche Frauen Durchschnitts-Christen überfordern. Ein herum. Gut möglich, dass dabei einige der Andernorts konnte Scoralick durchaus Risiko? «Es lohnt sich, den Menschen die Herren Bischöfe über ihren Schatten sprin- feministische Duftnoten setzen. Die perso- typische Sprachform der Bibel zuzumuten», gen mussten. Scoralick gilt als feministi- nifizierte Weisheit gewinnt im Buch der findet Detlef Hecking. Er wirbt dafür, die sche Theologin. Ihr Forschen und Fühlen Sprichwörter an Kreativität: So heisst es Bibel auf eigene Faust zu entdecken und hält Sprengkraft für eine männerdominierte neu: Sie «arbeitet voll Lust mit ihren Hän- verschiedene Fassungen zu vergleichen. Kirche bereit. den»; davor stand: Sie «schafft mit emsi- «Eine Bibel fällt nicht einfach vom Himmel. Doch Scoralick polarisiert kaum. Zu diffe- gen Händen» (Spr 31,13). Etwas weniger Man muss sich selber für eine Deutung renziert sind ihre Argumente, zu konziliant Hausfrau, etwas mehr Frauenpower, Sinn- entscheiden!» ihr Auftreten. «Ich habe mich sehr zurück- lichkeit inklusive. Das Kapitel trägt auch gehalten», lacht die stille Schafferin. Es sei nicht mehr den etwas altbackenden Titel Remo Wiegand forumKirche | 2-2017 7
Kirche Schweiz · Schaffhausen Einblick in andere Kulturen Generationenwechsel in Sachen Mission Die Missionskonferenz löste sich per Ende Entwicklungszusammenarbeit ermöglicht 2016 auf. Die Nachfolge übernimmt der es Voyage-Partage, individuell auf die Be- Bild: zVg neue Verein Voyage-Partage, der sich auf dürfnisse der Volontäre einzugehen und sie das bisherige Jugendvolontariats-Pro- optimal auf ihren Einsatz vorzubereiten. gramm konzentriert. Mit der Stabweiter- Die allermeisten Volontäre kommen begeis- gabe an Voyage-Partage vollzieht sich im Vorstand ein Generationenwechsel. tert von ihrem Einsatz in die Schweiz zu- rück. Sie wollen ihre Erfahrungen weiter- Land Grabbing mit geben und die neugewonnen Einsichten Schweizer Geld An einer ausserordentlichen Mitgliederver- und Haltungen hierzulande umsetzen. sammlung hat die Missionskonferenz der Durch ihr Volontariat lernen sie Mitverant- Ökumenische Kampagne 2017 deutschen und rätoromanischen Schweiz wortung für die Mitmenschen und unsere die Weichen für die Zukunft gestellt. Wäh- Welt neu wahrzunehmen. «Voyage-Partage ist Die Arbeitsgruppe Brot für alle und rend einige Bereiche von Trägermitgliedern das Eintauchen in eine andere Kultur, das Fastenopfer lädt zu einem kulinarisch- der Missionskonferenz übernommen wer- Mit-Leben und sich Einbringen im Alltag. Ich politischen Impulsabend zur Ökumeni- den, wird das erfolgreiche Programm Voya- konnte zurückkehren mit einem Herz voller schen Kampagne in Schaffhausen ein. ge-Partage in eigener Regie weitergeführt. Dankbarkeit, Optimismus und Weltoffen- Voyage-Partage übernimmt als neu gegrün- heit», so eine ehemalige Volontärin. Die diesjährige Ökumenische Kampagne deter Verein alle diesbezüglichen Rechte von Fastenopfer und Brot für alle steht und Pflichten. Unterstützung gefragt unter dem Motto «Geld gewonnen, Land Mit der Gründung des Vereins will man die- zerronnen». Sie macht auf die negativen Begleitung bei Volontariat ses kreative Potential künftig besser nut- Folgen von Land Grabbing – die teilweise Seit 2001 haben 200 Jugendliche aus der zen und die Rückkehrerarbeit ausbauen. illegitime oder illegale Aneignung von Land Deutschschweiz mit Voyage-Partage ein Vo- Ob dies gelingen wird, hängt jedoch davon – aufmerksam, die am Beispiel von Palm- lontariat in Afrika, Asien oder Lateinamerika ab, ob die Ortskirche Schweiz diese einma- ölplantagen verdeutlicht werden. Ausser- gemacht. So erhielten sie während drei bis lige Chance packt und Voyage-Partage als dem wird die Rolle der Schweizer Banken zwölf Monaten einen Einblick in das Leben zukunftsweisendes Jugendpastoral-Pro- beleuchtet, die in solche Geschäfte invol- und die Arbeit der Gastgebenden. Sie waren gramm begreift und entsprechend mitfinan- viert sind und damit das Land Grabbing in Projekten der Missions-Franziskanerinnen ziert. An den Jungen liegt es jedenfalls fördern. Der kulinarisch-politische Impuls- Oberriet, Schwestern vom heiligen Kreuz nicht: Diese haben sich in den letzten Mo- abend mit dem Titel «Land Grabbing mit (Menzinger Schwestern), Jesuiten, Salesia- naten mächtig ins Zeug gelegt. Der neue Schweizer Geld» will Beauftragten der ner, Kreuzschwestern Ingenbohl und vielen Vorstand und das neue Fachstellen-Team Kirchgemeinden und weiteren Interessier- anderen Ordensgemeinschaften. Die Aus- bestehen mehrheitlich aus ehemaligen Vo- ten wie auch Kanti-Klassen aufzeigen, einandersetzung mit einer fremden Kultur, lontärinnen und Volontären, alle gut ausge- was sie zur Thematik tun können. mit anderen Lebensgewohnheiten und Tra- bildet und kompetent. Hier ist ein veritabler Auf der «Speisekarte» steht ein Ein-Frau- ditionen ist ein weiterer wichtiger Bestand- Generationenwechsel gelungen. Theaterstück zum Thema «Gier», das von teil des Volontariats. Die weltweite Vernet- der Künstlerin Meryl Marty aus Basel prä- zung mit den Gemeinschaften vor Ort und Madlen Portmann/Red. sentiert wird, gefolgt von einem Referat die langjährige Erfahrung im Bereich der über die «Ursachen und Folgen von Land Grabbing» vorgetragen von Silva Lieberherr, Fachfrau für Landwirtschaft und Land Grab- Bild: zVg bing (Brot für alle). Als «Pausenverpflegung» stehen Marktstände von Claro Weltladen, Littl’Shop of Ethics, Viva Natura bereit, die Alternativen zu industriellem Palmöl vor- stellen. Ausserdem wird die Aktion Neuland vorgestellt – eine Protest-Aktion zur Ökume- nischen Kampagne: Durch die Umgestal- tung von Paletten zu Pflanzgefässen soll symbolisch neues Land geschaffen werden für jene, die ihr Land verloren haben. Der Impulsabend findet am Dienstag, 17. Januar, von 17.00 bis 19.30 Uhr im Hofackerzentrum in Schaffhausen-Buch- talen (Alpenstr. 176) statt. Anmeldungen an: oeme@ref-sh.ch. Vorne der neue Vorstand von Voyage-Partage und hinten der abtretende Vorstand der Missionskonferenz. Detlef Kissner 8 forumKirche | 2-2017
Kinder fragen … Zeichnung: Büsra (8 Jahre) Die 3c-Klasse der Volksschule Hasenfeld in Lustenau, Vorarlberg, setzt sich zum vierten Mal zum Philosophieren im Kreis zusammen. Die 19 Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren haben Fragen aufgeschrieben, über die sie gemeinsam nachdenken wollen. Drei davon sind sich sehr ähnlich. Was Alessandro, Amelie und Lucas wissen wollen, interes- siert auch die Mehrheit der Klasse: Was ist besser, ein Kind sein oder ein Erwachsener? Die Kinder überlegen sich Vor- und Nachteile. Erwach- deshalb, weil die Grossen nicht spielen können. Ein sene dürfen Auto fahren. Kinder müssen lernen. Dafür Kind widerspricht, sein Vater spiele mit ihm im Kinder- müssen sie nicht arbeiten und können machen, was zimmer. Die meisten nehmen jedoch wahr, dass sie wollen. Erwachsene hingegen müssen machen, Erwachsene nicht so gut laufen können, weil sie einen was der Chef sagt. Aber meine Eltern, entgegnet Rock und ein Kopftuch tragen oder weil sie Probleme wiederum ein anderes Kind, haben ein Handy und mit dem Rücken oder den Knien haben. Ein Kind dürfen schlafen gehen, wann sie wollen. empfand es sogar als peinlich, wenn Erwachsene mit Schnell erkennen die Kinder, dass die Erwachsenen den Kindern mitspielen. zwar viele Freiheiten haben, für das Geld, mit dem sie Ich möchte, die Gedanken der Schülerinnen und sich kaufen können, was sie wollen, aber arbeiten Schüler über uns Erwachsene und sie selbst so stehen müssen. Auch haben sie Ausgaben, wie Miete, Inter- lassen, ohne sie zu bewerten oder einzuordnen. Denn net, usw. Hinzu kommt, dass Arbeit langweilig ist. Als dies entspricht meiner Haltung als Kinderphilosophin. ein zweites Kind dies bestätigt, fragt die Lehrperson Das Gespräch der Kinder unterstütze ich, in dem ich besorgt nach: «Stimmt ihr da alle zu?» Darauf heisst zuhöre, nachfrage und die Aussagen zueinander in es: «Ja, aber die Eltern gehen arbeiten für ihre Kinder.» Beziehung setze. – «Nein, denn sie treffen dort Kollegen.» und «Nein, beim ersten Mal ist es nicht langweilig, aber wenn man Maria Rüdisser, Kinderphilosophin einen Monat oder ein Jahr arbeiten geht, dann wird es langweilig.» Einen klaren Nachteil im Kind sein sehen die Schülerinnen und Schüler darin, dass Kinder sich Mitmachen! Wenn Ihnen Ihr Kind oder Enkel schon einmal nicht wehren können, weil Erwachsene stärker sind. ein «grosse Frage» gestellt hat, schicken Sie sie an uns Auch ist die Gefahr viel grösser überfahren zu werden. (redaktion@forumkirche.ch). Wir versuchen darauf zu Im Gespräch der Kinder überwiegt jedoch die Meinung, antworten. Wir freuen uns auch über Kinderzeichnungen. dass Kind sein besser ist als Erwachsen sein, auch forumKirche | 2-2017 9
Thurgau · Kirche ohne Grenzen – Kroatisch Geschichten, die inspirieren Der Weg zur e Eine Filmreihe mit Gesprächsmöglichkeit Kroatische Gläubige pilgerten Bild: © Wild Bunch Zu Ehren des Jahres der Barmherzigkeit wurde von Pater Mika Stojić, der in der kroatischen Mission Thurgau-Schaffhau- sen tätig ist, eine Pilgerreise nach Rom organisiert. Die insgesamt 98 Reisenden haben manch Eindrückliches erlebt, wes- halb Kirche ohne Grenzen mit zwei Teilneh- menden gesprochen hat. Vilena (46) und Milan (50) Medved aus Schaffhausen wa- Auf einmal stehen sie ren Teil der ersten Pilgergruppe und be- mitten im Leben – richten voller Euphorie über die in Rom die Mönche im Film und im Vatikan gemachten Erfahrungen. «Vaya con Dios». Vilena und Milan Medved, was hat Sie dazu Gute Filme machen betroffen, lassen geplanten Filmreihe auch nicht auf solche bewegt in die ewige Stadt zu reisen? einen nicht los. Nach dem Anschauen be- Filme zurückgreifen. Wertvoller erscheinen Vor einem Jahr waren wir ebenfalls mit Pil- steht oft das Bedürfnis, sich mit anderen ihm hingegen gut gemachte Dokumentar- gern aus der Mission zuerst in Fatima in Por- darüber auszutauschen. Diese Möglich- filme, die den Zuschauer mit drängenden tugal und später auch in Israel. Dies hat uns keit bietet die Veranstaltungsreihe «Film- ethischen Fragen konfrontieren, wie zum äusserst beeindruckt und zum genaueren Impulse», die die Kirchliche Erwachsenen- Beispiel der Doku-Klassiker «We feed the Nachdenken über unseren Glauben und die bildung (KEB) der Landeskirche Thurgau im world». Religion angeregt. Deshalb wollten wir diese ersten Halbjahr 2017 anbietet. Reise nicht versäumen, um erneut Energie Themenschwerpunkte zu tanken und uns spirituell zu erneuern, Auf die Frage, welcher sein wichtigster Film Für die Reihe «Film-Impulse zum Christ- also um unseren Glauben zu festigen. gewesen sei, soll Steven Spielberg anläss- sein/-werden», die am 25. Januar beginnt, lich seines 70. Geburtstages geantwortet hat Bruno Strassmann vor allem Spielfilme Wie kann man sich das Programm Ihrer haben: Schindlers Liste. Dieser Film war ausgesucht. In der Komödie «Vaya con Reise vorstellen? nicht nur für den Regisseur wichtig. Er löste Dios» machen sich drei Mönche auf den Nach der circa zehnstündigen Carfahrt be- auch eine intensive Diskussion über die Ma- Weg zu ihrem Mutterkloster nach Italien. suchten wir als erstes die schönste goti- chenschaften des Dritten Reiches und das Dabei werden sie auf unterschiedliche Art sche Kirche Italiens, welche das Wunder Thema Zivilcourage aus. Diese Diskussion und Weise versucht, ihrer Gemeinschaft von Bolsena aufbewahrt: ein Altartisch mit stellte einen wichtigen Beitrag zur Aufarbei- den Rücken zu kehren: durch die Beziehung Blutflecken, der aus der Mitte des 13. Jahr- tung des Holocausts dar. Kennzeichen ande- zu einer Frau, durch Verlockungen des Land- hunderts stammt. Der Legende nach tropf- rer Kassenschlager ist, dass sie sich starker, lebens oder der Wissenschaft. Der Film lädt te während einer Messe Blut aus einer religiöser Bilder bedienen. «In ‹The Matrix› ein, über die Treue zu eigenen Lebensent- Hostie auf den Altar. Am nächsten Tag steht beispielsweise ein messianischer würfen und die Notwendigkeit zu Neuanfän- machten wir auch eine Tour durch die Heilsbringer im Mittelpunkt», sagt Bruno gen nachzudenken. Im Film «Die Truman Stadt, in welcher uns veranschaulicht wur- Strassmann, Leiter der KEB. Das Kino biete Show» geht es um die Frage, was Realität de, weshalb Rom als unsterbliche Stadt immer wieder wertvolle Produktionen, die und was Schein ist. Der Versicherungsange- gilt. Die vielen, gut erhaltenen Bauwerke, auch aus religiöser Sicht interessant seien. stellte Truman Burbank ist – ohne es zu wis- welche noch aus der Antike stammen, und sen – Hauptdarsteller einer Fernsehserie, die modern errichteten Gebäude unserer Keine Bibelfilme die rund um die Uhr ausgestrahlt wird. Sein Zeit zeigen die Verbindung der Vergangen- Für Bruno Strassmann ist ein Spielfilm dann Leben wird von Geburt an von unsichtbaren heit und der Zukunft sehr gut auf. gut, wenn er ein aktuelles Thema aufgreift Kameras festgehalten, bis er Verdacht und es ihm gelingt, beim Zuschauer Emotio- schöpft und schliesslich versucht, aus sei- Welches war die berührendste Erfahrung, nen zu wecken, ihn in seiner Lebenssuche ner Scheinwelt auszubrechen. welche Sie während der Pilgerfahrt machen anzusprechen. Dann könne der Film beim Die anderen Filme beschäftigen sich mit durften? Zuschauer auch nachwirken und ihn dazu den Fragen, wie Vergebung möglich wird, Für uns Katholiken ist Rom ein Ort des animieren, Antworten zu finden. wie aus Fremden eine Gemeinschaft wach- Kampfes um den Glauben. Als sich die Den neuesten Bibelverfilmungen wie «Exo- sen kann oder wie auch ein Sterbender ei- Christen im 3. Jahrhundert n. Chr. verste- dus: Götter und Könige» von Ridley Scott ne Mission haben kann. Nach jedem Film cken mussten, um ihren Glauben leben zu oder «Noah» von Darren Aronofsky steht besteht die Möglichkeit, sich über seine können, fanden sie Zuflucht in den Kata- Bruno Strassmann eher skeptisch gegen- Eindrücke und Fragen auszutauschen. komben. Viele Märtyrer, wie beispielsweise über: «Sie entsprechen nicht der neueren der Heilige Petrus, wurden in Rom aufgrund exegetischen Forschung und nutzen bibli- Detlef Kissner der Bekenntnisse zu ihrem Glauben gefol- sche Geschichten lediglich für actionreiche tert und mussten einen gewaltsamen Tod Handlungen.» Deshalb möchte er bei der ■ Nähere Infos siehe Seite 14 erleiden. Ihnen haben wir es zu verdanken, 10 forumKirche | 2-2017
Kirche ohne Grenzen – Kroatisch wigen Stadt nach Rom dass wir heute unseren Glauben leben dür- wir ihm durch unseren Besuch gemeinsam fen und frei sein können. Aus Dankbarkeit mit all den anderen hunderten von Men- «Put u Vječni grad» ihnen gegenüber besuchten wir Gräber und schen auf dem Platz bestätigen. Durch das Kirchen, in welchen sich die Reliquien der Durchschreiten der Heiligen Pforte einer der Vjernici misije Thurgau-Schaff- Heiliggesprochenen befinden. Was uns aber vier sehr eindrucksvollen päpstlichen Basi- am meisten berührt hat, war der Aufstieg liken in Rom – Petersdom, Santa Maria hausen hodočastili su u Rim auf die Santa Scala, welchen wir alle im Ge- Maggiore, Lateranbasilika und Sankt Paul Povodom godine milosrđa 98 vjernika bet auf den Knien begingen. Diese Treppe vor den Mauern – hatten im Jahr der Barm- Hrvatske katoličke misije Thurgau- ist für uns der grösste Beweis der Barmher- herzigkeit die Katholiken die Möglichkeit, Schaffhausen hodočastilo je u Rim i zigkeit Christi uns gegenüber. Angeblich den vollkommenen Ablass zu erlangen, Vatikan u organizaciji Misije i Udruge stammt die Treppe aus dem Palast von als «ausserordentlicher Weg» der Erlösung. Sveta zemlja. Kako bi doznali što ih je Pontius Pilatus und soll von Jesus während posebno oduševilo, Kirche ohne seines Prozesses betreten worden sein. Interview & Übersetzung: Katarina Dujmović Grenzen razgovarala je sa Vilenom (46) i Milanom (50) Medved, koji su bili Welche Empfehlung würden Sie einem sudionici prve grupe hodočasnika. Rompilger geben? Nebst all den sehenswerten Basiliken und Gospođo i gospodine Medved, kako si možemo zamisliti program Vašeg Bild: zVg für uns Katholiken wichtigen Orte, war es Katarina Dujmović (25) für uns besonders bedeutsam den Papst ist Lehrerin und wohnt in putovanja? zu sehen, was uns durch die Reise in der Schaffhausen. Na samom dolasku posjetili smo najlijepšu Gruppe auch ermöglicht wurde. Wir finden, Ursprünglich stammt sie gotičku crkvu u Italiji u kojoj se čuva «Čudo dass wir ihn als Gläubige, besonders im aus Kroatien. iz Bolsene». Radi se naime o hostiji i vinu, Gebet, unterstützen müssen. Dies wollten koji su se tokom misnog slavlja naočigled pretvorili u Sveto tijelo i krv Isusa Krista u 13. stoljeću. Sljedećeg dana uživali smo u Bild: zVg cjelodnevnom obilasku Rima, tokom kojeg smo shvatili značenje naziva viječnoga grada za Rim. Korijeni iz antičkog doba su i danas vrlo dobro vidljivi, te si zato možemo predo- čiti cijelu povijest tog svetog grada. Naš vo- dič, Draženko Marijanović, vodio nas je kroz povijesne detalje i vratio nas informacijama i pričama u početke nastanka naše vjere. Što Vam je najbolje ostalo u sjećanju? Saznali smo da je Rim u biti grad borbe za našu vjeru. Mnogi su se kršćani u 3. stolje- ću morali skrivati kako bi se mogli moliti i slaviti Svetu misu. Tako su se skrivali u mnogobrojnim katakombama, koje su se nalazile ispod groblja. Sveti Petar je primjeri- ce bio prvi od mnogih mučenika, koji su se žrtvovali kako bi mi sada mogli u miru i bez straha živjeti našu vjeru. Iz zahvalnosti pre- ma svima njima posjetili smo crkve u kojima se nalaze njikove relikvije i izložena tijela. Najviše nas je potresao uspon na koljenima Svetim stubama, po kojima je Isus odveden na suđenje Pilatu. Podjetio nas je na Isuso- vu bezuvjetnu ljubav i milosrđe prema svima nama. Kroz organizirano hodočašće bilo nam je omogućeno vidjeti Papu Franju, što nam je osobno bilo vrlo bitno, jer smo mu tako iska- zali veliku zahvalnost za sve njegove molitve i podršku u njegovom radu i djelovanju. Es hatte so viele Anmeldungen, dass sogar zwei aufeinanderfolgende Reisen organisiert wurden: Hvala na razgovoru! Kroatische Pilgergruppe in Rom. forumKirche | 2-2017 11
Thurgau Ein Sprachrohr sein Besuch bei der Spitalseelsorgerin der Rehaklinik Zihlschlacht AG Dieses Jahr sind es zehn Jahre, seit Susanne hörigen während dieser Zeit seelsorgerisch Seelsorge als Schnittstelle Kohlbrenner aus Sulgen als katholische zu begleiten. Den Patienten wieder in den Alltag einzu- Spitalseelsorgerin in der Neurorehaklinik gliedern, die grösstmögliche Selbstständig- Zihlschlacht arbeitet. Im Gespräch mit Stimmung aufgreifen keit zu erlangen sind Ziele der Klinik. Daran forumKirche erzählt sie von ihrer anspruchs- Die Neurorehabilitationsklinik Zihlschlacht arbeitet auch Susanne Kohlbrenner, die ein vollen Tätigkeit, von Höhen und Tiefen so- ist eine Spezialklinik für neurologische Er- Teil des Teams ist, das sich um den Patien- wie von den Firmanden, die jährlich im Rah- krankungen, wie z. B. Schlaganfälle, Hirnblu- ten individuell kümmert. Passend findet sie men ihres Firmkurses die Klinik besuchen. tungen, Tumorerkrankungen, Unfälle oder für die Spitalseelsorge den Begriff «Schnitt- chronische Erkrankungen, beispielsweise stelle», wie dieser im eben durchgeführten Für Susanne Kohlbrenner ist der Andachts- Parkinson. Susanne Kohlbrenner ist u. a. zu- Audit für eine ISO-Zertifizierung der Klinik raum einer der zentralen Räume in der ständig für Patienten der Frührehabilitation, festgehalten wurde. Sie ist nicht nur in der Rehaklinik Zihlschlacht. Hier finden regel- d. h. mit stark beeinträchtigen Menschen Klinik Ansprechperson, sie hält auch Kon- mässig Gottesdienste statt, hierher kom- die etwa einen schweren Unfall oder Schlag- takte mit Seelsorgern ausserhalb und ver- men Familienangehörige mit Patientinnen anfall erlitten haben. Wie anspruchsvoll mittelt einen Besuch etwa mit einem an- oder Patienten, um zu beten, hier empfängt diese Arbeit ist, zeigt sie an einem Beispiel: derssprachigen Seelsorger, falls dieser sie die Firmanden, die im Rahmen ihres «Oft können die Patienten sich nicht verbal gewünscht wird. Freud und Leid liegen in Firmkurses die Rehaklinik besuchen. In verständigen, da diese z. B. wegen eines der Rehaklinik nah beieinander. Das erlebt diesem schlicht gehaltenen Raum findet Schlaganfalls nicht sprechen können. Hier sie oft in den Gottesdiensten oder im stil- auch das Gespräch mit der erfahrenen versuche ich die Stimmung aufzugreifen und len Gebet im Andachtsraum, in dem viele Seelsorgerin statt. Die Diplomtheologin ab- behutsam auf den Patienten einzugehen.» Tränen vergossen werden. Ein Raum voller solvierte eine Ausbildung zur Spitalseelsor- Das heisst aber nicht, dass sie die Stille mit Hoffnung, Trauer, Zuversicht, Schmerz, gerin, arbeitete in verschiedenen Spitälern, vielen Worten füllt. Vorsichtig deuten, auf- Freude und auch Humor. «Ich darf dies bis sie vor zehn Jahren nach Zihlschlacht nehmen und versuchen, diese Wahrnehmun- alles begleiten, diese Höhen und Tiefen», kam. «Ein grosser Unterschied zu einem gen zu verbalisieren ist ihre Vorgehens- sagt Kohlbrenner. Akutspital ist, dass die Patienten über meh- weise. Mit dem Satz «Ich könnte mir vor- rere Wochen oder gar Monate hier sind», stellen …» probiert sie, die Situation des Eigene Unversehrtheit erkennen sagt Susanne Kohlbrenner. Ihre Aufgabe Patienten zu deuten. «Ich versuche, ein Seit einigen Jahren besuchen die Firm- ist es, zusammen mit einer evangelischen Sprachrohr zu sein und mit der Sprache dem Klassen von Weinfelden und von Sulgen die Kollegin, die Patienten wie auch die Ange- Patienten ein Fenster zu öffnen», sagt sie. Rehaklinik im Rahmen ihres Firmkurses. Rund 2 ½ Stunden dauert der Besuch, den Susanne Kohlbrenner als sehr bereichernd Bild: Claudia Koch für beide Seiten schildert. Bei diesen Besu- chen wird die Seelsorgerin von zwei ehema- ligen Patienten begleitet, die offen über ih- re Erfahrungen und den Aufenthalt in der Rehaklinik reden. Die Jugendlichen werden vorgängig über die Rehaklinik informiert und aufgefordert, Fragen vorzubereiten. «Ich empfange die Firmanden jeweils im Andachtsraum, um sie auf die spezielle Situation der Patienten einzustimmen», sagt Kohlbrenner. Das sei jeweils auch der Zeitpunkt, wo der Übermut abgelegt werde. Die Frage an die ehemaligen Patienten «Was hat Ihnen geholfen?» wird am meis- ten gestellt. Für die Jugendlichen sei es wertvoll, ihre Unversehrtheit zu erkennen, dass sie z. B. gehen und sprechen können. Susanne Kohlbrenner ist jedes Mal be- rührt, wie tief und offen sich das Gespräch entwickelt. Wie rücksichtsvoll und empa- thisch die Jugendlichen mit den ehemali- gen Patienten umgehen. Und wie sie aus dieser Erfahrung sich ihrer Stärke bewusst werden. Spitalseelsorgerin Susanne Kohlbrenner im Andachtsraum, wo sie jeweils die Firmklassen in Empfang nimmt. Claudia Koch 12 forumKirche | 2-2017
Aus der Nachbarschaft Sich auf Augenhöhe begegnen Startschuss für das Café International Bild: © Peter Tobler Das Café International bietet Raum für Begegnung und Austausch. St. Gallen ist um eine Lokalität reicher. Eingliederung niederschwellig fördern wert, dass sich mit der Zeit aus den Treffen Das Café International nahm am 10. Janu- Ziel des Projekts ist, die Eingliederung ohne niederschwellige Aktivitäten entwickeln. ar seinen Betrieb auf. Wie der Name sagt, grossen Aufwand zu fördern und das Café Kreativität soll ebenso gefördert werden ist es ein weltoffener Treffpunkt. Hier innerhalb von drei Jahren zu einem bekann- wie Workshops und Informationsveranstal- können sich Menschen mit und ohne ten Treffpunkt zu machen. «Es ist kein tungen. Diskussionen über alltags- und pra- Fluchtgeschichten begegnen. Betreuungsangebot, sondern ein Beteili- xisbezogene Themen, das Schulsystem, gungskonzept, bei dem sich die Leute jeder die Gesundheitsversorgung oder Sitten und Das Café, das sich in der Offenen Kirche Herkunft auf Augenhöhe begegnen können», Bräuche gehören ebenfalls zu den mög- St. Gallen befindet, bietet jeden Dienstag erläutert Theodor Pindl die Idee dieses Vor- lichen Inhalten der unverbindlichen Treffen. von 15 bis 18 Uhr einen offenen Raum an, habens. Die sprachliche, soziale und kultu- wo sich Einheimische und Migranten zum relle Integration von Migrantinnen und Mi- Freiwillige gesucht Austausch und zur Vernetzung treffen kön- granten werde gefördert. Deutschkenntnisse Die Projektgruppe sucht Freiwillige, die offen, nen. Es war schon lange der Wunsch der könnten trainiert und verbessert werden. kontaktfreudig und zuverlässig sind und ihr Verantwortlichen für Integrationsfragen, Zurzeit arbeiten fünf Personen für den Verein Wissen weitergeben wollen. Die Ehrenamt- einen gemeinsamen Treffpunkt für freiwillig WirkRaumKirche. «Was darüber hinausgeht lichen sollen den Menschen mit Fluchtge- engagierte Menschen und Flüchtlinge zu ist für mich Freiwilligenarbeit», sagt die Koor- schichte respektvoll und hilfsbereit begeg- schaffen. dinatorin Annina Policante. «Ich bin über- nen und ihnen ein- bis zweimal monatlich Das Projekt Café International wird vom zeugt, dass überall dort, wo ein Miteinander ungefähr drei Stunden Zeit widmen. Es wäre ökumenischen Verein WirkRaumKirche ge- entstehen kann, Ängste und Unsicherheiten wünschenswert, wenn sich die Engagierten tragen. Stadt und Kanton St. Gallen unter- verschwinden», begründet sie ihre Motiva- in Stadt und Region St. Gallen auskennen stützen das Vorhaben. Es ist ausserdem tion, sich für dieses Projekt zu engagieren. würden und Unterstützung bei der Alltags- vernetzt mit NGOs und Hilfswerken wie Zudem zeugten ähnliche Angebote, die in bewältigung geben könnten.«Die Freiwilligen Caritas, HEKS und dem Schweizerische der Schweiz und in Deutschland bereits be- können selbst viel Neues dazulernen, ihren Roten Kreuz. stehen, vom Erfolg dieses Konzepts. Horizont erweitern und neue Erfahrungen Der Projektleiter des Cafés, Theodor Pindl, machen», ist Annina Policante überzeugt. Sie ist überzeugt, dass diese Art Treffpunkt Präsenz von Begleitern notwendig steht für weitere Informationen oder für die einem grossen Bedürfnis entspricht. Damit Die interkulturelle Frauengruppe Amigas ist Anmeldung als Mitarbeitende gerne zur Ver- die Bereitschaft der Bevölkerung zur Unter- für den Café-Betrieb verantwortlich. Für die fügung. (T 071 278 49 69, Mail: annina. stützung sinnvoll genutzt werden kann, Kinder gibt es eine Spielecke. Zwei Freiwilli- policante@wirkraumkirche.ch). müssen seiner Ansicht nach zwingend ge werden jeweils anwesend sein, um bei Begegnungsmöglichkeiten geschaffen wer- Informations- und Gesprächsbedarf als Daniela Huber-Mühleis/Red. den. Gleichzeitig soll das neue Angebot die Brückenbauer zur Verfügung zu stehen. bereits vorhandenen Aktivitäten ergänzen. Es ist durchaus möglich und wünschens- ■ Nähere Info unter www.wirkraumkirche.ch forumKirche | 2-2017 13
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