Pflanzenfreund - Blumenwiesen - konkurrenzlos schön 14/17/20/40
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Pflanzenfreund informiert, reflektiert, inspiriert, engagiert – seit 1900 Pflanzenfreund Juli / August 2020, Nr. 7 / 8 26 Von Admiralen, Seelen und Göttern 33 Faszination Karnivoren 14/17/20/40 Blumenwiesen – konkurrenzlos CHF 6.50 07 schön 276006 9 772673 2020_07_.indd 1 16.06.20 08:17
Fast auf Augenhöhe Sommerblühende Grossstauden stehen Saison-Hit im Juli und August im Mittelpunkt der Sommermargerite Gehören zu einer blühenden mehrjährigen Pflanzen. Als ausgewachse- Sommerwiese einfach dazu. Im ne Exemplare stehen sie in bester Qualität Grosstopf sind sie in vielen ver- zur Pflanzung bereit – als Blickfang oder schiedenen Sorten und inzwi- zum Schliessen von Lücken im Garten oder schen auch mit gefüllten Blüten im Gefäss. Unsere eigene Gärtnerei hat erhältlich. Höhe 40 bis 80 cm. sich auch auf Grossstauden spezialisiert und Fr. 17.– kultiviert eine unglaubliche Vielfalt an Sorten, Blütenfarben und Formen. Blickfang Das Sommersortiment ist komplett Sonnenhut Die Farbpalette der und pflanzbereit für Garten, Terrasse Echinacea reicht von und Balkon. Wir freuen uns mit Ihnen weiss, lachsfarben, ockergelb bis tiefviolett am guten Garten- und Ferienwetter ... und dunkelrot. Höhe ca. 50 cm. Fr. 17.– Garten-Center Meier – Kreuzstrasse 2 – 8635 Dürnten Wir sind für Sie da: Mo – Fr 8.30 – 18.30 Uhr l Sa 8 – 17 Uhr www.meier-ag.ch – www.gartenfragen.ch D i re k t a n d e r A 53 – z w i s ch e n Ra p p e r s w i l u n d H i nw i l, Au s fa h r t D ü r n te n 2020_07_.indd 2 16.06.20 08:17
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33 26 17 Impressum Inhalt «Pflanzenfreund», 120. Jahrgang, Nr. 7 / 8 (Juli / August 2020), Preis: Fr. 6.50, erscheint 10x jährlich Auflage 40 800 Exemplare Herausgeber Verlag «Pflanzenfreund», c / o Ernst Meier AG, Kreuzstrasse 2, 8635 Dürnten, www.pflanzenfreund.ch ARBEITEN IM 37 Obstbäume Verlags- / Geschäftsleiter SOMMER in Gefässen Erwin Meier-Honegger 6 Die Krux mit der 39 Juristische Redaktionsleiterin Tanja Keller, Gartenfragen redaktion@pflanzenfreund.ch Bewässerung Redaktionelle Mitarbeit (Text und Bild ) 10 Saisontipps Ivo Eugster, content@pflanzenfreund.ch 12 Saat- und ENGAGEMENT Anzeigen Rolf Niederberger, Pflanzkalender 40 Tanz in der rolf.niederberger@medienartsolutions.ch Abonnement online unter Blumenwiese www.pflanzenfreund.ch / abo, NATURWIESEN Jahresabonnement Fr. 42.– 14 Eine WM der KOOPERATION Gestaltung / Layout Claudia Neuenschwander besonderen Art 44 Garten-Center Meier Lithographie Media Concept Schweiz AG, 17 Konkurrenzlos 46 Meiers Agenda Eschenbach schön Korrektorat Schellenberg Druck AG, Pfäffikon ZH 20 Bienen- und GRÜNE AGENDA Druck PMC, Oetwil am See ZH Augenweide 48 Ausflugstipps Papier Refutura GSM FSC®, (100 % Alt- papier, «Blauer Engel» zertifiziert) WISSEN STANDPUNKT 26 Von Admiralen, 50 Die Blumenwiese als Seelen und Göttern Naturkundelehrerin 33 Faszination Karnivoren 4 JULI /AUGUST 2020 | PFLANZENFREUND.CH 2020_07_.indd 4 16.06.20 08:17
E D ITO R I A L Liebe Leserin, lieber Leser 20 Mähen Sie noch oder sensen Sie schon? Wer es wagt eine Blumen- wiese anzulegen, merkt schnell, dass es mit der Aussaat der gekauften Aller- welts-Blumenwiesenmischung nicht getan ist (Seite 17). Der Frust kommt schneller als die Lust. Denn wer sich genauer mit dem Thema Naturwiesen auseinandersetzt, kommt zur Einsicht, dass eine naturnahe Blumenwiese weg vom Rasenmäher, Mähroboter oder schweren landwirtschaftlichen Turbo- Mähgeräten, hin zum schweisstreibenden Senseneinsatz (Seite 40) oder dem Einsatz des Balkenmähers führt. Aber nicht nur das. Genauso wichtig ist der Schnittzeitpunkt der Mahd, vor allem welche Fläche und welcher «Blätz» zuerst gemäht oder gesenst werden soll. Es heisst jetzt also nicht mehr wöchentlich Rasenmähen, sondern, wenn nach kurzer Zeit die Wiese nicht mehr prächtig, sondern schlapp und verblüht ausschaut, sie tapfer ungemäht zu belassen. Dieses und vieles mehr ist ein elementarer Bestandteil einer richtigen Blumenwiesenpflege, auf die wir uns bei solch einem Gartenprojekt einlassen. Wer schon einmal in einer voller Insekten schwirrenden Blumenwiese ge- sessen hat (Seite 20) oder daran vorbeigewandert ist, weiss um ihre entzückende Schönheit und ihren ökologischen Wert. Unser Schwerpunkt soll Sie deshalb ermutigen und motivieren, es auszuprobieren. Denn von einem einst dominie- renden Lebensraum der Kulturlandschaft sind Blumenwiesen innerhalb weniger Jahrzehnte durch Nutzungsintensivierung auf kleine Relikte zurückgedrängt worden. Kein anderer Lebensraum wurde in der Schweiz derart massiv dezimiert. Ersetzt wurden sie durch pflegeleichte, schnellwachsende Futterwiesen für die Landwirtschaft und sterile Hausrasen im Privatgarten. Diesem Schwund der Artenvielfalt stellt sich eine nationale Trägerschaft entgegen. Die diesjährige Wiesenmeisterschaft (Seite 14) findet im September im Zürcher Oberland statt und die schönste, aber auch wertvollste landwirtschaft liche Wiese wird gebührend mit einem Fest gefeiert sowie mit einem Preisgeld ausgezeichnet. Die Firma Ernst Meier AG unterstützt den Wettbewerb und wer weiss, vielleicht ist dieser Wiesenschwerpunkt im Pflanzenfreund auch Ansporn für Sie, liebe Leserin und lieber Leser, es den Wiesenmeisterschaften gleichzutun. Die Schmetterlinge (Seite 26) und viele andere Insekten werden es Ihnen allen danken. Ihre Redaktion ZUM TITELBILD Carl Spitzwegs Schmetterlingsfänger (Seite 32) hätte den Bläuling vielleicht auf eine Nadel gespiesst und in einen Schaukasten gesteckt. Heute Tanja Keller fangen wir seine Anmut mit der redaktion@pflanzenfreund.ch Kamera ein. Bild: © Judith Supper PFLANZENFREUND.CH | JULI /AUGUST 2020 5 2020_07_.indd 5 17.06.20 16:31
RU B R I K Für den Sommer Dieser Frühling bescherte der Natur eine beängs- tigende Trockenheit. Dadurch wurde uns be- wusst, wie wichtig es ist, im Garten sparsam mit wertvollem Wasser um- zugehen. Bevor man pa- nikartig mit allerlei Giess- gerät den Garten unter Wasser setzt, gilt es zu- erst einmal zu reflektie- ren, welche individuellen Wasserbedürfnisse die Pflanzen haben. Text: Erwin Meier-Honegger Arbeiten im Sommer Die Krux mit der Bewässerung Alles, was frisch gepflanzt ist, muss Bleibt die Erde oberflächlich dauernd separat betrachtet werden. Dort sind leicht feucht, sind die Pflanzen zu regelmässige Wassergaben wichtig. faul, um ihre Wurzeln auf der Suche Regelmässig meint jedoch nicht täg- nach Feuchtigkeit tief in die Erde zu lich ein bisschen, sondern alle paar treiben und man macht seine Pflan- Tage durchdringend. zen quasi zu «Abhängigen». 6 JULI /AUGUST 2020 | PFLANZENFREUND.CH 2020_07_.indd 6 17.06.20 16:31
A R B E ITE N I M S O M M E R Die Krux mit der Bewässerung Ohne dass wir Menschen es wahrnehmen, ist die Natur erstaunlich gut eingerichtet. Unterschiede zwischen deren nach- runtertropft, ist das Wurzelwerk mittäglichen Aspekt nach einem heis- besonders aufnahmefähig. sen Tag und dem nächsten Morgen Grundsätzlich können etablierte nach der abendlichen Abkühlung. Bäume jedoch erstaunlich lange mit Selbst ohne Wassergaben erkennt jener Feuchtigkeit auskommen, die man deutliche Unterschiede, welche durch Kapillaren aus dem Grundwas- einem helfen, schnell ein Auge für ser aufsteigt. Sinkt der Grundwasser- die Wasserbedürfnisse seiner Pflan- spiegel bei längerer Trockenheit ab, zen zu kriegen. So erkennt man deren wachsen die Wurzeln sogar kurzfristig Signale schon bald von Weitem. tiefer, um ausreichend versorgt zu Auch merkt man, welche Pflanzen sein. Je länger die Trockenheit anhält, trotz Trockenheit praktisch nie zu- desto schwerer kommt der Baum über sätzlich Wasser benötigen. Das ein- die Wurzeln jedoch an dieses Wasser. drücklichste Beispiel hierfür sind Erst dann sind die erwähnten gross- sicherlich die im Freiland etablierten zügigen Wassergaben notwendig. Rosen: Ich habe noch nie Welksymp- Zum allgemeinen Verständnis sei tome an Rosenpflanzen festgestellt. hier noch erwähnt, dass bei anhalten- Rosen zu giessen ist ein Beispiel von dem Regen das zurückströmende unnötiger Wasserverschwendung. Grundwasser die neuen Wurzeln Dies gilt natürlich nicht für Rosen- überflutet, ihnen dadurch den Sauer- pflanzen in Gefässen oder frisch ge- stoff nimmt und sie zum Absterben pflanzte Rosen. bringt. Oberhalb des neuen Grund- wasserspiegels wachsen jedoch rasch Was heisst «durch- neue Feinwurzeln, die sich an der dringend» wässern? Wasseroberfläche ansiedeln. Die Bei frisch gepflanzten Sträuchern Wurzeln passen sich dem Grundwas- und Stauden sollte der ursprüngliche serspiegel immer wieder an. Ohne Wurzelballen gut durchnässt wer- dass wir Menschen es wahrnehmen, © istock den und das Erdreich darum herum ist die Natur erstaunlich gut einge- 30 cm tief und breit feucht sein. richtet. Dieses Grundverständnis ist Damit eine frisch gepflanzte Pflanze Wenn man diesbezüglich nicht ganz wichtig, um bedarfsgerecht und was- tief wurzelt und dadurch robust wird, sicher ist, lohnt sich ein Testloch. sersparend seinen Garten über Tro- darf sie durchaus auch einmal etwas Hierfür einfach neben der einen oder ckenphasen zu pflegen. «lampen», bevor sie wieder Wasser anderen Pflanze zwei bis drei Stun- erhält. den nach der Wassergabe ca. 30 cm Gefässe bewässern Die meisten Pflanzen sind ziemlich von der Pflanze entfernt ein Loch Nicht ganz so flexibel sind die Pflan- zuverlässige «Feuchtigkeitsanzeiger». graben, um zu kontrollieren, wo und zen in Gefässen. Die Grundregeln Mit etwas Übung sieht man ihnen wie die Erde feucht ist. gelten jedoch auch für sie. Wenn gut an, ob sie Wasser benötigen oder Bei bereits etablierten Pflanzen schon Wasser geben, dann «richtig». noch nicht. Die wichtigste Massnah- braucht es für die durchdringende Jedoch nutzt es natürlich nichts, wenn me für das sinnvolle Wassergeben Bewässerung ziemlich viel Wasser; das Wasser unten durchläuft. Auch ist somit, seine Pflanzen über einige bei einem grösseren Baum um aus diesem Grund sind die Gefässe Tage und Wochen genau zu beobach- 300 Liter Wasser pro Giessvorgang. mit Wasserreservoir für Sträucher be- ten und sich auf Veränderungen der Und zwar nicht um den Stamm her- sonders empfehlenswert. Damit wird Blattfarbe, -form und -ausrichtung um, sondern im Tropfbereich der quasi das Grundwasser wie im Frei- vor und nach den Wassergaben zu Krone. Dort, wo das Regenwasser von land simuliert, welches mit Kapillar- konzentrieren. Gut sichtbar sind die den Blättern oder Nadeln ins Erdreich wirkung zu den Wurzeln hochkommt. PFLANZENFREUND.CH | JULI /AUGUST 2020 7 2020_07_.indd 7 16.06.20 08:17
© Adobe Stock © shutterstock © Adobe Stock Links: Rasenflächen dürfen auch einmal verbrennen. Sie erho- len sich jedoch er- © Adobe Stock Oben links: Planlose staunlich gut wieder. Bewässerung ist eine Was- Rechts: Diese Pflanze serverschwendung und hatte offensichtlich macht Pflanzen abhängig. Trockenstress. Oben mitte: Hier wurde nicht zu viel, sondern zu lange nicht gegossen. Wenn kein Wasserreservoir für das verweigern. Sie sehen aus, als hätten Ein verbrannter Rasen ist somit le- Auffangen des durchrinnenden Giess sie zu trocken, dabei ist das Gegenteil diglich ästhetisch ein Problem. Es ist wassers zur Verfügung steht, sollten der Fall. jedoch grundsätzlich eine Art natür- die Gefässe in zwei bis drei Anläufen Dies ist generell eine Herausforde- liche Schutzstarre, die dem Rasen das gewässert werden. Immer gerade so rung bei der Deutung von Schad Überleben sichert. viel, dass nichts unten herausrinnt. bildern: Zu viel des Guten ergibt die Nach 15 Minuten nochmals nachgies- selben Symptome wie Trockenstress. Weniger ist mehr, sen und vielleicht nach 15 Minuten Man muss daher immer gut unter- auch bei Blumenampeln nochmals. So verteilt sich die Feuch- scheiden, welcher der beiden mögli- Wenn der Sommerflor nicht üppig tigkeit im Topf optimal und die Pflan- chen Ursachen bei einer serbelnden blüht, gibt es lediglich zwei mögliche zen können die Feuchtigkeit schritt- Pflanze aktuell plausibler ist. Ursachen: Entweder zu regelmässig weise aufnehmen. Wasser oder zu wenig Nährstoffe. Noch ein ergänzender Hinweis zu Verbrannter Rasen: Dank den heute üblichen Langzeit- den Gefässen mit Wasserreservoir. Wird er jemals wieder grün? düngern kann Letzteres meist ausge- Deren System resp. Vorteile funktio- In Zeiten, in denen wir alle gemein- schlossen werden und die Blüten nieren bei frisch gepflanzten Pflanzen sam Wasser sparen müssen, darf verweigerung ist dem Übereifer mit noch nicht. Die Pflanzen müssen zu- der Rasen auch einmal verbrennen der Giesskanne geschuldet. erst im Gefäss anwurzeln, bevor sie und dürr werden. Denn was die meis- Tests mit Petunienampeln von den Kapillareffekt nutzen können. ten kaum glauben mögen: Er erholt 30 cm Durchmesser haben gezeigt, Bei kleinen Gefässen – z. B. Blu- sich wieder. dass diese genauso üppig blühen, menkisten für Sommerflor – ist das Die ursprüngliche Heimat der Ra- wenn sie pro Tag 3 dl Wasser erhalten Wasserreservoir in der Anwachsphase sengräser sind überwiegend sommer- wie die Vergleichsampeln, die pro sogar sehr gefährlich. Durch das Was- trockene, vollsonnige Steppen. Unse- Tag einen Liter erhielten. serreservoir bleibt die Erde in den re Rasenmischungen sind daher gut An diesem Beispiel wird auch der kleinen Blumenkisten dauerfeucht. an sommerliche Trockenheit ange- Vorteil der Langzeitdünger deutlich: Im nassen Substrat hat es für die fei- passt. Die vertrockneten Halme schüt- Wenn wassersparend gegossen wird, nen Saugwurzeln keinen Sauerstoff zen die Gräser vor dem vollständigen erhält die Pflanze eher etwas zu knapp und die lebenswichtigen, feinen Ge- Absterben. Die Wurzeln bleiben in- Flüssigdünger. Lediglich die Langzeit- bilde können sich darum nicht ge- takt und treiben bei genügend Feuch- dünger ermöglichen die wasserspa- sund entwickeln. Das Resultat sind tigkeit und grosszügiger Düngung rende Bewässerung bei gleichzeitig kümmerliche Pflanzen, die die Blüte wieder neu aus. genügender Nährstoffversorgung. 8 JULI /AUGUST 2020 | PFLANZENFREUND.CH 2020_07_.indd 8 16.06.20 08:17
A R B E ITE N I M S O M M E R Die Krux mit der Bewässerung © shutterstock ZEHN REGELN FÜRS RICHTIGE GIESSEN von Markus Kobelt, Gründer Lubera Baumschulen 1 Es ist nicht das eigentliche Ziel des Giessens, den Giessenden zu erfrischen 6 Am besten giesst man eine Garten partie, eine Topfgruppe in mehreren und leicht nass zu machen. Wenn ich Durchgängen immer wieder, bis si- das aktuelle Giessverhalten meiner chergestellt ist, dass das Wasser in die Mitbürger als Massstab nehme, scheint Wurzelzone vorgedrungen ist. Hier hier ein kleines, aber systematisches reicht es, mal nach dem dritten Durch- Missverständnis vorzuliegen. gang mit dem Spaten ein 20 bis 30 cm 2 Es ist das eigentliche Ziel des Giessens, das Wasser in die Wurzelzone der je- tiefes Stück Boden auszuheben. Wenn das Wasser nur zwei bis fünf Zenti- meter vorgedrungen ist, dann zeigen weiligen Pflanze zu bringen. Das kurze Sie immer noch viel zu wenig Geduld Giessen über Blatt und Blüten fördert beim Giessen. nicht nur die Entwicklung von Krank- heiten, sondern täuscht der Pflanze eine nicht zutreffende Wetterrealität vor (auf 7 Für die Pflanzen (wenn auch nicht für das Gewohnheitstier Gärtner) ist es viel die sie sich dann wiederum falsch ein- besser, wenn sie zweimal pro Woche stellt). als einmal pro Tag gegossen werden. So bekommen sie Wasser und müssen 3 Wenn Sie ohne Giessen auskommen sich doch noch anstrengen. oder bis Anfang August nie ans Giessen gedacht haben (und wenn Ihr Garten immer noch akzeptabel aussieht), dann 8 Die richtige Giesszeit ist heiss umstrit- ten. Wir plädieren für die frühen Mor- haben Sie grundsätzlich, ohne es zu genstunden oder für den späten Abend. wollen, alles richtig gemacht. Nicht- Würden wir selber nicht so gerne aus- Giessen ohne allzu offensichtliche Tro- schlafen, gäbe es noch etwas bessere Ar- ckenheitsschäden ist in jedem Fall viel gumente für den frühen Morgen … besser als Giessen ohne sichtbare Effek- te (was bei Weitem der häufigste Fall beim Giessen ist). 9 Junge, frisch gepflanzte Pflanzen sind früher und häufiger zu giessen, als 4 Richtiges Giessen braucht Geduld und dauert nach modernen Zeitmassstäben fünfjährige, etablierte Gewächse. Eine Johannisbeere, die im Juni oder Juli ihre Ernte abgeliefert hat, und das gerechnet richtig lange. Wer zehn Minu- schon seit Jahren, muss nach der Ernte ten giesst, liegt sicher falsch; wer zwei ganz sicher nicht mehr gegossen wer- Stunden giesst, ist eher auf der richtigen den. Seite. Aber natürlich kann der Gärtner selber schon nach zehn Minuten genü- gend nass und erfrischt sein. Wenn dies 10 Gibt es eine Pflanze, die wir ganz sicher nie giessen würden? Ja: die Rebe! Sie ist das eigentliche Ziel ist, ist das natürlich ja eigentlich ein Unkraut, wächst fast auch o.k. überall, hasst allerdings Bodenverdich- 5 Der gut ausgebildete Giesser giesst un- ter dem Blattwerk, direkt auf die Erde, tungen. Und sie holt sich mit den Wur- zeln, was auch immer zu holen ist. Nicht von ungefähr ist in vielen klassi- den Topfboden, mit einem möglichst schen Weinbaugebieten die künstliche weichen Strahl. Denn wie schon gesagt Bewässerung nicht gestattet: Sie wür- sind das Ziel nicht nasse Blätter, son- de ganz einfach die Trauben aufblasen dern feuchte Wurzeln. Braune Sturz- und die Inhaltsstoffe verwässern. bäche, die den Hang herunterfliessen, Wollen Sie das? sind ebenfalls nicht zielführend. PFLANZENFREUND.CH | JULI /AUGUST 2020 9 2020_07_.indd 9 16.06.20 08:17
Saisontipps SOMMERBEPFLANZUNG Welche Pflanzen können im blosse Giessen hat nicht ROSEN EIN LETZTES Sommer noch gepflanzt werden den gleichen Effekt, vor al- MAL DÜNGEN und was sind die Vorteile ge- lem, wenn der Wurzelballen Im Juli werden Rosen ein letztes Mal ge- genüber Bepflanzungen im stark ausgetrocknet ist. düngt, damit die Zweige Zeit haben, vor Frühling oder Herbst? dem Winter auszureifen. Ist kein Regen in Sicht, sollte man ausgiebig wässern, damit Pflanzzeit für 3 Den Wurzelballen vor der Pflanzung aufrauen und die der organische Dünger sich auflöst und in Fruchtsträucher Wurzeln leicht aufreissen, den Wurzelbereich eindringen kann. Wich- Jetzt bis Ende August gepflanzte sodass sie auch den Ausgang tig, den Dünger leicht in den Boden einar- Fruchtsträucher wie Johannis- aus dem Topfsubstrat in die beiten. Halten Sie die Erde rund um Rosen beeren, Herbsthimbeeren, Muttererde finden. frei von Unkraut und Begleitpflanzen und Brombeeren oder Heidelbeeren lockern Sie sie regelmässig, zum Beispiel mit einer Rosengabel oder einer Hacke, bringen schon im nächsten Jahr einen ansehnlichen Ertrag. 4 Giessen ja, aber bitte zu- rückhaltend. Der umliegen- damit die Wurzeln nicht verletzt werden. de Mutterboden und auch Wurzelfäule fällt weg das Topfballensubstrat sol- Pflanzen, die Pilze wie Phyto len leicht feucht, aber nicht phthora (Wurzelfäule) fürchten, nass sein. starten jetzt im Sommer am besten durch. Das Paradebei- spiel ist die Himbeere; jetzt ge- 5 Wenn möglich tiefe Pflanz- löcher graben: Gerade jetzt pflanzt, gibt es garantiert keine im Sommer ist es sehr wich- Anwachsprobleme. tig, dass der Wurzelballen © Adobe Stock nach der Pflanzung immer mit einer Schicht Mutter Sieben Tipps boden abgedeckt ist. An- Quelle: Lubera sonsten trocknet er in den nächsten Wochen und Mo- 1 Wenn Sie Pflanzen kaufen oder zugeschickt bekom- naten zu stark aus. ERNTE- VORBEREITUNG men, pflanzen Sie sie bitte nicht sofort, sondern stellen 6 Oberste Schicht mit Mulch abdecken, damit die neue Besorgen Sie sich früh Sie die Pflanzen zuerst an Bepflanzung nicht zu zeitig die nötigen Ein- einen schattigen Ort, und schnell austrocknet und es machgläser, Gitter, Roste dann nach ein bis zwei Ta- schön kühl bleibt. oder auf einen Rahmen gen erst vorsichtig an die gespannte Gaze zum Trock- nen von Kräutern. Or- volle Sonne. So kann sich die im Dunkeln transportierte 7 Wasserentzug nicht ver gessen: Wenn sich das Som- ganisieren Sie genügend oder im Gartencenter schat- merwetter normalisiert, Aufbewahrungsharassen tierte Pflanze an die Som- wenn es regelmässige Ge- für Gemüse, Obst und merbedingungen gewöhnen. witter gibt oder wenn sich Kartoffeln für den Keller, das Wetter Ende August auf denn ab jetzt können laufend Kräuter, Blüten, 2 Den Wurzelballen vor der Pflanzung gut wässern. den Herbst zubewegt, hören Sie bitte mit Giessen auf, Gemüse, Beeren, Kartoffeln Dazu kann man die Pflanze die Pflanze soll jetzt auf sich und Obst geerntet werden. vor der Pflanzung in einen allein gestellt sein und end- Kübel Wasser stellen – das gültig Wurzeln schlagen. 10 JULI /AUGUST 2020 | PFLANZENFREUND.CH 2020_07_.indd 10 16.06.20 08:17
A R B E ITE N I M S O M M E R Saisontipps RASENSCHNITT Denken Sie daran, Rasenschnitt ist gutes © MSG, Sabine Dubb Mulchmaterial für Gemüse, Bäume und sonstige Pflanzen. Vor allem aber verhindert eine Mulchschicht das Austrocknen der Erde. Der Rasenschnitt kann ebenfalls getrocknet und unter den Kompost gemischt werden. SOMMERSCHNITT GLYZINIE Auch die Glyzinie benötigt einen Sommerschnitt. Achten Sie auf genügend Licht und Luft aller Pflan- JETZT ERDBEEREN zenteile und Ihre Pflanze wird Sie im nächsten Jahr PFLANZEN mit vielen Blütentrieben belohnen. Erdbeeren lieben humusreichen Boden. Die Aussicht auf einen guten Ertrag im folgenden Jahr ist am besten, wenn die Erd- beeren zwischen Mitte Juli und Ende August gepflanzt werden. Die Pflanzen werden im Abstand von 25 bis 30 Zentimeter gesetzt. ! Achtung: Das Herz der Pflanze darf nicht mit Erde überdeckt werden. Vermei- den Sie es, die Erdbeeren immer wieder ins gleiche Beet zu setzen. Erdbeeren sollten © Ivo Eugster nicht länger als drei bis vier Jahre an einem Standort stehen. Etwa drei Wochen nach der Pflanzung Beerendünger streuen und leicht einarbeiten. SAMEN SAMMELN Falls Sie gewisse Pflanzenblüten nicht abgeschnitten haben, um die Blühkraft zu erhalten, können Sie nun erste Samen für das nächste Jahr sammeln. © Adobe Stock KEINE LEEREN BEETE Frei gewordene Beete sofort den. Ansonsten können noch wieder bepflanzen oder eine Salate, Kohlrabi, Chinakohl, Gründüngung (z. B. Phacelia) Wirsing und Endivien ge- einarbeiten. Noch aber können pflanzt werden. Gemüsesetzlinge wie Endivi- en, Zuckerhut, Kohlrabi, Kopf- Gemüseaussaat im August BEERENSTRÄUCHER salat, Nüsslisalat, Blumenkohl, Nüsslisalat, Pflücksalat, AUSLICHTEN Brokkoli, Fenchel, Chinakohl, Winterportulak, Radieschen, Im Beerengarten die Neutriebe der Stangensellerie und Lauch ge- Rettich, Spinat, Zichorie, Früh- Brombeere und Himbeere aufbinden. pflanzt werden. lingszwiebeln, Barbarakraut. Die Johannis- und Stachelbeere nach der Ernte auslichten. Juli Ende August Spätestens Anfang Juli können Steckzwiebeln, Knoblauch und noch Karotten ausgesät wer- Schalotten. PFLANZENFREUND.CH | JULI /AUGUST 2020 11 2020_07_.indd 11 16.06.20 08:17
Mondkalender Die Pflanzen werden in vier Gruppen eingeteilt: Erde – Wurzel, Licht – Blüte, Wasser – Blatt, Wärme – Frucht. Im Kalender finden Sie die Zeichen dafür, welche Tage für welche Pflanzenart besonders günstig sind: Hier finden Sie monatlich eine gekürzte Version aus dem Appenzeller «Saat- und Pflanzkalender 2020 – Gärtnern nach Mondlauf und Tierkreiszeichen». Zu den Wurzelpflanzen gehören z. B.: Radies- chen, Randen, Sellerie, Schwarzwurzeln, Karot- Juli August ten, Rettich, Kartoffeln Mittwoch 1 • Samstag 1 ! • und Zwiebeln. • Zu den Blattpflanzen ge- Donnerstag 2 • 3h Sonntag 2 20 h • hören z. B.: alle Blattsalat- sorten, Spinat, Lauch, Freitag 3 Montag 3 • • 17.59 Kohlarten und Blatt- Samstag 4 ! Dienstag 4 • kräuter. • Zu den Blütenpflanzen Sonntag 5 ! • 6.45 • Mittwoch 5 • 4h • gehören z. B.: alle Blu- men. Montag 6 12 h • Donnerstag 6 • Zu den Fruchtpflanzen Dienstag 7 • Freitag 7 • 15 h gehören z. B.: Erbsen, Bohnen, Tomaten, Gur- Mittwoch 8 • 20 h • Samstag 8 ken, Zucchetti, Kürbisse, Sonntag 9 alle Getreidearten, Obst- Donnerstag 9 • •erdfern bäume und Beeren- Freitag 10 • Montag 10 3h sträucher. ! Achten Sie besonders auf Samstag 11 •7h Dienstag 11 •18.45 die kritischen Tage. Sonntag 12 •erdfern Mittwoch 12 16 h • Die grün markierten Kalendertage sind beson- Montag 13 20 h •1.29 Donnerstag 13 • ders günstige Pflanz- tage zum Säen, Setzen, Dienstag 14 Freitag 14 ! Umtopfen (absteigender Mittwoch 15 Samstag 15 ! • Mond). Donnerstag 16 7h • Sonntag 16 • Mondzeichen ○ Vollmond Freitag 17 • Montag 17 • 8h • Letztes Viertel Samstag 18 ! Dienstag 18 ● Neumond • Erstes Viertel Sonntag 19 ! • Mittwoch 19 10 h ● 4.42 • Obsigend, aufsteigend • Nidsigend, absteigend Montag 20 • 22 h ●19.33 Donnerstag 20 • Abstand zur Erde Dienstag 21 Freitag 21 11 h • •erdnah Mittwoch 22 Samstag 22 • Donnerstag 23 2h Sonntag 23 • 12 h • Freitag 24 Montag 24 • Samstag 25 4h • •erdnah Dienstag 25 • 15 h •19.58 Sonntag 26 • Mittwoch 26 Montag 27 • 6h • •14.33 Donnerstag 27 ! Dienstag 28 • Freitag 28 ! • Mittwoch 29 •9h Samstag 29 Donnerstag 30 Sonntag 30 3h • Saat- und Freitag 31 ! Montag 31 • Pflanzkalender → verlagshaus- schwellbrunn.ch 12 JULI /AUGUST 2020 | PFLANZENFREUND.CH 2020_07_.indd 12 16.06.20 08:17
SA AT - U N D P FLA N Z K A LE N D E R Juli / August 2020 Juli wenn das Gras weniger 1., 27. 6 h bis 29. 9 h Skorpi- schnell wachsen soll. BUCHTIPPS VON on-Tage im zunehmenden ANDREAS HONEGGER Mond und Nidsigend: Schne- 4., 5., 18., 19., 31. cken bekämpfen und Kräuter Kritische Tage für Schädlingsbekämpfungs- mittel ansetzen. August 1., 20. bis 22 h, 27. 6 h bis 29. 3. und 4., 12. 16 h bis 13. 9 h Blatttage im Nidsigend: Blütentage im Obsigend: Spinat und Schnittsalat aus- Schnittblumen ernten, säen und Blattgewächse wie Stiefmütterchen und andere Kopfsalat, Wirz, Blumenkohl, Frühblüher für das kommen- Rosenkohl und Endivien de Frühjahr auf dem Balkon auspflanzen. aussäen. Von fiesen Schädlingen, duftenden 2. und 3., 20. 22 h bis 22., 7. 15 h bis 9. Fruchttage im Kräutern und üppigen Blumen 29. 9 h bis 30. Fruchttage Obsigend: Knoblauch, Zwie- Botanische Überraschungen und wunderbare im Nidsigend: Hecken beln und Wurzelgemüse, wie Entdeckungen aus dem eigenen Garten. schneiden und Obstbäume frühe Kartoffeln und Saat- auslichten, damit die Sträu- kartoffeln, ernten. Ausläufer Honeggers Kolumnen sind reich an prakti- cher und Bäume nicht mehr von Erdbeeren pflanzen. schen Tipps für alle, die auf Balkonen, Terras- so kräftig neu austreiben. Obstbäume und Beerensträu- sen oder in ihren Gärten aktiv sind. Zimmer- und Balkonpflan- cher schneiden. zen umtopfen oder umset- → bit.ly/2zvs1eO zen. Beeren, Blütentee und 10. bis 12. 16 h Stier-Tage Kräuter ernten. im abnehmenden Mond: Günstig zum Ernten, E in- 6. bis 12 h, 13. 20 h bis 16. lagern und Einmachen von 7 h, 23. 2 h bis 24. Wurzel Wurzelgemüse. Kompost tage: Boden lockern, düngen ansetzen. und wässern. Bei sehr tro- ckenem und heissem Wetter 10. 3 h bis 12. 16 h, 19. 10 h nicht täglich giessen, son- bis 21. 11 h, 29. Wurzeltage: dern an den Wurzeltagen Nach der Ernte düngen und umso kräftiger. den Boden bearbeiten, um ihn für die Herbstaussaat 6. 12 h bis 8. 20 h, 16. 7 h bis vorzubereiten, indem Nähr- 17. Blütentage im Obsigend: stoffe eingearbeitet werden. Schnittblumen schneiden. Die Blumen halten länger 16., 23. 12 h bis 25. 15 h Paradiese mit Seeblick. Exklusive und duften intensiver. Beste Blatttage im Nidsigend: Im Gärten rund um den Zürichsee Schnittzeit ist am frühen Freiland Nüsslisalat, Spinat Ob mit direktem Seezugang, in Hanglage mit Morgen vor Sonnenaufgang. und Schnittsalat, unter Glas Blick auf das Wasser, generös gestaltet oder oder Folie Chinakohl, Kohl historisch: Die Landschaft um den Zürichsee 11. 7 h bis 13. 20 h Widder- rabi, Blumenkohl, Weisskohl, Tage im abnehmenden Mond ist eine wahre Fundgrube für prachtvolle Winterspinat und Wintersa- Gärten aller Art. Dieser Band präsentiert in und Obsigend: Beeren, Obst, late sowie die wintergrünen Gemüse, Blütentee und beeindruckenden Bildern rund 40 wunder- Kräuter Petersilie und Kerbel Kräuter ernten. aussäen. schöne Gärten und Parks, von denen die meis- ten nicht öffentlich zugänglich sind, hier aber 18. 16 h bis 20. 22 h Unkraut 16. bis 27. Im Nidsigend erstmals diskret vorgestellt werden. jäten im Krebs. laubtragende Hecken stutzen. Neben diesem Blick hinter verschlossene 20. ab 19.33 h Neumond: (Garten-)Tore, werden viele Ideen und prakti- Giessen und kranke oder von 21. Mond erdnah ist günstig sche Ratschläge für den eigenen Garten, des- Schädlingen befallene Pflan- zum Düngen. sen Gestaltung und Bepflanzung vermittelt. zen zurückschneiden. 21. 11 h bis 23. 12 h Waage- Andreas Honegger ist ehemaliger 25. Mond in Erdnähe ist Tage bei zunehmendem immer günstig zum Düngen. NZZ-Redaktor, Co-Präsident des Vereins Mond und Nidsigend: Blu- men und Heilkräuter säen «Freunde des Botanischen Gartens Zürich» 25. und 26. Waage-Tage im sowie Rasen mähen: Das und Gartenliebhaber. zunehmenden Mond und Gras wächst weniger schnell. Nidsigend: Blumen und Heil- → bit.ly/3eDlHRp kräuter säen und pflanzen. 1., 14., 15., 27., 28. Günstig zum Rasenmähen, Kritische Tage PFLANZENFREUND.CH | JULI /AUGUST 2020 13 2020_07_.indd 13 17.06.20 16:31
Naturwiesen Eine WM der besonderen Art Wenn der Anblick eines Lungenenzians oder einer Kriechenden Hauhechel bei Menschen in Gummistiefeln Begeisterungsrufe auslöst, ist die Zeit der Wiesenmeisterschaften gekommen. Deren Ziel: Auf die ökologische und landschaftliche Bedeutung artenreicher Wiesen aufmerksam zu machen. Text: Judith Supper, Bilder: Thomas Wohlgemuth und Roman von Sury Die Schweiz ist ein Land, das reich -weiden aus. Sie bieten mehr als zerschnitten. Zugleich hat die Land- an unterschiedlichen Wiesentypen 9000 Pflanzen- und Tierarten eine wirtschaft mit ihrer immer intensive- ist. Doch wer am Sonntagnachmittag Heimat. ren Wieslandnutzung ihren Tribut durch die Felder spaziert, wird vor- gefordert. Um den Produktionsstan- nehmlich nur einen Typ sehen. Lö- Maximaler Ertrag dard zu halten, werden Kunstdünger wenzahn wächst dort, Scharfer Hah- Diesen artenreichen Typ Wiese gibt und Futtermittel hinzugekauft und nenfuss oder Wiesenkerbel – Pflan- es aber kaum noch. Im letzten Jahr- Pestizide und schwere Landmaschi- zen also, die es gerne nährstoffreich hundert ist die Fläche der Trocken- nen eingesetzt. Als Beiprodukt fällt haben. Viel mehr Blüten haben solche wiesen und -weiden in der Schweiz mehr Stickstoff in Form von Kuhmist intensiv bewirtschafteten Wiesen um 95 Prozent zurückgegangen. und Jauche an, die auf die Wiesen ge- nicht im Angebot – und nur wenige Veränderte Nutzungsbedingungen bracht werden. Um viel Futtermasse Insekten werden hier satt. Anders haben ihre Spuren hinterlassen, Sied- zu erzeugen, wird zusätzlich Hoch- sieht es auf Trockenwiesen und lungen und Verkehr Lebensräume leistungsgras eingesät. Solche extrem 14 JULI /AUGUST 2020 | PFLANZENFREUND.CH 2020_07_.indd 14 16.06.20 08:17
N AT U RW I ES E N Eine WM der besonderen Art «Wir wollten den Wettbewerb mög- lichst objektiv und transparent ge stalten. Der Schlüssel wird von jeder Meisterschaft übernommen, kann aber regional angepasst werden», Links: Blumenvielfalt in schönsten Tönen inmitten eines erklärt Andreas Bosshard. Auch die Golfplatz-Monogrüns: Diese Wiese erreichte bei den letztjäh- rigen Zürcher Wiesenmeisterschaften in der Kategorie «An- Wiesenkategorien sind von Regional- saatwiesen» den 3. Rang. Mitte: Im Fachgespräch vertieft: Jury meisterschaft zu Regionalmeister- und Wiesenbewirtschafter in Herrliberg. Rechts: Eine Freundin schaft anpassbar. trockener Wiesen: die Kriechende Hauhechel (Ononis repens). Die Leistung der Bauern wertschätzen Für die Durchführung der diesjähri- nährstoffreichen Fettwiesen, auf de- etwas entgegensetzen und auf die gen und letzten Zürcher Wiesenmeis- nen Löwenzahn oder Hahnenfuss ökologische und ästhetische Bedeu- terschaft haben 54 Bäuerinnen und wachsen, können bis zu sechsmal im tung artenreicher Wiesen aufmerk- Bauern insgesamt 103 Wiesen ange- Jahr geschnitten werden. Lungen- sam machen. Seit 2018 finden sie im meldet. Im Mai haben drei Botaniker- enzian oder Kriechende Hauhechel Kanton Zürich statt; dieses Jahr er- teams damit begonnen, die Wiesen gibt es hier nicht. folgt hier die letzte Durchführung. zu kartieren und primär aufgrund der Diesen Mai hat die Debatte ums Zur Zürcher Trägerschaft gehören der Artenvielfalt zu bewerten. Vier Kate- Artensterben einmal mehr Zündstoff WWF Zürich, Pro Natura Zürich, gorien werden dabei unterschieden, erhalten, als das Journal «Ecological BirdLife Zürich sowie die Zürcheri- die im Idealfall zu etwa gleichen Applications» Ergebnisse einer ver- sche Botanische Gesellschaft. Teilen vertreten sind: Neu-Ansaaten, gleichenden Studie präsentierte. Dar- «Vater» der Schweizer Wiesenmeis- Blumenwiesen auf nährstoffreichen an beteiligt war ein Forscherteam der terschaften ist der Agrarökologe Böden, Halbtrockenrasen und Feucht- Universitäten Bonn und Zürich so- Andreas Bosshard. 2002 hatte er die oder Streuwiesen. Bis Ende August wie der Eidgenössischen Forschungs- Idee aus Österreich – genauer, dem werden die bestrangierten Flächen anstalt für Wald, Schnee und Land- Vorarlberg – in die Schweiz gebracht. durch die fünfköpfige Expertenjury schaft WSL. Im Studienfokus: Die «Das Anfangskonzept hat sich be- besucht und die definitiven Preisträ- Häufigkeiten von Futterpflanzen ver- währt», sagt er. Im Gegensatz zu ger ermittelt. Im September steht die schiedener Insektengruppen, basie- Österreich, wo der Anlass als landes- Krönung der Wiesenmeister an, ein rend auf Kartierungen der Jahre 2012 weiter Wettbewerb durchgeführt Ereignis, das medial breit abgedeckt bis 2017. Diese wurden mit Daten aus und jährlich wiederholt wird, setzt wird. «Dieses Jahr liegen wir mit den Jahren 1900 bis 1930 im Kanton man in der Schweiz auf einen regio- 103 bewerteten Wiesen eigentlich Zürich verglichen. Das Ergebnis: In nalen Ansatz. Sprich: Die Meister- über unserer Kapazitätsgrenze», er- den vergangenen 100 Jahren hat die schaften finden jedes Jahr in anderen klärt Projektleiter Roman von Sury. Diversität der Futterpflanzen für Regionen und mit anderen Träger- Dennoch sei der Trend nach oben – Insekten dramatisch abgenommen. schaften statt. Im Unterschied zu von den aktuell knapp 2800 Zürcher Österreich werden die Sieger aber Landwirtschaftsbetrieben hatten Regionaler Ansatz nicht durch das Urteil von Experten 2018 44 Betriebe, 2019 52 Betriebe Negativtrends wie diesen wollen die gekürt, sondern anhand eines Bewer- und im laufenden Jahr 54 Betriebe Schweizer Wiesenmeisterschaften tungsschlüssels mit Punktesystem. mitgemacht – erfreulich. Dies liege PFLANZENFREUND.CH | JULI /AUGUST 2020 15 2020_07_.indd 15 16.06.20 08:17
N AT U RW I ES E N Eine WM der besonderen Art vermutlich nicht nur daran, dass Thomas Peter bei einer extensiv ge- Bauern und Bäuerinnen, die sich für nutzten Wiese der Qualitätsstufe I die Biodiversität einsetzen, für ihre (QI) mit Direktzahlungen in Höhe Arbeit Anerkennung und Wertschät- von 1080 Franken rechnen. Handelt zung erhalten. «Viele Bauern haben es sich um Qualitätsstufe II (QII), einfach den Plausch, bei der Wiesen- kommen weitere 1920 Franken hin- meisterschaft mitzumachen», sagt zu. «Die Bauern wissen, dass es sich Roman von Sury. Das Budget für die lohnt, Biodiversitätsförderflächen zu Durchführung 2020 beläuft sich auf unterhalten», sagt Roman von Sury. 63 500 Franken. Darin beinhaltet sind «Gerade auf grossen Flächen können die Preisgelder in Höhe von 14 000 sie mit hohen Beiträgen rechnen, Franken. wenn die Mindestzahl an Pflanzenar- ten vorhanden ist.» In der Schweiz Gute Imagekampagne für gehören an die 70 Arten zu diesen die Landwirtschaft Zeigerpflanzen. Je nach Standort sind Einer, der 2020 schon zum zweiten es bekannte Wiesenblumen wie Wie- Mal dabei ist, ist der Landwirt Tho- sensalbei, Esparsette, Margerite, Bach- mas Peter aus Egg. Zweimal teilneh- Nelkenwurz oder Schlangenknöte- men kann er nur, weil ein Teil seiner rich. Kommen mindestens sechs Zei- «Betriebsfläche» im Bezirk Meilen gerpflanzenarten regelmässig auf liegt – Teil der Wiesenmeisterschaft einer Wiese vor, gilt ihr Biodiversi- von 2018. Dieses Jahr meldet er eine tätszustand als akzeptabel. Und doch: Oben: Im Mai zeigen die Wiese auf dem Pfannenstiel, in der «Im Schweizer Mittelland erreichen Kulturfelder ihre ganze Gemeinde Egg im Bezirk Uster an. selbst die Ökowiesen das QII-Niveau poetische Schönheit. «Beim ersten Mal sah ich die Aus- nur zu rund einem Fünftel, das sind Rechts oben: Auch rund schreibung und fragte mich, muss kaum drei Prozent der landwirtschaft- ums alte Bauernhaus darf das jetzt auch noch sein?», erzählt er. lichen Nutzfläche», schreibt Andreas sich die Pflanzenvielfalt «Doch das in Aussicht gestellte Preis- Bosshard in der Publikation «Natio- ungestüm ausbreiten. geld tönte spannend. Gleichzeitig nalpark» im Februar 2015. «Im Rechts unten: Wächst die Knäuel-Glockenblume merkte ich, dass das eine wirklich Durchschnitt kommen auf den Öko- (Campanula glomerata), gute Imagekampagne für die Land- wiesen weniger als vier QII-Zeiger- deutet dies auf eine wirtschaft ist. Heute denkt doch jeder, pflanzen vor, auf den intensiv genutz- besonders gute Wiesen die Bauern verschmutzen ja nur die ten Wiesen in der Regel gar keine.» qualität hin. Landschaft und das Wasser mit Pesti- ziden. Da ist es umso besser, wenn Biodiverse Landwirtschaft die Leute einmal die Landwirtschaft Für Thomas Peter aus Egg ist wichtig, aus einer anderen Perspektive se- die Betrachtungsweise der Landwirt- hen.» 27 Aren ist die Fläche gross, die schaft aufzuzeigen. «Durch den spä- Thomas Peter angemeldet hat. Ihre ten Schnitt im Juni ist die Qualität Pflege bewegt sich komplett im Rah- des Heus weniger gut. Und da ich kei- men dessen, was die Direktzahlungen nen Dünger einsetzen darf, verzichte des Bundes erfordern. «In der Regel ich auf den Ertrag – und auf die Flexi- mähe ich sie nur zweimal, mit dem bilität. Ist das Wetter am 10. Juni per- Motormäher und immer erst nach fekt für die Mahd, darf ich nicht. Ich dem 15. Juni. Mähaufbereiter sind muss bis zum 15. warten.» Der Land- nicht erlaubt. Ausserdem muss das wirt findet: «Es braucht beides in der Gras drei Tage liegen bleiben, damit Schweizer Landwirtschaft, die Flä- die Samen ausreifen und abfallen chenproduktion für Nahrungsmittel, können.» aber auch den Einsatz für mehr Bio- diversität. Wenn über die Wiesen- Warum sich Biodiversitäts- meisterschaft auch dieser Gedanke förderflächen lohnen vermittelt werden kann, ist das Ziel Pro Hektar Land kann ein Bauer wie erreicht.» 16 JULI /AUGUST 2020 | PFLANZENFREUND.CH 2020_07_.indd 16 16.06.20 08:17
Konkurrenzlos schön Blumenwiesenpapst, nein, so will er nicht ge- um schon bald Dächer zu begrünen. 518 Pflanzenarten nannt werden. Dabei hat er wohl bei jeder Wild- vermehren Johannes und Marlies Burri auf ca. sechs Hekt- blumenfläche, die an Schweizer Strassenrändern, aren im Auftrag von UFA Samen. Sie sind die Basis für in der Landwirtschaft, im öffentlichen Grün oder artenreiche Gründächer, Pionierpflanzengesellschaften, auch im Garten wächst, seine Finger im Spiel – Buntbrachen, extensiv genutzte Wiesen, Saumgesellschaf- und das seit mehr als 30 Jahren. Ein Gespräch ten – immer Pflanzengesellschaften, die in der Natur vor- mit Johannes Burri über seinen Einsatz für Wild- kommen. Der Alltag von Johannes und Marlies Burri dreht blumenwiesen – und was ihr wirklicher Reiz sich um das eine: Wildblumen zum Blühen zu bringen. ist. Text und Bilder: Judith Supper Von vier Quadratmetern auf sechs Hektaren «Ich bin einer der wenigen, die ihr Hobby zum Beruf ma- Begonnen hat alles Mitte der 1980er-Jahre. Damals war chen konnten. Ich muss nie arbeiten, erhalte aber trotz- Marlies Burri 25 Jahre alt, Johannes Burri Anfang 30. dem Geld», sagt der drahtige Mann mit dem grauen Lo- Schon zu jener Zeit war er für den Einkauf für Wildblu- ckenschopf. Johannes Burri trägt Arbeitshosen und Gum- men Saatgut bei UFA Samen zuständig. UFA Samen ist mistiefel und geht schnellen Schrittes über die Felder des ein Geschäftsbereich der Agrargemeinschaft Fenaco und Ebnethofs. Eine sanfte Maisonne fällt auf die idyllischen nimmt eine führende Stellung im Schweizer Saatgut St. Galler Hügel zwischen Wil, Gossau und Sulgen. Seit geschäft ein. «Doch wir erhielten immer falsches Saatgut, der Elterngeneration ist der Ebnethof in Familienbesitz, also Zuchtformen oder unkorrekte Unterarten. Zusätzlich im Nachbargebäude wohnt der Bruder von Johannes hat man den ersten Mischungen der 1980er-Jahre land- Burri mitsamt Familie. Mitte Mai blühen in den die Ge- wirtschaftliche Gräser zu den einjährigen und den paar bäude umsäumenden Pflanzkulturen Habermarch, Saat- wenigen Gartenblumen gemixt. Man hatte wirklich die Esparsetten, Witwenblumen, Skabiosen, Gold-Pippau, Illusion, daraus könnte eine richtige Blumenwiese wer- Rauer Löwenzahn, Flockenblumen, Margeriten – und vie- den.» Auf vier Quadratmetern fing das Ehepaar Burri mit les mehr. Die Sedum-Kulturen sind bereit zum Schneiden, der Saatgutproduktion an, zunächst mit Habermarch, PFLANZENFREUND.CH | JULI /AUGUST 2020 17 2020_07_.indd 17 16.06.20 08:17
besser bekannt als Wiesenbocksbart. Es folgten Salbei, drei Dinge, sagt der Wildblumenpionier. «Einmal das Skabiose, Habichtskraut. Irgendwann war der einstmals Saatgut. Es muss aus einheimischen Wildgräsern und ein- kleine Garten auf 20 Aren angewachsen. «In den 1990er- heimischen Wildblumen bestehen. Einjährige Blumen- Jahren konnten wir die ersten Mischungen machen, die wiesenmischungen bringen nichts. Der zweite Punkt ist nur aus einheimischen Wildblumen bestanden. Um die die richtige Anlage, also die Anbautechnik. Als drittes 2000er-Wende kam die erste Mischung mit einheimi- kommt die richtige Pflege.» Doch ohne Bedachtsamkeit, schen Wildgräsern hinzu.» das wissen Marlies und Johannes Burri seit den Anfängen ihrer Saatgutproduktion, funktioniert gar nichts. «Wir Die Schönheit entschädigt leben heute im Zeitalter des Rollrasens. Kaufen und profi- Heute schlängeln sich die Kulturreihen in sanften Bögen tieren, das ist die Devise. Nach diesem Prinzip funktionie- übers Areal. Sobald die Samen geerntet sind, kommt eine ren auch die einjährigen Mischungen. Die Blumen, die wir neue Kultur. Zwischen den Pflanzen wachsen Ehrenpreis, hier am Hof Ebnet produzieren, brauchen durchschnitt- Vögelikraut, Fingerkraut. Eigentlich Unkräuter. Aber blei- lich zwei Monate, bis sie keimen, und dann vergeht ein ben sie niedrig, funktionieren sie als Bodendecker. Was weiteres Jahr, bis sie Teil der Wiesendynamik sind. Diese die Blütenköpfe in Höhe übertrumpft, gilt als Konkurrenz Dynamik ist veränderlich. Erst setzt sich der Salbei durch, und wird entfernt – in Handarbeit. «Alles, was man muss, samt ab, dann die Witwenblume, dann die Margerite, die machen wir von Hand», sagt Johannes Burri. «Alles, was Flockenblume – und schon gibt es Stellen, wo nur noch man kann, machen wir mit den Maschinen.» Dass es Salbei oder Witwenblume, Margeriten oder Flockenblu- neben der Zielart bunt in anderen Farben blüht, wundert men wachsen. Im nächsten Jahr kann es aber schon wie- manchen Besucher. «Bei anderen Produzenten ist alles der anders aussehen. Eine Wiese ist nicht statisch, sie perfekt gejätet», sagt er. «Aber um diesen ‹perfekten› Zu- wandelt sich. Wer diese Geduld nicht hat und nur auf ein- stand zu erreichen, ist viel mehr Arbeit erforderlich, der jährige Blütenpflanzen setzt, der sät einmal, es macht Boden trocknet schneller aus und die Pflanzen sind weni- ‹Puff›, und schon ist alles vorbei.» Ganz abgesehen davon, ger gesund. Dabei ist der Quadratmeter-Ertrag zwischen dass die Insektenwelt auf die einheimischen Pflanzen an- unserer Kulturart und der herkömmlichen vergleichbar.» gewiesen ist. Teils würden in den Einjahresmischungen Sicher gäbe es auch einmal Verunreinigungen des Saat- sogar Neophyten ausgebracht, teils Gartenblumen, die auf guts. «Dafür haben wir die Aufbereitungsmaschinen. der Watchlist stehen. «Solange sie in den Gärten bleiben, Wir sagen immer: Wir jäten im Aufbereitungsraum. Mit ist das egal, aber wenn sie in die freie Landschaft raus den Maschinen könnten wir eine gedroschene Wiese in gehen – in Sachen Ökologie ist das sehr problematisch.» 25 Einzelkomponenten aufteilen.» Es sei die Schönheit der Wiesen, die sie für ein ganzes Die ganze genetische Vielfalt Jahr Arbeit entschädigt, erzählt Marlies Burri. «Wenn es Das Prinzip, nach dem Johannes und Marlies Burri arbei- blüht, ist es einfach ein Traum. Die vielen Schmetterlinge, ten, ist ein einfaches: Sie suchen in der ganzen Schweiz Marienkäfer und Wildbienen, die wir hier antreffen: Das nach regionaltypischen Wiesen in möglichst ursprüngli- ist fantastisch. Die Biodiversität ist sehr hoch.» chem Zustand, besuchen sie drei-, viermal während der Samenreife und sammeln das Saatgut. Auf dem Ebnet- Kaufen und profitieren hof wird das gesammelte Basissaatgut zwischenvermehrt: Damit eine Wildblumenwiese funktioniert, brauche es ausgesät, pikiert, später ins Freiland gesetzt. Im Durch- 18 JULI /AUGUST 2020 | PFLANZENFREUND.CH 2020_07_.indd 18 16.06.20 08:17
N AT U RW I ES E N Konkurrenzlos schön Links: Johannes Burri. statische Denken verstehe ich einfach nicht. Ein Garten Rechts: Mal höher, mal niedriger, lebt doch. Wo an einem Tag eine Butterblume wächst, buschig oder überhängend: Was kann sich am nächsten die Brennnessel ausbreiten. Zu aus dem Luzerner Basissaatgut beobachten und zu staunen und zu sagen, oh, da kommt des Zittergras (Briza media) ein Beinwell und hier drüben, da schaut ein Natternkopf entstanden ist, zeigt auf dem Feld ganz unterschiedliche Wuchs hervor und du sagst, ‹Hallo!›, das ist doch das Schönste. formen. Unten: Die Kinderstube Und nächstes Jahr ist er vielleicht wieder weg. Aber viele von Hof Ebnet. Sobald die Leute denken anders. Da ist der Sitzplatz, und da hat es Pflanzen kräftig genug sind, sauber zu sein. Da ist der Rasen und dort die Stauden werden sie in den Aussen- rabatte. Der Garten ist immer ein Kampf. Das hat sich mit bereich gepflanzt. Mission B zwar etwas verändert, aber gerade im Hobby- garten gibt es Nachholbedarf.» «Es fehlen die Vorbilder», fügt Marlies Burri hinzu. schnitt dauert die Keimzeit zwei Monate. Manchmal «In unserem Nutzgarten produzieren wir Gemüse. Aber keimen Teile des Saatguts einer bestimmten Art aber erst wir lassen die Brennnesseln stehen, wir lassen das Jätgut nach einem Jahr, manchmal erst nach zwei Jahren. stehen, wir nehme nichts raus. Wir schauen einfach, «Jede einzelne Pflanze ist ein Individuum, vergleichbar dass der Salat keine Konkurrenz hat. Ich glaube manch- mit einer eigenen Sorte. Sie zeigt individuelles Wachstum. mal, man muss die Leute an die Hand nehmen und sagen, Manche sind höher, manche buschiger. Die einen blühen ‹Schau, dieser Beinwell hier, das ist eine Heilpflanze, die etwas früher, die anderen später. Aus dieser Varianz ergibt musst Du nicht rausreissen.› Es braucht einfach mehr Bio- sich die Anpassungsfähigkeit. Wir produzieren ganz be- diversität in den Gärten, auch um die Wiesenwelt der wusst diese natürliche Bandbreite. Denn es ist ja so: Han- Schweiz zu retten.» delt es sich um eine trockenresistente Pflanze und es ist über Wochen sehr feucht, sterben alle Pflanzen ab. Ein ein- Blackbox-Pflege für Blumenwiesen zelner Schädling kann eine ganze Anlage zerstören, wenn Vielleicht könnte auch ein anderes Pflegeregime dabei die Pflanzen genetisch identisch sind. Bei unserer Art der helfen. «Blackbox-Pflege für die Blumenwiese» nennt Vermehrung kann es in der Bandbreite der trockenheits Johannes Burri das. Als neuer Trend sei das unter be- resistenten Pflanzen welche geben, denen die Feuchtigkeit stimmten Voraussetzungen auch für ältere Blumen weniger stark zu schaffen macht. Oder welche, die der gemeinschaften anwendbar. «Doch für Leute, die sich Schädling weniger mag. Das ist die genetische Vielfalt.» genaue Vorstellungen davon gemacht haben, wie eine Ist genug Saatgut von einer bestimmten Herkunft auf Blumenwiese auszusehen hat, ist das undenkbar.» Für dem Ebnethof zwischenvermehrt, geht es an einen Saat- die Blackbox-Wiesenpflege gelten zwei Regeln: Invasive gutvermehrer, der nahe des ursprünglichen Sammelstand- Neophyten haben auf der Fläche nichts verloren und ortes wohnt. Dort wird es in grösserem Rahmen weiterver- müssen entfernt werden. Ausserdem muss die Fläche mehrt. UFA Samen erstellt schlussendlich daraus artenrei- mindestens jedes zweite Jahr gemäht werden. Das ist alles. che Samenmischungen für Gemeinden, Gartenbaubetrie- «Das sind die Leitplanken, alles andere ist erlaubt, man be, Golfplätze, für die Landwirtschaft und für Hobbykun- darf alles, muss aber gar nichts», wie Johannes Burri im den. «Hier auf dem Ebnethof sind wir nur die Drehscheibe, aktuellen UFA-Wildblumenschlüssel schreibt. «Jede ein- wir verkaufen nichts direkt ab Hof», erklärt Johannes Burri. heimische Wildpflanze ist willkommen. Das Wort Un- UFA Samen betreibt schweizweit ein Netz aus 39 Produk kraut können Sie getrost aus ihrem Wortschatz streichen.» tionsbetrieben und 100 Hektaren Vermehrungsfläche. Doch was kommt dabei raus, wenn das Gras nur einmal oder dreimal oder gar nicht geschnitten wird, wenn die Im Hobbygarten gibt es Nachholbedarf Kinder auf der Wiese spielen oder sich unberührte Wild- In den letzten Jahren verspürt das Ehepaar Burri eine nis ausbreiten darf? «Man wird Pflanzen, Tiere und Struk- leichte Veränderung im öffentlichen Bewusstsein, was turen entdecken, die niemand erwarten würde. Und jedes die Pflege von Rasen und Wiesen anbelangt. Dies sei zu Jahr gibt es wieder neue Überraschungen.» Dann bleibt einem guten Teil der Mission B zu verdanken. Johannes nur noch eines: Sich angesichts der ungeheuerlichen Wie- Burri: «Viele Leute wollen jetzt den Rasen nicht mehr sendynamik einfach zu freuen. bewässern oder spritzen. Sie lassen den Löwenzahn wach- sen. Damit hat sich schon einiges verändert. Schon vor Mission B haben wir sehr viel Saatgut verkauft, jetzt ist es eben noch mehr.» Doch noch immer läuft es ihm kalt den Rücken hinun- ter, wenn er einen Garten sieht, in dem alle Rasenkanten geschnitten und wo die Büsche verstümmelt sind, wo zu grosse Bäume gesetzt wurden, denen der Platz fehlt. «Das PFLANZENFREUND.CH | JULI /AUGUST 2020 19 2020_07_.indd 19 16.06.20 08:17
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