Zwischenbilanz: E-Government und Verwaltungsmodernisierung

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Zwischenbilanz: E-Government und Verwaltungsmodernisierung
Zwischenbilanz: E-Government und
   Verwaltungsmodernisierung
       Klaus Lenk, Martin Brüggemeier

          Electronic Government als
       Schlüssel zur Modernisierung von
             Staat und Verwaltung
        Memorandum des Fachausschusses
      Verwaltungsinformatik der Gesellschaft
             für Informatik e.V. und des
                 Fachbereichs 1 der
       Informationstechnischen Gesellschaft
                       im VDE

                September 2000

  Hochschulkolleg E-Government                 91
Zwischenbilanz: E-Government und Verwaltungsmodernisierung
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                                               Zwischenbilanz: E-Government und Verwaltungsmodernisierung
                               Dokumentation zur Veranstaltung „Zehn Jahre Memorandum „Electronic Government als Schlüssel
                                          zur Modernisierung von Staat und Verwaltung“, Berlin, 1. Oktober 2010

                               Inhaltsverzeichnis

                               Konferenz „Zehn Jahre Memorandum E-Government“ - Eine grundlegende                     3
                               Besinnung auf die Reformnotwendigkeiten des kommenden Jahrzehnts
                               Klaus Lenk und Martin Brüggemeier

Impressum
                               Verwaltungsmodernisierung in der Informationsgesellschaft:
Stiftungsreihe 91              Was ist erreicht? Was bleibt zu tun?                                                   5
                               Cornelia Rogall-Grothe
Redaktion
Dr. Dieter Klumpp
(Leitung)
Petra Bonnet M.A.
                               „E-Government is about Government“.
                               Verwaltungsmodernisierung mit IT im nächsten Jahrzehnt                                 12
                               Klaus Lenk

                               Vom Shared Service Center zur Netzwerkverwaltung –
                               Erfolgsfaktoren für Leistungsnetzwerke                                                 22
                               Marianne Wulff

Druck der Broschüre
DCC Kästl GmbH & Co. KG        Bürokratieabbau im Verwaltungsvollzug: Das Konzept des
Alle Rechte vorbehalten        FRESKO-Prozessors als Chance                                                           24
© 2011                         Peter Schilling und Martin Brüggemeier

Die Alcatel-Lucent Stiftung
für Kommunikationsfor-
schung ist eine nichtrechts-   Private Intermediäre als Lösungsansatz: die Vision einer
fähige Stiftung in der treu-   elektronischen Verwaltungsagentur                                                      26
händerischen Verwaltung
des Stifterverbandes für die   Marco Brunzel
Deutsche Wissenschaft.

Angaben nach § 5 TMD/          E-Partizipation als Impulsgeber für die Verwaltungsmodernisierung
§ 55 RfStv                     Oliver Märker                                                                          29

Stifterverband für die Deut-
sche Wissenschaft e.V.         Forschungs- und Ausbildungskapazitäten im Public Management
Barkhovenallee 1
45239 Essen                    und in der Verwaltungsinformatik                                                       30
Telefon: (02 01) 8401-0        Dietrich Budäus
Telefax: (02 01) 8401-301
E-Mail:
mail@stifterverband.de
                               Vom Forschungsplan 2005 zu „Stein-Hardenberg 2.0“                                      35
Geschäftsführer:               Tino Schuppan
Prof. Dr. Andreas Schlüter
(Generalsekretär)
                               Blick zurück nach vorn: Was lehren uns die letzten zehn Jahre
                               Modernisierungspraxis?                                                                 38
                               Udo Rienaß

                               Weil Verwaltung sich ändern muss…                                                      42
                               Dieter Klumpp
       ISSN 0932-156x
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Das Memorandum
Electronic Government als Schlüssel zur Modernisierung von Staat und Verwaltung.
Ein Memorandum des Fachausschusses Verwaltungsinformatik der Gesellschaft für Informatik e.V. und des
Fachbereichs 1 der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE, September 2000, ist abrufbar unter:

http://www.gi-ev.de/fileadmin/redaktion/Download/presse_memorandum.pdf
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             Konferenz „Zehn Jahre Memorandum E-Government“ -
     Eine grundlegende Besinnung auf die Reformnotwendigkeiten
                                     des kommenden Jahrzehnts
                                                                  Klaus Lenk und Martin Brüggemeier

Im September 2000 wurde der damaligen Staats-        Der 1. Oktober 2010 erschien somit als ein guter
sekretärin im Bundesministerium des Innern, Bri-     Zeitpunkt, um in der Berlin-Brandenburgischen
gitte Zypries, das Memorandum „Electronic Go-        Akademie der Wissenschaften auf der Grundlage
vernment als Schlüssel zur Modernisierung von        einer Bilanz des Erreichten im Sinne eines „Rück-
Staat und Verwaltung“ vorgestellt. Mit diesem        blicks nach vorn“ die nunmehr anstehenden Ver-
vom Fachausschuss Verwaltungsinformatik der          änderungen zu umreißen und Aufgaben für das
Gesellschaft für Informatik e.V. und der Informa-    kommende Jahrzehnt (2011 bis 2020) in den Blick
tionstechnischen Gesellschaft im VDE erarbeite-      zu nehmen. Dies sollte auf der Tagung nicht nur
ten und von über 80 Fachleuten unterzeichnetem       im Sinne eines Forderungskatalogs behandelt
Weißbuch war eine programmatische Aussage            werden, so dass als Ergebnis der Veranstaltung
über die Chancen einer durchgreifenden Moder-        auch von vorne herein kein weiteres Memoran-
nisierung von Staat und Verwaltung mit Electro-      dum geplant war. Der Worte sind genug gewech-
nic Government getroffen.                            selt! Die Konferenz zeigte, dass inzwischen zahl-
Darüber hinaus wurden 2005 mit dem „E-Go-            reiche innovative Ansätze vor dem Durchbruch
vernment-Forschungsplan – Handlungsfelder für        stehen. Sie sind an der Schnittstelle von E-
eine neue Strategie in Deutschland“ des Fachaus-     Government, Bürokratieabbau und Public Mana-
schusses Verwaltungsinformatik der Gesellschaft      gement angesiedelt und betreffen u.a. Möglich-
für Informatik e.V. die nötigen wissenschaftlichen   keiten zu einem radikalen Bürokratieabbau im
Vorarbeiten für dieses Modernisierungspro-           Verwaltungsvollzug sowie innovative Verfahren
gramm eingefordert.                                  der Elektronischen Demokratie.

Zehn Jahre nach seiner Veröffentlichung sind ei-     Es gelang jedoch auch, auf der Konferenz die In-
nige wichtige Forderungen des Memorandums            novationshindernisse deutlich zu benennen, die
erfüllt. Sie betreffen vor allem die technischen     ihre Verwirklichung bislang hinauszögerten, und
und organisatorischen Grundlagen, auf denen E-       Wege zu ihrer Überwindung aufzuzeigen. Der
Government zum Mittel einer nachhaltigen Mo-         beklagenswerte Abbau von universitären For-
dernisierung von Staat und Verwaltung werden         schungs- und Ausbildungskapazitäten im Public
kann. Auch ist im vergangenen Jahrzehnt die Be-      Management und in der Verwaltungsinformatik
reitschaft zur Zusammenarbeit über die Verwal-       spielt dabei ebenso eine Rolle wie eine übertrie-
tungsebenen hinweg und mit der Wirtschaft auf        bene Technikfaszination mit ihrer Ausrichtung an
diesem zukunftsorientierten Handlungsfeld deut-      angeblichen Vorbildern für eine „Best Practice“,
lich gewachsen. Gleichwohl sind die zentralen        die in anderen Verwaltungskulturen gewachsen
Aussagen des Memorandums von unveränderter           ist und die Gegebenheiten der deutschen Staats-
Aktualität. So steht das dort geforderte umfas-      und Verwaltungspraxis ignoriert.
sende Verwaltungs-Engineering noch ebenso aus        Die in dem vorliegenden Heft der Stiftungsreihe
wie massive Investitionen in die Qualifikation der   dokumentierte Tagung „Zehn Jahre Memoran-
Menschen, die in einem von Informationstechnik       dum „Electronic Government als Schlüssel zur
durchdrungenen Umfeld arbeiten.                      Modernisierung von Staat und Verwaltung“ – Die
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Transformation der öffentlichen Verwaltung im          rin des Fachbereichs Rechts- und Verwaltungsin-
nächsten Jahrzehnt“ wurde gemeinsam veran-             formatik der GI) danken wir für die Übernahme
staltet vom Hochschulkolleg E-Government der           der Sitzungsleitung am Nachmittag.
Alcatel-Lucent-Stiftung, Stuttgart, dem Fachaus-       Als besonders wichtig und instruktiv für den
schusses Verwaltungsinformatik der Gesellschaft        transdisziplinären Austausch erwies sich die von
für Informatik e.V. und der Informationstechni-        Prof. Dr. Jobst Fiedler (Hertie School of Governan-
schen Gesellschaft im VDE. Bei dieser Gelegenheit      ce) geleitete Podiumsdiskussion zum Thema
liegt uns vor allem daran, der Alcatel-Lucent-         „Modernes Regieren und Verwalten 2020 – Wie
Stiftung und namentlich ihrem Direktor, Dr. Die-       lässt sich das Notwendige möglich machen?“ un-
ter Klumpp, für die in den vergangenen Jahren          ter Beteiligung von Cornelius Everding (Beauf-
unverzichtbare und zentrale Rolle bei der Vernet-      tragter für E-Government, Ministerium des In-
zung der Wissenschaft und beim Praxistransfer          nern des Landes Brandenburg), Prof. Dr. Werner
auf dem Gebiet des E-Government zu danken.             Jann (Universität Potsdam), Wolfgang Naujokat
Ohne die „Anstiftung“ und beharrliche „Beförde-        (European Society for eGovernment e.V.) und Willi
rung“ durch Dr. Klumpp wären weder das Memo-           Kaczorowski (BITKOM und Cisco Systems). Ihnen
randum noch die hier dokumentierte Tagung zu-          allen und auch den Teilnehmer/innen aus dem
stande gekommen.                                       Plenum sei für die engagierten Diskussionsbeträ-
Im Namen des Organisationskomitees danken wir          ge gedankt. Last but not least gilt unser Dank
– neben den drei Veranstaltern – auch allen Part-      auch all jenen hier nicht namentlich genannten
nern, die die Konferenz durch ihre Unterstützung       Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die durch ihren
mit ermöglicht haben. Maßgeblich sind hier Prof.       Einsatz bei der Vorbereitung und Durchführung
Dr. Tino Schuppan (IfG.CC - The Potsdam Institute      zum guten Gelingen der Konferenz beigetragen
for eGovernment), die Hochschule für Technik           haben.
und Wirtschaft (HTW) Berlin, Frau Prof. Dr.-Ing.       Es wäre erfreulich und es ist unseres Erachtens
Irene Krebs (Brandenburgische Technische Uni-          auch nicht ganz ausgeschlossen, dass die Konfe-
versität Cottbus), ESG – European Society for e-       renz „Zehn Jahre Memorandum E-Government“
Government e.V., Initiative D21, Public One – Go-      im Jahr 2020 als ein wichtiger Meilenstein für die
vernance Consulting, ITOB GmbH – IT- und Orga-         „E-Transformation“ der öffentlichen Aufgaben-
nisationsberatung, Valora Management Group             wahrnehmung erinnert wird. Eines zeigte die Ta-
GmbH sowie unser Medienpartner, der Behör-             gung sehr deutlich: Ob und inwieweit die Realität
denSpiegel, zu nennen. Unser besonderer Dank           des öffentlichen Sektors dann den Forderungen
gilt natürlich allen, die sich mit eigenen Beiträgen   des Memorandums entspricht, wird vor allem
aktiv beteiligt und so zum Erfolg der Konferenz        auch davon abhängen, ob die Communities in
beigetragen haben. Da ihre Beiträge nicht in der       Wissenschaft und Praxis, die sich mit E-Govern-
Tagungsdokumentation enthalten sind, ist hier          ment und mit Verwaltungsmodernisierung be-
namentlich insbesondere Prof. Dr. Helmut Krcmar        fassen, künftig mehr als bisher zusammen fin-
(TU München, Sprecher des Hochschulkollegs E-          den. Uns allen sei einstweilen die Erkenntnis von
Government der Alcatel-Lucent-Stiftung), Jörg          Jean Fourastié - Französischer Sozial- u. Wirt-
Michael Thielges (Informationstechnische Gesell-       schaftswissenschaftler u. Politiker, 1907 –1990 -
schaft im VDE) sowie Dr. Wolfgang Bruns (Spre-         ins Stimmbuch geschrieben: „Die Zukunft kann
cher des Fachausschusses Verwaltungsinformatik         man am besten vorhersagen, wenn man sie
der GI) für ihre Grußworte zu danken. Frau Prof.       selbst gestaltet.“
Dr. Maria Wimmer (Universität Koblenz, Spreche-
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       Verwaltungsmodernisierung in der Informationsgesellschaft:
                              Was ist erreicht, was bleibt zu tun?
                                                                                  Cornelia Rogall-Grothe

Ein Memorandum – so sagten einschlägige Nach-          Der Staat muss sparen. Im Rahmen der Haus-
schlagewerke – ist unter anderem eine Denk-            haltskonsolidierung wird die Bundesverwaltung
schrift, Stellungnahme, Absichtserklärung. Das         allein im Jahr 2011 11,2 Milliarden Euro struktu-
Wort, lateinischen Ursprungs, heißt wörtlich „das      rell einsparen müssen. Ähnliche Vorgaben wird
zu Erinnernde“ beziehungsweise „das, an das            es für die Folgejahre geben. Diese Einsparungen
sich erinnert werden soll“. In der Politik wird nach   sind nicht per legem zu erreichen und erfordern
hochrangigen Treffen oft ein Dokument unter-           von allen große Anstrengungen.
zeichnet, das als Memorandum betitelt wird,            In allen Häusern spüren wir den demografischen
wenn es für besonders wichtig oder erinne-             Wandel. Die Bundesregierung hat beschlossen,
rungswürdig gehalten wird.                             bis 2014 10.000 Stellen in der Bundesverwaltung
Denkschrift, Stellungnahme, Absichtserklärung –        dauerhaft abzubauen. Demzufolge werden freie
als solches verstehe ich das Memorandum, des-          Stellen nicht nachbesetzt, die Belegschaft altert.
sen 10-jähriges Bestehen wir heute diskutieren.        Im Übrigen werden qualifizierte Arbeitskräfte auf
Als Beauftragte der Bundesregierung für Infor-         dem Markt Mangelware. Wenn die Attraktivität
mationstechnik – oder CIO des Bundes – freue ich       des öffentlichen Dienstes sich diesen Bedingun-
mich, dass ich diese Veranstaltung eröffnen und        gen nicht anpasst, drohen Qualitätseinbußen.
Ihnen über die Aktivitäten und den Status-quo in       Zugleich nimmt die Komplexität der Aufgaben zu,
der Bundesverwaltung berichten kann.                   durch viele internationale, vor allem europäische
Unternehmen bauen keine Produktionskapazitä-           Aspekte, technologische Herausforderungen,
ten in einem Land auf, in dem die Standortfakto-       steigende Erwartungen der Bürger und der Wirt-
ren nicht stimmen. Ein wichtiger Standortfaktor        schaft an Qualität und Tempo von Verwaltungs-
ist die öffentliche Verwaltung. Die öffentliche        leistungen.
Verwaltung in Deutschland steht für Rechtssi-          Das sollte uns nicht schrecken. Wie sollten die
cherheit und Zuverlässigkeit. Das ist ein Grund,       Herausforderungen als Chance begreifen.
warum Deutschland weltweit an fünfter Stelle
der Investitionsstandorte steht.
                                                       Regierungsprogramm
Diesen Status müssen wir erhalten und ausbau-
en. Wir müssen uns immer wieder fragen, ob und         In Umsetzung des Koalitionsvertrags hat das
welche Anpassungen im konkreten Verwaltungs-           Bundesministerium des Innern (BMI) – zusammen
handeln, in unserer Leistungsfähigkeit für dieses      mit allen Ressorts – das neue Regierungspro-
Ziel nötig und möglich sind. Reicht es, Rechtssi-      gramm „Vernetzte und transparente Verwaltung“
cherheit und Zuverlässigkeit zu gewährleisten?         erarbeitet. Die Bundesregierung hat dieses Pro-
Oder müssen nicht auch Fragen nach der Effi-           gramm am 18. August beschlossen. In den Hand-
zienz, Effektivität, Qualität von Verwaltungsleis-     lungsfeldern Personal, Organisation sowie Infor-
tungen und Bürgerorientierung gestellt und be-         mations- und Kommunikationstechnologie sind
antwortet werden. Die Antwort ergibt sich aus          20 Leitprojekte genannt und bereits mit konkre-
den aktuellen sozio-ökonomischen Rahmenbe-             ten Planungen für diese Legislaturperiode unter-
dingungen. Ich möchte kurz darauf eingehen.            legt. Im Sinne von Nachhaltigkeit setzen wir Maß-
                                                       nahmen konsequent fort, die bereits in der letz-
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ten Legislaturperiode begonnen wurden: der          sammenhang zu stellen. Das betrifft in erster Li-
Ausbau von Dienstleistungszentren, die einheitli-   nie Fragen nach der Rolle des Staates im Zeitalter
che Behördenrufnummer und ergänzen um sol-          des Internets. Das Internet bietet uns unendliche
che, die durch mehr Zusammenarbeit Qualität         Chancen. Wie bei jeder technischen Neuerung
und Effizienz in der Verwaltung steigern, z.B.      gehen damit auch Risiken einher. Hierauf muss
Leistungsvergleiche, Prozessmanagement, E-Ver-      der Staat angemessen regieren. Er muss zum ei-
waltung, Open Government/Open Data. Das             nen die Chancen ergreifen und befördern und
Thema Personal bleibt ein wichtiges: Eine demo-     zum anderen die Risiken minimieren. Er tut das –
grafiesensible Personalpolitik, die lebenslanges    das möchte ich ausdrücklich betonen – im Rah-
Lernen, Wissens- und Gesundheitsmanagement          men seiner Aufgaben und seiner Funktionen, die
sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf       der Staat allgemein zu erfüllen hat. Mit dem In-
mit Leben erfüllt, ist ein zentrales Anliegen des   ternet müssen wir den Staat nicht neu erfinden.
Programms.                                          Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière hat
Die Bundesregierung folgt – das wird an den ge-     im ersten Halbjahr 2010 vier Dialogveranstaltun-
rade genannten Projekten deutlich – bei der Mo-     gen zu den Perspektiven deutscher Netzpolitik
dernisierung von Staat und Verwaltung einem         durchgeführt. Er diskutierte mit Experten aus der
ganzheitlichen Ansatz: Wir müssen überflüssige,     Netzgemeinde, der Wirtschaft und Wissenschaft
vermeidbare Bürokratie weiter abbauen. Wir          sowie aus der Zivilgesellschaft und von Behörden
müssen aber auch für effiziente und effektive       Themen wie Datenschutz und Internet, Internet
Verwaltungsabläufe sorgen, indem wir optimier-      als Mehrwert, staatliche Angebote sowie Krimi-
te Prozesse bündeln, eine effektive Behördenor-     nalität im Internet.
ganisation schaffen und eine gute Führung ge-       Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Insti-
währleisten, die sich ihrer Verantwortung für das   tutionen konnten sich jeweils im Vorfeld über die
Gemeinwohl wie auch für die Mitarbeiter und ih-     Online-Plattform www.e-konsultation.de in den
rem politischen Auftrag bewusst ist.                Dialog einbringen und dort Meinungen, Ideen
Innovative Lösungen durch Einsatz von Informa-      und Anregungen mitteilen. Das BMI hat die Bei-
tions- und Kommunikationstechniken sind ge-         träge laufend ausgewertet und sowohl in die
fragt: Viele Maßnahmen der Verwaltungsmoder-        weiteren Dialogveranstaltungen als auch in die
nisierung setzen auf die elektronische Abbildung    Erarbeitung zukünftiger Grundsätze einer Netz-
von Verwaltungsprozessen. Die konsequente           politik einfließen lassen. Diese Grundsätze stellte
Nutzung moderner Informations- und Kommuni-         der Minister in seiner Grundsatzrede zur Netzpo-
kationstechnik und E-Government sind in der In-     litik am 22. Juni 2010 vor.
formationsgesellschaft ein unabdingbarer Teil       Alle Informationen zu den Dialogveranstaltungen
der Verwaltungsmodernisierung. Sie helfen da-       und die 14 Grundsätze einer gemeinsamen Netz-
bei, unsere Effizienz und Wirksamkeit zu steigern   politik sind im Internet nachzulesen. An dieser
und Behördendienste kontinuierlich zu verbes-       Stelle nur so viel: Allgemein und auch in Bezug
sern. Motor für eine stärkere Zusammenarbeit        auf das Internet können wir zwischen drei unter-
sind die Web- 2.0-Technologien.                     schiedlichen Rollen und Funktionen des Staates
                                                    unterscheiden:
Netzpolitik                                         1. einer Freiheits- und Ausgleichsfunktion
Ein ganzheitlicher Ansatz bedeutet auch, Verwal-    2. einer Schutz- und Gewährleistungsfunktion
tungsmodernisierung, und damit auch das E-Go-       und
vernment, in einen größeren netzpolitischen Zu-     3. einer Angebots- und Innovationsfunktion.
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Ich möchte mich hier lediglich der dritten Funkti-    zuloten und festzulegen, an welchen Stellen die
on, der Angebots- und Innovationsfunktion, zu-        Online-Konsultation sinnvoll oder sogar notwen-
wenden. Zu ihr gehört auch der Bereich des E-Go-      dig ist.
vernment.                                             Der moderne Staat hat aber auch die Aufgabe
Vor dem Hintergrund des klassischen Staatsver-        der Wirtschafts- und Forschungsförderung – das
ständnisses ist unbestritten: E-Government be-        ist die Innovationsfunktion des Staates. Wirt-
fördert Innovationen und muss gefördert wer-          schaftliche Innovation kann der Staat fördern, in-
den. E-Government ist aber kein Selbstzweck.          dem er beispielsweise seine nicht-personenbe-
Nicht jedes Angebot ist geeignet und sinnvoll.        zogenen Datenbestände online zur Verfügung
Zudem sollten elektronische Behördendienste –         stellt. Auf der Basis dieser Daten können neue
zumindest im Verhältnis zum Bürger – als Zu-          Geschäftsmodelle entwickelt werden. Das Statis-
satzangebote ausgestaltet sein, als Alternative zu    tische Bundesamt stellt bereits 166 Mio. Daten-
den konventionellen Behördenkontakten. Anders         sätze online zur Verfügung. Die Bereitstellung
sieht es in Bezug auf die Wirtschaft aus. Hier        von Verwaltungsinformationen wird weltweit
können elektronische Behördendienste durchaus         unter den Begriffen „Open Data“ bzw. „Open Go-
verpflichtend ausgestaltet werden, wie wir es bei     vernment“ diskutiert.
der Umsatzsteuervoranmeldung bereits kennen.          Die Bundesregierung will die Öffnung von Staat
Mit Wirtschaft und Wissenschaft entwickeln wir        und Verwaltung in Deutschland voranbringen.
derzeit ein neues Modell und pilotieren es beim       Dazu lud Bundesinnenminister Dr. Thomas de
Austausch von Umweltdaten.                            Maizière am 20. September 2010 zu einem Spit-
Fakt ist, dass die elektronischen Behördendienste     zengespräch zu Geodatendiensten ein. Unter
nach den grundlegenden Eigenschaften der öf-          dem Titel „Digitalisierung von Stadt und Land –
fentlichen Verwaltung gestaltet sein müssen: Das      Chancen und Grenzen von öffentlichen und pri-
sind Integrität, Verlässlichkeit, Rechtmäßigkeit,     vaten Geodatendiensten“ diskutierte er mit wei-
auch Nachvollziehbarkeit, Transparenz. Die An-        teren Mitgliedern der Bundesregierung sowie
gebote sollen dem Gemeinwohl dienen und nicht         hochrangigen Vertretern aus Wirtschaft und
umgekehrt. Damit elektronische Behördendienste        Verwaltung über die schwierige Grenzziehung
nach gemeinsamen Standards leichter und unab-         zwischen Privatem und Öffentlichem im Internet.
hängiger von privaten Partnern ausgestaltet und       Die Rolle des Staates stand dabei ebenso zur De-
angeboten werden können, müssen wir staatli-          batte wie die Rolle der IKT-Branche. Sie darf nicht
che Kräfte bündeln und eigenes Know-how be-           aus der Eigenverantwortung rund um Persön-
hördenübergreifend zur Verfügung stellen. Des         lichkeitsrechte entlassen werden. Deshalb wurde
Weiteren müssen unsere Dienste technisch sicher       vereinbart, dass die Internetbranche bis zum IT-
funktionieren, denn nur so schaffen wir Vertrau-      Gipfel am 7. Dezember 2010 einen Datenschutz-
en für die Nutzung. Hier spielt die Frage der offe-   Kodex zu Google Street View und ähnlichen Geo-
nen Standards hinein, die zu überdenken ist.          datendiensten vorlegt und mit den Datenschutz-
Darüber hinaus verlangen Verwaltungsvorgänge,         beauftragten des Bundes und der Länder ab-
in denen sich Staat und Bürger in einem Rechts-       stimmt. Der Kodex kann eine gesetzliche Rege-
verhältnis gegenüber stehen, regelmäßig eine          lung weitgehend überflüssig machen.
eindeutige Identifikation des Bürgers. Der Staat      Unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg des Da-
muss sich sicher sein können, wer einen Antrag        tenschutz-Kodex wird das BMI – ebenfalls bis
gestellt oder eine Anzeige erstattet hat. Und nicht   zum IT-Gipfel – den Entwurf für ein Gesetz vorle-
zuletzt hat das Internet auch als Medium der poli-    gen. Es soll eine rote Linie markieren, die unter
tischen Willensbildung viel Potenzial. Es gilt aus-
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keinen Umständen überschritten werden darf           Sie sehen: Die Themen rund um moderne IKT und
und durch Selbstregulierung nicht ausreichend        Netzpolitik sind fachlich vielschichtig und stellen
zu sichern ist. Eine solche gesetzliche Grenze ist   uns vor neue Rechtsfragen, die wir lösen müssen.
dort zu ziehen, wo besonders schwerwiegende          Die in aller Kürze beschriebenen Überlegungen
Eingriffe in Persönlichkeitsrechte drohen, so etwa   und Maßnahmen konnten – so hoffe ich – ver-
bei der zielgerichteten Bildung von Persönlich-      deutlichen, dass sich die Bundesregierung zur In-
keits- und Bewegungsprofilen.                        formations- und Kommunikationstechnik be-
Insgesamt entsteht somit ein zweigleisiges Sys-      kennt – in der Förderung, aber auch auf Ange-
tem, bestehend aus einem per Gesetz einge-           botsseite.
räumten Mindestschutzniveau – der roten Linie –      E-Government war dafür in der Vergangenheit
und dem von der Geodaten-Branche vorzulegen-         die treibende Kraft: Viele Themen, die uns heute
den Datenschutz-Kodex, den der Gesetzgeber           beschäftigen, haben sich aus unseren Anstren-
nur bei Bedarf gesetzlich „aufbessert“.              gungen rund ums E-Government entwickelt.
Die Öffentlichkeit wurde auch bei diesem Spit-       Das E-Government der zweiten Generation rich-
zengespräch online in die Vorbereitung einge-        tete sich auf Kriterien wie eine bedarfsgerechte
bunden und konnte Fragen an den Bundesin-            Umsetzung von E-Government und die Zusam-
nenminister stellen, die dieser per Videopodcast     menarbeit über Verwaltungsebenen hinweg.
beantwortet hat. Das Podcast kann auf den Sei-       Durch diese Schwerpunkte kann die Qualität des
ten des BMI abgerufen werden.                        deutschen E-Government-Angebots weiter ver-
Bund und Länder nutzen die Potenziale der mo-        bessert werden.
dernen IT-Einrichtungen, Web 2.0-Technologien,       Um E-Government-Strukturen über Ressortgren-
Vernetzung durch Breitband und Satelliten sowie      zen schaffen zu können, haben wir die erforderli-
Sensortechnologie, um eine Geoinfrastruktur in       chen Gremien etabliert: die Funktion des bzw.
Deutschland aufzubauen. Gemeinsam mit den            der Bundesbeauftragten für Informationstechnik,
europäischen Partnern sollen Geodatendienste         darüber hinaus den IT-Rat der Bundesregierung.
vernetzt und Bürgern und Wirtschaft zur Verfü-       Ende 2007 wurden mit dem Kabinettbeschluss
gung gestellt werden.                                „IT-Steuerung Bund“ wichtige strukturelle und
Das Projekt Open Government ist auch eine Maß-       inhaltliche Weichen gestellt. Trennung von Ange-
nahme des neuen Regierungsprogramms „Ver-            bot und Nachfrage, starke IT-Dienstleistungs-
netzte und transparente Verwaltung“ und zielt        zentren und ein aktives Architekturmanagement
auf die weitere Öffnung von Staat und Verwal-        sind dabei unverzichtbar. Wir haben außerdem in
tung. Überall in Deutschland, auf allen Verwal-      den vergangenen Jahren verschiedene Netzinfra-
tungsebenen, werden bereits einzelne Elemente        strukturen gebündelt. So entstand neben der po-
eines Open Government verwirklicht. Ziel des         litischen auch eine technische Infrastruktur für E-
Projekts Open Government ist es nun, die Ange-       Government, die zusätzlich die Verbindung der
bote in Deutschland zu strukturieren und zu ver-     deutschen Verwaltung mit europäischen Struktu-
netzen sowie den Zugang zu erleichtern und zu        ren sicherstellt.
vereinheitlichen. Auf diese Weise kann ein ein-      Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für ein
heitlicher Qualitäts- und Servicestandard erreicht   erfolgreiches E-Government werden kontinuier-
werden. Zugleich wird ein abgestimmter Ausbau        lich verbessert. Sowohl auf Landes- als auch auf
der einzelnen Elemente von Open Government           Bundesebene wurden Rechtsnormen an die An-
angestrebt.                                          forderungen des E-Government angepasst. Mit
                                                     der viel beachteten Aufnahme von Artikel 91c ins
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Grundgesetz hat Deutschland 2009 auf die zu-          krete gemeinsame Ziele für die Weiterentwick-
nehmende ebenenübergreifende Vernetzung von           lung des E-Government, an denen sich Bund,
Verwaltungsverfahren reagiert. Damit wurde die        Länder und Kommunen in ihrem jeweiligen
Basis für eine effektivere und effizientere födera-   Handlungs- und Zuständigkeitsbereich ausrich-
le Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern           ten können und sollen.
bei den technischen Grundlagen des E-Govern-          Zweitens – als Agenda gemeinsamer Vorhaben:
ment geschaffen. Das ist ein wesentlicher Er-         Die nationale E-Government-Strategie definiert
folgsfaktor für die Standortsicherung und -för-       konkrete Maßnahmen zur Koordinierung der Zu-
derung.                                               sammenarbeit, zur Vereinbarung von Standards
                                                      und E-Government-Projekte mit Leuchtturmcha-
IT-Planungsrat                                        rakter, die für eine gezielte Weiterentwicklung
                                                      und Neupositionierung des deutschen E-Govern-
Mit Artikel 91 c GG und dem IT-Staatsvertrag, der
                                                      ment erfolgskritisch sind.
am 1. April 2010 in Kraft getreten ist, werden
Bund, Länder und Kommunen die Entwicklungen           Der IT-Planungsrat hat die Strategie am 24. Sep-
auf dem Gebiet der IT und des E-Government mit        tember 2010 beschlossen. Zugleich hat der Rat
mehr Verbindlichkeit befördern. Die ehemaligen        den Auftrag erteilt, Maßnahmen zur Umsetzung
Strukturen der E-Government- und IT-Steuerung         der Strategie bis Mitte 2011 zu erarbeiten. Die
sind im April dieses Jahres im IT-Planungsrat auf-    Bundesverwaltung wird ihr Handeln im E-Go-
gegangen. Es ist das Ziel, auf Ebene der Staats-      vernment an den Leitgedanken und an den Zie-
sekretäre und CIO gemeinsam eine politisch fo-        len der nationalen E-Government-Strategie aus-
kussierte Steuerung im Bereich IT und E-Govern-       richten.
ment vorzunehmen, um Qualität und Effizienz
der IT-Infrastrukturen in Deutschland zu gewähr-      E-Government-Gesetz
leisten.
                                                      Parallel zu den jetzt neuen Infrastrukturen und
Bei Standardisierung und Vernetzung dürfen wir        Institutionen stellte sich erneut die Frage nach
auch über die Grenzen unseres Landes hinausge-        rechtlichen Regelungen: Reichen sie aus? Oder
hend nicht den Anschluss verlieren.                   stehen Regelungen einem weiteren Ausbau von
                                                      E-Government im Weg?
Nationale E-Government-Strategie                      In meinem Haus wird in Zusammenarbeit mit an-
Seit einer Woche hat Deutschland erstmals eine        deren Ressorts derzeit geprüft, ob wir für ein be-
nationale E-Government-Strategie. Sie konkreti-       darfs- und nutzerorientiertes E-Government not-
siert die inhaltlichen Aufgaben für eine enge ü-      wendige rechtliche Voraussetzungen schaffen
bergreifende Zusammenarbeit im E-Government,          und Hürden abbauen müssen. Die hierfür erfor-
und zwar unter zwei Aspekten:                         derlichen bundesrechtlichen Regelungen sollen in
                                                      einem E-Government-Gesetz festgeschrieben
Erstens - als Leitbild für koordiniertes Handeln in
                                                      werden.
Eigenverantwortung: Die nationale E-Govern-
ment-Strategie strebt die gemeinsame Ausrich-         Bereits jetzt ist klar: Das größte Hindernis für me-
tung von Bund, Ländern und Kommunen in der            dienbruchfreie E-Government-Lösungen ist das
Weiterentwicklung von E-Government an und             zahlreich gesetzlich vorgeschriebene Schriftform-
möchte das Handeln der Beteiligten koordinieren,      Erfordernis. Hier stellt sich die Frage, ob nicht der
um Interoperabilität und Wirtschaftlichkeit zu si-    Einsatz neuer Techniken, wie etwa die Funktion
chern. Hierfür formuliert sie ein Leitbild und kon-   des elektronischen Identitätsnachweises (eID) im
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neuen Personalausweis, die elektronische Kom-         IT-Sicherheit
munikation und Bearbeitung stärken kann.              Um die Existenz solcher Angebote wie De-Mail
                                                      nicht zu gefährden – das gilt auch allgemein für
Neuer Personalausweis                                 elektronische Märkte und E-Government-Lei-
                                                      stungen –, ist das Vertrauen der Bürgerinnen und
Gute Ideen aus Deutschland – so lautet die Über-
                                                      Bürger, Wirtschaft und Verwaltung in die Sicher-
schrift auf einem unserer Werbemotive für den
                                                      heit der Internetkommunikation erforderlich. Aus
neuen Personalausweis, der ab 1. November ein-
                                                      diesem Grund räumen wir der IT-Sicherheit bei
geführt wird. Er ist abgebildet, in einer Reihe mit
                                                      allen Aktivitäten einen besonderen Stellenwert
dem Buchdruck, dem Fernseher und dem PC. Ich
                                                      ein. Die Bundesregierung hat bereits 2007 mit
bin überzeugt, dass der neue Personalausweis
                                                      dem „Umsetzungsplan für die Gewährleistung
tatsächlich ein revolutionäres Potenzial in sich
                                                      der IT-Sicherheit in der Bundesverwaltung“ eine
birgt, und zwar besonders für die Verwaltungs-
                                                      einheitliche und verbindliche IT-Sicherheitsleit-
modernisierung. Warum?
                                                      linie für die gesamte Bundesverwaltung be-
Die meisten E-Government-Lösungen setzen eine         schlossen. Die Umsetzung der darin vorgesehe-
rechtssichere und verbindliche Abwicklung des         nen Maßnahmen ist Grundlage für die mittel- und
Prozesses voraus, vor allem eine eindeutige Iden-     langfristige Gewährleistung der IT-Sicherheit auf
tifikation des Bürgers. Die im neuen Personal-        hohem Niveau in der Bundesverwaltung.
ausweis enthaltene Funktion des elektronischen
                                                      Hier werden wir weiterhin aktiv sein, auch in der
Identitätsnachweises – die eID-Funktion – sowie
                                                      Netzinfrastruktur des Bundes. Sie ist das zentrale
seine Nutzungsmöglichkeit für die qualifizierte
                                                      Nervensystem einer modernen Verwaltung. Im
elektronische Signatur bieten die Grundlage da-
                                                      Projekt „Netze des Bundes“ des neuen Regie-
für.
                                                      rungsprogramms werden in den kommenden
Mit der eID-Funktion kann man sich nicht nur si-      Jahren die zentralen ressortübergreifenden Re-
cher und zuverlässig online ausweisen, sondern        gierungsnetze in einer leistungsfähigen und si-
gleichermaßen auf die Identität seines Gegen-         cheren gemeinsamen Netzinfrastruktur neu auf-
übers vertrauen. Ein besonderer Schwerpunkt           stellen. Aufbauend auf der gemeinsamen Netz-
wird auf den Schutz persönlicher Daten gelegt:        infrastruktur können Behörden ihre Liegenschaf-
Nur staatlich berechtigte Anbieter dürfen die Da-     ten anforderungsgerecht und sicher miteinander
ten des Ausweises abfragen, der Inhaber selbst        vernetzen, behördenübergreifend kommunizie-
behält die volle Kontrolle über seine persönlichen    ren sowie IT-Verfahren anbieten oder selbst nut-
Daten. Damit wird ein wesentlicher Beitrag zum        zen. Ziel ist es, langfristig eine gemeinsame Netz-
Vertrauen geleistet, das für die Zukunft des E-Go-    infrastruktur für die Bundesverwaltung zu schaf-
vernments bedeutsam ist.                              fen.
Mit dem neuen Personalausweis stellt der Staat
eine Infrastruktur bereit, um das E-Government
                                                      IT-Investitionsprogramm
weiter voranzutreiben. Für den Erfolg ist es ent-
scheidend, dass zahlreiche Dienstanbieter aus         IT-Sicherheit ist auch ein Handlungsfeld des IT-In-
vielen Verwaltungsbereichen die Online-Aus-           vestitionsprogramms, über das ich abschließend
weisfunktion und die qualifizierte Signaturfunk-      sprechen möchte. Anfang 2009 hat die Bundes-
tion in verschiedene Bürgerdienste einbinden.         regierung das IT-Investitionsprogramm im Um-
                                                      fang von 500 Millionen Euro verabschiedet. Allein
                                                      für den Bereich IT-Sicherheit stehen 170 Millio-
                                                      nen € zur Verfügung, zum Beispiel für die Etablie-
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rung gemeinsamer Standards für die mobile           Government steht, erreicht haben – auch wenn
Kommunikation (Stichworte: Krypto-Handys oder       das Szenario im Abschnitt D nicht Realität ge-
PDAs – Personal Digital Assistants). Damit werden   worden ist. Wir werden beim weiteren Aufbau
innovative Sicherheitstechnologien zeitnah in der   des E-Governments nicht stehen bleiben.
Verwaltung eingesetzt und zugleich Technologie-     Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass wir E-
innovationen am Markt nachgefragt.                  Government nicht als Serviceleistung de luxe be-
Bis 2011 unterstützen wir mit dem IT-Investi-       trachten, sondern als schlichte Selbstverständ-
tionsprogramm, das ich als IT-Beauftragte der       lichkeit. Es geht uns also schon lange nicht mehr
Bundesregierung gemeinsam mit dem IT-Rat des        um das Ob, sondern nur noch darum, wie die Lö-
Bundes steuere, insgesamt über 370 Projekte.        sungen aussehen. Da E-Government vielfältige
Neben der IT-Sicherheit ist das Programm auf die    Bezüge zu nahezu allen Politikfeldern hat, ist es
Handlungsfelder IT-Organisation, Green-IT (Er-      ohne die Abstimmung mit Wissenschaft, Wirt-
richtung eines Kompetenz- und Musterrechen-         schaft und Bürgerinnen und Bürgern nicht denk-
zentrums) und Zukunftsfähigkeit durch Innovati-     bar. Insofern werden wir den Austausch mit allen
onen (De-Mail, Geodatenmanagement, neuer            gesellschaftlichen Gruppen suchen, um die Mög-
Personalausweis, elektronische Prozessketten)       lichkeiten sinnvoll zu nutzen. Das größere Stück
gerichtet. Über 60 Prozent der Gesamtmittel sind    des Weges liegt dabei noch vor uns. Das Memo-
inzwischen ausgegeben (ca. 94 Mio. EUR) oder        randum E-Government ist dafür – trotz der Jah-
vertraglich festgelegt (ca. 223 Mio. EUR). Über     reszahl 2010 – eine fundierte Erinnerung – eben
200 (IKT-) Unternehmen konnten bislang von der      eine Denkschrift, Stellungnahme, Absichtserklä-
Unterstützung profitieren. Auch über das Investi-   rung.
tionsprogramm hinaus bleiben diese Bereiche –
und damit auch die IT-Sicherheit – prioritäre
                                                    Cornelia Rogall-Grothe ist Staatssekretärin im
Themen der Bundesregierung im ITK-Bereich.
                                                    Bundesministerium des Innern und Beauftragte
Es ist anzuerkennen, dass wir in den vergange-      der Bundesregierung für Informationstechnik.
nen Jahren schon vieles, was im Memorandum E-
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                            „E-Government is about Government“
            Verwaltungsmodernisierung mit IT im nächsten Jahrzehnt
                                                                                            Klaus Lenk

1. Verwaltungsmodernisierung mit                    zeigt sich in Projekten wie D115, der einheitlichen
   E-Government über zwei Jahrzehnte                nationalen      Call-Center-Struktur.   Verstärkte
                                                    Transparenz des Verwaltungshandelns und bes-
                                                    sere Mitsprache der Bürger in öffentlichen Ange-
Vor zehn Jahren brachten zwei wissenschaftliche
                                                    legenheiten, damals noch geradezu exotisch,
Gesellschaften, der Fachausschuss Verwaltungs-
                                                    stehen heute im Mittelpunkt des Interesses.
informatik der Gesellschaft für Informatik e.V.,
dessen Sprecher damals Prof. Dr. Klaus Lenk war,    Zugleich muss man aber feststellen, dass es nicht
sowie die Informationstechnische Gesellschaft im    gelungen ist, die Kluft zwischen klassischen Re-
VDE mit dem Sprecher Dr. Dieter Klumpp, ein         formthemen und E-Government zu schließen. E-
Memorandum auf den Weg. „Electronic Govern-         Government wird oft nur technisch verstanden;
ment als Schlüssel zur Modernisierung von Staat     neue Modewellen („Web 2.0“) befestigen dieses
und Verwaltung“ (Bonn und Frankfurt, Septem-        Verständnis noch und lenken von der Dringlich-
ber 2000). Hier wurde in mehreren Kernthesen        keit einer durchgreifenden Verwaltungsmoderni-
dargelegt,                                          sierung ab.
• dass Electronic Government das gesamte Han-       Daher stellen sich drei Fragen:
  deln von Staat und Verwaltung, nicht nur neue     • Was hat sich im letzten Jahrzehnt verändert?
  Bürgerdienste und elektronische Demokratie        • Wie lassen sich E-Government und Verwal-
  betrifft,                                           tungsmodernisierung zusammenführen?
• dass die bessere Nutzung von Information und      • Wie kann die Transformation des öffentlichen
  Wissen eine entscheidende Triebkraft der Ver-       Sektors in Deutschland durch seine Informati-
  waltungsmodernisierung ist,                         sierung auf anerkannte Zielwerte einer Good
• dass eine umfassende Gestaltung der Prozesse        Governance ausgerichtet werden?
  und Ressourcen der Verwaltungsarbeit möglich
  und zugleich unabdingbar ist,
• dass Erfolge nur zu erzielen sind, wenn strate-   2. Was hat sich verändert?
  gisches Denken, Finanzierung, innere Bereit-
  schaft der Menschen und ein gutes Änderungs-
                                                    In den letzten Jahren hat sich der Zwang, das Ge-
  management zur Deckung gebracht werden.
                                                    schäft der öffentlichen Verwaltung und darüber
                                                    hinaus des gesamten öffentlichen Dienstes zu
Zehn Jahre später kann man befriedigt feststel-     vereinfachen, dramatisch verstärkt. Und nach
len, dass sich schon Manches in diese Richtung      wie vor sind viele Reserven für ein effizienteres
bewegt, im Denken wie im Handeln. So finden         und auch seine Adressaten entlastendes Verwal-
wir breite Unterstützung für die Umgestaltung       tungshandeln nicht ausgeschöpft, trotz unbe-
von Geschäftsprozessen der Verwaltung, die mit      streitbarer Anstrengungen, vor allem in Richtung
IT anders erledigt werden können als zuvor. Do-     Bürokratieabbau. Denn Not macht nicht unbe-
kumentenmanagement und Vorgangsbearbei-             dingt erfinderisch. Allzu leicht wird die alte Weis-
tungssysteme sind keine Fremdwörter mehr.           heit „Erst investieren, dann kassieren“ unter dem
Stärkere Berücksichtung der Belange der Bürger      politischen und medialen Druck vergessen. Und
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wie noch auszuführen ist, sind Verfahren eines       samkeitsschwelle überschritten, und die in KoopA
weitsichtigen Verwaltungs-Engineering immer          und Deutschland Online eingeübte Zusammenar-
noch Mangelware.                                     beit hat zu unbestreitbaren Erfolgen geführt. Vor
Insofern hat sich wenig geändert seit dem Jahr       zehn Jahren, als auf Bundesebene die soundso-
2000. Dennoch ist etwas hinzugekommen, näm-          viel Prozent „Services“ online stolz verkündet
lich die Rückbesinnung auf die klassischen           wurden, hätten wir das so nicht erwartet.
Staatsaufgaben der Wahrung von Recht und Si-         Dies ist beachtlich angesichts der Großwetterlage
cherheit. Das Memorandum rügte, dass in den          eines technisch verengten Begriffs von E-Govern-
vor einem Jahrzehnt propagierten E-Govern-           ment, erzeugt von technikverliebten Akteuren
ment-Konzepten diese Aufgaben praktisch nicht        durch sanften und weniger sanften Druck sowie
vorkamen; E-Government erschien als eine             durch Seelenmassage. Hier wirken lautstark agie-
Schönwetterveranstaltung. Die Wirklichkeit hat       rende internationale Modernisierungskarawa-
die Sicht des Memorandums inzwischen einge-          nen, die ohne Rücksicht auf nationale Verwal-
holt. Heute drängt sich die Notwendigkeit in den     tungskultur ihr Gepäck abladen. Reformkonzepte
Vordergrund, die staatlichen Strukturen robust       jagen sich in solcher Geschwindigkeit, dass die
und krisenfest zu gestalten, ihre Verwundbarkeit     Reformen gar nicht zu Ende geführt werden
durch unvorgesehene Ereignisse zu minimieren         können. Lenkt uns heute beispielsweise Cloud
und die Resilience, das Wiederhochfahren der         Computing nicht wieder ab von der Umsetzung
Leistungen im Falle von Beeinträchtigungen, zu       kommunaler Shared Service Zentren?
gewährleisten.
Aber hat sich das geweitete Bewusstsein auch
niedergeschlagen in der Reformrhetorik, die sich
                                                     3. Wie lässt sich E-Government in den Haupt-
um die vor 15 Jahren losgetretene Kampagne des
                                                        strom der Verwaltungsmodernisierung ein-
E-Government rankt? Die Ausweitung dieses
                                                        betten und auf anerkannte Zielwerte einer
Begriffs auf die gesamte Informatisierung der
                                                        Good Governance ausrichten?
Verwaltung und der Politik, die das Memoran-
dum bereits einforderte, stößt sich zwar interna-
tional immer noch an einem engen Verständnis,        Das führt zur zweiten Frage: Wie verhalten sich
das E-Government auf sog. Online-Dienste redu-       Verwaltungsmodernisierung und E-Government
ziert; die EU und angebliche Spitzenreiter richten   zueinander, wie lässt sich E-Government in den
sich weiter daran aus. Dennoch ist es heute leich-   Hauptstrom der Verwaltungsmodernisierung ein-
ter als vor zehn Jahren, die seit einem halben       betten?
Jahrhundert fortschreitende Informatisierung der     Wenn die seit einem halben Jahrhundert voran-
Verwaltung in den Mittelpunkt zu rücken.             schreitende Informatisierung der Verwaltungs-
Deutschland ist mit einem unserer Verwaltungs-       arbeit noch nicht im Hauptstrom der Verwal-
kultur angepassten Verständnis von E-Govern-         tungsmodernisierung verankert ist, dann hat dies
ment sehr weit gekommen, und wir sollten uns         nicht nur mit der Techniklastigkeit der E-Govern-
auf unserem föderalen Weg nicht beirren lassen.      ment-Rhetorik zu tun. Die Programme verwal-
Der Bund hat eine Leitfunktion übernommen. Die       tungswissenschaftlicher Tagungen lesen sich seit
Innovationsleistungen auf allen Verwaltungsebe-      Jahren so, als gäbe es E-Government nicht. Wis-
nen, vor allem aber bei den Kommunen, sind be-
achtlich. Mit Art. 91c GG hat die Informatisierung
der Verwaltung endlich die politische Aufmerk-
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senschaftler-Gemeinden leben nebeneinander                     Herbert Fiedler als Dienstmädchenstaat bezeich-
her.1                                                          nen.2
Festzuhalten ist: E-Government muss in den                     Folgt man dieser verengten Sicht, dann sind bes-
Hauptstrom der Verwaltungsmodernisierung ein-                  serer Service, Abbau von Lasten und Belästigun-
münden. Es darf nicht an die Techniker abge-                   gen der Wirtschaft vordringliche Ziele. Welchen
schoben werden. Die Technik muss man freilich                  Stellenwert haben diese Ziele in dem Wandel der
kennen um zu erkennen, was mit ihr bewirkt                     Staatlichkeit, den wir heute beobachten? Die ge-
werden kann. Aber auch der Hauptstrom der Ver-                 wandelten und keineswegs weniger gewordenen
waltungswissenschaft muss daraufhin befragt                    Staatsaufgaben bilden den Rahmen, in dem die
werden, wohin er fließt, was er transportiert. Hier            laufende Informatisierung der Verwaltung sich
klafft eine Lücke, die uns zur dritten Frage führt:            vollzieht. Es würde zu weit führen, dies hier im
Um die zu Verbindung von Verwaltungsmoderni-                   einzelnen zu behandeln. Weltweite Entwicklun-
sierung und E-Government endlich zu erreichen                  gen im Übergang zu einem Sich-Einrichten der
und sie auf anerkannte Zielwerte einer Good Go-                Menschheit in einer endlichen Welt werfen ihren
vernance auszurichten, sind zwei Schritte erfor-               Schatten. Die einstweilen zu den Akten gelegte
derlich. Der erste wurde bereits angesprochen:                 Finanzkrise und die kommende Fiskalkrise ma-
das Konzept E-Government ist im Sinne der Ver-                 chen nur einen heute schon sichtbaren Teil davon
waltungsinformatik zu erweitern. Zweitens aber                 aus.
muss man auch die unterschiedlichen Zielvorstel-               Die neue Lage macht es erforderlich, sich die un-
lungen kennen, die hinter den zusammenzufüh-                   terschiedlichen Zielvorstellungen der Verwal-
renden Reformbestrebungen stehen. Das ist nicht                tungstransformation zu vergegenwärtigen und
ganz einfach, denn es führt hin zu Staatsvorstel-              ihren Zusammenhang wie auch Prioritätenset-
lungen, die oft nicht deutlich ausgesprochen                   zungen offen zu legen. Wohlgemerkt, hier geht
werden. Begibt man sich auf die Suche nach die-                es nicht um einzelne politische Ziele, sondern um
sen Zielvorstellungen, dann wird deutlich, dass                die Grundwerte, nach denen wir Staatlichkeit und
eine Gesamtstrategie der Transformation der                    gute Verwaltung beurteilen. Wie sind diese in
Verwaltung nicht existiert.                                    der Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts zu fassen?
Vor 15 Jahren wurde dem E-Government welt-                     Ein Weißbuch der Europäischen Kommission zum
weit ein Verständnis mit auf den Weg gegeben,                  guten Regieren aus dem Jahr 2001 gibt uns hier
das den Staat auf eine Einrichtung zur Erbrin-                 einen gewissen Anhalt.3 Ich erweitere den dorti-
gung von „Services“ für benennbare Adressaten                  gen Katalog von Zielen einer Good Governance
reduziert. Die Erweiterung des Konzepts E-Go-                  und forme ihn ein wenig um. So gelange ich zu
vernment, wie sie mit der Definition des Memo-                 der folgenden Reihung, die ich nur kurz kom-
randums vorgeschlagen wurde, bedeutet auch                     mentiere, und die um weitere modale Nebenziele
einen Abschied von dieser verengten Sicht des                  ergänzt werden könnte:
Staates, in welcher der Zusammenhalt der Gesell-
schaft, das Zusammenleben auf engem Raum
und soziale Gerechtigkeit gar nicht mehr gedacht
                                                               2 Fiedler, H., Die Utopie einer libertären Informationsgesell-
werden können. Diesen Minimalstaat, der nur                    schaft und die Zukunft des Staates. In: Klewitz-Hommelsen,
„Services“ erbringt für benennbare Adressaten,                 S.; Bonin, H. (Hg.), Die Zeit nach dem E-Government. Münster
                                                               2005 (= Band 2 der Reihe E-Government und die Erneuerung
die zu Kunden ernannt werden, kann man mit
                                                               des öffentlichen Sektors), S.67-75 (69).
                                                               3 Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Europäi-
1 Vgl. Lenk, K., Reconstructing Public Administration theory   sches Regieren. Ein Weißbuch, Brüssel 2001 (=KOM (2001)
from below. In: Information Polity 12 (2007), pp. 207-212.     428 endgültig)
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• Demokratie                                          Breiter aufgestellt ist insofern das Public Mana-
• Effektivität                                        gement als die praktisch wohl wichtigste Rich-
• Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und Accoun-        tung der Verwaltungstransformation. Es verbin-
  tability                                            det Effektivität und Qualität des Verwaltungs-
• Kapazitätspflege, Bewahrung der Handlungs-          handelns mit Effizienz und Sparsamkeit. Jedoch
  fähigkeit, Resilience                               kann das Bestreben, möglichst viel vom privat-
• Effizienz                                           wirtschaftlichen Management zu übernehmen,
                                                      leicht zu Zielverschiebungen führen.
• Minimierung administrativer Lasten, Bürger-
  nähe und Servicequalität                            Je ein Vierteljahrhundert Ausrichtung der deut-
                                                      schen Verwaltung erst auf Rechtsstaatlichkeit
                                                      und dann auf Sparsamkeit und Effizienz haben
Inhaltliche Ziele müssen demokratisch zustande
                                                      diesen Werten einen gewissen Vorrang ver-
kommen; dies ist das oberste Formalziel. Was be-
                                                      schafft. Die gegenwärtige Überbetonung von
schlossen ist, muss dann effektiv umgesetzt wer-
                                                      Transparenz und demokratischer Mitgestaltung,
den. Aber der Staat tut nicht nur, was er sagt,
                                                      die man jetzt mit Technikeinsatz leichter errei-
sondern er sagt auch, was er tut. Damit sind wir
                                                      chen zu können glaubt, signalisiert einen gewis-
bei Transparenz als wichtigem Zielwert. Erst da-
                                                      sen Nachholbedarf für solche bislang eher im
nach sollte das heute im Vordergrund stehende
                                                      Schatten stehenden Aspekte von Good Gover-
Ziel Effizienz und Sparsamkeit kommen. Weitere
                                                      nance.
modale Nebenziele wie eine möglichst wider-
spruchsfreie, kohärente Politik, Entlastung der       Aber andere modale Nebenziele des Verwal-
Wirtschaft und der Bürger durch Bürokratieab-         tungshandelns bleiben weiterhin unterbelichtet:
bau kommen hinzu. All das zusammen kann man           Robustheit, Minimierung von Verwundbarkeit
als Good Governance bezeichnen.                       (nicht leichtfertig immer wieder neue kritische
                                                      Infrastrukturen schaffen, etwa durch vernetzte
Public Management, E-Government, Governance
                                                      Großsysteme), Stärkung der Resilience, also die
der Bürgerkommune, Bürokratieabbau und Bet-
                                                      Fähigkeit, mit Unerwartetem umzugehen. Es gibt
ter Regulation haben je für sich Teilaspekte einer
                                                      noch keine anerkannte Wissenschaftsdisziplin,
Good Governance im Blick. Somit arbeiten vor-
                                                      die ihren Leuchtkegel auf diese Werte richtet.
findliche Reformstränge in Theorie und Praxis mit
nicht deckungsgleichen Zielvorstellungen.
Das kann hier nur angedeutet werden. Steue-
rungsfähigkeit gegenüber der Gesellschaft und         4. Wachsende Systematisierung des Verwal-
damit Effektivität des staatlichen Handelns, Ver-        tungshandeln als übergreifender Trend der
waltung eingeschlossen, stehen im Vordergrund            Informatisierung
für Better Regulation und für die steuerungs- und
governancebezogene Richtung der Wissenschaft.         Was ist nun die Rolle von E-Government im Rah-
Das trifft aber nicht die Realität des gesamten öf-   men einer solchen Sicht? Im Schulterschluss mit
fentlichen Dienstes. Es ist ausgerichtet am inno-     Reformbestrebungen, die sich der genannten
vierenden Interventionsstaat. Die alltäglichen        Werte und Ziele einer Good Governance anneh-
Stabilisierungsleistungen gegenüber der Gesell-       men, insbesondere dem Public Management,
schaft sind kaum im Blickfeld. Erbracht werden        kann Electronic Government zu technisch ermög-
sie auf den klassischen Aufgabenfeldern der in-       lichten organisatorischen Entwicklungen führen,
neren Sicherheit und der Rechtspflege, der Bil-       die über das hinausweisen, was vor zehn Jahren
dung und der sozialen Dienste.                        gesagt wurde. Die Aussagen des Memorandums
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können jetzt erweitert werden. Wir müssen uns              gewollt sind – zu einem Gemeineigentum an Da-
nicht länger um die Durchsetzung des Denkens in            ten, zu einer „Daten-Allmende“ zu kommen.“ 5
Geschäftsprozessen, des Denkens von den Adres-             Solches erwartete der Speyerer Verwaltungsin-
saten her („die Bürgerbrille aufsetzen“) und in            formatiker Heinrich Reinermann im Jahre 1986
neuen Architekturen des Bürgerservice sorgen.              für das Jahr 2006. Wie weit sind wir heute?
Hier müssten nun mehrere Felder angesprochen               Robuste technisch-organisatorische Infrastruktu-
werden, die das Memorandum behandelte und                  ren für im einzelnen nicht voraussehbares Ver-
die aus wissenschaftlicher Sicht fünf Jahre später         waltungshandeln werden bald verfügbar sein.
im Forschungsmemorandum der GI exemplarisch                Denn die Infrastruktur, die entsteht, um dem E-
auftauchten. Aus Zeitgründen ist das nicht mög-            Government (im engen Verständnis) eine Grund-
lich. Statt dessen sei nur ein wichtiger Zusam-            lage zu liefern, begründet zugleich eine neue Ar-
menhang genannt, nämlich die wachsende Sys-                chitektur öffentlichen Handelns, eine bessere, die
tematisierung und Modularisierung des Verwal-              Potentiale der Informationstechnik nutzende Or-
tungshandelns, die einhergeht mit der Herausbil-           ganisation.
dung einer technisch-organisatorischen Infra-
                                                           Die sich herausbildende informationstechnische
struktur für das gesamte Verwaltungshandeln.
                                                           und organisatorische Infrastruktur aus Netzen,
Eine zunehmende Systematisierung des Verwal-               Basisregistern, Geodaten, Prozessbausteinen,
tungshandelns, schon seit langem gefordert,                usw. führt in eine Welt, dies es erst noch zu er-
rückt in greifbare Nähe. Leistungskataloge füh-            kunden gilt.6 Eine Zukunftsvision sah bereits den
ren zu einer sprachlichen Standardisierung, die
zusammen mit Behördenfindern wesentliche
Voraussetzungen für ein einfacheres und damit
auch     transparenteres    Verwaltungshandeln             5 Heinrich Reinermann, Die Verwaltung der Zukunft. In:
schafft. Der organisatorische Rahmen hierfür               Schulz, Arno, Hg. Die Zukunft der Informationssysteme, Leh-
wurde jetzt im Rahmen der gesamtschweizeri-                re der 80er Jahre. Fachtagung, Linz, September 1986. Hei-
                                                           delberg u.a. 1986, S.111-136.
schen E-Government-Strategie formuliert, soweit
                                                           6 Ein Beispiel: Teil der Infrastruktur ist das künftige Wis-
es sich um nach außen gerichtete Verwaltungs-              sensmanagement. Wir reden seit 20 Jahren darüber, begin-
leistungen handelt.4                                       nen aber erst jetzt, die Konturen der Problematik zu erken-
                                                           nen. Weil Wissen nicht leicht messbar ist und weil sein Bei-
Diese Perspektiven der Systematisierung des                trag zur Effektivität und Effizienz von vielen Zufällen ab-
Verwaltungshandelns wurden in der deutschen                hängt, wird es allzu leicht einem verkürzten Effizienzdenken
                                                           geopfert. Die „Besinnung auf das Kerngeschäft“ ließ viel an-
Verwaltungsinformatik schon frühzeitig erblickt.
                                                           geblich überflüssiges Wissen verkümmern. So es ist nur allzu
Sie erfordern ein ganzheitliches Herangehen in             verständlich, dass Wissensmanagement als Ausgleich dienen
der Tradition des Systemdenkens. Aber – und                sollte. Aber seine zentralen Probleme wurden lange über-
                                                           deckt durch die Suche nach technischen Möglichkeiten bes-
hier zitiere ich einen Kollegen – ist es wirklich          seren Wiederauffindens gespeicherter Informationen und
schon so, dass „mehr Ordnung in die Datenwirt-             durch die Deklination einiger Grundbegriffe. Nicht Wissen,
schaft gebracht [wird? und dass]... damit aufge-           sondern die Zeit der Menschen ist das knappe Gut. Überlas-
                                                           tung mit Unnützem steigert nicht die Qualität des Verwal-
hört ... [wird], Daten quasi als Eigentum bestimm-         tungshandelns, missbraucht vielmehr die knappe Aufmerk-
ter Behörden oder Programme anzusehen; viel-               samkeit. Und die doppelte Realität des Dienstwissens, die
mehr ist – soweit Berechtigungen zum Zugriff               aus der innigen Verbindung von offiziellem und lokalem
                                                           Wissen entsteht, ist schwer fassbar. Kulturelle Kompetenz,
                                                           Wissensverdichtung, Einfühlung in den Wissenshorizont des
                                                           Gegenüber bleiben zentral. Gleichwohl können Konzepte
4 Klaus Lenk, Tino Schuppan, Marc Schaffroth, Vernetzte    und Instrumente des Wissensmanagements, richtig einge-
Verwaltung. Organisationskonzept für ein föderales E-Go-   setzt, entlastend wirken und die Informationslage der Orga-
vernment Schweiz, hrsg. vom Informatikstrategieorgan       nisation oder der Prozesskette als Ganzem wesentlich ver-
Bund ISB, Bern, Juni 2010. (www.ech.ch)                    bessern.
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