Phänomenologie des Konsums - SuchtMagazin
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Phänomenologie des Konsums 03/2020 Themenschwerpunkt Warum konsumieren I Warum konsumieren II Motive zum Drogenkonsum Ayahuasca in Südamerika Selbstbilder & Selbstbildner Zukunft der Suchtpolitik. Microdosing im Alltag Spirituelle Erkundungen Wir müssen weiterdenken! Weise Pharma-Greise Therapie mit Psilocybin Interdisziplinäre Fachzeitschrift der Suchtarbeit und Suchtpolitik
Inhalt 5 Erinnern, vergessen, anpassen, ausbrechen: Drogenkonsum und seine Motive Robert Feustel 11 Wir müssen weiterdenken! Toni Berthel, Silvia Gallego, Marcel Krebs 15 Konsum als spirituelle Erfahrung: Ayahuasca-Tourismus in Südamerika Tom J. Wolff 22 Psychedelic Microdosing: Hintergründe, Motive und Risiken Linus Naumann 27 Langzeiterfahrungen mit Psychedelika und Empathogenen Claude Weill 31 Weise Pharma-Greise Paul Parin 35 Behandlung mit Psilocybin bei PatientInnen mit Alkoholabhängigkeit Katrin H. Preller und Nathalie M. Rieser 41 Selbstbilder und Selbstbildner Jörg Scheller 46 Wein als Gewürz Peter Brunner und Luana Paladino 48 Fazit. ForschungsSpiegel von Sucht Schweiz Psychedelika als Wirkstoff für die Psychotherapie von Traumafolgestörungen und Suchterkrankungen 47,52,55 Bücher 54 Newsflash 55 Veranstaltungen 56 Bildserie Christina Baeriswyl
PHÄNOMENOLOGIE DES KONSUMS Wir müssen weiterdenken! 2020-3 Aus der Perspektive von Public Health, der Suchthilfe und im professionellen Jg. 46 Tun wird der Konsum psychoaktiver Substanzen meist als potentielles Prob- S. 11 - 14 lem verhandelt. Darauf basierende Strategien pathologisieren damit jegliche Art von Konsum. Begegnen wir aus einer ausschliesslich gesundheitsorien- tierten Perspektive den Konsumphänomenen aber nicht sehr einseitig? Denn: Substanzkonsum ist mehrdeutig, gekennzeichnet durch Ambiguität. Viele Menschen erleben mit dem Konsum positive Wirkungen und nehmen Risiken dafür in Kauf. Gesundheit als alleiniges Kriterium guten Lebens verhindert den konstruktiven Einsatz psychoaktiver Substanzen. TONI BERTHEL Dr. med., Psychiater, Psychotherapeut, Suchtmediziner. Hornweg 19, CH-8700 Küsnacht. toni.berthel@bluewin.ch SILVIA GALLEGO Politologin lic.phil., Leitende Stabsmitarbeiterin, Prozess- und Projektmanagerin, Ärztliche Direktion, Integrierte Psychiat- rie Winterthur − Zürcher Unterland. silvia.gallego@ipw.zh.ch MARCEL KREBS Soziologe M.A., Sozialarbeiter HFS, Dozent am Institut für Soziale Arbeit und Gesundheit ISAGE der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW; Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Infodrog, Redaktionsleiter SuchtMagazin und Infoset. marcel.krebs@fhnw.ch, www.fhnw.ch/de/personen/marcel-krebs Phänomenologie des Konsums vs. Einfluss das soziokulturelle Setting und lationen (Public Health Schweiz 2003: Gesundheitspolitik die Persönlichkeit auf das Konsumver- 1). Sie hat die Verbesserung der körper- Der Konsum psychoaktiver Substanzen halten und das subjektive Rauscherleben lichen und psychischen Gesundheit der ist eine gesellschaftliche Praxis. Die For- mit Psychedelika haben; nicht zuletzt im Bevölkerung oder von Bevölkerungs- men des Konsums sind vielfältig. Eine Kontext der 1968er-Bewegung zuneh- gruppen zum Ziel und will Krankheiten Ausweitung des Blicks auf eine möglichst mend für neue, sog. «psychedelische» vermeiden, um dadurch das Leben zu vorurteilslose Erfassung dieser Erschei- Lebensformen (Tanner 2009). verlängern. Weiter strebt sie die gerechte nungsformen, eine «Phänomenologie Die Gesundheitsperspektive fokus- Verteilung und Nutzung der Ressourcen des Konsums», ist Zweck der vorliegen- siert hingegen nur auf bestimmte Varian- im Gesundheitswesen an. den Ausgabe des SuchtMagazin. ten dieser Triade; und zwar ausschliess- Dem Auftrag von Public Health und Schnell wird deutlich, dass eine Re- lich solche, die zu gesundheitlichen Health-in-all-Policies ist inhärent, dass duktion des Verständnisses psychoakti- Problemen führen (können), während sie sich darum bemühen, die Gesund- ver Substanzen auf Rauschgifte, Gefahr, die anderen Formen der Aufmerksam- heitskosten niedrig zu halten und An- Absturz und Sucht zu einfach ist und der keit entzogen und aus dem Diskurs reize für wirksame und kostengünstige Konsumrealität nicht gerecht wird. Die ausgeschlossen werden. Noch stärker Interventionen in jedem Politikfeld zu von Timothy Leary in den 1960er-Jahren wird dieser Blick eingegrenzt, wenn er setzen. Auf einer solchen Basis kann der eingeführte Triade Substanz, Persönlich- auf eine Perspektive reduziert wird, die Konsum von psychoaktiven Substanzen keit und Gesellschaft (Drug, Set, Setting) auf rein epidemiologischen Kenntnissen nur als potentielles Problem wahrge- wird als Analyseraster zur Erfassung die- (sprich: Statistiken) beruht. Auf einmal nommen werden, als ein Risiko für die ser Phänomenologie missbraucht, wenn interessieren dann nur noch Fragen, wie Entstehung von Suchterkrankungen oder ihre Achsen per se mit Gift, Krankheit die Einheiten und Achsen dieser Triade anderen körperlichen und/oder psychi- und schlechtem sozialem Umfeld ver- konfiguriert werden müssten, damit die schen Problemen. Jede Konsumform ist bunden werden; und damit grundsätzlich «öffentliche Gesundheit» verbessert damit potentiell schädlich und als mög- nur mit der Frage, wie diese drei Va- werden kann. licher Kostenfaktor zu verhindern. Heute riablen in ihrem Zusammenspiel Sucht- geltende Public Health Strategien, aber problematiken und Gesundheitsprob- Public Health I: Konsum als Risiko auch die medizinische Diagnostik, kön- leme herbeiführen. Vielmehr ist dieses Public Health kümmert sich um die Ver- nen den Konsum psychoaktiver Substan- Konzept mittels Studien über Konsum- besserung der öffentlichen Gesundheit zen oft ausschliesslich als Pathologien erfahrungen mit Psychedelika (v. a. LSD) (Gesundheitsförderung) sowie um die oder zumindest als potentiell schädliche entstanden (Prepeliczay 2019). Leary Krankheitsbekämpfung und legt den Verhaltensweisen wahrnehmen; und die interessierte sich für die Frage, welchen Fokus somit möglichst auf ganze Popu- dazu verwendeten Mittel als gefährlich. 11
PHÄNOMENOLOGIE DES KONSUMS Public Health II: Die vermeintliche Die utilitaristische Perspektive bietet das Individuum mehrere Bedeutungen Unschuld des Utilitarismus insgesamt zwar legitime Möglichkeiten gleichzeitig haben kann: Es verbindet Public Health folgt oft – aber nicht aus- einer Kosten-Nutzen-optimierten-Ge- mit dem Konsum sowohl positive als schliesslich1 – einem «gesundheitsbezo- sundheitsförderung: das grösste Glück auch negative Erfahrungen. genen Utilitarismus» (Rauprich 2008: der grossen Zahl. Das ist prinzipiell nicht Die Menschen praktizieren den 142), d. h. es geht um die beste Gesund- falsch. Allerdings muss man sich bewusst Konsum psychoaktiver Substanzen oder heit der grössten Zahl: Wo investieren sein, dass es sich dabei um einen Selek- exzessiver Verhaltensweisen, weil sie wir wie viel, damit eine möglichst grosse tionsvorgang handelt und dass dieser mit diesen auch positive Erfahrungen Zahl von Menschen davon profitieren für die Nicht-Selektierten (hier: Minder- machen. Sie erzielen damit Heilwirkung, kann? Dieses Prinzip einer utilitaris- heiten, Benachteiligte) Konsequenzen Entspannung, Steigerung von Wohlbe- tischen Nutzenmaximierung kann für hat. Eine utilitaristische Gesundheits- finden, Kreativität, Leistung, kognitive einen grossen Gerechtigkeitsausgleich förderung existiert nicht unabhängig als Freiheit, Entgrenzung, Erkenntniserwei- sorgen, definiert aber gleichzeitig immer etwas «Neutrales», «Übergeordnetes», terung und vieles mehr – der Leadarti- auch Grenzen, weil es jene Menschen «Alternativloses», sondern beruht auf kel von Robert Feustel in diesem Heft benachteiligt, «die das Pech haben, dem politischen Entscheid, die Ressour- zeigt die ganze Breite dieser positiven mehr Ressourcen für einen bestimmten cen nach bewusst definierten Kriterien Konsumphänomenologie auf. Mit dem Nutzen zu benötigen bzw. aus einer be- (also dem utilitaristischen Nutzen) auf Konsum psychoaktiver Substanzen ge- stimmten Menge an Ressourcen weniger aggregierter Ebene zu verteilen. hen immer Erlebnisse einher, von denen Nutzen ziehen zu können» (ebd.: 145). Menschen potentiell einen Gewinn Aus einer utilitaristischen Perspek- Gesundheit ist nicht alles haben. Fast immer geht das gut, das «Eli- tive lässt sich bspw. leicht argumen- Die Anerkennung von Sucht als Abhän- xier» trägt zum gelingenden Leben bei, tieren, dass es sinnvoller sei, die finan- gigkeitserkrankung ist essentiell. Aber nur wenige Menschen entwickeln grös- ziellen Mittel der Schadensminderung begegnen wir aus einer ausschliesslich sere Probleme. für die Tabakprävention zu verwenden, gesundheitsorientierten Perspektive den Die Ambiguität wird bewusst in Kauf weil mit der gleichen Menge an Mitteln Konsumphänomenen nicht sehr einseitig genommen: Obwohl der Konsum poten- der allgemeine Gesundheitszustand der und lassen damit wichtige Aspekte der tiell gesundheitsschädlich sein kann, Bevölkerung stärker verbessert werden Konsumrealität weg? Was bedeutet es werden die positiven Erfahrungen als kann, als für teure Einzelfälle oder im für unseren Umgang mit psychoaktiven bedeutender betrachtet als die poten- Bereich anderer Substanzen (z. B. in der Substanzen, wenn Public-Health Denk- tiellen Risiken. Ambiguität heisst nicht Heroinverschreibung). Der mögliche ansätze handlungsleitend werden? Ambivalenz, geht also nicht unbedingt Preis dafür wäre dann, dass bestimmte, Der Umgang mit menschlichen Ver- mit einer inneren Zerrissenheit einher, gerade bedürftigere und sozial schwä- haltensweisen, die mehrdeutig und viel- sondern die Risiken werden zugunsten chere Bevölkerungsgruppen nicht mehr fältig sind und die gesamte Gesellschaft von positiven Erfahrungen bewusst in die notwendige Unterstützung erhalten betreffen, kann nicht einseitig über den Kauf genommen. Die Massnahmen der (z. B. Menschen mit einer Heroinab- Handlungsstrang Gesundheit und de- Schadensminderung sind hier ein gutes hängigkeit). Mit utilitaristischem Kalkül ren ExpertInnen definiert werden. Wir Beispiel. Ihr Ziel ist ja gerade, einen Kon- könnte man in Bezug auf dieses Beispiel sind in diesem Spannungsfeld in einem sum zu ermöglichen mit möglichst klei- noch einen Schritt weitergehen: Das gemeinsamen Lern- und Entwicklungs- nem und möglichst bekanntem Risiko. Geld aus der Schadensminderung soll prozess gefordert, einen Weg zu finden, Sie versucht, einen rationalen Umgang nicht einfach pauschal in die Tabakprä- der auf der einen Seite zur erfolgreichen mit Ambiguität zu ermöglichen. vention verlagert, sondern auf eine Ziel- Umsetzung von Public Health Strategien Der Konsum psychoaktiver Subs- gruppe angewendet werden, bei der der beiträgt und Suchterkrankungen verhin- tanzen an sich kann damit nicht nur als grösste Nutzen zu erwarten ist, die also dert, andererseits aber auch allen Men- (gesundheits-)gefährdend eingestuft sensibel auf Gesundheitsinformationen schen grundsätzlich ermöglicht einen werden. Aus einer kritischen Perspektive reagiert (z. B. Bildungsprivilegierte). Auf selbstgewählten Umgang mit psychoak- werden deshalb folgende Hypothesen in diese Weise würden Massnahmen der tiven Substanzen und ihren Wirkungen den Raum gestellt: Public Health sogar soziale Ungleichheit zu suchen und zu finden; und zwar auch – Eine Public Health Strategie, welche vergrössern. unter der Voraussetzung, dass der Wert die für die Menschen gewinnbringen- Das Beispiel zeigt: Orientiert sich Gesundheit weniger stark gewichtet wird den Eigenschaften des Substanzkon- Public Health in ihren Gerechtigkeitsur- als andere Werte. sums nicht im Auge behält, greift zu teilen am utilitaristischen Nutzen, kann kurz, mag sie noch so sehr das Gute mitunter kein plausibles Kriterium ge- Die Realität: Ambiguität der Kon- wollen. funden werden, welches das vermeidbare sumphänomene – Das Primat der Gesundheitswissen- Leiden einer Minderheit verbietet, wenn Mit der Ambiguität der Konsumformen schaften bei der Regulierung des die Population gesamthaft davon profi- ist ihre Mehrdeutigkeit gemeint (Bauer Konsums verhindert einen mögli- tiert (Bittlingmayer & Ziegler 2012: 21). 2018: 13), dass also der Konsum für cherweise gewinnbringenden, diffe- 12
SUCHTMAGAZIN 03/2020 renzierten und vielfältigen Einsatz betrachtet, besetzt Ambiguitätsintole- Wir müssen anerkennen, dass der psychoaktiver Substanzen im risiko- ranz immer eine Seite des Pols. In einer Mensch neben dem Bedürfnis nach armen Bereich. ambiguitätsintoleranten Gesellschaft Gesundheit und Unversehrtheit auch – Die oberste Maxime Gesundheit kann erhält eine einzige Funktion das Primat nach spirituellen, freiheitlichen, psyche- für einige, vielleicht auch viele Men- gegenüber allen anderen potenziellen delischen, leistungsorientierten oder schen ein Mittel zum gelingenden Le- Funktionen. Hinsichtlich psychoaktiver entgrenzten Lebenserfahrungen strebt. ben sein, aber nicht ausschliesslich. Substanzen kann man ein Ambiguitäts- Um den Menschen gerecht zu werden, Wer nur in Kategorien der Gesund- kontinuum zwischen den Polen «Kon- müssen diese Motive bei der Regulierung heit, der Gefahr und der Sicherheit sumverzicht» und «Sucht» aufspannen: psychoaktiver Substanzen in unserer Ge- denkt, erstarrt. Zu einer gelingenden Ist mit dem Pol Verzicht die alleinige sellschaft mitgedacht werden.3 Lebensführung tragen auch andere, Unterordnung unter das Primat der Ab- Public Health Strategien engen uns potentiell riskantere Verhaltens- stinenz und damit Autoritäten aus der und unser professionelles Handeln ein. weisen bei. Gerade sie – denkt man Welt des Gesundheitswesens oder der Gesundheit als alleiniges Kriterium an die Überwindung von Gefahren, Moral verknüpft, so ist der Pol Sucht mit guten Lebens verhindert den konstruk- Grenzverschiebungen, Entwicklung, potentiellem Gesundheits-, Welt- und tiven Einsatz und Umgang mit diesen Unabhängigkeit, Sorglosigkeit und Kontrollverlust verknüpft. Die Ambigui- Substanzen. Gutes Leben heisst, eine Leichtigkeit – unterstützen Entwick- tät nimmt aber beide Pole in den Blick Vielfalt von Erfahrungsmöglichkeiten lungen. und bringt sie miteinander in Verbin- zuzulassen. dung. Es wussten schon die alten Griechen: Aushalten und Verhandeln von Am- Was also ist aus dieser Sicht zu tun? «Wenn die Macht sich keinen Zweck biguität Zwischen dem Primat Verzicht/Absti- gibt, der über sie hinausreicht, wenn ihre «Es ist […] nicht einfach, einen Zustand nenz, dem Kontrollverlust und der Welt- Gesetze nicht auf das gute Leben der der Ambiguität aufrechtzuerhalten, weil flucht spannt sich in der Sucht ein Feld Bürger ganz allgemein gerichtet sind, wie Menschen ihrer Natur nach nur be- auf, in dem eine Vielzahl von Konsum- auch immer es aussehen mag, dann gibt schränkt ambiguitätstolerant sind und motiven und -zielen möglich werden. es keine Politik und kann es auch keine eher danach streben, einen Zustand der Es gilt, die Ambiguität zu tolerieren, zu Demokratie geben» (Perikles 431/30 v. Eindeutigkeit herzustellen, als Vieldeu- erhalten und für die freie Wahl auf der Chr., zit. in Zagrebelsky & Schmitt 2017: tigkeit auf Dauer zu ertragen» (Bauer Achse des Kontinuums zu kämpfen. 5). 2018: 19). Das Aushalten von Ambigui- tät und damit der Mehrdeutigkeit des Konsumphänomenologie jenseits Konsums ist eine Herausforderung für des Gesundheitsdiskurses Literatur Bauer, T. (2018): Die Vereindeutigung der Welt: die Gesellschaft (ihre Institutionen) und Will man die Vielfalt des Konsums im über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Viel- das Ich, die beide stets nach Stabilität, Blick behalten, sind Suchtfachleute gut falt. Ditzingen: Reclam. Sicherheit und Gewissheiten rufen. In beraten, die Regulierung der psychoak- Bittlingmayer, U./Ziegler, H. (2012): Public-He- letzter Zeit sind Stimmen laut geworden, tiven Substanzen nicht ausschliesslich alth und das gute Leben: Der Capabili- ty-Approach als normatives Fundament die für verschiedene Herausforderungen einer gesundheitspolitischen Perspektive interventionsbezogener Gesundheitswissen- besondere Massnahmen einfordern. Es zu überlassen. Vielmehr muss bedacht schaften? 2012-301. Berlin: Wissenschafts- wird gewünscht, dass per Dekret regiert werden: zentrum Berlin für Sozialforschung. werden solle, dass ExpertInnenmei- – Substanzkonsum ist mehrdeutig, Domenig, D./Cattacin, S. (2015): Sind Drogen gefährlich? Gefährlichkeitsabschätzungen nungen rasch und ohne demokratische kann negative und positive Wirkun- psychoaktiver Substanzen. Genève: Institut Legitimation umgesetzt werden. In Aus- gen sowie Funktionen haben. de recherches sociologiques. nahmesituation und damit einhergehend – Potentielle Gesundheitsrisiken wer- EKSF – Eidgenössische Kommission für Sucht- sind ausserordentliche Massnahmen den zugunsten positiver Wirkungen fragen (2019): 10 Jahre Betäubungsmittelge- setz BetmG. Überlegungen für die Zukunft. notwendig. Wir sehen dies bspw. in der bewusst in Kauf genommen. https://tinyurl.com/y8agam8m, Zugriff Diskussion der Klimafrage und sahen – Substanzkonsum ist nicht immer und 04.06.2020. dies teilweise auch in der Lösung der vor allem nicht nur ausschliesslich EWS – Expertengruppe Weiterbildung Sucht Folgen des unkontrollierten Umgangs aus gesundheitlicher Perspektive re- (2014): SuchtAkademie. Konsumkompetenz zwischen individueller und kollektiver Ver- mit psychoaktiven Substanzen. Alle levant, sondern bietet den Menschen antwortung. https://tinyurl.com/y7q5mwhj, emotional aufgeladenen Themen können Perspektiven und Erfahrungsmöglich- Zugriff 04.06.2020. so eine Eigendynamik erlangen. keiten jenseits der Dimension von Prepeliczay, S. (2019): Freizeitgebrauch von Ambiguität und damit Vielfältigkeit Gesundheit und Krankheit. LSD und Psilocybin-Pilzen. S. 511-29 in: R. Feustel/H. Schmidt-Semisch/U. Bröckling aber werden verhindert, wenn einem – Zur Erlangung von Konsumkompe- (Hrsg.), Handbuch Drogen in sozial- und kul- Phänomen nur eine einzige oder aber tenz braucht es mehr als eine alleini- turwissenschaftlicher Perspektive. Wiesba- gar keine Bedeutung zugeschrieben wird ge Orientierung an Gesundheit und den: Springer. (Bauer spricht dann von Gleichgültig- Krankheit und somit mehr als die Public Health Schweiz (2003): Leitbild Public Health Schweiz. https://tinyurl.com/y7gz- keit, ebd.: 36). Auf einem Kontinuum Fähigkeit, die eigene Gesundheit zu gaef, Zugriff 04.06.2020. erhalten.2 13
Rauprich, O. (2008): Utilitarismus oder Kommu- Einen ganz anderen normativen Zugang problematischen Konsums vorzubeugen, nitarismus als Grundlage einer Public-He- zu Public Health bieten übrigens Ansätze ohne die risikoarm konsumierende Bevöl- alth-Ethik? Bundesgesundheitsblatt 51: des egalitären Liberalismus, wie z. B. die kerung unnötig einzuschränken, muss der 137-150. Gerechtigkeitstheorie von John Rawls oder Umgang mit psychoaktiven Substanzen Steuergruppe der drei Eidg. Kommissionen der Capability-Approach nach Amartya Senn geregelt werden» (Domenig & Cattacin 2015: für Alkoholfragen, für Drogenfragen und für und Martha Nussbaum. Vgl. dazu ausführlich 96). Und die Eidgenössische Kommission für Tabakprävention (2010): Herausforderung Bittlingmayer und Ziegler (2012). Suchtfragen ESKF verlangte in ihrem Bericht Sucht. Grundlagen eines zukunftsfähigen 2 Vgl. im Gegensatz dazu das Dokument Sucht- 10 Jahre Betäubungsmittelgesetz BetmG, Politikansatzes für die Suchtpolitik in der Akademie. Konsumkompetenz zwischen Überlegungen für die Zukunft (2019: 33): Schweiz. Kurzfassung. https://tinyurl.com/ individueller und kollektiver Verantwortung «Das derzeitige BetmG mit dem Fokus auf yasmeg9t, Zugriff 04.06.2020. (EWS 2014). Dort wird Konsumkompetenz illegale Substanzen muss in ein kohärentes Tanner, J. (2009): «Doors of perception» versus hauptsächlich auf die Fähigkeit reduziert, Bundesgesetz überführt werden, das alle «Mind control». Experimente mit Drogen «das Konsumverhalten so zu gestalten, psychoaktiven Substanzen und potentiell zwischen kaltem Krieg und 1968. S. 340-372 dass die eigene körperliche, geistige und abhängig machenden Verhaltensweisen ein- in: B. Griesecke/M. Krause/K. Sabisch (Hrsg.), soziale Gesundheit, aber auch die Gesund- bezieht» (2019: 33). Dabei muss die Gesetz- Kulturgeschichte des Menschenversuchs im heit des Umfelds erhalten wird» (ebd.: 5). gebung den Fokus auf die Konsumpraxis, die 20. Jahrhundert. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Entsprechend heisst es auch: «Der Begriff Schadensminderung sowie die Gesundheits- Zagrebelsky, G./Schmitt, C. (2017): Gegen die der Konsumkompetenz ist den Leitlinien des förderung legen statt auf die Abstinenz. Die Diktatur des Jetzt: Gründe für ein Gespräch Public-Health-Ansatzes verpflichtet» (ebd.). EKSF stellt in diesem Papier auch mögliche über Mittel und Zweck. Berlin: Matthes & 3 Als Weg zu einer pluralistischen Politik Zukunftsszenarien zur Diskussion. Neben ei- Seitz. der psychoaktiven Substanzen hat die ner Cannabisrevision und einer Totalrevision, Steuergruppe Herausforderung Sucht wird die Aufhebung des BetmG in der heuti- Endnoten (Steuergruppe der drei Eidg. Kommissionen gen Form vorgeschlagen. Wobei der Umgang 1 Wir wollen damit nicht behaupten, dass für Alkoholfragen, für Drogenfragen und mit psychoaktiven Substanzen und abhängig im Public Health Bereich Interventionen für Tabakprävention 2010) eine kohären- machenden Verhaltensweisen im Rahmen grundsätzlich und immer nach utilitaristi- te Suchtpolitik und die Orientierung am von anderen schon bestehenden Gesetzen schen Gesichtspunkten begründet werden. Schädlichkeitspotential gefordert. Die Eidg. geregelt wird. Zusätzlich sollen geeignete Doch uns scheint, dass dieser Ansatz zu oft Kommission für Drogenfragen forderte: «Um Regulierungsmodelle geprüft werden. noch als «Alternativlos» behauptet wird. gesundheitlichen und sozialen Folgeschäden 14
Lieferbare Nummern Bestellungen 2020 2019 2018 abo@suchtmagazin.ch Alle verfügbaren Ausgaben 1 Rituale 1 Wohnen, Wohnungsnot, Sucht 1 Human Enhancement finden Sie unter 2 Frau und Sucht 2 Digitalisierung 2 Verhalten und Sucht www.suchtmagazin.ch 3 Phänomenolgie des Konsums 3 Arbeit am Sozialen 3 Vulnerable Jugendliche 4 Genetik 4 Lebenskompetenzen 5 Sucht im Alter 5 Chancengleichheit 6 Schadensminderung, Sucht- 6 Rauchstopp, Digitalisierung, politik, Suchthilfe konkret Prävention 2017 2016 2015 1 Freizeit 1 Rückfälle 1 Kooperation 2 Suchthilfe im deutsch- 2 Sterben und Tod 2 Aufwachsen heute sprachigen Raum 3 Gesundheitsförderung 3 Qualität (Doppelnummer 2&3/2017) 4 Internationale Suchtpolitik 4 Selbst- vs. Fremd- 4 Alkohol 5 Behandlung verantwortung 5 Diversität 6 Sport, Soziale Arbeit, 5 Suchthilfe und Polizei 6 Konsum, Prävention, Motivational Interviewing, 6 Häusliche Gewalt, Wirksamkeit, Behandlung Alkoholabgabe Prävention Impressum Erscheinungsweise Abonnemente Redaktionsleitung Layout 6 Ausgaben pro Jahr, 46. Jahrgang abo@suchtmagazin.ch Marcel Krebs Roberto Da Pozzo www.suchtmagazin.ch Druckauflage Jahresabonnement Redaktionskomitee Druck/Vertrieb 1000 Exemplare CHF/€ 90.– Toni Berthel, Rainer Frei, Stefanie Werner Druck & Medien AG Knocks, Marianne König, Marc 4001 Basel Unterstützungsabonnement Marthaler, Markus Meury, Corina Kontakt CHF/€ 120.– Salis Gross Redaktion, Marcel Krebs, Bankverbindung Telefon +41 (0)62 957 20 91, Kollektivabonnement Gesundheitsstiftung Radix, info@suchtmagazin.ch, (ab 5 Exemplaren) Gestaltung Infodrog, CH-8006 Zürich, www.suchtmagazin.ch CHF/€ 70.– Marcel Krebs, Toni Berthel, Silvia PostFinance, Mingerstrasse 20, Gallego CH-3030 Bern Einzelnummer Kto-Nr. 85-364231-6 Herausgeber Print: CHF/€ 18.– (exkl. Porto) IBAN CH9309000000853642316 Infodrog, Eigerplatz 5, PDF: CHF/€ 15.– Rubrik «Fazit» BIC POFICHBEXXX CH-3007 Bern Sucht Schweiz, Clearing: 09000 fazit@suchtschweiz.ch Kündigungsfrist Sabine Dobler, Gerhard Gmel, Inserate 1 Monat, Kündigung jeweils Markus Meury, Monique Port- ISSN www.suchtmagazin.ch/inserate auf Ende Kalenderjahr ner-Helfer, Stephanie Stucki 1422-2221 info@suchtmagazin.ch Lektorat Inserateschluss Ausgabe 4/2020 Marianne König, Sandra Bärtschi 25. Juli 2020 Gabriele Wolf
Kommende Schwerpunkte Nr. 4/2020 — Jugendliche Inserateschluss: 25. Juli 2020 erscheint im August 2020 Nr. 5/2020 — Die Klientel der Suchtarbeit Inserateschluss: 25. September 2020 erscheint im Oktober 2020 Nr. 6/2020 — Aktuelle Themen Inserateschluss: 25. November 2020 erscheint im Dezember 2020 Redaktion & Inserate info@suchtmagazin.ch www.suchtmagazin.ch/inserate Abonnemente abo@suchtmagazin.ch www.suchtmagazin.ch
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