Photovoltaik Technologie-Roadmap Teil 2 - Nachhaltig ...
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Photovoltaik Technologie-Roadmap Teil 2 Potenziale und Technologie-Entwicklungsbedarf für Photovoltaik in den Sektoren Gewerbe/Industrie – Mobilität – Landwirtschaft – Gebäude/Städte Hubert Fechner, Maximilian Rosner, TECHNIKUM WIEN GmbH Christoph Mayr, Marcus Rennhofer, Astrid Schneider, AIT-Austrian Institute of Technology Gerhard Peharz, JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH Berichte aus Energie- und Umweltforschung 27/2018
Impressum Eigentümer, Herausgeber und Medieninhaber: Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Radetzkystraße 2, 1030 Wien Verantwortung und Koordination: Abteilung für Energie- und Umwelttechnologien Leiter: DI Michael Paula Liste sowie Downloadmöglichkeit aller Berichte dieser Reihe unter http://www.nachhaltigwirtschaften.at
Photovoltaik Technologie-Roadmap Teil 2 Potenziale und Technologie-Entwicklungsbedarf für Photovoltaik in den Sektoren Gewerbe/Industrie – Mobilität – Landwirtschaft – Gebäude/Städte Hubert Fechner, Maximilian Rosner, TECHNIKUM WIEN GmbH Christoph Mayr, Marcus Rennhofer, Astrid Schneider, AIT-Austrian Institute of Technology Gerhard Peharz, JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH Wien, November 2018 Ein Projektbericht im Rahmen der Programmlinie Impulsprogramm Nachhaltig Wirtschaften Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie
Vorwort Um die Ziele der Klima- und Energiestrategie #mis- sion2030 zu erreichen und ein zukunftsfähiges, kli- maverträgliches Energiesystem zu etablieren, müs- sen wir erneuerbare Energien umfassend ausbauen und die Energieeffizienz weiter steigern. Bis 2030 soll die Stromversorgung zu 100% aus erneuerbaren Quellen stammen. Bei der Zielerreichung spielen Forschung und Innovation eine essenzielle Rolle – die Photovoltaik-Technologie zählt dabei zu einem © BMVIT wichtigen Entwicklungsstrang und wesentlichen Bestandteil der neuen Energiewelt. Sie liefert hoch- Norbert Hofer wertige elektrische Energie, ist wartungsarm und Bundesminister für lässt eine Doppelnutzung bei verbauten Flächen Verkehr, Innovation zu. Seien es Elektrofahrzeuge in der Mobilität, Wär- und Technologie mepumpen im Wärmebereich oder rasant anstei- gende Serverleistung im Kommunikationsbereich, der Strombedarf sowie seine Anwendungsbereiche steigen deutlich. Mit diesen großen Herausforderungen sind auch beachtliche Chancen in der Technologieentwick- lung verbunden. Seit einiger Zeit wandelt sich die Photovoltaik von einer Randtechnologie zu einem wichtigen Teil in der Stromversorgung. Zu diesem Wandel tragen auch österreichische Unternehmen und Forschungseinrichtungen bei und sind dabei weltweit hervorragend positioniert. Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie hat in diesem Zusammenhang die Pho- tovoltaik Technologie-Roadmap beauftragt. Im ers- ten Teil der Roadmap wurde die mögliche Rolle der Photovoltaik in einem bis 2050 vollständig dekarbo- nisierten Energieszenario Österreichs beleuchtet. Der vorliegende zweite Teil der Roadmap zeigt auf, welche Potenziale und welcher Technologieentwick- lungsbedarf für die verschiedenen Sektoren – Ge- werbe/Industrie, Mobilität, Landwirtschaft sowie Gebäude/Städte – bestehen. In vielen Teilbereichen dieser Sektoren hat Österreich bereits seit vielen Jahren Weltmarktführerschaften und eine hervor- ragende Ausgangsposition. Diese gilt es weiterhin durch ein koordiniertes Zusammenspiel von For- schung, industrieller Entwicklung und Forschungs- administration zu stärken. Photovoltaik Technologie-Roadmap Teil 2 5
Inhaltsverzeichnis Einleitung 10 Photovoltaik in Industrie und Gewerbe 16 2.1 Einleitung 16 2.2 Energieaufkommen in Industrie und Gewerbe 16 2.3 Ausgangslage und Nutzen der Photovoltaik in Industrie und Gewerbe 17 2.4 Potenziale der Photovoltaik für Industrie und Gewerbe 18 2.5 Herausforderung für die Anwendung von Photovoltaik in Industrie und Gewerbe 20 2.6 Forschungsbedarf für Photovoltaik in Industrie und Gewerbe 21 2.7 Chancen für die österreichische Technologie- und Innovationslandschaft 23 Photovoltaik in der Mobilität 26 3.1 Einleitung 26 3.2 Nutzen der Photovoltaik in der Mobilität 28 3.3 Potenziale der Photovoltaik in der Mobilität 35 3.4 Herausforderungen für die Anwendung von Photovoltaik in der Mobilität 36 3.5 Forschungsbedarf für Photovoltaik in der Mobilität 39 3.6 Chancen für die österreichische Innovations- und Forschungslandschaft 41 6
Photovoltaik in der Landwirtschaft 44 4.1 Trends in der Landwirtschaft 44 4.2 Ausgangslage der Photovoltaik in der Landwirtschaft 45 4.3 Potenziale der Photovoltaik in der Landwirtschaft 47 4.4 Herausforderungen für die Anwendung der Photovoltaik in der Landwirtschaft 53 4.5 Forschungsbedarf für Photovoltaik in der Landwirtschaft 58 4.6 Chancen für die österreichische Technologie- und Innovationslandschaft 59 Photovoltaik in Gebäuden und Städten 62 5.1 Trends von Photovoltaik in Gebäuden und Städten 62 5.2 Energieaufkommen in Gebäuden und Städten 63 5.3 Ausgangslage der Photovoltaik in Gebäuden und Städten 65 5.4 Potenziale der Photovoltaik in Gebäuden und Städten 68 5.5 Herausforderungen für die Anwendung von Photovoltaik in Gebäuden und Städten 69 5.6 Innovations- und Forschungsbedarf für Photovoltaik in Gebäuden und Städten 72 5.7 Chancen für die österreichische Technologie und Forschungslandschaft 76 Schlussfolgerung 77 Notizen 78 Literaturverzeichnis 80 Photovoltaik Technologie-Roadmap Teil 2 7
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Einleitung © Fronius International GmbH
Einleitung 15 Gigawatt bis 2030 erneuerbaren Strom bis 2030 und einem nahezu völ- ligen Ausstieg aus der fossilen Energie bis 2050 wurde 30 Gigawatt bis 2050 in Roadmap Teil 1 die notwendige Rolle der Photovol- taik skizziert und die Realisierbarkeit eines Anteiles von bis zu 27% am Stromaufkommen diskutiert. Auf- Keine Stromerzeugungstechnologie weist in Öster- grund des deutlich steigenden Anteiles des Stromes reich ein derart hohes Potenzial für einen weiteren an der Energieversorgung sind bis 2030 etwa 15 GW Ausbau auf wie die Photovoltaik (PV). Nationale und bis 2050 etwa 30 GW Photovoltaik erforderlich. Klima- und Energieziele sind nur zu erreichen, wenn Photovoltaik eine der zentralen Säulen im Energie- Die Technologie der Photovoltaik erfuhr in den letzten system bildet. Photovoltaik liefert hochwertige elekt- Jahren einen Wandel von einer Randtechnologie zu rische Energie, ist wartungsarm, langlebig und führt einem wichtigen Akteur in der Energieversorgung. verbaute Flächen einer Doppelnutzung zu. 1985 waren erst einige Kilowatt PV weltweit instal- Überdies ist global ein deutlicher Trend zu verstärk- liert, erste gesicherte Daten existieren für 1992, wo ten Stromanwendungen zu erkennen: In der Mobilität weltweit etwa 44 MW Photovoltaik installiert wa- steigt der Bedarf an elektrischer Energie durch ver- ren [IEA-PVPS Trends Report 1993]. Ende 2017 sind stärkten Einsatz von Elektrofahrzeugen, im Wärme- etwa 400.000 MW Photovoltaik weltweit installiert bereich durch verstärkte Nutzung von Wärmepum- [IEA-PVPS Snapshot Report 2018], was etwa einem pen, aber auch im Bereich der Kommunikation durch Drittel der weltweit installierten Wasserkraftkapa- stark steigende Serverleistungen. Überdies müssen zität entspricht; 2017 wurde die weltweit installierte Kapazitäten ersetzt werden, die durch das Abschalten Kapazität an Kernkraftwerksleistung übertroffen. von Kohle- und Atomkraftwerken wegfallen. Bei anhaltendem Trend wird Photovoltaik damit in Die „Photovoltaik Technologie-Roadmap Teil 1“ hatte 5–10 Jahren die meist installierte erneuerbare Kraft- das Ziel, die mögliche Rolle der Photovoltaik in einem werkskapazität sein und auch die sich dynamisch bis 2050 vollständig erneuerbaren Energieszenario entwickelnde Windkraft überholen [GWEC 2017]. Österreichs aufzuzeigen. Dieser Zeitraum und der Bei der erzeugten Jahresenergiemenge liegt die Pho- Ansatz des 100%-Erneuerbaren-Szenarios leiten sich tovoltaik aufgrund der geringeren Volllaststunden aus dem 2-Grad-Klimaziel ab, zu dem sich die öster- freilich noch zurück. Aktuell decken mindestens reichische Regierung im COP-21-Klimaabkommen 22 Staaten mit ihrer installierten Kapazität bereits von Paris 2015 verpflichtet hat; dieses sieht eine etwa mehr als ein Prozent ihres Strombedarfs mit Photo- 85-prozentige Reduktion der CO2 Emissionen bis voltaik [REN21 2016]. Ein wesentlicher Faktor dafür 2050 vor. Die EU-Kommission hat in ihrem „Fahrplan ist die Entwicklung der Stromgestehungskosten, wel- für den Übergang zu einer wettbewerbsfähigen CO2- che heutzutage zumindest im Bereich jener von fos- armen Wirtschaft bis 2050“ Wege skizziert, die zu silen Stromerzeugern liegen, bzw. in sonnigen Regio- einem 80–95-prozentigen CO2 Rückgang gegenüber nen bereits deutlich darunter; alles deutet darauf hin, 1990 führen sollen, wobei der Stromsektor bis 2030 dass Photovoltaik mittelfristig die absolut günstigste CO2-frei sein wird. Ausgehend von dem Ziel 100% Stromerzeugungsart wird [Agora 2015]. 10
Eine beschleunigte Verbreitung der Photovoltaik wird erwartet, wenn folgende techno-ökonomische Schwellwerte über- bzw. unterschritten werden: Wenn die Erzeugungskosten der Photovoltaik unter den ENDKUNDENSTROMPREIS fallen und der PV-Strom zum größten Teil zur Eigenversorgung herangezogen wird; die Kostenparität wurde im Haushaltsbereich in Österreich bereits vor eini- gen Jahren erreicht, im Industriebereich, aufgrund der geringeren Industriestrompreise, jedoch meist noch nicht. Wenn die Erzeugungskosten unter den ENERGIEMARKTPREIS fallen, wird die Energiebereitstellung für sämtliche Anwen- dungen konkurrenzfähig zu fossilen Energieträgern Wenn die QUADRATMETERPREISE für bauwerkintegrierte Photovoltaik unter die Preise von Fassaden - und Dachelemen- ten fallen, ebenso z.B.: bei Schallschutzelementen, werden diese Anwendungen als gleichwertige Bauprodukte betrach- tet (wobei sie darüber hinaus immer den Zusatznutzen der Stromerzeugung haben). Wenn die Kosten für in Fahrzeuge integrierte Photovoltaik geringer sind als die Strafzahlungen der Automobilindustrie aufgrund zu hoher CO₂-Emissionen (95 g pro km). Wenn durch Photovoltaikinstallation an den Hüllflächen von Elektro-PKW oder Elektro-LKW eine REICHWEITENSTEIGERUNG erzielt wird, die Tankzeiten deutlich verringert oder im Idealfall sogar vermieden werden; dies wird für typische PKW-Tages- reichweiten von 30 km von ersten Prototypen bereits angestrebt (z.B.: sonomotors.com). Weitere treibende Faktoren für den Einsatz von Photovoltaik sind u.a.: Wenn Photovoltaik Voraussetzung für die Erreichung von Zielvorgaben ist (z.B. Gebäuderichtlinie, Nachweise des Besitzes einer PV-Anlage bzw. der Nutzung von erneuerbarem Strom bei der Förderung von E-Mobilität in Österreich). Wenn durch Photovoltaik die Netzstabilität erhöht wird, was besonders in schwachen Stromnetzen zusehends Thema wird. Wenn Photovoltaik (z.B. in der Architektur) optische und funktionale Effekte ermöglicht, die mit anderen Elementen nicht erzielbar sind. Wenn verstärkt positive Sensibilisierung/Bewusstseinsbildung für Umweltthemen durch den Einsatz von Photovoltaik erzielt wird („Öko-Image“). Wenn durch Photovoltaik (in Kombination mit Speichern und oft auch in Kombination mit anderen dezentralen Erneuerbaren) Bestrebungen zur Energieunabhängigkeit unterstützt werden, die sowohl im Privatbereich als auch im Bereich der öffentli- chen Sicherheit vorhanden sind. Photovoltaik Technologie-Roadmap Teil 2 11
Internationale Trends in der Photovoltaik-Technologie zur Kostensenkung Schon heute sind die Kosten bei Großanlagen in einem Bereich von 30% durch: • Entwicklung und Einsatz hocheffizienter Solarzelltechnologien (Multi-Junction) • Verbesserung der Lichtnutzung im Modul bzw. Reduktion der optischen Verluste • Optimierung der elektrischen Verschaltung und Minimierung elektrischer Verluste • Verringerung der Kosten auf < 30 €/m² durch: • Reduktion des Materialeinsatzes (z.B. dünnere Gläser) • Substitution von teuren Materialien (z.B. Silber durch Kupfer ersetzen) • Erhöhung der Produktivität bestehender Produktionsanlagen • Reduktion des Energieverbrauchs bei der Produktion • Erhöhung der Produktionsgeschwindigkeit von Photovoltaikmodulen mittel Rolle-zu-Rolle-Verfahren • Implementierung kostengünstiger Produktionsprozesse (z.B. gedruckte elektrische Verschaltungen) • Garantierte Lebensdauer > 30 Jahre • Verbessertes Verständnis über Alterungsmechanismen in unterschiedlichen Einsatzumgebungen • Einsatz robusterer Materialien • Reduktion der Balance-of-System-Kosten: • Montagesysteme für eine schnelle und kostengünstige Installation von PV-Systemen (Vormontage, Plug-and-Play, Easy-to-Install) • Entwicklung von Leichtbaumodulen • Reduktion des Materialaufwandes im PV-System (z.B. bei Kabellängen, Stecker, Haltevorrichtungen) • Reduktion der Kosten für Wechselrichter • Standardisierungsaktivitäten • Harmonisierung von Anforderungen an Produkte, Systeme und Anwendungen • Anpassung an neueste Technologieentwicklungen • Erhöhung des Gestaltungs- und Designfreiraums • Forschung und Entwicklung zu gefärbten PV-Elementen bzw. PV-Elementen mit beliebigen Formfaktoren • Alternative bzw. „Easy-to-Install”-Montagesysteme 1 Bundesnetzagentur [BNetzA]; Ausschreibung für Solarenergie zum Gebotstermin 1. Februar 2018; Die im Gebotspreisverfahren ermittelten Zuschläge lagen zwischen 3,86 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) und 4,59 ct/kWh (Vorrunde 4,29 bis 5,06 ct/kWh), der durchschnittliche, mengengewichtete Zuschlagswert betrug 4,33 ct/kWh (Vorrunde 4,91 ct/kWh). 12
Technologie-Entwicklungen im Photovoltaik-Umfeld intelligente Stromversorgung in der Industrie, die auf als Chancen für österreichische Unternehmen das fluktuierende Angebot aus erneuerbaren Energi- Photovoltaikprodukte und -systeme werden in diver- en mit flexiblen Prozessen reagiert. sen Branchen zunehmend eine größere Rolle spielen: Dazu zählen die Gebäudetechnik, die Halbleiterin- Chancen für die österreichische Technologie- dustrie, die glasverarbeitende Industrie, die Elektro- und Innovationslandschaft Elektronik- und die Kommunikationsbranche, aber Das Regierungsprogramm 2017 [Zusammen 2017] auch die Landwirtschaft sowie der Mobilitätsbereich mit dem Ziel, bis zum Jahr 2030 in Österreich 100% (KFZ- und LKW-Industrie, Fahrzeugzulieferindustrie, erneuerbare Energien in der Stromerzeugung zu Bahnindustrie, Verkehrselektronik, Verkehrsleitsys- erzielen, bietet die Chance für einen Entwicklungs- teme etc.). schub: Der nebenstehende Innovationszyklus zeigt Die Photovoltaik kann überdies als wesentlicher Trei- die Herausforderung und Chance: Ganz oben steht ber für digitale Anwendungen betrachtet werden, als wichtiger Motor für den Innovationszyklus die zumal diese dezentrale Form der Stromgewinnung Zielsetzung einer auf erneuerbaren Energien basie- mittels Kommunikation völlig neue Möglichkeiten renden Energieversorgung. Während das Ziel bereits schafft. Als Beispiel seien Schlagworte wie „Smart mit dem Österreichischen Regierungsprogramm 2017 Buildings“ genannt, aber auch „Smart/Intelligent formuliert ist, bildet ein Energiekonzept die Basis für Roads“, die diverse Straßenzustände übermitteln, konkrete technologiebezogene Forschungsziele und „Smart Agriculture“, die auf Basis von Sensordaten Energieanwendung. landwirtschaftliche Prozesse steuert, oder auch eine Gesamtziel: Dekarbonisierung mit 100% erneuerbarer Energieerzeugung in Abstimmung mit den internationalen Klimazielen Ausbildung, Nationales Bewusstseinsbildung, Energiekonzept Öffentlichkeitsarbeit für 100% Erneuerbare Innovationszyklus 100% Erneuerbare Energie Lokale Demonstratoren, Effektive und Breitentestprogramme, verlässliche Finanzie- Forschungsbegleitpro- rungsmechanismen, um gramme, Unterstützung Langzeitinvestitionen beim Aufbau dieses sicherzustellen Politik Wirtschaftszweiges maßgeblich verstärk- ter Forschungs- und Technologieentwick- lung, Einbeziehung der heimischen Forschung und Industrie in die Abb. 1: Der Innovationszyklus Produkt- und Systement- Quelle: AIT Austrian Institute of Technology wicklung [Schneider 2017] Photovoltaik Technologie-Roadmap Teil 2 13
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Photovoltaik in Industrie und Gewerbe © Fronius International GmbH
Photovoltaik in Industrie und Gewerbe 2.1 Einleitung Photovoltaik wird dazu beitragen, Industrie- und Gewerbebetriebe, die elektrische Ener- gie zu den in der Einleitung genannten geringen CO2-Kosten zu vermeiden und Stromgestehungskosten produzieren und nutzen die Energiekosten am Standort können, hätten einen signifikanten Wettbewerbsvor- von Industrie und Gewerbe zu teil gegenüber jenen, die nach wie vor elektrische Energie primär aus dem Netz zukaufen. Dabei ge- senken. staltet sich die Produktion der elektrischen Energie mittels Photovoltaik einfach, wenn die Gewerbe- und Industriebetriebe über die notwendigen Flächen ver- Elektrische Energie aus Photovoltaik kann dezentral fügen. Eine deutlich größere Herausforderung für die und in nahezu beliebig skalierbarer Weise erzeugt Betriebe stellt die zeitgleiche effiziente Nutzung der werden. Dadurch wird Photovoltaik zukünftig auch eigenproduzierten elektrischen Energie dar. Ziel der eine wichtige Rolle für die Industrie und das Gewerbe Forschung sollte daher sein, die sich bietenden Chan- am Standort Österreich spielen. Darüber hinaus wird cen der Photovoltaiktechnologie möglichst gut nutz- mit dem verstärkten Einsatz von PV in Industrie und bar zu machen, indem diese Technologie innovativ Gewerbe eine Dezentralisierung der Energieversor- in Produktions- und Betriebsprozesse eingebunden gung verbunden sein. Dies stellt einerseits eine Her- wird. Das bedeutet, die Integration von Photovoltaik ausforderung dar, bietet andererseits die Chance zur in die Prozesse und die Betriebsführung von Liegen- Flexibilisierung, die Möglichkeit, Lastspitzen zu ver- schaften, Mobilität und Produktion definiert einen schieben und durch eine größere Kraftwerksanzahl Schwerpunkt des aktuellen Forschungs- und Ent- schließlich auch mehr Ausfallsicherheit zu erreichen. wicklungsbedarfs von Gewerbe und Industrie. 2.2 Energieaufkommen in Industrie und Gewerbe Der Endenergieverbrauch (Primärenergie) Öster- stellung sein soll, müssen in Gewerbe und Industrie reichs betrug 2017 etwa 1121 PJ [BMWFW 2017]; über 42 TWh durch Erneuerbare Energie ersetzt wer- etwa 39% davon wurden von der produzierenden den [BMWFW 2015]. Industrie bzw. dem Dienstleistungsgewerbe in An- spruch genommen. Der Anteil am elektrischen Ener- Insgesamt wird der Bedarf an elektrischer Energie, gieverbrauch (ca. 23 TWh) bei Gewerbe und Industrie auch über die Bereitstellung von Mobilität und Er- war aktuell mit 66% deutlich höher. satz fossiler Energiebereitstellung hinaus, wachsen. Das betrifft besonders auch die Bereitstellung von 40% der Energie in der Produktion werden fossil prozesschemischen Stoffen oder jetzt noch fossil be- durch Kohle, Gas und Öl bereitgestellt. Fast ein Drittel reitgestellten Kohlenwasserstoffen (etwa Wasserstoff ist elektrische Energie, von der aber 25% ebenfalls bei der Stahlverhüttung oder Basisstoffe für petro- fossil bereitgestellt werden. Wenn Erneuerbare Ener- chemisch erzeugte Kunststoffe). gie eine zentrale Säule der zukünftigen Energiebereit- 16
2.3 Ausgangslage und Nutzen der Photovoltaik in Industrie und Gewerbe • Standortsicherung durch Stromkostensenkung • Bereitstellung von Erneuerbarer Energie für Liegenschaften • Thermische Prozesse über Wärmepumpen, elektrische Prozessenergie, Lastspitzenreduktion, Lastverschiebung • Ausgleich von Netzschwankungen • Aktive Maßnahme im Energie-Effizienzgesetz und zur Senkung des CO2-Fußabdrucks • Teilnahme am Energiemarkt • Anlagenamortisation im Bereich 5–8 Jahre Der aktuell bereits in Industrie und Gewerbe erzeugte Hierfür gibt es mittlerweile Best-practice-Beispiele, Photovoltaikstrom wird zum größten Teil in das öf- wo Photovoltaik zur Erzeugung von Strom für Prozes- fentliche Netz gespeist. Die Netzeinspeisung war bis se oder für Beheizung konzipiert wurde. vor kurzem, aufgrund eines attraktiven Fördertarifes Entweder wird der Eigenverbrauch rechnerisch auf- für Einspeisung von Photovoltaikstrom, die rentabels- gewogen, das Netz als Speicher verwendet (wo die te Variante. Einspeisung bilanziell gegen den Bezug aufgerechnet Für neue Installationen wird durch die aktuell niedrigen wird), oder PV wird als Stromquelle für Prozesse Stromgestehungskosten oft auch auf eine möglichst oder Liegenschaftsstrom eingesetzt. Die Amortisa- hohe Eigennutzung hin optimiert. Die beste Option tion wird hier gesamtbetrieblich und über längere hängt dabei stark von der möglichen direkten Ver- Zeiträume betrachtet. wertung des Stromes oder seiner Speicherbarkeit ab. © Fronius International GmbH Abb. 2: Volles Ausnutzen der Betriebsdachflächen für eine Photovoltaikanlage. Photovoltaik Technologie-Roadmap Teil 2 17
2.4 Potenziale der Photovoltaik für Industrie und Gewerbe 2.4.1 Kostensparpotenzial Für Gewerbe und Industrie ist das Potenzial von Das betrifft beispielsweise die Erhöhung der finanzi- PV durch die geringen Stromgestehungskosten defi- ellen Liquidität von Standorten, wenn Liegenschafts- niert. Speziell unter der Annahme, dass mittelfristig strom (z.B. Beleuchtung), Strom für Heizung über die Strompreise bei Netzbezug aufgrund des zuneh- Wärmepumpen oder lokale Mobilität mittels Pho- menden Strombedarfs (z.B. durch Elektromobilität, tovoltaik bereitgestellt wird. So werden nach der Wärmepumpen, IKT …), steigen werden, ermöglicht Investition permanent Betriebskosten für Energie am PV eine signifikante Senkung der Kosten für die Standort reduziert. Bereitstellung von Energie. Nachdem es sich bei Pho- Weiter wird Photovoltaik auch im Rahmen des Ener- tovoltaik um eine erneuerbare Energietechnologie gieeffizienzgesetzes eine zentrale Rolle für Maßnah- handelt, fallen auch keine Kosten für CO2-Zertifikate men zur aktiven CO2-Reduktion darstellen. Das be- an, was speziell für die energieintensive Industrie in- trifft aktive Maßnahmen zur CO2-Senkung alleine teressant ist. Dies trifft in besonderem Maße auf pro- (etwa Errichtung einer Anlage) oder auch im Rahmen duzierende Industrie mit hohem Energieaufkommen von Sanierungsmaßnahmen (etwa thermische Sa- oder prozessimmanenten CO2-Emissionen zu (z.B. nierung von Bauteilen oder Hallen verbunden mit Stahl- oder Petrochemie). aktiver Erzeugung von Energie auf den Liegenschaf- ten). Diese Anwendung birgt für die Industrie auch Photovoltaik kann durch enormes Kostensparpotenzial und Reduktionspoten- zial fossilen Energieeinsatzes und wirkt sich direkt kostengünstige und klar wirtschaftlich aus. kalkulierbare Energiebereit- Aus Sicht der Wirtschaftlichkeit derartiger Lösungen wäre es zudem förderlich, die Besteuerung von pho- stellung schon jetzt und in den tovoltaischer Eigenstromnutzung, die derzeit ab einer kommenden Jahren auch für Größe von 25.000 kWh Jahresverbrauch besteht und 1,5 Cent pro kWh beträgt, ersatzlos zu streichen. energieintensive Unternehmen standortentscheidend sein. 2.4.2 Beispiel regenerativer Erzeugung von Prozessstoffen Bei der Reduktion von Eisenerzen wird bisher primär erstoffmoleküle zerlegt werden. Das bedeutet, sehr Kohle eingesetzt, der Prozess funktioniert jedoch günstiger Strom aus Photovoltaik bietet der Stahlin- prinzipiell auch mit Wasserstoff. Dabei würde bei dustrie das Potenzial die CO2-Emissionen (bzw. Zerti- der Reduktion kein CO2 freigesetzt, sondern Wasser- fikatskosten) zu verringern. Die voestalpine installiert dampf. Wasserstoff lässt sich mittels Elektrolyse von aktuell im Rahmen des EU-Projektes „H2FUTURE“ Wasser gewinnen, indem die Wassermoleküle durch ein 6-MW-Elektrolysemodul [H2future 2018]. elektrischen Energieeinsatz in Wasserstoff und Sau- 2.4.3 Photovoltaik mit Speicherung für Wärmeanwendungen Bei Betrieben, die über einen relativ hohen Wär- gespeichert werden kann. Alle Arten von Speicher- mebedarf (Lebensmittelindustrie, Papierproduktion technologien werden eine wichtige Rolle spielen, um …) verfügen, könnenWärmepumpen mit Photovol- mit der intrinsischen Variabilität der Energiebereit- taikstrom betrieben werden. Optimal ist diese An- stellung umzugehen. wendung, wenn die generierte Wärme zudem gut 18
2.4.4 Weitere Anwendungsmöglichkeiten • Einsatz für Maßnahmen im Energie-Effizienzgesetz • Deckung von Energie für Liegenschaften und Mobilität • Stufenweiser Ausbau hin zu großen Installationszahlen • Bereitstellen von Wärme und Kälte • Bereitstellen von Prozessenergie Neben den oben genannten Potenzialen ergeben sich • Einen weiterführenden Schritt in der Stromerzeu- viele Anwendungsfälle, wo Photovoltaik das Ersetzen gung durch Photovoltaik für Industrie und Gewerbe fossiler Energie, systematische CO2-Reduktionen und stellt die Prozesswärmebereitstellung und Heiz- bzw. das Umstellen von Prozessen auf erneuerbare Ener- Kühlenergie und schließlich Prozessenergie dar; er- gie ermöglicht. Die genannten Themen sind aufbau- möglicht wird dies durch weiter fallende PV-Strom- end gedacht, sodass eine immer höhere Integration gestehungskosten. von Photovoltaik in die Energiebereitstellung von Industrie erreicht wird. Dabei wird für verschiedene • Folgt die Photovoltaik weiter der entsprechenden produzierende Betriebe in Industrie und Gewerbe industriellen Lernkurve, kann das Eintreten von ROI- die Rentabilität für verschiedene Anwendungen zu Fällen (Laufzeiten von unter 5 Jahren) innerhalb der unterschiedlichen Zeiten erreicht werden, z.B. ab- nächsten 10 Jahre vorhergesagt werden2. hängig von ihrem Energiebedarf und ihrer Produk- tionsweise. • Ein großes Potenzial der österreichischen Indus- trie könnte eine konsequente Umsetzung des Ener- • In ersten Schritten vor allem durch hohe De- gieeffizienzgesetzes (EEffG) und das Umsetzen von ckungsgrade in Mobilität und Stromversorgung von weiteren Effizienzmaßnahmen (bzw. Energieaudi- Liegenschaftsgebäuden. Zuerst wird dadurch schon ting) bieten: Es entsteht mehr und mehr Bedarf, Strom eine Einsparung von laufenden Energiekosten für selbst zu erzeugen, selbst zu verbrauchen und gleich- diese Anwendungen im Prozent-Bereich erreicht (z.B. zeitig den Energieverbrauch zu senken. durch Verschiebung von laufenden Kosten in Investiti- Photovoltaik bietet dazu eine kostengünstige und onskosten, bei niedrigem Zinsniveau). sofort umsetzbare Maßnahme. Möglichkeiten, dies effizient und vielfältig anwendbar zu tun, müssen • Werden in einem Stufenplan immer weitere PV- aber noch untersucht und entwickelt werden. Anlagen errichtet, kann ein dauerhafter wirtschaftli- che Vorteil erreicht werden, da schon früh die Vorteile der Eigenstromerzeugung und der Energieeinspa- rung sowie CO2-Reduktion zum Tragen kommen. 2 Unter der Annahme von 3–4 ct/kWh Nettostrompreis und 4–5 ct /kWh Abgaben folgt eine ROI für Anlagen in 5 Jahren mit einem Ertrag von 950 kWh/kWp frühestens unter 330–430 EUR je kWh Investitionskosten, in 8 Jahren frühestens unter 530–680 EUR je kWp Investitionskosten. Diese Werte verbessern sich, falls andere Kosten für die Prozesse gegengerechnet werden können (Bereitstellung, Transport, Wartung etc.). Heute werden in Deutschland bereits Anlagen um unter 690 EUR je kWp ausgeschrieben. Photovoltaik Technologie-Roadmap Teil 2 19
2.5 Herausforderung für die Anwendung von Photovoltaik in Industrie und Gewerbe • Umgang mit Fluktuierende Energiebereitstellung muss gemeistert werden • Weitere Absenkung von Installations- bzw. Stromgestehungskosten • Steigerung der Effizienz • Speicherung muss einfach skalierbar und billiger werden 2.5.1 Variable Energiebereitstellung Die energieintensive Industrie kann derzeit Energie weitgehend uneingeschränkt nutzen. Ein Umstieg auf Ein sehr anschauliches Beispiel für die Anpassung eine überwiegende Versorgung durch Photovoltaik des Strombedarfs an das fluktuierende Aufkommen ist das deutsche Unternehmen TRIMET, ein ener- stellt diese Industrie vor eine große Herausforderung, gieintensiver Aluminiumhersteller, der einen Bedarf da die unmittelbare Verfügbarkeit von photovoltai- von etwa 1% des deutschen Stroms aufweist. Bei scher Energie variiert. Um für Gewerbe und Industrie der Herstellung von Aluminium wird ein Elektroly- Photovoltaik in hohem Ausmaß nutzbar zu machen, seprozess (zur Zerlegung von Aluminiumoxid) ein- müssen entweder technische Lösungen zur Speiche- gesetzt bzw. wird zusätzlich Wärme benötigt. Bei rung der Energie angewendet und/oder die Betriebs- TRIMET wird der Aluminiumofen als Wärmebatterie führung flexibilisiert und auf das variable Angebot genutzt. Das bedeutet durch steuerbare Wärmetau- von photovoltaischer Energie eingestellt werden. Die scher kann die Energiebilanz während des Prozesses Speicherung kann direkt in elektrischer, in thermi- konstant gehalten werden, trotz fluktuierender scher oder chemischer Art (z.B.: Wasserstoff) erfolgen Versorgung mit elektrischer Energie. TRIMET gibt an, dass mit diesem Konzept Leistungsschwankun- oder auch nach Umwandlung in Gas über Zwischen- gen von +/- 25% ausgeglichen werden können und speicherung im Gasnetz (z.B.: Power2Gas). Energie am ersten Pilotstandort eine Speicherkapazität von muss jedenfalls weiterhin entsprechend den indus- 3300 Megawattstunden realisiert werden kann. triellen Fertigungsprozessen unmittelbar verfügbar sein. In Baden-Württemberg wird die Stuttgart GmbH als erstes Unternehmen im Pilotprojekt „Demand Side Notwendige Schritte zur Verwertung von photovolta- Management Baden-Württemberg“ ihre flexiblen ischer Energie in diesen Sektoren sind daher die Be- Stromlasten vermarkten. Der Flughafen Stuttgart reitstellung von Speichern sowie die Flexibilisierung wird unter anderem die Flexibilität seiner Klima- der Produktion („Industrie 4.0“). anlagen als Regelleistung anbieten. Klimaanlagen eignen sich gut für Demand Side Management: Sie lassen sich kurzzeitig abschalten, ohne dass Grundsätzlich eignen sich viele Branchen und Berei- die Kühlleistung spürbar beeinträchtigt wird. Über che für eine Lastverschiebung. Nicht nur energiein- die thermische Trägheit der Gebäude kann man tensive Elektrolyse- oder Schmelzöfen kommen für so auch vorkühlen und Lastspitzen reduzieren. Im Demand Side Management (DSM) in Frage. Auch Laufe des Pilotprojekts werden bis zu zehn weitere Kläranlagen, Pumpen, Klimaanlagen, Druckluftpro- Unternehmen ihre flexiblen Lasten vermarkten. zesse, Blockheizkraftwerke u.a. können Energie „ver- [Energiewende für Unternehmer 2016]. schieben“. 2.5.2 Speichertechnologien Derzeit herrscht ein Trend zu Lithium-Ionen-Akku- Standzeiten und Wartungsaufwand sein. In produzie- mulatoren vor, die eine Preisentwicklung mit starker renden Betrieben können dann verschieden optimier- Kostenreduktion nach der industriellen Lernkurve te Speicherformen für unterschiedliche Anwendun- aufweisen. Speicher müssen in Zukunft technolo- gen eingesetzt werden, z.B. mobile Zwischenspeicher gisch aber nach ihren Anforderungen bereitgestellt für die Mobilität, statische für Liegenschaften und werden. Das kann eine Optimierung hinsichtlich Kos- flexible und/oder große Speicher für Netzdienstleis- ten, Verfügbarkeit, Lebensdauer, Entladefähigkeit, tungen oder Prozessenergie. 20
2.6 Forschungsbedarf für Photovoltaik in Industrie und Gewerbe • Digitalisierung und Flexibilisierung der Produktion • Sektorkopplung zwischen Produktion, Energie, Wärme, Kälte, Speicherung, Netze und Mobilität • Eigenverbrauchssteigerung von Photovoltaik • Sanierung vs. Neubau von Betriebsliegenschaften mit PV • Kostenreduktion der Energieversorgung Für eine Umsetzung von Forschungsergebnissen nahe Ausbildung, wie z.B. Universitäten, als auch müssen Innovationen frühzeitig eingeleitet wer- anwendungsnahe akademische Ausbildung, wie z.B. den, um oftmals erst einige Jahre später in der Pro- Fachhochschulen, aber auch in HTLs, Colleges oder duktion wirksam etabliert zu werden. Forschungs- für weiterbildende Lehrgänge. initiativen müssen demnach rasch begonnen und entlang der gesamten TRL-(Technology Readiness Die Forschungsfragen ergeben sich entlang der Wert- Level) Kette angesetzt werden, um in den nächsten schöpfungskette der Photovoltaik im Speziellen für 5–10 Jahren die Lösungen für die großflächige Aus- die Anwendung im Gewerbebereich und in der Indus- rollung zur Verfügung zu haben. Besonders muss trie. Dies inkludiert damit auch die Forschungsfragen auch der Ausbildungsbereich entlang der Wertschöp- ,die von der Photovoltaik-Industrie adressiert werden fungskette gefördert und teilweise überhaupt erst müssen. aufgebaut werden. Dies gilt sowohl für grundlagen- Photovoltaik Technologie-Roadmap Teil 2 21
Forschungsbereich F&E-Bedarf Materialforschung und • Anheben der technischen Lebensdauer von PV-Systemen und -Komponenten, um Materialentwicklung Rentabilität zu erhöhen und Stromproduktionskosten weiter drastisch zu senken. inkludierend Struktur, • Effizienzsteigerung hinsichtlich höherer erzeugter Energiedichte je Fläche Funktion, Oberflächen, • Recycling von enthaltenen Stoffen und von Produkten in zyklischer Wirtschaft Beschichtungen und • Funktionale Oberflächen und Schichten für spezifische Anwendungen entwickeln Prozesse • Schadstoffverträglichkeit und Lebensdauer hinsichtlich Integration in Industriegebäude Technologieforschung und • Effizienzsteigerung hinsichtlich höherer erzeugter Energiedichte je Fläche Komponenten inkludierend • Kosten und Kostenrücklauf, d.h. Kosten je kW / Kosten je kWh / Kosten je m2; Kostensenkung, Effizienzstei- Gewichtsreduktion und Möglichkeit für flexible Lösungen und Leichtbau gerung, Lebenszeiterhöhung, • Speicherbarkeit kurzfristig über kleine thermische Speicher, Bauteilaktivierung mechanischer, elektrischer, oder kleine und mittlere elektrische Speicher tribologischer und chemischer • Neue Systemkomponenten zu systematischem Preis, Dimensionierungs-, Eigenschaften Verlust- und Gewichtsreduktion • Große oder flexible elektrische Speicher • Power-2-X: Als Bereitstellung von Prozesschemie Systemische Forschung • Technische Integrierbarkeit, Mehrwert, Substitutionskosten inkludierend zeitlicher • Anwendung der PV im Neubau und Retrofitting (insbesondere bei einer Aspekte, Prognose, Interak- angestrebten Renovierungsrate von 3%/a und den energetischen tion auf unterschiedlichen Richtlinien für Gebäude) Ebenen und zwischen • Einbindbarkeit in Energiesysteme, d.h. Systemlösungen mit dynamischen hierarchischen Systemebenen Verbrauchern, Netz und verschiedenen Speicherformen sowie Korrelation von System • Bereitstellen von Lastkurven bzw. Verschieben von produktionsbedingten und Systemteil bzw. Kompo- Lastspitzen. nente und technischem und nichttechnischem Teil von Sys- • Sektorkopplung und Digitalisierung (z.B. auch Industrie 4.0) temen (wie z.B. sozial, etc.), • Lösung für energiereduzierte Renovierungen Integration von Komponen- • Speicherbarkeit kurzfristig über kleine thermische Speicher, Bauteilaktivierung ten in Systemen und oder kleine und mittlere elektrische Speicher Systemtopologien und • Vorhersagbarkeit von Erträgen und Kopplung klimatischer, Optimierung. energiemeteorologischer und PV-spezifischer Modelle • Monitoring und Bewertungsmodelle von Qualität und Ertrag für verschiedene Anlagentypen Produktion inkludierend • Kosten und Kostenrücklauf d.h. Kosten je kW / Kosten je kWh / Kosten je m2 Prozesse, Standardisierung, • CO²-effiziente und schadstofffreie Prozesse Multiplizierbarkeit, • für die Großindustrie geeignete energieeffiziente Prozesse mit hohem Digitalisierung, Automatisie- KostensenkungsPotenzial rung, Integration vs. • Speicherbarkeit Langfrist: lokale elektrische Speicher für Netzdienstleistungen Dezentralisierung von Pro- im MWh-Bereich, Power-2-X, oder über Netzverbund duktion, Flexibilisierung und • Speicherbarkeit kurzfristig über kleine thermische Speicher, Bauteilaktivierung Hochskalierbarkeit. oder kleine und mittlere elektrische Speicher • Standardisierte Produkte, die Sakalierbarkeit, Vorfertigung, Einbindung in Baunormen und dadurch Kostenreduktion in Produktion ermöglichen 22
2.7 Chancen für die österreichische Technologie- und Innovationslandschaft Nur massive Anstrengungen im Bereich der industri- Die Österreichische Technologieplattform ellen Forschung, von Grundlagenforschung bis hin zu Photovoltaik Demonstratoren, unterstützt von flächendeckenden versteht sich als Plattform für Forschung und Innova- universitären und außeruniversitären Ausbildungs- tion der österreichischen Photovoltaikindustrie und programmen, können die notwendigen Innovationen wurde 2006 mit Unterstützung des BMVIT als F&E- zum Nutzen der österreichischen Industrie bereit- Partner-Plattform ins Leben gerufen. Der „Verein stellen. Österreichische Technologieplattform Photovoltaik“ wurde daraus im Mai 2012 als gemeinsame Initia- Innovationen im Photovoltaikumfeld müssen unmit- tive der in Österreich produzierenden Betriebe im telbar intensiviert werden, um die nötige zur Zieler- Bereich der Photovoltaik sowie der relevanten ös- reichung 2020/2030 bereitstellen zu können. terreichischen Forschungseinrichtungen gegründet. Innovation und Forschung für die heimische Photo- Wie beschrieben, werden durch die Anwendung von voltaik-Wirtschaft sollen optimiert werden, um eine Photovoltaik im Gewerbe- und Industriesektor vie- Vergrößerung der österreichischen Wertschöpfungs- le Möglichkeiten eröffnet, die wirtschaftliche und anteile am globalen Photovoltaikmarkt zu erreichen. volkswirtschaftliche Mehrwerte bringen. Die öster- Zu den Gewerbe- bzw. Industriemitgliedern zählen reichische Industrie kann im Hinblick auf die Ener- die Firmen ATB Becker, Continental-Corporation, giewende nur dann wettbewerbsfähig bleiben, wenn Crystalsol, DAS-Energy GmbH, Ertex-Solar, Fronius diese Rahmenbedingungen durch Forschung und Ent- International, Levion Technologies GmbH, Lisec Hol- wicklung geschaffen und Hemmnisse durch gesetzli- ding, Sunplugged, Ulbrich of Austria GmbH, Welser che und regulatorische Vorgaben (z.B. im Bereich der Profile Austria; seitens der Forschungseinrichtungen Stromnetzanbindung) minimiert werden. Wird dies bzw. Hochschulen beteiligen sich AIT, CTR, FH Tech- nikum Wien, FH Oberösterreich, Joanneum Research erreicht, kann die Anwendung von Photovoltaik in Materials, OFI, PCCL, TU Graz und TU Wien. diesem Sektor standortentscheidend sein. (www.tppv.at) Potenzial für Branchen und Akteure Insbesondere sind produzierende Unternehmen Ak- energieverbrauch Österreichs einen nennenswerten teure, die vom Einsatz von Photovoltaik mittelfris- Anteil haben. Dort ist der Hebel freilich am größten, tig und langfristig profitieren. Im Bereich Handel signifikante Schritte in Richtung Energiewende zu und Warenproduktion gibt es in Österreich alleine gehen und rasch sichtbare Maßnahmen im Bereich über 120.000 Unternehmen unterschiedlicher Größe. Photovoltaik umzusetzen. Einige sind in einer Größe, dass sie am Gesamt- © TARCISI MAISSEN SA Abb. 3: Großflächige PV-Anlage auf einem Industriebetrieb. Photovoltaik Technologie-Roadmap Teil 2 23
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Photovoltaik in der Mobilität
Photovoltaik in der Mobilität 3.1 Einleitung Der Mobilitätssektor trägt in Österreich mit etwa 28% Im Bereich der PKWs, LKWs und Busse werden er- zu den Treibhausgasemissionen bei. [Umweltbundes- neuerbar erzeugter Strom und/oder aus erneuerbaren amt 2015]; der PKW-Anteil alleine beträgt 12%. Energien erzeugte Gase (Wasserstoff etc.) als Antrieb Beim energetischen Endverbrauch in Österreich einzusetzen sein. Oberleitungs-LKWs werden aktuell nimmt die Mobilität („Traktion“) die führende Rolle in Deutschland getestet: auf Teilstrecken einer Au- ein: 35,4% des energetischen Endverbrauchs in Ös- tobahn südlich von Frankfurt, später dann auch auf terreich gehen in diesen Sektor; 87,7% dieses Ener- Teilstrecken der Autobahn A1 bei Lübeck und auf der giebedarfs werden durch fossile Energie gedeckt, nur Bundesstraße B442 bei Gaggenau; auf jeweils sechs 12,3% durch erneuerbare (inklusive der verpflich- Kilometern Länge können die Hybrid-LKWs wäh- tenden Beimischung von Biotreibstoffen) [BMWFW rend der Fahrt Strom tanken und ihren Akku füllen 2016]. – um dann möglichst den Rest der Strecke elektrisch Strom nimmt bereits heute eine bedeutende Rolle in zu fahren [Autogazette 2018]. der Mobilität ein: Bahn, U-Bahn und Straßenbahnen In allen Fällen kommt der Photovoltaik als Strom- sowie Oberleitungsbusse sind seit vielen Jahrzehnten quelle eine große Rolle zu. Unter der Annahme, dass mit elektrischen Antrieben ausgestattet. Von den Per- es zu einer massiven Elektrifizierung des Energie- sonenkilometern ist dies aber dennoch ein geringerer systems und Umstellung des Mobilitätssystems als Anteil, da der Individualverkehr überwiegt und auch auch aller wesentlichen Industrieprozesse auf Strom- im öffentlichen Verkehr die Sektoren Bus und Luft- basis kommt, können laut Technologie-Roadmap für fahrt nahezu ausschließlich mit fossilen Treibstoffen Photovoltaik in Österreich bis 2030 etwa 15% und betrieben werden. bis 2050 mindestens 27% des österreichischen Ge- samt-Strombedarfs mittels PV gedeckt werden. Die Unter der Voraussetzung, dass die Elektrizität aus Flächenverfügbarkeit ist dabei bereits heute gege- erneuerbaren Quellen kommt, ist die Elektrifizierung ben, auch wenn nur die Potenziale von heute bereits des Verkehrssektors vielfach positiv zu beurteilen; bestehenden Dächern und Fassaden sowie aktuelle die aktuelle Entwicklung der Individual-E-Mobilität PV-Wirkungsgrade berücksichtigt werden [Fechner darf dennoch nicht als singuläres Element verstanden et al. 2016]. werden, sondern kann nur Teil einer Mobilitätswende sein, die Verkehrsvermeidung und Ausweitung des öf- fentlichen Verkehrs als vorrangige zentrale Elemente beinhalten muss. Trends in der Mobilität Die Anfänge, Photovoltaik für die Mobilität einzuset- zählen zu den bedeutendsten Pionierprojekten im zen, reichen zumindest bis ins Jahr 1985 zurück, als Bereich der PV in der Mobilität [PlanetSolar 2016]. die erste „Tour del Sol“ in der Schweiz durchgeführt Der aufkommenden Attraktivität für die Integration wurde. Sie führte in fünf Etappen von Romanshorn von PV im Mobilitätssektor liegt der ebenfalls stark über Winterthur nach Genf. Am Start waren 73 So- wachsende Markt der Elektromobilität zugrunde. larmobile, wobei über 50 davon die Strecke bewäl- Etwa 15.000 reine Elektrofahrzeuge sind in Öster- tigten. reich Ende 2017 zugelassen [Statista 2017]. Aktuell ist die Stromversorgung aller E-Autos in Ös- Die Weltumrundung des Solarschiffs „Tûranor Planet- terreich ohne signifikanten Ausbau des Stromnetzes Solar“ sowie jene des Solarflugzeuges „Solar Impulse 2“ zu bewerkstelligen. 26
Der weitere Ausbau der Elektromobilität muss Hand in Hand mit einem weiteren Ausbau der Erneuerbaren, allen voran der Photovoltaik gehen. Als Richtlinie gilt ein wachsender Stromverbrauch deren Strom ausschließlich aus Erneuerbaren Ener- Österreichs von etwa 0,3% pro 100.000 Elektroautos3. gien kommt, erhöht diesen Wert gegen nahezu 100%. In Österreich fahren E-Autos aufgrund des hohen Österreich hat somit gegenüber den meisten EU- Anteils von rund 70% erneuerbarer Energieträger Staaten mit geringeren Anteilen nachhaltiger Ener- an Österreichs Stromversorgung mit zumindest ca. gieerzeuger eine gute Position für den Einstieg in die 80% weniger Treibhausgas-Emissionen als Benzin- E-Mobilität [Österreichs Energie k.J.]. oder Dieselfahrzeuge, direktes Laden an Tankstellen, Die fahrzeugintegrierte Photovoltaik wird vor allem Photovoltaik in der Mobilität – durch die steigende Elektrifizierung der Mobilität und Generelle Einsatzbereiche aufgrund regulatorischer CO2-Emissionsbeschrän- kungen für Automobilhersteller vorangetrieben. Eine Arbeitsgruppe des IEA-PVPS Programmes wid- In der • Schallschutzwände met sich diesem Thema [IEA-PVPS Task 17 2018]. Verkehrs- • Solare Straßenbeläge, Smart Roads infrastruktur • Parkraumüberdachungen, Carports • solarbetriebene Verkehrsleittechnik Direkt am • An PKW Oberflächen Fahrzeug • Auf Kühl-LKWs • Auf Schiffen, Flugzeugen und Eisen- bahnwaggons Für das • um sicherzustellen, dass Elektromo- Laden der bilität mit erneuerbaren Quellen, Stromspei- darunter wesentlich Photovoltaik, cher von betrieben wird E-Mobilen 3 Unter Annahme eines Energiebedarfs pro elektrischem PKW von 0.15 kWh/km, bei 10 000 km pro Jahr und PKW Photovoltaik Technologie-Roadmap Teil 2 27
3.2 Nutzen der Photovoltaik in der Mobilität 3.2.1 Die Rolle der Photovoltaik in der Verkehrsinfrastruktur • Lärmschutzeinrichtungen • Solare Straßen • Photovoltaische Überdachungselemente – Parkplätze/Carports • Verkehrsleittechnik Im Verkehrsbereich gibt es vielfältige Anwendungen ßige Anforderungen gestellt werden. Die mögliche mit geringem Strombedarf, welcher leicht und effizi- Gefährdung von Autofahrern durch Reflexionen des ent mit Strom aus PV gedeckt werden kann. Hierzu Sonnenlichts bei tiefstehender Sonne kann dabei ein zählen zum Beispiel Fahrplanbeleuchtungen, Park- Problem darstellen. In solchen Fällen kann nur die scheinautomaten, ereignisorientierte Stauwarnungs- straßenabgewandte Seite des Walls genutzt werden. und Verkehrsinformationseinrichtungen, Notrufsäu- Das hat auch im Falle von Schneeräumung im Winter len, Navigationssysteme und andere Leitsysteme oder den Vorteil, die PV-Module nicht zu beschädigen und Kommunikationssysteme. Gerade die Flexibilität, die weniger Salzeis auszusetzen [Gündra et al. 2015]. Bei aus solarstrombetriebenen Verkehrseinrichtungen Autobahnen gilt es, sicherheitstechnische Anforde- resultiert, bringt eine gewisse Attraktivität mit sich rungen bezüglich Lichtraum, Elastizität der Konst- [Lang 1999]. So ermöglichen beispielsweise Ampeln ruktion sowie Blendung zu beachten, bei Bahnwegen mit solarer Stromversorgung bei Baumaßnahmen spielt die Beeinträchtigung des Bahnbetriebs wäh- oder geänderter Verkehrsführung eine flexible Auf- rend Bau und Betrieb sowie die Anlagenerdung eine stellung ohne Netzanschluss. wichtige Rolle. Auf Brücken ist es wichtig, ein Augen- merk auf die besonders gute Isolation gegen Beton Photovoltaik-Lärmschutzeinrichtungen zu richten, da diese durch Kriechströme beschädigt Bereits Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre werden können. Die Beeinträchtigung durch Fein- wurden erste Projekte von PV-Lärmschutzwänden staub und hoch geschleuderten Schmutz ist noch im realisiert. Durch den allgemeinen Preisrückgang von Detail zu evaluieren. Ebenso stellen sich noch Fragen PV-Anlagen ist auch der Preis für PV-Lärmschutz- des effektiven Diebstahlschutzes von Modulen. Es ist wände kontinuierlich gesunken [Gündra et al. 2015]. vorteilhaft, die Modulunterkante möglichst hoch zu Die weltweit erste PV-Lärmschutzwand hat der Pio- setzen, wobei die minimale Höhe projektspezifisch in nier Thomas Nordmann von der Schweizer TNC Con- Abhängigkeit des Abstandes von der Fahrbahn und sulting 1989 entlang der A 13 bei Donat/Ems errichtet der zu erreichenden Lärmschutzeigenschaften festge- [Nordmann et al. 2012]. legt werden muss. Bei straßenabgewandter Montage könnte die Gefahr der Beschädigung durch Stein- PV-Lärmschutzwände entstehen durch zwei Möglich- schlag oder Eis von winterlicher Straßenräumung keiten: Entweder werden bestehende Lärmschutz- minimiert werden. Entscheidend für eine breitere wände mit Photovoltaikmodulen aufgerüstet oder Umsetzung wäre es laut Süß [2017a] auch, engere neue Schallschutzanlagen mit direkt integrierter PV Kooperationen des Straßenerhalters mit Anlagenbe- errichtet. Die multifunktionale Nutzung von Bauwer- treibern durch geeignete Geschäftsmodelle zu ver- ken im Straßenraum kann zu Kosteneinsparungen einfachen. führen und gleichzeitig eine Stromquelle aus Erneu- erbarer Energie darstellen. Für nord-süd-verlaufende Straßen eignen sich be- sonders bifaziale Photovoltaikzellen, die beidseitig Im gemeinsamen Projekt der Schweiz und Deutsch- nutzbar sind [Nordmann et al. 2012; TNC Consulting lands „Integrale Photovoltaik-Schallschutzelemente AG k.J]. für den Einsatz entlang von Verkehrsträgern“ wurden bereits 1993 verschiedene Möglichkeiten der PV-Inte- Österreich hat aktuell 3 PV-Lärmschutzwände mit gration in Lärmschutzwänden realisiert und getestet. insgesamt 156 kW installierter Leistung aufzuweisen. Weltweit am stärksten vertreten ist Deutschland mit Neben diesen Möglichkeiten können die Module auch einer installierten Gesamtleistung von 6,4 MW. Das ähnlich einer normalen Freiflächenanlage auf Lärm- entspricht in etwa 2/3 der gesamten global installier- schutzwällen – entweder böschungsseitig oder auf ten Leistung an Lärmschutzwänden von 9,1 MW. Ita- der Wallkrone – installiert werden. Die Installation lien nimmt mit 1,6 MW den zweiten Platz ein, gefolgt auf Lärmschutzwällen bietet den Vorteil, dass gro- von der Schweiz, die derzeit 9 kleinere Anlagen mit ße Flächen mit optimaler Neigung genutzt werden insgesamt 625 kW betreibt [Lenardic 2015]. können, während geringe bauliche und planungsmä- 28
Solare-Straßen Smart Highway und Smart Road sind generelle Be- zeichnungen für die Integration von Intelligenz in Straßenoberflächen: Für die Gewinnung von Solar- energie ebenso wie für den Betrieb autonomer Fahr- zeuge, für Beleuchtung sowie für ein Monitoring der Straßenzustände. • Eine der ersten Photovoltaik Straßen wurde im Herbst 2016 in Tourouvre, Orne (Frankreich) zu Forschungszwecken errichtet. Etwa 2800 m² Panee- le wurden auf einer Länge von einem Kilometer ausgebaut. Die Abbildungen links zeigen beispiel- hafte Prototypen beziehungsweise Teststrecken der ersten Projekte für Solarstraßen. Hierbei handelt es sich derzeit ausschließlich um Pilotprojekte. • In den Niederlanden wurde im Zuge des Projekts SolaRoad ein Radweg mit integrierten Solarpanee- len errichtet [Bergman et al. k.J.]. Die Kosten für das Pilotprojekt lagen hier bei 3,75 Millionen US$ für einen schmalen, etwa 70 Meter langen Abschnitt [Peters 2014]. Der jährliche Ertrag des Radwegs beläuft sich auf etwa 70 kWh/m². • In Jinan, in der ostchinesischen Provinz Shan- dong, wurde im Dezember 2017 der Jinan City Ring Expressway eröffnet; eine PV-Straße, die gesamt 1 GWh/a erzeugt: die mit PV-Paneelen ausgelegte Straße ist etwa zwei Kilometer lang und soll zu- künftig E-Autos drahtlos laden [en.people.cn 2017] [LuFang, 2018]. © Solar Roadways (3) Abb. 4–7: Prototypische Solarstraßen-Elemente aktuell laufender Projekte. Photovoltaik Technologie-Roadmap Teil 2 29
© Solar Roadways Rutschfestigkeit, Tragfähigkeit und Beständigkeit: Colas 2016]. Generell müssen Hochspannungen an Neben der Gefahr von Modulbrüchen durch die Straßenoberflächen im Fall von Beschädigungen laut Schwerverkehrsbelastung müssen die Module auch Süß [2017a] vermieden werden. In diesem Kontext den wechselnden Temperaturbedingungen stand- liegt die Herausforderung darin, Straßenelemente mit halten. Die erforderliche Rutschfestigkeit von PV- integrierter Photovoltaik möglichst unempfindlich Straßenelementen kann ersten Prototypen zu Folge gegenüber Störungen und Fehlern in Unfallsituati- beispielsweise durch eine Behandlung beziehungs- onen oder auch sich ändernden Bodenbedingungen weise Texturierung der obersten Schicht der Module zu gestalten. Aber auch durch Feuchtigkeitseintrag erreicht werden, welche laut Solmove zusätzlich eine oder Verschmutzungen könnten Kriechströme an der Optimierung des Energieertrags durch Lichtlenkung Straßenoberfläche entstehen. Dementsprechend ist sowie selbstreinigende Effekte durch einen profil- die Wasserdichtigkeit der Module im Betrieb, aber geführten Abfluss von Regenwasser bewirken kann auch im Schadensfall nicht zu vernachlässigen; vor [Solmove GmbH 2017b]. allem Stecksysteme und Verkabelungen sollten da- Montage und Wartung: Bei aktuellen Projekten wer- hingehend möglichst gut isoliert und unzugänglich den zwei unterschiedliche Ansätze der Montage be- gehalten werden [Süß 2017a]. ziehungsweise Integration der PV-Zellen verfolgt: das Wirtschaftlichkeit: Die Kosten von Solarstraßen lie- Verkleben von dünnschichtigen PV-Elementen auf be- gen entsprechend dem Entwicklungsstadium dieser stehenden Verkehrsflächen [Dezernat für Presse und Anwendungstechnologie der Photovoltaik noch weit Kommunikation des RWTH Aachen 2016; Wattway by über denen einer herkömmlichen Straße [Harder Colas 2016] oder dickere PV-Elemente, welche kon- 2013; Wattway by Colas 2016]. Die Forschung sollte ventionelle Straßenbeläge gänzlich ersetzen [Solar auch auf die Optimierung der Produktionsprozesse Roadways® 2016]. solcher PV-Straßenpaneele abzielen. Unfallsituationen: Ein intelligentes Schaltsystem ist Straßenmarkierungen können durch direkt in die erforderlich, welches im Fehler- oder Schadensfall Paneele integrierte LEDs realisiert werden; Ther- nur die betroffenen Teile des Systems abschaltet; die moelemente werden, in die Paneele integriert, für Zellen sollten sich untereinander nicht beeinflussen Glatteiswarnungen genutzt etc. [Solar Roadways® [Dezernat für Presse und Kommunikation des RWTH 2016], ebenso ist eine lokale Nutzung des Stromes für Aachen 2016; Solar Roadways® 2016; Wattway by Ladestationen für E-PKWs denkbar. 30
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