Pilze im Holz von Sauerkirschbäumen (Prunus cerasus) im Stadtgut Görlitz

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Pilze im Holz von Sauerkirschbäumen (Prunus cerasus) im Stadtgut Görlitz
© Naturforschende Gesellschaft der Oberlausitz e.V.
                      http://www.naturforschende-gesellschaft-der-oberlausitz.de
                                           ISSN 0941-0627

BERICHTE DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT DER OBERLAUSITZ
Band 29                                    Görlitz 2021                               Seite 105–114

    Pilze im Holz von Sauerkirschbäumen (Prunus cerasus) im
                         Stadtgut Görlitz
                          Von ULRIKE DAMM und STEFFEN BIEN

Zusammenfassung
Im Rahmen eines größeren Projektes an Steinobstbäumen in Deutschland wurden 136 Pilzstämme
aus dem Holz von 32 Ästen mit Holznekrosen von Sauerkirschbäumen (Prunus cerasus) des Stadt-
gutes Görlitz isoliert. Mittels morphologischer und molekularbiologischer Methoden wurden 43
Arten aus 36 Gattungen identifiziert, wobei es sich fast ausschließlich um Ascomycota handelte;
nur drei Arten gehörten zu den Basidiomycota. Zwei der in Görlitz gefundenen Arten, Cadophora
prunicola und C. ramosa, wurden in taxonomischen Analysen innerhalb des Projektes neu be-
schrieben. Für eine weitere im Rahmen des Gesamtprojektes gefundene Art, Pallidophorina paar­
la, wurde eine neue Gattung aufgestellt. Mehr als 20 Arten konnten nicht bzw. nicht mit Sicherheit
bis zur Art bestimmt werden. Darunter werden weitere neue Arten vermutet. Bei den meisten der
sicher bestimmten Arten handelt es sich um potentielle Erstfunde für Prunus oder Prunus cerasus
als Substrat bzw. für Deutschland, Sachsen oder die Lausitz.

Abstract
Fungi in wood of sour cherry trees (Prunus cerasus) in the city farm (Stadtgut)
Görlitz

Within a bigger survey on stone fruit trees in Germany, 136 fungal strains were isolated from the
wood of 32 branches with internal wood necroses from sour cherry trees (Prunus cerasus) in the
city farm (Stadtgut) Görlitz. By means of morphological and molecular methods, 43 species in 36
genera were identified, most of them belonging to the Ascomycota, only three species to the Ba-
sidiomycota. Two of the species that were found in Görlitz, Cadophora prunicola und C. ramosa,
had been newly described in taxonomical analyses within the survey; for a further species, Palli­
dophorina paarla, a new genus had been established. More than 20 species were not or without
certainty identified to species level. Further new species can be suspected among them. Most of the
species identified with certainty are regarded as potential first reports for Prunus, Prunus cerasus,
Germany, Saxony or Lusatia, respectively.

Keywords: Ascomycota, Diversität, Nekrose, Pathogen, Steinobst, Systematik.

1      Einleitung                                   lata, Phaeoacremonium amygdalinum, P. irani­
                                                    anum, Phomopsis amygdali und fünf Arten der
Pilze können im Holz von Bäumen Nekrosen            Botryosphaeriales beobachtet wurde (Gramaje
verursachen, wodurch Leitungsbahnen verstopft       et al. 2012). Bei kommerziell angepflanzten
werden. Die Folge davon sind Welkekrankhei-         Obstbäumen führen holzbefallende pilzliche Er-
ten und das Absterben einzelner Zweige oder         reger zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden,
Äste bis hin zu ganzen Bäumen, wie es z. B. in      da eine direkte Bekämpfung der Krankheiten
Mallorca, Spanien, vor wenigen Jahren durch         schwierig ist und abgestorbene Bäume nachge-
den Befall mit Collophorina hispanica, Eutypa       pflanzt werden müssen.

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   Die notwendige Grundlage für jegliche            2       Material und Methoden
Baumschutzmaßnahmen, sowie deren wissen-
schaftliche und technische Entwicklung, ist die     2.1     Probenahme und Pilzisolation
Kenntnis der involvierten Pilze. Bisher gibt es
jedoch nur wenige Untersuchungen des Myko-          Im Januar 2015 wurden von 25 Sauerkirschbäu-
bioms im Holz von Steinobstbäumen. Die bis-         men (Prunus cerasus) des Stadtgutes Görlitz 32
her intensivste Studie dazu wurde in Südafrika      Astproben mit symptomatischem Holz (Baum-
durchgeführt (Damm et al. 2007a, b, 2008a, b, c,    krebs, Nekrosen, Gummosis, Absterbeerschei-
2010, Moyo et al. 2018, Bien & Damm 2020a).         nungen) genommen. Im Gesamtprojekt wurden
Insgesamt wurden dabei 40 Arten dokumen-            auch Süßkirsche und Pflaume beprobt sowie
tiert, wobei Vertreter der Botryosphaeriales        Standorte in Niedersachsen, Baden-Württem-
(neun Arten) und Phaeoacremonium (14 Arten)         berg und weitere in Sachsen untersucht.
am häufigsten nachgewiesen wurden. Zudem               Je Astprobe wurden zehn Holzstückchen
handelte es sich bei mehr als der Hälfte der        aus der Übergangszone vom kranken zum ge-
gefundenen Arten (24) um zuvor unbekannte           sunden und drei aus gesundem Gewebe ent-
Pilze, die neu beschrieben wurden. Allerdings       nommen und oberflächendesinfiziert (Bien &
beschränkten sich die Veröffentlichungen auf        Damm 2020b). Die Hälfte der ersteren wurde
besonders häufige bzw. interessante Taxa. Im        auf synthetischem nährstoffarmen Agar-Medi-
Rahmen einer anderen Studie über Pilze im           um (SNA, Nirenberg 1976), die übrigen auf
Holz von verschiedenen Baumarten in der Um-         Hafermehl-Agar-Medium (OA, Crous et al.
gebung eines Weinberges in Baden-Württem-           2019) ausgelegt. Beide Nährböden enthielten
berg konnten u. a. acht Pilztaxa aus dem Holz       Antibiotika (Bien & Damm 2020b). Nach einer
diverser Prunus-Arten (einschließlich P. ce­        mehrtägigen Inkubation bei 25 °C wurden von
rasus und P. domestica) isoliert werden (Gierl      allen herauswachsenden Pilzen durch Einzel-
& Fischer 2017). Eine größere Studie über die       spor-Isolation Reinkulturen gewonnen. Alle
Pilzdiversität im Holz von Prunus-Bäumen in         Pilzstämme werden in der Pilzkulturensamm-
Deutschland gab es hingegen bisher nicht.           lung des Senckenberg Museums für Naturkun-
   Im Rahmen der German Barcoding of Life           de Görlitz (GLMC) aufbewahrt. Repräsentative
Initiative (GBOL, www.bolgermany.de), die           Stämme, einschließlich Ex-Typ-Stämme, wur-
eine Referenz-Bibliothek für DNA-Barcodes           den darüber hinaus an die Pilzkulturensamm-
der deutschen Fauna, Flora und Funga (Pilze)        lung des Westerdijk Fungal Biodiversity
aufbaut, wurden daher in mehreren Bundeslän-        Instituts in Utrecht, Niederlande (CBS), und
dern Deutschlands Steinobstbäume (Süßkir-           die Deutsche Sammlung von Mikroorganismen
sche, Sauerkirsche und Pflaume) beprobt und         und Zellkulturen (DSMZ) in Braunschweig ge-
Pilze aus nekrotischem Holz isoliert. Alle Pilz­    sendet.
isolate wurden mittels DNA-Sequenzen diffe-
renziert und systematisch eingeordnet (Bien &
Damm 2020b). Einige dieser Taxa wurden be-           2.2    Phylogenetische Analysen und
reits eingehender morphologisch und mittels                 Identifikation
Multi-Locus-Phylogenien untersucht (Bien &
Damm 2020a, Bien et al. 2020).                      Die genomische DNA der Pilze wurde mit der
   Zu den Probenahmestandorten im GBOL-             Methode von Damm et al. (2008b) extrahiert
Projekt gehörte auch das Stadtgut Görlitz.          und das 5,8S nrDNA-Gen mit den zwei flan-
Die Ergebnisse der aus dem Holz von Sauer-          kierenden internal-transcribed-spacer-Regionen
kirschbäumen (Prunus cerasus) des Stadtgutes        (ITS) sowie ein Teilabschnitt der 28S nrDNA
Görlitz isolierten Pilze werden hier separat prä-   (LSU) sequenziert (Bien & Damm 2020b). Zu-
sentiert.                                           nächst wurden die Isolate auf Grundlage der
                                                    ITS-Sequenzen gruppiert. Anschließend wur-
                                                    den anhand von Blast-Suchen in den Sequenz-
                                                    datenbanken von NCBI-GenBank (www.ncbi.
                                                    nlm.nih.gov) und EPPO-Q-Bank (qbank.eppo.
                                                    int) sowie phylogenetischer Analysen (Stamm-

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Tab. 1: Pilze aus dem Holz von Sauerkirsche (Prunus cerasus) im Stadtgut Görlitz

                                                           Genauig-     Anzahl der    Potentielle Erstfunde
                                                           keit der
Taxon                              Klasse (Stamm)          Artidentifi- Isolate in    genau bestimmter
                                                                        Görlitz       Arten
                                                           kation
Aposphaeria corallinolutea         Dothideomycetes (A)          ++           15            D, L, S       P
Coniothyrium ferrarisianum         Dothideomycetes (A)          ++           14            D, L, S       P
Nothophoma cf. quercina            Dothideomycetes (A)          +             9
Colletotrichum godetiae            Sordariomycetes (A)          ++            8              L, S         c
Peniophora cinerea                 Agaricomycetes (B)           ++            7               -           c
Alternaria destruens               Dothideomycetes (A)          ++            6            D, L, S       P
Fusarium sp. 1                     Sordariomycetes (A)          –             6
Didymella macrostoma               Dothideomycetes (A)          ++            5              L, S         c
Epicoccum sp.                      Dothideomycetes (A)          –             5
Cadophora novi-eboraci             Leotiomycetes (A)           +++            5              L, S        P
Eutypa lata                        Sordariomycetes (A)          ++            5               –           c
Diaporthe cf. eres                 Sordariomycetes (A)          +             4
Phaeoacremonium cf. viticola       Sordariomycetes (A)          +             4
Neofabraea sp.                     Leotiomycetes (A)            –             3
Diaporthe sp.                      Sordariomycetes (A)          –             3
Fusarium sp. 2                     Sordariomycetes (A)          –             3
Jeremyomyces cf. labinae           Dothideomycetes (A)          +             2
Rhinocladiella cf. quercus         Eurotiomycetes (A)           +             2
Phialocephala piceae               Leotiomycetes (A)            ++            2              L, S         c
Calosphaeria pulchella             Sordariomycetes (A)          ++            2              L, S         –
Diaporthe cf. mahothocarpus        Sordariomycetes (A)          +             2
Fusarium culmorum                  Sordariomycetes (A)          ++            2              L, S         c
Monocillium cf. tenue              Sordariomycetes (A)          +             2
Alternaria conjuncta               Dothideomycetes (A)          ++            1            D, L, S        c
Bipolaris sp.                      Dothideomycetes (A)          –             1
Cladosporium sp. 1                 Dothideomycetes (A)          –             1
Kalmusia cf. ebuli                 Dothideomycetes (A)          +             1
Neoleptosphaeria rubefaciens       Dothideomycetes (A)          ++            1            D, L, S       P
Parapyrenochaeta protearum         Dothideomycetes (A)          ++            1            D, L, S       P
Cadophora prunicola                Leotiomycetes (A)           +++            1               *
Cadophora ramosa                   Leotiomycetes (A)           +++            1               *
Pallidophorina paarla              Leotiomycetes (A)           +++            1              L, S         c
Pezicula cf. carpinea              Leotiomycetes (A)             +            1
Anthostomella cf. pinea            Sordariomycetes (A)           +            1
Arthrinium cf. arundinis           Sordariomycetes (A)           +            1
Ascotricha chartarum               Sordariomycetes (A)          ++            1            D, L, S       P

                                                                                                         107
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                                                            Genauig-     Anzahl der     Potentielle Erstfunde
                                                            keit der
Taxon                               Klasse (Stamm)          Artidentifi- Isolate in     genau bestimmter
                                                                         Görlitz        Arten
                                                            kation
Jackrogersella cf. cohaerens        Sordariomycetes (A)           +            1
Nemania sp. 1                       Sordariomycetes (A)           –            1
Neocosmospora cf. perseae           Sordariomycetes (A)           +             1
Ophiostoma sp.                      Sordariomycetes (A)           –             1
Seimatosporium sp.                  Sordariomycetes (A)           –             1
Bjerkandera cf. adusta              Agaricomycetes (B)            +             1
Exidia glandulosa                   Agaricomycetes (B)           ++             1                –           c

Stamm. A: Ascomycota, B: Basidiomycota. Genauigkeit der Artidentifikation. +++ Art im Detail untersucht
bzw. innerhalb des Gesamtprojekts neu beschrieben, ++ Art genau bestimmt, + Art nicht sicher bestimmt,
– Isolat bis zur Gattung bestimmt, mögliche neue Art, * im Gesamtprojekt neu beschriebene Art (Bien &
Damm 2020a). Potentielle Erstfunde genau bestimmter Arten. D: für Deutschland. L: für die Lausitz, S: für
Sachsen, P: für die Gattung Prunus, c: für Sauerkirsche (Prunus cerasus), – kein potentieller Erstfund. Grauer
Hintergrund: in der Studie nur in Görlitz gefunden

bäume) auf der Basis beider DNA-Sequenzen                 Prunus bzw. Prunus cerasus handelt. Zusätz-
Differenzierungen und Identifizierungen vorge-            lich wurden Einträge zu diesen Pilztaxa in der
nommen. Bei der Auswahl von Referenzsequen-               Roten Liste und Artenliste Sachsens (Hardtke
zen pro Gattung in den Stammbäumen wurde                  et al. 2015) und in den Datenbanken der Pil-
besonders auf Sequenzen von Typus-Arten der               ze Deutschlands (www.pilze-deutschland.de,
jeweiligen Gattungen und Ex-Typusstämmen                  Dämmrich et al. 2021), der Arbeitsgemein-
der einzelnen Arten Wert gelegt (Bien & Damm              schaft sächsischer Mykologen (AGsM), der
2020b). Waren letztere nicht vorhanden, wurden            Pilzsammlung des Senckenberg Museum für
möglichst bis zur Art bestimmte CBS-Stämme                Naturkunde Görlitz (GLM) sowie der Pilzkul-
bevorzugt.                                                turensammlung des Westerdijk Fungal Biodi-
  Sofern nicht im Detail untersucht, wurden die           versity Instituts, Utrecht, Niederlande (CBS),
Isolate nach Anzahl der Nukleotidunterschiede             gesucht.
der ITS-Sequenz zur nächsten Referenzse-                     Zu einer sicheren Einschätzung der Verbrei-
quenz bis zur Art, Gattung oder einem höheren             tung und des Wirtspflanzenspektrums dieser
taxonomischen Level identifiziert (Benennung              Arten müsste zusätzlich mit großem Aufwand
nach Index Fungorum) und die Identifikationen             spezielle Literatur ausgewertet und müssten
wiederum in Identifikationslevel eingeteilt:              noch weitreichendere Recherchen durchgeführt
≤ 4 Nukleotidunterschiede = Art genau be-                 werden. Außerdem gehen wir davon aus, dass
  stimmt                                                  einige dieser Datenbanken unvollständig sind.
5–10 Nukleotidunterschiede = Art nicht sicher             Die Ergebnisse werden daher als „potentiell“
  bestimmt (markiert durch „cf.“)                         angesehen.
> 10 Nukleotidunterschiede = Isolat bis zur                  Ausgewählte Taxa wurden im Detail un-
  Gattung (oder höherem Level) bestimmt.                  tersucht, wobei zum Teil weitere Gene in die
                                                          Analysen einflossen und neue Arten auch mor-
Anhand der globalen Referenzdatenbank in-                 phologisch (mikroskopische Strukturen, ma-
nerhalb der USDA fungal database (Farr &                  kroskopische Merkmale der Pilzkolonien) auf
Rossman 2021) des Landwirtschaftsministeri-               SNA und OA charakterisiert und mit bekann-
ums der USA wurde ermittelt, ob es sich bei               ten Arten verglichen wurden (Bien et al. 2020,
den mit Sicherheit bis zur Art bestimmten Taxa            Bien & Damm 2020a).
möglicherweise um Erstfunde für Deutschland

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3      Ergebnisse und Diskussion                       Mit dem Fokus auf pathogene Pilze wurden
                                                    Äste mit makroskopisch sichtbaren Symptomen
3.1    Abundanz und Diversität der Pilze            ausgewählt (Abb. 2) und Pilze aus dem Holzin-
                                                    neren, vorwiegend aus der Übergangszone von
Von den 32 Holzproben wurden 136 Pilzstäm-          kranken zu gesundem Gewebe, isoliert. Dadurch
me isoliert (Tabelle 1). Es wurden 43 Arten aus     wurden sicherlich nicht nur Pathogene sondern
36 Gattungen differenziert. Fast alle Taxa ge-      auch bereits vor der Nekrotisierung des Gewe-
hören zu den Ascomycota, überwiegend zu den         bes vorhandene Endophyten sowie Saprophyten,
Klassen Dothideomycetes (13 Arten / 62 Isola-       die das bereits abgestorbene Gewebe abbauen,
te) und Sordariomycetes (19 / 49), aber auch zu     erfasst, was die relativ hohe Anzahl der Pilze er-
den Leotiomycetes (7 / 14) und Eurotiomycetes       klären könnte. Wir vermuten, dass viele dieser
(1 / 2), nur wenige zu den Basidiomycota (3 / 9).   im Inneren des Holzes lebenden Pilze dort nicht
   Die häufigste Art war Aposphaeria coral­         sporulieren. Makroskopisch sichtbare Frucht-
linolutea (Abb. 1a–c), die auch über alle Be-       körper bilden nur wenige der isolierten Pilze
probungsstandorte in ganz Deutschland als           aus und können das auch nur, wenn sie an der
häufigste Art aus dem Holz aller untersuchten       Oberfläche des Astes wachsen, manche womög-
Prunus-Arten isoliert wurde (Bien & Damm            lich erst nach dessen Absterben. Daher kann die
2020b). Dies ist erstaunlich, gab es doch zuvor     vorgefundene Pilzdiversität nicht durch rein vi-
weltweit nur wenige Nachweise dieser erst vor       suelles Monitoring erfasst werden.
wenigen Jahren beschriebenen Art (de Gruyter
et al. 2013). Fast genauso häufig wurde in Gör-
litz Coniothyrium ferrarisianum isoliert (Abb.      3.2     Taxonomische Neuheiten und
1d–g). Diese Art wurde im Gesamtprojekt nur                 Genauigkeit der Artidentifikation
an sächsischen Standorten, dort jedoch auch aus
anderen Prunus-Arten, isoliert (Bien & Damm         Bisher wurden vier der in Görlitz gefundenen
2020b). Die Hälfte dieser Isolate stammte aus       Arten, die alle der Klasse Leotiomycetes (Asco-
dem Holz der Sauerkirschbäume in Görlitz. Im        mycota) angehören, innerhalb größerer taxono-
Gegensatz dazu wurde die zweithäufigste Art         mischer Arbeiten genauer untersucht. Eine der
im Gesamtprojekt, Pallidophorina paarla, nur        zwei häufigsten Arten im Gesamtprojekt wurde
einmal im P. cerasus-Holz aus Görlitz nachge-       zuvor aus südafrikanischem Prunus-Material
wiesen.                                             isoliert und als Collophora paarla (Abb. 1h–j)
   Neun Arten wurden im Rahmen des Ge-              beschrieben, jetzt aber der neu beschriebenen
samtprojektes ausschließlich aus Proben des         Gattung Pallidophorina zugeordnet (Damm
Stadtgutes Görlitz isoliert. Eine dieser Arten,     et al. 2010, Bien et al. 2020). Zwei der drei aus
Colletotrichum godetiae (Abb. 1l–m), wurde          Görlitzer Material isolierten Cadophora-Arten
häufig isoliert. Ihre Systematik und Verbreitung    (Cadophora prunicola und C. ramosa, Abb. 1k)
wurde von Damm et al. (2012) untersucht. Da-        wurden neu beschrieben (Bien & Damm 2020a),
nach kommt sie in verschiedenen Wirtpflanzen        letztere anhand des Isolats aus Görlitz, das auch
vor, häufig in Gehölzen einschließlich mehrerer     den bisher einzigen Nachweis dieser Art in
Prunus-Arten, und ist weit verbreitet in mehre-     Deutschland darstellt. Die Arten beider Gattun-
ren Ländern Europas sowie in Israel. Sie war        gen bilden mikroskopisch kleine und z.T. enorm
aber bisher nicht von Prunus aus Deutschland        reduzierte asexuelle Stadien aus, was als Anpas-
bekannt.                                            sung an das Leben im Holz angesehen wird (Bien
   Die drei isolierten Basidiomycota-Arten wa-      et al. 2020). Vertreter beider Gattungen bzw. nah-
ren der Angebrannte Rauchporling (Bjerkande­        verwandte Taxa wurden in der Vergangenheit mit
ra cf. adusta), der Stoppelige Drüsling (Exidia     z.T. schweren Krankheitsausbrüchen an Gehöl-
glandulosa) und der Aschgraue Zystidenrin-          zen oder Fruchtfäulen in Verbindung gebracht
denpilz (Peniophora cinerea). Sie gehören alle      (Gramaje et al. 2012, Wenneker & Köhl 2013,
der Klasse Agaricomycetes an und sind häufige       Arzanlou et al. 2016, Wenneker et al. 2016).
Besiedler verschiedener Laubgehölze. Von die-          Für alle 43 aus dem Görlitzer Sauerkirsch-
sen Arten wurde allein Peniophora cinerea aus       holz isolierten Taxa konnte die taxonomische
den Görlitzer Proben häufig (7 x) isoliert.         Zuordnung mittels DNA-Sequenzen mindes-

                                                                                                  109
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Abb. 1: Mikroskopische und makroskopische Strukturen der asexuellen Stadien einiger Arten, die aus dem Holz
von Sauerkirschbäumen in Görlitz isoliert wurden. a–c: Aposphaeria corallinolutea. a) Pyknidien mit Sporen-
massen; b) Konidienträger und c) Konidien aus dem Inneren von Pyknidien. d–g: Coniothyrium ferrarisianum.
d) Konidien und e–f) Konidienträger aus dem Inneren von Pyknidien; g) Pyknidien mit Sporenmassen. h–j:
Pallidophorina paarla. h) Kultur in Petrischale; i–j) Konidien werden an winzigen Öffnungen (i) bzw. im Inneren
einer Hyphe (j) gebildet. k: Cadophora ramosa. Verzweigter Konidienträger und Konidien. l–m: Colletotrichum
godetiae. l) Acervulus mit Sporenmassen; m) Verzweigter Konidienträger und Konidien. Maßstäbe: a = 100 µm,
gilt auch für l. b = 10 µm, gilt für b–f, i–k, m. Fotos a–k: Steffen Bien. Fotos l–m: Ulrike Damm. h aus Bien et al.
(2020). l aus Damm et al. (2012).

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tens bis zur Gattung eingegrenzt werden: 19        In der gesamten Studie wurden lediglich zwei
Arten (79 Isolate) mit größerer Sicherheit bis     Diplodia seriata-Isolate gefunden (beide aus
zur Art, 14 Taxa (32 Isolate) ansatzweise bis zu   Baden-Württemberg; Bien & Damm 2020b).
einer Art und 10 Arten (25 Isolate) bis zur Gat-   Dies lässt sich nicht mit klimatischen Unter-
tung. Wir vermuten, dass die meisten Taxa der      schieden beider Regionen erklären, denn auch
letzten Gruppe noch unbekannt sind. Um das         in Deutschland sind Botryosphaeriaceae nicht
zu bestätigen, sind weitere umfangreiche mo-       selten. So tritt z. B. D. sapinea im Holz von
lekulare und morphologische Untersuchungen         Nadelbäumen häufig auf (Langer et al. 2011).
sowie ein intensives Studium der entsprechen-      Auch Phaeoacremonium-Arten wurden in un-
den Literatur notwendig. Bei den oben genann-      serer Studie, im Vergleich zu Südafrika, selten
ten Cadophora-Arten und bei Pallidophorina         gefunden (Damm et al. 2008c): in Görlitz trat
paarla erfolgte dies bereits.                      nur eine nicht genau bestimmbare Art auf (P. cf.
   Die systematische Stellung vieler durch die     viticola). Dagegen waren Cadophora-Arten in
Isolat-Untersuchungen identifizierter Arten,       Deutschland deutlich häufiger. In der südafri-
wie z. B. Coniothyrium ferrarisianum, ist noch     kanischen Studie wurden lediglich drei Isolate
unklar; in diesem Fall, weil diese Gattung nach    gefunden, die in die Untersuchung bei Bien &
heutigem Wissensstand polyphyletisch ist (Ver-     Damm (2020b) einbezogen wurden.
kley et al. 2014). Außerdem gibt es in vielen         Einschränkend ist hier allerdings zu erwäh-
Gattungen Arten, die sich in weniger als fünf      nen, dass nur ein Teil der Diversität vergleich-
Nukleotiden unterscheiden bzw. deren ITS-Se-       bar war. In der Studie aus Südafrika wurden nur
quenzen identisch sind, z. B. in Colletotrichum    Ergebnisse der Arten publiziert, die genau iden-
(Damm et al. 2012). Die Sequenzierung zusätzli-    tifiziert bzw. neu beschrieben wurden. Dagegen
cher Gene (Sekundärbarcodes) könnte hier wei-      wurden in der Studie aus Deutschland Ergeb-
tere Arten aufdecken.                              nisse aller Taxa veröffentlicht, die meist nur so
   Im Gesamtprojekt wurden insgesamt 1018          weit identifiziert wurden, wie mit vertretbarem
Pilzstämme aus Prunus-Holz in Deutsch-             Aufwand möglich war.
land isoliert, die 172 Taxa aus 109 Gattungen         Für die beobachteten Unterschiede in der
angehören. Bisher wurden im Rahmen der             Zusammensetzung der pilzlichen Gemein-
Gesamtstudie, die auch Pilzstämme aus südafri-     schaften im Prunus-Holz Deutschlands und
kanischem Prunus-Holz und aus an Weinreben         Südafrikas können verschiedene Gründe in
in Deutschland befestigten Sporenfallen einbe-     Betracht gezogen werden. So haben die ver-
zog, 15 neue Arten sowie 6 neue Gattungen be-      schiedenen Klimate beider Länder (temperates
schrieben. Dazu gehören immerhin acht Arten        Klima in Deutschland vs. subtropisches Klima
und zwei Gattungen, die von Prunus-Holz aus        in Südafrika), wenn auch nicht auf einzelne
Deutschland stammen (Bien & Damm 2020a,            weit verbreitete Taxa, so doch auf die Gesamt-
Bien et al. 2020).                                 gemeinschaft einen entscheidenden Einfluss.
                                                   Hinzu kommt die große räumliche Entfer-
                                                   nung und unterschiedliche Topographie, die
3.3    Vergleich der erfassten Arten mit           mit verschiedenen evolutionsgeschichtlichen
       denen aus südafrikanischen Stu­             Entwicklungen und Faunen zusammenhängen.
       dien und mehreren Datenbanken               Außerdem sind in den beiden Gesamtprojekten
                                                   unterschiedliche Prunus-Arten beprobt wor-
Die Zusammensetzung der isolierten Pilzge-         den. Allerdings waren z. B. Arten der Botryos-
meinschaften aus dem Holz von Prunus-Arten         phaeriaceae und Phaeoacremonium-Arten im
in Deutschland, insbesondere von Sauerkirsch-      Holz aller Prunus-Arten in Südafrika häufig.
bäumen des Stadtgutes Görlitz, unterschied            Soweit wir ermittelt haben, wurden vor un-
sich erheblich von der, die in Prunus-Holz bzw.    serer Studie zwei der 19 mit größerer Sicher-
in anderen Obstgehölzen in Südafrika ermittelt     heit bestimmten in Görlitz gefundenen Arten
wurde. Während in Südafrika Arten der Bo-          im Holz von Sauerkirschbäumen sowie in der
tryosphaeriaceae überall häufig und sehr divers    Lausitz bzw. in Sachsen nachgewiesen (Tab. 1).
waren (Damm et al. 2007a, Cloete et al. 2011),     Sechs davon sind offensichtlich Erstfunde, so-
wurden diese in Görlitz nicht nachgewiesen.        wohl für Deutschland als auch für die Gattung

                                                                                                111
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Abb. 2: Äste von Sauerkirschbäumen im Stadtgut Görlitz mit äußerlich sichtbaren Symptomen, aus denen a)
Coniothyrium ferrarisianum, Peniophora cinerea und Rhinocladiella cf. quercus; b) Neocosmospora cf. perseae
und Parapyrenochaeta protearum; c) keine Pilze und d) Cadophora novi-eboraci, Colletotrichum godetiae, Mo-
nocillium cf. tenue und Nothophoma cf. quercina isoliert wurden.

Prunus, darunter die beiden in Görlitz häufigs-        als auch an anderen Standorten an Süßkirsche
ten Arten Aposphaeria corallinolutea und Co­           und Pflaume.
niothyrium ferrarisianum. Letztgenannte Art               Nur für sechs der 19 Arten lagen Einträge
wurde in unserer Gesamtstudie nur in Sachsen           in der Datenbank der Pilze Deutschlands vor
gefunden, sowohl in Görlitz an Prunus cerasus          und von vier Arten gab es Belege in GLM vor

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unserer Studie. Lediglich für vier Arten ist ein   in ihren Obstplantagen. Für die Unterstützung
Vorkommen in der Lausitz vor unserer Studie        bei der Suche in der Datenbank der Arbeitsge-
belegt. Demnach kommen Peniophora cinerea          meinschaft sächsischer Mykologen danken wir
und Exidia glandulosa in ganz Deutschland          Prof. Hans-Jürgen Hardtke und Frank Dämm-
häufig vor, einschließlich Sachsen bzw. der        rich. Diese Studie trägt zur German Barcode
Lausitz, gefunden auch an Prunus (P. padus),       of Life Initiative bei, die durch das Bundesmi-
Peniophora cinerea auch an P. cerasus in Sach-     nisterium für Bildung und Forschung gefördert
sen. Für Eutypa lata weisen Dämmrich et al.        wurde (www.bolgermany.de).
(2021) einige Nachweise aus Deutschland von
mehreren Wirtspflanzen aus, jedoch nicht für
Sachsen bzw. die Lausitz, und auch nicht an        5       Literatur
Prunus, obwohl diese Art ein weltweit häufi-
ges Pathogen von Prunus-Holz ist (Moyo et al.      A rzanlou, M., S. Ghasemi & M. Baradaran Bag-
2018). Allerdings gibt es einen E. lata-Beleg in      heri (2016): Collophora hispanica, a new patho-
GLM aus Herrnhut (Oberlausitz) an Tilia sp.,          gen and potential threat to the almond industry in
und in der AGsM-Datenbank einen Nachweis              Iran. – Journal of Phytopathology 164: 833–839
an P. spinosa aus Thürmsdorf bei Königstein        Bien, S. & U. Damm (2020a): Arboricolonus sim­
von 1882.                                             plex gen. et sp. nov. and novelties in Cadophora,
   Deutschlandweit gibt es nach Dämmrich              Minutiella and Proliferodiscus from Prunus
et al. (2021) nur wenige Nachweise von Di­            wood in Germany. – MycoKeys 63: 119–161
dymella macrostoma (6×) und Phialocephala          Bien, S. & U. Damm (2020b): Prunus trees in Ger-
piceae (9×), nicht jedoch aus der Lausitz bzw.        many – a hideout of unknown fungi? – Mycolog-
aus Sachsen sowie nicht von Prunus cerasus.           ical Progress 19: 667–690
Nur sechs Nachweise sind von Calosphaeria          Bien, S., C. K raus & U. Damm (2020): Novel col-
pulchella aus verschiedenen Regionen Deutsch-         lophorina-like genera and species from Prunus
lands ausgewiesen, einschließlich eines Belegs        trees and vineyards in Germany. – Persoonia 45:
aus der Umgebung von Göda (Sachsen/Ober-              46–67
lausitz) an P. avium von 1902 (Datenbank der       Cloete, M., P. H. Fourie, U. Damm, P. W. Crous &
AGsM) und eines Belegs in GLM aus Siegel-             L. Mostert (2011): Fungi associated with die-
bach (Thüringen) an P. cerasus. Das heißt, keine      back symptoms of apple and pear trees, a possi-
der Arten wurde vor unserer Studie an P. cerasus      ble inoculum source of grapevine trunk disease
in der Lausitz nachgewiesen. Einschränkend ist        pathogens. – Phytopathogia Mediterranea 50,
jedoch zu erwähnen, dass sowohl in der Daten-         supplement: 176–190
bank pilze-deutschlands.de als auch in GLM         Crous, P. W., G. M. Verkley, J. Z. Groenewald &
vor unserer Studie kaum, womöglich sogar kei-         J. Houbraken (2019): Fungal biodiversity. West-
ne, Mikropilze enthalten waren, die kultiviert        erdijk Laboratory Manual Series No. 1. – West-
wurden. So fehlen u. a. eine Reihe sehr häufiger      erdijk Fungal Biodiversity Institute; Utrecht, The
Mikropilze, wie z. B. das Getreidepathogen Fu­        Netherlands: 425 S.
sarium culmorum (Damm 2000).                       Damm, U. (2000): Bodenmykoflora in unterschied-
   Insgesamt neun Arten wurden im Gesamt-             lichen Bewirtschaftungssystemen des Weizens
projekt nur in Görlitz gefunden (Tab. 1). Bei         mit besonderer Berücksichtigung der Fusarium­
diesen handelt es sich um zwei Erstfunde für          Arten. – Archiv für Acker- und Pflanzenbau und
Deutschland und von Prunus, zwei für Prunus           Bodenkunde 45: 509–521
cerasus, zwei für Sachsen und die Lausitz so-      Damm, U., P. F. Cannon, J. H. C. Woudenberg &
wie eine neu beschriebene Art und drei potenti-       P. W. Crous (2012): The Colletotrichum acu­
ell weitere neue Arten.                               tatum species complex. – Studies in Mycology
                                                      73: 37–113
                                                   Damm, U., P. W. Crous & P. H. Fourie (2007a):
4      Danksagung                                     Botryosphaeriaceae as potential pathogens of
                                                      Prunus species in South Africa, with descrip-
Wir danken den Mitarbeitern des Stadtgutes            tions of Diplodia africana and Lasiodiplodia
Görlitz für die Ermöglichung der Probenahme           plurivora spp. nov. – Mycologia 99: 664–680

                                                                                                    113
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Damm, U., P. W. Crous & P. H. Fourie (2008a):         Langer, G., U. Bressem & M. H abermann (2011):
  A fissitunicate ascus mechanism in the Calos­         Diplodia-Triebsterben der Kiefer und endophyti-
  phaeriaceae, with novel species of Jattaea and        scher Nachweis des Erregers Sphaeropsis sapi­
  Calosphaeria on Prunus wood. – Persoonia 20:          nea. – AFZ-Der Wald 11: 28–31
  39–52                                               Moyo, P., U. Damm, L. Mostert & F. H alleen
Damm, U., P. H. Fourie & P. W. Crous (2007b):           (2018): Eutypa, Eutypella and Cryptovalsa
  Aplosporella prunicola, a novel species of ana-       species (Diatrypaceae) associated with Prunus
  morphic Botryosphaeriaceae. – Fungal Diversity        species in South Africa. – Plant Disease 102:
  27: 35–43                                             1402–1409
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