Pilze und Totholz - In der Forschung tut sich was - Gerti Fluhr-Meyer - Bayerische ...
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Waldnaturschutz Abbildung 1 Aktive Totholzschaffung Gerti Fluhr-Meyer durch Baumkronenkappung Pilze und Totholz – In der Forschung als Lebensraum für Pilze und andere totholzbewohnende Lebewesen (Foto: National- tut sich was park Bayerischer Wald). Holzabbauende Pilze haben im Naturschutz lange ein Schattendasein geführt. Doch im Zusammenhang mit Bestrebungen, mehr Totholz in Wirtschaftswäldern anzureichern, ist das Interesse an ihnen gewachsen. Die Artengruppe spielt eine zentrale Rolle in groß angelegten Freilandexperimenten zum Thema Totholz. Wissenschaftler untersuchen dort unter anderem, welche Pilze sich auf Totholz ansiedeln, welche Faktoren ihre Vielfalt beein- flussen und wie die Pilze den Holzabbau steuern. Die gewonnenen Erkenntnisse helfen, Empfehlungen für die Naturschutzpraxis zu formulieren. Die bisherigen Ergebnisse zeigen: Die Artenvielfalt der totholzbewohnenden Pilze ist wahrscheinlich viel größer, als bisher angenommen. Wesentliche Faktoren für Pilzvielfalt und Zusammensetzung der Pilzge- meinschaften auf Totholz sind unter anderem die Baumart, die Größe des angebotenen Totholzes (Äste oder Stämme), der Standort (sonnig/schattig) und der Zersetzungsgrad des Holzes. Totholz verschiedener Baumarten erscheint für die Pilzvielfalt sehr wichtig. Das bedeutet für die forstwirtschaftliche Praxis: Der Förster sollte auch bei Totholz auf die Baumartenvielfalt achten. Damit Sporenspender vorhanden sind, sollte die empfohlene Mindestmenge von 40 m3/Hektar eingehalten sein. Die genauere Definition der für Pilze notwendigen Mindestmengen wird die zentrale Aufgabe der zukünftigen Forschung sein. ANLIEGEN NATUR 40(2), 2018 81
G. Fluhr-Meyer: Waldnaturschutz Pilze und Totholz – In der Forschung tut sich was Das BioHolz-Projekt „Vielfalt im Wald“ Wie kann der Anteil von Totholz in Wirtschafts- wäldern erhöht werden, um die Artenvielfalt zu fördern und mehr Naturnähe zu erreichen? Darum geht es im BioHolz-Projekt, in dem Mitglieder aus unterschiedlichen Disziplinen der Wissenschaft, der Forstwirtschaft und des Naturschutzes zusammen- arbeiten. In zum Teil groß angelegten Freiland- versuchen werden verschiedene Möglichkeiten der Totholzanreicherung erprobt. Projektlaufzeit ist von 1. Juli 2015 bis 30. Juni 2021. Übergeordnetes Ziel des in sechs Teilprojekte gegliederten Forschungs- und Entwicklungsvor- habens ist, den unterschiedlichen Ansprüchen von Forstwirtschaft, Naherholung, Tourismus und Naturschutz gleichermaßen gerecht zu werden. Mehrere Universitäten, der Landesbund für Vogelschutz e. V. und das Bistum Passau sind Forschungs- und Umsetzungspartner, die unter anderem mit dem Nationalpark Bayerischer Wald und der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) bei der wissen- schaftlichen Arbeit und der Veröffentlichung der Ergebnisse kooperieren. Mehr Informationen im Internet unter: www.bioholz-projekt.de Abbildung 2 Experimentelle Totholzflächen: Hier werden verschiedene Sie haben so bizarre Namen wie Zunderschwamm, Pilze sind ein Schwerpunkt in der Totholz- Organismen, darunter auch Rotrandiger Fichtenporling, Zitronengelbe Tramete forschung Pilze, untersucht oder Gelblichblauer Saftporling und interessierten Doch wieviel Totholz ist nötig? Wo und wie wird (Foto: Claus Bässler). lange Jahre nur wenige Experten und Liebhaber. es am effektivsten ausgebracht? Müssen in einem Doch seit einiger Zeit stehen sie im Fokus Bestand Urwald- oder Totholzreste vorhanden waldökologischer Forschungsprojekte. Die Rede ist sein, damit Totholz besiedelt wird? Vieles hierzu von holzbewohnenden Pilzen. Viele von ihnen ist noch unbekannt. Derzeit versuchen weltweit sind in den Abbau alter und absterbender Bäume, Wissenschaftler in groß angelegten Freilandversu- toter Äste und Stämme, sogenanntes Totholz, chen Antworten zu finden. Sie untersuchen, wie involviert. Und das macht sie interessant für die die Prozesse beim Abbau von Totholz ablaufen Wissenschaft. Denn Totholz steht seit einiger Zeit und welche Arten daran beteiligt sind (siehe auch im Zentrum naturschützerischer Bemühungen. Informationskasten „BioHolz-Projekt Vielfalt im Wald“). Ziel ist, in Wirtschaftswäldern den Anteil von Totholz zu erhöhen und damit die Artenvielfalt zu Totholzbewohnende Pilze sind eine wichtige Arten- fördern – denn hier, wo das Hauptziel die Holz- gruppe in vielen dieser Projekte. Nur sie sind in der produktion ist, ist Totholz oft Mangelware. Weil Lage, den wichtigsten Baustein des Holzes, das in die Bäume relativ jung geerntet werden, sinkt der der Zellwand vorhandene Lignin, effektiv abzubauen Anteil alter, absterbender Bäume und ihrer toten (Floudas et al. 2012). Ihre Artenvielfalt und ihre Reste. Diese sind jedoch Lebensraum vieler Fähigkeit, nahezu alle ökologischen Nischen zu Pflanzen, Säugetiere, Vögel, Insekten, Flechten, besetzen, machen sie zudem zu sehr guten Indikatoren Mikroben und Pilze. für Veränderungen im Wald (Bässler et al. 2011). 82 ANLIEGEN NATUR 40(2), 2018
G. Fluhr-Meyer: Pilze und Totholz – In der Forschung tut sich was Waldnaturschutz Ein großes Forschungsprojekt in Deutschland mit Sporen oder Fruchtkörperfragmente enthalten Langzeituntersuchungen zum Thema Totholz, in sein. Die Holzprobe wird „DNA-gebarcoded“, wie dem auch Pilze untersucht werden, findet seit Forscher sagen. Als Ergebnis erhalten sie verschie- 2008 in den von der Deutschen Forschungsge- dene „Barcodes“ (Basenabfolgen) eines bestimmten meinschaft geförderten Biodiversitätsexploratorien Abschnitts auf der DNA. Diese vergleichen sie und statt. Auf Versuchsflächen in gemäßigten Wald- sprechen ab einem bestimmten Abweichungs- zonen im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, grad von einer neuen „Operational Taxonomic im Nationalpark Hainich und im Biosphärenreservat Unit (OTU)“. Allerdings: Ob OTUs bei Pilzen Arten Schwäbische Alb legten Wissenschaftler in drei gleichzusetzen sind, ist unter Pilzforschern noch Wiederholungen 1.140 Totholzstämme verschie- umstritten (Bässler , mündliche Mitteilung). dener Baumarten aus und untersuchten ihren Zerfall. Übergeordnetes Ziel dort ist festzustellen, wie Viel mehr Arten als gedacht? sich der Abbau zwischen den einzelnen Baumarten Um die Pilzvielfalt in Totholz festzustellen, kombi- unterscheidet und welchen Effekt der umgebende nieren viele Forscher heute Barcoding („Mycelarten“) Wald hat. Die Versuchsflächen liegen deshalb in und klassische Fruchtkörperbestimmung („Frucht- unterschiedlichen Bereichen – von sehr intensiv körperarten“). Oft finden sie mehr Mycel- als bewirtschaftet bis zum Naturwald. Fruchtkörperarten. Finnische Forscher stellten beispielsweise bei Pilzen auf Totholz der Norwe- Ein weiterer Hotspot der Pilzforschung in Zusam- gischen Fichte 198 Mycel- und 137 Fruchtkörper- menhang mit Totholz liegt im Nationalpark Baye- arten fest. Die Korrelation zwischen Mycel- und rischer Wald. Dort wollen Wissenschaftler feststellen, Fruchtkörperarten war für die Mehrheit der Arten welche Auswirkungen das Prinzip „Natur Natur sein groß. Allerdings fanden die Wissenschaftler auch lassen“ hat. Die Erkenntnisse aus dem intakten Mycelarten, die keine Fruchtkörper bildeten (Baber System Urwald sollen auf Wirtschaftswälder über- et al. 2016). Arten mit einem großen Mycel-Vor- tragen werden und helfen, Maßnahmen zum kommen formten zudem häufiger und insgesamt Pilzschutz zu formulieren. Totholz ist im National- größere Fruchtkörper, was sich positiv auf die park ein großes Thema: Im Gebiet um Rachel und Populationsdynamik auswirkt. Die finnischen Lusen werden seit den 1980er-Jahren Windwurf- Wissenschaftler entdeckten dank Barcoding auch flächen nicht mehr aufgearbeitet. Das führte zu Überraschendes: Arten, die aufgrund ihrer speziellen einer drastischen Umstrukturierung der Wälder, an Ansprüche selten Fruchtkörper ausbilden und aus der der Buchdrucker (einer der häufigsten Borkenkäfer) diesem Grund den Roten Listen zugeordnet wesentlich beteiligt war. 2011 waren über 40 Prozent wurden, waren im Mycel öfter vorhanden, als es des ursprünglich ausgewiesenen Nationalparks die Häufigkeit der Fruchtkörper erwarten ließ durch Totholzflächen geprägt (Bässler et al. 2011). (Ovaskainen et al. 2013). Molekularbiologie zur Artbestimmung Zu einem weiteren erstaunlichen Ergebnis kam Neue molekularbiologische Methoden haben die dank NGS und Barcoding ein Forscherteam aus Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns in punkto Leipzig in den Biodiversitätsexploratorien holzbewohnender Pilze erweitert. Sie ermöglichen Schorfheide-Chorin, Nationalpark Hainich und im es, artähnliche Einheiten von Pilzen, sogenannte Biosphärenreservat Schwäbische Alb. Sie brachten Operational Taxonomic Units (OTU), schnell zu 300 Totholzstämme von sieben Laubbaum- und bestimmen. Bislang bestimmten Wissenschaftler vier Nadelbaumarten aus. Nach drei Jahren identi- Pilze ausschließlich anhand äußerer Merkmale des fizierten sie mit NGS aus Bohrproben 1.254 OTUs! Fruchtkörpers. Einen Fruchtkörper bilden viele Das waren den Forschern zufolge zwölf Mal mehr Pilze aber nur unter bestimmen Bedingungen. Die als in einer vorangegangenen Untersuchung auf meiste Zeit leben sie in der Erde oder im Holz. Sie denselben Flächen durch Fruchtkörperbestimmung bestehen dort aus einem sehr feinen Geflecht, festgestellt worden waren (Purahong et al. 2018). dem sogenannten Mycel. Auf Mycelebene konnten Jedoch ist die Vorgängerstudie kein guter Vergleich: Pilze bislang nicht bestimmt werden. Dank Erstens wurden in ihr eindeutig bestimmbare moderner genetischer Methoden (next generation Fruchtkörperarten erfasst und keine OTU. Zweitens sequencing, kurz NGS) ist das jetzt möglich. war das Artenspektrum von vorneherein einge- Wissenschaftler nehmen Bohrproben aus Totholz. schränkt. Es wurden nur Arten einer vorher festge- Aus dem Holzstaub ermitteln sie die Sequenz eines legten Artenliste aufgenommen (Barber et al. 2016). bestimmten Marker-Gens gleichzeitig bei allen darin Trotzdem bleibt festzuhalten: Die genetische Viel- vorkommenden Pilzteilen. Diese stammen zum falt von Pilzen im Totholz ist sehr hoch und wahr- Großteil aus dem Mycel. Es können aber auch scheinlich viel höher als gedacht. ANLIEGEN NATUR 40(2), 2018 83
G. Fluhr-Meyer: Waldnaturschutz Pilze und Totholz – In der Forschung tut sich was Abbildung 3 Der Ockerblasse Schüppling Pholiota squarrosoides lebt Jede Baumart hat ihre eigene Menge stärkerem Totholz ein Vielfaches an Arten im Totholz, hier auf einem Pilzgemeinschaft (Bässler et al. 2010). Tannenstamm (Foto: Peter Die beiden Studien zeigten noch mehr: Welche Karasch). holzbewohnenden Pilze vorkommen, hängt von Die Rolle der Besonnung wird aktuell neu der Baumart ab. Totholz von Laub- und Nadelbäumen diskutiert: Bislang nahmen Wissenschaftler an, wird beispielsweise von unterschiedlichen Pilzge- dass Besonnung die Abbauprozesse verlangsamt meinschaften besiedelt. Wobei bei Laubbäumen (zum Beispiel durch Austrocknung). Jüngere der Artenreichtum mit dem zeitlichen Abstand Ergebnisse zeigen jedoch, dass auch besonnte zum Absterben zunimmt, bei Nadelbäumen nicht. Holzteile ihre spezifischen Arten beheimaten und Das konnte für Ahorn, Hainbuche, Buche und somit die Abbaurate sich nicht unbedingt ändert, Pappel gezeigt werden. Bei Birkentotholz ändert der Abbau jedoch von anderen Arten übernommen sich zudem im Laufe des Zersetzungsprozesses wird (Bässler 2018, persönliche Mitteilung). die Artenzusammensetzung (Baber et al. 2016). Weiter haben Eichen und Eschen eine sehr spezi- Manche Pilze können sich zudem erst ansiedeln, fische Artzusammensetzung, die sich von wenn andere vorgearbeitet haben. Bekanntes anderen Laubbäumen unterscheidet. Bei den Beispiel dafür ist die Zitronengelbe Tramete Nadelbäumen ergaben sich beim Pilzbestand der (Antrodiella citrinella). Das weltweit seltene Waldkiefer deutliche Unterschiede zu dem Urwaldrelikt war im Nationalpark Bayerischer Wald anderer Nadelbäume (Purahong et al. 2018). ursprünglich auf zwei Standorte beschränkt. Erst nach 20 Jahren des Nationalparkmottos „Natur Von Totholzmenge bis Zersetzungsgrad – Natur sein lassen“ kehrte sie auch in andere Pilzvielfalt hängt von vielen Faktoren ab Bereiche zurück. Denn sie kann erst Fruchtkörper Welche Pilzarten sich auf Totholz ansiedeln, hängt ausbilden, wenn Totholz vorhanden ist, das der nicht nur von der Baumart ab. Viele weitere Rotrandige Fichtenporling vorbereitet hat (Bässler Faktoren spielen eine Rolle. Entscheidend sein 2011). können zum Beispiel die Menge, der Zersetzungs- grad, der Durchmesser des Totholzes und das Wichtig ist zudem die Entstehungsgeschichte. Mikroklima, also ob Totholz besonnt wird oder Totholz aus Windwurf, Schneebruch, Waldbrand nicht (Bässler et al. 2011). Stärkeres Totholz, wie oder Borkenkäferbefall wird unterschiedlich besiedelt. dicke Stämme, bietet Pilzen beispielsweise auf Weiter ist es für die Vielfalt totholzbewohnender Pilze offenen Flächen stabilere Bedingungen. Es kann wichtig, dass in einer Landschaft Waldbestände mit bei intensiver Bestrahlung Wasser binden. Einen unterschiedlichen Strukturen und Altwaldrelikte als dicken Stamm können im Laufe des Zersetzungs- Sporenspenderflächen vorhanden sind. Dies prozesses hintereinander verschiedene Pilzge- spricht dafür, Altwaldbestände zu erhalten und in meinschaften besiedeln (Bässler et al. 2011). Doch Fichtenforsten geschützte Waldbereiche zu auch Äste sind wichtig: Ein Festmeter Holz aus etablieren, in denen keine Forstwirtschaft Ästen beherbergt im Vergleich zur gleichen betrieben wird (vergleiche Bässler et al. 2012). 84 ANLIEGEN NATUR 40(2), 2018
G. Fluhr-Meyer: Pilze und Totholz – In der Forschung tut sich was Waldnaturschutz Für die Erstbesiedlung ist die Baumart Fazit und Ausblick entscheidend In der Erforschung holzbewohnender Pilze tut Die bisherigen Erkenntnisse über die Faktoren, die sich was. Aktuelle Ergebnisse weisen darauf hin, die Vielfalt totholzbewohnender Pilze beeinflussen, dass ihre Artenvielfalt möglicherweise viel größer stammen vorwiegend aus Übersichtsstudien bezie- ist als bisher angenommen. hungsweise Umfragen (zum Beispiel Bässler et al. 2012). Die Faktoren können sich aber gegenseitig Eine große Bedeutung für die Besiedlung von beeinflussen und hängen miteinander zusammen. Totholz mit Pilzen hat die Baumart. Sie entscheidet, Hier ist noch vieles unbekannt. welche Pilzarten sich entwickeln. Für die praktische Umsetzung in Wälder wird eine Definition der Neue Studien sollen mehr Klarheit bringen. Mindestmengen von zentraler Bedeutung sein: Wissenschaftler haben dazu im Nationalpark Baye- Genaue Mengenangaben für Totholz sind für die rischer Wald Experimentierzonen eingerichtet, in Artengruppe der Pilze bislang schwierig abzuleiten. denen die Bedingungen variieren (Krah et al. 2018): Empfehlenswert ist aktuell die Einhaltung des Es gibt dort stehendes Totholz, liegendes, dünnes allgemeinen Schwellenwerts von 40 m3/Hektar und dickes in unterschiedlichen Mengen, Totholz Totholz (Müller & Bütler 2010). Wenn dieser einge- von nur einer Baumart oder von mehreren, sonnige halten ist, kann den Ergebnissen der Forschungs- und beschattete Flächen. gruppe um Claus Bässler im Nationalpark Bayerischer Wald zufolge auf Forstbetriebsebene, also einer Auf diesen Flächen erhoben die Forscher vier Fläche bis etwa 10.000 Hektar, Totholz dort ange- Jahre (2012–2015) die vorkommenden Pilze, die sie reichert werden wo es anfällt, unabhängig davon, klassisch anhand des Fruchtkörpers bestimmten. wieviel Totholz in der Umgebung vorhanden ist. Das ausgeklügelte Versuchsdesign erlaubte es, aus Pilzsporen scheinen eine viel größere Reichweite den Daten den Einfluss einzelner Größen auf die zu haben als bisher angenommen (Bässler 2018, Artenvielfalt statistisch zu berechnen. Diese persönliche Mitteilung). Größen betrafen das Totholz selbst (Buche und Fichte; Stämme oder Äste) und dessen Umge- Wichtig für die Vielfalt totholzbewohnender Pilze bung (Sonne oder Schatten, Menge und Hetero- ist vor allem auch Totholzvielfalt: Wer die Pilzviel- genität des ausgebrachten Totholzes). Dabei zeigte falt erhalten will, sollte Holz verschiedener, stand- sich: Wie für die Vielfalt bei den totholzbewoh- orttypischer Baumarten unterschiedlicher Durch- nenden Käfern (Seibold et al. 2016) ist auch für die messer (Stämme, Äste) sowohl an sonnigen als Pilze die Totholzvielfalt entscheidender als die auch an schattigen Standorten ausbringen. Ganz Abbildung 4 insgesamt in einem Waldbestand ausgebrachte entscheidend ist zudem der Erhalt von Altholzbe- Totholzpilze können faszinie- Totholzmenge. Die Baumart war für die Mannig- ständen und Naturwaldgebieten als Spender- rende Formen haben, wie der faltigkeit der fruchtkörperbildenden, holzbewoh- zonen für Pilzsporen. Wenn in einem Wald seltene Graustielige Aderndachpilz nenden Pilze wichtiger als die Umgebung. Sie Pilzarten nicht einmal in der Umgebung von Pluteus thomensonii (Foto: zeigte sogar den größten unabhängigen Effekt Peter Karasch). auf Vielfalt und Zusammensetzung der Pilzge- meinschaften. Einen signifikanten, aber geringen Einfluss hatte auch die Stärke des angebotenen Holzes. Weiter beeinflussten Auflichtungen in der Baumkrone die Zusammensetzung der Pilzarten- gemeinschaft. Dagegen zeigten weder die lokal vorhandene Menge an Totholz noch seine Zusammensetzung in Bezug auf Baumarten und Größe einen Einfluss auf die erhobenen Pilzge- meinschaften. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass in der frühen Phase des Abbaus die Wirtsbaumart ausschlag- gebend dafür ist, welche Pilzarten sich entwickeln. Für den Schutz holzbewohnender Pilze ist demnach eine große Artenvielfalt von Totholz sowohl an schattigen als auch an besonnten Standorten wich- tiger als die insgesamt vorhandene Totholzmenge in einem Waldbestand (Krah et al. 2018). ANLIEGEN NATUR 40(2), 2018 85
G. Fluhr-Meyer: Waldnaturschutz Pilze und Totholz – In der Forschung tut sich was Ovaskainen, O., Schigel, D., Ali-Kovero, H. et al. (2013): Altwaldresten vorhanden sind, ist es zudem eine Combining high-throughout sequencing with fruit Überlegung wert, sie wie andere ausgestorbene body surveys reveals contrasting life-history strate- oder seltene Tierarten aktiv wieder anzusiedeln gies in fungi. – The ISME Journal 7/2013: 1696–1709. und ihr Überleben so zu sichern (Bässler 2018, Purahong, W., Wubet, T., Krüger, D. & Buscot, F. (2018): persönliche Mitteilung). Molecular vidence strongly supports deadwood- inhabiting fungi exhibiting unexpected tree species Literatur preferences in temperate forests. – The ISME Journal 12/2018: 289–296. Baber, K., Otto, P., Kahl, T. et al. (2016): Disentangling the effects of forest-stand type and dead-wood Seibold, S., Bässler, C., Brandl, R. et al. (2016): Microcli- origin of the early successional stage on the diver- mate and habitat heterogeneity as the major sity of wood-inhabiting fungi. – Forest Ecology and drivers of beetle diversity in dead wood. – Journal Management 377: 161–169. of Applied Ecology Vol. 53, Iss. 3: 934–943. Bässler, C., Holzer, H. & Hahn, C. (2011): Am Beispiel der holzzersetzenden Pilze – Zwischenbilanz der Philo- sophie „Natur Natur sein lassen“. – AFZ-Der Wald 6/2011: 30–33. Bässler, C., Müller, J., Svoboda, M. et al. (2012): Diversity of wood-decaying fungi under different disturban- ce regimes – a case study from spruce mountain forests. – Biodiversity and Conservation 21: 33–49. Bässler, C., Müller, J., Dziock, F. & Brandl, R. (2010): Ef- fects of resource availability and climate on the di- versity of wood-decaying fungi. – Journal of Ecolo- gy 98: 822–832. Floudas D., Binder M., Riley R. et al. (2012): The paleo- zoic origin of enzymatic lignin decomposition re- constructed from 31 fungal genomes. – Science 336 (6089): 1715–1719. Krah, F.-S., Seibold, S., Brandl, R. et al. (2018): Indepen- dent effects of host and environment on the diver- sity of wood-inhabiting fungi. – Journal of Ecology 2018: 1–15. Müller, J. & Bütler, R. (2010): A review of habitat thresholds for dead wood: a baseline for manage- ment recommendations in European forests. – Eu- ropean Journal of Forest Research 129: 981–992. Autorin Gerti Fluhr-Meyer, Jahrgang 1961. Diplom-Biologin und freie Journalistin, Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten Natur- und Umweltschutz, Gesundheit und Verbraucherschutz. Tätigkeit für die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege, den Verbraucher-Service Bayern, das Bayerische Landwirtschaftliche Wochen- blatt und andere. Studium der Biologie an der Ludwig-Maximilians- Universität (LMU) München, Nachdiplomstudium Siedlungswasserbau und Gewässerschutz an der Eidge- nössische Technische Hochschule (ETH) Zürich. Vo- lontariat (Wort & Bild Verlag) und Ausbildung zur Online-Journalistin an der Journalistenakademie in Zitiervorschlag München. Fluhr-Meyer, G. (2018): Pilze und Totholz – In der Forschung tut sich was. – ANLiegen Natur 40(2): + 49 89 57968814 81–86, Laufen; g.fluhr-meyer@online.de www.anl.bayern.de/publikationen. 86 ANLIEGEN NATUR 40(2), 2018
Impressum ANLIEGEN NAT A UR die Weitergabe an Dritte zum Zweck der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Zeitschrift für Naturschutz Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwen- und angewandte det werden, die als Parteinahme der Staatsregierung Landschaftsökologie zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden Heft 40(2), 2018 werden könnte. ISSN 1864-0729 Den Parteien ist es gestattet, die Druckschrift zur Unterrich- ISBN 978-3-944219-37-0 tung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. Bei publizistischer Verwertung – auch von Teilen – ist Die Publikation ist Fachzeitschrift und Diskussionsforum die Angabe der Quelle notwendig und die Übersen- für den Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministe dung eines Belegexemplars erbeten. Alle Teile des riums für Umwelt und Verbraucherschutz und die im Na- Werkes sind urheberrechtlich geschützt. tur- und Umweltschutz Aktiven in Bayern. Für die Einzel Alle Rechte sind vorbehalten. beiträge zeichnen die jeweiligen Verfasserinnen und Ver- Der Inhalt wurde mit großer Sorgfalt zusammengestellt. Eine fasser verantwortlich. Die mit Verfassernamen gekennzeich Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann dennoch neten Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des nicht übernommen werden. Für die Inhalte fremder Inter- Herausgebers, der Naturschutzverwaltung oder der netangebote sind wir nicht verantwortlich. Schriftleitung wieder. Aus Gründen besserer Lesbarkeit wird im Heft weitgehend Erscheinungsweise auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weib- In der Regel zweimal jährlich licher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeich nungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht. Bezug Herausgeber und Verlag Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) Seethalerstraße 6 83410 Laufen an der Salzach poststelle@anl.bayern.de www.anl.bayern.de • Alle Beiträge digital und kostenfrei: www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/ Schriftleitung meldungen/wordpress/ Bernhard Hoiß (ANL) • Newsletter: Telefon: +49 86 82 89 63-53 www.anl.bayern.de/publikationen/newsletter Telefax: +49 86 82 89 63-16 • Abonnement Druckausgaben: bernhard.hoiss@anl.bayern.de bestellung@anl.bayern.de • Druckausgaben: www.bestellen.bayern.de Redaktionsteam Zusendungen und Mitteilungen Bernhard Hoiß, Paul-Bastian Nagel, Die Schriftleitung freut sich über Manuskripte, Rezen Wolfram Adelmann, Lotte Fabsicz sionsexemplare, Pressemitteilungen, Veranstaltungsan Fotos: Quellen siehe Bildunterschriften kündigungen und -berichte sowie weiteres Informations Satz und Bildbearbeitung: Nicole Höhna material. Es besteht kein Anspruch auf Rücksendung Druck: Fuchs Druck GmbH, 83317 Teisendorf oder Publikation. Stand: Oktober 2018 Beabsichtigen Sie einen längeren Beitrag zu veröffentlichen, bitten wir Sie mit der Schriftleitung Kontakt aufzunehmen. © B ayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege Hierzu verweisen wir auf die Richtlinien für Autoren, in (ANL) Alle Rechte vorbehalten welchen Sie auch Hinweise zum Urheberrecht finden. Gedruckt auf Papier aus 100 % Altpapier Verlagsrecht Das Werk einschließlich aller seiner Bestandteile ist ur Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeits heberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb arbeit der Bayerischen Staatsregierung herausgegeben. der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zu- Sie darf weder von den Parteien noch von Wahlwerbern stimmung der ANL unzulässig. Das gilt insbesondere für oder Wahlhelfern im Zeitraum von fünf Monaten vor Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen einer Wahl zum Zweck der Wahlwerbung verwendet und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektroni werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunal- schen Systemen. BAYERN | DIREKT ist Ihr direkter Draht zur Bayerischen Staatsregierung. Unter Tel. 089 12 22 20 oder per E-Mail und Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser unter direkt@bayern.de erhalten Sie Informations- material und Broschüren, Auskunft zu aktuellen The- Zeit insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltun men und Internetquellen sowie Hinweise zu Behörden, zuständigen Stellen und Ansprechpartnern bei der gen, an Informationsständen der Parteien sowie das Ein- Bayerischen Staatsregierung. legen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer In- formationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls Eine Behörde im Geschäftsbereich 178
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