Pneumologie - highlighted - Bayerisches Ärzteblatt

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Pneumologie - highlighted - Bayerisches Ärzteblatt
Pneumologie – highlighted
Die drei hier vorgestellten Patienten mit     zweite Fallpräsentation, dass sowohl Iden-     Patient 1 – Notfall. Ex-Raucherin
akuten und chronischen Veränderungen          tifikation des auslösenden Agens als auch      mit Dyspnoe und Somnolenz
aufgrund sehr unterschiedlicher Ätiologien    die Überzeugung des Patienten zur konse-
                                                                                             Anamnese
(hier: infektiologisch, immunologisch-all-    quenten Karenz eine Herausforderung dar-
                                                                                             Die 54-jährige Patientin stellt sich mit seit Ta-
ergologisch, maligne) vermitteln einen Ein-   stellen können.                                gen zunehmender Müdigkeit und deutlicher
druck vom Spektrum der Pneumologie.                                                          Verschlechterung einer bekannten Belastungs-
                                              In der pneumologischen Onkologie kann          dyspnoe, begleitet von neu aufgetretenem Hus-
Insbesondere bei kritisch Kranken wird die    heute bei Patienten mit metastasiertem         ten mit gelblichem Auswurf in der Notaufnahme
komplexe Regulation der Ventilation – vom     nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom durch       vor. Eine COPD sei bekannt, die Patientin nutze
Atemzentrum bis zur Atemmuskulatur –                                                         ein Salbutamol Dosier-Aerosol bei Bedarf. Vor
                                              Kombination aus Chemo- und Immunthe-
deutlich. Die erste Fallvignette beschreibt                                                  acht Monaten habe sie ihre „letzte Zigarette“
                                              rapie ein längeres Überleben mit mehr Le-      geraucht (zuvor kumulativ 70 pack years).
eine der häufigen pneumologischen Not-
                                              bensqualität erzielt werden. Gleichzeitig
fallsituationen und erläutert anhand der
                                              stehen für einen Teil der Erkrankten orale,    Verlauf
pathophysiologischen Veränderungen ak-                                                       In der Notaufnahme präsentiert sich eine adipö-
                                              zielgerichtete Substanzen zur Verfügung.
tuelle apparative Optionen zur Therapie von                                                  se, beginnend somnolente Patientin mit verlän-
                                              Die dritte Kasuistik demonstriert die diag-
Ventilation und Gasaustausch.                                                                gertem Exspirium und exspiratorischem Giemen
                                              nostische und therapeutische Vorgehens-
                                                                                             über den basalen Lungenabschnitten beidseits.
Die Lunge steht mit jeder In- und Exspira-    weise bei metastasiertem Lungentumor           In der arteriellen Blutgasanalyse unter Raumluft
tion mit der Umwelt unmittelbar im Aus-       unter Einsatz aller oben genannter Moda-       findet sich eine deutliche Hypoxämie und Hy-
tausch. Der Anteil pneumologischer Er-        litäten.                                       perkapnie mit Azidose (SpO2 57 Prozent, PaO2
                                                                                             29 mmHg, PaCO 2 64 mmHg, pH 7,27). Somit
krankungen durch inhalative Noxen oder
                                              Allen hier vorgestellten Patienten ist ge-     liegt eine respiratorische Insuffizienz Typ II
Allergene im privaten oder beruflichen Um-
                                                                                             mit nicht kompensierter respiratorischer Azi-
feld ist erheblich. Gelingt die konsequente   meinsam, dass die Lungenerkrankung bzw.
                                                                                             dose vor (Tabelle 1).
Karenz, verbessern sich Symptomatik, Prog-    deren Therapie bei einer Infektion der Atem-
nose, und der Bedarf an pharmakologischer     wege (zum Beispiel SARS-CoV-2) das Risiko      Unter sofortiger Sauerstoffgabe via Nasenbrille
Therapie sinkt. Allerdings verdeutlicht die   für einen schwergradigen Verlauf erhöht [1].   verbessert sich zwar die Oxygenierung (SpO2

128     Bayerisches Ärzteblatt 4/2021
Pneumologie - highlighted - Bayerisches Ärzteblatt
Titelthema

                                                                                                                    Dr. Anna Krandick
                                                                                                                    Dr. Konrad Kokowski
                                                                                                                    Dr. Philipp Krainz

                                                                                               Dr. Peter Schramm
                                                                                               Professor Dr. F. Joachim Meyer

75 Prozent) innerhalb von wenigen Minuten,
                                                       Respiratorische
allerdings verschlechtert sich der Grad der                                   PaO2*                         PaCO2                       Störung
                                                       Insuffizienz
Hyperkapnie und die Patientin wird zunehmend
somnolent.                                             Typ I                  normal*                       35 – 45 mmHg                Oxygenierung
                                                       Typ II                 normal* oder erniedrigt       > 45 mmHg                   Ventilation
In der Notaufnahme wird daher zeitnah eine            Tabelle 1: Formen der respiratorischen Insuffizienz.
nicht-invasive Beatmung (NIV) via Nasen-Mund-         * Normwert für PaO2 ist altersabhängig und lässt sich mit der Faustformel nach Murray abschätzen: Soll-PaO2
Maske eingeleitet. Im kurzfristigen Verlauf           = 102 – (Lebensalter x 0,33). Beispiele für Sollwert: PaO2 > 95 mmHg (ca. 20 Jahre) oder PaO2 > 75 mmHg
                                                      (ca. 80 Jahre).
kommt es unter NIV (IPAP 14 mbar, EPAP 6 mbar,
O2-Zufuhr 2 l/min) zur Abnahme der Hyperkapnie
und zu einer geringen Besserung der Somnolenz.
Es erfolgt die Verlegung auf die Intensivstation.
Dort wird die leitliniengerechte Behandlung der
infektassoziierten COPD-Exazerbation fortge-
setzt, die unter anderem Antibiotika-, systemische
Steroid- (Piperacillin/Tazobactam i.v., Prednisolon
40 mg p. o. über fünf Tage) sowie antiobstruktive
Inhalationstherapie umfasst [2]. Am Abend des
Folgetages ist die Patientin wach und verweigert
die Fortführung der mittlerweile nur noch inter-
mittierenden NIV. Unter Sauerstoffgabe kommt es
innerhalb von zwölf Stunden zu einer deutlichen
CO2-Retention. Erneut imponiert eine zunehmende
Somnolenz. Arterielle Blutgasanalysen bestätigen
einen PaCO2 zwischen 70 bis 90 mmHg. Bei inter-
mittierendem Delir wird phasenweise eine nasale
High-Flow-Therapie angewendet, da die Patientin
unter der Mund-Nasen-Maske (sogenannte „Full          Abbildung 1: Unter nicht-invasiver Beatmung gelingt die Normalisierung der Hyperkapnie
Face Mask“; deckt Nase-Mund ab, lässt Stirn-          (Monitoring des transkutanen Partialdrucks für CO2) während der Nacht.

                                                                                                                     Bayerisches Ärzteblatt 4/2021          129
Titelthema

Augen frei) Panik empfindet. Darunter kommt es       Absolute Kontraindikationen                      Relative Kontraindikationen
zu einer Normalisierung der Oxygenierung, aber
                                                     fehlende Spontanatmung                           hyperkapnisch bedingtes Koma
nur zu einer geringen Besserung der Hyperkapnie.
                                                     Schnappatmung                                    massive Agitation
Erst nach wiederholter Aufklärung über die er-       fixierte oder funktionelle Verlegung             massiver Sekretverhalt trotz Bronchoskopie
höhte Mortalität bei langfristiger Hyperkapnie       der Atemwege
infolge von Versagen der Atempumpe bei Pati-         gastrointestinale Blutung                        schwergradige Hypoxämie oder Azidose (pH < 7,1)
enten mit COPD können bei ihr Maske und NIV
                                                     Ileus                                            hämodynamische Instabilität
angepasst werden. Bei deutlich gebesserter Vi-                                                        (kardiogener Schock, Myokardinfarkt)
gilanz, Eupnoe und rückläufiger Hyperkapnie in
Blutgasanalysen unter nächtlicher NIV kann sie       nicht-hyperkapnisch bedingtes Koma               anatomische u./o. subjektive Interface-Inkompatibilität
auf unsere spezialisierte Station für Patienten                                                       Zustand nach oberer gastrointestinaler Operation
mit außerklinischer Beatmung übernommen wer-        Tabelle 2: Kontraindikationen für die nicht-invasive Ventilation.
den. Dort wird der Inspirationsdruck im Bereich
20 bis 30 cm H2O während nächtlicher transku-
taner Kapnometrie (PtcCO2-Messung) adaptiert
(siehe Abbildung 1).                                 Mindestens ein Kriterium soll erfüllt sein
                                                     Chronische Tages-Hyperkapnie mit PaCO2 ≥ 50 mmHg
Die Patientin gibt keine Tagesmüdigkeit mehr an,
                                                     Nächtliche Hyperkapnie mit PaCO2 ≥ 55 mmHg
wirkt deutlich wacher und verneint Dyspnoe. Die
bisher unbehandelte COPD wird therapiert und die     Tages-Hyperkapnie mit 46 – 50 mmHg und Anstieg PtcCO2 um ≥ 10 mmHg während des Schlafs
Patientin erhält eine Schulung in der Anwendung      Nach akuter, beatmungspflichtiger respiratorischer Azidose, wenn > 14 Tage nach Beendigung der
der Inhalationstherapie und der NIV sowie Bera-      Akut-Beatmung PaCO2 > 53 mmHg
tung und Anbindung an eine Adipositas-Ambulanz       Nach prolongiertem Weaning, wenn Deka­nülie­rung nur unter NIV möglich ist und diese zur Kontrolle
zur Gewichtsreduktion. Eine stationäre pneumo-       von Symptomen und Hyper­kapnie langfristig notwendig ist
logische Rehabilitation wird beantragt.             Tabelle 3: Kriterien für Einleitung einer außerklinischen Beatmung bei COPD.

Bei einer Kontrolluntersuchung nach acht Wo-
chen und erfolgter Anschlussheilbehandlung
zeigen sich eine regelmäßige und ausreichend
lange Nutzung der NIV (100 Prozent der Tage,
6 h 20 min durchschnittlich).                       Ein möglichst frühzeitiger Beginn ist dabei wich-          durch HFNC nicht ausreichend. Die NIV ist dabei
                                                    tig. Vor allem Patienten mit einem pH von 7,30             effektiver in der Entlastung der Atemarbeit [6].
Diskussion                                          bis 7,35 profitieren hinsichtlich niedrigerer Intu-        In unserem Fall belastet neben der schweren
Unser Fall zeigt die Risiken einer akuten Ver-      bationsrate und gesenkter Mortalität. Bei einem            COPD zusätzlich die Obesitas-Hypoventilation
schlechterung bei Patienten mit chronischer         pH < 7,3 ist der Erfolg einer NIV nicht eindeutig          bei Adipositas Grad III (BMI von 40 kg/m2) die
Überlastung der Atempumpe. Die häufigste Ur-        belegt. Bei vorhandener Spontanatmung und                  Atemmuskulatur langfristig.
sache ist, wie auch in diesem Fall, eine COPD.      einem pH von 7,27 wurde im vorliegenden Fall
Andere Ursachen bzw. deren Kombination kön-         unter kontinuierlichem Monitoring mit einer                Bei Vorliegen einer chronisch respiratorischen
nen zur chronischen Erschöpfung der Atemmus-        NIV mit einer Mund-Nasen-Maske begonnen.                   Insuffizienz ist bei ausgewählten Patienten
kulatur mit progredienter Hyperkapnie führen:       Entscheidend ist eine kurzfristige Re-Evaluation           (Tabelle 3) die Etablierung einer Langzeit-NIV
unter anderem neuromuskuläre Erkrankungen,          nach spätestens ein bis zwei Stunden. Ergibt               indiziert [7]. Bei COPD-Patienten mit stabiler
Zwerchfellparese, thorakal-restriktive Erkrankun-   sich keine signifikante Besserung der Hyper-               Hyperkapnie konnte die erhöhte Mortalität
gen wie eine Kyphoskoliose oder das Obesitas-       kapnie, Azidose und Hypoxämie sowie klinische              durch Einleitung einer Langzeit-NIV signifikant
Hypoventilations-Syndrom [3].                       Verbesserung (Dyspnoe, Atem-, Herzfrequenz,                gesenkt werden [8].
                                                    Vigilanz) sollte eine Intubation mit invasiver
Durch eine akute Verschlechterung der Grunder-      Beatmung erfolgen [4].                                     Die Einleitung der außerklinischen NIV sollte in
krankung zum Beispiel im Rahmen einer COPD-                                                                    einem Zentrum für außerklinische Beatmung
Exazerbation kommt es zu einer CO2-Retention,       Da sich unsere Patientin klinisch nach den ge-             mit entsprechender Ausstattung, Erfahrung und
welche nicht mehr metabolisch kompensiert wer-      nannten Kriterien besserte, wurde die NIV fort-            Expertise erfolgen. Bei der individuellen Anpas-
den kann. Trotz erhöhtem HCO3- entwickelt sich      geführt. Die Patientin besserte sich von der Vigi-         sung einer außerklinischen NIV haben sich die
eine deutliche respiratorische Azidose. Es folgt    lanz, entwickelte aber ein Delir und verweigerte           inspiratorische Druckunterstützung von 20 bis
oftmals eine zunehmende Störung der Vigilanz        die NIV. Ein Versuch mittels High-Flow-Therapie            30 mbar, ein exspiratorischer Druck von min-
bis zum Koma. Eine rasche Therapieeinleitung        wurde unternommen. Dabei wird über eine spe-               destens 6 mbar, die Einstellung einer (Back-up-)
ist daher notwendig. Um die Komplikationen          zielle Nasenkanüle mit hohen Flussraten („High             Atemfrequenz und die Nutzung unterschiedlicher
einer invasiven Beatmung (unter anderem be-         Flow Nasal Cannula“, HFNC) Sauerstoff appliziert.          Maskentypen (Nasenmasken, Mund-Nasen- oder
atmungsassoziierte Pneumonie, Notwendigkeit         Somit kann die Oxygenierung verbessert werden.             Vollgesichtsmasken) bewährt.
einer tiefen Sedierung, Risiko des prolongierten    Durch die hohen Flussraten kommt es zusätzlich
Weanings bei Lungenvorerkrankung) zu vermei-        zu einer Auswaschung des oberen Totraumes                  Im Verlauf sollten mindestens ein- bis zweimal
den, sollte mit einer NIV begonnen werden [4].      und somit zu einer Reduktion des PaCO 2 [5].               im Jahr Kontrollen durchgeführt werden [3].
Hierbei sind Kontraindikationen zu beachten         Bei unserer Patientin gelang die Entlastung der            Dabei sollte durch die NIV eine Normokapnie
(Tabelle 2 nach [4]).                               Atempumpe und Korrektur der Hyperkapnie                    bzw. PaCO2-Reduktion um mehr als 20 Prozent

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Titelthema

erreicht werden, als Zeichen einer ausreichenden
Entlastung der Atempumpe.

Wird eine Langzeit-NIV nach fachgerechter Ein-
stellung und entsprechender Patientenschulung
konsequent genutzt, sind die Ziele einer verbes-
serten Lebensqualität mit verminderter Tages-
müdigkeit, geringerer Atemnot und erhöhter
Leistungsfähigkeit sowie die Verringerung von
Exazerbationen und die Vermeidung einer Sauer­
stoff-Langzeittherapie realistisch erreichbar.

Patient 2 – Vermeidbare
­Erkrankung eines Tierfreundes
In unserer pneumologischen Klinik stellte sich
ein 46-jähriger arabischer Patient aus Katar zur
weiteren Abklärung von progredienter Belas-
tungsdyspnoe (aktuell bereits nach einer Etage
Treppensteigen) und unproduktivem Husten seit        Abbildung 2: Initiale Computertomografie des Thorax. Beidseits ausgedehnte Milchglastrübung mit angedeutetem
mehr als drei Jahren vor. Zudem berichtete er        Mosaikmuster und multiple Milchglasherde mit zentrilobulärer Verteilung (Pfeile).
von einzelnen Tagen mit grippeähnlichen Be-
schwerden, allerdings ohne Fieber. Als Beamter
geht er einer Bürotätigkeit nach, Nikotinkonsum
bestand bis vor zehn Jahren (kumulativ ca. zehn                                                                      2
pack years).

Ein CT-Thorax vor zwei Jahren habe im Heimat-
land beidseits noduläre Veränderungen gezeigt,
die er aber nicht weiter abklären ließ.

Das aktuelle CT-Thorax zeigte grenzwertig ver-
größerte mediastinale Lymphknoten und die
ausgedehnten Veränderungen im Lungenpar-
enchym in Abbildung 2.

Ferner imponierte eine schwere Restriktion (Vi-
talkapazität 41 Prozent des Sollwertes) sowie
eine mittelgradige Diffusionsstörung. Die Fahr-
radergometrie im Sitzen bestätigt eine deutliche
Einschränkung der Sauerstoffaufnahme (peak
VO2 55 Prozent Soll) bei vorwiegend pulmonal-
ventilatorischer Limitation mit Tachypnoe ohne
wesentliche Steigerung des Tidalvolumens sowie
vollständig aufgebrauchter Atemreserve (BR) ei-
nerseits und Abfall des PaO2 von 79 mmHg in
Ruhe auf 53 mmHg unter Belastung bzw. O2-
Entsättigung (SpO2 97 Prozent auf 80 Prozent)                                             7                              8                                  9
andererseits. Trotz einzelner Hinweise auf eine
kardio-zirkulatorische Limitierung, erkennbar an                                        20/min
dem eingeschränkten Anstieg des O2-Pulses und
                                                                                                                                                           PaO2
geringfügig erhöhtem Verhältnis von Atemminu-                                                                                                              79  53 mmHg
tenvolumen zu CO2-Abgabe (VE/VCO2 slope), spielt
diese nur eine untergeordnete Rolle (Abbildung 3).                                      50/min

                                                                                                                       BR 0
Bei der Bronchoskopie erfolgte eine bronchoal-
veoläre Lavage, die sich als stark lymphozytär
(67 Prozent – Norm: < 10 bis 15 Prozent) mit
normalem Verhältnis der CD4/CD8-Lymphozy-            Abbildung 3: Initiale Spiroergometrie, 9-Felder-Grafik. Eingeschränkte Belastbarkeit mit führender Limitierung durch die
tensubpopulationen herausstellte. Mittels en-        restriktive Ventilationsstörung (rasche, flache Atmung) in Feld 7 mit Aufbrauchen der Atemreserve in Feld 8 und durch
dobronchialem Ultraschall wurden Lymph­knoten-       die Gasaustauschstörung (Deoxygenierung unter Belastung) in Feld 9 bzw. Abfall der O2-Sättigung in Feld 2.

                                                                                                                              Bayerisches Ärzteblatt 4/2021             131
Titelthema

Feinnadelaspirationen vorgenommen, die keine             Im aktuellen Fall lagen fünf der sechs Kriterien          zum Beispiel beim Umgang mit Heu und Stroh
Besonderheiten zeigten. In den transbronchialen          vor. Lediglich die Symptomatik zeigte nicht die           freigesetzt und inhalativ aufgenommen werden
Kryobiopsien aus dem linken Oberlappen impo-             geforderte Expositions- bzw. Zeitabhängigkeit.            (sogenanntes „Drescherfieber“). Mit einer Latenz
nierten nach histologischer Aufarbeitung ne-             Fehlt eines der vorgenannten Kriterien, so kann           von vier bis acht Stunden treten extra-pulmonale
ben einer vermehrten Lymphozyteninfiltration             es durch nachfolgende Kriterien ersetzt werden:           Symptome auf: Fieber, Atemnot, Abgeschlagen-
auch fibrotische Areale und auch mehrkernige             Lymphozytose in der BAL, mit EAA vereinbarer              heit, Myalgien und Kopfschmerzen. Allerdings
Riesenzellen, allerdings ohne Granulombildung            histopathologischer Befund der Lunge, positiver           können Betroffene auch Husten und Dyspnoe
wie zum Beispiel bei Sarkoidose.                         Karenztest, positive inhalative Expositions- oder         zeigen, was die klinische Differenzialdiagnose
                                                         Provokationstestung [9]. Da sowohl der histo-             zur EAA erschweren kann [9]. Ein ODTS kann
Erst auf wiederholte Nachfrage gibt der Patient          pathologische Befund mit EAA vereinbar war                bei mehreren gleichzeitig exponierten Personen
an, in seiner Freizeit eine Renntaubenzucht, die         als auch eine Lymphozytose in der BAL vorlag,             auftreten, was wiederum bei der EAA eine Sel-
er selbst mit Einstreu und Stroh versorgt, zu            bestätigte sich abschließend die Diagnose einer           tenheit darstellt. Die Symptome des ODTS ver-
betreiben.                                               exogen-allergischen Alveolitis. Aufgrund der              schwinden meist innerhalb von Stunden (selten
                                                         prominenten Klinik wurde eine orale Steroidthe-           Tagen) spontan. Die Differenzierung zwischen den
Die Verdachtsdiagnose einer exogen-allergischen          rapie mit zunächst 0,5 mg/kg Körpergewicht in             beiden Entitäten fasst Tabelle 4 zusammen [9, 10].
Alveolitis (EAA) erhärtete sich durch den serolo-        ausschleichender Dosierung begonnen. Der Pa-
gischen Nachweis von präzipitierenden Antikör-           tient gab seine Renntaubenzucht erst nach zwei
pern (Typ IgG), im Speziellen gegen Hühner- und          weiteren akuten Rezidiven der EAA sehr ungern             Patient 3 – Metastasiertes Platten­
vor allem gegen Taubenfedern.                            auf. Seither zeigen Kontrollen eine anhaltende            epithelkarzinom der Lunge
                                                         klinische Besserung.
Für das Vorliegen einer EAA spricht der Nachweis                                                                   Anamnese
folgender sechs Kriterien: Antigen-Exposition,           Eine wichtige Differenzialdiagnose zur EAA ist            Ein 61-jähriger Patient stellt sich mit Husten,
expositions- und/oder zeitabhängige Sympto-              das „Organic dust toxic syndrome“ (ODTS). Das             Gewichtsabnahme und ossären Schmerzen im
me, Nachweis spezifischer IgG-Antikörper im              im Gegensatz zur EAA 30 bis 50 mal häufiger               Beckenbereich vor. In der Computertomografie
Serum, Sklerosiphonie (sogenanntes Knisterras-           auftretende ODTS wurde erstmalig Mitte der                von Thorax/Abdomen/Becken zeigen sich eine im
seln), radiologische Zeichen einer EAA, PaO2 in          1970er-Jahre beschrieben [10]. Es handelt sich            Längsdurchmesser 7 cm große Raumforderung
Ruhe und/oder unter Belastung erniedrigt oder            hierbei um eine nicht-immunologische Reak­                im linken Lungenoberlappen, eine diffuse media-
Diffusion eingeschränkt.                                 tion des Körpers auf bakterielle Endotoxine, die          stinale Lymphadenopathie sowie disseminierte

                                      Exogen-allergische Alveolitis (EAA)                               Organic dust toxic syndrome (ODTS)
 Inzidenz (pro 10.000 und Jahr)       2 – 30                                                            20 – 190
 Mehrere Personen (Cluster)           Selten                                                            Häufig
 Raucher                              Nichtraucher > Raucher                                            Nichtraucher > Raucher
 Exposition                           Wiederholte Exposition gegenüber dem Allergen                     Einmalige intensive Exposition: Organische Stäube,
                                                                                                        schimmeliges Getreide, Silage, Heu, Holzschnitzel,
                                                                                                        Textilien mit Fusarium (Aflatoxin produzierender Pilz)
 Auslöser                             Antigene verschiedener Stoffe, z. B. Pilze                        Endotoxine, Peptidoglycane, Mycotoxine
 Latenz nach Exposition               4 – 12 h, oft rezidivierend, auch nach gering­fügiger             4 – 8 h nach intensiver Staub- oder Endotoxinexposition
                                      Exposition                                                        (oft nur Einzelepisode)
 Symptome                             Husten, (Belastungs-)Dyspnoe                                      Vor allem unspezifisch, extrapulmonal: Fieber, Frösteln,
                                      Selten: Fieber                                                    Krankheitsgefühl, Myalgien, Kopfschmerzen
                                                                                                        Selten: Dyspnoe, Husten, thorakales Engegefühl
 Auskultation                         feinblasige Rasselgeräusche, endinspiratorisch                    Normal, ggf. vereinzelte Rasselgeräusche
                                      und betont basal
 Radiologische                        CT: Milchglas, fibrotische Veränderungen                          Selten
 Veränderungen
 Blutgasanalyse                       Bei zunehmender Diffusionsstörung: signifikante                   Normal, selten leichte Hypoxämie
                                      Hypoxämie
 Lungenfunktion                       Restriktion, Diffusionsstörung, später oft auch                   Normal, ggf. leichte Restriktion
                                      Obstruktion
 Präzipitine                          Meist positiv                                                     Grundsätzlich negativ
 Broncho-alveoläre Lavage             Lymphozytose, meist massiv erhöht > 50 %,                         Neutrophilie
                                      CD4/CD8-Quotient häufig erniedrigt
Tabelle 4: Differenzierung zwischen exogen-allergischer Alveolitis und „Organic dust toxic syndrome“.

132       Bayerisches Ärzteblatt 4/2021
Titelthema

Abbildung 4: CT-Thorax mit Darstellung eines Plattenepithelkarzinoms im linken Oberlappen, welcher nach chemotherapeutischer Behandlung progredient und sympto-
matisch war (links). Rechts: Gute Remission drei Monate nach Nachweis eines ROS1-Rearrangements und Einleitung der zielgerichteten Behandlung mit Crizotinib.

osteolytische Läsionen (die größten davon im          chenstabilisierend wirkenden Bisphosphonaten          molekular zu untersuchen. Hier kann ein ROS1-
linken Femur und in der Lendenwirbelsäule). Die       (Zoledronsäure).                                      Rearrangement nachgewiesen werden. Somit
Raucheranamnese ergibt lediglich zehn pack years.                                                           liegt eine Aktivierung der tumorwachstumsför-
                                                      Nach initial gutem Ansprechen mit partieller          dernden Rezeptortyrosinkinase ROS1 vor, welche
Verlauf                                               Regredienz des Tumors im linken Oberlappen,           die Option zur zielgerichteten Behandlung mit-
In der bronchoskopisch gewonnenen Tumorpro-           kommt es nach sieben Monaten unter fortge-            tels des zugelassenen, oralen Multikinasehem-
be kann histologisch ein Plattenepithelkarzinom       führter Erhaltungstherapie mit Pembrolizumab          mers Crizotinib eröffnet. Nach dreimonatiger,
nachgewiesen werden. Das leitliniengerechte           zum klinisch relevanten Progress thorakal und         nebenwirkungsarmer Therapie (leichte Übelkeit
Staging ergibt das Stadium IV der Erkrankung          Wiederauftreten der initialen Symptomatik, ins-       und geringgradiger Durchfall), kommt es zur kli-
[11]. In der interdisziplinären Tumorkonferenz        besondere des Hustens mit erstmalig Hämop-            nisch relevanten partiellen Remission des Tumors
entscheidet man sich, angesichts des guten All-       tysen. Da angesichts der Tumorgröße von 6 cm          (siehe Abbildung 4), die pulmonale Symptomatik
gemeinzustandes und fehlender Komorbiditäten          keine lokale Therapie (wie Bestrahlung) möglich       sistiert vollständig. Ein Jahr nach der Einleitung
zur systemischen Chemotherapie mit Carboplatin/       ist, erfolgt eine Zweitlinien-Chemotherapie mit       der Therapie mit Crizotinib besteht bei dem Pa-
Nab-Paclitaxel (nanopartikelgebundene Form des        Gemcitabine, welche jedoch weder das Tumor-           tienten immer noch eine symptomlose, stabile
Paclitaxels) kombiniert mit einer Immunothera-        wachstum noch die Symptome beeinflussen kann.         Erkrankung.
pie mit Pembrolizumab (Carboplatin AUC6 Tag 1,
Nab-Paclitaxel 100 mg/m2 Tag 1, 8, 15 und Pemb-       In Anbetracht des vergleichsweise geringen Ni-        Diskussion
rolizumab 200 mg absolut Tag 1, Wdh. Tag 21) [12].    kotinkonsums wird in der Tumorkonferenz vor-          Aufgrund der ausgedehnten Metastasierung
Die schmerzhaften ossären Metastasen werden           geschlagen, trotz Vorliegens eines Plattenepi-        bestand von Therapiebeginn an keine kurative
parallel analgetisch bestrahlt, der Patient er-       thelkarzinoms die Tumorprobe des Patienten            Intention. Die initiale chemotherapeutische Be-
hält zusätzlich monatlich eine Infusion mit kno-      mittels NGS („next-generation-sequencing“)            handlung hatte das Ziel, die große Tumorlast des
                                                                                                            Patienten im thorakalen Bereich zu reduzieren
                                                                                                            und damit eine Symptomkontrolle zu erreichen.
                                                                                                            Die Hinzunahme der Immuntherapie, welche seit
                                                                                                            2018 einen Standard darstellt, trägt nicht nur zu
 Nachweisbare molekulare Veränderung            Medikament                                                  besseren Ansprechraten bei, sondern ermöglicht
                                                                                                            einem Teil der Patienten (bis zehn Prozent) eine
 EGFR Exon 19 oder 21 Mutation                  Erlotinib, Gefitinib, Afatinib, Osimertinib, Dacomitinib
                                                                                                            Stabilität der Tumorerkrankung über Monate bis
 ALK Translokation                              Crizotinib, Ceritinib, Lorlatinib, Brigatinib               Jahre hinweg zu erreichen [13].
 ROS1 Translokation                             Crizotinib, Entrectinib
 BRAF V600E Mutation                            Dabrafenib/Trametinib                                       Die initiale intensive Chemoimmuntherapie wird
                                                                                                            nach etwa zwölf Wochen überführt in eine für
 NTRK Fusion                                    Entrectinib
                                                                                                            den Patienten angenehmere Erhaltungsphase,
 RET Fusion                                     Pralsetinib (HF), Selpercatinib                             in der bis zum relevanten Fortschreiten des Tu-
 EGFR Exon 20 Mutation                          Mobocertinib (HF)                                           mors nur die Immuntherapie im dreiwöchigen
Tabelle 5: Molekulare Targets bei Lungenkarzinom. Bei Nachweis dieser Mutationen stehen Therapieoptionen    Rhythmus verabreicht wird. Kommt es unter
mit aktuell zugelassenen Medikamenten oder nach Einschluss in ein Härtefallprogramm (HF) zur Verfügung.     der immuntherapeutischen Erhaltung zum the-

                                                                                                                    Bayerisches Ärzteblatt 4/2021         133
Titelthema

rapiebedürftigen Progress, sind die weiteren       einen Standard bei jedem Patienten im meta-        Gegensatz dazu werden die Plattenepithelkarzi-
therapeutischen Optionen, insbesondere beim        stasierten Stadium darstellt. Bei mindestens       nome der Lunge seltener molekular getestet, weil
Plattenepithelkarzinom, sehr limitiert und nicht   zehn Prozent der Patienten, insbesondere bei       die therapeutisch relevanten Mutationen nur sehr
gut durch Evidenz belegt. In diesem Stadium des    jüngeren Erkrankten, Nie-Rauchern, Frauen oder     selten nachweisbar sind. In sporadischen Fällen,
Behandlungsverlaufs sind bei den meisten Pa-       Patienten asiatischer Herkunft, gelingt der mo-    bei denen der Patient wenig (unter 15 pack years)
tienten die effektivsten systemisch wirksamen      lekulare Nachweis solcher genetisch bedingten      oder nie geraucht hat, muss jedoch die Erhebung
Medikamente bereits zum Einsatz gekommen.          Angriffspunkte [14]. Bei diesen Patientengrup-     von therapierelevanten Mutationen (Tabelle 5)
                                                   pen findet man solche Treibermutationen oder       durchgeführt werden [15].
Eine „zielgerichtete Therapie“ ist die Domäne      Translokationen häufiger. Hier spielt die gene-
beim häufiger vorkommenden Adenokarzinom,          tische Prädisposition (und nicht das Rauchen) in   Auch in einem zertifizierten Lungenkrebszent-
bei dem die entsprechende molekulare Testung       der Karzinogenese eine entscheidende Rolle. Im     rum mit hohem Patientenaufkommen gelingt es
                                                                                                      pro Jahr nur äußerst selten, Patienten mit Plat-
                                                                                                      tenepithelkarzinomen der Lunge und zugleich
                                                                                                      therapierelevanten aktivierenden Mutationen zu
                                                                                                      identifizieren. Kritisch muss man anmerken, dass
 Das Wichtigste in Kürze                                                                              die zielgerichteten Therapien zum Teil erhebliche
                                                                                                      Nebenwirkungen aufweisen können und deshalb
 Fall 1:                                                                                              von onkologischen Experten in Kooperation mit
 Eine dauerhaft gesteigerte Last der Atempumpe (zum Beispiel bei COPD oder Obesitas-Hy-               einem zertifizierten Lungenkrebszentrum durch-
 poventilations-Syndrom) kann akut zur Dekompensation der Atemmuskelschwäche mit Ver-                 geführt werden sollten. Im hier dargestellten
 schlechterung der Vigilanz führen (Hyperkapnie durch Hypoventilation!).                              Fall, konnte durch den molekularen Ansatz eine
                                                                                                      langfristige Krankheitskontrolle erreicht wer-
 Die Akuttherapie der hyperkapnisch bedingten Vigilanzstörung sollte primär mittels einer             den – im Fall eines erneuten Progresses mit der
 nicht-invasiven Beatmung (NIV) erfolgen. Durch die NIV kann die akute respiratorische Stö-           zusätzlichen Option einer weiteren Off-Label-
 rung meist effektiv und rasch verbessert werden.                                                     Behandlung mit dem Kinasehemmer Lorlatinib.

 Bei fortbestehender Hyperkapnie oder Risikofaktoren dafür ist eine dauerhafte häusliche NIV          Das Literaturverzeichnis kann im Internet
 indiziert, welche mit fachgerechter Einstellung und Patientenschulung in einer spezialisier-         unter www.bayerisches-aerzteblatt.de
 ten Einrichtung eingeleitet werden sollte. Bei konsequenter Nutzung kann durch die NIV eine          (Aktuelles Heft) abgerufen werden.
 verbesserte Lebensqualität mit verminderter Tagesmüdigkeit, geringerer Atemnot und einer
 erhöhten Leistungsfähigkeit sowie einer verbesserten Prognose von Patienten mit COPD er-             Die Autoren erklären, dass sie keine finan-
 reicht werden.                                                                                       ziellen oder persönlichen Beziehungen zu
                                                                                                      Dritten haben, deren Interessen vom Ma-
 Fall 2:
                                                                                                      nuskript positiv oder negativ betroffen sein
 Das häufiger auftretende „Organic dust toxic syndrome“ (ODTS) ist eine wichtige Differenzial-
                                                                                                      könnten.
 diagnose zur exogen allergischen Alveolitis (EAA). Die EAA tritt meist bei Nichtrauchern nach
 wiederholter Exposition gegenüber einem Allergen auf und imponiert häufig durch Husten,
 Dyspnoe und eine Diffusionsstörung.

 Sowohl die akute als auch die chronische Form der EAA erfordern exakte Diagnostik (unter
 anderem hochauflösendes CT-Thorax, Immunzytologie der broncho-alveoläre Lavage, präzipi-              Autoren
 tierende IgG-Antikörper im Serum).                                                                    Dr. Anna Krandick
                                                                                                       Dr. Konrad Kokowski
 Gelingt es das Allergen im häuslichen oder privaten Umfeld zu identifizieren und zu eliminie-         Dr. Philipp Krainz
 ren, lässt sich der Einsatz einer immunsuppressiven Therapie deutlich reduzieren.                     Dr. Peter Schramm
                                                                                                       Professor Dr. F. Joachim Meyer
 Fall 3:
 Für Patienten mit metastasiertem Karzinom der Lunge stehen heute, neben der konventio-                Lungenzentrum München (Bogenhausen-
 nellen Chemotherapie, weitere medikamentöse Modalitäten wie Immuntherapie oder zielge-                Harlaching), München Klinik gGmbH,
 richtete Therapie zur Verfügung. Bei der komplexen Therapiesteuerung und Beherrschung der             Englschalkinger Straße 77, 81925 München,
 Nebenwirkungen profitieren die Patientinnen und Patienten von einer guten Zusammenarbeit              Tel. 089 9270-2281, E-Mail:
 zwischen Hausärzten, ambulanten Onkologen und Pneumologen sowie den Spezialisten in zer-              pneumologie.kb@muenchen-klink.de
 tifizierten Lungenkrebszentren.

134      Bayerisches Ärzteblatt 4/2021
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