ÖPNV mit Zukunftsperspektive - Direktvergaben der Stadtverkehre Essen und Mülheim an der Ruhr Dr. Sibylle Barth, Katrin Meerkamm, LL.M.Eur. ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
FINANZEN & RECHT ÖPNV mit Zukunftsperspektive Direktvergaben der Stadtverkehre Essen und Mülheim an der Ruhr Dr. Sibylle Barth, Katrin Meerkamm, LL.M.Eur., Bremen; Tobias Groß, Essen; Henning Palm, Hamburg W ie viele Kommunen bundes- multilaterale Projektstruktur und ein aus- naue wirtschaftliche Steuerung des Ange- weit mussten auch Essen reichender zeitlicher Vorlauf zählten zu den bots und seiner Finanzierung ermöglichen. und Mülheim an der Ruhr Erfolgsfaktoren des Projekts „Direktverga- Für seine Laufzeit bildet dieses Regelwerk mit Auslaufen der Alt-Betrau- be 2020 ff.“ In seinem Verlauf wurden eine den Rahmen, auf aktuelle Ereignisse wie ungen ihrer städtischen Verkehrsbetriebe grundlegende Umstrukturierung der be- die derzeitige Corona-Pandemie und neue Ende 2019 für Anschlussregelungen sor- teiligten Verkehrsgesellschaften zur Ruhr- Herausforderungen wie E-Mobilität, Ver- gen, um ihre Stadtverkehre für die Zeit ab bahn vollzogen und Nachprüfungsanträge kehrswende und Digitalisierung reagieren 2020 sicherzustellen. Besonderheiten hier: gegen die geplanten Direktvergaben erfolg- zu können. Anlass für einen Projektbericht. eng verflochtene Verkehrsnetze über die reich abgewehrt. Das gemeinsame Ziel der Stadtgrenzen hinaus und eine damit ein- beteiligten Städte wie auch der Ruhrbahn, Aus Via wurde Ruhrbahn hergehende Vielzahl der Akteure in einer die Stadtverkehre Essen und Mülheim an entsprechend komplexen ÖPNV-Organisa- der Ruhr auf eine langfristig solide Grund- Unter dem Eindruck des damals neuen tion mit einer einheitlichen Finanzierungs- lage zu stellen, mündete in öffentliche Rechtsrahmens der EU-Verordnung (EG) systematik im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr Dienstleistungsaufträge (ÖDA), die eine Nr. 1370/2007 [1] sowie des zum 1. Januar (VRR). Eine diese Umstände abbildende flexible verkehrliche wie auch eine passge- 2013 novellierten Personenbeförderungs- gesetzes (PBefG) wurde das Projekt „Direkt- vergaben 2020 ff.“ schon frühzeitig auf den Weg gebracht. Begonnen hatte es noch im Rahmen der Via Verkehrsgesellschaft mbH (Via), eines Gemeinschaftsunternehmens der drei Städte Essen, Mülheim an der Ruhr und Duisburg beziehungsweise der städ- tischen Verkehrsgesellschaften Essener Verkehrs-AG (EVAG), Mülheimer Verkehrs- gesellschaft mbH (MVG) und Duisburger Verkehrsgesellschaft AG (DVG). Ende 2016 schied die DVG aus der Via aus. Daraufhin wurde die Via umstrukturiert. Der Betriebs teil „ÖPNV“ (ÖPNV-Betrieb) wurde aus der MVG ausgegliedert und durch die bisherige EVAG übernommen. Anschließend wurde die EVAG in eine GmbH umgewandelt und die bisherige Via (bestehend aus Beteili- gungen der EVAG und der nun in Ruhrbahn Mülheim GmbH umfirmierten MVG) auf die so entstandene Ruhrbahn GmbH ver- schmolzen. Ruhrbahn gemeinsamer Betreiber für Essen und Mülheim an der Ruhr Foto: Ruhrbahn Die Ruhrbahn agiert als gemeinsamer in- terner Betreiber der Städte Essen und Mül- heim an der Ruhr. Während die Stadt Essen Abb. 1: Die Ruhrbahn betreibt den ÖPNV in den Nachbarstädten Essen und Mülheim a.d.Ruhr. den ÖDA über ihr Stadtverkehrsnetz an die 56 DER NAHVERKEHR 1+2/2021 Pt. © DVV Media Group GmbH
FINANZEN & RECHT Ruhrbahn vergeben hat, erfolgte die Verga- be des Stadtverkehrs Mülheim an der Ruhr Zur Autorin an eine Gruppe von Unternehmen, beste- Dr. Sibylle Barth (54) ist seit 1996 Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt hend aus der Ruhrbahn Mülheim und der Öffentlicher Personennahverkehr und Schienenpersonennahverkehr sowie Ruhrbahn. Dies erklärt sich mit der spezi- Gründungspartner von BBG und Partner in Bremen. Ihre Rechtsgebiete sind Verkehrsgewerbe- und Beihilfenrecht, Kommunalrecht und Vergaberecht. Sie fischen ÖPNV-Organisation unter Nutzung studierte Rechtswissenschaften in Tübingen, Köln und Konstanz. Neben ih- des steuerlichen Querverbundes in Mül- rer rechtsanwaltlichen Praxis ist sie auch als Autorin hervorgetreten, unter heim an der Ruhr. anderem als Mitautorin des bei DVV Media erschienenen Handbuchs „Recht des ÖPNV“. Organisation des Direktvergabe-Projektes Zur Autorin Das Direktvergabe-Projekt war gekenn- Katrin Meerkamm, LL.M.Eur. (38) ist seit 2012 als Rechtsanwältin zugelas- zeichnet durch eine große Anzahl einzu- sen und seitdem bei BBG und Partner in Bremen tätig. Ihre Rechtsgebiete sind vor allem Personenbeförderungsrecht, Kommunalrecht, Vergaberecht bindender Stellen. Neben der Beteiligung und Beihilfenrecht. Sie studierte Jura an der Universität Erlangen-Nürnberg verschiedener Bereiche innerhalb der mit dem Schwerpunkt Internationales und Europäisches Recht. Während ei- Stadtverwaltungen (wie Planung, Finan- nes einjährigen Master-Studiums an der University of Edinburgh baute sie ihre Kenntnisse weiter aus. zen und ÖPNV-Steuerungsstellen) galt es, Verwaltungsgremien und politische Gre- mien zu informieren und Beschlüsse zu Meilensteinen im Projekt einzuholen. Die inhaltliche Ausgestaltung der ÖDA erfor- Zum Autor derte weiterhin die Einbeziehung vieler Dipl.-Betr.wirt (FH) Tobias Groß (45) ist seit 2005 bei der Ruhrbahn GmbH, Fachabteilungen bei der Ruhrbahn. Es war vormals Essener Verkehrs AG, im Bereich Strategie und Organisation tätig. Zuvor arbeitete er als Senior Consultant bei PricewaterhouseCoopers in dem klar, dass bei einem Projekt dieser Größe Bereich Corporate Finance und betreute dort öffentliche wie auch private Un- mit weit mehr als 30 Entscheidungsträgern ternehmen. und handelnden Personen eine effiziente Kommunikations- und Arbeitsstruktur der Schlüssel zum Erfolg sein würde. Dabei ha- ben sich vor allem drei Aspekte bewährt: ◼◼ Der frühzeitige Projektbeginn hat allen Zum Autor Beteiligten die Gelegenheit gegeben, Dipl.-Kfm. Henning Palm (48) ist Geschäftsführer der KCW GmbH und Be- sich in Vorbereitung auf die konzeptio- rater mit den Schwerpunkten Vergabeverfahren und Marktorganisation. Er ist seit über 20 Jahren im ÖPNV-Sektor tätig und arbeitete zuvor als Ge- nelle Ausgestaltung zunächst mit den schäftsführer der MET Deutschland GmbH sowie als Prokurist der FirstGroup Spielregeln der neuen ÖDA vertraut zu Deutschland GmbH in der Geschäftsentwicklung und im Beteiligungsma- machen. nagement. ◼◼ Die Gestaltung als offenes Kooperati- onsprojekt von Städten und Ruhrbahn stellte die gemeinsame Suche nach geeigneten gemeinsamen Lösungen in den Mittelpunkt und vermied das Ent- stehen von Verhandlungssituationen in den Projektgremien. ◼◼ Eine fachlich qualifizierte und gut ver- netzte Projektleitung in der Ruhrbahn, bei der alle Fäden zusammenliefen, sorgte für eine proaktive Kommunika- tion und stellte einen kontinuierlichen Wissenstransfer zwischen allen Projekt- beteiligten sicher (Abb. 2). Beeindruckendes Auftragsvolumen Zusammen umfassen die Direktvergaben der Stadtverkehrsnetze Essen und Mül- heim an der Ruhr rund 27,5 Mio Nutzwa- Grafik: KCW gen-km. Die Ruhrbahn ist somit das größte Verkehrsunternehmen im Ruhrgebiet, wel- ches die Mobilität von 140 Mio Fahrgästen pro Jahr auch mit innovativen Fahrangebo- Abb. 2: Organisation der Projektsteuerung für die Direktvergaben. DER NAHVERKEHR 1+2/2021 57 Pt. © DVV Media Group GmbH
FINANZEN & RECHT ten sicherstellt. Von der Vergabe umfasst die Rechtsprechung des EuGH [3]), dass nanzierung des ÖSPV im VRR ermittelt. sind sämtliche Verkehre mit Straßen- und die Direktvergaben anhand der besonde- Diese Richtlinie wurde im Dezember 2017 Stadtbahnen sowie mit Bussen (ein- ren Vergaberegeln der Verordnung (EG) unter anderem in Hinblick auf die Tatbe- schließlich alternativer Bedienformen) als Nr. 1370/2007 zu beurteilen sind, ohne stände möglicher gemeinwirtschaftlicher Gesamtleistung. dass es auf die Gestaltung der ÖDA als Verpflichtungen modernisiert. Demnach sogenannte Dienstleistungskonzessionen ist es fortan den Aufgabenträgern möglich, Vergaberechtliches ankäme. Maßgeblich für das OLG war da- diese Verpflichtungen und einzelne Aus- Nachprüfungsverfahren bei, dass die ÖDA im VRR-System als Ver- gestaltungen der Ausgleichsberechnung waltungsakte erteilt werden. Der Finanzie- in ihren ÖDA festzulegen. Essen und Mül- Dass Verkehre in diesem Umfang direkt, rungsbescheid des VRR ebnete so den Weg heim an der Ruhr definierten auf dieser das heißt ohne Ausschreibungsverfahren, in die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007. Grundlage eine „gemeinwirtschaftliche Ge- an die städtischen Verkehrsgesellschaften samtleistung“, die im Prinzip die Stadtver- vergeben werden, wollten mehrere private Direktvergabevoraussetzungen kehre in Gänze umfasst. Busunternehmen nicht hinnehmen und erfüllt griffen die beabsichtigten Direktvergaben Verkehrliche Steuerung im Wege vergaberechtlicher Nachprüfungs- Die Direktvergabevoraussetzungen des verfahren an, um ein wettbewerbliches Ver- Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 Das Verkehrsangebot muss fortlaufend an gabeverfahren zu erzwingen. Ohne Erfolg! sah das OLG sodann unkritisch als gege- sich ändernde Rahmenbedingungen und Während die Antragssteller in erster In- ben an. Insbesondere bejahte das OLG Verkehrsbedürfnisse angepasst werden. stanz vor der Vergabekammer Münster die Erfüllung des Eigenerbringungsge- Anlass für Änderungen können techni- noch obsiegten, wies das Oberlandesge- bots nach Art. 5 Abs. 2 lit. e) Verordnung sche Entwicklungen (zum Beispiel neue richt (OLG) Düsseldorf ihre Nachprüfungs- (EG) Nr. 1370/2007 im Falle einer Gruppe Antriebstechniken), städtebauliche Ent- anträge zurück [2] und machte somit den von Unternehmen als Betreiber. Unschäd- wicklungen (wie etwa Erschließung neuer Weg frei für die Vornahme der Direktverga- lich ist somit, dass bei der Direktvergabe Wohn- oder Gewerbegebiete), Veränderun- ben. des Stadtverkehrs Mülheim an der Ruhr gen im Nutzerverhalten (beispielsweise an- an Ruhrbahn und Ruhrbahn Mülheim als deres Mobilitätsverhalten wie derzeit in der Direktvergaben im VRR-System Gruppe von Unternehmen allein die Ruhr- Corona-Krise), geänderte politische Ziel- bahn operativ tätig ist. setzungen (zum Beispiel Modal-Split-Zie- Im Nachprüfungsverfahren hatten die An- le, Lead-City) und vieles andere mehr sein. tragssteller unter anderem die Einbettung Auch die von den Antragstellern kritisier- der Direktvergaben in das Vergabemodell te Laufzeit der ÖDA von 22,5 Jahren hielt Angesichts der vorgesehenen langen Lauf- und Finanzierungssystem des VRR kriti- der Überprüfung durch das OLG stand. Sie zeiten war es ein wichtiges Ziel der Betei- siert. Im VRR sind die für die Vornahme ei- rechtfertigt sich aus den erheblichen Inves- ligten, Flexibilität bei der Anpassung des ner Direktvergabe erforderlichen Interven- titionen in ortsfeste Infrastruktur und in ÖPNV-Angebots zu behalten. Hierzu wur- tionsbefugnisse wie folgt verteilt: Stadtbahnfahrzeuge, zu denen die ÖDA die den in den ÖDA präzise Spielregeln für die Ruhrbahn verpflichten [4]. Anpassung der Verkehre definiert. Diese ◼◼ Der Zweckverband VRR ist für die Fest- bestehen zum einen aus Regelungen für setzung der Ausgleichsleistung und Vergabe als Gesamtnetz Leistungsänderungen (Zu-, Ab- und Um- die Vornahme der rechtsverbindlichen bestellklauseln, Reglungen zu Qualitäts- Betrauung mit gemeinwirtschaftlichen Wesentliches Ziel des Projektes war der Er- änderungen et cetera) und zum anderen Verpflichtungen durch Erlass eines Fi- halt der jeweiligen Stadtverkehre als Ein- aus Regelungen, die eine sachgerechte nanzierungsbescheids zuständig. heit mit einem aufeinander abgestimmten Anpassung der finanziellen Ausgleichsleis- ◼◼ Die Definition der gemeinwirtschaftli- Gesamtangebot. Um für den Fall eigenwirt- tung vorsehen. Die Beschreibung von Vor- chen Verpflichtungen hingegen ist Sache schaftlicher Konkurrenzanträge vorbereitet aussetzungen und finanziellen Folgen der Städte als ÖPNV-Aufgabenträger. zu sein, die auf das Herausbrechen einzelner von Leistungsänderungen schaffen Trans- ertragsstärkerer Linien aus dem Gesamtnetz parenz und Planbarkeit für beide Seiten. Diese Aufgabenverteilung und insbeson- gerichtet sein könnten („Rosinenpickerei“), Dies erfüllt auch einen vergaberechtlichen dere auch das Handeln der Beteiligten als wurde in den Nahverkehrsplänen beider Zweck: Soweit Leistungsänderungsrechte sogenannte Gruppe von Behörden im Sin- Städte geprüft und sachlich begründet, in- für Anpassungen des ÖPNV-Angebots ge- ne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ist wiefern die Linien des Stadtverkehrs ein nutzt werden, wird der bestehende ÖDA aber nach Meinung des OLG Düsseldorf integriertes Netz bilden. Hierauf aufbauend vollzogen und es liegt keine vergabepflich- nicht zu beanstanden. Das OLG bestätigte wurde in den Vorabbekanntmachungen die tige Neuvergabe vor. damit die Direktvergaben im VRR. Vergabe als Gesamtleistung angekündigt [5]. Neben der verkehrlichen Integration Wirtschaftliche Steuerung Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 standen dabei die wirtschaftlichen Vorteile auf Direktvergaben Essen und der Gesamtnetze im Mittelpunkt. Um die grundsätzliche Erfüllbarkeit der Mülheim a. d. Ruhr anwendbar gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen Parametrisierung im Rahmen des durch die Städte vorge- Ein wesentlicher Streitpunkt im Nachprü- gebenen Budgets zu gewährleisten, ist in fungsverfahren war die Frage nach dem Die beihilferechtliche Obergrenze des nach den ÖDA ein finanzielles Steuerungssys- anzuwendenden Vergaberechtsregime. Das dem jeweiligen ÖDA zulässigen Ausgleichs tem installiert. Zu diesem Zweck wurden OLG entschied (unter Bezugnahme auf wird nach Maßgabe der Richtlinie zur Fi- die Gewinn- und Verlustrechnungen eines 58 DER NAHVERKEHR 1+2/2021 Pt. © DVV Media Group GmbH
FINANZEN & RECHT Grafik: KCW Abb. 3: Struktur der Steuerungsmechanismen über vorab kalkulierte Parameter (Preisblatt) und verfügbares Budget (Wirtschaftsplan). Basisjahres der internen Betreiber in eine Wirtschaftsplan abgebildeten Produktivi- seinen internen Betreiber führen. Damit „Preisblatt-Struktur“ überführt. Die Preis- tätsfortschritte mit Blick auf konkrete Auf- weder Unmögliches verlangt wird noch blatt-Struktur gliedert den tatsächlichen wandspositionen im Vergleich zum Basis- ein voller Ausgleich für nur unvollständig Aufwand nach Sparten sowie fixen und va- jahr bereits nachvollziehbar erzielt wurden erfüllte Verpflichtungen gewährt wird, wur- riablen Bestandteilen und weist für letztere und weitere eingeplante Fortschritte in Be- de mit den ÖDA jeweils ein sogenannter aus, welche Positionen von etwaigen Leis- zug auf das Plan-Jahr realistisch sind. strategischer Ausschuss ins Leben geru- tungsänderungen wie berührt werden. Die fen. Dieser ist mit den für die ÖPNV-Fi- Aufbereitung stellt insoweit eine geeignete Vorhabenkonferenz und nanzierung und -Planung zuständigen De- Grundlage zur Berechnung von Szenarien strategischer Ausschuss zernenten der Stadt sowie Vertretern der dar. Eine Dynamisierungsregelung sorgt Geschäftsführung der Ruhrbahn besetzt dafür, dass die Ansätze über sachgerechte Investitionen kommt bei der Wahrung der und überprüft jährlich unter Zuhilfenahme Indexfortschreibungen im Zeitverlauf nutz- Ausgewogenheit von gemeinwirtschaft- des aktuellen Preisblattes, inwieweit die bar bleiben. lichen Verpflichtungen und Ausgleichs- bestehenden Vorgaben in Bezug auf Leis- bemessung aufgrund der Unverzichtbar- tungsangebot, Qualität und Investitionen Die ÖDA sehen eine jährliche Vorschau auf keit von Fahrzeugen und Infrastruktur bei innerhalb des durch den Wirtschaftsplan das kommende Jahr mit Hilfe des Preisblat- gleichzeitig großer Budgetwirkung eine be- gesetzten finanziellen Rahmens eingehal- tes vor. Ergebnis dieser Betrachtung ist ein sondere Bedeutung zu. Investitionsspitzen ten werden können. Mögliche Zielkonflik- Maximalbudget, bei dem am Maßstab der sollten die Akteure weder „überraschen“ te führt der strategische Ausschuss einer Vergangenheit größtmögliche Gewissheit noch dazu veranlassen, die für einen si- Lösung im Sinne der gegebenen politisch darüber besteht, dass es zur Erfüllung der cheren Betrieb im vorgegebenen Umfang gesetzten Prioritäten zu. gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen erforderlichen Investitionen über ein ver- ausreichen wird. Die tatsächliche Budge- tretbares Maß hinaus aufzuschieben. Aus PBefG-Genehmigungen und tierung erfolgt unverändert über den Wirt- diesem Grund sehen die ÖDA jährliche ge- Gemeinschaftslinien schaftsplan, dem nicht nur Erfahrungswerte meinsame Vorhabenkonferenzen von Stadt aus der Vergangenheit, sondern weiterhin und Betreiber vor, in denen sowohl der mit- In der Metropolregion Rhein-Ruhr beste- auch eingeplante Produktivitätsfortschrit- tel- und langfristige Ausblick auf notwen- hen starke verkehrliche Verflechtungen und te zugrunde liegen können. Die Gegen- dige Investitionen als auch die Festlegung daher auch ÖPNV-Linien über die jeweili- überstellung von Maximalbudget gemäß der Vorhaben für das kommende Jahr be- gen Gebietsgrenzen hinaus. Üblicherweise Preisblatt und Wirtschaftsplan ermöglicht sprochen werden. werden solche Linien von den Verkehrsbe- eine fundierte Einschätzung, inwieweit die trieben der jeweils bedienten Städte ge- Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Ver- Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass meinsam betrieben (Gemeinschaftslinien), pflichtungen auch auf Grundlage des ge- verkehrliche Ambitionen bei gleichzeitigen wobei Umläufe mal von dem einen, mal von gebenenfalls ambitionierteren Wirtschafts- finanziellen Zwängen nicht nur im Bereich dem anderen der beteiligten Betreiber ge- planes verlässlich möglich ist (Abb. 3). der Investitionsplanung zu sich widerspre- fahren werden (Naturalausgleich). Bislang Dies wird dann der Fall sein, wenn die im chenden Vorgaben des Aufgabenträgers an wurden den jeweiligen Betreibern dafür ge- DER NAHVERKEHR 1+2/2021 59 Pt. © DVV Media Group GmbH
FINANZEN & RECHT meinsame Linienverkehrsgenehmigungen Betreiber (wie bei Busgemeinschaftslinien) fassten Stellen in die Projektarbeit schafft nach dem PBefG erteilt (Gemeinschaftskon- eine Genehmigung bezogen auf die gesam- die Voraussetzung dafür, dass die Rege- zessionen). Seit der Novelle des PBefG 2013 te Linienführung und beschränkt auf be- lungen der ÖDA auch tatsächlich gelebt müssen bei bestellten Verkehrsdiensten die stimmte Fahrten erteilt wird. Der Bescheid werden können. Koordiniert wird der Voll- Genehmigungen nun aber dem jeweiligen ordnet an, dass sich die Genehmigung zum zug des ÖDA durch „ÖDA-Beauftragte“ je- ÖDA entsprechen [6]. Gemeinschaftslini- Betrieb der Straßenbahnbetriebsanlagen weils bei den Städten Essen und Mülheim en sind jedoch Gegenstand beider ÖDA, aber nur auf die jeweils eigenen Anlagen an der Ruhr sowie bei der Ruhrbahn. Mit die den jeweils beteiligten kommunalen des jeweiligen Betreibers bezieht (eige- den ÖDA wurde ein Rahmen geschaffen, Betreibern unabhängig voneinander erteilt nes Betriebsgebiet). Für das benachbarte der es den Städten sehr flexibel erlaubt, sind. Dabei bezieht sich der ÖDA auf die Betriebsgebiet beschränkt sich die Geneh- das ÖPNV-Angebot jederzeit ihren ver- vom jeweiligen Betreiber zu erbringenden migung des Betriebs (und die daraus resul- kehrspolitischen Entscheidungen und den Verkehrsdienste und insofern nur auf einen tierende Betriebspflicht) hingegen auf die verkehrlichen Bedürfnissen anzupassen. Anteil an der jeweiligen Gemeinschaftslinie. Beförderung von Personen mit Straßen- Wie wichtig ein solch flexibles Steuerungs Die bisher üblichen Gemeinschaftskonzes- beziehungsweise Stadtbahnen, und zwar instrument ist, zeigt sich nicht nur in der sionen passen zu derart gestalteten ÖDA beschränkt auf das Verkehrsvolumen, das aktuellen Corona-Krise, sondern insbeson- nicht. Deshalb wurden für die Gemein- sich aus den diesem Betreiber in der Ge- dere auch mit Blick auf Umwälzungen auf schaftslinien nun jeweils individuelle „Ein- nehmigung zugeordneten Fahrten ergibt. dem Mobilitätsmarkt. zelkonzessionen“ erteilt. Durch dieses genehmigungsrechtliche No- vum werden der Betrieb der Infrastruktur Für eine gemeinschaftlich betriebene Bus- und der Betrieb der Beförderungsleistung linie bekommt hierbei jeder der beiden genehmigungsrechtlich aufgeteilt zwi- Literatur / Anmerkungen betrauten Betreiber eine eigene Genehmi- schen den beiden Betreibern, sodass jeder [1] Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des gung bezogen auf den gesamten Linienver- der Betreiber eine eigene, zu seinem ÖDA Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) lauf, aber beschränkt auf eine bestimmte „passende“ Genehmigung für die Schie- Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom (durch den genehmigten Fahrplan festge- nengemeinschaftslinie bekommt. Auch 3.12.2007, S. 1). Zwischenzeitlich geändert durch Verordnung (EU) legte) Fahrtenanzahl. Die Genehmigungen hier gibt es „verzahnende“ Auflagen und 2016/2238 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. De- zember 2016 (ABl. L 354 vom 23.12.2016). Im Folgenden bezeichnet als enthalten „verzahnende“ Auflagen, die bleibt der Naturalausgleich zwischen den „Verordnung (EG) Nr. 1370/2007“. die beiden Betreiber entsprechend der Betreibern möglich. [2] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.10.2019 – VII-Verg 43/18. Vorgaben in den ÖDA zu einem gemein- schaftlichen Betrieb anhalten. Der übliche Fazit [3] EuGH, Urt. v. 21.03.2019 – C-266/17 und C-267/17 sowie Urt. v. 08.05.2019 – C-253/18. Naturalausgleich findet weiterhin umlauf- [4] Die Zusammenfassung von straßen- und schienengebundenen Verkeh- bezogen durch wechselseitigen Einsatz wie Mit den Direktvergaben haben Essen und ren führt bei hier gegebenem Überwiegen der Schienenverkehre zu einer ein Subunternehmer auf den jeweils ge- Mülheim an der Ruhr nicht nur rechtssi- regulären Laufzeitbegrenzung auf 15 Jahre, Art. 4 Abs. 3 Satz 2 VO (EG) Nr. 1370/2007. Eine Verlängerung um bis zu 50 Prozent ist bei hier gege- nehmigten Fahrten statt. chere Grundlagen für die Sicherstellung benen Investitionen in gebundene Wirtschaftsgüter möglich, Art. 4 Abs. und Finanzierung des ÖPNV in ihren Städ- 4 VO (EG) Nr. 1370/2007. Bei gemeinschaftlich betriebenen Straßen- ten über Jahre hinaus geschaffen. Darüber [5] Dies ermöglicht § 8a Abs. 2 Satz 4 PBefG. Die Versagung von auf Rosi- bahn- beziehungsweise Stadtbahnlinien setzt hinaus wurden die von rechtlichen Anfor- nenpickerei gerichteten eigenwirtschaftlichen Konkurrenzanträgen richtet sich in diesem Fall nach § 13 Abs. 2a Satz 2 PBefG. Ergänzend greift § 13 diese genehmigungsrechtliche Gestal- derungen getriebenen Projekte dazu ge- Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. d) PBefG. tung voraus, dass die Genehmigung auch nutzt, die wirtschaftliche Steuerung sowie [6] Dies zeigt sich insbesondere bei der Laufzeit: Die Genehmigung darf nur hinsichtlich des Betriebs der Infrastruktur die Kommunikation und Zusammenarbeit für die Laufzeit des zugrundeliegenden ÖDA erteilt werden, siehe § 16 (Straßenbahnbetriebsanlagen) aufgespal- der Akteure vor Ort weiter zu verbessern Abs. 1 und 2 PBefG. ten wird [7]. Mit der Genehmigungsbehörde und zu intensivieren. Die Integration aller [7] Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 PBefG umfasst der Betrieb von Straßenbahnen auch wurde abgestimmt, dass jedem der beiden fachlich mit ÖPNV-relevanten Themen be- den Betrieb der Infrastruktur (Straßenbahnbetriebsanlagen). Zusammenfassung / Summary ÖPNV mit Zukunftsperspektive Public transport with future prospects Die Ruhrbahn ist das größte Verkehrsunternehmen im größten Bal Ruhrbahn is the largest public transport operator in Germany’s largest lungsraum Deutschlands. Auf dem Weg zu den Direktvergaben der urban area. In order to realize the direct awards of passenger trans Stadtverkehre Essen und Mülheim an der Ruhr an die Ruhrbahn wa port services to Ruhrbahn in the cities of Essen and Mülheim an der ren besondere Anforderungen zu erfüllen und Herausforderungen zu Ruhr, unique requirements had to be met and challenges overcome. bewältigen. Die Ruhrbahn ist erst im Projektverlauf aus EVAG, MVG Ruhrbahn was only established in the course of the project through a und Via entstanden und die Direktvergabe war Gegenstand eines merger of EVAG, MVG and Via, while the direct award was challenged Nachprüfungsverfahrens. Inhaltlich galt es unter anderem, die öffent before the courts. Regarding the content of the public service con lichen Dienstleistungsaufträge aufwärtskompatibel zu gestalten, die tracts, the public service obligations had to be designed for upwards Erfüllbarkeit der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen mit einer ge compatibility, the ability to comply with the public service obligations eigneten wirtschaftlichen Steuerung abzusichern und tragfähige ge had to be backed up by adequate financial control mechanisms and nehmigungsrechtliche Lösungen für die zahlreichen Gemeinschafts sound legal solutions had to be found for the numerous lines run by linien der Ruhrbahn zu finden. Entscheidend für das Gelingen war die Ruhrbahn in joint concessions with neighbouring operators. Decisive Gestaltung des Vorhabens als offenes Kooperationsprojekt der Städte for the project’s success was its design as a joint effort of the cities and und der Ruhrbahn mit proaktiver Kommunikation und laufendem Wis Ruhrbahn, including proactive communication and continuous know- senstransfer zwischen den Beteiligten. ledge transfer among the participants. 60 DER NAHVERKEHR 1+2/2021 Pt. © DVV Media Group GmbH
Sie können auch lesen