BAUWIRTSCHAFT BUNDESVEREINIGUNG
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BUNDESVEREINIGUNG BAUWIRTSCHAFT Bundesvereinigung Bauwirtschaft Das Deutsche Bau- und Ausbau-Handwerk Bundesinnung für das Bundesinnungsverband Gerüstbauer-Handwerk des Gebäudereiniger- Bundesverband Gerüstbau Handwerks Politische Forderungen der deutschen Bundesverband Bundesverband Metall – Holz und Kunststoff Vereinigung Deutscher Metallhandwerke Bauwirtschaft Bundesverband Rollladen + Deutscher Fertigbauverband Sonnenschutz e.V. zur Hauptverband Verband Deutscher Kälte- Farbe Gestaltung Klima-Fachbetriebe e.V. Bautenschutz Bundestagswahl 2009 Zentralverband des Deutschen Baugewerbes Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks Zentralverband Zentralverband der Deutschen Raum und Ausstattung Elektro- und Informations- technischen Handwerke Zentralverband Sanitär Heizung Klima Politische Forderungen der deutschen Bauwirtschaft zur Bundestagswahl 2009 1
Impressum Herausgeber: V.i.S.d.P. Dr. Ilona K. Klein Bundesvereinigung Bauwirtschaft Kronenstraße 55 - 58 10117 Berlin Telefon 030 20314-0 Telefax 030 20314-419 info@bv-bauwirtschaft.de www.bv-bauwirtschaft.de Gestaltung: Bundesvereinigung Bauwirtschaft Druck: Ludwig Austermeier Offsetdruck oHG, Berlin April 2009 2
Inhalt Vorwort 5 Ordnungs- und Wirtschaftspolitik 6 Klimaschutz- und Umweltpolitik 8 Finanz- und Steuerpolitik 11 Wohnungs- und Städtebaupolitik 13 Infrastrukturpolitik 17 Rechts- und Vergabepolitik 20 Sozialpolitik 23 Forschung- und Entwicklung 27 Die beteiligten Verbände 29 Politische Forderungen der deutschen Bauwirtschaft zur Bundestagswahl 2009 3
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Vorwort Die bevorstehende Bundestagswahl ist Anlass für Wir haben in unseren politischen Forderungen nur die deutsche Bauwirtschaft, ihre Forderungen an Themen aufgegriffen, die durch Gesetzgebungs- die Politik für die kommenden Jahre vorzutragen. verfahren in Deutschland geregelt werden können. Neben der unbestrittenen Notwendigkeit grundle- Trotzdem wollen wir die europäische Ebene nicht gender Reformen der sozialen Sicherungssysteme, vergessen: Zu oft wurden hier in der Vergangen- des Steuersystems sowie der öffentlichen Haushal- heit Richtlinien vorgelegt, die in nationales Recht te wird es eine der Hauptaufgaben einer neuen umzusetzen sind und unsere Interessen als deut- Bundesregierung sein, für Verlässlichkeit der sche Bauwirtschaft existenziell betreffen. getroffenen politischen Entscheidungen zu sorgen. Nur in einem Klima des Vertrauens, des Zutrau- Eine neue Bundesregierung ist daher aufgefor- ens, der Perspektive und des Mutes sind Investi- dert, auf europäischer Ebene die berechtigten tionen möglich. Diese sind Voraussetzung für die Interessen der nationalen Wirtschaft mehr als Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise in bisher im Auge zu behalten und ggf. auch einmal Deutschland. die Notbremse zu ziehen. Es kann nicht sein, dass Deutschland als Musterschüler Europas sämtliche Die deutsche Bauwirtschaft ist mit einem Investi- Liberalisierungen der Märkte offensiv mitträgt und tionsvolumen von ca. 250 Mrd. Euro eine Schlüs- gleichzeitig die daraus resultierenden Verwerfun- selbranche in unserem Land. Ihr Stellenwert gen auf dem heimischen Bauarbeitsmarkt nicht in resultiert nicht allein aus ihrer Größe, sondern den Griff bekommt. auch aus der Tatsache, dass sie Investitionsgüter herstellt und Arbeitsplätze im Inland zur Verfügung Wir, die wir die deutsche Bauwirtschaft mit ihren stellt, was für jede Volkswirtschaft von entschei- mehr als 300.000 Betrieben und mehr als 3 Mio. dender Bedeutung ist. Beschäftigten repräsentieren, haben uns mit der vorliegenden Schrift auf Forderungen beschränkt, Heimische Baubetriebe und damit Arbeitsplätze die vorrangig die Bauwirtschaft betreffen. Den- können nur dann gesichert werden, wenn die noch sind wir der Auffassung, dass - würden un- hohen Lohnzusatzkosten gesenkt und der Ar- sere Vorstellungen Wirklichkeit - viele Probleme in beitsmarkt deutlich flexibilisiert und dereguliert unserem Lande einer guten Lösung näher wären. werden. Darüber hinaus müssen illegale Beschäf- In diesem Sinne hoffen wir, dass unsere Forde- tigung und Schwarzarbeit nachhaltig und wirksam rungen Eingang in die politische Arbeit der kom- bekämpft werden. menden Legislaturperiode finden. Wir fordern ferner, dass die Verbände als mitgestaltender Diese politischen Forderungen richten sich an Dialogpartner der Politik frühzeitig und fair in diejenigen, die für die nächsten vier Jahre die politische Überlegungen und Gesetzgebungsver- Geschicke unseres Landes bestimmen, an die Ab- fahren einbezogen werden, um Fehlentwicklungen geordneten des Deutschen Bundestages und die zu verhindern Mitglieder der Bundesregierung. Sie sollen aber auch all jenen als Richtschnur dienen, die darüber hinaus unmittelbar oder mittelbar an politischen Entscheidungen beteiligt sind. Karl-Heinz Schneider Vorsitzender Bundesvereinigung Bauwirtschaft Stefan Thurn Präsident Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel e.V. Dr. Hans Georg Leuck Vorsitzender Deutsche Gesellschaft für Mauerwerksbau e.V. Dr.-Ing. Hans-Hartwig Loewenstein Präsident Zentralverband Deutsches Baugewerbe Politische Forderungen der deutschen Bauwirtschaft zur Bundestagswahl 2009 5
Ordnungs- und Wirtschaftspolitik Deutschland hat viele Potenziale, die das Land in stand leistet damit eine wichtige gesellschaftliche der Vergangenheit voran gebracht haben. Zu die- Arbeit. Der Mittelstand schafft immer wieder neue, sen großen Potenzialen gehört ein leistungsfähi- innovative Berufsfelder. Viele Länder beneiden ger Mittelstand. Über seine wirtschaftliche Bedeu- uns um die duale Berufsausbildung in Deutsch- tung hinaus ist dieser auch eine gesellschaftliche land. Ohne den Mittelstand gäbe es diese Erfolgs- Kraft, er bildet den Kern einer breiten bürgerlichen geschichte nicht. Deshalb ist eine Politik, die den Mitte. Die mittelständischen Unternehmen stehen Mittelstand stärkt, die beste Bildungspolitik. für unternehmerische Verantwortung, für Arbeits- und Ausbildungsplätze in Deutschland. Diese Un- Die mittelständischen Unternehmer wie auch ternehmenskultur gilt es zu fördern und zu stärken besonders die Handwerksmeister, die auf eige- – im Interesse unseres Landes. D. h.: Deutschland nes Risiko mit ihrem Geld sich und anderen eine braucht eine Politik, die den Mittelstand stärkt. Existenz aufgebaut haben, die vor Ort leben und arbeiten und ihre Kunden kennen, haben ein Die mittelständische Bauwirtschaft erwirtschaftet anderes Verantwortungsbewusstsein für die Men- mehr als 68 % des gesamten Umsatzes, der auf schen in ihrer Heimat als anonyme Großkonzerne. deutschen Baustellen erwirtschaftet wird. Sie Standortpflege und gemeinnütziges Engagement beschäftigt 80 % aller gewerblichen Arbeitnehmer vor Ort sind im Mittelstand besonders ausgeprägt. und bildet mehr als 80 % aller Lehrlinge am Bau Deshalb ist eine Politik, die den Mittelstand stärkt, aus. Sie ist es auch, die das Gros der Bauleis- die beste Standortpolitik. tungen erbringt. Deshalb ist eine Politik, die den Mittelstand stärkt, die beste Wirtschaftspolitik. Die Deutschland braucht endlich ein mittelstands- mittelständischen Unternehmen des deutschen freundliches Klima. Die Politik muss mittelstands- Bau- und Ausbauhandwerks bieten eine breite freundliche Rahmenbedingungen schaffen. Die Berufspalette, die jedem nach seinen Fähigkei- Politik muss den Mittelstand als Rückgrat unseres ten und Talenten die Chance auf Teilhabe gibt. Landes anerkennen und unterstützen. Vorurteile, Deshalb ist eine Politik, die den Mittelstand stärkt, Neid und Misstrauen gegen Menschen, die durch auch die beste Arbeitsmarktpolitik. harte Arbeit, auf eigenes Risiko und mit hoher Verantwor-tungsbereitschaft für sich und andere 44 Prozent des Steueraufkommens aus Unterneh- erfolgreich sind, müssen bekämpft werden. men und Kapitaleinkommen leistet der deutsche Mittelstand. Ohne das erfolgreiche Wirtschaften Bürokratie blüht auf einem dichten Geflecht aus von Mittelständlern könnten in Deutschland keine Gesetzen und Vorschriften. Deutschland mangelt Schulen, keine Straßen und keine öffentliche es an Existenzgründern und Selbstständigen. Die Sicherheit finanziert werden. Die Finanzpolitik notwendige Eigeninitiative wird durch Genehmi- sollte sich zudem an der mittelständischen Tugend gungs- und Zustimmungsverfahren behindert. orientieren, dass vor dem Ausgeben das Erwirt- schaften kommt. Deshalb ist eine Politik, die den Durch die Beantwortung unzähliger Anfragen, Mittelstand stärkt, die beste Finanzpolitik. Abfragen und Umfragen entstehen den Betrieben Kosten in Milliardenhöhe. Das Bestimmungsdi- Der Mittelstand sorgt mit seinen Beiträgen für die ckicht erfordert speziell bei kleinen und mittleren Finanzierung unserer sozialen Sicherungssysteme. Unternehmen externe Unterstützung und treibt die Ohne Mittelstand gibt es keine Rentenversiche- ohnehin starke zeitliche und finanzielle Belastung rung. Ohne Mittelstand gibt es kein leistungsfähi- noch weiter nach oben. ges Gesundheitswesen. Ohne Mittelstand wäre die Pflegeversicherung schon heute am Ende. Die Vielzahl von Gesetzen und Vorschriften ist Viele Mittelständler fühlen sich dem Wohl ihrer daher zu durchforsten und auf die notwendigen Mitarbeiter über die Arbeitszeit hinaus besonders Bestimmungen zu reduzieren. Die sachgerechte verpflichtet. Deshalb ist eine Politik, die den Mittel- Ausgestaltung - und nicht die Wahrung von Besitz- stand stärkt, die beste Sozialpolitik. ständen - muss dabei die Maxime im Gesetzge- bungsprozess sein. Gerade die Umsetzung von Der Mittelstand bildet über den eigenen Bedarf EU-Richtlinien muss 1:1 erfolgen, ohne zusätzliche hinaus junge Menschen aus und bietet ihnen die nationale Verschärfungen. Möglichkeit, in vielfältigen Lehrberufen Qualifika- tionen zu erwerben, Erfahrungen zu sammeln und Auch beim Bürokratieabbau ist der Fokus auf eine sich selbst Zukunftschancen zu eröffnen. Vielen mittelstandsgerechte Handhabung von Gesetzen, jungen Menschen mit Integrationsschwierigkeiten Vorschriften und Normen zu richten. bietet der Mittelstand die Chance, das Leben zu meistern, ein Selbstwertgefühl zu entwickeln und Eine mittelstandsorientierte Politik ist die beste Eigenverantwortung zu übernehmen. Der Mittel- Wirtschafts- und Ordnungspolitik. 6
Neben der Orientierung auf die mittelständische Bauinvestitionen nutzen dem Mittelstand und Wirtschaft als dem Leistungsträger der Volks- sichern Arbeitsplätze! wirtschaft schlechthin gilt es, eine grundsätzlich Bauinvestitionen kommen der regionalen Wirt- angebotsorientierte Politik zu verfolgen, die auf schaft vor Ort zugute. Rund 80 % aller Beschäftig- Investitionen setzt und nur wenig Steuergelder für ten und Auszubildenden der deutschen Bauwirt- konsumtive Zwecke verwendet. schaft sind in den mittelständischen Bauunterneh- men tätig. Sie erbringen ca. 70 % der Bauproduk- Denn inländische Investitionen sind Grundlage tion. Damit sichern Investitionen in die kommunale und Ausdruck für wirtschaftliches Wachstum und Infrastruktur die Arbeitsplätze vor Ort. Mehrung des Wohlstandes. Sie sind Vorausset- zung für die Schaffung und den Erhalt von Arbeits- plätzen in Deutschland. Entwicklung der Bauinvestitionen insgesamt in Preisen von 2000 Mrd. Euro 300 257 242 250 213 219 209 199 200 150 100 50 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Wohnungsbau Wirtschaftsbau Öffentlicher Bau Quelle: Statistisches Bundesamt Bauinvestitionen sind deshalb nicht nur zwingend Bauinvestitionen schaffen langfristige Werte! erforderlich, sondern haben im Hinblick auf die Bauinvestitionen entfalten eine langfristige Wir- konjunkturelle Entwicklung auch weitere Vorteile: kung. Ein in die kommunale Infrastruktur investier- ter Euro zieht Folgeinvestitionen von drei bis vier Bauinvestitionen stabilisieren die Binnenkon- Euro nach sich und schafft damit Arbeitsplätze in junktur! den vor- und nachgelagerten Bereichen. Gleich- Bauinvestitionen wirken rein binnenwirtschaftlich zeitig profitieren die Kommunen von der sanierten und fließen nicht ins Ausland ab. Konsumtive Aus- Infrastruktur. Eine verbesserte Bildungsinfrastruktur gaben haben demgegenüber aufgrund der welt- stärkt langfristig die Wettbewerbsfähigkeit unseres wirtschaftlichen Verflechtung nur einen begrenzten Landes. Effekt für die Binnenwirtschaft. Politische Forderungen der deutschen Bauwirtschaft zur Bundestagswahl 2009 7
Klimaschutz- und Umweltpolitik Klimaschutz ist eine Bauaufgabe. Die Gründe für die Investitionszurückhaltung sind in Die klimaschutzpolitischen Ziele der Bundesregie- - fehlender bzw. unzureichender Förderung, rung lassen sich nur durch eine flächendeckende - den hohen Investitionskosten, und zügige energetische Modernisierung des Ge- - unklaren Rahmenbedingungen mit konkurrieren- bäudebestandes erreichen. Von allen technischen den und widersprechenden Zielgrößen (EnEV/ Klimaschutzmaßnahmen weist die energetische Primärenergieeinsparung und EEWärmeG/an- Gebäudemodernisierung das beste Kosten-Nut- teilige Nutzungspflicht), zen-Verhältnis auf. Bei einem Anteil von über 40 % - Fehlsteuerungen anderer gesetzlicher Vorschrif- des Endenergieverbrauchs bieten sich hier große ten, ungenutzte Einsparpotenziale. - fehlender Technologieoffenheit, Um den Energieverbrauch der ca. 25 Mio. moder- - bürokratischen und intransparenten Förderpro- nisierungsbedürftigen Wohnungen, das sind rund grammen, zwei Drittel des Wohnungsbestandes, maßgeb- - mietrechtlichen Restriktionen (Stichwort: Mieter- lich zu senken, müssen in einem ausgewogenen Investor-Dilemma) sowie Verhältnis Maßnahmen zur Wärmedämmung der - unterschiedlichen Rahmenbedingungen auf Gebäudehülle sowie zur Modernisierung der Ge- Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zu bäudetechnik ergriffen werden. sehen. Trotz der diversen bestehenden Förderinstrumente ist bislang keine Beschleunigung der energeti- Konkret fordert die deutsche Bauwirtschaft: schen Gebäudemodernisierung zu verzeichnen. Bei Beibehaltung des bisherigen Tempos würde Die energetische Modernisierung des Ge- sich die energetische Gebäudemodernisierung bäudebestandes muss als gesellschaftliche Auf- über einen Zeitraum von mehr als 185 Jahre hin- gabe nachhaltig und effizient gefördert werden. ziehen. Für eine nachhaltige und zeitnahe ener- getische Modernisierung des Gebäudebestandes Für Baumaßnahmen, insbesondere für Maßnah- innerhalb der nächsten 15 Jahre sind zusätzliche men zur Energieeinsparung ist der Mehrwertsteu- Investitionen in Höhe von mindestens 20 Mrd. Euro ersatz zu reduzieren. Die Beispiele Italien und jährlich erforderlich. Frankreich zeigen beachtenswerte Effekte dieses Instrumentes. 8
Die darüber hinaus gehende Förderung muss in Die Nutzung erneuerbarer Energien wie einem systematischen Konzept von aufeinander z. B. der Solarthermie und der Geothermie, abgestimmten staatlichen Zuschüssen, steuerlicher bedarf ebenfalls einer gesonderten Förderung. Abschreibung, Abzug von der Steuerschuld und zinsverbilligten Darlehen unter besonderer Berück- Die bei vielen Förderprogrammen geforderte sichtigung der Energieeinsparung und Profitabilität Umsetzung von Maßnahmenpaketen zur en- erneuerbarer Energien erfolgen. ergetischen Modernisierung überfordert viele Eigentümer. Daher sollten auch anhand einer Energieberatung als sinnvoll ausgewiesene Einzel- Die der Energieeinsparverordnung (EnEV) maßnahmen gefördert werden. zugrunde liegenden Nachweisverfahren (DIN 18599) sind praxisnäher zu gestalten, ohne das Bonusprogramme schaffen eine ideale Ergänzung, Anforderungsniveau zu senken. um neuen Technologien den Schritt über die Wirt- schaftlichkeitsschwelle zu erleichtern. Zielgröße aller Förderinstrumente muss allerdings in Analogie zur Bewertung der Gebäudeenergie- effizienz die Reduzierung des Primärenergiebe- Nachhaltig Bauen! darfs sein. Hierdurch erreicht man die für eine wirtschaftliche Umsetzung erforderliche Maßnah- Eine nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweise ist men- und Technologieoffenheit, berücksichtigt darauf ausgerichtet, dass auch zukünftige Genera- die Vorteile der Nutzung regenerativer Energien tionen in einer lebenswerten, ökologisch intakten und schafft die gewünschten Anreize zur Absen- sowie ökonomisch und sozial funktionierenden kung der Treibhausgas-Emissionen. Erneuerbare Umwelt leben können. In diesem Sinne ist die Energien sind ebenso effizient zu nutzen wie kon- Nachhaltigkeit selbstverständlich Richtschnur für ventionelle Energieträger und müssen konsequen- das Bauen. terweise zumindest anteilig auch vom Primärener- giebegriff umfasst sein. Bei entsprechender Anpassung an die heutigen Bedürfnisse erfreuen sich die vor über 100 Jahren Für kleinere Investitionsvorhaben in die selbstge- in guter handwerklicher Qualität errichteten Alt- nutzte Immobilie bieten sich Zuschüsse und Steu- bauwohnungen auch heute noch großer Nach- erabzüge an. Hier sollte geprüft werden, ob die frage. Dies zeugt davon, dass das Bauhandwerk Primärenergieeinsparung mit einfachen Ansätzen schon seinerzeit ausgesprochen nachhaltige Ge- abgeschätzt werden kann, um eine einfache und bäude mit geringem Energieaufwand und Res- unbürokratische Förderung zu ermöglichen. sourcenverbrauch zu errichten vermochte. Der Gebäudeenergieausweis bietet im Bereich Vor dem Hintergrund des Klimaschutzes und der der größeren Sanierungsmaßnahmen eine ver- technischen Innovationen sind jedoch heute wei- lässliche Grundlage zur Feststellung der Primär- tergehende Anforderungen an die Nachhaltigkeit energieeinsparung. Mit zinsverbilligten Darlehen von Gebäuden zu stellen. Neben einem geringen oder auch Investitionszuschüssen und Abzug von Energie- und Ressourcenverbrauch bei der Errich- der Steuerschuld sollten alternative Fördermög- tung der Gebäude und einer hohen Energieeffi- lichkeiten geprüft werden. Im Bereich der Miet- zienz im Betrieb kommt der ökologischen Wohn- und gewerblich genutzten Immobilien sind die qualität, der bedarfsgerechten Grundrissgestal- steuerlichen Absetzungsmöglichkeiten deutlich zu tung, der Barrierefreiheit sowie einem lebenswer- verbessern. ten Wohnumfeld entscheidende Bedeutung zu. In diesen Anforderungen spiegelt sich das Drei-Säu- Die Festschreibung von Nutzungspflichten für len-Modell der Nachhaltigkeit wider: Nachhaltiges regenerative Energien steht im Widerspruch zu Bauen muss die ökologischen, ökonomischen und der im Gebäudebereich maßgeblichen Zielgröße sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichti- Primärenergiebedarf. Sie ist daher – insbesonde- gen. re im Bereich der energetischen Sanierung von Gebäuden – als kontraproduktiv abzulehnen. Von Seiten des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wurde nunmehr ein Gütesiegel für Nachhaltiges Bauen vorgestellt, das die Nachhaltigkeitsaspekte in einen glei- chermaßen formalen wie auch umfangreichen Kriterienkatalog zu bewerten versucht. Wenngleich Politische Forderungen der deutschen Bauwirtschaft zur Bundestagswahl 2009 9
das Gütesiegel zunächst nur für größere Büro- und heute auf die demografischen Veränderungen, die Verwaltungsgebäude als freiwilliges Zertifikat Wanderungsbewegungen innerhalb Deutschlands konzipiert wurde, wird aber auch die Übertragung und den Klimawandel gezielt reagieren. Konkret des Bewertungssystems und des Gütesiegels auf bedeutet das, für eine immer größere Zahl von äl- andere Gebäudetypen aller Größenordnungen teren Menschen geeigneten und in Deutschlands einschließlich von Wohn- und Bestandsbebäuden Wachstumsregionen insgesamt ausreichenden diskutiert. Wohnraum zur Verfügung zu stellen und dabei gleichzeitig die Energieeffizienz im Wohnbereich Etliche der Bewertungskriterien lassen eine objek- maßgeblich zu steigern. tive, nachprüfbare Beurteilung vermissen. Das Gü- tesiegel ist in der vorliegenden Form jedoch nicht Viele ältere Menschen wünschen sich ein würdi- geeignet, die Nachhaltigkeit von Gebäuden ob- ges und selbstständiges Leben im Alter in der ei- jektiv und nachvollziehbar zu bewerten. Durch die genen Wohnung. Dafür benötigen sie Wohnungen Unschärfe und Komplexität des Gütesiegels wird mit geeigneten Grundrissen, größeren Sanitärräu- die Nachhaltigkeit des Bauens nicht gefördert, men, breiteren Türen und Fluren sowie Aufzügen. sondern ein weiteres bürokratisches Hemmnis für Vorliegende Studien der Immobilienwirtschaft Bauinvestitionen geschaffen. belegen, dass derzeit nur rund 1 % aller Wohnun- gen seniorengerecht gestaltet ist. Die Schaffung Daher stehen bedeutende Teile der Bau- und von geeignetem Wohnraum für ältere Menschen Immobilienwirtschaft dem skeptisch bis kritisch hat aber auch einen finanziellen Aspekt: Das von gegenüber. den meisten Senioren gewünschte Wohnen in den eigenen Vier-Wänden entlastet die Sozialsysteme. Häusliche Pflegeangebote sind bis zu 1.950 Euro Konkret fordert die deutsche Bauwirtschaft: pro Monat günstiger als die stationäre Pflege. Zur Förderung der Nachhaltigkeit bedarf Neben den demografischen Herausforderungen es eines objektiven und wirtschaftlich handhab- sind wir mit dem Phänomen des Klimawandels baren Nachhaltigkeitszertifikates für Wohn- und konfrontiert. Das Erreichen der Klimaschutzziele Bestandsgebäude, das keinen Hemmschuh für hängt entscheidend von der Entwicklung auf dem Bauinvestitionen darstellt. Wohnungsmarkt ab. Das für Büro- und Geschäftsbauten vom Bundes- Die Antwort der Bauwirtschaft auf diese kombi- ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nierte Problemstellung ist der nachhaltige Woh- vorgestellte Konzept eines Nachhaltigkeitszertifi- nungsbau. Nachhaltiger Wohnungsbau bezeichnet kats für Büro- und Geschäftsbauten ist derzeit nicht dabei die Neuerstellung von Wohnraum an Stelle auf Wohn- und Bestandsbauten übertragbar. Die von überalterter Bausubstanz, wenn die bedarf- Beurteilung der Nachhaltigkeit von Wohn- und Be- sangepasste Modernisierung und energetische standsgebäuden muss anhand eines überschau- Sanierung höhere Kosten verursachen als Abriss baren, plausiblen und einer Überprüfung stand- und Neubau. haltenden Bewertungskatalogs erfolgen. Der hohe Standard der deutschen Wohnungsbaunormen Die Einbindung des Bestandsersatzes hat noch insbesondere im Wärme-, Schall- und Brandschutz eine weitere Dimension für die Nachhaltigkeit im macht eine zusätzliche Zertifizierung dieser Nach- Wohnungsbau: Neue Wohnungen sollten an der haltigkeitsziele weitestgehend entbehrlich. Der richtigen Stelle entstehen. Wohnungsbau ist auch Schwerpunkt ist auf die übrigen, quantifizierbaren ein geeignetes Instrument zur städtebaulichen Kriterien zu legen. Es dürfen nur ökologische, öko- Aufwertung und Weiterentwicklung von Wohn- nomische und soziologische Kriterien Berücksich- und Stadtquartieren. Denn mit der Entfernung tigung finden, die für den betrachteten Nutzungs- überalterter Bausubstanz und ihrem Ersatz durch zeitraum des Gebäudes valide prognostizierbar neue, moderne Wohnungen lässt sich die soziale sind. Infrastruktur ganzer Stadtteile erhalten und positiv gestalten. Die demografische Entwicklung wie auch der Klimawandel erfordern einen nachhaltigen Wohnungsneubau. Ein besonderer Aspekt für Nachhaltigkeit im Wohnungsbau ergibt sich aus den neuen Heraus- forderungen: Nachhaltiger Wohnungsbau muss 10
Finanz- und Steuerpolitik Steuer- und Abgabenbelastung deutlich senken! Unsere stark konjunkturabhängigen Unternehmen müssen daher auf die Thesaurierungsbegünsti- Das Anspruchsdenken des Einzelnen gegenüber gung verzichten. Die Verwendungsreihenfolge bei Staat und Gesellschaft ist nach wie vor ausge- den Entnahmen im Rahmen der Thesaurierungs- prägt und wird von Seiten der politisch Verant- begünstigung ist zu Gunsten einer Wahlfreiheit zu wortlichen immer weiter gefördert. Dies führt zu ändern. einer hohen Umverteilung von Einkommen durch Steuern und Abgaben. Die Abgabenquote lag 2008 fast auf dem gleichen Niveau wie im Jahr Einführung einer Sofortabschreibungs- 2005. Gleichzeitig erreicht die Staatsverschuldung grenze von 1.000 Euro pro Wirtschaftsgut. immer neue Rekordwerte. 2004 waren es mit 1.430 Milliarden und im Jahr 2008 1.517 Milliarden Euro Im Rahmen der Unternehmenssteuerreform wur- und damit über 60 % des Bruttoinlandsprodukts. de die Sofortabschreibung für geringwertige Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte Wirtschaftsgüter bis auf eine Bagatellgrenze von muss von der Ausgabenseite angegangen wer- 100 Euro abgeschafft. Zusätzlich zum Liquiditäts- den. Die Zuordnung und Finanzierung der gegen- nachteil entstand bei der Poolabschreibung der wärtigen Leistungen der staatlichen Daseinsfürsor- Wirtschaftsgüter von 100 – 1.000 Euro ein admi- ge gehören auf den Prüfstand. nistrativer Mehraufwand. Die jährlichen Bürokra- tiekosten der Unternehmen dafür betragen laut Normenkontrollrat 180 Mio. Euro. Konkret fordert die deutsche Bauwirtschaft: Unternehmenssteuerreform nachbessern! Kalte Progression stoppen – Mehr Netto vom Brutto. Bei der Unternehmenssteuerreform 2008 wurden die kleinen und mittelständischen Unternehmen Die kalte Progression führt dazu, dass Arbeitneh- benachteiligt. Sie fallen durch das Begünstigungs- mer bei Lohnzuwächsen überproportional große raster der Reform, die eindimensional zur Entlas- Steuererhöhungen hinnehmen müssen, weil sie tung der großen Kapital- und Personengesellschaf- auch bei Lohnersteigerungen, die nur die Infla- ten führt. Sie werden aber von den Maßnahmen tion ausgleichen, in einen höheren Steuersatz zur Gegenfinanzierung, der Beschränkung der So- kommen. Heute wird bereits mit dem 1,3-fachen fort-Abschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter des Durchschnittseinkommens die steuerliche und der Abschaffung der degressiven Abschrei- Spitzenbelastung erreicht. Vor ca. 50 Jahren war bung, voll getroffen. Diese einseitige Steuerbelas- noch das 17-fache des Durchschnittseinkommens tung bedarf weiterer Korrekturen. notwendig, um den Spitzentarif zahlen zu müssen. Gerade die Mittelschicht wird dadurch erheblich benachteiligt, denn aufgrund des steilen Einkom- Nachbesserung der Thesaurierungs- mensteuertarifs wirkt sich die kalte Progression begünstigung. bei unteren und mittleren Einkommen überpropor- tional aus. Aufgrund dieses „Mittelstandsbauchs“ Die Thesaurierungsbegünstigung wurde mit dem zahlen inzwischen nicht mehr nur Topverdiener, Ziel geschaffen, die Eigenkapitalbasis der kleinen sondern bereits Handwerksmeister und Fachkräfte und mittleren Betriebe zu stärken. Dies wurde nicht den Spitzensteuersatz. Zudem werden auch Perso- erreicht. Nach der Regelung können einbehaltene nengesellschaften dadurch benachteiligt. Gewinne im Unternehmen belassen (thesauriert) und auf Antrag begünstigt mit einem niedrigeren Steuersatz in Höhe von 28,25 % belegt werden. Die Eckwerte der Tarife sollten künftig an Allerdings müssen später entnommene Beträge, die Inflationsentwicklung gekoppelt werden, um die dem ermäßigten Thesaurierungssteuersatz die heimlichen Steuererhöhungen dauerhaft zu unterlagen, mit 25 % nachversteuert werden. verhindern. Dabei wird unterstellt, dass Entnahmen stets aus der Thesaurierungsrücklage stammen, auch wenn Das kaufkraftbereinigte Jahresnettoeinkommen ei- andere, bereits progressiv versteuerte Gewinn- nes durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushaltes hat rücklagen bestehen. Die Thesaurierungslösung ist ab 2003 sowohl bei einem ledigen als auch bei nur bei sehr langfristiger Investition der Gewinne einem verheirateten Durchschnittsverdiener stän- vorteilhafter als die Aufnahme von Fremdkapital. dig abgenommen. Die Abwärtstendenz hat sich Mittelständische Bauunternehmen können – meist nach Aussage der Bundesregierung zuletzt noch gezwungenermaßen aufgrund ihrer stark volatilen verstärkt. Nettolöhne müssen nach Abzug von Gewinne – nur kurz- bis mittelfristig investieren. Steuern und Sozialversicherungsabgaben aber Politische Forderungen der deutschen Bauwirtschaft zur Bundestagswahl 2009 11
ein deutliches Plus gegenüber jenen garantieren, Damit würde nicht nur eine konjunkturelle Bele- die keiner Beschäftigung nachgehen. Nur eine Ent- bung bewirkt und Arbeitsplätze im Bauhandwerk lastung der Leistungsträger der Gesellschaft führt gesichert, sondern auch ein Anreiz geschaffen, unserer Ansicht nach zu einer dauerhaften Steige- legal Aufträge zu vergeben, und somit Schwarz- rung der Konsum- und Investitionsbereitschaft, die arbeit eingedämmt. Im ersten Jahr nach Einfüh- langfristig Arbeitsplätze sichert. rung des Steuerbonus für Handwerkerleistungen im Jahr 2006, sank die Arbeitslosigkeit in den be- günstigten Handwerksberufen signifikant um 31 %, Steuerliche Anreize für legale Arbeit schaffen! was zum großen Teil dem Steuerbonus zuzuschrei- ben ist. Mit einem einheitlichen Förderbetrag Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung sind würde auch ein Beitrag zur Steuervereinfachung Grundprobleme der deutschen Bauwirtschaft. Sie geleistet. Ein attraktiver, verbesserter Steuerbonus haben ihre ganz wesentliche Ursache in der zu für Handwerkerleistungen hat außerdem einen ho- hohen Belastung des Faktors Arbeit mit Steuern hen Selbstfinanzierungseffekt durch die zusätzlich und Abgaben. Dies hat zur Folge, dass insbeson- erzielten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. dere private Wohnungseigentümer dazu neigen, Bauaufträge „schwarz“ ausführen zu lassen. Damit ältere Menschen bei leichter Pflegebedürf- tigkeit in ihrem eigenen Umfeld bleiben können und nicht in ein Pflegeheim umziehen müssen, Konkret fordert die deutsche Bauwirtschaft: bedarf es in vielen Fällen einer altersgerechten Sanierung der Wohnungen. Mit einem solchen Kräftige Wachstumsimpulse durch eine Umbau kann rund 90 % aller Pflegebedürftigen deutliche Verbesserung des Steuerbonus für ein längerer Aufenthalt in ihren eigenen vier Handwerkerleistungen. Wänden ermöglicht werden. Damit würden die Pflegeversicherung und die Sozialkassen enorm Um private Haushalte zu Investitionen anzureizen, entlastet. Um als Anreiz für altersgerechte Umbau- die der mittelständischen Bauwirtschaft zugute maßnahmen Wirkung zu entfalten, ist für den Steu- kommen, ist es erforderlich, den Steuerbonus erbonus für Handwerkerleistungen allerdings ein für Handwerkerleistungen deutlich attraktiver zu größeres Fördervolumen erforderlich als derzeit. gestalten. Ab 2009 können haushaltsnahe Dienst- Auch dies spricht dafür, die Handwerkerleistungen leistungen steuerlich verbessert abgesetzt werden in die Regelung des § 35 a Abs. 2 EStG mit einem mit 20% der Aufwendungen, max. 4.000 Euro. Wir Fördervolumen von 20.000 Euro einzuschließen. begrüßen diese Ausweitungen des Fördervolu- mens auf 20.000 Euro. Es ist jedoch nicht sachge- recht, dass Handwerkerleistungen für Ausbau-, Umstellung der Soll-Versteuerung auf eine Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen generelle Ist-Versteuerung. nicht in diesen erhöhten Förderbetrag einbezogen werden. Jahr für Jahr entgehen dem Fiskus in Folge ausufernden Betruges Umsatzsteuereinnahmen in Milliardenhöhe. Das ist möglich, weil das beste- Einbeziehung der Handwerkerleistungen in hende All-Phasen-System mit Soll-Besteuerung das erhöhte Fördervolumen des § 35 a Abs. 2 extrem betrugsanfällig ist. Diese systembedingte EStG. Betrugsanfälligkeit muss beseitigt werden. Für die baugewerblichen Unternehmen brächte Auch die Handwerkerleistungen sind in die Re- eine solche Umstellung zudem spürbare Liquidi- gelung des § 35 a Abs. 2 EStG mit einem Förder- tätsentlastungen. Denn für sie ist der Umstand volumen von 20.000 Euro mit einzubeziehen. Der besonders schmerzlich, dass die Steuerfälligkeit Steuerpflichtige sollte dann selbst entscheiden – zum Zeitpunkt der Fertigstellung – und der können, ob er den Steuerbonus für haushaltsnahe Zufluss der Zahlungen des Auftraggebers oft weit Beschäftigungsverhältnisse, Dienst-, Pflege- oder auseinanderfallen. Verschärft wird dieser system- Betreuungsleistungen oder für Handwerkerleis- bedingte Nachteil durch die schlechte Zahlungs- tungen nutzen will. Dadurch würden die privaten moral der Auftraggeber. Haushalte steuerlich entlastet, die Schwarzarbeit eingedämmt und Arbeits- und Ausbildungsplätze im Baugewerbe gesichert. Auch würden Anreize für eine altersgerechte Sanierung der Wohnung gesetzt. 12
Wohnungs- und Städtebaupolitik Ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf ar- Steuerliche Anreize für Klimaschutz und Woh- beitsintensive Bauleistungen im Wohnungsbau nungsbau schaffen. einführen; Umsetzung der EU-Richtlinie in natio- nales Recht. In Wachstumsregionen und Regionen mit erhöh- tem Bedarf, z. B. Universitätsstädten, stagniert Während die Mehrheit aller EU-Mitgliedsländer der Mietwohnungsneubau seit Jahren in hohem einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für ar- Maße. Nach der Bevölkerungs- und Haushaltspro- beitsintensive Dienstleistungen anwendet, sind in gnose des Bundesamtes für Bauwesen und Raum- Deutschland die Arbeitskosten durch die Mehr- ordnung steigt die Wohnflächennachfrage bis wertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 sogar 2020 jährlich um 0,4 % an. Allein daraus leitet sich um 3 Punkte gestiegen. Im Sommer 2008 legte ein Neubaubedarf von rund 220.000 Wohneinhei- die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag zu ten pro Jahr im Zeitraum 2007 – 2020 ab. Darüber reduzierten Mehrwertsteuersätzen vor. Darin soll hinaus besteht ein zusätzlicher Bedarf von ca. allen Mitgliedstaaten auf Dauer die Möglichkeit 150.000 Wohneinheiten pro Jahr. Der Wohnungs- gewährt werden, auf arbeitsintensive Dienstleis- neubau bewegt sich seit Jahren unter dem tat- tungen reduzierte Mehrwertsteuersätze anzu- sächlich benötigten Bedarf. Im Jahr 2007 wurden wenden. Insbesondere schlug die Kommission nur 210.700 Wohnungen fertig gestellt, in 2008 lag reduzierte Mehrwertsteuersätze für den gesamten diese Zahl sogar unter der Marke von 200.000. Wohnungsbau vor. Diesen Bestrebungen hat sich Deutschland benötigt aber mehr Wohnungen für die Bundesrepublik Deutschland bislang verschlos- ältere Menschen, Familien und Singles. sen. Die aktuelle Studie „Wohnungsmangel in Deutsch- Nachdem sich nun aber Frankreich und Deutsch- land?“ des Eduard Pestel Instituts kommt sogar zu land geeinigt haben, rückt die Verabredung der dem Ergebnis, dass bis zum Jahr 2025 bundesweit entsprechenden EU-Richtlinie in greifbare Nähe. rund 400.000 Wohnungen jährlich neu erstellt Sie muss dann noch in nationales Recht umgesetzt werden müssen. werden. Dieser Gesamtbedarf an neu gebauten Woh- nungen ergibt sich einerseits aus der demogra- fischen Entwicklung verbunden mit einer weiter steigenden Zahl von Haushalten und andererseits aus dem Umstand, dass nicht sanierungsfähige Wohnungen komplett neu gebaut werden müssen. Der sich allein aus der demografischen Entwick- lung ergebende „klassische“ Wohnungsbedarf bis 2025 liegt bei durchschnittlich 200.000 Wohnungen pro Jahr. Bis zu den Jahren 2011/2013 wird dieser Bedarf sogar auf gut 250.000 Wohnungen steigen. Hinzu kommt das Problem, dass vor allem viele der in der Nachkriegszeit errichteten Gebäude als nicht sanierungsfähig anzusehen sind. Wirt- schaftlich günstiger sind hier Abriss und Neubau. Zusammen mit älteren, nicht sanierungsfähigen Bauten ergibt sich hieraus gemäß den Berechnun- gen des Pestel Institutes ein zusätzlicher Bedarf von 150.000 bis 200.000 Wohnungen pro Jahr. Die Folgen der zunehmenden Wohnraumknappheit bekommen Menschen in Ballungsräumen wie München, Stuttgart, Köln oder Hamburg bereits zu spüren: Kaum bezahlbare Mieten, soziale Span- nungen und keine barrierefreien Wohnungen für die zunehmend ältere Bevölkerung. Politische Forderungen der deutschen Bauwirtschaft zur Bundestagswahl 2009 13
Wohnungsbedarf in Deutschland bis zum Jahr 2025 Wohnungen 500.000 400.000 300.000 200.000 175.000 100.000 0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 klassischer demografisch abgeleiteter Wohnungsbedarf qualitativer Zusatzbedarf gegenwärtige Neubautätigkeit Quelle: Eduard Pestel Institut Das Auslaufen der Eigenheimzulage in 2006 hat Um die Nachfrage nach energetischen Gebäude- zu dem dramatischen Rückgang maßgeblich sanierungsmaßnahmen deutlich zu beschleunigen, beigetragen. Die ab 2008 neu installierte Eigen- müssen die gegenwärtig geringen steuerlichen heimrenten-Förderung („Wohn-Riester“) hat bisher Anreize gezielt erhöht werden. Werden durch keinen adäquaten Ersatz im Wohnungsneubau Neubau bzw. Sanierungsmaßnahmen die Werte geliefert. Ebenso dazu beigetragen hat der Rück- der jeweils geltenden Energieeinsparverordnung gang im Mehrgeschosswohnungsbau. Der stark unterschritten oder bei Sanierungsmaßnahmen konjunkturell geprägte Mietwohnungsbau ist für erreicht, sollte dies durch eine Steuerermäßigung Investoren derzeit nicht attraktiv genug. Die steu- unterstützt werden. Auch zur Steigerung des erlichen Prämissen für den Wohnungsbau müssen Wohnungsangebots sind zusätzliche Anreize im daher dringend verbessert werden. Steuerrecht zu verankern. Deutliche CO2-Reduzierung durch Gebäude- Konkret fordert die deutsche Bauwirtschaft: sanierung. Die Abschreibungsmöglichkeiten beim Woh- Die rund 40 Millionen Wohnungen in Deutschland, nungsneubau zu verbessern. von denen wiederum rund 60 % vermietet werden, verursachen nach gesamtwirtschaftlichen Studien Der Neubau von Mietwohnungen wird durch rund 40 % des CO2-Ausstoßes, Autos im Vergleich eine Verdoppelung des Abschreibungssatzes auf hierzu nur ca. 12 %. Bleibt es bei der CO2-Gebäu- jährlich vier Prozent angeregt. Derzeit ist nur eine desanierung bei dem derzeitigen Tempo, würde Abschreibung von zwei Prozent zulässig. es in Deutschland fast 185 Jahre dauern, bis sämtliche Wohneinheiten energetisch modernisiert wären. Aus Klimaschutzgründen, aber auch ange- Klimaschutzabschreibungen einzuführen, sichts nur begrenzt vorhandener fossiler Brennstof- um energetische Optimierungs- oder Sanie- fe und drastisch steigender Energiepreise muss rungsmaßnahmen voranzutreiben. die energetische Gebäudesanierung schneller umgesetzt werden. Allein im Bereich der Heizungs- Werden beim Neubau von Mietwohnungen die und Warmwasserkosten, auf die 85 % des privaten Referenzwerte der jeweils geltenden Energieein- Energiebedarfs entfallen, könnten bis zum Jahr sparverordnung unterschritten, wird dies durch 2020 rund 50 Mrd. Euro Energiekosten eingespart eine Klimaschutzabschreibung unterstützt mit werden. Im Kampf gegen den Klimawandel jährlich acht Prozent degressiv in den ersten acht kommt deshalb der energetischen Sanierung eine Jahren. Damit wären die Abschreibungssätze große Bedeutung zu. 14
beim energiesparenden Neubau im Vergleich zum ein Nebeneinander von Bestandsmodernisierung konventionellen verdoppelt. und Neubau geben. Das betrifft neben der KfW-Förderung des ener- Energiesparmaßnahmen an Altbauten und gieeffizienten Bauens auch die finanzielle Aufsto- selbst genutztem Wohnraum durch Steuerermä- ckung und Verstetigung des neuen Programms für ßigungen initiieren. die seniorengerechte Umgestaltung der Woh- nungsbestände. Zudem ist es zielführend, die KfW- Bei selbstgenutzten Wohnungen ist eine Abschrei- Förderung mit einem speziellen Programmpunkt bung derzeit nicht möglich. Um auch Selbstnutzern für den Bestandsersatz als kombinierte Förderung einen Anreiz zu höheren energetischen Standards mit Abriss und Neubau zu erweitern. zu bieten, ist eine Steuerermäßigung geeignet in Höhe von zehn Prozent der in den Herstellungs- kosten der Wohnung enthaltenen Kosten, die zur Langfristig gilt: Riesteransatz konsequent fort Einhaltung des geforderten Energieeinsparziels führen – Selbstgenutztes Wohneigentum nach- aufgewendet werden müssen. gelagert besteuern. Bei vermieteten oder selbstgenutzten Bestands- Die politischen Rahmenbedingungen für den wohnungen schlagen wir eine Energiesparprämie privaten Wohnungsbau haben sich in den letzten in Höhe von 25 Prozent von max. 20.000 Euro Jahren deutlich verschlechtert. So hat die Ab- nachgewiesener Arbeitskosten für energetische schaffung der Eigenheimzulage zu einem heftigen Sanierungsmaßnahmen vor. Dies sollte Investiti- Einbruch im Wohnungsneubau geführt. Dass die onen z. B. in Heizungsanlagen, Warmwasserbe- selbstgenutzte Wohnung in Deutschland immer reitung, Dämmung von Dächern, Außenwänden noch mehr die Ausnahme als die Regel ist, hat und Kellern oder in den Austausch von Fenstern vor allem auch steuerliche Gründe. Anders als in umfassen. Damit könnten die selbst nutzenden vielen anderen Ländern kann der private Wohnei- Eigentümer und Vermieter von Wohngebäuden gentümer in Deutschland keine Schuldzinsen im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung ihre steuermindernd gelten machen. Alle Investitionen, Steuerschuld im Jahr der Investition um bis zu auch für die immer wichtiger werdenden energe- 5.000 Euro reduzieren. Alternativ sollte auf Antrag tischen Modernisierungen, hat er aus voll versteu- der Abzug von max. 5.000 Euro von der Steuer- ertem Einkommen zu tragen. Der Erwerb eines schuld analog § 82 b Einkommensteuer-Durchfüh- Eigenheims bleibt für viele Familien vor allem in rungsverordnung (EStDV) gleichmäßig verteilt auf den ersten Jahren eine zu große Liquiditätsbe- zwei bis fünf Jahre zugelassen werden. lastung. Auch bei größeren Investitionen in die energetische Gebäudesanierung schrecken viele Die Maßnahmen ermöglichen es, die gesteckten Hausbesitzer vor den hohen Kosten zurück, selbst Klimaziele zu erreichen. Sie lösen Investitionen im wenn sich diese Investitionen langfristig durchaus Wohnungsbau aus und schaffen gleichzeitig eine rechnen. stabile Beschäftigung bei den mittelständischen Unternehmen des deutschen Bau- und Ausbau- handwerks. Aufgrund der zu erwartenden erheb- Ein erster sinnvoller Schritt: Der „Wohnriester“. lichen Nachfrageeffekte und der damit verbunde- nen Umsatz– und Beschäftigungszuwächse kann Zwar ist mit dem „Wohnriester“ das selbstgenutz- zudem von einem sehr hohen Selbstfinanzierungs- te Wohneigentum gleichberechtigt mit anderen grad ausgegangen werden. Formen der Altersvorsorge in die Riesterförderung einbezogen worden. Da allerdings entsprechende Altersvorsorgebeträge nur bis zu einem Höchst- Erweiterung der KfW-Förderung mit einem betrag von 2.100 € pro Jahr steuerlich geltend speziellen Programmpunkt für den Bestands- gemacht werden können, hält sich die Förderung ersatz. im Vergleich zu den hohen Kosten eines Eigen- heims in engen Grenzen. Es ist auch nicht möglich, Ein erheblicher Anteil des Wohnungsbestandes mithilfe der Riesterförderung energetische Gebäu- entspricht nicht den geänderten Ansprüchen durch desanierungen in der selbstgenutzten Immobilie die demografische Entwicklung. Wenn Bestands- zu finanzieren. gebäude nur mit unverhältnismäßigen Mitteln sowohl an energetische als auch an demografi- Der im Wohnriester eingeschlagene Weg einer sche Anforderungen angepasst werden können, nachgelagerten Besteuerung privater Altersvorsor- ist es effizienter und städtebaulich sinnvoller, sie geaufwendungen ist grundsätzlich zu begrüßen. abzureißen und neu zu bauen. Insoweit muss es Die steuerliche Absetzbarkeit von Ersparnissen Politische Forderungen der deutschen Bauwirtschaft zur Bundestagswahl 2009 15
in der Erwerbsphase und ihre nachgelagerte Die Steuerminderung im Falle der Absetzung Versteuerung im Rentenalter trägt zu einer ge- beträgt unabhängig vom persönlichen Einkom- rechteren und gleichmäßigeren Besteuerung der men und der Höhe des Betrages stets 40 % des Lebenseinkommen bei. Sie lässt den Bürgern die entsprechenden Betrages. Möglichkeit, ihre Ersparnisse ungeschmälert anzu- legen und entschädigt den Finanzminister durch 3. Die abgesetzten Beträge werden einem Wohn- die spätere Versteuerung von Kapital und Zinsen. kapitalkonto gutgeschrieben und mit einem Zinssatz von 3 % fiktiv verzinst. Der sich so er- bende Gesamtbetrag ist spätestens nach Konsequente Weiterentwicklung des „Wohn- 25 Jahren mit einem für alle einheitlichen Steu- riesters“. erbetrag nachgelagert zu versteuern, etwa mit 30 %. Das selbstgenutzte Wohneigentum bietet eine hervorragende Möglichkeit, die nachgelagerte Die steuerlichen Vorteile in der Anfangsphase Besteuerung in diesem Sinne konsequent weiter fließen zum großen Teil direkt in Wohnungsinvesti- zu entwickeln. Hier sind die am Anfang hinzuneh- tionen. Dies kommt der inländischen Baukonjunk- menden Steuerausfälle vergleichsweise gering, tur, der Klimapolitik und dem Ziel der Energie- da wegen der geltenden Konsumgutlösung die ersparnis im Immobilienbereich zugute. Da das implizite Verzinsung des Eigenheims (in Form des Optionsmodell langfristige reale Investitionen und Wohnwertes) ohnehin nicht besteuert wird. Die nicht bloß kurzfristigen Konsum anregt, sind die Geldanlage in der eigenen Immobilie ist mit davon ausgehenden Wachstums- und Arbeitsplatz- unmittelbaren realen Investitionen verbunden, die wirkungen sehr viel nachhaltiger als die Wirkun- zudem ausschließlich im Inland stattfinden und zu gen eines kurzatmigen Konjunkturprogramms, das entsprechender Beschäftigung und Steuereinnah- trotz hoher Kosten erfahrungsgemäß meist rasch men führen. Vor allem für Schwellenhaushalte und verpufft. liquiditätsschwache Alteigentümer ist die anfäng- liche Entlastung in der Investitionsphase oft die einzige Möglichkeit, überhaupt Wohneigentum zu erwerben bzw. größere Investitionen in ihre Immo- bilie zu realisieren. Zudem werden die wichtigen Modernisierungsinvestitionen mit in die nachgela- gerte Besteuerung einbezogen. Konkret fordert die deutsche Bauwirtschaft: Einführung einer Wahlmöglichkeit zur steuer- lichen Geltendmachung von Investitionen in die eigengenutzte Wohnimmobilie. Private Eigentümer sollen zukünftig sowohl Ei- genkapitalbeiträge als auch Tilgungsleistungen steuerlich geltend machen können. Im Gegenzug sollen diese Investitionen in das selbstgenutzte Wohneigentum nachgelagert besteuert werden. Konkret sieht das Modell so aus: 1. Es gibt ein Wahlrecht zwischen der derzeit bestehenden Konsumgutlösung und der nach- gelagerten Besteuerung von Investitionen in selbstgenutztes Wohneigentum. 2. Wählt man das Optionsmodell, können ein- gebrachte Eigenkapitalbeträge ebenso wie Tilgungsleistungen für Fremdkapital und grö- ßere Zwischeninvestitionen noch in der glei- chen Periode steuerlich abgesetzt werden. 16
Infrastrukturpolitik Investitionen erhöhen - Arbeitsplätze schaffen. Der immense Erneuerungsbedarf der Brücken an Fernstraßen wurde erst 2008 vom BMVBS mit dem Vor dem Hintergrund der andauernden Finanz- Brückenbericht dokumentiert. Mehr als 15 % der und Wirtschaftskrise sind verstärkte Investitionen in Brücken müssen kurzfristig saniert werden. Deutschland für die weitere Entwicklung des Wirt- schaftsstandortes und damit für die Sicherung der Arbeitsplätze unabdingbar. Diese Investitionen Konkret fordert die deutsche Bauwirtschaft: sind auch deshalb unbedingt erforderlich, weil in den letzten Jahrzehnten die Infrastruktur vernach- Infrastrukturinvestitionen dauerhaft hoch lässigt wurde. Der Reparatur- und Modernisie- halten. rungsstau hat nunmehr ein Ausmaß erreicht, das sowohl den Wirtschaftsstandort Deutschland als Der Bundesverkehrswegeplan darf nicht zur Maku- auch die Lebensqualität in Deutschland bedroht. latur verkommen. Die Verkehrsinfrastrukturprojekte Die Verkehrsinfrastruktur ist genauso wie die müssen mit einem erforderlichen Mindestvolumen Bildungsinfrastruktur in einem miserablen Zustand. von 11,5 Mrd. Euro jährlich finanziert und gebaut Marode Straßen, baufällige Schulen, Kindergärten werden. und Universitäten, gesperrte Turnhallen und brü- chige Abwasseranlagen kennzeichnen die Lage. Bauausgaben der öffentlichen Auftraggeber 1992 = 100 % 120,0% 110,0% 98,4% 100,0% 90,0% 76,6% 80,0% 70,0% 60,0% 57,9% 50,0% 40,0% 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Bund Länder Gemeinden Das Deutsche Institut für Urbanistik bezifferte in Durch die zusätzlichen Investitionen aufgrund der einer im Sommer 2008 veröffentlichten Studie den Konjunkturpakete I und II erreichen die Investiti- Investitionsbedarf allein im Bereich kommunaler onen in die Bundesfernstraßen vergleichsweise Straßen, Ver- und Entsorgungseinrichtungen, Schu- ein „Rekordniveau“ von über 6 Mrd. Euro. Nach len und sonstigen kommunalen Einrichtungen für Auslaufen der Konjunkturmaßnahmen ist im Bun- die Jahre 2006 - 2020 auf mehr als 700 Mrd. Euro. deshaushalt 2011 dafür Sorge zu tragen, dass die Investitionen weiterhin auf diesem hohen Niveau Aufgrund weiter steigender Verkehrsbelastungen verbleiben. auf allen Netzebenen und dem damit verbun- denen verstärkten Verschleiß kommt dem Erhalt Das Missverhältnis zwischen dem Aufkommen aus und dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur eine der Mineralöl- und Kraftfahrzeugsteuer und den zentrale Bedeutung zu. Die Funktionsfähigkeit der tatsächlichen Investitionen im Straßenbau muss Netze ist Voraussetzung für die Entwicklung von zugunsten höherer Investitionen aufgelöst werden. Wirtschaft und Gesellschaft. Politische Forderungen der deutschen Bauwirtschaft zur Bundestagswahl 2009 17
Maut-Einnahmen zusätzlich für Verkehrsin- Einnahmen resultieren derzeit nur zu 25 % (neue frastrukturmaßnahmen einsetzen. Länder) bzw. 50 % (alte Länder) aus Steuern und Gebühren. Einen Schwerpunkt der Infrastrukturinvestitionen bildet auch künftig der Verkehrswegebau. Daher Finanzierungsnöte bei den laufenden Ausgaben sind die Mittel aus dem Aufkommen der LKW- werden allzu oft durch Kürzung der Investitionsaus- Maut strikt zweckgebunden für den Ausbau des gaben überwunden. Notwendige Baumaßnahmen Straßennetzes zu verwenden. bleiben auf der Strecke, und der Verfall öffentli- cher Bauwerke nimmt in rasantem Maße zu. Die Maut-Einnahmen sollten ursprünglich zusätzlich zu den ohnehin geplanten Investitionsmitteln ein- Der kommunale Investitionsbedarf bis 2020 liegt gesetzt werden. Die seit mehreren Jahren geübte bei über 700 Mrd. Euro. Diese Zahl macht deut- Praxis zeigt jedoch, dass das Gegenteil der Fall lich, wo die Probleme in der öffentlichen Infra- ist: Die Einnahmen aus der LKW-Maut dienen als struktur liegen. Ersatz für die anfänglich geplanten Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Das Investitionsvolumen Die baulichen Missstände im Bereich von Kranken- ist dadurch nur geringfügig erhöht worden. häusern, Altenpflegeeinrichtungen, Bädern und anderen öffentlichen Gebäuden müssen beseitigt werden, bevor die Substanz größeren Schaden Investitionsspielräume ausschöpfen. nimmt. Hierbei sind die öffentlichen Gebäude im Hinblick auf die klimaschutzpolitischen Ziele der Der Vollzug der vom Deutschen Bundestag Bundesregierung entsprechend den Vorgaben beschlossenen Haushalte muss stärker kontrol- der Energieeinsparverordnung auch energetisch liert werden. Es muss von den verantwortlichen zu modernisieren, da dem Staat eine Vorbildfunkti- Ministerien und Behörden verhindert werden, dass on für die privaten Gebäudeeigentümer zukommt. der Deutsche Bundestag Investitionsmaßnahmen beschließt und dafür Finanzmittel bereitstellt, die- Daher müssen die kommunalen Investitionen auch se Investitionen jedoch nicht umgesetzt werden. nach Auslaufen der konjunkturstützenden Maßnah- men auf hohem Niveau gehalten werden. Investitionen besser managen! Kommunale Investitionstätigkeit verste- Wenn Investitionsmittel nicht ausgeschöpft wer- tigen! den, ist es die Aufgabe eines professionellen Haushaltsmanagements, brachliegende Inves- Die Bemühungen für eine ganzjährig kontinuier- titionsmittel in andere investive Verwendungen liche Beschäftigung in der Bauwirtschaft wurden umzuschichten. in der Vergangenheit durch die Praxis der Kom- munen erschwert, Investitionen jeweils erst im Statt freie Investitionsmittel zur Behebung von zweiten Halbjahr umzusetzen. Wir fordern daher, Mängeln in der Infrastruktur zu nutzen, werden eine kontinuierliche Investitionstätigkeit über das diese zur Finanzierung der Haushaltslücke zurück- ganze Jahr hinweg durch eine Vereinfachung des gegeben. Freie Investitionsmittel müssen stattdes- Zuwendungsverfahrens sowie die Nutzung von sen dazu genutzt werden, andere Investitionspro- Doppelhaushalten und Verpflichtungsermächtigun- jekte vorzuziehen. gen zu sichern. Die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft ist zu einer Managementgesellschaft auszubau- In den Bildungsbereich investieren. en, um die gegenseitige Deckungsfähigkeit von Haushaltstiteln und die Übertragbarkeit in andere In den Kindergärten, Schulen und Hochschulen Haushaltsjahre sicher zu stellen. müssen die baulichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bildungsarbeit geschaffen werden. Neben einer maroden Bausubstanz und untragba- Kommunale Investitionen sichern - ren sanitären Zuständen genügt oftmals auch die Infrastruktur erhalten. Gebäudeausstattung nicht den pädagogischen Anforderungen. Der Investitionsbedarf summiert Die Kommunen geben etwa 60 % der öffentlichen sich laut DiFu-Studie in den kommenden 15 Jahren Baumaßnahmen in Auftrag. Sie sind in beträchtli- allein im Schulbereich bundesweit auf 73 Mrd. €. chem Umfang auf die Zuweisung von Bundes- und Sofern die Bauaufgaben in Form Öffentlich-Pri- Landesmitteln angewiesen, denn ihre eigenen vater-Partnerschaften (ÖPP) vergeben werden, 18
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