Porsche Engineering Magazin - DIE NEUE ZEIT Engineering auf dem Weg in die Zukunft
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22 Fahrwerkabsicherung der Zukunft Entwicklungen in und für China Nachhaltigkeit im Nardò Technical Center www.porsche-engineering.de 02 Magazin Engineering auf dem Weg in die Zukunft DIE NEUE ZEIT Porsche Engineering
Wir haben ihn entwickelt. Sie erwecken ihn zum Leben. Der neue Taycan GTS. Soul, electrified. Stromverbrauch kombiniert in kWh/100 km: 25,9 (NEFZ); 23,3–20,3 (WLTP); CO₂-Emissionen kombiniert in g/km: 0 (NEFZ); 0 (WLTP); elektrische Reichweite in km: 439–504 (WLTP) · 539–625 (WLTP innerorts)
EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, als Doktorand habe ich Ende der 1980er-Jahre eine neue Welt aus Mechatronik und Software kennengelernt. Die neuen Technologien und die Konzeption eines HiL-Prüfstands für meine Dissertation haben mich als jungen Maschinenbau-Ingenieur sehr bereichert. Die rasanten Entwicklungen in der Elektronik waren nicht nur für mich persönlich eine wichtige Erfahrung – sie führten auch zu einem großen Sprung für die gesamte Automobilindustrie. Heute stehen wir wieder vor einem Sprung, der von Technologien wie Cloud, Künstlicher Intelligenz und Big Data vorangetrieben wird. Wir müssen darum neue Kompetenzen aufbauen und Prozesse transformieren. Die Titelstrecke dieser Magazinausgabe zeigt, wie wir zum Beispiel die Fahrwerkentwicklung an die Anforderungen der neuen Zeit anpassen. Auch für die Messdatenauswertung nutzen wir neueste IT-Technologien, um Prozesse zu beschleunigen. Neben sprunghaften technologischen Entwicklungen prägt auch China das Engineering der Zukunft. Insbesondere bei d igitalen Innovationen hat das Land ein eigenes Ökosystem aufgebaut. Entwicklungen für China können vor Ort ideal durchgeführt werden, denn nur dann sind die Ingenieure nahe genug am Markt und an den Kunden, um „chinaspezifische Funktionen“ zu entwickeln. Mit unse- rem Standort in Shanghai sind wir dafür sehr gut aufgestellt. Ein weiterer Trend prägt unsere Arbeit: Nachhaltigkeit. Darum be- richten wir in dieser Ausgabe darüber, wie sich das N ardò Technical Center in den Bereichen Nachhaltigkeit, Umweltschutz und gesell- schaftliche Verantwortung engagiert. Dr. Peter Schäfer Neue Technologien, Klimawandel, branchenspezifische und geo Geschäftsführer von Porsche Engineering politische Veränderungen: Uns stehen in den nächsten Jahren große Veränderungen bevor. Als Technologiepartner für die Entwicklung der intelligenten und vernetzten Fahrzeuge der Zukunft sehen wir darin trotz aller Unwägbarkeiten vor allem große Chancen – wenn wir die Weichen richtig stellen, Kurs halten und bei Bedarf auch schnell umsteuern. Wir müssen eine kluge Vorgehensweise erarbeiten und operativ flexibel sein. Dann wird dieser Sprung wieder eine Bereiche- rung für uns alle sein. Auch unser Magazin verändert sich: Wir haben nicht nur die Optik etwas überarbeitet, sondern bieten Ihnen noch mehr Informationen zu spannenden Technologiethemen und darüber hinaus – selbstver- ständlich nach wie vor mit dem gewohnten Tiefgang. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen! Ihr Peter Schäfer ÜBER PORSCHE ENGINEERING: Die Porsche Engineering Group GmbH ist internationaler Technologiepartner der Automobilindustrie. Die Tochter gesellschaft der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG entwickelt für ihre Kunden das intelligente und vernetzte Fahrzeug der Zukunft – inklusive Funktionen und Software. Etwa 1.500 Ingenieure und Software-Entwickler widmen sich neuesten Technologien, etwa in den Feldern hochautomatisierte Fahrfunktionen, E-Mobilität und Hochvoltsysteme, Konnektivität und Künstliche Intelligenz. Sie führen die Tradition des 1931 gegründeten Konstruktionsbüros von Ferdinand Porsche fort und entwickeln die digitalen Fahrzeugtechnologien von morgen. Dabei kombinieren sie tiefgreifende Fahrzeugexpertise mit Digital- und Software-Kompetenz. PORSCHE ENGINEERING MAGAZIN 2/2022 3
Intelligente Technik: Fabian Pfitz (links) 12 und Max Schäfer wollen einen automatischen Fahrdynamikregler für Dauerlauf- untersuchungen von Fahrwerken einsetzen. Windschnittig: Fahrzeughersteller optimieren permanent die Aerodynamik ihrer Modelle. Die E-Mobilität hilft ihnen dabei. 28 TITEL: PERFORMANCE INHALT ENGINEERING AUF DEM WEG IN DIE ZUKUNFT UND EXPERTISE 02/2022 12 Digital zum perfekten Mix 36 In China, für China Porsche Engineering etabliert neue auto- Der chinesische Automobilmarkt stellt matisierte und digitale Methoden für die besondere Anforderungen an die Technik Fahrwerkentwicklung. der Fahrzeuge. Darum baut Porsche Engineering seine Präsenz vor Ort kon- 18 tinuierlich aus: Rund 130 Mitarbeiter Out of the ComBox entwickeln, testen und validieren China- Der Porsche Engineering Data Service spezifische Funktionen für das intelligente vereinfacht die drahtlose Bereitstellung von und vernetzte Fahrzeug. Messdaten nach einer Erprobungsfahrt und ermöglicht ihre schnelle Auswertung. 44 Im Einklang mit der Natur 24 Nachhaltigkeit hat für das Nardò Technical PORSCHE Mit Wasserstoff über die Nordschleife Center in Apulien viele Facetten. Entspre- ENGINEERING Porsche Engineering hat im Rahmen einer chend vielfältig ist die Palette der Maß- D I G I TA L Studie einen Wasserstoffmotor mit Emissi- nahmen – vom Klimaschutz über regionale onen auf Umgebungsluftniveau simuliert. Bildungskooperationen bis hin zum ehren 28 amtlichen Engagement der Mitarbeiter. Wind of Change Fahrzeuge machen gerade einen Sprung beim cw-Wert. Aktive Aerodynamik-Maß- nahmen und neue Entwicklungsmethoden versprechen weitere Verbesserungen. 4
I N H A LT Nachhaltigkeit im Fokus: Das Nardò Technical Center übernimmt Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft. 44 Besondere Herausforderung: Wegen landes- spezifischer Rahmenbedingungen müssen viele Fahrzeug- funktionen vor Ort in China entwickelt werden. 36 TRENDS PORSCHE RUBRIKEN UND UND 03 Editorial TECHNOLOGIEN PRODUKT 06 Meldungen 10 Auf den Punkt. 50 56 34 Noch Fragen? Überirdische Funkmasten Back to the Future 62 Nach gedacht Satelliten könnten bei der Vernetzung von Mit dem neuen 911 Sport Classic lässt 64 Rückblick Fahrzeugen künftig eine wichtige Rolle Porsche den Stil der 60er- und frühen 65 Impressum spielen. Erste OEMs denken darum bereits 70er-Jahre wiederaufleben. über Kooperationen oder eigene Satelliten flotten nach. 54 Der große Sprung Welche technischen Innovationen bringen menschlichen Fortschritt? Und wie gelingt es, radikal bessere Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit zu finden? MITWIRKENDE Das ist Thema im Gastbeitrag von Rafael Laguna de la Vera und Thomas Ramge. Dan Matutina Constantin Gillies Mattia Balsamini ist Illustrator mit Sitz auf ist Wirtschafts- und ist Fotograf und stark an den Philippinen. Er hat Technikjournalist sowie Technologie interessiert. Zu schon für Apple, Google und erfolgreicher Romanautor seinen Kunden gehören das Wired gearbeitet. aus Bonn. MIT und die NASA. PORSCHE ENGINEERING MAGAZIN 2/2022 5
MELDUNGEN Die Taycan Sport Limousinen Verbrauchsangaben nach NEFZ: Verbrauchsangaben nach WLTP: Stromverbrauch kombiniert: 02/2022 24,7–20,2 kWh/100 km Stromverbrauch kombiniert: 27,4–26,0 kWh/100 km CO₂-Emissionen kombiniert: 0 g/km CO₂-Emissionen kombiniert: 0 g/km Stand 06/2022 5G ermöglicht in Nardò fortschrittliche Fahrzeugtests, Vernetzung und neue digitale Dienste für Fahrzeuge. 6
MELDUNGEN Jubiläum und Mobilfunk-Ausbau in Nardò NTC: 10 JAHRE MIT PORSCHE UND START EINES EIGENEN 5G NETZ Das Nardò Technical Center (NTC), im Besitz von Porsche und betrieben von P orsche Engineering, feiert den zehnten Jahrestag des Erwerbs durch den Sportwagenhersteller im Jahr 2012. Seitdem hat es sich von einem Erprobungsgelände mit spezifischen Stre- cken und Einrichtungen in ein integriertes Zentrum für Hochleistungstests, Validierung und die Entwicklung von intelligenten und vernetzten Fahrzeugen verwandelt. „Der Erwerb des Nardò Technical Center durch Porsche im Jahr 2012 war für den gesam- ten Porsche Konzern eine wichtige Bereicherung“, sagt M ichael Steiner, Mitglied des Vorstandes Forschung und Entwicklung und Vorsitzender des Gesellschafterausschus- ses von P orsche Engineering. Seit 2012 wurde in Nardò in die Modernisierung und die Das NTC in Zahlen technologische Weiterentwicklung der Infrastruktur investiert. Auf dem gesamten Test- gelände wurden Hochleistungs-Ladestationen eingerichtet, um bessere Voraussetzun- gen für Elektrofahrzeuge zu schaffen. Zudem sind die Ingenieure in Nardò in das globale Innovations- und Entwicklungsnetzwerk der Porsche Engineering-Gruppe integriert, Die Zahl der Mitarbeiter 50 was einen nahtlosen Übergang zwischen Entwicklung, virtueller Simulation und realen stieg um mehr als Tests ermöglicht. Die neueste Errungenschaft des NTC ist ein eigenes 5G-Mobilfunknetz. Die Installati- on von acht Antennen an der Außenseite des Hochgeschwindigkeitsrings garantieren 5G-Geschwindigkeit auf dem neuesten Stand der Technik sowie die sichere Übertra- gung von Daten zwischen Fahrzeugen, Infrastruktur und digitalen Geräten. Dadurch kann das NTC sein Dienstleistungsangebot in den Bereichen Vernetzung, Digitalisierung Prozent in den vergangenen zehn Jahren. und Tests der nächsten Generation erweitern. „Die durch 5G ermöglichte Echtzeitfähig- Heute sind es über 160. keit ist eine wesentliche Voraussetzung für künftige Tests fortgeschrittener autonomer Fahrfunktionen“, sagt NTC-Geschäftsführer Antonio Gratis. In einigen Jahren soll die „Smart City Emulation“ Teil des Servicepakets sein. Dahinter verbirgt sich eine Stadt mit beweglichen Häusern und Verkehrsschildern, in der urbane Szenarien für den Test fortschrittlicher Fahrerassistenzsysteme aufgebaut werden können. Das NTC hat eine Fläche von über 700 Hektar. Mehr als 20 Teststrecken gibt es auf dem Gelände. Komplett vernetzt: Es wurden neue Strecken und eine zusätzliche Infrastruktur einge- richtet, um das intelligente und vernetzte Fahrzeug zu erproben. PORSCHE ENGINEERING MAGAZIN 2/2022 7
MELDUNGEN Neuigkeiten aus China FÜHRUNGSWECHSEL BEI PORSCHE ENGINEERING CHINA Uwe Pichler-Necek wird zum 1. Juli die Position des G eschäftsführers von P orsche E ngineering China übernehmen. Er folgt auf Kurt S chwaiger, der die chinesischen Aktivitäten des Unternehmens seit 2015 verant- wortet hat. „Mit seiner breiten Führungserfahrung vor Ort in neuen und klassischen Fahrzeugtechnologien bringt Uwe Pichler-Necek die idea- len Voraussetzungen für diese anspruchsvolle Aufgabe mit“, sagt P eter Schäfer, Geschäftsführer von P orsche E ngineering und Vorsitzender des Beirats der chinesischen Tochtergesellschaft. Pichler-Necek verantwor- tete zuletzt die Entwicklungsaktivitäten von FEV China als Executive Vice President Engineering. Kurt Schwaiger kehrt nach mehr als sechs Jahren als Geschäftsführer von Porsche E ngineering in China nach Deutschland zurück und geht in den Ruhestand. „Er hat den Standort in Shanghai er- folgreich aufgebaut, technologisch erweitert und entschieden ausgebaut“, so Schäfer. „Heute haben wir eine erstklassige Entwicklungsmannschaft vor Ort, die den komplexen chinesischen Markt im Detail kennt und China- spezifische Lösungen für P orsche und weitere OEMs entwickelt.“ Wechsel im Management: Uwe Pichler-Necek (großes Bild) wird zum 1. Juli Geschäftsführer von Porsche Engineering China. Er löst Kurt S chwaiger ab, der in den Ruhestand geht. 8
„Porsche verkörpert Big-Wave-Surfen wie kaum ein anderes Unternehmen, dass DEN SURFSPORT AUF EIN Träume dann erreichbar sind, wenn man kon- NEUES LEVEL HEBEN sequent und akribisch Der amtierende Big-Wave-Surf-Weltmeister Sebastian Steudtner und Porsche gehen eine genug daran arbeitet.“ langfristige Partnerschaft ein. Um den Surfsport auf ein neues Level zu heben, arbeitet S teudtner unter anderem mit Porsche E ngineering zusammen. Gemeinsam mit wissenschaftlichen Instituten Sebastian Steudtner wollen die Partner das Wissen aus dem Automotive Engineering auf die Entwicklung leistungs Big Wave Surfer fähigerer Surfboards übertragen. Auf Basis neuester Simulationsmethoden und Windkanal- Validierungen sollen beispielsweise das Verhalten des Surfboards im Wasser sowie die Aerodyna- mik von Board und Surfer weiter optimiert werden. „Unsere Erfahrungen in der S trömungs- und Strukturoptimierung bringen wir mit der praktischen Expertise des weltweit bekannten Surfers Sebastian Steudtner zusammen – um ein optimiertes Board für das Surfen besonders hoher Wel- len zu entwickeln“, sagt M arcus Schmelz, Projektleiter bei Porsche E ngineering. S teudtner ergänzt: „Ich bin stolz und freue mich sehr, Porsche als langfristigen Partner gewonnen zu haben. Neben der technologischen Kompetenz und dem im Unternehmen etablierten Innovationsgeist fasziniert mich vor allem eines: Porsche verkörpert wie kaum ein anderes Unternehmen, dass Träume dann Die Taycan Sport Limousinen erreichbar sind, wenn man konsequent und akribisch genug daran arbeitet.“ Verbrauchsangaben nach NEFZ: Stromverbrauch kombiniert: 27,4–26,0 kWh/100 km orsche Engineering blickt auf eine langjährige Erfahrung in der Entwicklung hochleistungsfähi- P CO₂-Emissionen kombiniert: 0 g/km ger Sportgeräte zurück. So entwickelte das Unternehmen bereits einen Wettbewerbsschlitten Verbrauchsangaben nach WLTP: Stromverbrauch kombiniert: 24,7–20,2 kWh/100 km für den Rennrodler G eorg Hackl, bei dem er während der Fahrt die Dämpfung verändern und so CO₂-Emissionen kombiniert: 0 g/km eine höhere Kurvengeschwindigkeit erzielen konnte. Das Ergebnis war eine Silbermedaille bei den Stand 06/2022 Olympischen Winterspielen in Salt Lake City (USA) im Jahr 2002. PORSCHE ENGINEERING MAGAZIN 2/2022 9
A U F D E N P U N K T. SAE-STUFEN Fahrerlos ans Ziel AUF DEN PUNKT. Neue Technologien treiben die Entwicklung der Automobilindustrie voran. In dieser Rubrik erklären wir „auf den Punkt“, was derzeit besonders aktuell ist. Die Weiterentwicklung von Fahrerassistenzsystemen macht große Fortschritte – und wird bald neue Märkte für autonome Transportlösungen eröffnen. Wir erklären, was das mit den Automatisierungsstufen nach SAE zu tun hat. H RLIC 2 RDE R ER FO E - S T UFE RUNG AHR E SA ATISIE CH F OM NG D UR AU T mmt die WA C HU TEIL erni m üb rung in e . inem e ÜBE R FE 1 y s t Das S d Querfü dungsfa A) h ll E - S T U TEME n n S A YS s- u n w e t C ( A ENZ S Läng nierten A ise Assis e AS SIS T mt d ie nim g in fi de tive C p r u lswe ispie rung. is über A d a b e tem erführun gsfall. t Der mbinier uerfüh sind FE 0 S y s u ko - und Q teme STU Das oder Q wendun ) SAE- AHRER ys s s- Läng nierten A ntrol (AC n C Läng evel-2-S in Serie. F o e L r e n NUR e fi C nd h h hrer d se einem tive Crui assisten eme. t si Solc inigen Ja es Fa nd ktiv. seit e r e i fe Adap purhalte l-1-Syst ig eing system a s- und e Ke i n tenz Läng und S e für Lev eschwind assis st für die ortlich. e i s p iel d i e G e in die B i n s ahr e r i vera nt w er ein reifen swei beide Der F führung mera od ren Sie g eziehung r nicht in sind b keit in – ab Systeme e. e Quer ckfahrk a tent gehö e Rü sis ang ung e el-1- Seri Eine chselas d schon l n Lenk itig. Lev Jahren in r w e s in ke hze 0 Spu fe 0 und eschrä gen. b n gleic ehr als 2 u S t u e i d e An zei seit m z rie. B auf in Se chließlich sich au s s 2 1 0 F ahrerassistenzsysteme erleichtern das Reisen und haben sich in den vergangenen Jahren schnell weiterentwickelt. Tempomat und Spurhalteassistent gehören zu den bekanntesten Beispielen. In wenigen Jahren dürften neue Systeme wie beispielsweise Text: Christian Buck das automatische Einparken in Parkhäusern Illustration: Benedikt Rugar hinzukommen. 10
LICH OR DER ER ERF HF AHR D URC FE 5 CH UNG A E - S T U IERUNG BE R WA S ATIS AF TE Ü A U TO M U ERH VO LL E DA 4 KEIN E - S T UFE ERUNG SA TISI U T OM A HO CHA FE 3 A E - STU S E INGT BED SIERUNG I 5 MAT A U TO ie mt d ü b ernim Quer ystem - und n Das S tte Längs ftretende le a u 4 m p n e r ko g in alle rend d n äh in führu tionen w . Es ist ke r i t u a h r t rd e S Fa erfo e s a mten Fahrers eme g des he Syst en, rten eifen lc rd efinie Ein- Eingr Wann so men we e s d c h . k o m r ahme n d ist kein h. li arkt ur schwe Im R ngsfalles erforderl d ic en M n u auf d t derzeit en. n d e r s n nu is zu sa g 3 Anwe des Fahr inparke zten f e n s E grei atisier te n in beg r re n t o m h r e l e f ü Au mes Fa Beispie u t o no n sind e . a ete stem fall Gebi vel-4-Sy al s Rück Le dien t rh alb r Fa hrer uss inne panne De e. Er m n Zeits s eben egebene e über da vorg l onst nt r o l einer er die Ko ehmen. S eug z wied ug übern das Fahr d ze m un Fahr as Syste Zustand td en em bring en sicher eise auf d n e in e l sw n . i eispi ifen a hält b eitenstre S Systeme auf SAE-Stufe 4 befinden sich ge rade in der Entwicklung. Sie werden nicht nur das Fahren weiter erleichtern, sondern auch neue Märkte eröffnen: Ab SAE-Stufe 4 lassen ist das auf den Stufen 3, 4 und 5 nicht mehr sich innovative Dienste wie Mobility as a erforderlich. Sie sind in der Lage, das Fahr Service (MaaS) und Transport as a Service zeug von Stufe zu Stufe in immer größerem (TaaS) fahrerlos umsetzen. Dabei werden Die Technikorganisation SAE hat verschie Umfang ohne menschlichen Eingriff ans Ziel Menschen beziehungsweise Güter von auto dene Stufen („SAE-Level“) definiert, um zu bringen. nomen Fahrzeugen ans Ziel gebracht. Pakete Fahrerassistenzsysteme nach ihrer Leis Im Zusammenhang mit Fahrerassistenz ließen sich dann beispielsweise auf den tungsfähigkeit zu klassifizieren. SAE-Stufe 0 systemen unterscheidet man auch zwischen letzten Metern von Robotern oder Drohnen beschreibt ein Auto, in dem der Fahrer für „automatisiert“ und „autonom“. Bei auto bis zur Haustür oder ans Fenster liefern. alles verantwortlich ist und allenfalls von matisierten Fahrfunktionen aktiviert der Das erfordert aber neue Apps und Back anzeigenden Funktionen unterstützt wird. Fahrer auf Wunsch das System und muss es end-Lösungen in der Cloud. Denn Funktionen Erste Eingriffe in die Längs- oder Quer nicht dauerhaft überwachen. Er wird somit wie das Bestellen oder Bezahlen der Services führung durch die Technik erfolgen auf SAE- entlastet und in bestimmten Fällen recht müssen per Software abgewickelt werden, Stufe 1. Systeme auf SAE-Stufe 2 können zeitig zur Übernahme der Fahraufgabe auf zudem muss man die Flotten aus intelli sowohl in die Längs- als auch in die Quer gefordert. Das entspricht der SAE-Stufe 3. genten und vernetzten Level-4-Fahrzeugen führung eingreifen. Beim autonomen, fahrerlosen Fahren muss koordinieren und zu ihren Kunden dirigieren. Der Sprung von SAE-Stufe 2 auf SAE- kein Fahrer das System mehr überwachen. Porsche E ngineering beschäftigt sich intensiv Stufe 3 markiert einen wichtigen Übergang: Fahren auf verschiedenen Strecken ist ohne mit diesen Themen und will seinen Kunden in Während der Fahrer auf den Stufen 0, 1 und Fahrereingriff möglich. Das entspricht den Zukunft die Entwicklung sowie die Absiche 2 die Systeme jederzeit überwachen muss, SAE-Stufen 4 und 5. rung solcher Systeme anbieten. ������ ● PORSCHE ENGINEERING MAGAZIN 2/2022 11
TITEL FAHRWERK- ABSICHERUNG DER ZUKUNFT Automatisierung: Fabian Pfitz (links) und Max Schäfer nutzen einen modell basierten Fahrdynamikregler, der eine vorgegebene Trajektorie abfährt. 12
TITEL FA H R W E R K A B S I C H E R U N G D E R Z U K U N F T Virtualisierung: Die Fahrwerkentwicklung verschiebt sich immer mehr vom realen Versuch in den digitalen Datenraum. DIGITAL ZUM PERFEKTEN MIX Durch immer mehr elektronische Regelungsfunktionen, neue Fahrerassistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen sowie die weiter fortschreitende Systemvernetzung nimmt der Applikations- und Absicherungsaufwand auch im Fahrwerk weiter zu. Um Entwicklungsprojekte mit hoher Effizienz umsetzen zu können, etabliert P orsche Engineering neue automatisierte und digitale Entwicklungsmethoden. Text: Richard Backhaus Fotos: Annette Cardinale PORSCHE ENGINEERING MAGAZIN 2/2022 13
TITEL FA H R W E R K A B S I C H E R U N G D E R Z U K U N F T Teamarbeit: Tim Wright, Eva-Verena Ziegahn, Moritz Markofsky und Martin Reichenecker (von links) nutzen immer mehr fortschrittliche digitale Entwicklungsmethoden. K omfortabel und ökonomisch oder agil und dynamisch? Bei der Auslegung heutiger Fahrwerk systeme stellt sich diese Frage nicht, denn moderne schleifen – und stoßen zunehmend sowohl beim zeitli chen Aufwand als auch bei den Kosten an ihre Grenzen.“ Fahrzeuge sollen alle Anforderungen auf einmal AUTOMATISIERTE TESTFAHRTEN erfüllen. Fahrwerkentwickler müssen daher denjeni gen Abstimmungsmix finden, der dem Fahrzeug das Um die Integration neuer Fahrwerkfunktionen weiter gewünschte Fahrverhalten verleiht. Aufgrund der hin mit hoher Effizienz umsetzen zu können, setzt Fülle an Parametern und Stellgrößen absolvieren neue Porsche E ngineering auf fortschrittliche digitale Ent Fahrzeuge auf dem Weg zur Serienreife mitunter Milli „Für die Applikation wicklungsmethoden. Der erste Schritt ist die Automa onen von Testkilometern. und Absicherung tisierung der Versuchsfahrten mit Prototypfahrzeugen Hinzu kommen die immer größere Anzahl an elek steht immer auf der Teststrecke. „Bei Fahrversuchen mit großer tronischen Regelungsfunktionen, Fahrerassistenz physischer Belastung für die Testfahrer übernimmt systemen und automatisierten Fahrfunktionen sowie die weniger Zeit zur dabei ein Fahrdynamikregler die Fahrzeugsteuerung“, weiter fortschreitende elektronische Systemvernetzung Verfügung.“ erklärt Martin Reichenecker, Leiter der Fachdisziplin im Fahrzeug. „Sie erhöhen den Entwicklungsaufwand Fahrwerk-Versuch bei Porsche Engineering. „Dazu zusätzlich, während gleichzeitig für die Applikation und Eva-Verena Ziegahn entwickeln wir im Rahmen eines Projekts eine modell Absicherung immer weniger Zeit zur Verfügung steht“, Leiterin Fachdisziplin basierte Längs- und Querdynamikregelung für die Fahrwerk-Systeme sagt Eva-Verena Ziegahn, Leiterin der Fachdisziplin bei Porsche Engineering automatisierten Testläufe.“ Fahrwerk-Systeme bei Porsche Engineering. „Klassische Zur Vorbereitung einer Versuchsreihe fährt ein Arbeitsmethoden umfassen zahlreiche Entwicklungs Fahrer die Strecke zunächst ab, wobei Fahrzeugda 14
ten wie die Geschwindigkeit und die Beschleunigung zusammen mit den GPS-Daten aufgezeichnet werden. Diese Referenztrajektorie gibt dem Fahrdynamik regler bei den folgenden Testfahrten dann den Pfad vor. „Dabei blickt das System etwa eine Sekunde in „Bei Fahrversuchen mit großer die Zukunft und prognostiziert anhand der aktuel- len Position, Geschwindigkeit und Ausrichtung des physischer Belastung Fahrzeugs, wie Lenkung sowie Brems- und Gaspedal eingestellt werden müssen, um weiterhin auf der vor- für die Testfahrer übernimmt ein gegebenen Trajektorie zu bleiben“, erklärt Fabian Pfitz, Entwicklungsingenieur Fahrwerk-Systeme bei Porsche Fahrdynamikregler Engineering. Das ist der entscheidende Unterschied zu herkömmlichen nicht-modellbasierten Fahrdynamik die Fahrzeugsteuerung.“ reglern, die nur Regelungsfehler kompensieren und die Martin Reichenecker Fahrzeugführung nicht prädiktiv berechnen können. Leiter Fachdisziplin Fahrwerk-Versuch bei Porsche Engineering Künftig sollen sich so auch anspruchsvolle Fahr- versuche mit hoher Dynamik automatisiert ausführen lassen. Die Beherrschung solcher Fahrzustände ist anspruchsvoll, da für die Lenk- und Bremsbefehle nur einzelnen Systemen im Gesamtfahrzeug allerdings sehr wenig Reaktionszeit bleibt. „Derzeit optimieren unberücksichtigt. „Das kann zu gegenseitigen Störun- wir die Programmierung des Fahrdynamikreglers, gen führen, die erst in den nachgelagerten Fahrtests damit er auch diese Aufgaben erfüllen kann. Dafür zutage treten und dann nur noch mit großem Aufwand nutzen wir Methoden der künstlichen Intelligenz, um zu beheben sind“, erklärt Tim Wright, Entwicklungs die Prognosefähigkeit und damit die Genauigkeit des ingenieur Fahrdynamiksimulation bei Porsche Reglers zu verbessern“, sagt Pfitz. Engineering. „Wir haben ein Prüfstandskonzept entwi- Der Vorteil automatisierter Fahrtests zeigt sich bei- ckelt, bei dem wir die Funktionen und Systeme in ein spielsweise bei Dauerlaufuntersuchungen, bei denen virtuelles Gesamtfahrzeug einbinden und in einer ge- Testfahrer permanent hohen physischen Belastungen, schlossenen Regelschleife laufen lassen. Wie im realen etwa aufgrund des vorgegebenen Fahrprofils auf Fahrzeug kommunizieren die elektronischen Steuerge- Schlechtwegstrecken, ausgesetzt sind. „Die Arbeiten räte dabei über den Datenbus miteinander. Probleme an der modellbasierten Fahrdynamikreglung sind so können so leicht identifiziert und abgestellt werden.“ weit fortgeschritten, dass sie voraussichtlich schon Die Besonderheit der Lösung von Porsche Enginee- bald für Dauerlaufuntersuchungen bei Kundenentwick- ring ist die Echtzeitdarstellung des realen Fahrverhal- lungsprojekten eingesetzt werden kann“, erklärt Max tens. Wenn beispielsweise beim Test der Spurhalte Schäfer, Doktorand bei Porsche Engineering. Künftig assistent in die Lenkung eingreift, spürt der Fahrer diese wird der modellbasierte Fahrdynamikregler beispiels- Kräfte wie im Fahrzeug unmittelbar am Lenkrad. Ein an- weise auf der Teststrecke des Nardò Technical Center deres Beispiel ist die Wirkung des Stabilitätsprogramms. (NTC) verwendet, um hochdynamische Fahrtests Hier nimmt der Fahrer die dynamischen Änderungen automatisiert auszuführen. optisch über den Simulationsbildschirm wahr. „Erst das macht den Test realistisch und ist die Voraussetzung für VIRTUELLES GESAMTFAHRZEUG virtuelle Applikationen, bei denen die Funktionen auf den IM SIMULATOR Fahrer zugeschnitten werden“, so Wright. Die Testszenarien werden entweder vorab von Grundsätzliche Herausforderungen bei realen Fahr einem Testfahrzeug mit einer Kamera aufgezeichnet versuchen – ob mit Testfahrern oder automati- oder am Rechner erstellt. Die virtuelle Umgebung kann siert – sind hohe Kosten, großer Zeitaufwand und die dabei bis in alle Details ausgearbeitet werden, sodass generelle Verfügbarkeit von Versuchsfahrzeugen. Ins- der Fahrer am Simulationsprüfstand kaum einen besondere in frühen Phasen der Fahrzeugentwicklung Unterschied zur Realität wahrnimmt. Da die virtuel- stehen oftmals keine oder nur sehr wenige Prototypen len Verkehrssituationen beliebig konfigurierbar sind, „Das System zur Verfügung. In einem weiteren Digitalisierungs lassen sich viele verschiedene Varianten erstellen, etwa blickt etwa schritt der Fahrwerkentwicklung verlagert Porsche Fahrten mit und ohne Gegenverkehr oder bei Tag und eine Sekunde Engineering darum Fahrzeugtests verstärkt von der bei Nacht. „Der Hauptvorteil ist jedoch, dass wir rech- Straße auf Prüfstände. nergestützt potenziell gefährliche Fahrbedingungen in die Zukunft.“ Schon in der Vergangenheit wurden bereits einzelne erzeugen und im Fahrsimulator ohne Sicherheitsrisiko Fabian Pfitz Assistenz- oder Fahrdynamikregelungsfunktionen am für den Testfahrer abbilden können, etwa Ausweich Entwicklungsingenieur Prüfstand getestet und appliziert. Bei diesen Insel manöver auf nasser Fahrbahn bei sehr hohen Fahrge- Fahrwerk-Systeme bei lösungen bleiben die Wechselwirkungen zwischen den schwindigkeiten“, so Wright. Porsche Engineering PORSCHE ENGINEERING MAGAZIN 2/2022 15
Porsche Engineering setzt Tests auf dem Simulations- prüfstand künftig für die Bewertung der Funktionalen Sicherheit elektronischer Systeme und Funktionen im Fahrzeug ein. Bei diesen Untersuchungen werden der „Der Hauptvorteil ist, dass wir rechnergestützt Fahrzeugelektronik bewusst Fehler aufgeprägt. Der Fahrer am Prüfstand bewertet dann die Auswirkun- potenziell gefährliche Fahrbedingungen gen auf die Fahrzeugfunktionen. Die Kategorisierung erzeugen und im Fahrsimulator ohne erfolgt nach einer international standardisierten Klassi Sicherheitsrisiko abbilden können.“ fizierung in sogenannte Automotive Safety Integrity Level (ASIL). „Je schwerer die Situation zu beherrschen Tim Wright ist, je gravierender die Folgen des Fehlers sind und je Entwicklungsingenieur Fahrdynamiksimulation bei Porsche Engineering INTEGRATIONSARCHITEKTUR ZUR VIRTUELLEN APPLIKATION UND ABSICHERUNG VON FAHRERASSISTENZ- SYSTEMEN UND HOCHAUTOMATISIERTEN FAHRFUNKTIONEN Die Integrations architektur generiert automatisierte Test- fälle. So kann erst der Applikations DYNAMISCHE Ergebnis-Visualisierung datensatz optimiert TEST-DATENBANK und danach in einer großen Anzahl ver schiedener Szenarien validiert werden. TEST-AGENT Test-Agent-Strategie Applikations- Szenario- Evaluierungs- parameter- Datenbank Datenbank Gruppe von Datenbank Gruppe von Testfällen Testfällen mit Ergebnissen SIMULATION EVALUIERUNG Umgebungsmodell Evaluierung der Performanz der Fahrfunktion Fahrermodell Evaluierung der Schwarz: Fahrzeugmodell Basis-Module Simulationsqualität Blau: XiL (X-in-the-Loop) Austauschbare Module Fahrfunktion (System unter Test) Übertragung von Testfällen Zugriff auf Datenbank 16
TITEL FA H R W E R K A B S I C H E R U N G D E R Z U K U N F T häufiger er auftritt, desto höher sind die Sicherheits zu können – obwohl diese im Detail heute noch gar anforderungen“, so Wright. „Derzeit nutzen wir am nicht feststehen. Standort Shanghai schon erfolgreich einen Simulati- Eine weitere Besonderheit der neuen Methodik ist onsprüfstand für Gesamtfahrzeugapplikationen und der hohe Automatisierungsgrad bei der Erstellung von -absicherungen“, erklärt Wright. Weitere Anlagen sind Testfällen und deren Durchführung als virtuelle Fahr- für die Entwicklungsabteilungen in Mönsheim, im versuche. Die Integrationsarchitektur generiert Test- rumänischen Cluj-Napoca und in Prag geplant. fälle automatisiert aus Szenario-, Applikations- und Evaluierungsparametern. Bei einem Adaptive-Cruise- VIRTUELLE APPLIKATION UND Control-System (ACC-System) werden zum Beispiel ABSICHERUNG Komfort und Sicherheit in unterschiedlichen Ein- scherszenarien bewertet. So kann beispielsweise erst Den Schritt zur komplett digitalen Entwicklungskette der Applikationsdatensatz optimiert und danach in vollzieht Porsche Engineering mit einer Methodik, bei einer großen Anzahl verschiedener Szenarien validiert der bereits Applikation und Absicherung vollständig werden – und das alles vollautomatisch. virtuell erfolgen. „Um hochautomatisierte Fahrfunk- Eine Herausforderung bei der Entwicklung des tionen ganzheitlich applizieren und absichern zu modularen Konzepts war die Definition und Gestaltung können, müssten theoretisch alle während der Fahrt der Schnittstellen zwischen den Softwarebausteinen. auftretenden Verkehrsszenarien in unzähligen Varian- „Unsere Lösung gibt uns große Freiheiten bei der ten nachgestellt und mit verschiedenen Applikations Auswahl und Definition der Module. Bei Porsche parametern abgeprüft werden. Mit realisierbarem Engineering arbeiten viele Kollegen an innovativen Me- Aufwand lässt sich das künftig nur durchführen, wenn thoden zur Entwicklung und Validierung hochautoma- die konventionellen Methoden durch Ansätze wie die tisierter Fahrfunktionen. Durch den modularen Ansatz virtuelle Integration erweitert werden“, erklärt Moritz können wir diese einfach und effizient integrieren“, so Markofsky, Doktorand bei Porsche Engineering. Markofsky. Ein Beispiel dafür ist das zentrale Porsche In einem Entwicklungsprojekt untersucht er darum Engineering Virtual ADAS Testing Center (PEVATeC), den Aufbau einer modularen, virtuellen Integrations das die Simulationsumgebung, virtuelle Testszenarien architektur für Fahrerassistenzsysteme und hochauto und Streckenmodelle zur Verfügung stellt. matisierte Fahrfunktionen. Ihr Grundgerüst besteht Aktuell wird die Leistungsfähigkeit der neuen aus Basisbausteinen – beispielsweise für die Testfall Entwicklungsmethodik im Rahmen einer Proof-of- erstellung, -simulation und -auswertung –, die unab- Concept-Studie intensiv getestet. Aber auch weitere hängig von der zu prüfenden Fahrfunktion eingesetzt Optimierungen haben die Entwickler schon im Blick. werden. Je nach Entwicklungsprojekt wird dieses So könnte das System künftig mithilfe Künstlicher Grundgerüst durch austauschbare Module erweitert, Intelligenz gezielt hochautomatisierte Fahrfunktionen um die Architektur an das zu testende System anzu- applizieren oder nach kritischen Testfällen suchen. „Der passen. Das verleiht der neuen Methodik hohe Flexibi- Einsatz Künstlicher Intelligenz bietet die Möglichkeit, lität, um einerseits die Breite der Entwicklungen und effizient relevante Testfälle aus den Applikations- und andererseits die Anforderungen der Zukunft abdecken Szenarioparametern abzuleiten“, sagt Markofsky. � ● ZUSAMMENGEFASST Porsche Engineering geht bei der Fahrwerkentwick- lung neue Wege, um den Entwicklungsaufwand auch in Zukunft beherrschbar zu halten. Eine modellprädik- „Mit realisierbarem Aufwand lässt sich die Applikation und tive Regelung ermöglicht automatisierte Testläufe, Absicherung hochautomatisierter Fahrfunktionen künftig und Simulationen ersetzen zunehmend reale Fahr nur durchführen, wenn die konventionellen Methoden durch versuche. Die virtuelle Appli- kation und Absicherung von Ansätze wie die virtuelle Integration erweitert werden.“ Fahrerassistenzsystemen ergänzt konventionelle Integrationsmethoden und Moritz Markofsky verringert den Entwick- Doktorand bei Porsche Engineering lungsaufwand. PORSCHE ENGINEERING MAGAZIN 2/2022 17
Daten Datenablage Daten- auswertung und Die für die Modell verarbeitung -konvertierung optimierung aufbereitete Teilautomatisiert und Messdatei wird im Format mithilfe zahlreicher Itera Ist die passende Messung des Simulations-Tools tionsschleifen gilt es, eine gefunden, muss ihr Inhalt abgelegt und steht nun Vielzahl physikalischer für die Modelloptimierung bereit für die Modell Parameter zu optimieren. genau untersucht und optimierung. Schon eine kleine Ände aufbereitet werden. Das ist bei 100.000 Signalen rung eines Parameters oft eine Herausforderung. kann sich auf alle anderen auswirken. Messdaten- selektion Aus einer Vielzahl von Messtagen und Messun gen gilt es, die richtigen Daten auszuwählen – ein immenser Zeitaufwand. Daten- übertragung PEDS Die Daten werden PORSCH ENGINEER E manuell via USB-Stick ING DATA oder Festplatte kopiert SERVICE und archiviert. ComBox Fast in Echtzeit Der Porsche Engineering ata Service (PEDS) ver D netzt die weltweit verteil ten Erprobungsfahrzeuge mit den Entwicklern und vereinfacht dadurch die Messdatenanalyse erheb lich. Statt mehrerer Tage dauert die Auswertung nur noch Minuten. 18
TITEL P O R S C H E E N G I N E E R I N G D ATA S E R V I C E Die Taycan Sport Limousinen Verbrauchsangaben nach NEFZ: Bisher: Stromverbrauch kombiniert: 5 Tage 27,4–26,0 kWh/100 km CO₂-Emissionen kombiniert: 0 g/km Verbrauchsangaben nach WLTP: Stromverbrauch kombiniert: 24,7–20,2 kWh/100 km CO₂-Emissionen kombiniert: 0 g/km Stand 06/2022 MATLAB/Simulink Nutzung des Mit KI angepasstes Modell optimierten Modells Jetzt: wenige Minuten Out of the ComBox Der Porsche Engineering Data Service (PEDS) vereinfacht die drahtlose Bereitstellung von Messdaten nach einer Erprobungsfahrt und ermöglicht ihre schnelle Auswertung. Analysen können bereits Minuten nach der Fahrt zur Verfügung stehen – oder schon währenddessen. Zudem lässt sich der Anteil der live ausgewerteten Messdaten vor deren Archivierung erhöhen. Text: Constantin Gillies Illustrationen: Andrew Timmins PORSCHE ENGINEERING MAGAZIN 2/2022 19
TITEL P O R S C H E E N G I N E E R I N G D ATA S E R V I C E B ei Porsche ist es Tradition, dass ein neues Fahrzeugmodell nicht nur von den Entwicklungsinge- nieuren erprobt wird, sondern von vielen Versuchs- und Dort werden sie aufbereitet und automatisch ausge- wertet. „Das ist ein Plug-and-Play-Digitalisierungs- prozess“, erklärt Björn Pehnert, Fachreferent Digita- Qualitäts-Mitarbeitern. Die Tester können ihr Feedback lisierung und Initiator des Projekts PEDS bei Porsche jetzt noch schneller abgeben: Wer eine Optimierungs Engineering. Rund 150 möglichkeit findet, stellt das Fahrzeug ab, tippt sein Smartphone an und spricht einen Kommentar ein. Zum MANUELLE ABLÄUFE EINSPAREN Beispiel: „Sitzheizung in Stufe 1 zu warm.“ Wenige Augenblicke später erhält die zuständige Fachabtei- Die ComBox macht in der Erprobungsphase viele lung eine E-Mail mit dem Kommentar, der automatisch manuelle Abläufe überflüssig, zum Beispiel beim Erprobungsfahrzeuge in Text umgewandelt wurde. Außerdem haben die Transfer der gesammelten Messwerte: Ein Datenlogger sind bereits über eine Ingenieure dort Einblick in alle Messdaten aus dem im Fahrzeug beispielsweise zeichnet pro Minute eine ComBox an die PEDS- Fahrzeug, da diese per Mobilfunk an einen zentralen erhebliche Datenmenge auf, wobei neben der Kommu- Server angeschlossen. Ende 2022 sollen es noch Server fließen. So kann das Feedback schnell geprüft nikation zwischen den Steuergeräten bei Bedarf auch einmal etwa so viele sein. und gegebenenfalls eine Softwareanpassung für das Kamerabilder, Druck- und Temperaturdaten erfasst Fahrzeug entwickelt werden. werden. Bisher wurden Wechselmedien genutzt, um Möglich wird diese Live-Optimierung durch den die Messdaten zu stationären PCs (Auslesestationen) Porsche Engineering Data Service (PEDS): Dieses Sys- automatisiert zu transferieren. „Datenlogger liefern tem vernetzt die internationalen Erprobungsfahrzeuge Rohdaten, die sich erst nach einer Konvertierung mit den Entwicklern und vereinfacht so die Messdaten auswerten lassen“, erklärt Stephan Gehrmann, Leiter Die Taycan Sport Limousinen analyse erheblich. Um den Service nutzen zu können, Fachgebiet Messtechnik Automatisierung bei der Verbrauchsangaben nach NEFZ: Stromverbrauch kombiniert: muss im Testfahrzeug zusätzlich zum Messsystem Porsche AG. Im letzten Schritt wählten die Entwickler 27,4–26,0 kWh/100 km oder Datenlogger lediglich eine sogenannte ComBox die relevanten Daten aus und analysierten sie inter CO₂-Emissionen kombiniert: 0 g/km (siehe Kasten auf Seite 22) angeschlossen werden, aktiv. Wenn an einem anderen Standort getestet wurde Verbrauchsangaben nach WLTP: Stromverbrauch kombiniert: wofür wenige Handgriffe ausreichen. Das Gerät leitet und eine Dienstreise nötig war, konnten so mehrere 24,7–20,2 kWh/100 km die Daten der eingebauten Messgeräte per Mobilfunk Tage vergehen, bis die ersten Erkenntnisse aus einer CO₂-Emissionen kombiniert: 0 g/km (LTE/5G) oder WLAN an einen Server des PEDS weiter. Erprobungsfahrt vorlagen. Stand 06/2022 Hochvolt-Batterie mit PEDS sekundenschnell optimiert Zunehmende Schwarm-Fitness Durchschnittliche Abweichung des Parameter-Schwarms 0,9 0,8 0,7 0,6 Mithilfe von PEDS lassen sich digitale Zwillinge schnell erstellen und abgleichen. In diesem Beispiel wurde das Modell einer Hochvolt-Batterie mit 37 Parametern opti- 0,5 miert. Während der Fahrt flossen Daten aus dem Testfahrzeug in die mathematische Simulation, die sich so permanent verbessert hat. Das Diagramm rechts zeigt, wie schnell der Fehler abfällt. Die Diagramme auf der gegenüberliegenden Seite zeigen 0,4 einige der ursprünglichen und der optimierten Parameter. Dass solche Prozesse 0 10 20 30 40 50 dank PEDS jetzt fast „live“ möglich sind, ist ein echter Durchbruch. Generation 20
„Wir haben nichts neu erfunden, sondern das bestehende Know-how in einen digitalen Prozess integriert.“ Björn Pehnert Fachreferent Digitalisierung bei Porsche Engineering Dank PEDS dauert die Übertragung und Auswertung selbstständig in die vorhandene Simulation eines nur noch Minuten. Die Zeitersparnis ergibt sich zum Bauteils einspeisen.“ einen daraus, dass die ComBox Messdaten zeitnah Die Automatisierung sorgt nicht nur für kürze- überträgt: Die Verzögerung liegt bei geringen Daten- re Reaktionszeiten, sondern zugleich auch für eine mengen zwischen 15 und 20 Sekunden. Zum ande- deutliche Verbreiterung der zeitnah und automatisch ren laufen jetzt alle nachfolgenden Arbeitsschritte ausgewerteten Datenbasis. Rund 150 Erprobungsfahr- automatisch ab: PEDS konvertiert die Rohdaten und zeuge sind bereits über eine ComBox an den Server filtert diejenigen aus, die für den Fachbereich relevant angeschlossen, bis zum Ende des Jahres sollen es noch 20 sind. So spielt beispielsweise für die Fahrwerks einmal etwa so viele sein. Das bedeutet schnellere optimierung das Innenraumklima keine Rolle. Zum Verfügbarkeit der Daten für die Entwickler – und zwar Schluss folgt eine automatische Analyse. Dafür an allen Standorten, da sämtliche Messdaten weltweit wurden die bereits vorhandenen Werkzeuge der in einen gemeinsamen Pool fließen, beispielsweise in Fachabteilungen in die Gesamtlösung integriert. „Wir der Porsche-internen Messdaten- und Versuchsplatt- Sekunden dauert es ungefähr, geringe Daten haben nichts neu erfunden, sondern das b estehende form „Cluu“. Stand jeder Fachabteilung bisher nur eine mengen von der ComBox an Know-how in einen digitalen Prozess integriert“, Handvoll Erprobungsfahrzeuge zur Verfügung, können den Server zu übertragen. erklärt P ehnert. „PEDS kann zum Beispiel Daten die Ingenieure jetzt gezielt mit relevanten Daten Start-Parameter ohne PEDS-KI-Optimierung Parameter nach PEDS-KI-Optimierung 60 60 Temperatur in °C Temperatur in °C 50 50 40 40 30 30 20 20 Messung: BMS Tmax Messung: BMS Tmax Messung: BMS Tmin Messung: BMS Tmin Messung: Kühlmittel Austritt Messung: Kühlmittel Austritt 10 10 Simulation: BMS Tmax Simulation: BMS Tmax Simulation: BMS Tmin Simulation: BMS Tmin Simulation: Kühlmittel Austritt Simulation: Kühlmittel Austritt 0 0 0 500 1000 1500 2000 2500 0 500 1000 1500 2000 2500 Zeit in s Zeit in s PORSCHE ENGINEERING MAGAZIN 2/2022 21
TITEL P O R S C H E E N G I N E E R I N G D ATA S E R V I C E AUF EINEN BLICK: TECHNISCHE DATEN DER COMBOX Die ComBox überträgt Messdaten eines Erprobungs fahrzeugs per Mobilfunk an einen Server des PEDS. Das Gerät lässt sich schnell und einfach im Fahr zeug installieren, denn es müssen nur zwei Stecker für Strom und Daten angeschlossen werden. „Die Box ist einfach, kostengünstig und kann an parallel dazu eine Sprachnachricht aufzeichnen. Der eine Vielzahl von Messsystemen andocken“, erklärt Kommentar wird automatisch in Text umgewandelt Abmessungen: Björn P ehnert. Der unauffällige schwarze Kasten ist etwa so groß wie ein Internet-Router und wird per und an die jeweilige Fachabteilung weitergeleitet. Außerdem kann die Trigger-App Informationen B Ethernet mit den Datenloggern an Bord verbunden. anzeigen, wenn ein Sensor im Fahrzeug einen Den Upload der Daten übernimmt ein Mobilfunk- Modem oder ein WLAN-Modul. Porsche Engineering Grenzwert überschritten hat. 108 Millimeter Die bidirektionale Verbindung der ComBox wird stellt neben der Technik auch die mobile Daten genutzt, um die Konfiguration der Messtechniksys übertragung weltweit zur Verfügung, sodass die H teme Over-the-Air (OTA) zu aktualisieren. „Das ist ComBox auch problemlos bei Testfahrten außerhalb Deutschlands eingesetzt werden kann. im Entwicklungsbetrieb wichtig“, betont S tephan 40 Millimeter Gehrmann. „Bislang konnten neue Konfigurationen Ergänzt wird die Box durch die sogenannte ausschließlich mit Wechseldatenträgern auf die T Trigger-App auf einem Smartphone im Fahrzeug. Datenlogger übertragen werden. Durch die OTA-Up Mit ihr kann man durch einfaches Berühren des dates sind die Konfigurationen jetzt immer aktuell – 141 Millimeter Displays eine Messdatenübertragung auslösen und das hat einen Sprung in der Datenqualität gebracht.“ Blockschaltbild der ComBox WiFi-Modul WiFi-Antenne SSD (M.2/SATA) 2.4/5 GHz 2x RP-SMA SATA SIM-Slot SDIO-2 LTE/5G Modem- Mobilfunkantenne 2x SMA USB Modul (M.2) GPS-Antenne 1x SMA iMX6 PEG SOM-Board 1G MDI, USB 1x Gbit Ethernet 2x RJ45 USB-OTG, USB 2x 100 Mbit Ethernet CAN, SPI USB-A HOST I2C 2x USB 2-Port USB-A OTG Realtime Clock 2x CANFD TCVR DSUB mit Batterie Stromversorgung, Wakeup- KL30 Externes Batterie-Interface Ext. Batterie XT60 Steuerung, externer Watchdog KL15 (kein Ladegerät) 22
„Durch die OTA-Updates sind die Konfigurationen der Messtechniksysteme jetzt immer aktuell – das hat einen Sprung in der Datenqualität gebracht.“ Stephan Gehrmann Leiter Fachgebiet Messtechnik Automatisierung bei der Porsche AG anderer Teams versorgt werden. Dafür müssen die Ent- Erprobungsfahrt kann es vorkommen, dass sich ein wickler nur über die notwendigen Berechtigungen zur Sensor leicht verschiebt. Das ist tückisch, weil er meist Nutzung der Daten verfügen. Ein Ingenieur in Weissach nicht komplett ausfällt, sondern weiter Daten liefert. zum Beispiel wird aktiv auf eine Auffälligkeit in Mess Sie wirken zwar plausibel, haben aber keine Aussage- daten hingewiesen, die Kollegen im chinesischen kraft mehr. „Selbst ein erfahrener Ingenieur kann das Anting erhoben haben. So lassen sich neue Funktionen oft nicht erkennen“, erklärt PEDS-Entwickler Jonas deutlich schneller testen und umsetzen. Brandstetter von Porsche E ngineering. Früher fielen Mithilfe von PEDS lassen sich zudem leichter soge- solche Fehler erst Wochen nach der Fahrt auf, was nannte digitale Zwillinge erstellen und abgleichen, also dazu führte, dass die Erprobung wiederholt werden Simulationen von Bauteilen. Ein solches Modell haben musste – gerade bei Tests in entlegenen Gebieten ein die Entwickler von Porsche Engineering beispielweise enormer Aufwand. von der Hochvolt-Batterie eines E-Fahrzeugs erzeugt. Es Mit PEDS kann das nicht mehr passieren: Das Sys- verhält sich thermisch genau wie ein echter Stromspei- tem überprüft die Messdaten schon während der Fahrt cher. Dieses Modell mit 37 Parametern wurde mithilfe auf Anomalien. Das übernimmt ein KI-Algorithmus auf des PEDS optimiert: Schon während der Fahrt flossen dem Server, der anhand von wenigen Datensätzen ge- Daten aus dem Testfahrzeug in die mathematische lernt hat, wie ein korrektes Sensorsignal aussieht, so- Simulation, die sich so permanent verbessert hat. Das dass er fehlerhafte Messungen erkennen kann. Schlägt Ergebnis: Der Fehlerwert – also die Abweichung zwi- der Algorithmus an, bekommt der Test-Ingenieur eine schen realem und simuliertem Verhalten der Batterie – Push-Nachricht auf sein Smartphone und kann den konnte halbiert werden. „Dass solche Prozesse jetzt ‚live‘ Probelauf abbrechen. möglich sind, ist ein echter Durchbruch“, sagt Pehnert. In 15 Anwendungsfällen quer durch alle Fachge- biete wurde PEDS schon erfolgreich getestet – von DIGITALE OPTIMIERUNGSSCHLEIFEN der Fahrwerksoptimierung bis zur weltweiten Bean- standungsanalyse auf Qualitätsstationen. Doch das Weil sich der digitale Zwilling eines Bauteils so rea- Potenzial des Systems ist noch lange nicht ausge- litätsnah verhält, kann er reale Experimente sinnvoll reizt. „Jetzt beschäftigen wir uns mit der Skalierung“, ZUSAMMENGEFASST ergänzen und damit teilweise gezielt ablösen. Mit berichtet P ehnert. Auf der Agenda steht darum gerade seiner Hilfe lässt sich zum Beispiel die Auslegung und die Vernetzung mit dem Messdatenmanagement Der Porsche Engineering Anordnung der Kühlplatten in der Hochvolt-Batterie der Volkswagen-Gruppe. An die Messdaten- und Data Service (PEDS) ver- netzt die weltweit verteilten optimieren. Hier alle Optionen tatsächlich zu bauen, Versuchsplattform „Cluu“ ist PEDS bereits angebun- Erprobungsfahrzeuge mit wäre unmöglich. „Digital lassen sich die Optimie- den. Hier können heute schon die Messdaten von den Entwicklern. Mit der rungsschleifen jedoch sekundenschnell fahren“, erklärt den Datenloggern von Porsche abgerufen werden. speziell dafür entwickel- Pehnert. „Auch das Verhalten der Batterie in einem Außerdem soll die drahtlose Übertragung der Mess- ten ComBox lassen sich Prototyp, der noch gar nicht existiert, lässt sich simu- daten nochmals vereinfacht werden. Geplant ist, die Daten fast in Echtzeit an die lieren und perfektionieren.“ Daten der Messgeräte per WLAN an das Speech2Text- PEDS-Server senden, wo sie aufbereitet und automatisch Um den Fahrkomfort zu optimieren, sind Testfahr- Smartphone im Fahrzeug zu übertragen und von dort ausgewertet werden. Das zeuge oft mit Beschleunigungsaufnehmern ausge- an den PEDS weiterzuleiten. Das könnte in einigen verringert den Aufwand und rüstet. Sie werden teilweise an Stellen aufgeklebt, die Anwendungsfällen eine ComBox im Erprobungsfahr- verkürzt die Entwicklungs- nur im demontierten Zustand erreichbar sind. Bei der zeug in Zukunft überflüssig machen. �������� ● zeiten erheblich. PORSCHE ENGINEERING MAGAZIN 2/2022 23
TITEL WA S S E R S T O F F M O T O R Mit Wasserstoff über die Nordschleife Im Rahmen einer Studie hat Porsche Engineering das Potenzial von Wasserstoff-Verbrennungsmotoren untersucht. Das Ergebnis ist ein Hochleistungsaggregat mit Emissionen auf Umgebungsluftniveau. Text: Richard Backhaus F rund doppelt so viel Luftmasse wie bei Ottomotoren bereitstellen. Andererseits fehlt abgasseitig durch die geringeren Abgastemperaturen aber Energie für ihren ür künftige Fahrzeuge sind derzeit verschie Antrieb“, erklärt Bevilacqua. Dieser Widerspruch lässt dene Antriebslösungen wie Hybridsysteme, Elektro sich mit konventionellen Turboladern nicht auflösen. antriebe und effiziente Verbrennungsmotoren parallel Porsche E ngineering hat darum vier alternative, beson in Entwicklung. Alternativ zu konventionellen Kraft ders leistungsfähige Aufladekonzepte untersucht, die stoffen oder synthetischen Kraftstoffen (eFuels) kann teilweise aus dem Motorsport stammen. auch Wasserstoff für den Einsatz in Verbrennungs Alle Systeme bestehen aus mehreren elektrisch motoren in Betracht gezogen werden, was Gegen unterstützten Turboladern, teilweise kombiniert mit stand dieser Studie war und von Porsche E ngineering zusätzlichen Steuerungsklappen im Luftsystem oder untersucht wurde. mechanischen Kompressoren. „In den Benchmark- Untersuchungen zeigte jedes Aufladesystem spezifi HOCHLEISTUNGS-WASSERSTOFFMOTOR sche Vor- und Nachteile. Die Wahl des richtigen Kon FÜR PERSONENWAGEN zepts hängt daher sehr stark vom Anforderungsprofil des jeweiligen Wasserstoffmotors ab“, so Bevilacqua. Derzeit wird weltweit an Wasserstoffmotoren gear Für die vorliegende Motorstudie wählte das Entwickler beitet, allerdings meist für Nutzfahrzeuge mit einer team ein Turbosystem mit sogenannten Back-to-Back- relativ geringen spezifischen Leistung von rund 50 kW Verdichtern aus. Ihre konstruktive Besonderheit ist die pro Liter Hubraum. „Für den Personenwagen-Bereich koaxiale Anordnung von zwei Verdichterstufen, die über ist das zu wenig. Darum haben wir als Studie einen eine gemeinsame Welle durch die Turbine beziehungs Wasserstoff-Verbrennungsmotor entwickelt, der Leis weise den unterstützenden Elektromotor angetrieben tung und Drehmoment auf dem Level aktueller Hoch werden. Die Prozessluft strömt dabei durch den ersten leistungs-Ottomotoren bieten soll. Gleichzeitig war Verdichter, wird im Ladeluftkühler zwischengekühlt unser Ziel, einen geringen Verbrauch zu erreichen und und dann in der zweiten Stufe nachverdichtet. die Emissionen auf Umgebungsluftniveau zu halten“, Mit einer Leistung von rund 440 kW liegt der sagt Vincenzo B evilacqua, Fachreferent Motorsimula Wasserstoffmotor auf dem Niveau des ursprünglichen „Wir haben die tion bei Porsche Engineering. „Ausgangspunkt unserer Ottoaggregats. Um die Performance des Antriebs bes Untersuchungen war ein existierender 4,4-Liter- ser einordnen zu können, hat Porsche E ngineering ein gesamte Studie Achtzylinder-Ottomotor – oder besser ausgedrückt: damit ausgerüstetes Referenzfahrzeug der Luxusklasse virtuell über sein digitaler Datensatz, denn wir haben die gesamte mit einem relativ hohen Gesamtgewicht von 2.650 kg Simulationen Studie virtuell über Simulationen durchgeführt.“ auf der Nürburgring Nordschleife getestet – rein Die Veränderungen am Motormodell umfassten virtuell: Die Fahrt wurde mithilfe eines sogenannten durchgeführt.“ unter anderem eine höhere Verdichtung und eine digitalen Zwillings durchgeführt, also einer Abbildung Vincenzo Bevilacqua angepasste Verbrennung, vor allem aber ein neues des Realfahrzeugs im Computer. Mit einer Runden Fachreferent Motorsimulation Turbo-Aufladesystem. „Für eine saubere Verbrennung zeit von 8 Minuten 20 Sekunden zeigte das Fahrzeug bei Porsche Engineering von Wasserstoff müssen die Turbolader einerseits hohes fahrdynamisches Potenzial. 24 PORSCHE ENGINEERING MAGAZIN 2/2022
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