Gestaltung und demokratie. neubeginn und weichenstellungen in rheinland und bauhaus100-im-westen.de - 100 Jahre bauhaus im westen
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wow au s au h #b gestaltung und demokratie. neubeginn und weichenstellungen in rheinland und westfalen bauhaus100-im-westen.de
geburtstag feiern mit lászló, oskar, mies und anni. 100 jahre 534 tage 1 haltung Liebe Leserinnen, liebe Leser, beim Stichwort „Bauhaus“ denken viele an Dessau, Weimar und Berlin. Weniger bekannt ist, wie sehr die Bauhaus-Bewegung auch im Westen das Bauen und Gestalten beeinflusste und wie diese Einflüsse auf die Zentren der Bewegung zurückwirkten. So leisteten im westfälischen Hagen der Architekt und Gestalter Henry van de Velde und der Sammler Karl Ernst Osthaus entscheidende Vorarbeit zum späteren Konzept des Bauhauses. Ludwig Mies van der Rohe entwarf die Wohnhäuser beiden Krefelder Seidenfabrikanten Lange und Esters sowie einen Produktions- und Verwaltungsbau. Der Einfluss der Bauhaus-Bewegung reichte über Industriearchitektur und Kunstgewerbe hin- aus, prägte Mode und Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens, befeuerte die Sehnsucht nach demokratischem Aufbruch und drückt sich sogar im Umgang mit Themen wie Flucht und Exil aus. Ein Projekt von In Kooperation mit „Die Welt neu denken“ – unter diesem Motto begehen das Land Nordrhein-Westfalen und die für die Landschaftliche Kulturpflege zuständigen Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum. Mit dabei sind über 40 weitere lokale und regionale Partner wie Museen im Rheinland und in Westfalen sowie der Krefelder Verein MIK e.V. Die Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe zu den Reformideen, mit denen die Akteure der Bauhaus-Bewegung entscheidende Weichen gestellt haben, nimmt insbesondere herausgeber Geschäftsbüro „100 jahre bauhaus im westen“ | bildnachweise Titel: Katharina Marg/formkombinat, HeinrichNeuyBauhausMuseum, MOMENI Gruppe/Ralph Richter, Kunstmuseum Krefeld, das Zusammenwirken von Gestaltung und Demokratie in den Fokus. Augustinerstraße 10 – 12 | 50667 Köln | T +49 (0) 221 809-7018 Volker Döhne, MKW/Bettina Engel-Albustin 2017 (S.3), LVR-Zentrum für Medien und Bildung/Alexandra Kaschirina (S.4), LWL-Medienzentrum für | F +49 (0) 221 809-3373 | lenkungskreis@bauhaus100.nrw.de | Westfalen, picture-alliance/dpa (S.6), Stadt Bochum, Referat für Kommunikation (S.7), Steeler Archiv (S.8), Katharina Marg/formkombinat (S.9), www.bauhaus100-im-westen.de | kuratorium Dr. Hildegard Kaluza, keine Urheberrechtsbeschränkungen bekannt (S.10), Museum Ritter, Waldenbuch/Gerhard Sauer, VG-Bild Kunst, Bonn 2018 (S.11), LVR-ADR/ Milena Karabaic M.A., Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger | lenkungskreis Jürgen Gregori 2018, LVR-ADR/Jürgen Gregori 2018, Hanne Brandt 2006 (S.12), Bubo „Iserlohn-Schlieperblock1-Bubo“, https://creativecommons. Ich danke allen Beteiligten für ihr großes Engagement, mit dem sie die Einflüsse des Bauhau- Dr. Cornelia Bockrath, Dr. Joachim Henneke, Prof. Dr. Thomas Schleper | org/licenses/by-sa/3.0/legalcode, LWL-DLBW 2009 (S.13), Walter Buschmann, JochenTack/Stiftung Zollverein (S.14), Tobias Roch, LWL-Medien- ses sichtbar und erlebbar machen. Den Besucherinnen und Besuchern wünsche ich viel Spaß V. i. S. d. P. und Verantwortlicher gem. § 55 Abs. 2 Rundfunkstaats- zentrum für Westfalen (S.15), Osthaus Museum Hagen, Kunstmuseen Krefeld, Karl Ernst Osthaus-Archiv, Hagen (S.16), Fotoarchiv Ruhr Museum, vertrag: Prof. Dr. Thomas Schleper, T +49 (0) 221 809-7078, Thomas. Essen (S.17), Fotoarchiv Ruhr Museum, Essen, Fotoarchiv Ruhr Museum, Essen/Ruth Hallensleben (S.18), Kunstmuseum Krefeld, Volker Döhne beim Erkunden und Entdecken. Schleper@lvr.de | redaktion Seher Nadine Anilgan, Christine Ferreau, (S.19), Michael Dannenmann, Kristien Daem (S.21), HeinrichNeuyBauhausMuseum, Willi Ahlmer, Rheine, HeinrichNeuyBauhausMuseum (S.22), Ge- Alexandra Hilleke | auflage 7.000 Stück | kontakt Geschäftsbüro meinde Burbach-Siegerland, LWL-DLBW/Tobias Venedey (S.24), Förderkreis Industriepfad Düsseldorf e.V. (S.25), Tuxyso/Wikimedia Commons/ Augustinerstraße 10 – 12 | 50667 Köln | T +49 (0) 221 809-7018 | CC BY-SA 3.0, LVR-ADR/Jürgen Gregori (S.26), LVR-ADR/Jürgen Gregori (S.27), Túrelio/ Wikimedia-Commons/2008/CC-BY-SA-3.0-de, Jürgen Isabel Pfeiffer-Poensgen lenkungskreis@bauhaus100.nrw.de | gestaltung Niehaus Knüwer and Wiener (S.28), MOMENI Gruppe/Ralph Richter, Eigentümer (S.29), Lehmbruck Museum, Bernd Kirtz/VG-Bild Kunst, Bonn 2018 (S.30), Martin F. friends, Düsseldorf | druck DFS Druck Brecher GmbH Müller & Assoziierte (S.31), Claudia Fährenkemper/VG-Bild Kunst, Bonn 2018, The Martin Munkacsi Estate/Stiftung F.C.Gundlach, courtesy Dieter Ministerin für Kultur und Wissenschaft Blase 2018 (S.32), Renger-Patzsch Archiv – Ann und Jürgen Wilde/VG-Bild Kunst, Bonn 2018 (S.33), Mit freundlicher Genehmigung der v. Bodel- des Landes Nordrhein-Westfalen Gedruckt mit freundlicher Unterstützung von HOCHTIEF. schwinghsche Stiftungen Bethel/Bauhaus-Archiv Berlin (S.34), Zentrum Paul Klee, Bern, gemeinfrei, Archiv Max Peiffer Watenphul/Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum – Zentrum Internationaler Skulptur, Duisburg (S.36), Los Angeles County Museum of Art, The Marjorie and Leonard Vernon Wir danken allen Künstlern und Rechteinhabern für die Freigabe des Bild- Collection, gift of The Annenberg Foundation, acquired from Carol Vernon and Robert Turbin (S.37), Michael Craig Palmer; Öffentliche Kunstsamm- materials. Anbieter und Redaktion bemühen sich intensiv, alle Inhaber von lung Basel, Rheinisches Bildarchiv Köln (S.38), Courtesy of Western Regional Archives, States Archives of North Carolina/Masato Nakagawa (S.39), Abbildungsrechten ausfindig zu machen. Personen und Institutionen, die Bauhaus-Archiv Berlin, gemeinfrei (S.40), Kunstmuseen Krefeld, LVR-Industriemuseum (S.41), 2018 The Josef and Anni Albers Foundation/VG Bild- möglicherweise nicht ermittelt werden konnten, bitten wir um Nachricht. Kunst, Bonn 2018, Helena M. Post, Courtey; K20, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen (S.42). grußwort der schirmherrin 3
a l t inh 2 Impressum 3 Grußwort der Schirmherrin 4 Grußwort des Kuratoriums und des Lenkungskreises Das Kuratorium: Milena Karabaic M.A. (LVR), Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger (LWL), Dr. Hildegard Kaluza (Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, v.l.) aufbrüche! 6 Weimar im Westen: Republik der Gegensätze 7 „Nicht länger nur Objekt sein“ kuratorium Liebe Leserinnen und Leser, gestaltung und Die Einführung des Frauenwahlrechts Dr. Hildegard Kaluza Leiterin der Abteilung Kultur im Ministerium „100 jahre bauhaus im westen“ – unter diesem Motto lädt Nordrhein-Westfalen zu einer landesweiten Ausstellungs- und demokratie. weichen- bauhaus – auch im westen! stellungen in rheinland für Kultur und Wissenschaft des Landes 9 Gestaltung im Industriegebiet Nordrhein-Westfalen Veranstaltungsreihe zu Reformideen und Wirkungen des Bauhauses 12 Neues Bauen im Rheinland ein. Damit trägt Nordrhein-Westfalen zu den (inter-) nationalen 13 Bauhaus in Westfalen? Milena Karabaic M.A. Kulturdezernentin des Feierlichkeiten zum Bauhaus-Jubiläum im Jahr 2019 bei. und westfalen. 14 15 Bauhaus – Moderne und Industriebau Karl Ernst Osthaus und Hagen – eine Stadt als Landschaftsverbandes Rheinland Experimentierfeld der Moderne 17 Essens Aufbruch in die Moderne Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger Der Gestaltungswille der Bauhaus-Be- Ersten Weltkrieg. Krefeld nennt sich selbst Republik. So lautet der Untertitel zu „100 19 Avantgarde am Niederrhein – Interview mit Kulturdezernentin des Landschafts- wegung umfasste weit mehr als neue mittlerweile „Bauhaus-Stadt“ und hat u.a. jahre bauhaus im westen“: gestaltung und Christiane Lange (Projekt MIK e.V.) verbandes Westfalen-Lippe Architekturen und Produktentwürfe: Vom Mies van der Rohe, Lilly Reich, Johannes demokratie. neubeginn und weichenstel- 22 Im Münsterland: Bauhaus für Entdecker – Interview mit Kunstgewerbe bis zur Industriearchitektur, Itten und Georg Muche als klangvolle Re- lungen in rheinland und westfalen. Über Hedwig Seegers (HeinrichNeuyBauhausMuseum) von der Mode zu Formen gesellschaftlichen ferenzen aufzubieten. Das 1924 fertigge- 40 lokale und regionale Partner, darunter 24 Das Landhaus Ilse – Ein Bauhaus-Juwel auf dem Land Zusammenlebens, von der Sehnsucht nach stellte Landhaus Ilse in Burbach-Siegerland die Architektenkammer NRW, tragen zum lenkungskreis demokratischem Aufbruch bis hin zu Flucht darf als wirkliche Neuentdeckung gewertet Gedenkjahr bei, zu einem Veranstaltungs- neues bauen und Exil reicht das Themenspektrum der werden, ähnelt es doch stark dem Haus am verbund also, den es in dieser Zusammen- Dr. Cornelia Bockrath nordrhein-westfälischen Veranstaltungen. Horn, das das Bauhaus 1923 in Weimar als stellung, Größenordnung und Reichweite 25 Neues Bauen in Nordrhein-Westfalen Referatsleiterin Landschaftsverband Gestaltung wird dabei in ihrer ästhetischen sein erstes Musterhaus errichtete. Es gibt bislang noch nicht gab. Ein Bildungskonvent 27 Kirchenbau und Bauhaus Westfalen-Lippe wie gesellschaftlichen und politischen nicht nur ein „Bauhaus“, das Land NRW hat wird den Projektreigen im Frühjahr 2020 29 Das Bauhaus in der Nachkriegsmoderne Dimension gefasst. Substanzielles zur Entdeckung der Vielfalt abschließen. Dort soll Schülerinnen und 31 Neues Bauen heute Dr. Joachim Henneke von Umsetzungen, Transformationen und Schülern die Gelegenheit gegeben werden, Beauftragter des Landes Nordrhein- Die Ideen- und Kraftströme für neue Gestal- spezifischen Anwendungsfällen der Bau- im Rahmen des Bauhausjahres durchgeführte Westfalen für das Bauhaus-Jubiläum tungsideen flossen in beide Richtungen: Von hausidee beizutragen. Projekte vorzustellen. neues sehen den Bauhauszentren Weimar, Dessau und 32 Fotografie von der Weimarer Republik bis heute Prof. Dr. Thomas Schleper Berlin in den Westen, aber auch durch Aktivi- So groß und so weit man die Idee der be- Wir danken Alexandra Hilleke M.A., die die Fachbereichsleiter Landschaftsverband täten von Persönlichkeiten aus Rheinland rühmten Reformschule auch fassen mag, es Aufgaben der Projektassistenz übernahm Rheinland und Westfalen dorthin zurück. Man kann sogar von starken Wurzeln des Bauhauses ging letztlich um neue Formen des Zusam- menlebens in der Industriegesellschaft, die sowie dem gesamten Projektteam von MKW, LWL und LVR. Unser Dank gilt insbesondere neue kunst sprechen, die etwa im westfälischen Hagen sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges auch der interdisziplinären Unterstützung 34 Das Wirken der Bauhauskünstlerinnen und -künstler liegen, wo der Kunstmäzen und -sammler in Deutschland erstmals eine demokratische des wissenschaftlichen Beirats unter der im Westen Karl Ernst Osthaus, ein vehementer Förderer Verfassung gab. Das Land Nordrhein-West- Leitung von Herrn Dipl.-Ing. Martin Müller 37 Bauhaus-Ideen in die Welt des Bauhausgründers Walter Gropius, eine falen mit seinem Ministerium für Kultur (Vizepräsident der Bundesarchitekten- 38 Konstellationen für die Entwicklung der Moderne zentrale und Wissenschaft (MKW) und die für die kammer). Rolle spielte, was mit dem Begriff „Hagener Landschaftliche Kulturpflege zuständigen Impuls“ verbunden ist. Grundlegend für die Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und So bleibt uns zu guter Letzt, dem grand rückblick Entwicklung der Bauhausidee war auch die Westfalen-Lippe (LWL) verbinden deshalb projet viel Erfolg und starke Resonanz zu 41 Behrens der Unterschätzte Werkbundausstellung in Köln kurz vor dem das Bauhausjubiläum mit dem der Weimarer wünschen. 42 On weaving: Das Wirken der Künstlerin Anni Albers 4 grußwort des kuratoriums und des lenkungskreises inhalt 5
weimar im westen: „nicht länger nur e ! republik der gegensätze r ü ch objekt zu sein“: au f b die einführung des frauenwahlrechts Georg Mölich | Malte Thießen Susanne Abeck | Uta C. Schmidt Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Während der Weimarer Seit dem 30.11.1918 hatten die Deutschen neu zu Republik genossen erstmals alle Deutschen demokratische Rechte denken – Frauen wie Männer. Denn mit dem Sturz und Freiheiten. Die Grundlagen, auf denen die junge Republik stand, LVR-Institut für Landeskunde und der Monarchie wurde eine jahrzehntelange Forde- waren dennoch alles andere als stabil. Soziale Unruhen und brutale Regionalgeschichte rung von Frauen und (wenigen Männern) politische LWL-Institut für westfälische Realität: die des Frauenwahlrechts. Kämpfe revolutionärer und reaktionärer Kräfte stellten den neuen Regionalgeschichte Staat immer wieder auf eine harte Probe. LWL-Medienzentrum für Westfalen weimar im westen: Das neue Reichswahlgesetz sprach allen Frauen ab dem 20. Lebens- jahr das aktive und passive Wahlrecht zu. Zurückverfolgen lässt sich So war die Weimarer Republik eine Republik der Gegensätze, auch soziale Fürsorge und Leibesübungen (GeSo- republik der gegensätze dieser Erlass bis 1865, als Louise Otto-Peters den „Allgemeinen und vor allem im Westen. Nicht nur wegen der Rheinland- und Ruhr- Lei) in Düsseldorf präsentiert wurden. Neue Deutschen Frauenverein“ (ADF) und damit die organisierte deutsche besetzungen wird hier eine ganz andere Geschichte der jungen Repu- Künstlergruppen wie die „Kölner Progressi- Neue Einblicke in diese „Republik der Gegen- sätze“ präsentiert die multimediale Wander- Frauenbewegung ins Leben rief. Wie die sich im 19. Jahrhundert blik erfahrbar. Die Westprovinzen, die weit über das heutige NRW ven“ oder die „Freie Künstlergemeinschaft sozial und kulturell ausdifferenzierende deutsche Gesellschaft war hinausragten, entwickelten einen ausgeprägten politischen Eigensinn. Schanze“ aus Münster setzten sich mit Fort- ausstellung „Weimar im Westen. Republik der Gegensätze“ ab Januar 2019 anhand bislang auch diese Bewegung höchst heterogen. Zur Jahrhundertwende gab Die sogenannte Weimarer Koalition aus Sozialdemokraten, Zentrum schritt und alternativen Werteanschauungen es daher zahlreiche Frauenvereine, ohne dass alle das Frauenwahl- und Liberalen kam hier zu sehr viel höheren Wahlergebnissen als auseinander. unbekannter Fotos und Filme. recht gefordert hätten. So zählte die in Steele (heute ein Essener im übrigen Reich. Besonders die katholische Volkspartei Zentrum Eröffnung am 23.1.2019 im erzielte erhebliche Wahlerfolge, auch zum Nachteil der NSDAP, die Aber auch die „Region“ als „Heimat“ bekam ein neues touristisches Gesicht und wurde NRW-Landtag in Düsseldorf im Westen stets hinter dem reichsweiten Durchschnitt zurückblieb. Weitere Stationen auf Lediglich die Landtagswahl in Lippe Anfang 1933 konnten die Natio- zugleich zu einem schützenswerten Gut, wie die ersten Protest- und Naturschutzaktionen www.bauhaus100-im-westen.de nalsozialisten propagandistisch für sich vereinnahmen: Für die Zeit- genossen markierte sie den Anfang vom Ende der jungen Republik. Deutschlands um die industrielle Nutzung des Hönnetals im Sauerland zeigen. Und nicht LVR-Niederrheinmuseum Wesel aufbrüche im westen zuletzt konnten Frauen zum ersten Mal in der deutschen Geschichte Politik aktiv mitgestal- von wilhelm nach Lange Zeit stand der Westen ganz im Zeichen vieler Aufbrüche, wie ten, ob als Wählerinnen oder als Abgeordnete, sie im Ausbau des rheinisch-westfälischen Verkehrsnetzes und im wenngleich sie gegenüber ihren männlichen weimar sozialen Wohnungsbau auch in der Provinz sichtbar wurden. Das Kollegen deutlich in Unterzahl blieben. Die Die Ausstellung erstreckt sich zeitlich von der Vereinswesen boomte, die Lebensreformbewegung befeuerte neue Universitäten im Westen verzeichneten regen Epoche des „Wilhelminismus“ bis Mitte der Experimente in Bildung, Pflege und Sozialem, die auf Monumental- Zulauf, da sich nun weibliche Studierende 1920er Jahre, als nach frühen Krisenjahren ausstellungen wie der Großen Ausstellung für Gesundheitspflege regulär immatrikulieren durften. ■ eine relative Stabilisierung der Republik ein- getreten zu sein schien. Dabei werden neben Umbrüchen, Strukturwandlungen und Neu- orientierungen auch Kontinuitäten sichtbar. Der räumliche Bezug liegt auf dem nördlichen Rheinland, ein Kernraum von Industrialisierung, Urbanisierung, politischem Katholizismus und Arbeiterbewegung sowie der künstlerischen Moderne in Deutschland. 3.2. – 30.6.2019 www.niederrheinmuseum-wesel.lvr.de Ruhrbesetzung: Der Einmarsch der französischen Armee in Essen Erste deutsche Autobahn Köln-Bonn 1932, Die Bochumerin Lore Agnes (1876 – 1958) zusammen mit Clara Zetkin (Mitte) und am 12. Januar 1923 Luftbild der Anschlussstelle Wesseling Mathilde Wurm (rechts) vor dem Reichstag in Berlin (1919) 6 aufbrüche! 7
Stadtteil) lebende Albertine Badenberg (1865-1958) 1903 zu den Gründungsmitgliedern des Katholischen Frauenbundes in Köln und damit zu den Initiatorinnen einer katholischen gestaltung im industriegebiet ! Frauenbewegung, die für strukturelle Veränderungen, nicht aber für das Frauenwahlrecht ein- – n trat. Dennoch engagierte sie sich mit den neuen politischen Verhältnissen im November 1918 s te umgehend in der politischen Arena, denn „… in unseren Reihen [wurde] schnell begriffen, daß es im Wesentlichen von den Frauen abhängen würde, ob die neue Reichsverfassung christlich h au e s u w oder unchristlich sein würde.“ Sie wurde Mitglied im Landesvorstand des Zentrums und saß für ba ch im diese Partei von 1924 bis 1932 im Preußischen Landtag. mehr wunschdenken als realität au Gleichfalls im Landtag saß die in Witten geborene Rosi Wolfstein (1888-1987), die dort von 1921 bis 1924 für die Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands (VKPD) ein Mandat ausübte. Sie hatte vor dem Krieg dem Duisburger Kreisvorstand der SPD angehört – Frauen durften in Preußen erst seit 1908 Mitglied einer Partei sein –, zählte im April 1917 zu den Gründungsmitgliedern der USPD und wurde im November 1918 in den Düsseldorfer Arbeiter- Gerda Breuer und Soldatenrat gewählt. 1924 machte sie in einer Rede im Landtag deutlich, dass mit dem Wahlrecht lediglich ein erster emanzipatorischer Schritt getan war: „Die Masse der Frauen … Welches geographische Gebiet in Deutschland hätte prädestinierter sein können, die verlangen nicht länger nur Objekt zu sein, sie wollen ausüben die Rechte, die ihnen in der Ver- Formel von Walter Gropius: „Kunst und Technik – eine neue Einheit“ in modernes Pro- fassung zugesichert sind, sie wollen nicht mehr wegen einer angeblichen Unfähigkeit von ir- gendwelchen Berufen oder irgendwelchen Ämtern ausgeschlossen werden.“ Wobei dies mehr duktdesign umzusetzen als das Industriegebiet zwischen Rhein und Ruhr? Der Direktor Wunschdenken als Realität war, da die Mehrheit der Frauen während der Weimarer Republik des Bauhauses hatte die fundamentale Richtungsänderung seiner Schule 1923 anläss- konservativ wählte und dachte. Völlig neu zu denken und damit die Gleichberechtigung in allen lich einer ersten öffentlichen Leistungsschau in Weimar verkündet und seither prägt das gesellschaftlichen Belangen anzustreben, war selbst den meisten Frauen noch fremd. ■ Die Lehrerin, spätere Frauenrechtlerin und sachliche Design das Bild des Bauhauses. Doch galt das heutige Nordrhein-Westfalen Zentrumsabgeordnete Albertine Badenberg mit seiner dichten Landschaft von Schwerindustrie und traditionellem Gewerbe zur damaligen Zeit als die Werkstatt der Nation und folglich als kulturlos. Die Zentren der Kultur schienen weit entfernt zu liegen. In Wirklichkeit war der Boden für eine umfassende Reform des Designs in seinen von gründerzeitlichem Reichtum geprägten LVR-Industriemuseum Tuchfabrik Müller (Euskirchen) & Frauen.ruhr.Geschichte. Städten im Westen reichlich vorbereitet worden. Bürgerschaftliches LWL-Industriemuseum TextilWerk Bocholt auf dem weg zur geschlechterdemokratie Engagement vieler Mäzene wie die Bankiersfamilie von der Heydt in mythos neue frau Wuppertal, der Hagener Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus, Galerien Die Webseite Frauen.ruhr.Geschichte zeichnet die Auseinandersetzungen wie diejenige von Alfred Flechtheim in Düsseldorf, die Kunstgewerbe- mode zwischen kaiserreich, weltkrieg und um das Frauenwahlrecht am Beispiel des Ruhrgebiets nach. Politisch aktive schulen in jeder größeren Stadt des dichten Städtenetzes hatten das republik Frauen aus den unterschiedlichen Richtungen der Frauenbewegung Interesse der Bürgerinnen und Bürger für moderne Kunst geweckt; werden ebenso vorgestellt wie die ersten weiblichen Abgeordneten. Das die Sonderbund-Ausstellung in Köln von 1913 war für viele Künst- Bubikopf, kurze und schlicht geschnittene Kleider, selbstbewusstes Projekt interessiert sich für Personen, Konflikte, Netzwerke und Formen, lerinnen und Künstler ein Erweckungserlebnis. Auftreten – das waren die Kennzeichen der modernen Frau der 1920er mit denen heute an die geschlechterdemokratischen Diskussionen rund Jahre. Die Ausstellung stellt den Mythos „Neue Frau“ in Bezug auf die um das Frauenwahlrecht im Ruhrgebiet erinnert wird. Es fragt damit nach Viele der Industrien im Westen waren für die neuen Designobjekte Kleidung und Mode vor und hinterfragt ihn zugleich: War das revolutionär den Voraussetzungen für Gleichberechtigung und politische Teilhabe. Zulieferer und Produzenten von Halbzeugen: das waren die Kupfer-, neue Bekleidungsschema ein Akt der Emanzipation oder entstand es Die Ergebnisse sind sichtbar in den vom Netzwerk Forum Geschichtskultur Messing- und Zinkindustrien in Stolberg, die Papierindustrien in einfach aus praktischer Notwendigkeit? Mehr als 130 Originalkostüme an Ruhr und Emscher mit Unterstützung des LWL-Industriemuseums Düren und Bergisch-Gladbach, die Textilproduzenten in Wuppertal, und viele weitere historische Exponate lassen die Zeit zwischen 1900 und getragenen Internetauftritt von Frauen.ruhr.Geschichte. Krefeld und Aachen, die Farbstoffe der Farbenfabriken von Carl 1930 wieder lebendig werden. Leverkus in Wiesdorf am Rhein, die zu den Bayer-Werken fusionier- www.frauenruhrgeschichte.de ten, und nicht zuletzt die Stahlwerke im Ruhrgebiet. Betrachtet man Euskirchen: 17.2. – 17.11.2019 Bocholt: 29.3. – 1.11.2020 Zeitzeugnisse vieler Protagonisten des 20er Jahre-Designs, dann www.industriemuseum.lvr.de spielten diese Materialien eine große Rolle für innovative Produktge- www.lwl.org/industriemuseum Frauenmuseum Bonn staltung. Walter Gropius widmete ihnen viele Aufsätze, der zweite Direktor Hannes Meyer deklamierte die neuen Materialien euphorisch frauenpolitischer in seinen Manifesten, der dritte Direktor Ludwig Mies van der Rohe LVR-Freilichtmuseum Lindlar aufbruch setzte sie in seinen Stahlrohrstühlen und seinen Bauten aus Glas und Stahl symbolhaft ein. Aber auch für weniger spektakuläre Details neue politik. frauen auf dem land Die Ausstellung thematisiert den Kampf um politische Partizipation vom des Neuen Bauens, von Bodenbelägen bis zu Fensterrahmen, von Frauenwahlrecht bis zum Ministerinnenamt. Nach dem lange erfolg- Dämmmaterialien bis zu Türzargen experimentierte man mit neuen Die Ausstellung thematisiert die Veränderungen des Alltagslebens in losen Engagement für das Stimmrecht startete die Weimarer Republik Materialien und präsentierte sie auf Ausstellungen über modernes der ländlichen Region während der Weimarer Republik. Im Fokus steht hoffnungsvoll: Im ersten demokratisch gewählten Reichstag 1919 waren massentaugliches Wohnen. Viele dieser Unternehmen suchten des- die rechtliche Gleichstellung der Frau, die durch die demokratische Ver- Frauen vergleichsweise gut vertreten, doch bei jeder Wahl nahm ihr Anteil halb den Anschluss an die Moderne in einer öffentlichkeitswirksamen fassung Deutschlands im Jahr 1919 formuliert ist. Damit verbunden ab. Trotzdem konnten die Parlamentarierinnen wichtige Frauenrechte modernen Werbegraphik. ist die Teilhabe an Beruf, Bildung, Kultur und Poliktik. Insbesondere die durchsetzen, die durch die NSDAP aber wieder in Gefahr gerieten. Die Frage, inwieweit die Emanzipation der Frau tatsächlich in den ländlichen Schau nimmt im zweiten Teil die Bonner Republik in den Blick, die an das Regionen zu Veränderungen führte, wird anhand weiblicher Lebensent- schwierige Erbe von Weimar anknüpfte. würfe anschaulich behandelt. Spuren der Farb-Moderne im Hans-Sachs-Haus Erster Teil: 3.10.2018 – 28.4.2019 Neues Farbleitsystem von Katharina Marg/formkombinat Ab 8.3.2020 Zweiter Teil: Ende März 2019 – 30.9.2019 unter Einbindung der Spuren des alten Farbleitsystems. Entworfen 1927 von Max Burchartz www.freilichtmuseum-lindlar.lvr.de www.frauenmuseum.de 8 aufbrüche! bauhaus – auch im westen! 9
gestaltung im industriegebiet Von besonderer Bedeutung ist die Werk- der avantgardistischen Gestaltung seiner der vor Ort bereits mit ganzheitlichen Ge- das in Zusammenarbeit von Alfred Fischer bundausstellung in Köln 1914. Sie bildete Werbung und seinen Verpackungen. staltungskonzepten experimentierte, bevor als Architekten und Max Burchartz als all jenen Kräften ein Forum, die vom Ideal Die seit 1904 als Damaszierwerkstatt in er seine spätere Tätigkeit als „künstlerischer Designer zwischen 1924 und 1927 realisiert durchdrungen waren, dass die Verbindung Solingen existierende Firma C. Hugo Pott Beirat“ der AEG in Berlin übernahm und wurde: das Farbleitsystem im ursprünglich als von industrieller mit künstlerischer Gestaltung entwickelte sich seit Eintritt des Sohnes Carl seine gestalterische Corporate Identity für Mehrzweckbau geplanten Hans-Sachs-Haus für die Modernisierung einer Gesellschaft – Pott zu einem der bedeutendsten Unterneh- die Firma entwickelte. in Gelsenkirchen. und natürlich der deutschen Nation im men für Tafelbestecke in Deutschland. Carl Handel mit der Welt – vorrangig sei. Darunter Pott ließ sich als überzeugtes Werkbundmit- bauhäusler im Burchartz war nach dem Besuch des Bau- waren Vertreter der großen Industrieunter- glied von dieser Vereinigung und auch vom westen hauses 1924 in das Kerngebiet schwerindus- nehmen Krupp, Mannesmann und Bayer, die Bauhaus inspirieren, sodass seine Bestecke trieller Entwicklung gezogen, und hier nach allesamt Werkbundmitglieder waren, und zu internationalen Erfolgen führten. Als Direktor der seit 1911 bestehenden Bochum. Dort gründete er die Werbeagentur viele Unternehmer der Region, die mit ihren Handwerker- und Kunstgewerbeschule „werbe-bau“. Seine Werbung ist eines der Produkten und ihrer neuen Warenästhetik Die Modernisierung der Produktgestaltung in Essen, die 1928 zur „Folkwangschule seltenen Beispiele in den 1920er Jahren, auftraten. mitsamt ihrer medialen Kommunikation für Gestaltung“ umbenannt wurde, holte das sich der Schwerindustrie zuwandte. Die Max Burchartz, o.T., 1923, Museum Ritter, Waldenbuch/Gerhard Sauer von Werbung und Verpackung bis hin zur der Architekt Alfred Fischer ehemalige Guss-Stahl-Elemente und -Geräte, die der Museum Ritter, Waldenbuch/Gerhard Sauer © VG-Bild Kunst 2018 Da war der Klavierhersteller Rud. Ibach Sohn Firmenarchitektur verlief gleitend von der Bauhaus-Schüler und -Schülerinnen nach Konzern „Bochumer Verein“ u.a. produzier- aus Schwelm, der schon vor dem Ersten Jahrhundertwende bis in die 1920er und Essen. Fischer wollte der Stadt und dem te, wurden von ihm nach dem Prinzip des Weltkrieg Flügel von Patriz Huber, Bruno 1930er Jahre hinein. Essener Gewerbe Wege „in die Qualitätsar- Typofotos wie architektonische Elemente in Dass sich so viele Bauhäusler und Bauhäuslerinnen nach 1933 im Paul, Bernhard Pankok und Peter Behrens beit“ und in eine zeitgemäße Formensprache die Werbefläche eingebunden, gleichzeitig Westen aufhielten wie das ungewöhnliche Engagement des Lack- gestalten ließ und einschlägige Vertreter Von großer Bedeutung waren dabei die für ihre Produkte weisen. Das waren neben dynamisieren sie die Fläche. Burchartz ent- fabrikanten Herberts zeigt, der berühmte Bauhaus-Absolventen wie der Reformmoderne für seine Werbung Kunstgewerbeschulen, die mit unterschied- dem Werbegrafiker und Fotografen Max warf Werbeprospekte für viele Firmen des Oskar Schlemmer nach Wuppertal holte, oder die ehemaligen Bau- engagierte. licher Intensität die Zeichen der Zeit in ihre Burchartz die Textilgestalterin und Malerin Bergischen Landes, für Orion, Lüdenscheider haus-Schüler und Lehrer Gerhard Kadow, Georg Muche, Elisabeth Lehre integrierten und Lehrer aus den Zent- Grete Willers, der Maler Max Peiffer Waten- Metallwerke AG, und Metallobjekte für die Kadow, Max Peiffer Watenphul, kurz vorher schon Johannes Itten an Ebenfalls vertreten war der Zigarettenher- ren der Moderne in den Westen holten. Allen phul und später der Fotograf und Künstler WEHAG in Heiligenhaus, beispielsweise Tür- der Textilfachschule in Krefeld, zeugt nicht zuletzt von dem Gewinn, steller Joseph Feinhals, eine Schlüsselfigur voran ging dabei die Kunstgewerbeschule in Werner Graeff. Aus dieser Ausrichtung ging griffe, die bis heute produziert und vielfach den sich die Privatindustrie und die Schulen für angewandte Kunst des Kölner und rheinischen Kulturlebens, mit Düsseldorf mit ihrem Direktor Peter Behrens, ein besonders interessantes Projekt hervor, als „Bauhaus-Türdrücker“ kopiert werden. von moderner Gestaltung im Industriegebiet versprachen. ■ LVR-Industriemuseum Peter-Behrens-Bau Hetjens – Deutsches Keramikmuseum MAKK – Museum für Angewandte Kunst LWL-Industriemuseum Glashütte Oberhausen Köln Gernheim wechselwirkungen. neue stoffe, neue formen meister und gesellen des 2 von 14. zwei kölnerinnen leuchten der moderne – Das LVR-Industriemuseum zeigt in Koope- bauhauses zwischen am bauhaus glasproduktion im licht des ration mit dem Deutschen-Kunststoff-Mu- werkstatt und industrie bauhauses Das MAKK konnte 2015 ein größeres und seums-Verein e.V. Düsseldorf eine Schau zum bedeutendes Konvolut Keramiken der neu aufkommenden Industriedesign: Neben Große Namen wie Gerhard Marcks, Otto Lindig Kunst und Technik – eine neue Einheit! Kaum oder Marguerite Friedlaender-Wildenhain sind avantgardistischen Künstlerin Margarete eine andere Gestaltungsaufgabe bot dafür ein der Avantgarde des Bauhauses setzte sich in Heymann-Loebenstein (1899 – 1990) er- den 1920er Jahren insgesamt eine moderne mit den beiden Bauhaus-Werkstätten in Dorn- so breites Betätigungsfeld wie die Themen burg a.d. Saale verbunden, die großen Einfluss werben. Obwohl sie das Bauhaus nach einem Licht und Beleuchtung. Formgestalter vom Formensprache in der Produktgestaltung von Jahr wieder verließ, um dann 1923 gemeinsam Konsum- und Investitionsgütern durch. Neue auf die Keramikkunst hatten. Die Sonderaus- Bauhaus wie Wilhelm Wagenfeld, Marianne stellung thematisiert die Wechselwirkungen mit ihrem Mann Gustav Loebenstein die Brandt und Adolf Meyer arbeiteten an zeitge- und hochwertige Materialien traten ihren Sie- Haël-Werkstätten zu gründen, prägte die geszug an. Zugleich werden Alltagsgeschichten von Meistern und Gesellen innerhalb der Werk- mäßen und funktionellen Lösungen dieser neu- statt im Spannungsfeld mit der keramischen Bauhaus-Zeit ihr Schaffen. Die Ausstellung en Aufgaben. In der Ausstellung wird erstmals erzählt, in denen die sozialen und kulturellen im MAKK würdigt ihr Werk in Kombination Funktionen von neuem Design und neuen Industrie. Beleuchtungsglas der Moderne präsentiert. mit Bühnenentwürfen ihrer Cousine Marianne Sie schlägt den Bogen von den technischen Werkstoffen deutlich sichtbar werden. 16.2. – 12.5.2019 Ahlfeld-Heymann (1905 – 2003), die 1923 Voraussetzungen wie hitzebeständigem Glas 19.5.2019 – 23.2.2020 www.düsseldorf.de/hetjens ebenfalls ans Bauhaus ging. und Elektrizität über die Formkonzepte des www.industriemuseum.lvr.de 12.4. – 11.8.2019 Bauhauses, Wagenfelds Entwürfe der 1930er www.makk.de Jahre hin zu den Gestaltungen der sogenann- ten Neuen Sachlichkeit. Hans-Sachs-Haus Gelsenkirchen, 1924 – 1927. Architekt: Alfred Fischer, 10.2. – 25.8.2019 Historische Ansicht ca. 1953 www.lwl.org/industriemuseum 10 bauhaus – auch im westen! 11
neues bauen bauhaus im rheinland in westfalen? Holger Mertens In Westfalen wurde lange davon ausgegangen, dass es keine baulichen Zeugnisse von Bauhauslehrenden oder -schülern gebe. Aachen, Soziale Frauenschule, 1929 – 30, Architekt: Rudolf Schwarz Mit den Recherchen zum Landhaus Ilse (S. 24) in Burbach, das eine Kopie des Hauses am Horn ist, wurde zwischenzeitlich der Gegenbeweis geführt. Nicht nur die Verbreitung der Bauhausent- Otto Bartning in Köln von 1928 zu erkennen. würfe, sondern auch die direkte Konkurrenz Die Besonderheit des Dortmunder Baus mit und die bewusste Abgrenzung gegen- liegt nicht nur in der frühen Stahlbeton-Ske- über Walter Gropius sind in Westfalen mit lettbauweise, die einen trapezförmigen, Bauten des Architekten Leopold Fischer in stützenlosen Innenraum ermöglicht, sondern Bielefeld und Werther überliefert. Doch sind in der konsequenten Verwendung von Be- in der Zukunft noch mehr Funde von „echten ton und Glas als gestalterische Elemente. Bauhäuslern“ in dem von Dessau, Weimar Die Gemeinde verzichtete auf die übliche und Berlin weit entfernten Westfalen zu er- Verblendung aus Natur- oder Backstein und Düsseldorf, Wohnhaus Wach, 1931 – 33, Architekt: Karl Wach warten? behielt die rohe Betonoberfläche mit ihren Spuren der Schalungsbretter bei. Die intensivere Beschäftigung mit dieser Im Bereich des Siedlungsbaus gibt es Köln, Naumannviertel, 1927 – 29, Architekten: Manfred Faber, Otto Scheib, Fritz Fuß, Hans Heinz Lüttgen Zeitschicht lässt tatsächlich auf den einen in Westfalen mehrere Beispiele, die mit oder anderen Fund hoffen, da diese moder- Einflüssen des Bauhauses in Verbindung Andrea Pufke nen Bauten bereits seit 1930 einem hohen gebracht werden können. Bemerkenswert – oft politisch motivierten – Veränderungs- ist allerdings, dass besonders bei diesen Zu den bundesweit organisierten Feierlichkeiten zum 100-jährigen Gründungsjubiläum druck ausgesetzt waren. Es ist inzwischen Bauten die Akzeptanz für die teilweise des Bauhauses 2019, in NRW unter dem Motto „100 jahre bauhaus im westen“, bei einigen Objekten belegt, dass sie auf sehr schlichte, moderne Architektur erst steuert das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland einen Führer zu Orten des Drängen der Bauverwaltung nachträglich in den letzten Jahren zu wachsen scheint. oder im Zuge des Bauantragsverfahrens Ein prominentes Beispiel für die sich Neuen Bauens im Rheinland bei. ein Sattel- oder Walmdach anstelle eines ändernde Wahrnehmung der architekto- Flachdaches erhielten. Auch der Rück- nischen Qualität ist die neu eingeführte „Neues Bauen“ und nicht „Bauhaus“ deshalb, In mancher Hinsicht handelt es sich auch um eine kritische Bestands- bau von großflächigen Verkleidungen der Namensgebung der „Bauhaus-Siedlung weil direkte Verbindungen zum Schulbetrieb aufnahme. Kritisch ist heute der Zustand vieler einstmals ikonischer 1960er- und 1970er-Jahre bringt so man- Schlieper“ (erbaut 1928–1930) in Iserlohn, des Bauhauses, etwa durch im Rheinland Objekte, die im Zuge von „Verschönerungen“, Renovierungen und St. Nicolai, Dortmund, 1929 – 1930, che schlicht-sachliche Fassade wieder zum die noch vor wenigen Jahren als „Schand- Architekten: Karl Pinno und Peter Grund praktizierende ehemalige Studierende des Umnutzung bis zur Unkenntlichkeit verändert wurden, wenn sie nicht Vorschein. fleck“ und „Abrisskandidat“ gehandelt Bauhauses, sehr selten sind und auch die ohnehin schon im Zweiten Weltkrieg zerstört oder auch erst später wurde. Dass Sparsamkeit und Sachlichkeit Bauten des kurzzeitigen Bauhaus-Direktors abgerissen wurden. Hier schreibt sich womöglich eine negative „modern“, „funktionalistisch“ hervorragend zusammenpassen, zeigen die Mies van der Rohe in Krefeld die Ausnahme Grundhaltung gegenüber der architektonischen Moderne fort, die von der Regel blieben. Dennoch findet sich sich bis in ihre Sturm- und Drangjahre der Weimarer Republik zurück- und „neu“ – auch in westfalen zweigeschossigen Laubenganghäuser des städtischen Hochbauamtes von 1930 in der in der rheinischen Architektur aus der Zeit verfolgen lässt – war doch die Durchsetzung des Neuen Bauens zu Verstellt gar die Suche nach „dem Bau- Bochum-Wattenscheider Schulstraße. Die der Weimarer Republik, die in der Breite eher dieser Zeit immer das Projekt einiger Weniger, auch wenn sich ins- haus“ den Blick auf die moderne, sachliche Kleinstwohnungen sollten die Wohnungs- durch Backsteinexpressionismus, Reformstil besondere in den Kommunal- und Bauverwaltungen Unterstützung Architektur der 1920er- und 1930er-Jahre? not lindern und konnten dementsprechend und Heimatschutz geprägt erscheint, auch fand. Schließlich war das Bauhaus nur eine von nur in einfacher Bauweise errichtet werden. eine Reihe von Bauten, die eine funktionale vielen Ausbildungsstätten der Zeit. Für west- Nahezu identische Notwohnungen wurden Konzeption mit einer sachlichen, abstrakt- gefeiert und gefährdet fälische Studierende lag die Ausbildung in anderenorts auch nach dem Zweiten Welt- avantgardistischen Architektursprache Düsseldorf oder Essen etc. sicherlich näher. krieg errichtet. verbinden. Und dennoch überrascht die Vielfalt von Beispielen des Neuen Bauens im Rheinland, die auch als Kommentar zu einer allzu eindimensionalen Auch in Westfalen tätige Architekten wand- Siedlung Schlieperblock, So finden sich in jeder Baugattung auch in Huldigung einer zum Label erstarrten „Bauhaus-Moderne“ verstanden Gebäude an der Ankerstraße in Iserlohn ten sich, unabhängig vom Bauhaus, gegen Wo befanden bzw. befinden sich diese Bau- das traditionelle Bauen und strebten eine Westfalen viele Beispiele des Neuen Bauens, ten, wer hat sie geplant, wer in Auftrag ge- werden kann. Hier erweist sich der Ballungsraum des Rheinlands mit seinen vielen selbstständigen Kommunen architektonisch als besonders moderne Formgebung an. Ein prägnantes die zum Jubiläumsjahr des Bauhauses ge- geben, welche Bauaufgaben waren zentral, Beispiel im Sakralbau ist die Dortmunder Ni- meinsam mit dem LVR-Amt für Denkmalpfle- welche nur am Rande vertreten und welche vielfältiges Terrain, zu dessen Sondierung diese Bestandsaufnahme anregen will. ■ colaikirche, in den Jahren 1929/30 nach den ge im Rheinland mit kurzen Steckbriefen auf institutionelle Förderung erhielt die moderne Plänen von Karl Pinno und Peter Grund er- der Internetplattform www.baukunst-nrw.de Architektur im Rheinland durch Museen, richtet. Als Vorbild ist die Pressa-Kirche von präsentiert werden. ■ Ausbildungsinstitute und Bauverwaltungen? 12 bauhaus – auch im westen! 13
bauhaus-moderne Der mit dem Bauhaus-Gedanken ver- bundene Backsteinbau der Industrie und karl ernst osthaus und industriebau besonders des Ruhrgebiets wurde zu einer verbreiteten Variante der Architektur der und hagen – 1920er Jahre. Alfred Fischer, Edmund Körner, Erberich & Scheeben und Schupp & eine stadt als experimentierfeld Kremmer waren die wichtigsten Protago- nisten dieser Architektur. Man berief sich im Ruhrgebiet auf die Tradition des bis zum Niederrhein reichenden norddeutschen Backsteinbaus. Zudem wurde der Ziegel in der moderne dunkler Tönung als besonders geeignet für Walter Buschmann die durch Ruß und Staub geprägten Indust- Christin Ruppio riestädte und -reviere betrachtet. In zahlreichen Zitaten der 1920er und frühen 1930er Jahren taucht Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Kultur- der Gedanke einer für die Bauhaus-Architektur stilbildenden Kraft Fritz Schupp und Martin Kremmer, die vermittler und Mäzen Karl Ernst Osthaus (1874 – wohl produktivsten Industriearchitekten 1921) überzeugt, dass die vergleichsweise ab- des Industriebaus auf. In ähnlicher Weise galt das für Ingenieurkons- im Ruhrgebiet, entwickelten dann mit der truktionen. Für sie gelten die Gesetze der Statik und Mathematik Stahlfachwerkarchitektur ein eigenstän- gelegenen Industrieregionen des Kaiserreiches und der Zwang zu einer kostengünstigen Bauweise. Ingenieurbauten diges Ausdrucksmittel der klassischen Potenzial als Motoren des kulturellen Wandels Moderne und eine wichtige Variante der hatten. Als Zentrum seiner Reformbestrebungen waren die geborenen Wegbereiter der Moderne. Bauhaus-Architektur. Stahlfachwerk passte hervorragend zu den Anforderungen der wählte Osthaus daher gezielt seine Heimatstadt Industrie, es entsprach gestalterisch mit den Hagen am Rande des Ruhrgebiets. sichtbaren Stahlprofilen in der Fassade der Die Fabrikbauten von Peter Behrens für Ideenwelt des Konstruktivismus und ließ sich die AEG ab 1908 und von Walter Gropius zu eindrucksvollen, kubisch geformten Bau- Nachdem Osthaus als Sohn einer Industriellenfamilie zunächst in und Adolf Meyer für die Fagus-Werke/Al- massenkompositionen ausbilden. eine kaufmännische Lehre gegangen war, konnte er sich nach einer feld (1911-14) standen am Beginn einer beträchtlichen Erbschaft ausschließlich seiner Idee einer „Kunst für Entwicklung, die dann nach Gründung des Die vom Bauhaus inspirierte Industriearchi- alle“ widmen. Bauhauses 1919 konstitutiv war für das, tektur der Industriestädte und -reviere bot was spätere Generationen als Bauhaus-Stil mit ihrer dunkelrot bis blaugrauen Erschei- Ein Meilenstein für Hagen als Knotenpunkt der Moderne war das bezeichneten. nungsform das Gegenbild zur strahlend wei- 1902 eröffnete Folkwang Museum; das erste Museum für zeitgenös- ßen Putzarchitektur. Die unter dem Einfluss sische Kunst weltweit. Ab 1908 trug Osthaus‘ Freund Walter Gropius Die weiße Putzarchitektur des Funktionalis- des Bauhauses entstandene Industriearchi- für dieses „Weltmuseum“, in dem außereuropäische und europäische mus jedoch war im Industriebau die Ausnah- tektur ist ein Bedeutungsträger für die an Kunst gleichwertig präsentiert wurde, eine Sammlung spanisch-isla- me (vgl. die Verseidag-Bauten von Mies van Sparsamkeit und Rationalisierung orientierte mischer Fliesen zusammen. Die Vermittlung an die breite Bevölkerung der Rohe, S. 21). Peter Behrens hatte mit Zeit, mit ihrer „knappen Straffheit ... (des) vollzog sich neben ständig wechselnden Ausstellungen und Vorträgen seinen AEG-Bauten in Berlin einen Grund- technischen und wirtschaftlichen Lebens, … im Folkwang vor allem durch das ab 1909 angegliederte Deutsche akkord angeschlagen, der besonders in den der Ausnutzung von Material, Geldmitteln, Museum für Kunst in Handel und Gewerbe. In Kooperation mit dem Industriestädten und Montanrevieren in den Arbeitskräften und Zeit…“ wie es Walter Deutschen Werkbund und Walter Gropius realisierte Osthaus interna- 1920er Jahren dankbar aufgegriffen wurde. Gropius 1913 formulierte. ■ Förderturm der Zeche Königsborn in Hamm-Bönen, tionale Wanderausstellungen zu vorbildlichem Design, welches die In- 1923, Architekt: Alfred Fischer dustrie befruchten sollte. Auch der Stadtraum Hagens wird bis heute Zentrallager der Gutehoffnungshütte Oberhausen, 1921 – 1926, Architekt: Peter Behrens UNESCO-Welterbe Zollverein, 1928 – 1932, Von Henry van de Velde 1908 erbaut, von Karl Ernst Osthaus bewohnt, von Walter Architekten: Fritz Schupp und Martin Kremmer Gropius besucht: der Hohenhof in Hagen, „Kreuzpunkt der Moderne“ 14 bauhaus – auch im westen! 15
essens aufbruch Osthaus Museum Hagen Osthaus Museum Hagen durch die von Osthaus angeregten Projekte in die moderne geprägt, so z.B. durch das Buntglasfenster kandinsky, kerkovius, klee die ökonomische kraft von Jan Thorn Prikker im Bahnhofsge- & co. bauhaus-künstler aus der künstlerischen idee. bäude. Außerhalb des Zentrums gründete der sammlung des osthaus walter gropius’ wander- Osthaus die Gartenstadt Hohenhagen als museums hagen ausstellung „vorbildliche „Experimentierfeld modernen Bauens“, auf dem renommierte Architekten wie Henry van In der Sammlung des Osthaus Museums industriebauten“ – eine de Velde, Peter Behrens und August Endell, befinden sich Werke von Künstlerinnen und rekonstruktion aber auch noch weniger bekannte Talente Künstlern, die entweder als Lehrer am Bauhaus wie Bruno Taut ihre Ideen für den modernen Ruhr Museum Im Zusammenhang mit der Arbeit im Deut- gewirkt oder dort studiert haben: Anni Albers, Städtebau erproben sollten. Josef Albers, Max Bill, Lyonel Feininger, Wassily schen Werkbund diskutierten Karl Ernst Ost- Nach der Jahrhundertwende schaffte Essen den haus und Walter Gropius die Frage, wie sich der Kandinsky, Ida Kerkovius, Paul Klee, Gerhard Fabrikbau mit dem künstlerischen Anspruch Walter Gropius war als Angestellter des Sprung von einer Industriestadt zur Metropole Marcks, László Moholy-Nagy, Oskar Schlemmer verbinden lässt. Osthaus erwirkte für Gropius Architekturbüros maßgeblich an Behrens‘ mit überregionaler Strahlkraft. Die visionären und Fritz Winter. Die Chronologie beginnt in der Beiträgen beteiligt und betonte noch 1958, Vorbauhauszeit mit Karl Peter Röhl, der das ers- den Auftrag, eine Ausstellung „Vorbildlicher welch großen Einfluss die Hagener Bauten, Oberbürgermeister Zweigert und Holle siedelten Industriebauten“ zusammenzustellen, die ab te Bauhaus-Siegel entwarf und endet bei Josef 1911 als Wanderausstellung des „Deutschen allen voran das Krematorium in Hagen-Del- mächtige regionale Verbände wie die Emscherge- Albers‘ “Homage to the Square“ in den späten Museums für Kunst in Handel und Gewerbe“ stern (1907), auf sein frühes Architekturver- nossenschaft und den Ruhrverband in Essen an sechziger Jahren. ständnis nahmen. Auch wenn Gropius sich Reinhard Hilker (1899 – 1961) von Hagen aus auf Tournee geschickt wurde. und gründeten eine Messe. Um die Lebensqualität Dieses gemeinsame Projekt von Gropius und 27. 1. – 24.3. 2019 Osthaus wird im Osthaus Museum Hagen in für die rasch steigende Zahl von Arbeiterinnen Kooperation mit den Kunstmuseen Krefeld und Arbeitern sowie Angestellten zu verbessern, Osthaus Museum Hagen rekonstruiert. bauten sie den Nahverkehr aus, schufen stadtnahe zwischen bauhaus und Anlässlich der Ausstellung wird der mehrere Erholungsgebiete und errichteten neue Wohnsied- diktatur: die zwanziger jahre hundert Schriftstücke umfassende Briefwech- lungen. in hagen sel zwischen Osthaus und Gropius, den das Osthaus Museum im Karl Ernst Osthaus-Archiv Die Ausstellung belegt den Einfluss und die Tra- verwahrt, in einer wissenschaftlich kommen- dition des Bauhauses in der Stadt von Karl Ernst tierten Edition unter dem Titel „‘Osthaus was Osthaus. Die reichen Bestände des Stadtarchivs instrumental in supporting me‘... – Walter und Stadtmuseums ermöglichen Einblicke in die Gropius, Karl Ernst Osthaus und das Bau- Gesellschaft, Kultur, Stadtplanung und Politik haus“ erscheinen. Die Herausgabe dieser der Revolutionszeit 1918 – 1920 sowie der Wei- Briefedition wird ermöglicht durch die Stiftung marer Republik in Hagen. Sie dokumentieren die der Sparkasse Hagen. Not und das Elend der Krisen- und Inflations- jahre und die politischen Auseinandersetzungen Ergänzend zur „Industriebauten“-Ausstellung sowie den kurzzeitigen Aufschwung, der sich vor eröffnet das Baukunstarchiv NRW in Dortmund allem auch in der Überlieferung zur Stadtplanung am 5. September 2019 die Ausstellung „Vor und Architektur widerspiegelt. dem Bauhaus: Osthaus“. Beide Projekte Getreidesilo und Elevator, Fort William: Gropius fand Vorbilder in den funktionalen Industriebauten der USA basieren auf Bildmaterial der historischen 13. 4. – 2. 6. 2019 Photographienzentrale des von Osthaus in Hagen gegründeten „Deutschen Museums für kurz darauf von Behrens abwandte, blieb die Kunst in Handel und Gewerbe“ und sind inhalt- enge Verbindung zu Osthaus bestehen. So Baukunstarchiv NRW/TU Dortmund lich eng auf einander bezogen. Daher werden gab Osthaus einen direkten Anstoß auf dem Zufahrt zur Siedlung Margarethenhöhe in Essen, um 1920 die Ausstellungen an aufeinanderfolgenden Weg zum Bauhaus, indem er Henry van de vor dem bauhaus: osthaus Tagen eröffnet und von einem gemeinsamen Velde den Rat gab, Gropius als einen seiner Vermittlungsprogramm begleitet. möglichen Nachfolger in Weimar vorzuschla- Eine besondere Siedlung entstand 1906 mit der Margarethenhöhe, Der „Hagener Impuls“ und sein Initiator Karl gen. In der Gartenstadt Hohenhagen wurden einer der ersten Gartenvorstädte Deutschlands. Dieses Siedlungs- Ernst Osthaus spielten für die Reform der Archi- 7. 9. 2019 – 12. 1. 2020 nur wenige Bauten realisiert, darunter der projekt auf einer unerschlossenen, innenstadtnahen Fläche verwirk- tektur sowie der angewandten und bildenden www.osthausmuseum.de Hohenhof als Wohnsitz der Familie Osthaus, lichte die Stadt mit der Familie und Firma Fried. Krupp. Die Inhaberin Künste eine außerordentliche Rolle. Westfalen bevor die heute als Hagener Impuls bekann- Margarethe Krupp stiftete 1906 anlässlich der Hochzeit ihrer leistete hier einen frühen und eigenständigen te Bewegung durch den Ersten Weltkrieg Tochter Bertha das Gelände und einen beträchtlichen Geldbetrag. Beitrag zur Architektur- und Kulturreform und den frühen Tod von Osthaus im Jahr Gemeinsam gründete man die Margarethe-Krupp-Stiftung für der Moderne. Die Ausstellung würdigt diese 1921 ein jähes Ende fand. Der Impuls über- Wohnungsfürsorge. Bis heute zeichnet die Siedlung ihre hohe Wohn- Leistungen, indem sie in Zusammenarbeit mit dauert jedoch in den Werken der in Hagen qualität aus, die als architektonisches Kleinod über die nationalen Foto Marburg Fotografien präsentiert, mit denen aktiven Künstler und wurde von ihnen weit Grenzen hinaus wahrgenommen wird. Ihre Gestaltung übernahm Osthaus seinerzeit seine Initiativen weltweit über die Stadtgrenzen hinausgetragen. ■ der Architekt Georg Metzendorf, der nicht nur die Häuser und ihre bekannt machte. Begleitet wird diese historische Inneneinrichtung entwarf, sondern auf den Straßen und Plätzen Öffentlichkeitsarbeit von einem aktuellen Ver- auch Denkmäler und Kunstwerke aufstellen ließ. Diese künstlerische mittlungsprogramm, das den „Hagener Impuls“ Durchdringung zog Künstler an, für die eigene Ateliers und Werk- im Hinblick auf das Bauhaus beleuchtet. Von Hagen aus auf Tournee durch Europa: häuser errichtet wurden. In der Weimarer Republik wohnten und Gropius‘ Prospekt für die von ihm konzipierte 6. 9. – 20. 10. 2019 Wanderausstellung der vorbildlichen „Indus- arbeiteten hier unter anderem Hermann Kätelhön, Joseph Enseling, www.baukunstarchiv.nrw triebauten“ Elisabeth Treskow, Albert Renger-Patzsch und Will Lammert. 16 bauhaus – auch im westen! 17
Nach dem Ersten Weltkrieg holte Ober- bürgermeister Luther eine Kunstsammlung avantgarde am von internationalem Rang nach Essen: 1922 erwarben die Stadt und kunstbe- niederrhein ew geisterte Kreise aus Politik, Wirtschaft und Kultur Kunstwerke aus dem Nachlass des r v i inte verstorbenen Hagener Kunstmäzens Karl Ernst Osthaus. Auf dessen „Folkwang-Idee“ mit istiane basierend, entwickelte sich Essen zur „Folkwang-Stadt“. 1924 gründete sich der chr ge „Kunstverein Folkwang“, 1925 stellte der Architekt Edmund Körner den Entwurf für Volkshochschule Essen Ludwig Mies van der Rohe und Bauhaus – mit diesen Namen ver- bindet man ikonische Bauten und einen Mythos. Weniger bekannt ist lan das Museum Folkwang vor, und 1928 wur- aufbrüche den die Essener Folkwangschule für Musik, jedoch, dass sowohl der berühmte Architekt als auch die legendäre Tanz und Sprache mit der Handwerker- und In Essen, stellvertretend für das Ruhrgebiet, wird die Moderne Kunstgewerbeschule zur „Folkwangschule nicht nur bei der Arbeit sichtbar, sondern ganz konkret auch beim Kunstschule aus Weimar/Dessau in einer engen Verbindung zur rheini- für Gestaltung“. Denken und Lernen – so wie es am Bauhaus in Weimar und Dessau schen Stadt Krefeld standen und dort zahlreiche Spuren hinterließen. exemplarisch zur gleichen Zeit stattgefunden hat. Anlässlich des Mies van der Rohe, Lilly Reich, Johannes Itten und Georg Muche so- 100-jähringen Jubiläums ihrer Gründung organisiert die VHS Essen für das Stadtgebiet unter dem Thema „100 Jahre Volkshochschule wie eine Reihe weniger bekannter Bauhaus-Schüler wirkten seit Mitte Essen – Aufbrüche“ einen Verbund, der in Ausstellungen, Vorträgen der 1920er bis in die 1960er Jahre in Krefeld als Designer, Architekten und Exkursionen die Verbindung von politischer und kultureller und in der Gestalterausbildung. Wir sprachen mit Christiane Lange, Moderne aufzeigt. Kunsthistorikerin und Kuratorin eines der Krefelder Beiträge zum www.vhs-essen.de/100Jahre.htm Bauhaus-Jubiläum: „map 2019 Bauhaus – Netzwerk – Krefeld “ Ruhr Museum Essen Frau Lange, warum sollte man ausge- rechnet nach Krefeld kommen, um das aufbruch im westen. Bauhaus und insbesondere Mies van der die künstlersiedlung Rohe zu entdecken? Christiane Lange: Mies erhaltenes europäi- margarethenhöhe sches Œuvre ist klein, es umfasst – ohne Das Ruhr Museum zeigt anlässlich des 100. Geburtstages des seine frühen Berliner Villen – nur neun „Kleinen Atelierhauses“ auf der Margarethenhöhe eine große Aus- Bauten, drei davon stehen in Krefeld: Sein stellung über die dortige Künstlersiedlung. Zusammen mit Darm- einziges Villenensemble bestehend aus Innenhof des Museum Folkwang in Essen, nach 1929 stadt-Mathildenhöhe, Dresden-Hellerau und Worpswede gehörte Haus Lange und Haus Esters, 1927 bis die Margarethenhöhe in den 1920er Jahren zu den bedeutendsten 1930, und sein einziger Industriebau, das Essen wurde eines der Zentren des künstlerischen Aufbruchs im Künstlerkreisen in Deutschland und hat den künstlerischen Aufbruch sogenannte Färberei- und HE-Gebäude der westdeutschen Industriebezirk in der Weimarer Republik. Der kultu- im rheinisch-westfälischen Industriebezirk, der als „Westdeutscher Vereinigte Seidenwebereien AG, 1930 bis relle Aufbruch wurde mit der Machtübernahme der Nationalsozialis- Impuls“ in die Geschichte einging, maßgeblich mitbestimmt. 1931/1935. Wer Mies’ Architektur studieren ten jäh zerstört. Bilder im Museum Folkwang wurden als „entartet“ will, kommt also an Krefeld gar nicht vorbei. deklariert und beschlagnahmt; aus der „Folkwangschule“ wurde nach 15.4. – 3.11.2019 Die Meister und Absolventinnen und Absol- der „Beurlaubung“ des Direktors die „Folkwang-Handwerkerschule“. www.ruhrmuseum.de venten des Bauhauses haben auf der ganze Einige Künstler wurden entlassen, andere emigrierten. Die, die blie- Welt Spuren hinterlassen. Aber mit über 25 ben, gingen entweder in die innere Emigration oder passten sich dem Repräsentanten des Bauhauses, die später neuen Kunstgeschmack an. ■ Folkwang Universität der Künste in Kooperation mit dem in Krefeld gewirkt haben, dürfte die Stadt ein Museum Folkwang Hotspot gewesen sein. das beseelte ding. Wie kam es zu dieser Verbindung vom geist der gestaltung zwischen der Avantgarde und Krefeld? Was für ein Flair herrschte damals in der Die Ausstellung versammelt Objekte, Visualisierungen und kon- Stadt? Was für Personen oder Netzwerke zeptuelle Arbeiten von Lehrenden und Studierenden der Folkwang standen dahinter? Universität der Künste. Sie geht der Frage nach, ob und in welcher Der eigentliche Motor dieser Entwicklung, Weise nach 1918 die unter anderem am Bauhaus formulierten Kon- durch die seit den 1920er Jahren zahlreiche zepte einer „modernen“ künstlerisch-ästhetischen (Aus-) Bildung Vertreter der Avantgarde in Krefeld tätig für heutige Lehrende und Studierende noch von Bedeutung bzw. wurden oder Aufträge erhielten, war die Interesse sind. Der Begriff „beseelt“ vereint dabei unterschiedliche europaweit agierende Samt- und Seiden- gestalterische Ansätze und Aspekte und schließlich auch die industrie, deren Zentrum und Branchenver- spekulative Frage nach der Seele, d. h. dem Wesen der Dinge. band sich damals in Krefeld befand – und natürlich ihre kunstaffinen Persönlichkeiten. Oktober – November 2019 Aber diese Entwicklung entstand nicht aus www.museum-folkwang.de dem Nichts. Bereits um die Jahrhundert- wende hatte der umtriebige Museumsmann UG im Museum Folkwang Friedrich Deneken – Direktor des Kaiser- Wilhelm-Museums – in Krefeld den Haus Lange (Westansicht), 1927 – 1930, Kunstmuseen Krefeld. Keramische Werkstatt Margaretenhöhe in Essen, 1936 Architekt: Ludwig Mies van der Rohe 18 bauhaus – auch im westen! 19
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