2021 Österreichische Krebshilfe Steiermark
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Grußwort | 3 Univ.-Prof. © MedUni Wien_Matern Dr. Markus Müller Rektor der Medizinischen Universität Wien, Vorsitzender des Obersten Sanitätsrates der Republik Österreich Grußwort Der Österreichische Krebsreport zeigt auf, Es muss daher auch unser aller Ziel sein, wie viele Berufsgruppen und Fachdiszi- die Krebsforschung und Medizin sowohl plinen daran beteiligt sind, um Menschen mit den notwendigen Ressourcen auszu- moderne und evidenzbasierte Früherken- statten und allen, die in der qualitätsgesi- nungsmöglichkeiten zu bieten und im Fal- cherten und evidenzbasierten Versorgung le einer Krebserkrankung mit innovativen und Betreuung von KrebspatientInnen tätig medikamentösen, operativen und strahlen- sind, Respekt und Anerkennung entgegen- therapeutischen Therapien zu behandeln zubringen. Wir erleben gerade jetzt – in Zei- und zu betreuen. Mit dem Österreichischen ten einer nie dagewesenen Pandemie und Krebsreport erhalten Stakeholder und die Gesundheitsbedrohung –, welche in jeder Öffentlichkeit erstmals eine umfassende Hinsicht gefährlichen Auswirkungen es hat, und kompakte Übersicht über Epidemiolo- wenn wissenschaftlichen Erkenntnissen, gie, Früherkennung, Versorgung, Nachsor- Fakten und Expertisen nicht vertraut wird. ge und Forschung in Österreich. In diesem Zusammenhang möchte ich mich Die Daten spiegeln auch wider, wie dank auch bei allen Menschen bedanken, die der steten Forschungsfortschritte, ins- dazu beigetragen haben, dass die Versor- besondere in der Pharmakologie, zielge- gung von an Krebs erkrankten Menschen richtete Therapien zunehmend und erfolg- besonders in diesen Pandemiezeiten best- reich zum Einsatz kommen. Durch diese möglich aufrechterhalten werden konnte. maßgeschneiderte Anwendung kann die Ich gratuliere der Österreichischen Krebs- Lebenszeit von Erkrankten in vielen Fällen hilfe und der Österreichischen Gesell- verlängert werden – bei Erhalt einer best- schaft für Hämatologie und Medizinische möglichen Lebensqualität. Dank des soli- Onkologie, dem Scientific Board, dem Re- darischen Gesundheitssystems in Öster- daktionsteam und allen AutorInnen zum reich stehen all diese diagnostischen und 1. Österreichischen Krebsreport und möch- therapeutischen Fortschritte allen Men- te mich auch dafür bedanken, dass wir da- schen, die in Österreich sozialversichert mit eine objektive Datensammlung über die sind, uneingeschränkt zur Verfügung. Diese Krebsversorgung in unserem Land haben, Errungenschaft muss nachhaltig gesichert die auch als Grundlage für Verbesserungen werden. herangezogen werden kann. Univ.-Prof. Dr. Markus Müller
4 | Inhalt Inhalt Grußwort M. Müller ............................................................................................................................................... 3 Vorwort der Herausgeber W. Hilbe, P. Sevelda ......................................................................................................................... 6 Management Summary A. Gerger .............................................................................................................................................. 8 Leitthema: COVID-19 und Krebs A. Gerger, W. Hilbe, M. Preusser, A. Berghoff ...................................................................... 10 © DigitalGenetics – stock.adobe.com Epidemiologie Epidemiologie von Krebserkrankungen M. Hackl, K. Eglau, A. Gerger, A. Weltermann ..................................................................... 13 Vorsorge und Früherkennung Früherkennung von Krebs während der COVID-19-Pandemie P. Sevelda, O. Burghuber, M. Ferlitsch, D. Kiefhaber, E. Richtig, R. Ruda ................. 21 Versorgung von Menschen mit Krebserkrankungen Leitlinien: Sicherstellung einheitlich hoher Behandlungsstandards A. Gerger ........................................................................................................................................... 28 Flächenversorgungsmodell und Qualitätssicherung in der Onkologie am Beispiel des Tumorzentrums Oberösterreich A. Weltermann ................................................................................................................................. 29 Relevante Therapiefortschritte beim Magenkarzinom E. Wöll ................................................................................................................................................. 30 Relevante Therapiefortschritte beim Lungenkarzinom G. Absenger ...................................................................................................................................... 31 Relevante Therapiefortschritte mit CAR-T-Zelltherapie U. Jäger .............................................................................................................................................. 32 Nationale Versorgungsstrukturen und Rahmenplanungen der Onkologie K. Eglau, A. Gerger, M. Hackl, D. Kiefhaber, A. Weltermann ........................................... 34 Palliative Versorgung D. Kiefhaber, G. Kreye, S. Thalinger, G. Kahlhammer ........................................................ 40 Psychoonkologische Versorgung M. Hartl, D. Kiefhaber .................................................................................................................... 44
Inhalt | 5 Onkologische Forschung Anzahl klinischer Studien und Neuzulassungen A. Gerger, M. Micksche ................................................................................................................ 47 Österreichische Studiengruppen Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group (ABCSG) .................................. 50 Arbeitsgemeinschaft Medikamentöse Tumortherapie (AGMT) .................................... 52 Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie Austria (AGO Austria der OEGGG) .......................................................................................................... 54 Innovation am Beispiel tumoragnostischer Arzneimittel A. Gerger, M. Micksche ................................................................................................................ 55 Publikatorischer Output der Krebsforschung aus Österreich im Jahr 2020 – Daten & Fakten A. Gerger, M. Micksche ................................................................................................................ 56 Fachgesellschaften Berichtsjahr 2020 onkologisch spezialisierter Fachgesellschaften – Eckdaten zur Patientenversorgung, aktuelle und zukünftige Herausforderungen ................... 60 Österreichische Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO) .................................................................................. 60 Österreichische Gesellschaft für Chirurgische Onkologie (ACO-ASSO) .................. 61 Österreichische Gesellschaft für Radioonkologie (OEGRO) ......................................... 61 Österreichische Gesellschaft für Klinische Pathologie und Molekularpathologie (ÖGPath/IAP Austria) ................................................................ 62 Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie - Austria (AGO Austria der OEGGG) .......................................................................................................... 62 Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) .................................................... 63 Arbeitsgemeinschaft für pädiatrische Hämatologie und Onkologie (AGPHO) ............................................................................................................. 63 Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) ............................................................................................................ 64 Österreichische Palliativgesellschaft (OPG) ........................................................................ 65 Autorenverzeichnis ........................................................................................................................ 66 Literaturverzeichnis ...................................................................................................................... 66 Impressum ........................................................................................................................................ 67
6 | Vorwort © DigitalGenetics – stock.adobe.com Der Österreichische Krebsreport Eine qualitätsorientierte Versorgung können. In Österreich ist die Qualität der von KrebspatientInnen sicherstellen. Versorgung hoch und steht allen Patient- Innen gleichermaßen zur Verfügung. Die- Die Versorgung der KrebspatientInnen ses solidarische Gesundheitssystem ist in Österreich ist Teamarbeit. Von der eine besondere Errungenschaft unseres Diagnostik bis hin zur Operation, zur Landes, auf die wir alle stolz sein können. Radioonkologie und zur medikamentö- Auf eine gemeinsame Initiative der Öster- sen Tumortherapie sind viele ExpertInnen reichischen Gesellschaft für Hämatolo- involviert. Die Allgemeinmedizin und die gie und Medizinische Onkologie und der niedergelassenen ÄrztInnen haben in der Österreichischen Krebshilfe hin wurden Prävention, Früherkennung und Nach- onkologisch tätige Fachgesellschaften sorge eine Schlüsselrolle. Viele weitere zu einem Dialog eingeladen. Alle gemein- Berufsgruppen sind eng eingebunden, sam streben eine qualitätsorientierte und wie z.B. der Pflegedienst, DiätologInnen, nachhaltige PatientInnenversorgung an. PsychoonkologInnen, PhysiotherapeutIn- Die Herausforderungen für die Zukunft nen, PalliativmedizinerInnen, Mitarbeiter- sind vielfältig. Innen der Rehabilitationszentren und der Das Ergebnis dieses Dialogs war der Hospizbewegung. Wunsch, einen Beitrag für eine sachlich Das Zusammenspiel aller ExpertInnen fundierte Darstellung von Innovationen, ist entscheidend, damit wir in jeder Le- Forschungsaktivitäten und relevanten bensphase einer Krebserkrankung die Entwicklungen in der Versorgung von bestmögliche Betreuung ermöglichen KrebspatientInnen in Österreich zu leisten.
Vorwort | 7 © Krebshilfe/Marina Probst-Eiffe Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe Präsident der Österreichischen Gesellschaft Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda für Hämatologie und Präsident der Medizinische Onkologie Österreichischen Krebshilfe Dabei haben uns MitarbeiterInnen von • Die Inhalte werden vom Scientific Board Statistik Austria und Gesundheit Öster- ausgewählt, die Finanzierung wird von reich GmbH (GÖG) wesentlich unter- den Initiatoren getragen und ist werbe- stützt. Diese Informationen und Beiträge frei. werden nun im Österreichischen Krebs- report zusammengefasst und der Öffent- Die vielen ExpertInnen, die für diesen lichkeit zur Verfügung gestellt. Weitere Report ihr Wissen eingebracht haben, Eckpunkte dieser Publikation sind: haben mit ihrem Engagement diese Pu- • Der Österreichische Krebsreport soll blikation erst möglich gemacht. Es war eine unabhängige und referenzierbare eine große Herausforderung für das Re- Informationsgrundlage für allfällige Dis- daktionsteam, die Fülle der angebotenen kussionen bezüglich der Krebsversor- Informationen kompakt und gleichzeitig gung sein. verständlich darzustellen. Ihnen allen gilt • Der Österreichische Krebsreport wird unsere Anerkennung. einmal jährlich am Weltkrebstag am 4. Februar veröffentlicht. • Jedes Jahr wird ein Leitthema präsen- tiert. Für das Berichtsjahr 2020/21 wur- Mit besten Grüßen de die Corona-Pandemie und deren Konsequenzen für die onkologische Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Hilbe Versorgung in Österreich gewählt. Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda
8 | Einleitung Management Summary Krebs ist vielfältig. Die Erkrankung und damit einhergehende Aufgaben und wird als lebensbedrohend gesundheitspolitische Initiativen zu defi- wahrgenommen. nieren. Im Kapitel Epidemiologie von Krebser- Betroffene empfinden Angst und Un- krankungen werden Kennzahlen zu Häu- sicherheit, manchmal vorübergehend, figkeit und Verteilung sowie Überleben manchmal auch auf Dauer. In der Regel nach einer Krebsdiagnose und Krebs- bedürfen Krebserkrankungen einer multi- sterblichkeit beschrieben. Ein besonderer modalen Betreuung und die Diagnostik, Fokus wurde auf die Darstellung in einem Behandlung, Nachsorge und Prävention zeitlichen Verlauf gelegt. stellen eine enorme Herausforderung dar. Krebsfrüherkennungsuntersuchungen Krebsmedizin ist ein dynamisches Feld, haben das Ziel, Krebs bei symptomfreien und Informationen zu Krebs werden von Menschen durch wenig belastende Me- direkt und indirekt Betroffenen sowie der thoden zu erkennen und damit Behand- allgemeinen Öffentlichkeit mit großem lungsergebnisse bzw. Heilungschancen Interesse wahrgenommen und verfolgt. zu verbessern. Das Kapitel Krebsfrüh- Die vielfältigen Aspekte von Krebs bedür- erkennung beschreibt Früherkennungs- fen eines umfassenden Blicks bei jedoch programme in Österreich und stellt gleichzeitig differenzierter Darstellung. Kennzahlen und Ergebnisse zu deren In- Die Österreichische Gesellschaft für Hä- anspruchnahme dar. Ein Fokus liegt, so- matologie und Medizinische Onkologie weit entsprechende Daten zum Zeitpunkt (OeGHO) wird daher mit der Österreichi- der Publikation vorhanden waren, auf dem schen Krebshilfe zusammen künftig ein- Einfluss der COVID-19-Pandemie bzw. mal jährlich den Österreichischen Krebs- der Lockdowns im Jahr 2020 auf die In- report veröffentlichen. anspruchnahme der Früherkennungsun- tersuchungen, im Speziellen Brustkrebs- Im Österreichischen Krebsreport werden untersuchungen. Ein Ausblick widmet die Bereiche Epidemiologie, Vorsorge, sich dem evidenzbasierten Lungenkrebs- Versorgung und Forschung beschrieben Screening mittels Niedrigdosis-Compu- und in einen Gesamtkontext gestellt. Mit tertomografie, dessen Implementierung dem diesjährigen Leitthema „COVID-19 als Früherkennungsprogramm ansteht. und Krebs“ wird der Einfluss der Pande- mie auf Betroffene und die Krebsmedizin Im Kapitel Versorgung werden die na- beleuchtet. Im Österreichischen Krebs- tionalen Versorgungsstrukturen sowie die report werden nicht nur Datenauswertun- Rahmenplanung Onkologie dargestellt. gen der letzten Jahre reflektiert, sondern Es werden Kennzahlen zur Inanspruch- auch Versorgungsstrukturen, Innovatio- nahme der Versorgung von PatientInnen nen und Forschung dargestellt. Es soll mit Krebserkrankungen in den Bereichen damit die Grundlage geschaffen werden, medikamentöse Tumortherapie, onko- zukünftige Entwicklungen abzuschätzen logische Chirurgie und Strahlenthera-
Einleitung | 9 Assoz.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Armin Gerger, MBA Medizinischer Leiter der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie pie genannt. Ein besonderer Fokus liegt auf neuen innovativen medikamentösen Tumortherapien, die teilweise bereits zu Hause eingenommen werden können. Dazu wurden Daten aus unterschied- lichen Quellen analysiert, auch wurden von Seiten der Österreichischen Gesund- heitskasse (ÖGK) detaillierte Daten aus dem Heilmittelbereich zu Verordnun- gen von Zytostatika, Antikörpern, „Small Molecules“ und endokrinen Therapien zur Verfügung gestellt. Forschung ermöglicht, Innovationen in der klinischen Routineversorgung zur Anwendung zu bringen und damit allen PatientInnen zugänglich zu machen. Ge- sammelte Daten zu klinischen Studien in Österreich wurden von der PHARMIG zur Verfügung gestellt, darüber hinaus wer- den mit der AGMT, ABCSG und AGO ex- zellente österreichische Studiengruppen präsentiert. Innovation wird am Beispiel der ersten in Europa zugelassenen tu- moragnostischen Therapie beschrieben und der publikatorische Output öster- reichischer KrebsforscherInnen in einer Web of Science-Analyse dargestellt. Eine Vielzahl an KollegInnen sowie onkologische Fachdisziplinen haben zur Erstellung des Österreichischen Krebsre- port beigetragen. Dank Statistik Austria, der Gesundheit Österreich GmbH und © tai111 – stock.adobe.com der Österreichischen Gesundheitskasse konnten überregionale bzw. bundesweite epidemiologische und Versorgungsdaten zum Krebsgeschehen in Österreich ein- gebracht werden.
© sdecoret– stock.adobe.com Leitthema COVID-19 und Krebs Seit Anfang 2020 hält das Coronavirus Menschen mit aktiver Krebserkrankung SARS-CoV-2 Menschen weltweit in Atem. aufgrund eines geschwächten Immunsys- SARS-CoV-2 ist ein neu identifiziertes Co- tems durch den Krebs selbst und die medi- ronavirus, das Ende 2019 als Auslöser der kamentöse Tumortherapie generell höher. Infektionskrankheit COVID-19 entdeckt Krebs, insbesondere eine aktive Krebs- wurde. erkrankung, ist ein potenzieller Risikofak- tor für einen schweren COVID-19-Krank- Im März 2020 wurde der COVID-19-Aus- heitsverlauf und frühe Studien weisen auf bruch von der Weltgesundheitsorganisa- eine höhere Sterblichkeit bei PatientInnen tion als Pandemie eingestuft. Eine rasche mit Krebserkrankungen hin. Der Einfluss Ausbreitung erfolgte auch deshalb, da von Krebs auf COVID-19 und vice versa ist im Zeitraum vor dem Auftreten jedoch aktuell schwierig zu interpretieren, von Symptomen eine hohe In- da beide Erkrankungen ähnliche Risiko- Eine aktive Krebserkrankung fektiosität besteht und sich ein faktoren haben (vgl. Kasten). ist ein Risikofaktor für relevanter Anteil von Personen einen schweren innerhalb von 1–2 Tagen bei be- SARS-CoV-2 wird vor allem durch Tröpf- COVID-19-Krankheitsverlauf. reits infektiösen, aber noch nicht cheninfektion übertragen. In der Zwischen- symptomatischen Personen an- zeit gibt es verschiedene Varianten des Vi- steckt. Weltweit und auch in rus, die sich in ihren Erregereigenschaften Österreich wurden Maßnahmen wie beispielsweise der Übertragbarkeit zur Vorbeugung einer SARS-CoV-2-Infek- oder Virulenz unterscheiden. SARS-CoV-2 tion und zunehmend Schutzimpfungen zur gehört zu den respiratorischen Erregern, Verhinderung einer Verbreitung des Virus die Atemwegsinfektionen (auch mit poten- organisiert. ziell schwerem Verlauf) auslösen können. Häufige Symptome von COVID-19 sind Das Risiko, durch respiratorische Erreger Fieber und trockener Husten, es können eine Lungenentzündung zu erleiden, ist für aber auch atypische Symptome wie Stö-
Leitthema | 11 rungen des Geschmackssinns oder Mus- FFP2-Maske und regelmäßiges Hände- kelschmerzen auftreten. Viele Betroffene waschen einzuhalten. In einer Studie der sind nun sehr verunsichert: Wie wirkt sich MedUni Wien konnte gezeigt werden, dass das Virus auf die Krebserkrankung bzw. bei strenger Beachtung der etablierten Krebstherapie aus? Was muss ich jetzt Sicherheitsmaßnahmen die In- mit oder nach meiner Krebserkrankung fektionsrate unter Krebspatient- im Alltag beachten? Und darf oder soll ich Innen nicht höher ist als in der Hämato-onkologische mich mit Krebs gegen COVID-19 impfen Normalbevölkerung. Zu diesen Fachgesellschaften haben lassen? Onkologisches Fachpersonal Sicherheitsmaßnahmen zählt vor Impfempfehlungen für berät und betreut PatientInnen in allen allem die regelmäßige Testung, TumorpatientInnen erarbeitet. Belangen zu COVID-19 und Krebs. Darü- vor allem vor der Verabreichung ber hinaus haben die Fachgesellschaften der Therapie und dem Kontakt für Hämatologie und medizinische Onko- mit anderen PatientInnen auf der Station logie in Österreich, Deutschland und der (Berghoff et al. 2020; Berger et al. 2021). Schweiz Empfehlungen für die COVID- Gleichzeitig darf die Angst vor einer Infektion 19-Impfung speziell von Tumorpatient mit dem Coronavirus nicht die Abklärung, Innen erarbeitet. Diagnostik und Therapie einer poten- ziell lebensbedrohenden Erkrankung Empfehlungen zum Management wie Krebs beeinträchtigen. Die COVID- von KrebspatientInnen 19-Schutzimpfung wird Menschen mit Menschen mit malignen hämatologischen Krebs und ihren Angehörigen grund- Erkrankungen oder fortgeschrittenen soli- sätzlich empfohlen. Die Entscheidung den Tumoren, deren Erkrankung nicht in über die Impfung und über den Zeit- Remission ist, sowie PatientInnen unter punkt der Impfung soll von PatientIn und medikamentöser Tumortherapie wird ge- behandelndem Arzt/behandelnder Ärz- raten, die empfohlenen Schutzmaßnah- tin unter Berücksichtigung der individu- men wie Abstand halten, das Tragen einer ellen Risiko- und Erkrankungssituation Krebssterblichkeit im Rahmen einer COVID-19-Infektion In ein österreichweites Register zur Erfassung der COVID-19-assoziierten Mor- talität bei KrebspatientInnen wurden 230 PatientInnen eingeschlossen. Mit einer Mortalität von 16,5 % nach einem 30-Tage-Follow-up liegt die Sterblichkeit über jener der österreichischen Normalbevölkerung. Diese Daten werden unterstützt von einer weiteren österreichischen Studie, die die Erfahrung von drei hämato-on- kologischen Zentren zusammenfasst (Zams, Wien, Linz). 89 KrebspatientInnen mit einer aktiven Tumorerkrankung wurden mit 156 PatientInnen verglichen, die keine Tumorerkrankung hatten. Beide Gruppen waren aufgrund einer schweren COVID-19-Erkrankung stationär. In dieser Situation lag die Sterblichkeit bei den KrebspatientInnen bei 49 %, bei den Nicht-Krebspatient- Innen bei 28 % (Publikation in Vorbereitung). Auch internationale Studien zeigten ein höheres Risiko: Bei COVID-19-positiven PatientInnen mit einem Lungenkrebs verstarben 32 % (J Baena Espinar et al., Ann Oncol 2020). Das erhöhte Risiko von Pa- tientInnen mit einer hämatologischen Erkrankung wurde ebenso berichtet (2,04-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko; F. Passamonti et al., Lancet Haematol 2020). Etablierte Risikofaktoren für einen schwereren Verlauf der COVID-19-Erkrankung waren Alter, schlechter Allgemeinzustand sowie einige Blutparameter (Neutrophi- len-Anzahl, Lymphozyten-Anzahl, Albumin) (Berger et al., zur Publikation einge- reicht). Zusammenfassend hat daher die Prävention einer SARS-CoV-2-Infektion bei KrebspatientInnen einen enormen Stellenwert.
12 | Leitthema Wirksamkeit der Impfung bei KrebspatientInnen Die Entwicklung von SARS-CoV-2-Antikörpern ist bei KrebspatientInnen im Vergleich zu gesundem Gesundheitspersonal reduziert. Bei PatientInnen mit soliden Tumoren und aktiver Tumortherapie war die Rate der Serokonversion auf eine Impfung mit BNT162b2 zwischen 90 und 94 %: Bei hämatologischen PatientInnen war diese Rate niedriger (60–73 %). PatientInnen unter Rituximab- Therapie bzw. Anti-CD20-Therapie zeigten im Vergleich zu anderen Krebspatient- Innen eine deutlich niedrigere Serokonversion. Nach zwei und drei Teilimpfungen konnten jedoch deutlich mehr SARS-CoV-2-Antikörper gemessen werden (Mair & Berger et al., submitted; Mair & Berger et al., JAMA Oncol 2021; Mairhofer et al., Cancer Cell 2021; Massarweh et al., JAMA Oncol 2021; Monin et al., Lancet Oncol 2021). gemeinsam getroffen werden. Bisher sind (vgl. Kapitel Vorsorge), hat sich jedoch sehr vier Impfstoffe in der EU zugelassen. Die rasch wieder stabilisiert, sodass ein Rück- Schutzimpfung sollte, wenn zeitlich mög- gang über das gesamte Jahr 2020 um ca. lich, vor Beginn einer medikamentösen 12 % zu verzeichnen war. Dies führte je- Tumortherapie erfolgen. Während einer doch zu einem deutlichen Rückgang der laufenden zyklischen medika- Brustkrebsoperationen im Mai und Juni mentösen Tumortherapie soll 2020. In der zweiten Pandemiewelle ab Ok- Die COVID-19-Schutzimpfung versucht werden, einen zeit- tober/November 2020 wurden Screening- wird Menschen mit Krebs und lichen Abstand zur Tumorthe- Untersuchungen weiterhin durchgeführt, ihren Angehörigen empfohlen. rapie zu erreichen, damit sich weshalb auch keine Veränderung der ope- Ein Aussetzen oder Verschie- potenzielle Nebenwirkungen rativen Fallzahlen verglichen mit den Vor- ben der medikamentösen nicht überlappen. Studienda- jahren festgestellt werden konnte (vgl. Ka- Tumortherapie wird routine- ten zum optimalen Zeitpunkt pitel Versorgung). Generell ist der Einfluss mäßig nicht empfohlen. der COVID-19-Impfung wäh- auf die Mortalität durch verzögerte Krebs rend einer medikamentösen diagnose und damit potenziell kurative Be- Tumortherapie liegen aktuell handlungen derzeit schwer abschätzbar. noch nicht vor. Ein Aussetzen Europaweit wurden sehr unterschiedliche oder Verschieben der medikamentösen Maßnahmen getroffen. Österreich hat das Tumortherapie wird routinemäßig nicht Screeningprogramm vergleichsweise kurz empfohlen. pausiert (zwei Monate), andere Länder ha- ben das Screeningprogramm 4–6 Mona- Die COVID-19-Pandemie hat in Österreich te ausgesetzt (Breast Screening Working im Jahr 2020 einen signifikanten Einfluss Group [WG2] of the Covid-19 and Cancer auf die Krebsvorsorge. Zum Beispiel ist Global Modelling Consortium, Preventive die Frequenz der Brustkrebsfrüherken- Medicine 2021). nungsuntersuchungen im März und Ap- Daten zu Einschlüssen in klinische Studien ril 2020 kurzfristig deutlich eingebrochen und damit zum Transfer von Innovation in die klinische Routine liegen aktuell in Ös- terreich nur bis zum Jahr 2019 vor und die Folgen können noch nicht abgeschätzt Empfehlungen zum Management werden (vgl. Kapitel Forschung). von KrebspatientInnen während der COVID-Pandemie Armin Gerger, Wolfgang Hilbe, • Die Fortführung einer Krebsbe- Matthias Preusser, Anna Berghoff handlung ist wichtig. • Die Krebsvorsorge sollte, soweit Quellen: Coronavirus-Infektion (COVID-19) bei Patient*innen möglich, fortgeführt werden. mit Blut- und Krebserkrankungen. Onkopedia, April 2021 Covid-19 and Cancer. Cancer Facts and Figures, American Cancer Society 2021
Epidemiologie von Krebserkrankungen
14 | Epidemiologie Epidemiologie von Krebserkrankungen Das Kapitel zur Epidemiologie von Krebs- dass Daten einzelner Ärzte, Abteilungen erkrankungen beschreibt die Geschichte oder Krankenhäuser meist zahlenmäßig und den Hintergrund der Krebsregistrie- zu gering sind, um allgemeine Probleme rung in Österreich, erklärt die wichtigsten zu erkennen, und jedenfalls eine Auslese epidemiologischen Kennzahlen und zeigt darstellen, die möglicherweise das Ergeb- ausgewählte Daten der Krebsstatistik, nis verfälscht. Daher wurden bereits 1932 die aus dem Österreichischen Nationalen statistische Erhebungen durchgeführt, Krebsregister von Statistik Austria erstellt die über einzelne Abteilungen und Klini- wird. ken hinausreichten. 1957 wurde erstmals Fachleuten in Medizin und Forschung, versucht, die Erhebungen, die bis dahin Gesundheitspolitik bzw. -verwaltung so- für einen Großteil der Wiener Kranken- wie interessierten Laien wird häuser und in einzelnen Kliniken der Lan- weiterführend die Publikation deshauptstädte durchgeführt wurden, auf „Krebserkrankungen in Ös- das gesamte Bundesgebiet auszudehnen: Seit Jänner 2020 werden terreich“ von Statistik Austria „Diese Arbeit soll in enger Zusammenarbeit Krebsregistermeldungen aus- empfohlen. Diese stellt Erkran- zwischen dem Österreichischen Zentral- schließlich elektronisch, struk- kungshäufigkeiten und -risi- amt für Statistik, als dem berufenen Träger turiert und entsprechend den ken, Sterblichkeit, Prävalenz jeder gesamtösterreichischen statistischen Regeln der Europäischen Da- und Überlebenswahrschein- Erhebung, mit dem Sozialministerium, tenschutzgrundverordnung von lichkeiten für alle Malignome als dem Träger der Gesundheitsverwal- den meldepflichtigen Stellen an zusammen und für 23 aus- tung, und der hieran speziell interessierten Statistik Austria übermittelt. gewählte Tumorlokalisationen Österreichischen Krebsgesellschaft durch- in kompakter und übersicht- geführt werden.“ Die freiwillige Teilnahme licher Form dar und bietet der Krankenhäuser sollte mit einer Ver- so die Möglichkeit, sich aus gütung für die ausfertigenden ÄrztInnen erster Hand über das Krebsgeschehen in von 3,- Schillingen für jedes entsprechend der österreichischen Bevölkerung zu infor sorgfältig ausgefüllte Krebsmeldeblatt ge- mieren. koppelt werden. Das Österreichische Nationale Krebsregis- Historische Wurzeln der Krebsstatistik ter hat eine lange Tradition, wie der Artikel Durch die Verbesserung der Volksge von Kretz und Stur (1957) und das Krebs- sundheit und das Zurückdrängen der In- statistikgesetz aus dem Jahr 1969 zeigen, fektionskrankheiten im vorigen Jahrhun- und eine moderne Ausgestaltung durch dert wurde Krebs zu einer wesentlichen die Krebsstatistikverordnung 2019. Die Todesursache für die Bevölkerung. In stabile, langjährige Kompetenz der Daten- der Zeitschrift „Der Krebsarzt“ aus dem sammlung wird durch diese Verordnung Jahr 1957 beschreiben Kretz und Stur die auf eine digitale, moderne Basis gestellt. „Krebskrankenstatistik der Österreichi- Seit Jänner 2020 werden Krebsregister- schen Krebsgesellschaft“ und bezeich- meldungen ausschließlich elektronisch, nen die Krebsstatistik bereits als einen strukturiert und entsprechend den Regeln etablierten und anerkannten Zweig der der Europäischen Datenschutzgrundver- Krebsforschung. Sie wiesen darauf hin, ordnung von den meldepflichtigen Stellen
Epidemiologie | 15 an Statistik Austria übermittelt. Die Krebs- Cancer Registries“ (IACR) und des „Eu- statistik enthält neben Informationen zur ropean Network of Cancer Registries“ Krebserkrankung auch Angaben zu Alter, (ENCR) im Vordergrund. Im internationalen Geschlecht und Wohnregion der Patient- Vergleich gibt es nur wenige epidemiologi- Innen. sche Register, die eine vergleichbare oder noch größere Bevölkerung abdecken als Regionale Tumorregister, das Österreichische Nationale Krebsregis- strukturierte Datenübermittlung ter. Es ist seit langer Zeit Mitglied der IACR In den vier Bundesländern Vorarlberg, Ti- und des ENCR. Die Daten des Österrei- rol, Salzburg und Kärnten existieren re- chischen Krebsregisters sind international gionale Tumorregister, die in enger Zu- anerkannt und werden seit dem Diagnose- sammenarbeit mit den Krankenanstalten jahr 1997 in der Publikation „Cancer Inci- die Datensammlung und -aufbereitung im dence in Five Continents (CI5)“ der „Inter- jeweiligen Bundesland durchführen. Als national Agency for Research on Cancer“ Dienstleister für die Krankenanstalten ver- (IARC) veröffentlicht. walten diese regionalen Register die Daten der KrebspatientInnen und sorgen für die Epidemiologische Kennzahlen strukturierte Übermittlung an Statistik Aus- Einmal im Jahr wird aus dem Österreichi- tria. Die Datensammlung in den anderen schen Nationalen Krebsregister, das als Bundesländern erfolgt zum Teil ebenfalls lebendes Datenbanksystem zu verstehen über zwischengeschaltete Register wie ist, eine Momentaufnahme fixiert. Der so- z.B. das klinische Register des Tumorzen- genannte authentische Datenbestand bil- trums Oberösterreich (vgl. Seite 29) oder det die Basis für die Krebsstatistik. Aus das Onkologische Informationssystem diesem Datenbestand werden epidemio- (das Arbeits- und Dokumentationstool) logische Kennzahlen der Niederösterreichischen Landesge- wie Krebsinzidenz, sundheitsagentur sowie zum Teil über den Überlebenswahr- Krankenhausträger wie z.B. die KAGES scheinlichkeiten, Epidemiologische Daten dienen für Teile der Steiermark und die KRAGES Prävalenz und Er- u.a. als Berechnungsgrundlage für für Teile des Burgenlands. In Wien stehen krankungsrisiken be- das erforderliche medizinische der Wiener Gesundheitsverbund und sein rechnet. Leistungsangebot in Spitälern. IT-Dienstleister, Wien Digital, seinen Kran- Die aus epidemiologischen Daten kenanstalten unterstützend zur Seite. Da- Krebsinzidenz: Die abgeleiteten Konsequenzen sind rüber hinaus bestehen, vor allem für jene Krebsinzidenz be- umso valider, je strukturierter Daten Krankenanstalten, die in keine der oben zeichnet die Anzahl an den Krankenanstalten gesammelt beschriebenen Meldesysteme eingebun- an Krebsneuerkran- werden. den sind, nach wie vor direkte Kontakte kungen pro Kalender- zu Statistik Austria. Je strukturierter die jahr. Diese Kennzahl Datensammlung vor Ort bzw. je höher kann als absolute das Engagement der beteiligten Personen Zahl oder als Rate und je intensiver die Nutzung der Daten angegeben werden. Altersstandardisier- innerhalb der Krankenanstalt, des Ver- te Inzidenzraten sind um Effekte einer im bunds oder Trägers ist, desto höher ist die Zeitverlauf sich ändernden Altersstruktur Qualität der an Statistik Austria gelieferten bzw. unterschiedlichen Alterszusammen- Daten. setzungen der jeweiligen Bezugsbevölke- rungen bereinigt und erlauben somit Ver- Österreichisches Nationales gleiche über Zeiträume und Regionen. Krebsregister Die Aufarbeitung der Krebsregistermel- Krebsprävalenz: Als Krebsprävalenz be- dungen sowie Plausibilitäts- und Quali- zeichnet man die Anzahl der Personen tätskontrollen ist eng an internationale (oder den Anteil in einer Bevölkerung), die Empfehlungen geknüpft. Internationale mit einer vorangegangenen Krebsdiagno- Vergleichbarkeit steht bei diesen Empfeh- se zu einem bestimmten Zeitpunkt am Le- lungen der „International Association of ben sind. In diese Messgröße fließen alle
16 | Epidemiologie Krebsdiagnosen ein, unabhängig vom je- rung gleichen Alters und Geschlechts. Das weiligen Gesundheitszustand der Person. relative Überleben ist somit ein von der Die Daten zur Prävalenz werden auf Basis Kenntnis der wahren Todesursache unab- der Zahlen des Österreichischen Krebsre- hängiger Schätzer des krebsspezifischen gisters sowie eines Follow-ups des Über- Überlebens. lebensstatus aller registrierten Personen berechnet. Inzidenz und Geschlechterverteilung häufiger Tumoren (vgl. Abb. 1) Überlebenswahrscheinlichkeit: Die Über- Jährlich erkranken in Österreich etwa lebenswahrscheinlichkeit nach einer 42.000 Menschen an Krebs, Männer sind Krebsdiagnose wird relativ zum Überleben etwas häufiger betroffen als Frauen. Für der Gesamtbevölkerung angegeben. Das beide Geschlechter stellen bösartige Tu- relative Überleben setzt das beobachtete morerkrankungen nach den Herz-Kreis- Überleben der KrebspatientInnen nach ei- lauferkrankungen die zweithäufigste To- nem bestimmten Zeitraum (kumuliert, z.B. desursache dar. Brustkrebs bei Frauen fünf Jahre) in Beziehung zum Überleben und Prostatakrebs bei Männern zählen der Gesamtbevölkerung unter Berücksich- zu den häufigsten Krebsneuerkrankun- tigung der Alters- und Geschlechtsver- gen in Österreich. Im Jahr 2018 erhielten teilung. Eine relative Überlebensrate von 5.565 Frauen die Diagnose Brustkrebs 100 % bedeutet, dass die Sterblichkeit und 6.018 Männer die Diagnose Prostata- unter den Erkrankten genauso hoch ist wie krebs. Zusammen mit Lungen- und Darm- die Sterblichkeit der allgemeinen Bevölke- krebs sind diese bösartigen Erkrankungen für rund die Hälfte aller Krebsneudiag- nosen verantwortlich. Es wurden 4.985 Die häufigsten bösartige Tumoren der Lunge und 4.563 Tumorlokalisationen bösartige Tumoren des Dickdarms bzw. nach Geschlecht Enddarms diagnostiziert. Bei Lungen- 22.700 Männer = 100% krebs und Darmkrebs erkranken jeweils Andere Prostata 27% mehr Männer als Frauen. Etwa 8 % aller Tumoren 21% Neudiagnosen betreffen bei beiden Ge- schlechtern bösartige Erkrankungen des Melanom 3% blutbildenden Systems. Dazu zählen vor Kopf, Hals 4% allem Leukämien und Lymphome, wie das Niere 4% Hodgkin Lymphom und die Non-Hodgkin- Bauchspeicheldrüse 4% Harnblase 5% Lunge 13% Lymphome, aber auch das Plasmozytom Blutbildendes Dickdarm, bzw. Myelom. Bauchspeicheldrüsenkrebs System 8% Enddarm 11% ist mit jeweils rund 5 % aller Neuerkran- kungen ebenfalls bei Frauen und Männern 19.519 Frauen = 100% gleich häufig. Deutliche Unterschiede gibt Andere Brust 29% es bei den bösartigen Erkrankungen der Tumoren 24% Harnblase, bei Kopf-Hals-Tumoren bzw. bei Schilddrüsenkrebs. Während auf zehn Schilddrüse 3% an Blasenkrebs erkrankte Frauen 29 Män- Melanom 3% Eierstock 4% ner kommen und bei Kopf-Hals-Tumo- Bauchspeicheldrüse 5% ren 22, sind es bei Schilddrüsenkrebs auf Lunge 11% Gebärmutterkörper 5% zehn Frauen je fünf Männer. Blutbildendes Dickdarm, System 8% Enddarm 10% Abb. 1: Im Jahr 2018 erhielten 5.565 Frauen die Diagno- Verbesserte Überlebenswahrschein- se Brustkrebs und 6.018 Männer die Diagnose Prosta- lichkeiten (vgl. Abb. 2) takrebs. Zusammen mit Lungen- und Darmkrebs sind Das relative 3-Jahresüberleben nahm in diese bösartigen Erkrankungen für rund die Hälfte aller Krebsneudiagnosen verantwortlich. den vergangenen Jahrzehnten zu und liegt Rundungsdifferenzen nicht ausgeglichen Quelle: Statistik Austria, Österreichisches Krebsregister in der Diagnoseperiode 2013–2017 im (Stand: 17.12.2020) und Todesursachenstatistik. Mittel bei rund 65 %. Zu den wichtigsten
Epidemiologie | 17 Überlebenswahrscheinlichkeiten, 3 Jahre nach der Krebsdiagnose, nach Tumorlokalisation und Geschlecht 100 90 kumuliertes relatives Überleben in % 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Darm Lunge Brust (weiblich) Prostata (männlich) n 2003–2007 lokalisiert/regionalisiert n 2003–2007 disseminiert 95 % Konfidenzintervall n 2008–2012 lokalisiert/regionalisiert n 2008–2012 disseminiert n 2013–2017 lokalisiert/regionalisiert n 2013–2017 disseminiert Abb. 2: Das Tumorstadium ist ein wichtiger Parameter für das Überleben nach einer Krebsdiagnose. Eine im Ur- sprungsorgan lokalisierte bzw. auf regionale Lymphknoten beschränkte Erkrankung hat eine bessere Prognose als eine Erkrankung, die bereits bei Diagnosestellung disseminiert ist (d.h. Fernmetastasen aufweist). Quelle: Statistik Austria, Österreichisches Krebsregister (Stand: 17.12.2020) und Todesursachenstatistik. Faktoren, die das Überleben nach einer regionalisierte Erkrankung“ versus „disse- Krebsdiagnose beeinflussen, gehören Tu- minierte Erkrankung“) dargestellt. Bei den morentität und Tumorstadium bei Diagno- lokalisierten/regionalisierten Erkrankungs- se. Das Tumorstadium wird unterschieden stadien (orangefarbige Balken) ist das nach Vorliegen einer „lokalisierten bzw. 3-Jahresüberleben für PatientInnen mit regionalisierten Erkrankung“ versus einer Prostatakrebs und Brustkrebs (jeweils über „disseminierten Erkrankung“. Wenn sich 95 %) deutlich besser eine Tumorerkrankung ausschließlich im als für PatientInnen mit Ursprungsorgan befindet, spricht man von Darmkrebs (etwa 80 %) Jährlich erkranken in Österreich etwa einer „lokalisierten Erkrankung“. Wenn zu- oder Lungenkrebs (etwa 42.000 Menschen an Krebs, Männer sätzlich die regionalen Lymphknoten im 50 %). Das 3-Jahres- sind etwas häufiger betroffen als Abflussgebiet des Tumors befallen sind, überleben von PatientIn- Frauen. spricht man von einer „regionalisierten Er- nen mit Lungenkrebs ist krankung“. In beiden Fällen besteht durch von unter 40 % auf an- eine entsprechende Therapie eine Chance nähernd 50 % angestiegen, während bei auf Heilung. „Disseminiert“ bedeutet das den drei anderen Tumorentitäten nur eine Vorliegen von Fernmetastasen, d.h., die geringe Verbesserung sichtbar ist. Bei Pa- Tumorerkrankung hat bereits Absiedlun- tientInnen mit disseminierter Erkrankung gen im Körper gesetzt. Wenn eine dissemi- (blaue Balken) ist das 3-Jahresüberleben nierte Erkrankung vorliegt, ist eine Chance für jede der vier Tumorerkrankungen deut- auf Heilung bei vielen Tumorerkrankungen lich schlechter als bei lokalisierter bzw. gering. regionalisierter Erkrankung. Für Darm-, In Abbildung 2 ist für drei Zeiträume das Lungen- und Prostatakrebs zeigt sich über relative 3-Jahresüberleben für vier ver- die drei Zeiträume eine Verbesserung des schiedene Tumorerkrankungen (Darm, relativen 3-Jahresüberlebens. Dagegen ist Lunge, Brust und Prostata) in Abhängig- beim Brustkrebs kein Anstieg des Überle- keit vom Tumorstadium („lokalisierte bzw. bens über die drei Zeiträume zu sehen.
18 | Epidemiologie Es ist anzunehmen, dass die in der Ab- nicht die potentiell wirksamste Therapie bildung 2 ersichtlichen Verbesserungen oder eine rein supportive Therapie ohne über die Zeit vor allem durch verbesserte tumorspezifische Behandlung erhalten. In- Behandlungsmöglichkeiten der einzelnen sofern bilden diese Daten die Realität der Tumorerkrankungen bedingt sind. Jedoch Verbesserung für alle PatientInnen sehr gut lässt sich dies nicht belegen, da das Ös- ab. Für die PatientInnen, die aufgrund des terreichische Nationale Krebsregister nur Allgemeinzustandes alle Möglichkeiten die Therapieintention bei Diagnosestellung der modernen Onkologie erhalten können, erfasst. Das Ausmaß der Verbesserungen ist der Nutzen sicher größer. Anzumerken des relativen 3-Jahresüberlebens im Ver- ist auch, dass diese Auswertungen noch gleich 2003–2007 versus 2013–2017 ist nicht die neuesten Behandlungsmöglich- für viele LeserInnen vermutlich deutlich keiten der Onkologie abbilden wie bei- geringer als gedacht, wenn man beispiels- spielsweise die Einführung der Immun- weise an die vielen Berichte zu personali- therapie mit Checkpoint-Inhibitoren bei sierter Krebsmedizin denkt. verschiedenen Tumorerkrankungen. Die Art des Tumors und das Wenn man die Entwicklung Tumorstadium bei Diagnose sind der Tumortherapie objektiv Immer mehr Menschen wichtige Einflussgrößen für das betrachtet, sind die auf- leben mit Krebs (vgl. Abb. 3) Überleben nach einer Krebs- gezeigten prozentuellen Die Prävalenz gibt die Zahl aller Personen diagnose. Der individuelle Erfolg Verbesserungen jedoch an, die mit einer vorangegangenen Krebs- misst sich zudem an den Voraus- plausibel. Beispielsweise diagnose zu einem bestimmten Zeitpunkt setzungen, die Möglichkeiten der wurden beim metastasier- am Leben sind. Zum Jahresende 2018 modernen Onkologie in Anspruch ten Darmkrebs („dissemi- waren dies 366.843 Personen, davon nehmen zu können. nierte Erkrankung“) in dem 191.871 Frauen und 174.972 Männer. Be- genannten Zeitraum die zogen auf die Gesamtbevölkerung sind Kombinationstherapien das rund 4 %. Im Zeitraum von 1983 bis von Chemotherapie mit Antikörpern in die 2018 wurden im Österreichischen Krebs- Behandlung eingeführt. Der in den Studien register rund 1,306 Mio. Krebsneuerkran- gezeigte Nutzen kommt nur den PatientIn- kungen bei rund 1,212 Mio. Personen mit nen zugute, bei denen Kombinationsthe- Hauptwohnsitz in Österreich verzeichnet. rapien aufgrund des Allgemeinzustandes Viele dieser Personen, die noch am Le- überhaupt möglich sind. Die Daten des ben sind, gelten als geheilt bzw. leben mit Österreichischen Nationalen Krebsregis- Krebs. Um den Fokus auf die akut betrof- ters inkludieren jedoch auch die PatientIn- fenen Personen zu legen, ist in Abbildung nen, die aufgrund des Allgemeinzustandes 3 nur die Anzahl der Personen dargestellt, deren Krebserkrankung in den fünf Jahren vor dem jeweils Jahresletzten diagnosti- Krebsprävalenz nach Geschlecht ziert wurde. In den vergangenen zehn Jahren stieg 140.000 die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen 120.000 von rund 39.000 auf über 42.000, und die 100.000 Überlebenswahrscheinlichkeit nahm zu. 80.000 Dementsprechend stieg auch die Krebs- 60.000 prävalenz seit Jahren kontinuierlich an. 40.000 Diese Zunahme ist vor allem dadurch be- dingt, dass es absolut gesehen in Folge 20.000 der demografischen Alterung sowie stei- 0 gender Lebenserwartung der Bevölkerung 2000 2004 2006 2009 2008 2002 2005 2003 2007 2001 2010 2014 2016 2018 2012 2015 2013 2017 2011 immer mehr Personen in höherem Le- bensalter gibt und die Wahrscheinlichkeit, Alle Männlich Weiblich an Krebs zu erkranken, mit steigendem Abb. 3: Ende 2018 lebten in Österreich 366.843 Personen mit Krebs, davon Lebensalter zunimmt. Auch verstärktes 191.871 Frauen und 174.972 Männer. Quelle: Statistik Austria, Österreichisches Krebsregister Screening sowie verbesserte Diagnose- (Stand: 17.12.2020) und Todesursachenstatistik. methoden tragen dazu bei, viele Krebs-
Epidemiologie | 19 Risiko einer Krebsdiagnose nach Tumorlokalisationen und Altersgruppen 40 35 33,9 30 25 (%) 20 18,8 15 10,0 10 7,8 6,4 5,9 4,0 5,0 5 3,2 3,2 2,5 2,4 1,4 1,9 2,8 1,2 0,2 0,1 0,9 0,0 0,4 0,6 0,7 0,4 0 bis unter 45 45 bis unter 60 60 bis unter 75 75+ n Alle n Darm n Lunge n Brust n Prostata n hämatologisch Malignome (weiblich) (männlich) Abb. 4: Das Risiko, im Laufe seines Lebens an Krebs zu erkranken, nimmt mit dem Alter deutlich zu. Während das Risiko einer Brustkrebserkrankung eher linear mit dem Alter zunimmt, kommt es beim Prostatakrebs zu einem sprunghaften Anstieg im höheren Lebensalter. Quelle: Statistik Austria, Österreichisches Krebsregister (Stand: 17.12.2020) und Todesursachenstatistik. erkrankungen vermehrt und frühzeitiger zu rechnungsgrundlage für das erforderliche erkennen und erhöhen somit die Zahl der medizinische Leistungsangebot bis hin zur registrierten Neuerkrankungen. Tumornachsorge. Es ist wichtig festzuhalten, dass Krebs Erkrankungsrisiko nach auch im jüngeren Lebensalter nicht selten Altersgruppen (vgl. Abb. 4) ist: 2,5 %, d.h. jeder 40. Mensch im Alter Das Risiko, im Laufe seines Lebens eine unter 45 Jahren, ist von einer Krebserkran- Krebserkrankung zu erleiden, nimmt mit kung betroffen – anders ausgedrückt sind dem Alter deutlich zu (Abbildung 4, grüne das 61 von 100.000 Personen dieser Al- Säule). Fast 35 % der Menschen, also je- tersgruppe. Per Definition gilt eine Krank- der dritte Mensch, erleiden im Laufe ihres heit als „seltene Erkrankung“, wenn we- Lebens eine Krebserkrankung. Während niger als 6 von 100.000 Personen davon das Risiko für Brustkrebs ab den jungen betroffen sind. Jeder neunte Mensch erhält Lebensjahren eher linear zunimmt, kommt bis zum 60. Lebensjahr, also in der Zeit der es beim Prostatakrebs ab dem 60. Lebens- Berufstätigkeit, die Diagnose Krebs. Abso- jahr zu einem sprunghaften Anstieg. Auch lut gesehen sind durchschnittlich je Jahr in Darmkrebs und bösartige Blutkrebserkran- Österreich knapp unter 3.000 Menschen kungen nehmen mit dem Alter verstärkt zu. bis zum 45. bzw. knapp unter 12.000 Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe seines bis zum 60. Lebensjahr von der Diagno- Lebens mit der Diagnose Darmkrebs, Lun- se Krebs betroffen. Diese Daten sind u.a. genkrebs oder einer Blutkrebserkrankung für die Gestaltung eines optimalen suppor- konfrontiert zu werden, beträgt für jede die- tiven Angebotes, z.B. onkologische Reha- ser Erkrankungen weniger als 5 %. bilitation und Berufswiedereingliederung, Die epidemiologischen Daten haben nicht wichtig. nur Implikationen für das erforderliche medizinische Leistungsangebot in den Monika Hackl, Karin Eglau, Spitälern, sondern dienen auch als Be- Armin Gerger, Ansgar Weltermann
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Vorsorge und Früherkennung
22 | Vorsorge und Früherkennung Früherkennung von Krebs während der COVID-19-Pandemie Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung Krebsfrüherkennung während haben das Ziel, Krebs in einem frühen der COVID-19-Pandemie Stadium zu entdecken, um so rechtzeitig Während der COVID-19-Pandemie wur- Therapiemaßnahmen setzen zu können. den Krebsfrüherkennungsuntersuchun- Die Behandlung von Vorstufen bzw. ei- gen deutlich weniger in Anspruch genom- nes Frühstadiums einer Krebserkrankung men. Unter anderem war die Angst vor steigert die Heilungschancen erheblich einer Ansteckung mit COVID-19 bei vielen und ist auch für PatientInnen weniger be- Menschen in dieser neuen und heraus- lastend als eine Behandlung eines spät fordernden Situation groß. Die Situation entdeckten Tumors in einem dann wo- entspannte sich teilweise, als Schutzmaß- möglich fortgeschrittenen Stadium. Die nahmen und -ausstattung in Instituten und Österreichische Krebshilfe gibt in enger Ordinationen in ausreichender Menge vor- Zusammenarbeit mit den jeweils zuständi- handen waren und kommuniziert werden gen Fachgesellschaften Krebs-Früherken- konnte, dass bei Untersuchungen kein er- nungsempfehlungen für die Bevölkerung höhtes Ansteckungsrisiko mit COVID-19 heraus und kommuniziert diese in allen besteht. Trotzdem bleibt in vielen Berei- Bereichen (vlg. Kasten Seite 26). chen ein nicht mehr einholbares Defizit, das zu einem Rückgang an diagnostizier- Nationales Screening-Komitee auf ten Krebserkrankungen führte, wodurch Krebserkrankungen auch Behandlungen nicht oder erst später Organisierte Früherkennungsprogramme begonnen werden konnten. auf Krebserkrankungen (wie das Brust- krebs-Früherkennungsprogramm) basie- Brustkrebs ren auf wissenschaftlicher Evidenz und Mit 5.565 Neuerkrankungen im Jahr 2018 stellen somit sicher, dass diese für die und einem Anteil von etwa 29% an allen Bevölkerung den größtmöglichen Nutzen Tumoren war Brustkrebs die häufigs- bringen. Wichtige Bestandteile te Krebserkrankung bei Frauen (Statis- sind qualitätssichernde Maß- tik Austria). 2018 waren auch 63 Männer Zum Teil drastischer Rück- nahmen und ein strukturiertes mit dieser Diagnose konfrontiert. Laut gang von Früherkennungs- Einladungsmanagement. An- Programmleitung des BKFP (Brustkrebs- untersuchungen im ersten fang 2021 wurde das „Nationale Früherkennungsprogramm) ist die Inan- Pandemie-bedingten Screening-Komitee auf Krebs- spruchnahme der Brustkrebs-Früherken- Lockdown erkrankungen“ gegründet, ein nungsuntersuchungen (Mammografie und Gremium nach § 8 Abs. 1 des Sonografie) im 1. Lockdown (2020) um rd. Bundesministeriengesetzes 56 % im März und 86 % im April einge- 1986. Dieses multidisziplinär zusammen- brochen. Aus Sicht des BKFP hat sich die gesetzte Beratungsgremium verfügt über Situation jedoch sehr rasch wieder sta- spezifische Kompetenz im Bereich Scree- bilisiert. Bereits in den Sommermonaten ning und arbeitet ehrenamtlich*. wurden verhältnismäßig viele Früherken- * Mehr Informationen dazu unter https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/ Nicht-uebertragbare-Krankheiten/Krebs/Nationales-Screening-Komitee-auf-Krebserkrankungen.html
Vorsorge und Früherkennung | 23 Screening (Mammografie und Sonografie) Kernzielgruppe (45 - 69 Jahre) nungsuntersuchungen durchgeführt, und 35.000 32.383 30.596 auch der neuerliche Lockdown im Herbst 30.000 27.399 30.537 29.302 2020 hatte keine negativen Auswirkungen 25.000 26.175 26.047 mehr auf die TeilnehmerInnenzahlen. Zwar 20.000 24.319 20.978 konnte insgesamt das Vorjahresniveau 15.000 13.556 16.529 (2019) nicht mehr erreicht werden, weil die 10.000 2019 2020 Effekte des ersten Lockdowns im Früh- 5.000 4.281 jahr 2020 zu groß waren. Im Vergleich zum 0 Jahr 2019 ist daher bei den Brustkrebs- Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Früherkennungsuntersuchungen 2020 ein Abb. 1: Brustkrebsscreening: Gegenüberstellung der Anzahl an Screening- Rückgang von rd. 41.000 Teilnehmerin- Untersuchungen (Mammografie und Sonografie) in den Jahren 2019 und 2020 in der Kernzielgruppe (Frauen im Alter von 45–69 Jahren) – deutlicher Rückgang nen zu verzeichnen, was einem Anteil von während der COVID-Pandemie 12,75 % entspricht. Quelle: Koordinierungsstelle des BKFP (Brustkrebs-Früherkennungsprogramms) Darmkrebs Darmkrebs umfasst bösartige Neubildun- gen des Dickdarms (Colon und Rectum) artigen Lungentumor. Lungenkrebs war und war 2018 (Statistik Austria) die dritt damit die jeweils zweithäufigste Krebs- häufigste Krebserkrankung mit 11 % der erkrankung bei Männern und Frauen (ins- Männer (2.569 Fälle in 2018) und 10 % der gesamt 12 % aller Krebsneuerkrankungen), Frauen (1.994 Fälle). Da Qualitätssicherung der auch heute noch in mehr als 75 % in bei Vorsorgeuntersuchungen eine sehr einem späten, nicht mehr kurablen Stadium wichtige Rolle spielt, hat sich die ÖGGH diagnostiziert wird. Lungenkrebs ist somit (Österreichische Gesellschaft für Gastroen- die häufigste Krebstodesursache und ver- terologie und Hepatologie) 2007 entschlos- ursacht mehr Todesfälle als Dickdarm-, sen, in Zusammenarbeit mit dem Hauptver- Brust- und Prostatakrebs zusammen. Dem- band und der Österreichischen Krebshilfe, nach kommt der Früherkennung dieser Tu- ein „Qualitätszertifikat Darmkrebsvorsor- morentität große Bedeutung zu. Durch re- ge“ zu schaffen, ein organisiertes Scree- zente Studien konnte der Beweis erbracht ning (wie das BKFP) wurde bis dato nicht werden, dass durch Screening mittels „low realisiert. Seit 2007 wird ein Großteil der dose CT“ (einer Technik mit geringer Strah- Vorsorgekoloskopien im Qualitätssiche- lendosis) die Diagnose „Lungenkrebs“ in rungsprogramm durchgeführt. Insgesamt einem frühen, kurablen Stadium möglich wurden im Rahmen des Qualitätszertifikats ist und damit auch die Mortalität gesenkt von November 2007 bis Ende Mai 2021 werden kann. Der europäische „CT Lung 401.915 Vorsorgekoloskopien durchgeführt Cancer Screening Trial“1) (NELSON-Stu- und 2.943 Darmkrebsfälle sowie 95.335 die) zeigte bei HochrisikopatientInnen (> 55 Vorstufen von Darmkrebs (davon 27.328 Jahre, RaucherIn/ > 30 pack years) eine si- fortgeschrittene Vorstufen) entdeckt. 2019 gnifikante Reduktion der Lungen- wurden 43.644 Vorsorgekoloskopien im krebsmortalität von 24 % nach Rahmen des „Qualitätszertifikats Darm- zehnjähriger Beobachtungszeit Früherkennung von krebsvorsorge“ durchgeführt (= 66 % der mittels „low dose CT“ gegenüber Bronchialkarzinomen mit qualitätsgesicherten Koloskopien). 2020 einer Kontrollgruppe ohne Scree- modernen Screeningmetho- kam es aufgrund der COVID-19-Pandemie ning. Damit übertrifft die NEL- den führt zu einem Rückgang zu einer drastischen Reduktion der Vorsor- SON-Studie die Ergebnisse des der Mortalität. ge-Koloskopien um 14,82 %. Ein detaillier- amerikanischen „National Lung ter Vergleich der Jahre 2019 und 2020 wird Cancer Screening Trial“2) (NLST- in Abbildung 2 veranschaulicht. Studie), die eine 20 %ige Mortalitätsreduk- tion durch „low dose CT“ gegenüber dem Lungenkrebs Thoraxröntgen zeigte (Ergebnisse beider 2018 erkrankten lt. Statistik Austria 2.925 Studien, vgl. Abbildung 3). Noch bedeu- Männer und 2.060 Frauen an einem bös- tender ist, dass die NELSON-Studie durch
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