Postscriptum - Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben 01 21 - Psychiatrie-Dienste Süd
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postscriptum 01 21 Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben Welches sind die rele- Wie mit Stress am vanten psychosozialen Arbeitsplatz umgehen? Risikofaktoren? Kundenmagazin der St.Gallischen Psychiatrie-Dienste Süd www.psych.ch
Inhalt 04 Zunahme von Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben Neues Kursangebot für Patientinnen und Patienten 05 Unsere Pflegefachleute Wie sie mit der Pandemie umgehen 07 Junge Erwachsene während Corona- Zeiten Was sie stärken kann 08 Recovery Bei uns eine Selbstverständlichkeit 04 09 Trauer und Trauerbewältigung Prozess des Trauerns hilft Abschied zu neh- men 10 Emotionale Stabilität während Tumorerkrankung Individuellen Weg im Umgang mit der Krankheit finden 11 Resilienz – psychische Widerstandkraft Mit Veränderungen proaktiv umgehen 11 Als Angehörige gut beraten Wir unterstützen individuell 07 08 Gender Disclaimer Wir wenden die geschlech- tergerechte Schreibweise konsequent an und verwenden stets die männliche und weibliche Form. Wenn in Ausnahmefällen auf diese verzichtet wird, gelten die entsprechenden Begriffe im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung. Impressum Herausgeberin: St.Gallische Psychiatrie- Dienste Süd, Klosterweg 1, 7312 Pfäfers; Redaktion: info@psych.ch; Fotos: Shutterstock, Baumschlager Eberle Architekten; Gestaltung: Adicto GmbH, St.Gallen; Druck: Niedermann Druck AG, St.Gallen, klimaneutral, CO2-Kompensation in Schweizer Klimaprojekten www.swissclimate.ch, 09 10 Zertifikat SC2021022501
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser Stress am Arbeitsplatz nimmt aktuellen Studien zufolge auch Bei Menschen, die durch eine psychische Erkrankung ihre Arbeit bei gesunden Erwerbstätigen zu. Dies hat wohl auch mit der verloren haben, ist es wichtig, sie langsam und schrittweise Digitalisierung und den damit verbundenen Veränderungen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, damit sie die Balan- und Anforderungen in der Arbeitswelt zu tun: fortschreitende ce zwischen Ressourcen und Belastungen erhalten und stärken Steigerung der Geschwindigkeit, Intensivierung der Arbeit und können. Obwohl sie besonders sensibel auf Stresssituationen der Lernanforderungen und zunehmende Flexibilisierung von reagieren und teilweise ängstlicher und weniger belastbar sind, Tätigkeiten und Karrierewegen. Die Folgen von Stress führen zu ist die Integration in die Arbeitswelt ein zentrales Element auf Beschwerden wie innere Anspannung, Konzentrationsschwie- ihrem Gesundungsweg. Denn eine feste Arbeit hilft ihnen, ihrem rigkeiten, Nervosität, Unzufriedenheit und Ängstlichkeit. Das Leben eine Struktur und damit Halt zu geben. allgemeine Wohlbefinden nimmt dabei immer weiter ab. Weitere Aspekte zur Thematik finden Sie auf den folgenden In den Unternehmen führt Stress zu Produktivitätsverlusten und Seiten. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre. verursacht höhere Kosten. Könnte der arbeitsbezogene Stress durch systematisches betriebliches Gesundheitsmanage- Franco Schneller, MAS in Systemischer Beratung und ment reduziert werden, würde dies laut Gesundheitsförderung Pädagogik ZSB, Sozialarbeiter FH BSc, Bereichsleiter Koor- Schweiz ein ökonomisches Potenzial von rund sieben Milliar- dinierte Intervention den Franken bedeuten. Es wäre also von grossem Interesse, wenn Führungskräfte in Unternehmen mehr und passgenauere gesundheitsförderliche Bedingungen für ihre Mitarbeitenden schaffen würden. Im Rahmen unserer ambulanten und tagesklinischen Behand- lungen begleiten wir unsere Patientinnen und Patienten bei der beruflichen und sozialen Reintegration. Die Beratungen in den Bereichen Job Coaching, Sozialarbeit und Case Ma- nagement sind dabei integraler Bestandteil. Die Vernet- zung und Koordination der Hilfen von verschiedenen Dienst- leistungserbringern und den Angehörigen ist uns dabei ein besonderes Anliegen, um die gemeinsam vereinbarten Ziele zur Reintegration effizient zu erreichen. Stress erkennen und handeln Für gezielten Stressabbau und Stressprävention bietet der Verein Stressnostress auf seinem Onlineportal Hilfe zur Selbsthilfe an. Der Verein wurde im Januar 2021 durch die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen FSP übernommen. Die Qualität der Stress-Checks wird durch die Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie des Instituts für Psychologie der Universität Bern gesichert. Machen Sie eine Stress-Check und nehmen Sie eine persön- Hilfe zur Selbsthilfe! liche Standortbestimmung vor. Weblink www.stressnostress.ch Hilfe zur Selbsthilfe Haben Sie Fragen zur Stresssituationen am Zum Stress-Check Arbeitsplatz oder zu unseren Beratungs-, Behandlungs- und Kursangeboten? Schreiben Sie uns, wir helfen gerne weiter: info@psych.ch 2l3
Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben Stress und psychosoziale Risiken am Arbeitsplatz haben zugenom- men. Die Ergebnisse der «Schweizerischen Gesundheitsbefra- gung 2017 zu Arbeit und Gesundheit» zeigen auf, dass Stress in der Arbeitswelt immer mehr zur Belastung wird. So leiden 21 Prozent der Erwerbstätigen an ihrem Arbeitsplatz sehr oft unter Stress. Die Hälfte der gestressten Personen fühlen sich bei der Arbeit emotional erschöpft und weisen ein höheres Burnout-Risiko auf. Psychosoziale Risiken bzw. Belastungen sind arbeitsorganisatorisch be- dingt und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, sich bei der Arbeit emotional verbraucht zu fühlen. Sie entstehen unter anderem durch: • Hohen Zeitdruck • Geringen Gestaltungsspielraum • Fehlende Unterstützung durch Vorgesetzte oder Mitarbeitende • Diskriminierung oder Gewalt • Angst um den Arbeitsplatz • Stress • Schmerzhafte oder ermüdende Körperhaltungen • Emotionale Beanspruchungen • Fehlende Wertschätzung keit, Erhalt des Arbeitsplatzes, Unterstützung in persönlichen und sozialen • Schwierigkeiten in der Kommunikation mit dem Arbeitgeber Fragen (Arbeitsrecht, Sozialversicherungen, Finanzen) und die Vernetzung • Unsichere Arbeitsplatzverhältnisse und Koordination der Hilfen von verschiedenen Dienstleistungserbringern • Ungünstiges Verhältnis zwischen Ressourcen und Belastungen und den Angehörigen. • Mobbing Spezielles Kursangebot Personen, die unter mehreren der genannten psychosozialen Risiken lei- Wie kann ich als Betroffene bzw. Betroffener den Arbeitsalltag trotz psy- den, schätzen ihren Gesundheitszustand als mittelmässig oder schlecht ein. chischer Probleme bewältigen? Wie kann ich besser mit einer schwierigen Situation am Arbeitsplatz umgehen? In unserem Kurs «Stress und Gesund- Nach einer Erkrankung oder Krise unterstützen wir Patientinnen und Pati- heit am Arbeitsplatz» setzen sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit rele- enten bei ihrer beruflichen und sozialen Reintegration, damit sie im Alltag vanten Aspekten auseinander beispielsweise: arbeitsplatz- und persönlich- ankommen, am Leben wieder teilnehmen können und ihnen neue Perspek- keitsbezogene Faktoren, Erkrankung und Einfluss auf die Arbeitstätigkeit, tiven Kraft geben. Dabei ist die Koordinierte Intervention integraler Be- Kommunikation und Unternehmenskultur, mit psychischer Erkrankung im standteil der ambulanten und tagesklinischen Behandlung. Sie beinhaltet: Anstellungsverhältnis und auf Stellensuche. Zudem werden den Teilneh- berufliche Beratung und Begleitung zur Wiederaufnahme der Erwerbstätig- merinnen und Teilnehmern wertvolle Inhalte zu Themen wie Prävention und Resilienz (Was kann ich verändern?) und Arbeitsrecht (Sperrfristen, Krank- entaggeldversicherung, SVA, RAV) vermittelt und sie erlernen im Rahmen von Rollenspielen, in schwierigen Gesprächssituationen sicher aufzutreten. Tipps gegen Stress am Arbeitsplatz • Sich realistische Ziele für den Tag setzen, sich auf diese konzentrieren • Prioritäten setzen, Wichtiges von Unwichtigem trennen, Nein sagen Weblink wenn voll ausgelastet www.psych.ch/veranstaltungen • Die Arbeit gut organisieren, Schritt für Schritt abarbeiten Details zum Kurs und Anmeldung • Arbeitstempo reduzieren • Pausen einschalten, sich bewegen, frische Luft schnappen Buchtipp • Regelmäßig und gesund essen, genügend trinken Resilienz am Arbeitsplatz. Autor: Detlef Kuhn, 2019 im • Sich nach der Arbeit ausreichend Erholung gönnen Mabuse-Verlag, ISBN 978-3-86321-436-4 • Für genug und guten Schlaf sorgen Mehr zum Thema Schweizerischer Job-Stress-Index
Umgang mit Ängsten – sich Sorgenzeiten nehmen Alina Brian, Psychologin MSc, Leiterin ADHS-Ambulanz: «Unseren Patientinnen und Patienten mit einer Angstthematik raten wir, sich sogenannte Erfahrungsbericht «Sorgenzeiten» zu nehmen. Sie helfen, nicht den ganzen Tag mit den Sorgen und Ängsten Während einer Depression verlor *Martin (45) beschäftigt zu sein.» seine Arbeit. Er sagt: «Die Arbeit nahm immer mehr zu und ich war abends lange im Büro. Sorgenzeiten sind festgelegte ruhige Zeitfenster, in denen nicht die volle Kon- Zuhause hatte ich für alltägliche Dinge keine zentration gefordert ist, beispielsweise abends. In diesen Zeiten setzt man sich Energie mehr übrig. Irgendwann kam ich nicht mit den eigenen Ängsten intensiv auseinander. Dabei geht es vor allem um jene mehr aus meinem Bett. Sorgen und Ängste, an denen man nichts ändern kann. Schaffen Sie optimale Bedingungen, um das «Zuwenden und Loslassen» zu üben: Ich brauchte Hilfe und sprach mit meinem besten Freund über meine Situation. Er hörte • Täglich eine halbe Stunde (maximal eine Stunde) mir zu und half mir bei der Anmeldung im • Wählen Sie einen bestimmten Ort aus, beispielsweise der tägliche Spaziergang Psychiatrie-Zentrum. In der ambulanten • Wählen Sie das Thema aus, mit dem Sie sich beschäftigen wollen Beratung konnte ich offen über meine Gedanken • Denken Sie intensiv und umfassend über das Thema nach, sprechen und ich habe gelernt, mich abzugren- lassen Sie sich nicht ablenken zen und auf meine Bedürfnisse zu hören. Ich • Notieren Sie Ihre Gedanken und legen Sie die Notizen dann weg nehme mir jetzt mehr Zeit für mich und meine Nach Ablauf der Sorgenzeit ist die bewusste Abgrenzung vom Thema wichtig, Familie und die Dinge, die mir Kraft geben. Mein unternehmen Sie danach etwas Schönes, eine freudvolle Aktivität. Wichtig: Tipp für andere: die Warnsignale erkennen und sich ausserhalb der festgelegten Zeit nicht mehr mit dem belastenden Thema darüber sprechen!» beschäftigen. Nach und nach können sowohl die Dauer als auch die Häufigkeit der Sorgenzeiten verringert werden. *Name der Redaktion bekannt Buchtipp «Angst kocht auch nur mit Wasser. Wie wir durch Denken in Bildern negative Verhaltensmuster durchbrechen können.» Autor Dan Katz, 2019 im MVG-Verlag erschienen, ISBN: 978-3-86882-946-4 4l5
Wie unsere Pflegefachleute mit der Pandemie umgehen Bei verschärften Corona-Schutzmassnahmen sind bei Jede Pflegefachperson weiss, was für sie gut ist, um langfri- unseren Pflegefachpersonen tendenziell auch mehr stig gesund und leistungsfähig zu bleiben. Dabei ist ein guter Unsicherheiten und Ängste vorhanden. Die Situation war Ausgleich zum beruflichen Alltag wichtig. Und grundsätzlich vor dem Jahreswechsel recht angespannt, da krank- hat jede bzw. jeder etwas, was er oder sie für den eigenen heitsbedingte Ausfälle durch die Wintergrippe inner- Ausgleich tun kann. Seien es Aktivitäten an der frischen Luft halb der Pflege selbst kompensieren werden mussten. oder zuhause ein gutes Essen kochen. Aktuell ist auch eine gewisse Müdigkeit zu spüren, da die Si- Nebst der Bereitstellung von ausreichend Schutzmaterial, tuation seit einem Jahr belastet. Erfreulich und motivierend dem Einsatz von genügend und kompetentem Personal zur Er- zugleich ist die Tatsache, dass wir auf hervorragende Mitar- füllung des Pflegeauftrages, gilt es auch, entsprechende Er- beiterinnen und Mitarbeiter zählen dürfen, die Ausserordent- müdungsanzeichen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbei- liches leisten. Ihnen gilt unser aufrichtiger Dank! tern wahrzunehmen und für geregelte Freizeit und Erholung zu sorgen, damit sie auch künftig gestärkt zur Arbeit kommen. Carmine Di Nardo, Leiter Pflegedienst und Therapien: «Das Team bietet eine grosse Unterstützung: Man verbringt täglich viel Zeit bei der Arbeit, tauscht sich aus und man kann auch mal über andere Themen als Corona sprechen. Einen wertvollen Beitrag leisten hier unsere Abteilungsleiterinnen und -leiter, die alles Mögliche unternehmen, um den Alltag auf der Station bestmöglich zu meistern. Sie sind auch da, wenn Sorgen oder Ängste für Kolleginnen und Kollegen zur Belastung werden.»
Was junge Erwachsene stärkt Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen macht die Coro- • Viele Junge werden nun über den Zivilschutz, das Militär na-Pandemie zu schaffen. weil das soziale Leben und oder den Zivildienst in verschiedenen Sozialeinrichtungen der Austausch mit Gleichgesinnten stark eingeschränkt eingesetzt. Diese Einsätze als Lernerfahrung sehen, und sind. «Junge Erwachsene sind besonders negativ von nicht als Leerzeit bis man endlich in den erlernten Beruf der sozialen Isolierung betroffen. Eine Erklärung dafür kann. ist, dass sie noch nicht so stark in das soziale Netzwerk • Vielleicht ergeben sich auch sonst Möglichkeiten Freiwil- integriert sind wie ältere Personen», sagt Psychologe ligendienste zu erbringen, oder in Sozialbereichen auszu- Claus Lamm der am Institut für Psychologie der Kogniti- helfen. In der Regel tut es gut, sich nützlich zu fühlen und on, Emotion und Methoden der Universität Wien forscht. etwas beitragen zu können. Aus seinen Studien zur ersten Lockdownphase geht her- • Viele brauchen sicher auch Geduld und Optimismus, um vor, dass unsichere Zukunftsaussichten und finanzielle diese Zeit jetzt durchzustehen. Da helfen Gespräche mit Sorgen an den Nerven besonders der jungen Erwachse- Gleichgesinnten, Hobbies, Ruhe, Natur. nen zerren und Stress erzeugen. • Vielleicht können manche die Zeit auch nützen um zu über- legen, was sie danach, wenn alles wieder in gewohnten «In der Corona-Pandemie könnten in der Persönlichkeitsent- Bahnen läuft, mit ihrem Leben machen wollen. Für grund- wicklung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen Bruch- legende Reflexionen fehlt im Alltag sonst häufig die Zeit. stellen entstehen, die für das weitere Leben prägend sein können», sagt Professor Klaus Hurrelmann, Bildungs- und Tipps zum Erhalt der mentalen Gesundheit Gesundheitswissenschaftler an der Hertie School of Gover- nance in Berlin. Junge Erwachsene, die jetzt ihre Ausbildung abschliessen oder eine Lehrstelle suchen, haben je nach Be- reich Probleme in den Arbeitsmarkt zu kommen. Als Konse- quenz müssen eben gerade auch Junge Arbeitslosengelder beziehen, noch bevor sie so richtig mit der Arbeit beginnen konnten. Das löst existentielle Sorgen aus und belastet das Selbstwertgefühl. Was kann helfen? • Junge Menschen haben oft den Vorteil, dass sie mit neuen Medien und technischen Hilfsmitteln aufgewachsen sind und diese wie selbstverständlich anwenden können. Sie sind es gewöhnt, oft über soziale Medien zu kommunizie- ren. Diese Technikaffinität kommt ihnen zugute. 6l7
Recovery – bei uns eine Selbstverständlichkeit Bereits vor zehn Jahren wurde in unserem Unternehmen Während in der Vergangenheit mit einer fast ausschliesslich mit dem Projekt «Patientenorientierung» die systema- defizitorientierten Betrachtung von Anamnese, Symptomen tische Förderung von Recovery lanciert. Patientenorien- und Diagnose eine Reduktion auf die Krankheit zentral war, tierung meint eine Nutzenorientierung und eine bedürf- umfasst eine recoveryorientierte Sicht das Verständnis einer nisgerechte Ausgestaltung von psychiatrischen Ange- erkrankten Person als Mitmensch mit Stärken und Hoffnung. boten, welche die Nachteile der Institutionszentrierung Unsere Fachpersonen sind gefordert, Patientinnen und Pati- überwindet (Rüst 2009). Die recoveryorientierte Arbeit enten individuell in der Stärkung der Selbstbestimmung und war damals im schweizerisch-psychiatrischen Gesund- dem Selbstmanagement zu unterstützen. Die Förderung der heitssystem neu und ist teilweise auch heute noch keine Gesundung und eine sinnerfüllte Gestaltung des eigenen Le- Selbstverständlichkeit. bens stehen im Zentrum. Dieser Paradigmawechsel bedingt einen langwierigen Pro- zess, welcher Betroffenene, Fachleute und auch die Gesell- schaft fordert, sich mit den beschriebenen Grundannahmen auseinanderzusetzen. Letztlich zeigt sich eine Recoveryorien- Buchtipp tierung darin, wie sich Betroffene, Fachleute und die Gesell- «Die Hoffnung trägt. Psychisch erkrankte Menschen und schaft begegnen - nämlich auch Augenhöhe. ihre Recoverygeschichten» Autoren Michael Schulz, Gianfranco Zuaboni, 2014 im Psychiatrie Verlag erschienen, ISBN: 978-3-86739-090-3
Trauer und Trauerbewältigung Trauer ist an sich keine psychische Erkrankung, sondern Teil des normalen Lebensverlaufes eines jeden Menschen (Birgit Wagner 2016). Trauerreakti- onen können sein: Schockerleben, Trennungsschmerz, Sehnsucht, intensive Emotionen und körperliche Ermüdbarkeit. Sie sind belastend, bedürfen aber keiner spezifischen psychotherapeutischen oder medizinischen Behand- lung. Trauer wird individuell erlebt und der Umgang und die Art und Weise zu trauern, wird durch kulturelle Kontexte beeinflusst. Studien zeigen, dass die Mehrheit der Trauernden einen «normalen» Trauerverlauf erfahren. Dr. phil. Keti Simmen-Janevska, Leitende Psychologin Balancestation: «Trauern hilft Abschied zu nehmen und ein Leben ohne die geliebte Bezugsperson zu beginnen. In den meisten Fällen gelingt dieser Prozess.» Jeder Mensch trauert anders, und jeder braucht unterschiedlich viel Zeit, um einen Verlust zu verarbeiten. Der Prozess des Trauerns beinhaltet die Nebst der beschriebenen Haltungsebene kann Recovery ganz Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen und die Anpassung an die konkret umgesetzt werden: beispielsweise mit der Anstellung neue Realität. Das kann die Trauerarbeit unterstützen: von Peers (Menschen mit einer eigenen Krankheitserfahrung). So gelangt ihr Erfahrungswissen in die Behandlung und fliesst • Lassen Sie die Trauer zu, sie ist notwendig für den in Einzelgespräche, aber auch in Gruppengespräche mit ein. Heilungsprozess der Seele • Schreiben Sie auf, was Sie bewegt, führen Sie ein Trauertagebuch Wie ein Leuchtturm machen unsere Peermitarbeitenden, die • Schreiben Sie einen Brief an die verstorbene Bezugsperson eine Weiterbildung als Genesungsbegleiterin bzw. als Gene- sungsbegleiter absolviert haben, unsere Recoveryorientierung Nehmen Sie professionelle Beratung und Unterstützung in Anspruch, wenn im Behandlungsalltag sichtbar! die Trauerverarbeitung «kompliziert» verläuft und ungewöhnlich lange an- hält, die Trauersymptomatik im Verlauf der Zeit nicht abnimmt, die Anpas- Den gesamten Artikel lesen sung an die neue Wirklichkeit nicht gelingt oder sich eine Beeinträchtigung im Funktionsniveau zeigt. Buchtipp Als Frau Trauer bei uns einzog, Autorin: Anke Keil, 2019 im Vier-Türme-Verlag, ISBN: 978-3-7365-0283-3 8l9
Emotionale Stabilität während Tumorerkrankung Eine Krebserkrankung bedeutet für Betroffene und ihre Als Reaktion auf die schwere Lebenssituation können Angst, Angehörigen einen massiven Einschnitt in ihr bishe- Überforderung, Trauer und Schlaflosigkeit und das zeitweise riges Leben und führt zu weitreichenden psychischen Verdrängen oder Ausblenden der Erkrankung auftreten. Bei und sozialen Auswirkungen. Zur medizinischen Behand- mehr als der Hälfte führen die langanhaltenden Belastungen lung kommen familiäre, berufliche und wirtschaftliche zu Begleit- und Folgeerkrankungen wie beispielsweise Angst- Faktoren hinzu, die den Krankheitsprozess beeinflussen. zuständen oder Depressionen. Unsere spezialisierten Psychotherapeutinnen stehen Betrof- fenen beratend zur Seite, um gemeinsam mit ihnen individu- L. M. aus Rapperswil: «Die Beratung hat mir geholfen elle Wege im Umgang mit der Krankheit und deren Verarbei- tung und Bewältigung zu finden. zu verstehen, was für mich aktuell von Bedeutung ist und mir neue Ziele zu setzen. Und ich habe Sie begleiten und unterstützen, damit eigene Ressourcen mo- den Mut gefunden, die Trauer zuzulassen und sie bilisiert werden können, um die Krankheit zu bewältigen und leichter mit den veränderten Rollen umzugehen. in meinem Umfeld zu thematisieren.» Details Beratungsangebot
Resilienz – psychische Widerstandskraft Der Begriff leitet sich aus dem lateinischen Wort «res- zum Guten zu wenden und aus Krisen zu lernen (nach Al Sie- ilire» für zurückspringen oder abprallen ab. Im Zusam- bert) sind: menhang mit psychischer Gesundheit meint Resilienz die Fähigkeit, Krisen durch Rückgriff auf persönliche und • Optimale Gesundheit und Wohlbefinden fördern: Bela- soziale Ressourcen zu meistern und als Anlass für Ent- stungen reduzieren, vitalisierende Aktivitäten steigern, wicklungen zu nutzen. soziales Netzwerk stärken • Problembewältigung erlernen: analytisches Problemlösen, Mit Blick auf die zunehmenden Belastungen und die steigende Arten des Problemlösens, auf Krisen vorbereiten Komplexität in Beruf und Privatleben, gewinnt die psychische • «Innere Torhüter»: starkes Selbstvertrauen, gesundes Widerstandskraft an Bedeutung. Die Kompetenzen, um aus Selbstwertgefühl, entwickeln eines positiven Selbstkon- widrigen Umständen gestärkt hervorzugehen, Rückschläge zeptes • Lernfähigkeit, Lernbereitschaft und Neugier • Serendipitätsprinzip: eine zufällige Entdeckung von etwas Dr. med. univ. Angela Brucher, Chefärztin: «Greifen Sie ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich als neue und über- raschende Erkenntnis erweist in schwierigen Situationen auf ihre bewährten Erfahrungen und ihr soziales Umfeld zurück, achten Sie auf die Stabilität ihrer Persönlichkeit Buchtipp Das wirft mich nicht um. Mit Resilienz stark durchs und handeln Sie bewusst proaktiv. Nutzen Sie Leben gehen. 2015 im Kösel Verlag erschienen, vorhandene Spielräume, um eine gute Lösung Autorin: Jutta Heller, ISBN: 978-3-466-34614-1 zu erzielen.» Testen Sie Ihre Resilienz! Das Ostschweizer Forum für psychische Gesundheit bietet einen Online- Fragebogen zur Erstellung des eige- nen Resilienzprofils an. R. C. aus Altstätten: «In der Angehörigenberatung wurde ich ernst genommen. Mir wurde klar, dass meine Gefühle in so einer Situation normal sind.» Als Angehörige gut beraten Fühlen Sie sich als Angehörige oder Angehöriger eines psy- Im vergangenen Jahr nahmen 267 Angehörige unsere indivi- chisch kranken Menschen unsicher und mit den vielen Fragen duelle Beratung in Anspruch, bevorzugt wurde dabei die Be- alleingelassen oder überfordert? Wir unterstützen und stärken ratung per Telefon. Mit Bezug zur Corona-Pandemie unterlag Sie, indem wir umfassende Informationen zum Krankheitsbild, die Nachfrage Schwankungen: im Lockdown und während der zur Behandlung und dem Umgang mit der Erkrankung geben zweiten Welle brachen die Anfragen kurzzeitig ein. und gemeinsam mit Ihnen weitere Aspekte besprechen, bei- spielsweise den Umgang mit den eigenen Belastungen, Gren- Kontakt für eine Angehörigenberatung zen, Bedürfnissen und Gefühlen im Zusammenhang mit der Erkrankung der nahestehenden Person. 10 l 11
Verlegung Ambulatorium in Heerbrugg Teilbereiche des Ambulatoriums in Heerbrugg sind aktu- ell in mehreren Liegenschaften eingemietet. Bei den vie- len zusätzlichen Wegen ist es bei Notfällen eine Heraus- forderung, die fachlichen Mitarbeitenden rasch am rich- tigen Ort zu haben. Auch die Interdisziplinarität leidet bisweilen, weil es schwierig ist, im Team Absprachen Unsere Tageskliniken kurzfristig und unkompliziert zu organisieren. Und unse- re Patientinnen und Patienten verbringen öfter unnötig bekommen gute Noten viel Zeit damit, den richtigen Behandlungsort zu finden. Dies wird sich ab Sommer 2022 ändern: alle Bereiche des Die Befragung unserer Patientinnen und Patienten Ambulatoriums werden dann unter einem Dach zusammen- im 2020 zu den Leistungen unserer Tageskliniken er- geführt. Dafür werden in der Überbauung «Erlen», dem Sie- gab ein erfreuliches Ergebnis: die Zufriedenheit war gerprojekt aus einem Architekturwettbewerb, entsprechende durchwegs hoch und im Vergleich mit anderen Kliniken Räumlichkeiten angemietet. Der neue Standort unmittelbar (Benchmark) schneiden wir gut ab. Die Ergebnisse freu- beim Bahnhof Heerbrugg gelegen, ist mit öffentlichen Ver- en und motivieren. kehrsmitteln gut erreichbar. Unsere Patientinnen und Pati- enten, aber auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter In der Befragung waren thematische Schwerpunkte gesetzt. werden sich in den hellen und modernen Räumen wohl fühlen. Abgefragt wurde unter anderem: die rasche Terminvergabe, die Erklärungen zu Krankheit und Medikamenten, das Vertrau- Zur Verlegung des Ambulatoriums haben der Verwaltungsrat en zu den Behandlerinnen und Behandlern und die Erreichung der Psychiatrieverbunde, das kantonale Hochbauamt und die der Behandlungsziele. St.Galler Regierung ihre Zustimmung gegeben. Die entspre- chenden Grundlagen wurden geprüft und genehmigt. Möchten Sie uns Ihr Feedback übermitteln? Ihre Anregungen und Wünsche, aber auch Ihre Kritik oder Ihre Beschwerde prüfen bzw. bearbeiten wir rasch und sorgfältig. Wir sehen sie als Chance zur Entwicklung. In vielen Fällen können wir Massnahmen zur Optimierung ableiten und unsere internen Abläufe und Prozesse dadurch noch weiter verbessern. Herz- lichen Dank! Regelmässig Infos erhalten Ihre Meinung ist uns wichtig Mit der Anmeldung zum Newsletter der Psychiatrie- PDS-20-17-001 Dienste Süd sichern Sie sich aktuelle Infos und Tipps zu Beratungs- und Behandlungsleistungen
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