Postscriptum - Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben 01 21 - Psychiatrie-Dienste Süd

Die Seite wird erstellt Kenneth Kuhlmann
 
WEITER LESEN
Postscriptum - Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben 01 21 - Psychiatrie-Dienste Süd
postscriptum                                                                   01
                                                                                  21

            Angst- und
            Stresserkrankungen
            im Berufsleben

                         Welches sind die rele-           Wie mit Stress am
                         vanten psychosozialen            Arbeitsplatz umgehen?
                         Risikofaktoren?                                          
Kundenmagazin der St.Gallischen Psychiatrie-Dienste Süd         www.psych.ch
Postscriptum - Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben 01 21 - Psychiatrie-Dienste Süd
Inhalt

04   Zunahme von Angst- und
     Stresserkrankungen im Berufsleben
     Neues Kursangebot für Patientinnen und
     Patienten

05   Unsere Pflegefachleute
     Wie sie mit der Pandemie umgehen

07   Junge Erwachsene während Corona-
     Zeiten
     Was sie stärken kann

08   Recovery
     Bei uns eine Selbstverständlichkeit
                                                           04
09   Trauer und Trauerbewältigung
     Prozess des Trauerns hilft Abschied zu neh-
     men

10   Emotionale Stabilität während
     Tumorerkrankung
     Individuellen Weg im Umgang mit der
     Krankheit finden

11   Resilienz – psychische Widerstandkraft
     Mit Veränderungen proaktiv umgehen

11   Als Angehörige gut beraten
     Wir unterstützen individuell

                                                           07   08

     Gender Disclaimer Wir wenden die geschlech-
     tergerechte Schreibweise konsequent an und
     verwenden stets die männliche und weibliche
     Form. Wenn in Ausnahmefällen auf diese verzichtet
     wird, gelten die entsprechenden Begriffe im Sinne
     der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide
     Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet
     keine Wertung.

     Impressum Herausgeberin: St.Gallische Psychiatrie-
     Dienste Süd, Klosterweg 1, 7312 Pfäfers; Redaktion:
     info@psych.ch; Fotos: Shutterstock, Baumschlager
     Eberle Architekten; Gestaltung: Adicto GmbH,
     St.Gallen; Druck: Niedermann Druck AG, St.Gallen,
     klimaneutral, CO2-Kompensation in Schweizer
     Klimaprojekten www.swissclimate.ch,                   09   10
     Zertifikat SC2021022501
Postscriptum - Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben 01 21 - Psychiatrie-Dienste Süd
Editorial
Liebe Leserin,
lieber Leser
Stress am Arbeitsplatz nimmt aktuellen Studien zufolge auch      Bei Menschen, die durch eine psychische Erkrankung ihre Arbeit
bei gesunden Erwerbstätigen zu. Dies hat wohl auch mit der       verloren haben, ist es wichtig, sie langsam und schrittweise
Digitalisierung und den damit verbundenen Veränderungen          wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, damit sie die Balan-
und Anforderungen in der Arbeitswelt zu tun: fortschreitende     ce zwischen Ressourcen und Belastungen erhalten und stärken
Steigerung der Geschwindigkeit, Intensivierung der Arbeit und    können. Obwohl sie besonders sensibel auf Stresssituationen
der Lernanforderungen und zunehmende Flexibilisierung von        reagieren und teilweise ängstlicher und weniger belastbar sind,
Tätigkeiten und Karrierewegen. Die Folgen von Stress führen zu   ist die Integration in die Arbeitswelt ein zentrales Element auf
Beschwerden wie innere Anspannung, Konzentrationsschwie-         ihrem Gesundungsweg. Denn eine feste Arbeit hilft ihnen, ihrem
rigkeiten, Nervosität, Unzufriedenheit und Ängstlichkeit. Das    Leben eine Struktur und damit Halt zu geben.
allgemeine Wohlbefinden nimmt dabei immer weiter ab.
                                                                 Weitere Aspekte zur Thematik finden Sie auf den folgenden
In den Unternehmen führt Stress zu Produktivitätsverlusten und   Seiten. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.
verursacht höhere Kosten. Könnte der arbeitsbezogene Stress
durch systematisches betriebliches Gesundheitsmanage-            Franco Schneller, MAS in Systemischer Beratung und
ment reduziert werden, würde dies laut Gesundheitsförderung      Pädagogik ZSB, Sozialarbeiter FH BSc, Bereichsleiter Koor-
Schweiz ein ökonomisches Potenzial von rund sieben Milliar-      dinierte Intervention
den Franken bedeuten. Es wäre also von grossem Interesse,
wenn Führungskräfte in Unternehmen mehr und passgenauere
gesundheitsförderliche Bedingungen für ihre Mitarbeitenden
schaffen würden.

Im Rahmen unserer ambulanten und tagesklinischen Behand-
lungen begleiten wir unsere Patientinnen und Patienten bei
der beruflichen und sozialen Reintegration. Die Beratungen
in den Bereichen Job Coaching, Sozialarbeit und Case Ma-
nagement sind dabei integraler Bestandteil. Die Vernet-
zung und Koordination der Hilfen von verschiedenen Dienst-
leistungserbringern und den Angehörigen ist uns dabei ein
besonderes Anliegen, um die gemeinsam vereinbarten Ziele zur
Reintegration effizient zu erreichen.

Stress erkennen und handeln
Für gezielten Stressabbau und Stressprävention bietet der
Verein Stressnostress auf seinem Onlineportal Hilfe zur
Selbsthilfe an. Der Verein wurde im Januar 2021 durch die
Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen
FSP übernommen. Die Qualität der Stress-Checks wird durch
die Abteilung Arbeits- und Organisations­psychologie des
Instituts für Psychologie der Universität Bern gesichert.
Machen Sie eine Stress-Check und nehmen Sie eine persön-                           Hilfe zur Selbsthilfe!
liche Standortbestimmung vor.

        Weblink
         www.stressnostress.ch  Hilfe zur Selbsthilfe
                                                                                           Haben Sie Fragen zur Stresssituationen am
         Zum Stress-Check                                                                   Arbeitsplatz oder zu unseren Beratungs-,
                                                                                            Behandlungs- und Kursangeboten?
                                                                                            Schreiben Sie uns, wir helfen gerne weiter:
                                                                                            info@psych.ch

                                                                                                                                          2l3
Postscriptum - Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben 01 21 - Psychiatrie-Dienste Süd
Angst- und
  Stresserkrankungen
  im Berufsleben

  Stress und psychosoziale Risiken am Arbeitsplatz haben zugenom-
  men. Die Ergebnisse der «Schweizerischen Gesundheitsbefra-
  gung 2017 zu Arbeit und Gesundheit» zeigen auf, dass Stress in der
  Arbeitswelt immer mehr zur Belastung wird. So leiden 21 Prozent
  der Erwerbstätigen an ihrem Arbeitsplatz sehr oft unter Stress. Die
  Hälfte der gestressten Personen fühlen sich bei der Arbeit emotional
  erschöpft und weisen ein höheres Burnout-Risiko auf.

  Psychosoziale Risiken bzw. Belastungen sind arbeitsorganisatorisch be-
  dingt und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, sich bei der Arbeit emotional
  verbraucht zu fühlen. Sie entstehen unter anderem durch:

  • Hohen Zeitdruck
  • Geringen Gestaltungsspielraum
  • Fehlende Unterstützung durch Vorgesetzte oder Mitarbeitende
  • Diskriminierung oder Gewalt
  • Angst um den Arbeitsplatz
  • Stress
  • Schmerzhafte oder ermüdende Körperhaltungen
  • Emotionale Beanspruchungen
  • Fehlende Wertschätzung                                                      keit, Erhalt des Arbeitsplatzes, Unterstützung in persönlichen und sozialen
  • Schwierigkeiten in der Kommunikation mit dem Arbeitgeber                    Fragen (Arbeitsrecht, Sozialversicherungen, Finanzen) und die Vernetzung
  • Unsichere Arbeitsplatzverhältnisse                                          und Koordination der Hilfen von verschiedenen Dienstleistungserbringern
  • Ungünstiges Verhältnis zwischen Ressourcen und Belastungen                  und den Angehörigen.
  • Mobbing
                                                                                Spezielles Kursangebot
  Personen, die unter mehreren der genannten psychosozialen Risiken lei-        Wie kann ich als Betroffene bzw. Betroffener den Arbeitsalltag trotz psy-
  den, schätzen ihren Gesundheitszustand als mittelmässig oder schlecht ein.    chischer Probleme bewältigen? Wie kann ich besser mit einer schwierigen
                                                                                Situation am Arbeitsplatz umgehen? In unserem Kurs «Stress und Gesund-
  Nach einer Erkrankung oder Krise unterstützen wir Patientinnen und Pati-      heit am Arbeitsplatz» setzen sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit rele-
  enten bei ihrer beruflichen und sozialen Reintegration, damit sie im Alltag   vanten Aspekten auseinander beispielsweise: arbeitsplatz- und persönlich-
  ankommen, am Leben wieder teilnehmen können und ihnen neue Perspek-           keitsbezogene Faktoren, Erkrankung und Einfluss auf die Arbeitstätigkeit,
  tiven Kraft geben. Dabei ist die Koordinierte Intervention integraler Be-     Kommunikation und Unternehmenskultur, mit psychischer Erkrankung im
  standteil der ambulanten und tagesklinischen Behandlung. Sie beinhaltet:      Anstellungsverhältnis und auf Stellensuche. Zudem werden den Teilneh-
  berufliche Beratung und Begleitung zur Wiederaufnahme der Erwerbstätig-       merinnen und Teilnehmern wertvolle Inhalte zu Themen wie Prävention und
                                                                                Resilienz (Was kann ich verändern?) und Arbeitsrecht (Sperrfristen, Krank-
                                                                                entaggeldversicherung, SVA, RAV) vermittelt und sie erlernen im Rahmen
                                                                                von Rollenspielen, in schwierigen Gesprächssituationen sicher aufzutreten.
Tipps gegen Stress am Arbeitsplatz

• Sich realistische Ziele für den Tag setzen, sich auf diese konzentrieren
• Prioritäten setzen, Wichtiges von Unwichtigem trennen, Nein sagen                    Weblink
   wenn voll ausgelastet                                                                 www.psych.ch/veranstaltungen
• Die Arbeit gut organisieren, Schritt für Schritt abarbeiten                             Details zum Kurs und Anmeldung
• Arbeitstempo reduzieren
• Pausen einschalten, sich bewegen, frische Luft schnappen                              Buchtipp
• Regelmäßig und gesund essen, genügend trinken                                          Resilienz am Arbeitsplatz. Autor: Detlef Kuhn, 2019 im
• Sich nach der Arbeit ausreichend Erholung gönnen                                       Mabuse-Verlag, ISBN 978-3-86321-436-4
• Für genug und guten Schlaf sorgen
                                                                                         Mehr zum Thema
                                                                                         Schweizerischer Job-Stress-Index
Postscriptum - Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben 01 21 - Psychiatrie-Dienste Süd
Umgang mit Ängsten –
                                                   sich Sorgenzeiten nehmen

                                                    Alina Brian, Psychologin MSc, Leiterin ADHS-Ambulanz:

                                                   «Unseren Patientinnen und Patienten mit einer
                                                   Angstthematik raten wir, sich sogenannte
Erfahrungsbericht                                  «Sorgenzeiten» zu nehmen. Sie helfen, nicht
                                                   den ganzen Tag mit den Sorgen und Ängsten
Während einer Depression verlor *Martin (45)
                                                   beschäftigt zu sein.»
seine Arbeit. Er sagt: «Die Arbeit nahm immer
mehr zu und ich war abends lange im Büro.
                                                   Sorgenzeiten sind festgelegte ruhige Zeitfenster, in denen nicht die volle Kon-
Zuhause hatte ich für alltägliche Dinge keine
                                                   zentration gefordert ist, beispielsweise abends. In diesen Zeiten setzt man sich
Energie mehr übrig. Irgendwann kam ich nicht       mit den eigenen Ängsten intensiv auseinander. Dabei geht es vor allem um jene
mehr aus meinem Bett.                              Sorgen und Ängste, an denen man nichts ändern kann. Schaffen Sie optimale
                                                   Bedingungen, um das «Zuwenden und Loslassen» zu üben:
Ich brauchte Hilfe und sprach mit meinem
besten Freund über meine Situation. Er hörte       • Täglich eine halbe Stunde (maximal eine Stunde)
mir zu und half mir bei der Anmeldung im           • Wählen Sie einen bestimmten Ort aus, beispielsweise der tägliche
                                                      Spaziergang
Psychiatrie-Zentrum. In der ambulanten
                                                   • Wählen Sie das Thema aus, mit dem Sie sich beschäftigen wollen
Beratung konnte ich offen über meine Gedanken      • Denken Sie intensiv und umfassend über das Thema nach,
sprechen und ich habe gelernt, mich abzugren-         lassen Sie sich nicht ablenken
zen und auf meine Bedürfnisse zu hören. Ich        • Notieren Sie Ihre Gedanken und legen Sie die Notizen dann weg
nehme mir jetzt mehr Zeit für mich und meine
                                                   Nach Ablauf der Sorgenzeit ist die bewusste Abgrenzung vom Thema wichtig,
Familie und die Dinge, die mir Kraft geben. Mein
                                                   unternehmen Sie danach etwas Schönes, eine freudvolle Aktivität. Wichtig:
Tipp für andere: die Warnsignale erkennen und      sich ausserhalb der festgelegten Zeit nicht mehr mit dem belastenden Thema
darüber sprechen!»                                 beschäftigen. Nach und nach können sowohl die Dauer als auch die Häufigkeit
                                                   der Sorgenzeiten verringert werden.
*Name der Redaktion bekannt

                                                           Buchtipp
                                                            «Angst kocht auch nur mit Wasser. Wie wir durch Denken in Bildern
                                                            negative Verhaltensmuster durchbrechen können.» Autor Dan Katz,
                                                            2019 im MVG-Verlag erschienen, ISBN: 978-3-86882-946-4

                                                                                                                                  4l5
Postscriptum - Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben 01 21 - Psychiatrie-Dienste Süd
Wie unsere Pflegefachleute
mit der Pandemie umgehen

                     

                     Bei verschärften Corona-Schutzmassnahmen sind bei               Jede Pflegefachperson weiss, was für sie gut ist, um langfri-
                     unseren Pflegefachpersonen tendenziell auch mehr                stig gesund und leistungsfähig zu bleiben. Dabei ist ein guter
                     Unsicherheiten und Ängste vorhanden. Die Situation war          Ausgleich zum beruflichen Alltag wichtig. Und grundsätzlich
                     vor dem Jahreswechsel recht angespannt, da krank-               hat jede bzw. jeder etwas, was er oder sie für den eigenen
                     heitsbedingte Ausfälle durch die Wintergrippe inner-            Ausgleich tun kann. Seien es Aktivitäten an der frischen Luft
                     halb der Pflege selbst kompensieren werden mussten.             oder zuhause ein gutes Essen kochen.

                     Aktuell ist auch eine gewisse Müdigkeit zu spüren, da die Si-   Nebst der Bereitstellung von ausreichend Schutzmaterial,
                     tuation seit einem Jahr belastet. Erfreulich und motivierend    dem Einsatz von genügend und kompetentem Personal zur Er-
                     zugleich ist die Tatsache, dass wir auf hervorragende Mitar-    füllung des Pflegeauftrages, gilt es auch, entsprechende Er-
                     beiterinnen und Mitarbeiter zählen dürfen, die Ausserordent-    müdungsanzeichen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
                     liches leisten. Ihnen gilt unser aufrichtiger Dank!             tern wahrzunehmen und für geregelte Freizeit und Erholung
                                                                                     zu sorgen, damit sie auch künftig gestärkt zur Arbeit kommen.

 Carmine Di Nardo, Leiter Pflegedienst und Therapien: «Das
                                               Team bietet eine
grosse Unterstützung: Man verbringt täglich viel Zeit bei der Arbeit,
tauscht sich aus und man kann auch mal über andere Themen
als Corona sprechen. Einen wertvollen Beitrag leisten hier unsere
Abteilungsleiterinnen und -leiter, die alles Mögliche unternehmen,
um den Alltag auf der Station bestmöglich zu meistern. Sie sind
auch da, wenn Sorgen oder Ängste für Kolleginnen und Kollegen
zur Belastung werden.»
Postscriptum - Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben 01 21 - Psychiatrie-Dienste Süd
Was junge Erwachsene stärkt

Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen macht die Coro-           • Viele Junge werden nun über den Zivilschutz, das Militär
na-Pandemie zu schaffen. weil das soziale Leben und               oder den Zivildienst in verschiedenen Sozialeinrichtungen
der Austausch mit Gleichgesinnten stark eingeschränkt             eingesetzt. Diese Einsätze als Lernerfahrung sehen, und
sind. «Junge Erwachsene sind besonders negativ von                nicht als Leerzeit bis man endlich in den erlernten Beruf
der sozialen Isolierung betroffen. Eine Erklärung dafür           kann.
ist, dass sie noch nicht so stark in das soziale Netzwerk      • Vielleicht ergeben sich auch sonst Möglichkeiten Freiwil-
integriert sind wie ältere Personen», sagt Psychologe             ligendienste zu erbringen, oder in Sozialbereichen auszu-
Claus Lamm der am Institut für Psychologie der Kogniti-           helfen. In der Regel tut es gut, sich nützlich zu fühlen und
on, Emotion und Methoden der Universität Wien forscht.            etwas beitragen zu können.
Aus seinen Studien zur ersten Lockdownphase geht her-          • Viele brauchen sicher auch Geduld und Optimismus, um
vor, dass unsichere Zukunftsaussichten und finanzielle            diese Zeit jetzt durchzustehen. Da helfen Gespräche mit
Sorgen an den Nerven besonders der jungen Erwachse-               Gleichgesinnten, Hobbies, Ruhe, Natur.
nen zerren und Stress erzeugen.                                • Vielleicht können manche die Zeit auch nützen um zu über-
                                                                  legen, was sie danach, wenn alles wieder in gewohnten
«In der Corona-Pandemie könnten in der Persönlichkeitsent-        Bahnen läuft, mit ihrem Leben machen wollen. Für grund-
wicklung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen Bruch-           legende Reflexionen fehlt im Alltag sonst häufig die Zeit.
stellen entstehen, die für das weitere Leben prägend sein
können», sagt Professor Klaus Hurrelmann, Bildungs- und                       Tipps zum Erhalt der mentalen Gesundheit
Gesundheitswissenschaftler an der Hertie School of Gover-
nance in Berlin. Junge Erwachsene, die jetzt ihre Ausbildung
abschliessen oder eine Lehrstelle suchen, haben je nach Be-
reich Probleme in den Arbeitsmarkt zu kommen. Als Konse-
quenz müssen eben gerade auch Junge Arbeitslosengelder
beziehen, noch bevor sie so richtig mit der Arbeit beginnen
konnten. Das löst existentielle Sorgen aus und belastet das
Selbstwertgefühl.

Was kann helfen?
• Junge Menschen haben oft den Vorteil, dass sie mit neuen
   Medien und technischen Hilfsmitteln aufgewachsen sind
   und diese wie selbstverständlich anwenden können. Sie
   sind es gewöhnt, oft über soziale Medien zu kommunizie-
   ren. Diese Technikaffinität kommt ihnen zugute.

                                                                                                                                 6l7
Postscriptum - Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben 01 21 - Psychiatrie-Dienste Süd
Recovery – bei uns eine
Selbstverständlichkeit

                 

                 Bereits vor zehn Jahren wurde in unserem Unternehmen      Während in der Vergangenheit mit einer fast ausschliesslich
                 mit dem Projekt «Patientenorientierung» die systema-      defizitorientierten Betrachtung von Anamnese, Symptomen
                 tische Förderung von Recovery lanciert. Patientenorien-   und Diagnose eine Reduktion auf die Krankheit zentral war,
                 tierung meint eine Nutzenorientierung und eine bedürf-    umfasst eine recoveryorientierte Sicht das Verständnis einer
                 nisgerechte Ausgestaltung von psychiatrischen Ange-       erkrankten Person als Mitmensch mit Stärken und Hoffnung.
                 boten, welche die Nachteile der Institutionszentrierung   Unsere Fachpersonen sind gefordert, Patientinnen und Pati-
                 überwindet (Rüst 2009). Die recoveryorientierte Arbeit    enten individuell in der Stärkung der Selbstbestimmung und
                 war damals im schweizerisch-psychiatrischen Gesund-       dem Selbstmanagement zu unterstützen. Die Förderung der
                 heitssystem neu und ist teilweise auch heute noch keine   Gesundung und eine sinnerfüllte Gestaltung des eigenen Le-
                 Selbstverständlichkeit.                                   bens stehen im Zentrum.

                                                                           Dieser Paradigmawechsel bedingt einen langwierigen Pro-
                                                                           zess, welcher Betroffenene, Fachleute und auch die Gesell-
                                                                           schaft fordert, sich mit den beschriebenen Grundannahmen
                                                                           auseinanderzusetzen. Letztlich zeigt sich eine Recoveryorien-
    Buchtipp                                                              tierung darin, wie sich Betroffene, Fachleute und die Gesell-
     «Die Hoffnung trägt. Psychisch erkrankte Menschen und                 schaft begegnen - nämlich auch Augenhöhe.
     ihre Recoverygeschichten» Autoren Michael Schulz,
     Gianfranco Zuaboni, 2014 im Psychiatrie Verlag erschienen,
     ISBN: 978-3-86739-090-3
Postscriptum - Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben 01 21 - Psychiatrie-Dienste Süd
Trauer und
                                                                       Trauerbewältigung

                                                                       Trauer ist an sich keine psychische Erkrankung, sondern Teil des normalen
                                                                       Lebensverlaufes eines jeden Menschen (Birgit Wagner 2016). Trauerreakti-
                                                                       onen können sein: Schockerleben, Trennungsschmerz, Sehnsucht, intensive
                                                                       Emotionen und körperliche Ermüdbarkeit. Sie sind belastend, bedürfen aber
                                                                       keiner spezifischen psychotherapeutischen oder medizinischen Behand-
                                                                       lung. Trauer wird individuell erlebt und der Umgang und die Art und Weise
                                                                       zu trauern, wird durch kulturelle Kontexte beeinflusst. Studien zeigen, dass
                                                                       die Mehrheit der Trauernden einen «normalen» Trauerverlauf erfahren.

                                                                 Dr. phil. Keti Simmen-Janevska, Leitende Psychologin Balancestation:
                                                                «Trauern hilft Abschied zu nehmen und ein Leben
                                                                ohne die geliebte Bezugsperson zu beginnen. In den
                                                                meisten Fällen gelingt dieser Prozess.»

                                                                       Jeder Mensch trauert anders, und jeder braucht unterschiedlich viel Zeit,
                                                                       um einen Verlust zu verarbeiten. Der Prozess des Trauerns beinhaltet die
Nebst der beschriebenen Haltungsebene kann Recovery ganz               Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen und die Anpassung an die
konkret umgesetzt werden: beispielsweise mit der Anstellung            neue Realität. Das kann die Trauerarbeit unterstützen:
von Peers (Menschen mit einer eigenen Krankheitserfahrung).
So gelangt ihr Erfahrungswissen in die Behandlung und fliesst          • Lassen Sie die Trauer zu, sie ist notwendig für den
in Einzelgespräche, aber auch in Gruppengespräche mit ein.                Heilungsprozess der Seele
                                                                       • Schreiben Sie auf, was Sie bewegt, führen Sie ein Trauertagebuch
Wie ein Leuchtturm machen unsere Peermitarbeitenden, die               • Schreiben Sie einen Brief an die verstorbene Bezugsperson
eine Weiterbildung als Genesungsbegleiterin bzw. als Gene-
sungsbegleiter absolviert haben, unsere Recoveryorientierung           Nehmen Sie professionelle Beratung und Unterstützung in Anspruch, wenn
im Behandlungsalltag sichtbar!                                         die Trauerverarbeitung «kompliziert» verläuft und ungewöhnlich lange an-
                                                                       hält, die Trauersymptomatik im Verlauf der Zeit nicht abnimmt, die Anpas-
              Den gesamten Artikel lesen                               sung an die neue Wirklichkeit nicht gelingt oder sich eine Beeinträchtigung
                                                                       im Funktionsniveau zeigt.

                                                                               Buchtipp
                                                                                Als Frau Trauer bei uns einzog, Autorin: Anke Keil,
                                                                                2019 im Vier-Türme-Verlag, ISBN: 978-3-7365-0283-3

                                                                                                                                                      8l9
Postscriptum - Angst- und Stresserkrankungen im Berufsleben 01 21 - Psychiatrie-Dienste Süd
Emotionale Stabilität während
   Tumorerkrankung

                        

                        Eine Krebserkrankung bedeutet für Betroffene und ihre     Als Reaktion auf die schwere Lebenssituation können Angst,
                        Angehörigen einen massiven Einschnitt in ihr bishe-       Überforderung, Trauer und Schlaflosigkeit und das zeitweise
                        riges Leben und führt zu weitreichenden psychischen       Verdrängen oder Ausblenden der Erkrankung auftreten. Bei
                        und sozialen Auswirkungen. Zur medizinischen Behand-      mehr als der Hälfte führen die langanhaltenden Belastungen
                        lung kommen familiäre, berufliche und wirtschaftliche     zu Begleit- und Folgeerkrankungen wie beispielsweise Angst-
                        Faktoren hinzu, die den Krankheitsprozess beeinflussen.   zuständen oder Depressionen.

                                                                                  Unsere spezialisierten Psychotherapeutinnen stehen Betrof-
                                                                                  fenen beratend zur Seite, um gemeinsam mit ihnen individu-
 L. M. aus Rapperswil: «Die
                        Beratung hat mir geholfen                                 elle Wege im Umgang mit der Krankheit und deren Verarbei-
                                                                                  tung und Bewältigung zu finden.
zu verstehen, was für mich aktuell von Bedeutung
ist und mir neue Ziele zu setzen. Und ich habe                                    Sie begleiten und unterstützen, damit eigene Ressourcen mo-
den Mut gefunden, die Trauer zuzulassen und sie                                   bilisiert werden können, um die Krankheit zu bewältigen und
                                                                                  leichter mit den veränderten Rollen umzugehen.
in meinem Umfeld zu thematisieren.»
                                                                                                Details Beratungsangebot
Resilienz – psychische
                         Widerstandskraft

                         Der Begriff leitet sich aus dem lateinischen Wort «res-        zum Guten zu wenden und aus Krisen zu lernen (nach Al Sie-
                         ilire» für zurückspringen oder abprallen ab. Im Zusam-         bert) sind:
                         menhang mit psychischer Gesundheit meint Resilienz
                         die Fähigkeit, Krisen durch Rückgriff auf persönliche und      • Optimale Gesundheit und Wohlbefinden fördern: Bela-
                         soziale Ressourcen zu meistern und als Anlass für Ent-            stungen reduzieren, vitalisierende Aktivitäten steigern,
                         wicklungen zu nutzen.                                             soziales Netzwerk stärken
                                                                                        • Problembewältigung erlernen: analytisches Problemlösen,
                         Mit Blick auf die zunehmenden Belastungen und die steigende       Arten des Problemlösens, auf Krisen vorbereiten
                         Komplexität in Beruf und Privatleben, gewinnt die psychische   • «Innere Torhüter»: starkes Selbstvertrauen, gesundes
                         Widerstandskraft an Bedeutung. Die Kompetenzen, um aus            Selbstwertgefühl, entwickeln eines positiven Selbstkon-
                         widrigen Umständen gestärkt hervorzugehen, Rückschläge            zeptes
                                                                                        • Lernfähigkeit, Lernbereitschaft und Neugier
                                                                                        • Serendipitätsprinzip: eine zufällige Entdeckung von etwas
      Dr. med. univ. Angela Brucher, Chefärztin: «Greifen
                                                 Sie                                       ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich als neue und über-
                                                                                           raschende Erkenntnis erweist
     in schwierigen Situationen auf ihre bewährten
     Erfahrungen und ihr soziales Umfeld zurück,
     achten Sie auf die Stabilität ihrer Persönlichkeit                                         Buchtipp
                                                                                                 Das wirft mich nicht um. Mit Resilienz stark durchs
     und handeln Sie bewusst proaktiv. Nutzen Sie                                                Leben gehen. 2015 im Kösel Verlag erschienen,
     vorhandene Spielräume, um eine gute Lösung                                                  Autorin: Jutta Heller, ISBN: 978-3-466-34614-1
     zu erzielen.»
                                                                                                 Testen Sie Ihre Resilienz! Das
                                                                                                 Ostschweizer Forum für psychische
                                                                                                 Gesundheit bietet einen Online-
                                                                                                 Fragebogen zur Erstellung des eige-
                                                                                                 nen Resilienzprofils an.

                                                                                  R. C. aus Altstätten: «In
                                                                                                    der Angehörigenberatung
                                                                                 wurde ich ernst genommen. Mir wurde klar,
                                                                                 dass meine Gefühle in so einer Situation
                                                                                 normal sind.»
Als Angehörige gut beraten

Fühlen Sie sich als Angehörige oder Angehöriger eines psy-      Im vergangenen Jahr nahmen 267 Angehörige unsere indivi-
chisch kranken Menschen unsicher und mit den vielen Fragen      duelle Beratung in Anspruch, bevorzugt wurde dabei die Be-
alleingelassen oder überfordert? Wir unterstützen und stärken   ratung per Telefon. Mit Bezug zur Corona-Pandemie unterlag
Sie, indem wir umfassende Informationen zum Krankheitsbild,     die Nachfrage Schwankungen: im Lockdown und während der
zur Behandlung und dem Umgang mit der Erkrankung geben          zweiten Welle brachen die Anfragen kurzzeitig ein.
und gemeinsam mit Ihnen weitere Aspekte besprechen, bei-
spielsweise den Umgang mit den eigenen Belastungen, Gren-                     Kontakt für eine Angehörigenberatung
zen, Bedürfnissen und Gefühlen im Zusammenhang mit der
Erkrankung der nahestehenden Person.

                                                                                                                                                       10 l 11
Verlegung Ambulatorium
                                                              in Heerbrugg

                                                              Teilbereiche des Ambulatoriums in Heerbrugg sind aktu-
                                                              ell in mehreren Liegenschaften eingemietet. Bei den vie-
                                                              len zusätzlichen Wegen ist es bei Notfällen eine Heraus-
                                                              forderung, die fachlichen Mitarbeitenden rasch am rich-
                                                              tigen Ort zu haben. Auch die Interdisziplinarität leidet
                                                              bisweilen, weil es schwierig ist, im Team Absprachen
Unsere Tageskliniken                                          kurzfristig und unkompliziert zu organisieren. Und unse-
                                                              re Patientinnen und Patienten verbringen öfter unnötig
bekommen gute Noten                                           viel Zeit damit, den richtigen Behandlungsort zu finden.

                                                              Dies wird sich ab Sommer 2022 ändern: alle Bereiche des
Die Befragung unserer Patientinnen und Patienten              Ambulatoriums werden dann unter einem Dach zusammen-
im 2020 zu den Leistungen unserer Tageskliniken er-           geführt. Dafür werden in der Überbauung «Erlen», dem Sie-
gab ein erfreuliches Ergebnis: die Zufriedenheit war          gerprojekt aus einem Architekturwettbewerb, entsprechende
durchwegs hoch und im Vergleich mit anderen Kliniken          Räumlichkeiten angemietet. Der neue Standort unmittelbar
(Benchmark) schneiden wir gut ab. Die Ergebnisse freu-        beim Bahnhof Heerbrugg gelegen, ist mit öffentlichen Ver-
en und motivieren.                                            kehrsmitteln gut erreichbar. Unsere Patientinnen und Pati-
                                                              enten, aber auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
In der Befragung waren thematische Schwerpunkte gesetzt.      werden sich in den hellen und modernen Räumen wohl fühlen.
Abgefragt wurde unter anderem: die rasche Terminvergabe,
die Erklärungen zu Krankheit und Medikamenten, das Vertrau-   Zur Verlegung des Ambulatoriums haben der Verwaltungsrat
en zu den Behandlerinnen und Behandlern und die Erreichung    der Psychiatrieverbunde, das kantonale Hochbauamt und die
der Behandlungsziele.                                         St.Galler Regierung ihre Zustimmung gegeben. Die entspre-
                                                              chenden Grundlagen wurden geprüft und genehmigt.
Möchten Sie uns Ihr Feedback übermitteln? Ihre Anregungen
und Wünsche, aber auch Ihre Kritik oder Ihre Beschwerde
prüfen bzw. bearbeiten wir rasch und sorgfältig. Wir sehen
sie als Chance zur Entwicklung. In vielen Fällen können wir
Massnahmen zur Optimierung ableiten und unsere internen
Abläufe und Prozesse dadurch noch weiter verbessern. Herz-
lichen Dank!
                                                              Regelmässig Infos erhalten
              Ihre Meinung ist uns wichtig                                  Mit der Anmeldung zum Newsletter der Psychiatrie-
                                                                                                                                    PDS-20-17-001

                                                                            Dienste Süd sichern Sie sich aktuelle Infos und Tipps
                                                                            zu Beratungs- und Behandlungsleistungen
Sie können auch lesen