RISIKO (ER)LEBEN 7. Studientage - Komplexe Suchtarbeit - 21.-22.März2022 SteiermarkhofGraz - Caritas Steiermark
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7. Studientage - Komplexe Suchtarbeit RISIKO (ER)LEBEN 21. - 22. März 2022 Steiermarkhof Graz Bild: R.R. Willi Arndt
Titelbild R. R. Willi Arndt Veranstaltungsort Steiermarkhof Graz (freischaffender Künstler Graz) Krottendorferstraße 81 8052 Graz Impressum Caritas Diözese Graz-Seckau Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich Anmeldung Orpheumgasse 8, 8020 Graz Die Anmeldung zu den Studientagen ist online möglich Tel +43 316 772238 unter www.studientage.at Fax +43 316 772238-19 streetwork@caritas-steiermark.at Ansprechperson http://streetwork.caritas-steiermark.at Harald Ploder Orpheumgasse 8/I Organisation und inhaltliche Konzeption 8020 Graz Christoph Becker 0676 / 88015 358 Gabriella Dokter Katja Körndl studientage@caritas-steiermark.at Shenja Paar Harald Ploder Tickets Martina Raiser bis 31.12.2021 190€ (Early Bird) Roland Urban ab 01.01.2022 230€ Ulf Zeder 2 7. STUDIENTAGE KOMPLEXE SUCHTARBEIT
VORWORT Sehr geehrte Damen und Herren! sondern auch eine Richtung brauchen, in Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! die verändert werden soll. Pragmatisch kann hierzu festgehalten werden, dass die Sucht- Eine der schönsten Eigenschaften der pro- hilfe ohnehin eine wissenschafts- und theorie- fessionellen Suchthilfe ist wohl, dass sie geleitete Disziplin ist – oder glücklicherweise einem ständigen Wandel unterliegt - weil sie immer mehr wird. Darüber hinaus erzeugt un- einem ständigen Wandel unterliegen muss! sere tägliche Arbeit mit suchterkrankten Men- Konsumierte Substanzen, Konsummuster, schen ganz von alleine unzählige praktische Dynamiken innerhalb sogenannter Szenen Erfahrungen, die es allenfalls aufzugreifen aber auch sozialpolitische Rahmenbedingun- und ernst zu nehmen gilt. gen sind nur ein paar wenige Beispiele für sich ständig verändernde Anteile im Leben Die Studientage – Komplexe Suchtarbeit von Substanzgebrauchenden. Nicht ver- wagen vor diesem Hintergrund und in ge- gessen werden darf hier, was jede Kollegin wohnter Manier den Brückenschlag zwischen und jeder Kollege in der Suchthilfe selbst- aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, verständlich weiß: Es gibt ihn nicht, den typi- der wegweisenden Praxis und insbesondere schen suchterkrankten Menschen. Jedes Ge- der Frage nach Erkenntnissen für unsere ge- genüber in unserer täglichen Arbeit hat eine meinsame Zukunft. In der 7. Auflage unserer einzigartige Biographie, in der sich auch die Studientage wird der Fokus auf das Leben Entstehung einer Suchterkrankung versteckt, und Erleben von Risiko und riskantem Verhal- unterschiedlichste und vielfältigste Ressour- ten gelegt und dadurch tief in die Lebenswelt cen, die zentrale Maxime bei der Erarbeitung unserer Klientinnen und Klienten eingetaucht. von Problemlösungsstrategien sein müssen Die Perspektiven auf dieses Thema sind min- und in vielen Fällen leider auch einen großen destens so vielfältig wie unser Programm und Rucksack voll mit negativen Erfahrungen und die Vortragenden und Workshopleitenden, seelischen Kratzern oder gar Verletzungen. die sie mit uns gemeinsam zu zwei Tagen In- Wer sich ernsthaft mit der Behandlung, Be- novation, Austausch und vor allem gemeinsa- gleitung oder Beratung von suchterkrankten me Entwicklung der Suchthilfe einladen. Menschen befassen möchte, wird die eben beschriebenen Voraussetzungen verinnerli- chen müssen und damit ganz automatisch Wir freuen uns auf eine gemeinsame verstehen, warum nur dynamische Suchthilfe produktive und erkenntnisreiche Zeit! auch erfolgreiche Suchthilfe sein kann. Harald Ploder Ein kritischer Geist wird an dieser Stelle den und das Team von Caritas Kontaktladen berechtigten Einwand vorbringen, dass Ver- und Streetwork im Drogenbereich änderungsdynamiken nicht nur einen Antrieb, 21. - 22. MÄRZ 2022 3
PROGRAMM Montag, 21. März 2022 13:00 Uhr Begrüßung und Einleitung 13:30 Uhr Impulsreferat Prof. Dr. Heino Stöver Harm Reduction - eine übergreifende Methode und Strategie - ein Update! 14:30 Uhr Kaffeepause 15:00 Uhr Impulsreferat Dr. Ulf Zeder Cannabis - die gefährlichste Droge der Welt, oder? 15:30 Uhr Impulsreferat Mag.a Nadja Springer Lebensrealitäten von Kindern aus suchtbelasteten Familien 16:20 Uhr Kaffeepause 16:40 Uhr Impulsreferat Eva Nebel, MSc. Bindung erleben - professionelle Nähe in der Arbeit mit Menschen mit Suchterkrankungen 17:45 Uhr Literatischer Abschluss Omar Khir Alanam Risiko 18:15 Uhr Abendessen 4 7. STUDIENTAGE KOMPLEXE SUCHTARBEIT
M Dienstag, 22. März 2022 09:00 Uhr Auftakt 09:30 Uhr Workshops Vormittag Workshops Vormittag Workshops Vormittag WS1: Dr. Heino Stöver WS4: Mag.a Nadja Springer WS6: MA Dominique Schori Geschlechtersensible Suchtarbeit We find our mind initially in the mind of 20plus1 Jahre Drug Checking in our parents... what we think of oursel- Zürich WS2: Dr. Charlotte Cordes ves is born of what we were thought - Erfahrungen, Herausforderungen Einführung in den Provokativen Ansatz about by others (Fonagy, 2015) und Zukunftsvisionen - Humor und Herausforderung in Bera- tung, Coaching und Therapie WS5: Mag. Dr. Georg Zepke WS7: Caritas Kontaktladen WS3: Dr. Stefan Sinz Unsicherheitszonen in Organisationen Harm Reduction & Safer Use in der Die Ambivalenz von Risikoverhalten - Praxis zwischen Vermeidung und Angstlust 13:00 Uhr Mittagessen 14:00 Uhr Workshops Nachmittag Workshops Nachmittag Workshops Nachmittag WS1: Dr. Heino Stöver WS4: Mag.a Nadja Springer WS6: MA Dominique Schori Geschlechtersensible Suchtarbeit We find our mind initially in the mind of 20plus1 Jahre Drug Checking in our parents... what we think of oursel- Zürich WS2: Dr. Charlotte Cordes ves is born of what we were thought - Erfahrungen, Herausforderungen Einführung in den Provokativen Ansatz about by others (Fonagy, 2015) und Zukunftsvisionen - Humor und Herausforderung in Bera- tung, Coaching und Therapie WS5: Mag. Dr. Georg Zepke Unsicherheitszonen in Organisationen WS7: Caritas Kontaktladen WS3: Dr. Stefan Sinz Harm Reduction & Safer Use in der Die Ambivalenz von Risikoverhalten - zwischen Vermeidung und Angstlust Praxis 17:30 Uhr Feierlicher Ausklang mit Getränken und Brötchen 21. - 22. MÄRZ 2022 5
REFERENTiN Dr. Charlotte Cordes hat Kommunikationswissenschaft, Markt- und Werbespy- chologie und Amerikanistik in München studiert. Sie führt seit Jahren Seminare zum Provokativen Ansatz durch und hält Vorträge zu diesem Thema, macht Einzelcoachings und Improseminare für unterschiedliche Zielgruppen. Sie ist Teil der Institutsleitung des Deutschen Instituts für Provokative Therapie (www. provokativ.com) und hat eine private Coachingpraxis in München. Sie ist Autorin mehrerer Bücher (Mut zur Impro, Sie lachen das schon, Einfüh- rung in den Provokativen Ansatz) und Fachartikel. Ausserdem spielt sie seit 1998 aktiv Improvisationstheater (www.lifestories.de) und singt im Chor. Ihre langjährige Erfahrung im Bereich Provokativer Ansatz und Bühne ist sehr wertvoll und ihre Begeisterungsfähigkeit äusserst ansteckend. Sie ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in München. Dr.in Charlotte Cordes www.evanebel.at Psychotherapeutin Transaktionsanalyse in freier Praxis, Trauma Somatic Ex- periencing nach Peter Levine, DGKP, akademisch geprüfte Pflegepädagogin, Coach, Supervisorin, Lebens- und Sozialberaterin, Dipl. Lernberaterin, Krisen- intervention; Arbeitsschwerpunkt: Psychotherapie, Trauma, Supervision, Fallarbeit, Semina- re, Angehörigenberatung und -coaching Themenschwerpunkt: Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten in der Alterspsychiatrie, Psychiatrie und Menschen mit Beeinträchtigungen Eva Nebel, MSc Ich wurde am 13. Mai 1991 in einem Vorort von Damaskus, namens Ost- Ghouta, geboren. Ich wuchs in demselben Ort auf und studierte später in Da- maskus und Latakia. Aufgrund des Krieges musste ich meine Heimat verlassen. Zuerst floh ich in den Libanon dann in die Türkei. Im November 2014, nach zwei Jahren Flucht, kam ich in Österreich an wo ich bis heute lebe. Im Oktober 2017 schaffte ich es auf den dritten Platz bei den Österreichischen Poetry Slam Meisterschaften. Ich schreibe Lyrik und Prosa, meine Texte wurden in Magazinen und im Inter- net veröffentlicht. Die Themen meiner Texte sind Liebe, Exil, Revolution, Flucht, Ausgrenzung, Heimat, Hoffnung und Identität. Mein erstes Buch erschien im März 2018 im edition-a Verlag unter dem Titel „Danke! Wie Österreich meine Heimat wurde.“ Im März 2020 erschien „Auf der Omar Khir Alanam Reise im Dazwischen“ bei Edition Thanhäuser. Im August 2020 erscheint in der edition-a „Sisi, Sex und Semmelknödel“. 6 7. STUDIENTAGE KOMPLEXE SUCHTARBEIT
NNEN Ausbildung zum Pflegefachmann HF, anschliessend Studium der Philosophie, Geschichte und Germanistik in Zürich. Seit rund 10 Jahren in unterschiedlichen Funktionen und Institutionen im Suchtbereich tätig, unter anderem 5 Jahre in einem Zentrum für Heroinge- stützte Behandlung. Von 2017 bis 2020 bei Infodrog für die Koordination und fachliche Unterstüt- zung von schadensmindernden Angeboten in der Schweiz zuständig. Verant- wortlich u.a. für die Entwicklung von nationalen Standards für Drug Checking, dem Monitoring von Konsumverhalten von Freizeitdrogenkonsumierenden in der Schweiz und Leitung von verschiedenen Arbeits- und ExpertInnengrup- pen zu Drug Checking und Freizeitdrogenkonsum. Seit Juli 2020 Leiter von Saferparty Streetwork, dem Drug-Checking-Angebot MA Dominique Schori der Stadt Zürich. Geb. 26.12.1966 in Linz Medizinstudium in Wien Arzt für Allgemeinmedizin Facharzt für Psychiatrie Seit einigen Jahren ärztlicher Leiter der Suchtberatung Obersteiermark in Le- oben Wahlarztpraxis in Leoben Vorher Tätigkeit u.a. in der Forensik (JA Karlau), Konsiliarpsychiatrie (LKH Leoben) und vor allem über viele Jahre in der Sozialpsychiatrie Langjährige Vortrags-, Seminar- und Supervisionstätigkeit Schwerpunkte: politische und gesellschaftliche Aspekte des psychiatrischen Handelns Komorbidität psychiatrische Erkrankungen - Suchterkrankungen Zusammenwirken von Psychotherapie und Psychopharmaka Dr.med. Stefan Sinz Persönlichkeitsstörungen Tiefenpsychologie Mag. Nadja Springer, Klinische- und Gesundheitspsychologin, Psychothera- peutin in freier Praxis (psychoanalytisch orientierte Psychotherapie). Mitarbeiterin im Verein Dialog am Standort Suchtprävention und Früherken- nung mit folgenden Schwerpunkten: schulische Suchtprävention, Kinder aus suchtbelasteten Familien, wissenschaftliches Arbeiten. Teammitglied der Lehrgangsleitung des Weiterbildungslehrgangs „Suchtbe- ratung und Prävention“ an der FH St.Pölten. Mag.a Nadja Springer 21. - 22. MÄRZ 2022 7
REFERENTiNNEN Prof. Dr. Heino Stöver ist Dipl.-Sozialwissenschaftler und seit 2009 Professor am Fachbereich “Soziale Arbeit und Gesundheit” sowie Geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung an der Frankfurt-University of Ap- plied Sciences. Er ist Mitbegründer und Vorstand von akzept e.V. (Bundesver- band für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik). Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in Bereichen der Drogenhilfeangebote, der Drogenpolitik, des gender-/männerspezifischen Drogenkonsums, der Evalua- tionen der Wirksamkeit von Hilfeangeboten, der Entwicklung neuer Interven- tionskonzepten und der Planung von bedarfsgerechten Gesundheitsversor- gungsstrategien. Er ist Träger des Forschungspreises 2017 der Hessischen Hochschulen sowie des Scientific Award 2017 des European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA), sowie des Publikationsprei- ses 2020 der „Stiftung - Forschung - Bildung Frankfurt University of Applied Prof. Dr. Heino Stöver Sciences (FRA-AUS). Dr. Ulf Zeder, Jahrgang 1961. Klinischer Psychologe, Gesundheitspsycholo- ge, Psychotherapeut und Suchtkoordinator der Stadt Graz. Ich bin in Schweden vorsozialisiert und später dann in Österreich komplettiert worden. Neben weitreichenden Interessen in diversen Disziplinen beschäftige ich mich mit „Sachverhalten“ die oft wenig hinterfragt, als selbstverständlich und allgemeingültig betrachtet werden. Dr. Ulf Zeder Leiter des „Instituts für systemische Organisationsforschung“ in Wien Unter- nehmensberater, Trainer Organisationswissenschaftler und Verleger, Universi- täts- und FH-Lektor. Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Gruppendynamik und Organi- sationsberatung (ÖGGO). Lehrsupervisor (ÖVS). Netzwerkpartner mehrerer Beratungsfirmen. Mag. Dr. Georg Zepke 8 7. STUDIENTAGE KOMPLEXE SUCHTARBEIT
Die Einrichtung Caritas Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich besteht in ihrer heutigen Form seit 1999. Über die Jahre stetig gewachsen besteht das Kernteam heute aus 11 Streetworkern und Streetworkerinnen, die auf ein umfangreiches Wissen, entstanden aus der jahrelangen Arbeit im niederschwelligen Suchtbereich zurückgreifen können. Diese breitgefächerte Expertise ermöglicht einen kompetenten Umgang und ein professionelles Arbeiten mit suchtkranken Menschen in Graz. Team Caritas Kontaktladen & Streetwork im Drogenbereich SAUBER. ZUKUNFT. LEBEN. Entsorgungslösungen für Graz und Graz Umgebung achtzigzehn | Foto: Joel Kernasenko | bezahlte Anzeige achtzigzehn | Foto: Joel Kernasenko | bezahlte Anzeige 0316 9008 www.servus.st 21. - 22. MÄRZ 2022 9
VORTRÄGE Montag, 21. März 2022 Impulsreferat Prof.Dr. Heino Stöver Harm Reduction - eine übergreifende Methode und Strategie - ein Update!! Strategien der Schadensminderung (Harm Reduction) sind zentrale Elemente übergeordneter Public Health -Strategien gewor- den und haben Eingang in die europäischen und den meisten nationalen Drogenstrategien und Aktionspläne gefunden. Die WHO, UNAIDS, und UNODC empfehlen ein Paket von Harm Reduction – Interventionen als die Grundlage einer Public Health - Antwort auf die Herausforderungen des intravenösen Drogenkonsums und damit zusammenhängender Infektionskrankheiten. Die Übertragung des Konzeptes „Harm Reduction“ auf legale Substanzen respektive Verhaltensweisen ist noch wenig in verhal- tens-/ bzw. verhältnispräventive Strategien umgesetzt worden. Im Tabakbereich kann der Einsatz von E-Zigaretten beispielsweise als eine harm reduction – Strategie verstanden werden ( „Tobacco Harm Reduction“). Auch im Rahmen der WHO bestehen Bemühungen, alkoholassoziierte Schäden zu reduzieren, sowie die zunehmende Erkennt- nis, dass bei Alkoholabhängigkeit Abstinenz nicht das alleinige Therapieziel sein muss. Allerdings sind die harm reduction – Stra- tegien im Alkoholbereich noch stark unterentwickelt. Völlig ungeklärt ist noch die Bedeutung von Schadensminderung bei Verhaltenssüchten, wie z.B. Glücksspiel. In diesem Bereich wird eher noch von verantwortungsvollem bzw. kontrolliertem Konsum“ gesprochen. Der Vortrag bietet eine aktuelle Übersicht über die Karriere der Harm-Reduction-Strategie und –Bewegung. Impulsreferat Dr. Ulf Zeder Cannabis – die gefährlichste Droge der Welt, oder? Cannabis, Knaster, Hanf, Marihuana, Dope. Was unterscheidet Cannabis von legalisierten und regulierten Drogen? Im Vortrag wird der Fokus auf die Grundlagen gerichtet, die eine Rechtfertigung des Generalverbots scheinbar ableiten lassen. Die Prohibition beruht auf Annahmen und Mythen, die bei näherer Betrachtung relativierbar sind und auf Gebrauchs-Konsequen- zen, die individuell aber höchst verschiedenartig sein können. Das Legalitätsprinzip ist für eine situative und individuelle Beurtei- lung eher hinderlich und erschwert die Auseinandersetzung über eine maßgeschneiderte Regulierung. 10 7. STUDIENTAGE KOMPLEXE SUCHTARBEIT
Impulsreferat Mag.a Nadja Springer „Lebensrealitäten von Kindern aus suchtbelasteten Familien“ Das Leben vieler substanzabhängiger Eltern ist durch chronische psychosoziale, psychopathologische und sozioökonomische Schwierigkeiten gekennzeichnet. Diese Komplexität macht es schwierig den spezifischen Beitrag der Suchterkrankung im Hin- blick auf die vorhandenen Ressourcen zur Erfüllung der Elternrolle zu entwirren. Übereinstimmend kommen internationale Studien zu dem Resultat, dass die Herausforderung darin besteht, Kindern aus suchtbelasteten Familien frühzeitig adäquate Unterstüt- zung anzubieten. Die Autoren sehen einen zentralen Grund für das Scheitern von Angeboten in Schuld- und Schamgefühlen der Eltern, die sie daran hindern, sich einzugestehen, dass auch ihre Kinder unter der Situation leiden. Auch Fachleuten der Suchthilfe fällt es nicht leicht, Eltern auf die Situation ihrer Kinder anzusprechen. Die Kinder allerdings sind sich in der Regel der Drogeneinnahme ihrer Eltern bereits in der frühen Kindheit durchaus bewusst, behalten dieses Wissen jedoch meist für sich. Da- durch bleiben diese Kinder, obwohl möglicherweise Unterstützungsbedarf bestünde, lange unsichtbar und damit unerreichbar. Ziel des Vortrages ist es, die Lebensrealitäten der suchtbelasteten Familien zu beleuchten und sowohl vorhandene wie auch wünschenswerte Hilfsangebote zu diskutieren. Impulsreferat Eva Nebel, MSc. Bindung erleben - professionelle Nähe in der Arbeit mit Menschen mit Such- terkrankungen Vertrauen, Zutrauen und Bindungsarbeit ist eine Grundlage in der Arbeit mit Menschen mit Suchterkrankungen. Menschen wirk- lich zu begegnen, zu versuchen ihre Lebens- und Erlebenswelt ein Stück weit zu verstehen birgt im Besonderen bei Menschen mit Suchterkrankungen nicht nur Chancen sondern auch Risiken, sowohl für die Betroffen als auch für die professionell Begleitenden. In diesem Referat wird Professionelle Nähe in der Arbeit mit suchterkrankten Menschen aus unterschiedlichen Perspektiven im Hinblick auf Risiko und Chance für die Lebenswelt der Betroffenen wie auch professionell Begleitenden betrachtet und diskutiert im Versuch einer Annährung was professionelle Nähe in der sozialen Arbeit bedeuten kann. Literarischer Abschluss Omar Khir Alanam „Risiko“ Über das Risiko in verschiedenen Phasen des Lebens. Es ist immer ein Risiko, aber doch ist es in jeder Phase ganz anders. 21. - 22. MÄRZ 2022 11
WORKSHOP Dienstag, 22. März 2022 WS1 - Prof. Dr. Heino Stöver Geschlechtersensible Suchtarbeit Die Notwendigkeit und die Chancen einer geschlechtersensiblen Suchtarbeit und die damit verbundenen Qualitäts- und Effizi- enzaspekte sind in der Fachwelt mittlerweile unumstritten. Trotz dieses Wissens um den Umstand des Nutzens einer genderspezifischen Suchtarbeit, wird geschlechtsspezifische Suchtarbeit nicht oder nur in geringem Maße angeboten und um- gesetzt. So werden Themen wie Aggression, Gewaltimpulse, Einsamkeit, Sexualität, Angst, Trauer und Scham häufig tabuisiert. Vor diesem Hintergrund gehen wir besonders auf den Zusammenhang der Konstruktion von Männlichkeiten und Drogengebrauch und -abhängigkeit ein. Traditionelle männliche - ebenso wie weibliche - Rollenbilder, nicht benennbare und oft nicht verarbeitete Ängste, Gewalterlebnisse unter Jungen und Männer, Erfolgsdruck etc. können und werden zu einem nicht unbeträchtlichen Teil mit dem Konsum psychoaktiver Substanzen kompensiert und (zunächst erfolgreich) bewältigt. Probleme entstehen jedoch wenn dieses Schema dauerhaft in den männlichen Alltag eingebaut wird, und alternative Bewältigungsformen verkümmern. Drogen sind jedoch nicht nur als Kompensationsmittel männlichen Alltags, sondern auch als Demonstrationsmittel der Stärke und Aus- druck von Risikobewältigung zu verstehen. Das Seminar wird männliche Sozialisation, männliche Verarbeitungsformen und Rollenanforderungen, genderhomogene Sucht- arbeit (aber auch: Können Frauen mit Männern männerspezifisch arbeiten - geht das?) und viele weitere männerspezifische Themen bearbeiten. Das Seminar basiert auf dem Manual „Männlichkeit und Sucht - Handbuch für die Praxis“ (Stöver, Vosshagen, Bockholdt, Schulte- Derne, LWL Münster - 3. Auflage). WS2 - Dr.in Charlotte Cordes Einführung in den Provokaktiven Ansatz Humor und Herausforderung in Beratung, Coaching und Therapie Der Provokative Ansatz hat sich aus der Provokativen Therapie von Frank Farrelly entwickelt. Er repräsentiert eine energiegelade- ne Art der Kommunikation in der Beratung (Coaching, Mediation, Therapie, usw.), die im professionellen Kontext eher ungewöhn- lich ist. Wer Sinn für Humor hat und Lachen bei der Arbeit nicht für eine unnütze oder gar schädliche Zeitverschwendung hält, wird feststellen, dass provokative Interventionen eine sehr nützliche Bereicherung darstellen und sich in fast jeden Kommunikationsstil einbauen lassen. Grundlage des Provokativen Ansatzes ist eine hohe Wertschätzung des Gegenübers und die Überzeugung die Kommunikationspartner (wer auch immer das gerade ist) mündig und stark sind und alle Ressourcen zur Verfügung haben, um Probleme selbst zu lösen. Die Begegnung erfolgt dabei auf Augenhöhe. Die Kernstücke sind Humor und Herausforderung: Das Lachen über sich selbst entspannt alle Beteiligten. Die humorvolle Verzerrung und Übertreibung eingefahrener und selbstschädi- gender Glaubenssätze und Verhaltensweisen provozieren einen emotional geladenen Widerstand dagegen. Schwerpunkte • Kognitiver Rahmen des Provokativen Ansatzes • Selbsterfahrung durch Live Arbeiten der Referentin mit persönlichen Themen der Teilnehmer und Übungen, damit auch die Teilnehmer erste eigene Erfahrungen mit dem Provokativen Ansatz erleben können (innere Haltung, eigene Wirkung, Menschenbild…). 12 7. STUDIENTAGE KOMPLEXE SUCHTARBEIT
PS WS3 - Dr. med. Stefan Sinz Die Ambivalenz von Risikoverhalten - zwischen Vermeidung und Angstlust Im gesundheitspolitischen Kontext wird Risikoverhalten als Verhalten definiert, das nachteilige gesundheitliche Folgen nach sich ziehen kann. Oft wird nur auf die individuellen Komplikationen (z.B. Verletzungen) fokussiert, seltener werden Gefahren, die über das Individuum hinausgehen (z.B. Gefährdung anderer) thematisiert. Bei der Diskussion über riskantes Verhalten wird meist auf die Vernunftebene hingewiesen und Vermeidung empfohlen, als wäre der Mensch ein ausschließlich vernunftgetriebenes Wesen... V.a. in der Populärkultur zeigt sich aber eine Verherrlichung von risikoaffinen Menschen (z.B. Extrembergsteiger). Damit rückt der Begriff „Angstlust“ in den Fokus: Einerseits kann Lust sekundär entstehen nach dem Aushalten, Überstehen des angstbesetzen, risikoreichen Erlebnisses (z.B. nach Mutproben). Andererseits kann auch die Angst selbst als Genuss empfunden werden. So beschreiben Extremsportler ein High-Gefühl im Moment der größtmöglichen Gefahr. Risikoverhalten bietet also zwei verschiedene Interpretationsmöglichkeiten. Im Workshop soll das Thema möglichst breit und mit eigenen Erfahrungen diskutiert werden. Die Verbindung mit dem Thema Sucht soll herausgearbeitet werden, etwa der Probekonsum als Initiationsritus Jugendlicher in einer scheinbar durchregulierten, risikominimierenden Erwachsenenwelt. Mechanismen der Entstehung von Lust beim süchtigen Verhalten könnten sein: bioche- misch-pharmakologisch, psychodynamisch (narzisstische Komponente), auf Basis einer Besonderheit der Persönlichkeit (disso- ziale Komponente), sozial (Peer-group), politisch (Ausdruck des Widerstandes), sexuell (Chemsex) u.a.. WS4 - Mag.a Nadja Springer “We find our mind initially in the mind of our parents… what we think of our- selves is born of what we were thought about by others” (Fonagy, 2015) Durch die Behandlung substituierter Schwangerer und Eltern und der damit verbundenen Kooperation mit der Wiener Kinder- und Jugendhilfe sowie anderen involvierten Institutionen wurde der Bedarf an Unterstützung für diese Mütter und in weiterer Folge deren Kinder deutlich. Die vom Verein Dialog etablierten Gruppenangebote für Mütter und deren Kinder in den ersten Lebens- jahren sowie für Kinder aus suchtbelasteten Familien zwischen 8 und 12 Jahren werden im Rahmen des Workshops vorgestellt. Fallbeispiele sollen die Situation der Familien lebendig verdeutlichen. Ambivalenzerfahrungen und Loyalitätskonflikte finden sich sowohl bei den Kindern wie auch bei den Eltern. Sie führen nicht selten im Zusammenhang mit Scham- und Schuldgefühlen zu Idealisierungs- und zu Entwertungsgedanken und erschweren dadurch sowohl eine stabile Beziehungserfahrung als auch die Entwicklung der Mentalisierungsfähigkeit, die im Hinblick auf eine gesunde psychische Entwicklung als wichtige protektive Fak- toren anzusehen sind. 21. - 22. MÄRZ 2022 13
WORKSHOPS WS5 - Mag. Dr. Georg Zepke Unsicherheitszonen in Organisationen In diesem Workshop wird mit einer systemtheoretischen Perspektive der Frage nachgegangen, wie in Organisationen im Allge- meinen und insbesondere Organisationen der Drogenarbeit mit Phänomenen wie Unsicherheit, Risiko und eigenem Suchtaffini- täten umgegangen wird. • Wie wirkt sich der Umgang mit der Zielgruppe auf intern Strukturen, aber v.a. auch auf informelle Prozesse und die Or- ganisationskultur aus? • Welche impliziten und expliziten Umgangsformen und Praktiken und Rituale kristallisieren sich zur Bearbeitung von individuellen und kollektiven Risikopotenzial heraus? • Welche Handlungskonsequenzen lassen sich daraus ableiten? Nach einem kompakten Input über ein systemtheoretisches Verständnis von Organisationen und organisationstheoretischen Hy- pothesen zum Umgang mit Risiko und Sucht sollen in einer gemeinsamen Spurensuche organisationale Phänomene im Umgang mit Unsicherheit, Risiko, aber auch mit Suchtaffinitäten und Genuss identifiziert und diskutiert sowie Anregungen für die prakti- sche Arbeit daraus abgeleitet werden. WS6 - MA Dominique Schori 20plus1 Jahre Drug Checking in Zürich - Erfahrungen, Herausforderungen und Zukunftsvisionen Wie kann die für andere Angebote der Suchthilfe nur schwer erreichbare Gruppe der Freizeitdrogenkonsumierende mit Drug- Checking-Angeboten erreicht werden? Welche Ziele werden mit Drug Checking verfolgt? Welchen Beitrag leisten Drug-Che- cking-Angebote zur individuellen Risikominimierung für Konsumierende und zur öffentlichen Gesundheit? Und wie kann die Akzeptanz dieses noch immer kontrovers diskutierten Ansatzes gesteigert werden? Der Workshop bietet Antworten auf diese und weitere Fragen. Seit 2001 bietet Saferparty Streetwork mobiles Drug Checking an Partys und Festivals an. 2006 wurde das Angebot um ein stationäres Drug Checking, dem Drogeninformationszentrum (DIZ) ergänzt. Mit diesem kombinierten Angebot aus mobilen Inter- ventionen im Partysetting und einem stationären Angebot, welches auch Konsumierende anspricht, die nicht in der Partyszene verkehren, kann die heterogene Gruppe der Freizeitdrogenkonsumierenden umfassender erreicht werden. Pro Jahr werden über 2000 Substanzanalysen und Kurzberatungen durchgeführt. WS7 - Caritas Kontaktladen & Streetwork im Drogenbereich Harm Reduction & Safer Use in der Praxis Harm Reduction und Safer Use Maßnahmen helfen NutzerInnen der Suchthilfe bei der Verbesserung ihrer Lebensqualität und retten oft genug Leben. Während in den Szenen einerseits viel Wissen zu sichererem Konsum vorhanden ist, halten sich andererseits Mythen und Un- wahrheiten hartnäckig. ProfessionistInnen in allen Bereichen der Suchthilfe, ob hoch- oder niederschwellig, können und müssen hier als MultiplikatorIn- nen fundiertes Wissen vermitteln und so helfen konsuminduzierte Erkrankungen und Überdosierungen zu verringern. Mit einer kombinierten Expertise aus wissenschaftlich bewiesenen Fakten und Szenewissen aus der jahrelangen Arbeit mit in- travenös konsumierenden, drogenabhängigen Menschen, sollen in diesem Workshop Probleme und Gefahren des Konsums unterschiedlicher Substanzen praxisnah betrachtet und schadensminierende Maßnahmen erarbeitet werden. 14 7. STUDIENTAGE KOMPLEXE SUCHTARBEIT
COVID - 19 Die 7. Studientage - Komplexe Suchtarbeit „RISIKO (ER)LEBEN“ werden entsprechend den zum Zeitpunkt der Veranstaltung gültigen Bestimmungen zur Pandemieeindämmung stattfinden. 21. - 22. MÄRZ 2022 15
In Kooperation mit: STLP - Steirischer Landesverband für BÖP - Berufsverband Österreichischer Psychotherapie PsychologInnen Die Studientage sind als Fortbildung Die Studientage sind als Fortbildung im Sinne des Psychotherapiegesetzes im Sinne des PsychologInnengesetzes anerkannt. mit 10 Fortbildungseinheiten anerkannt. Diese Veranstaltung wird ermöglicht durch: 16 7. STUDIENTAGE KOMPLEXE SUCHTARBEIT
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