Potenziale der Gemeinwesenarbeit zur Stärkung der lokalen Demokratie

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Potenziale der Gemeinwesenarbeit zur Stärkung der lokalen Demokratie
Bürgergesellschaft
           Potenziale der Gemeinwesenarbeit für die lokale Demokratie

Milena Riede, Anna Becker, Naomi Alcaide

Potenziale der Gemeinwesenarbeit zur
Stärkung der lokalen Demokratie
Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in fünf Quartieren

                    Politische Gleichheit ist ein zentrales Kriterium einer lebendigen Demokratie. Das heißt, allen Bür-
                    gerinnen und Bürgern sollten die gleichen Möglichkeiten gegeben sein, sich eine politische Mei-
                    nung zu bilden, diese frei zu äußern und sich an demokratischen Entscheidungsprozessen zu be-
                    teiligen (Wagner 2019, S. 64). Es zeigt sich allerdings, dass mit zunehmender sozialer Ungleichheit
                    und migrationsbedingter Diversität auch die politische Gleichheit abnimmt. Gerade in benachtei-
                    ligten Stadtteilen sind daher die lokale Demokratie und die Integrationsfähigkeit demokratischer
                    Prozesse besonders zu stärken. Eine Gemeinwesenarbeit, die niedrigschwellige und diversitätssen-
                    sible Teilhabemöglichkeiten schafft, kann hier maßgeblich zu einer Demokratisierung von Kommu-
                    nikations- und Partizipationsstrukturen beitragen.1

Über die Hälfte der Menschen in Deutschland ist mit dem                             unmittelbar an der Lebenswelt und den Fähigkeiten der
Funktionieren der Demokratie unzufrieden (Decker et al.                             Menschen an: „Aktivierende GWA beginnt Partizipation in
2019). Dabei zeigt sich die Vertrauenskrise der repräsenta-                         kleinen, wenig risikoreichen Bereichen, um positive Lerner-
tiven Demokratie sowie gegenüber der kommunalen Politik                             fahrungen mit Selbstbestimmung zu ermöglichen und so
und Verwaltung nicht nur in der Bewertung politischer Pro-                          die Bereitschaft zur Selbst- und Mitbestimmung langsam zu
zesse und Institutionen, sondern auch darin, wie aktiv oder                         stärken“ (Oehler/Drilling 2016, S. 27).2 Gemeinwesenarbeit
passiv die Bürgerinnen und Bürger selbst ihre politische Rol-                       ermöglicht damit soziale Teilhabe und schafft demokrati-
le wahrnehmen und gestalten (ebd., S. 16). Eine Artikula-                           sche Lernerfahrungen über Partizipations- und Bildungsan-
tion politischer Interessen, die Ausprägung demokratischer                          gebote, die allen Menschen vor Ort zugutekommen kann
Kompetenzen, das bürgerschaftliche Engagement und die                               (vgl. Riede 2019).
politische Beteiligung hängen zudem von der ökonomi-
schen Situation und der sozialen Lage der Bürgerinnen und                           Gegenüber der zentralen Bedeutung, welche der Gemein-
Bürger ab. Soziale Ungleichheit geht demnach mit einer                              wesenarbeit hinsichtlich ihrer demokratiefördernden sowie
Ungleichheit der politischen Partizipation und demokra-                             kohäsiven und inklusiven Wirkung in den Sozialräumen
tischen Mitwirkung einher (Wiesner 2018, S. 3), so dass                             zugeschrieben wird, sind relativ wenig öffentliche Finan-
sich Demokratiedefizite durch sozialräumliche Segregation                           zierungs- und Förderstrukturen und keine Programme ge-
gerade in benachteiligten Stadtteilen und Quartieren zu-                            geben, um diese Arbeit vor Ort zu ermöglichen oder kon-
spitzen.                                                                            tinuierlich abzusichern. Daher hat der vhw das Institut für
                                                                                    Demokratische Entwicklung und Soziale Integration (DESI)
Eine mögliche Antwort auf diese Herausforderungen wird
                                                                                    und die Hochschule für angewandte Pädagogik (HSAP) be-
in der sozialräumlich ausgerichteten Gemeinwesenarbeit
                                                                                    auftragt, im Rahmen einer Studie zu untersuchen, inwieweit
(GWA) gesehen. Denn auf lokaler Ebene können zum ei-
                                                                                    der bestehende Anspruch von Gemeinwesenarbeit an Empo-
nen demokratische Entscheidungsfindung unmittelbar er-
                                                                                    werment, Partizipation und Demokratieförderung unter den
lebt und politische Erfahrungen gesammelt werden (van
                                                                                    aktuellen Rahmenbedingungen auf sozialräumlicher Ebene
Deth 2014, S. 131). Zum anderen setzt Gemeinwesenarbeit
                                                                                    umgesetzt werden kann und welche darüber hinausgehen-
1 Dieser Artikel basiert auf Ergebnissen der Studie zu Potenzialen der Gemeinwe-    den Potenziale für die lokale Demokratie durch Gemeinwe-
  senarbeit für lokale Demokratie, die vom Institut für Demokratische Entwicklung
  und Soziale Integration (DESI) und der Hochschule für angewandte Pädagogik        senarbeit bestehen.
  (HSAP) durchgeführt wurde. Die Veröffentlichung des Abschlussberichts erfolgt
  im Rahmen der vhw-Schriftenreihe.                                                 2 Siehe auch den Beitrag Patrick Oehler, Olaf Schnur und Anna Becker in diesem Heft

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Bürgergesellschaft
                                                                                Potenziale der Gemeinwesenarbeit für die lokale Demokratie

Abb. 1: Wirkungsgefüge Gemeinwesenarbeit und lokale Demokratie (Quelle: Gesemann/Riede 2020, S. 30)

Wirkungszusammenhänge von                                               den die als zentral für die Demokratieförderung identifizierten
                                                                        Themenfelder (1) Förderung des sozialen Miteinanders, (2)
Gemeinwesenarbeit und lokaler Demokratie
                                                                        Verbesserung von kommunikativem Austausch und Konflikt-
Um die demokratiefördernde Wirkung von Gemeinwesenar-                   vermittlungfür
                                                           Abb. 2: Strukturierungshilfe    sowie     (3) Entwicklung
                                                                                               Wirkungsannahmen              von Handlungsmöglichkei-
                                                                                                                    von Gemeinwesenarbeit     und lokaler
beit vor Ort untersuchen zu können, wurden die the- Demokratie. (Quelle: Gesemann/Riede 2020, S. 31)
oretischen Zusammenhänge zwischen Gemeinwesen-                                               Potenziale von Gemeinwesenarbeit
arbeit und lokaler Demokratie herausgearbeitet und                                             Konzepte, Ressourcen, sozialräumliche,
                                                                                    strukturelle und akteursbezogene Rahmenbedingungen
in einem Wirkungsgefüge-Modell dargestellt (vgl. Ge-
semann/Riede 2019). Das Modell veranschaulicht die
Wirkungsannahmen zwischen den drei Handlungs-                                                                 Themenfelder / Ziele
ebenen der Gemeinwesenarbeit (s. Abb. 1, links), zen-                                                              Verbesserung          Entwicklung von
                                                                                           Förderung
tralen Determinanten lokaler Demokratie (s. Abb. 1,                                       des sozialen
                                                                                                               von kommunikativem
                                                                                                                  Austausch und
                                                                                                                                      Handlungsmöglichkeiten
                                                                                                                                         zur Stärkung von
                                                                                          Miteinanders
mittig) sowie Strategien der Kommunalpolitik (s. Abb.                                                           Konfliktvermittlung       Zivilgesellschaft

1, rechts). Für die Funktionsfähigkeit und Qualität lo-                                                              Stärkung
                                                                                                     Individuum

                                                                                      Unterstützung und
kaler Demokratie wurden in Anlehnung an Ladner/                                        Stärkung sozialer
                                                                                                                 kommunikativer            Stärkung von
                                                                                                                  und politischer    Handlungskompetenzen
Bühlmann (2007) Indikatoren bzw. Determinanten                                           Kompetenzen
                                                                                                                  Kompetenzen
                                                                      Prozess

herangezogen, die Einstellungen und Verhaltenswei-
                                                                                   Wirkungsebenen

                                                                                                     Zivilgesellschaft

sen der Bewohnenden bezüglich bürgerschaftlichen                                                                                          Förderung von
                                                                                                                  Förderung von
                                                                                         Stärkung des                                   Selbstorganisation
Engagements und normativer Voraussetzungen be-                                      sozialen Miteinanders
                                                                                                             Interessenausgleich und
                                                                                                                                         und kollektivem
                                                                                                                Konfliktschlichtung
nennen. Sowohl die Ausprägung der Determinanten                                                                                           Empowerment

als auch die Wirkungsmöglichkeiten der Gemeinwe-
senarbeit werden durch die Kommunalpolitik beein-
                                                                                                     Kommune

                                                                                        Förderung von            Kommunikative        Ausbau und Gestaltung
flusst, die durch Stadtteilbezug, Diversitätssensibilität,                              Vernetzung und         Vermittlung zwischen      demokratischer
                                                                                          Kooperation        Lebenswelt und System Beteiligungsstrukturen
Engagementförderung und partizipative Bürgerbetei-
ligung Vertrauen in die Gestaltbarkeit politischer Pro-
zesse fördern kann.
                                                                                                                                    Qualität lokaler Demokratie
Um die Wirkungsweise der Gemeinwesenarbeit in der                                                                        Aktive Zivilgesellschaft, diversitätssensible Partizipation,
                                                                                                                             politische Responsivität, sozialer Zusammenhalt
Praxis strukturiert analysieren zu können, wurden die
drei Handlungsebenen (Abb. 1, links) zu einer Neun-                 Abb. 2: Strukturierungshilfe für Wirkungsannahmen von Gemeinwesenarbeit und
Felder-Matrix (Abb. 2) weiterentwickelt. Dafür wur-                 lokaler Demokratie. (Quelle: Gesemann/Riede 2020, S. 31)

                                                                                                    vhw FWS 5 / September – Oktober 2020                                                265
Bürgergesellschaft
        Potenziale der Gemeinwesenarbeit für die lokale Demokratie

ten zur Stärkung von Zivilgesellschaft herangezogen und für       sind unter dem Dach des Gemeinwesenvereins mehrere Ge-
jeden dieser Bereiche entsprechende Ziele der Gemeinwesen-        meinwesen-, Stadtteil- und Familienzentren angesiedelt und
arbeit auf den Wirkungsebenen Individuum, Zivilgesellschaft       der Verein seit 2005 auch mit der Umsetzung des Quartiers-
und Kommune abgeleitet (vgl. Gesemann/Riede 2019).                managements beauftragt.

Wenn die Gemeinwesenarbeit diese Ziele auf den drei Ebenen        Hamburg St. Pauli/St. Pauli Süd – GWA St. Pauli e.V.
erfolgreich realisiert, so müssten – der modellhaften Annahme     Das Gebiet St. Pauli Süd in großstädtischer Zentrumslage wird
entsprechend – eine aktivere Zivilgesellschaft, diversitätssen-   insbesondere von alternativen Milieus geprägt und befindet
sible Partizipationsangebote, eine verbesserte politische Res-    sich im Spannungsfeld zwischen touristischer Übernutzung,
ponsivität und ein stärkerer sozialer Zusammenhalt entstehen,     Gentrifizierung und enger Nachbarschaftlichkeit. Seit Mitte
wodurch sich im Ergebnis die Qualität der lokalen Demokra-        der siebziger Jahre arbeitet die GWA St. Pauli politisch-eman-
tie vor Ort verbessert. Inwieweit diese Annahmen in der Pra-      zipatorisch im Gebiet mit den aktuellen Arbeitsbereichen Kul-
xis tatsächlich zutreffen und nachgewiesen werden können,         tur-, Sozial- und Gemeinwesenarbeit.
wurde anhand der empirischen Untersuchung in fünf aktiven
Gebieten der Gemeinwesenarbeit analysiert. Hierbei war zu         Dortmunder Nordstadt – Planerladen e.V.
erwarten, dass die vorhandenen Rahmenbedingungen die Ge-          Die Dortmunder Nordstadt befindet sich in innerstädtischer
meinwesenarbeit vor Ort maßgeblich prägen.                        Lage und gilt als Ankommens- und Durchgangsstadtteil für
                                                                  Neuzugewanderte, der mit medialer Stigmatisierung zu kämp-
                                                                  fen hat. Ende der siebziger Jahre wurde hier der Planerladen
Methodik der Untersuchung
                                                                  aufgebaut, der sich der Stärkung von Beteiligung und politi-
Im Rahmen der Fallauswahl erfolgte eine bundesweite Recher-       scher Teilhabe widmet und seinem Selbstverständnis nach den
che von Quartieren, in denen eine partizipative und empow-        Ansatz einer stadtteilbezogenen Gemeinwesenarbeit verfolgt.
ernde Gemeinwesenarbeit stattfindet und wo sich die Akteure
der Gemeinwesenarbeit mit der demokratiefördernden Wir-           Dresden Prohlis – Quartiersmanagement Prohlis
kung aktiv auseinandersetzen. Aufgrund der großen Varianz         Im Gebiet Prohlis wird eine Großsiedlung am Rande einer ost-
verschiedener Ansätze der Gemeinwesenarbeit entschied sich        deutschen Großstadt fokussiert, die durch soziale, soziode-
das Forschungsteam für eine kontrastierend angelegte Fallaus-     mografische sowie demokratiepolitische Herausforderungen
wahl in fünf Gebieten. Hierbei wurden auch unterschiedliche       geprägt ist. Seit dem Jahr 2000 arbeitet das Quartiersmanage-
Konzeptionalisierungen von Gemeinwesenarbeit (Quartiers-          ment mit seinem Stadtteilbüro an der Stärkung des sozialen
management, Gemeinwesenarbeit, Community Organizing),             Miteinanders und dem Empowerment der Bewohnerschaft.
eine Kontinuität der Gemeinwesenarbeit von mindestens             Dies geschieht seit 2009 unter Trägerschaft eines privatwirt-
zehn Jahren sowie soziale und geografische Merkmale der           schaftlichen Akteurs der Stadt- und Regionalentwicklung.
Städte berücksichtigt.
                                                                  Düren – Büro für Gemeinwesenarbeit und
Das empirische Instrumentarium umfasste eine qualitative          Stadtentwicklung e.V.
Befragung von insgesamt 38 Expertinnen und Experten der           Düren ist eine Mittelstadt in Nordrhein-Westfalen mit 92.000
Gemeinwesenarbeit (Leitung, Träger, zuständige Mitarbeiten-       Einwohnenden, in der es mehrere Siedlungen gibt, die hohe In-
de in Verwaltung und Politik) sowie die Durchführung von je       tegrationsleistungen erbringen. Seit 1980 hat sich dort die Ge-
zwei Fokusgruppendiskussionen in den fünf ausgewählten            meinwesenarbeit etabliert, die als Büro für Gemeinwesenarbeit
Gebieten mit Netzwerkpartnerinnen und -partnern sowie en-         und Stadtentwicklung dezentral in diesen benachteiligten Sied-
gagierten Bewohnenden. Parallel zur qualitativen Befragung        lungen agiert und spezifische Strukturen für kooperative, in-
erfolgte eine quantitative Bevölkerungsbefragung zufällig         klusive Beteiligung und dauerhafte Mitverantwortung etabliert.
ausgewählter Bewohnerinnen und Bewohner der jeweiligen
Gebiete. Mit diesem Basiselement konnten Anliegen, Haltun-
gen und Einstellungen der Bevölkerung im Gebiet sichtbar
                                                                  Sozialer Zusammenhalt in den Quartieren
gemacht werden. Folgende Gebiete und Träger von Gemein-           Ergebnisse der quantitativen Befragung
wesenarbeit wurden im Rahmen der Studie analysiert:               Im Rahmen der Vorexpertise wurde die These aufgestellt, dass
                                                                  GWA durch die Stärkung des sozialen Zusammenhaltes einen
Berlin Spandau-Heerstraße Nord –
                                                                  Beitrag zur Stärkung der lokalen Demokratie leistet. Konkret
Gemeinwesenverein Heerstraße Nord e.V.
                                                                  erwartet wurden dabei vor allem Effekte auf drei Ebenen:
Im Gebiet Heerstraße Nord, einer von sozialer Benachteiligung
geprägten Großwohnsiedlung an der Peripherie Berlins, arbei-      ■ (1) in der Förderung von Demokratie als sozialer und kul-
tet der Gemeinwesenverein Heerstraße Nord e.V. seit 1980             tureller Lebensform, die mit einer Akzeptanz von Diversität
unter Trägerschaft der evangelischen Kirchengemeinde an              und Meinungsvielfalt sowie einem zivilen, lernenden Um-
Verbesserungen der Wohn- und Lebensbedingungen. Hierbei              gang miteinander einhergeht,

  266          vhw FWS 5 / September – Oktober 2020
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                                                                                                                 73        2,
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                     54            3,
                                    70              3,
                                                     38                 3,
                                                                         45          3,
                                                                                      13           2,
                                                                                                    58          1,
                                                                                                                 45        2,
                                                                                                                            60         2,
                                                                                                                                        98
Prohli
     s
Dür
  en                3,
                     75            3,
                                    94              3,
                                                     38                 3,
                                                                         74          3,
                                                                                      59           2,
                                                                                                    77          1,
                                                                                                                 72        2,
                                                                                                                            72         3,
                                                                                                                                        20
Hambur
     g
                    4,
                     27            4,
                                    36              3,
                                                     42                 3,
                                                                         90          3,
                                                                                      94           2,
                                                                                                    91          2,
                                                                                                                 30        2,
                                                                                                                            43         3,
                                                                                                                                        44
St
 .Paul
     iSüd
Ges
  amt               3,
                     73            3,
                                    88              3,
                                                     18                 3,
                                                                         50          3,
                                                                                      48           2,
                                                                                                    63          1,
                                                                                                                 74        2,
                                                                                                                            48         3,
                                                                                                                                        08

Abb. 3: Mittelwerte in der jeweiligen Fragenkategorie im Städtevergleich (Quelle: Gesemann/Riede 2020, S. 64)

■ Mi
  (2)t
     tel wer tderdr eiabge fr
                            agt
                              enFor   men  polit
                                               ischeinrBeteiligung,zurVer gleic
                                                                              hbar  kei tnor mier t ausind
                                                                                                       fein e
1
      in der Ermöglichung kommunikativen Austauschs     resse am Geschehen im Stadtteil eher hoch ist,     jedoch
5er
  - Skal a. Settings sowie
 verschiedenen                                                                wenige für das Gemeinwesen aktiv und politisch engagiert.
■ (3) in der Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten und                       Die Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung zeigen, dass sich
    der brückenbauenden Stärkung einer aktiven Zivilgesell-                   etwa ein Viertel der Befragten sehr stark (10%) oder stark
    schaft.                                                                   (15% gerundet) für das Quartier engagiert, wobei kaum ge-
Das Potenzial der Gemeinwesenarbeit für lokale Demokratie                     bietsspezifische Unterschiede sichtbar werden. Bezüglich der
liegt somit vor allem in der Aktivierung und Stärkung von Indi-               Beteiligung an öffentlichen Nachbarschaftsaktionen zeigen
viduen sowie in der Ermöglichung kollektiver Selbstwirksam-                   sich dagegen Unterschiede. Während in Hamburg St. Pauli
keitserfahrungen (vgl. Rosa 2016, S. 275). Um die Umsetzung                   38% der Befragten angeben, sich regelmäßig oder gelegent-
dieser Wirkungspotenziale von GWA zu untersuchen, wur-                        lich an Nachbarschaftsaktionen zu beteiligen, liegt der Anteil
de eine quantitative Querschnittsbefragung in den Untersu-                    derjenigen, die sich noch nie beteiligt haben in Berlin Heer-
chungsgebieten durchgeführt, um Einblicke in lokale Lebens-                   straße Nord und Dresden Prohlis mit 67 bzw. 65% besonders
welten und lokalspezifische Stadtteilkulturen zu bekommen.                    hoch (vgl. Abb. 4).
Pro Gebiet wurden dafür 120 Personen
zum subjektiven Empfinden des Zusam-                                         Beteiligung am politischen Geschehen im Stadtteil
menlebens, des Engagements für das
                                              Berlin Heerstraße Nord  3 %10 %        16 %                                      71 %
Gebiet, dem Interesse am Stadtteilge-
schehen, Vertrauen in die lokale Politik
                                                Dortmund Nordstadt      11 %      15 %       15 %                              60 %
sowie zur Nutzung bzw. Bekanntheit
von Einrichtungen vor Ort befragt. Hier-              Dresden Prohlis 27%%         18 %                                        74 %
bei wurde die Selektivität der Befragten
z.B. durch soziodemografische Faktoren                         Düren 5 % 9 %                      35 %                         51 %
(Geschlecht und Altersgruppen) redu-
ziert, so dass die Stichproben dem je-         Hamburg St. Pauli Süd                    32 %         22 %           21 %       24 %
weiligen Bevölkerungsquerschnitt weit-
                                                                     0%               25 %           50 %              75 %      100 %
gehend angenähert werden konnten.                                 Mache ich regelmäßig            Mache ich gelegentlich
                                                                          Habe ich mal gemacht        Habe ich noch nie gemacht
Eine Zusammenstellung der Ergebnisse
der quantitativen Querschnittsbefra- Abb. 4.: Beteiligung am politischen Geschehen im Stadtteil (Quelle: Gesemann/Riede 2020, S. 73)
gung ergibt ein gemischtes, aber ten-
denziell eher positives Bild des sozialen Zusammenlebens in Hinsichtlich der Beteiligung am politischen Geschehen wurde
den Gebieten. Wie Abb. 3 zeigt, liegen die höchsten Werte die Häufigkeit der Teilnahme an den drei exemplarischen po-
insgesamt bei der Zufriedenheit mit den persönlichen sozialen litischen Aktivitäten abgefragt: „Mit einem Anliegen an Poli-
Kontakten im Stadtteil und hinsichtlich der Verbundenheit mit tiker oder ein Gremium gewandt“, „An einer Demonstration
dem Gebiet.3 Niedrigste Werte zeigen sich in Bezug auf das oder Unterschriftenaktion teilgenommen“ und „Mit anderen
Vertrauen in die lokale Politik und insbesondere bezogen auf in einer Gruppe für ein Anliegen zusammengeschlossen“. In
die politische Beteiligung der Befragten. Während das Inte- der Abbildung 4 wird zusammengefasst, inwiefern sich die
                                                                                 Bewohnerinnen und Bewohner an mindestens einer der drei
3 Zugrunde gelegt ist eine Skala von 1 (niedrige Werte) bis 5 (hohe Werte). Her- politischen Aktionen beteiligt haben. Offensichtlich wird, dass
 vorgehoben sind jeweils die beiden höchsten und der niedrigste Wert.

                                                                               vhw FWS 5 / September – Oktober 2020                     267
Bürgergesellschaft
         Potenziale der Gemeinwesenarbeit für die lokale Demokratie

                                                                                                Bei einer offenen Frage nach Wünschen
                               Beteiligung am politischen Geschehen im Stadtteil
                                                                                                der Befragten bemängelten 36% der Be-
                                                                                                fragten aus allen Gebieten eine mangelhaf-
 ohne Migrationshintergrund      13 %     14 %         22 %                             51 %
                                                                                                te öffentliche Infrastruktur und Angebote
                                                                                                im jeweiligen Gebiet, wobei insbesondere
  mit Migrationshintergrund 7 % 10 %            19 %                                    64 %
                                                                                                fehlende Treffpunkte, Kulturangebote und
                             0%             25 %           50 %             75 %          100 % soziale Einrichtungen (insb. für Kinder und
                     Mache ich regelmäßig            Mache ich gelegentlich
                     Habe ich mal gemacht            Habe ich noch nie gemacht                  Jugendliche) benannt wurden. 22% der
                                                                                                Befragten verweisen auf fehlendes Mitein-
Abb. 5: Beteiligung am politischen Geschehen im Stadtteil nach Migrationshintergrund (Quelle: ander und Gemeinschaftlichkeit, wobei der
Gesemann/Riede 2020, S. 76)                                                                     Wunsch nach mehr Kommunikation und
                                                                                                Austausch sowie engerem Zusammenhalt
                                           Vertrauen in die lokale Politik                      geäußert wurde. Hierbei wurde auch eine
                                                                                                gegenseitige Entfremdung in den Stadttei-
     Berlin Heerstraße Nord      2 %9 %           30 %           28 %              31 %         len kritisiert. Wenngleich viele Befragte mit
        Dortmund Nordstadt 3 % 13 %                    35 %         24 %           25 %         ihren eigenen sozialen Kontakten zufrieden
                                                                                                sind (s.o.), sehen sie dennoch den Bedarf
              Dresden Prohlis 3 % 15 %                     40 %         22 %       20 %
                                                                                                für mehr Gelegenheiten für Treffen und
                       Düren 1 % 19 %                        41 %             29 % 10 %         Kommunikation verschiedener Menschen
      Hamburg St. Pauli Süd      9  %                  44  %             30  %     18  %        und Gruppen, um einer Entfremdung ent-
                                                                                                gegenzuwirken. Dies hat eine besonders
                              0%            25 %         50 %           75 %          100 %
                        Sehr großes Vertrauen           Großes Vertrauen                        große Bedeutung für den vorpolitischen
                        Teils/teils                     Geringes Vertrauen
                        Überhaupt kein Vertrauen
                                                                                                Raum, da die Identifikation mit dem Quar-
                                                                                                tier und der Kommune, stadtteilbezoge-
Abb. 6: Vertrauen in die lokale Politik (Quelle: Gesemann/Riede 2020, S. 75)
                                                                                                ne Angebote und Dienstleistungen sowie
                                                                                                niedrigschwellige Strukturen der Engage-
eine politische Beteiligungskultur in Hamburg St. Pauli Süd mentförderung die Bereitschaft stärken, sich für ausgewählte
besonders ausgeprägt ist, da 32% angeben, dass sie sich re- Zielgruppen, das Miteinander vor Ort oder die Gestaltung des
gelmäßig beteiligen, und 22%, dass sie dies gelegentlich tun. gesellschaftlichen Zusammenlebens einzusetzen (vgl. Gese-
Dem stehen niedrige Werte in Dresden und Berlin Heerstraße mann/Roth 2015).
Nord gegenüber.

Interessant ist, dass Unterschiede hinsichtlich der Beteiligung         Potenziale und Herausforderung von
am politischen Geschehen zwischen Menschen mit und ohne                 Gemeinwesenarbeit
Migrationshintergrund deutlich wurden: Menschen mit Migra-
                                                                        Ergebnisse der qualitativen Befragung
tionshintergrund beteiligen sich deutlich seltener an Aktivitäten
                                                                        Im Rahmen der qualitativen Untersuchung konnte aufgezeigt
im Stadtteil, die als politisch angesehen werden (vgl. Abb. 5).
                                                                        werden, dass Gemeinwesenarbeit zu allen drei Themenfel-
Das Vertrauen in lokale Politik ist in allen Gebieten eher ge-          dern – Förderung des sozialen Miteinanders, Verbesserung
ring: Ein Fünftel aller Befragten (21%) hat überhaupt kein Ver-         von kommunikativem Austausch und Konfliktvermittlung so-
trauen in lokale Politik; ein weiteres Viertel (26%) zeigt gerin-       wie Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten zur Stärkung
ges Vertrauen. Sehr großes oder großes Vertrauen haben nur              von Zivilgesellschaft – einen wesentlichen Beitrag leisten kann.
15% der Befragten in den Untersuchungsgebieten (2 bzw.                  Zahlreiche Beispiele veranschaulichen die Wirksamkeit der Ge-
13%). Dabei haben Befragte in Düren das größte Vertrauen in             meinwesenarbeit auf individueller, zivilgesellschaftlicher und
die lokale Politik, während das Vertrauen in die Politik in Ham-        kommunaler Ebene, wobei ihr Schwerpunkt auf der Förde-
burg St. Pauli Süd am geringsten ausgeprägt ist (vgl. Abb. 6).          rung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten liegt.
Von den Befragten äußerten knapp 60%, dass sie sich „ziem-              Auf individueller Ebene konnten durch die Aktivitäten der
lich“ (25%) oder sogar „sehr“ (36%) verbunden mit ihrem je-             Gemeinwesenarbeit im Rahmen der Forschung vielfältige
weiligen Stadtteil fühlen. Dabei ist die Verbundenheit in Ham-          Empowermentprozesse von Bewohnerinnen und Bewohnern
burg St. Pauli Süd besonders ausgeprägt – 4 von 5 Befragten             festgestellt werden, bei denen vor allem Selbstwirksamkeits-
fühlen sich dort ziemlich oder sehr verbunden mit ihrem                 erfahrungen eine wichtige Rolle spielen und zu weiterem
Stadtteil. Im Gebiet Heerstraße Nord in Berlin geben 24% der            Engagement ermutigten. Durch Beratungen und konkrete
Menschen an, dass sie sich „kaum“ oder „überhaupt nicht“                Unterstützung bei der Lebensbewältigung können Menschen
mit ihrem Stadtteil verbunden fühlen.                                   grundlegende Hilfe erfahren und ihre sozialen Kompeten-

   268          vhw FWS 5 / September – Oktober 2020
Bürgergesellschaft
                                                              Potenziale der Gemeinwesenarbeit für die lokale Demokratie

zen bei zahlreichen Gruppenaktivitäten stärken sowie ihre          lässliche niedrigschwellige Beteiligungsstrukturen geschaffen
individuellen sozialen Netzwerke ausbauen. Der individuelle        wurden (z.B. Bürgerorganisationen in Düren), Mitarbeitende
Kompetenzzuwachs ist daher häufig mit Gemeinschaftserfah-          mit eigener familiärer Migrationserfahrung die Gemeinwesen-
rungen verbunden, der besonders dann gegeben ist, wenn             arbeit unterstützt haben und die Menschen in gemeinsame
Gemeinwesenarbeit in sozialkulturelle Angebote und Aktivitä-       Aktivitäten eingebunden wurden.
ten eingebunden ist.
                                                                   Um auf kommunaler Ebene das soziale Miteinander zu ver-
Auf zivilgesellschaftlicher Ebene wurde anhand der fünf            bessern, ist die Förderung von Kooperation und Vernetzung
Praxisbeispiele ersichtlich, dass Gemeinwesenarbeit die Be-        der Akteure im Stadtteil erforderlich. In allen Untersuchungs-
gegnung und das Miteinander von unterschiedlichen Men-             gebieten ist es der Gemeinwesenarbeit gelungen, maßgeblich
schen, Gruppen und Institutionen ermöglicht. Dabei finden          zur Bildung eines breiten Bündnisses für das Gemeinwesen
vielfältige demokratische Lernprozesse ebenso wie ein umfas-       beizutragen. Dadurch können der Informations- und Ressour-
sender Ressourcenaustausch zwischen den Akteurinnen und            cenaustausch sowie das Zusammengehörigkeitsgefühl der
Akteuren statt. Gemeinwesenarbeit setzt sich zudem dafür           Bewohnerschaft, aber auch von zivilgesellschaftlichen Grup-
ein, dass Bewohnerinnen und Bewohner mit ihren Anliegen            pen und Mitarbeitenden von Institutionen verbessert werden.
und Interessen Gehör finden, Menschen mit ähnlichen Inter-         Wie im Rahmen der Interviews deutlich wurde, können diese
essen zusammenkommen und sie sich selbst aktiv für gebiets-        über die Jahre gewachsenen Netzwerkstrukturen bei Bedarf,
bezogene Verbesserungen einsetzen. Der Fokus liegt dabei           z.B. in Sondersituation wie bei der Ankunft vieler Geflüchteter
auf themenbezogener Arbeit, so dass auch gruppen- und              2015/16 oder in Zeiten von Corona, aktiviert werden.
milieuübergreifendes Miteinander möglich wird. Da Verände-         Gemeinwesenarbeit trägt auf der kommunalen Ebene in allen
rungsprozesse oftmals langwierig sind, stellt deren Begleitung     Untersuchungsgebieten auf verschiedene Weise zum Aufbau
eine Daueraufgabe dar, in dessen Verlauf die Beteiligten im-       und zur Erschließung demokratischer Beteiligungsmöglich-
mer wieder zum Durchhalten ermutigt werden müssen. Ne-             keiten bei. Sie unterstützt Menschen dabei, ihre Interessen
ben den für Engagementprozesse notwendigen personellen             gegenüber Politik und Verwaltung zu organisieren und ein-
Ressourcen bedarf es vor Ort zudem Räumlichkeiten, um Pro-         zubringen. Weiterhin kann die Gemeinwesenarbeit als inter-
jekte gemeinsam realisieren zu können.                             mediäre Instanz zwischen der Lebenswelt der Bewohnerschaft
Die Gemeinwesenarbeit trägt in allen untersuchten Gebie-           und öffentlicher Institutionen vermitteln, so dass Entschei-
ten zur Verbesserung des kommunikativen Austauschs und             dungsprozesse und Veränderungen bürgernäher erfolgen.
zur Schlichtung von Konflikten bei. Das Aushandeln loka-           Dementsprechend wurden in fast allen Gebieten Möglichkei-
ler Anliegen erfolgt in fast allen Gebieten bei regelmäßigen       ten geschaffen, an gemeinwesenrelevanten Diskussionen und
oder themenbezogenen Diskussionsveranstaltungen z.B. in            Beteiligungsmöglichkeiten mitzuwirken.
Anwohnerversammlungen, Stadtteilkonferenzen und unter-
schiedlichen Dialogprozessen, wobei der Kreis der Teilneh-         Wie können die Potenziale der GWA noch
menden variiert. Immer wieder muss bei diesen Veranstaltun-        besser genutzt werden?
gen auch für Toleranz gegenüber verschiedenen Meinungen
geworben werden, denn die Interessen und Meinungen im              In Zeiten zunehmender politischer Polarisierung und aufge-
Stadtteil sind vielfältig. Damit auch weniger artikulationsstar-   heizter Debatten über gesellschaftliche Werte und Ziele ist es
ke Personengruppen mitdiskutieren und verhandeln können,           äußerst wichtig, Menschen bereits auf lokaler Ebene Gehör zu
                                                                   verschaffen, ihnen Resonanzräume zu bieten und die Erfah-
setzt sich Gemeinwesenarbeit parteilich für deren Unterstüt-
                                                                   rung demokratischer Selbstwirksamkeit zu ermöglichen. Die
zung sowie für den Abbau der Ungleichheit bei der Interes-
                                                                   Ergebnisse der Studie verdeutlichen hierbei, dass bereits vie-
sendurchsetzung ein. Dies kann zur Demokratisierung von
                                                                   le Aktivitäten auf lokaler Ebene bestehen, um demokratische
Problembewältigungen beitragen. Von Seiten der Mitarbei-
                                                                   Beteiligung einer heterogenen Bevölkerung zu ermöglichen.
tenden der Gemeinwesenarbeit ist dabei eine klar demokra-
                                                                   Da Veränderungsprozesse jedoch langwierig und nur in einem
tische und menschenrechtsorientierte Haltung unabdingbar,
                                                                   kooperativen Prozess umzusetzen sind, ist eine langfristige
die entschlossen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
                                                                   Arbeit notwendig, der jedoch eine prekäre, projektbezogene
entgegentritt und auf der Basis demokratischer Grundwerte
                                                                   und damit kurzfristige Finanzierung der Gemeinwesenarbeit
agiert. Allerdings erfordern auch die Empowermentprozesse
                                                                   in fast allen Gebieten entgegensteht. Um eine nachhaltige
weniger artikulationsstarker Menschen Zeit, Ressourcen und
                                                                   Stärkung lokaler Demokratie unter Nutzung der Potenziale
Ausdauer.
                                                                   einer aktiven Gemeinwesenarbeit zu erreichen, ist eine lang-
Die Ansprache und Einbeziehung von Menschen verschiede-            fristige finanzielle Förderung von Gemeinwesenarbeit un-
ner Herkunftsmilieus, ethnisch-kultureller Communities sowie       abdingbar. Weiterhin ist eine Weitentwicklung und bessere
sozial und/oder ökonomisch Benachteiligter war in den un-          Abstimmung verschiedener Modi der demokratischen Beteili-
tersuchten Gebieten dann besonders erfolgreich, wenn ver-          gung (repräsentative, direkte und deliberative Demokratie) vor

                                                                    vhw FWS 5 / September – Oktober 2020                   269
Bürgergesellschaft
          Potenziale der Gemeinwesenarbeit für die lokale Demokratie

Ort umzusetzen, was jedoch nur in einem gemeinsamen Zu-                            prozessorientierte, politisch unabhängige Arbeitsweise zu
sammenwirken von Politik, Verwaltung und Bewohnerschaft                            ermöglichen, wobei die Arbeit auf demokratischen Grund-
gelingen kann.                                                                     werten sowie menschenrechtsorientiert erfolgen muss;

Mit der Studie wurde deutlich, dass eine funktionierende Ge-                    ■ Verbesserung von intra- sowie interdisziplinärem, fachli-
meinwesenarbeit auf individueller, zivilgesellschaftlicher und                     chem Austausch insbesondere im Bereich sozialer Stadtent-
kommunaler Ebene wichtige Beiträge zur Stärkung lokaler                            wicklung durch themenbezogene Veranstaltungen sowie
Demokratie leistet, aber auch mit vielen Herausforderungen                         kommunale und überregionale Netzwerk- und Gremienar-
konfrontiert ist.                                                                  beit.
                                                                                Vorausgesetzt, Gemeinwesenarbeit erhält ebendiese struktu-
■ Gemeinwesenarbeit kann die demokratische Kultur im
                                                                                relle, personelle und finanzielle Unterstützung, kann sie einen
   Stadtteil durch die Förderung von niedrigschwelligen, di-
                                                                                wichtigen Beitrag zu einer diversitätssensiblen, demokratisch
   versitätssensiblen Kommunikations- und Partizipations-
                                                                                versierten und damit gestärkten Zivilgesellschaft leisten, die
   möglichkeiten verbessern, wobei der Aufbau dauerhafter
                                                                                den Herausforderungen unserer Zeit resilient gegenübertritt.
   Beteiligungsstrukturen (Interessenvertretungen, Bürgeror-
   ganisationen, Stadtteilforen), innovative Beteiligungsfor-
   mate und Dialogveranstaltungen zu aktuellen Themen und                        Prof. Dr. Milena Riede,
   Problemen besonders zielführend sind.                                         Professur für Soziale Arbeit und Sozialpädagogik, Hochschu-
■ Als intermediäre Instanz vermittelt Gemeinwesenarbeit                          le für angewandte Pädagogik, Berlin
   zwischen den Interessen der lokalen Bevölkerung und kom-                      Dr. Anna Becker,
   munalen politischen Strukturen. So können Fach- und För-                      Seniorwissenschaftlerin beim vhw e.V., Berlin
   derpolitiken gezielter auf lokale Bedarfe ausgerichtet, aber
   auch politischer Ungleichheit in der Kommune entgegen-                        Naomi Alcaide,
   gewirkt werden.                                                               Doktorandin am Institut für Geowissenschaften und das Ma-
                                                                                 nagement natürlicher Ressourcen, Universität Kopenhagen
■ Gemeinwesenarbeit sorgt parteilich dafür, dass die Inter-
   essen artikulationsschwächerer und/oder benachteiligter
                                                                                Quellen:
   Bevölkerungsgruppen Gehör finden und diese bei Dialogen
                                                                                Decker, Frank/Best, Volker/Fischer, Sandra/Küppers, Anne (2019): Vertrauen in
   und runden Tischen auf Augenhöhe mitverhandeln kön-                          Demokratie. Wie zufrieden sind die Menschen in Deutschland mit Regierung, Staat
   nen. Damit trägt sie zu einer Demokratisierung der Kon-                      und Politik? Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung.

   fliktbewältigung bei.                                                        Gesemann, Frank/Riede, Milena (2019): Potenziale der Gemeinwesenarbeit für
                                                                                lokale Demokratie. Zusammenfassung: Wirkungsmodell und Strukturierungshilfe
■ Ihr Potenzial kann Gemeinwesenarbeit dann voll entfalten,                     für empirische Erhebungen. April 2019. Berlin: Unveröffentlichtes Manuskript
   wenn sie durch eine Funktionsmischung aus niedrigschwel-                     Gesemann, Frank/Riede, Milena (2020): Potenziale der Gemeinwesenarbeit für
                                                                                lokale Demokratie. Abschlussbericht des Forschungsprojektes für den vhw – Bun-
   ligen Hilfen, sozialkultureller Arbeit, angewandter politi-                  desverband für Wohnen und Stadtentwicklung. Berlin.
   scher Bildungsarbeit und Vernetzung viele verschiedene
                                                                                Gesemann, Frank/Roth, Roland (2015): Engagement im Quartier. BBSR Online-
   Menschen anspricht und damit Teilhabe und Austausch-                         Publikationen, 04/2015. Bonn: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
   prozesse zwischen verschiedenen Gruppen und Milieus                          (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Internet: https://www.
                                                                                bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/bbsr-on-line/2015/ON042015.html
   ermöglicht, als Vorstufe für gemeinschaftliche zivilgesell-                  (zuletzt abgerufen am 07.07.2020]
   schaftliche und politische Aktivitäten.                                      Ladner, Andreas/Bühlmann, Marc (2007): Demokratie in den Gemeinden. Der
                                                                                Einfluss der Gemeindegrösse und anderer Faktoren auf die Qualität der lokalen
Um diese Aufgaben noch besser wahrzunehmen und die vol-                         Demokratie. Zürich/ Chur: Rüegger.
len Potenziale der lokalen Demokratieförderung durch die                        Oehler, P./Drilling, M. (2016): Soziale Arbeit, Gemeinwesenarbeit und Stadtent-
GWA entfalten zu können, müssen allerdings bestehende                           wicklung. In: Drilling, M./Oehler, P.: Soziale Arbeit und Stadtentwicklung, S. 13–41.
Rahmenbedingungen verbessert werden, die sich in folgen-                        Riede, Milena (2019): Gemeinwesenarbeit als demokratiefördernde Brückenbau-
                                                                                erin. In: Schnur, Olaf/Drilling, Matthias/Niermann, Oliver (Hrsg.): Quartier und
den Handlungsempfehlungen4 zusammenfassen lassen:
                                                                                Demokratie. Theorie und Praxis lokaler Partizipation zwischen Fremdbestimmung
                                                                                und Grassroots. Wiesbaden: Springer VS.
■ dauerhafte Finanzierung z.B. durch Bundes- oder Landes-
                                                                                Rosa, Hartmut (2016): Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin:
   förderprogramme für Gemeinwesenarbeit und damit lang-                        Suhrkamp.
   fristige Personalstellen;                                                    van Deth, J. W. (2014): Demokratie in der Großstadt: Ergebnisse des ersten Mann-
■ Ausbau der kommunalen Infrastruktur für bürgerschaftli-                       heimer Demokratie Audit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden.

   ches Engagement durch die Einrichtung lokaler Anlaufstel-                    Wagner, Sabine (2019): Lokales Demokratie-Update. Wirkung dialogorientierter
                                                                                und direktdemokratischer Bürgerbeteiligung. Wiesbaden: Springer VS.
   len der Gemeinwesenarbeit in allen Stadtteilen. Ansiede-
                                                                                Wiesner, C. (2018): Multi-Level-Governance und lokale Demokratie: Politikinnova-
   lung der Gemeinwesenarbeit bei freien Trägern, um eine                       tionen im Vergleich. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden.

4 Eine vollständige Übersicht der Handlungsempfehlungen kann dem Abschluss-
  bericht der Studie „Potenziale der Gemeinwesenarbeit für lokale Demokratie“
  entnommen werden.

   270            vhw FWS 5 / September – Oktober 2020
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