Professionalisierung der Sozialen Arbeit und ihrer Handlungsfelder - SRH Dresden School of Management Ergebnisse des Studienganges Soziale Arbeit ...

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Professionalisierung der Sozialen Arbeit und ihrer Handlungsfelder - SRH Dresden School of Management Ergebnisse des Studienganges Soziale Arbeit ...
Prof. Dr. Ute Kahle (Hrsg.)

SRH Dresden School of Management
Ergebnisse des Studienganges Soziale Arbeit

Professionalisierung der
Sozialen Arbeit und ihrer
Handlungsfelder
Prof. Dr. Ute Kahle, Saskia Heinrich,
Kristin Specht, Sophie Wolff
Impressum

SRH Berlin University of Applied Sciences
Dresden School of Management (DSM)

Georgenstraße 7
01097 Dresden

www.srh-campus-dresden.de.de

Mit Beiträgen von:

Emilia Achtnichts, Selina Bergmann, Mandy Brauer, Birgit Gotter, Antonia Hähne, Saskia Heinrich,
Tommy Hiestermann, Pauline Höreth, Franz Johne, Theodor Koch, Benjamin Krieck, Laura Marie
Lamprecht, Paul Liebschner, Linda Mattick, Celine Mehnert, Diem Quynh Nguyen, Carlo Pniok, Milena
Quinger, Philip Rauch, Julia Reymann, Clara Richter, Charlotte Scharschmidt, Simon Schmidt, Lisa
Seidemann, Kristin Specht, Anika Teichmann, Lotte Weiselowski, Angelina Wieland, Sophie Wolff

[Student:innen des 1. Semesters der Studiengänge Soziale Arbeit Dual und Vollzeit]

Layout und grafische Umsetzung: Doreen Teichner, Katja Solbach, Marketingabteilung der SRH Berlin
University of Applied Sciences, Dresden School of Management

Dresden, Februar 2021

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Vorwort
Im Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit gilt es im ersten Semester in die Soziale Arbeit einzuführen,
Überblickwissen zu generieren und eine Systematik anzubieten, um sich dem Gegenstand der
Sozialarbeit in Theorie und Praxis anzunähern. Dies ist weitestgehend in den Seminaren „Einführung in
die Soziale Arbeit“ und „Professionalisierung der Sozialen Arbeit und ihrer Handlungsfelder“ erfolgt.

Im Rahmen des Seminars „Professionalisierung der Sozialen Arbeit und ihrer Handlungsfelder“ wird
eine weitere erste Annäherung an Träger, Organisationen und Einrichtungen der Sozialen Arbeit, in
denen Studierende ihre Praxiserfahrungen sammeln, Überblickwissen erwerben, konkrete Kontakte
mit hilfebedürftigen Menschen haben, in unterschiedlichen Hilfesettings tätig sind und ihre berufliche
Identität ausbilden, angestrebt. Der duale Partner für Dual-Studierende oder der Praktikumsbetrieb
für Vollzeitstudierende, die Studierenden und die Studiengangsleitung hegen bestimmte Erwartungen
an das, was da kommen mag.

Auf der Basis der Arbeitshilfe „Analysen der institutionellen Arbeitsaufträge“ von Spiegel [2013,
143ff.] und dem „Grundkurs Organisation(en) in der Sozialen Arbeit“ von Mund [2019] sowie dem St.
Galler Managementmodell haben sich die Student:innen ihrer Praxis theoriegeleitet genähert.

Auf der didaktischen Grundlage des CORE+-Modells der SRH Berlin University of Applied Sciences
haben Student:innen im ersten Semester des Studiengangs Soziale Arbeit Aufgaben, Aufträge,
Rechtsformen, Funktionen, pädagogische Konzepte, Organisationskultur und die strukturellen
Gegebenheiten ihrer Träger und Einrichtungen einer ersten Prüfung unterzogen und sich systematisch
angenähert.

Im Seminar entstand die Idee, die Recherchen und Ausarbeitungen sowie Präsentationen für alle
Studierenden nochmals in einem anderen Format zur Verfügung zu stellen. Die Idee eines Readers,
eines kleinen Nachschlagewerks, konkreter eines E-Books, entstand.

Es wurde ein Redaktionsteam mit Saskia Heinrich, Kristin Specht, Doreen Teichner und Sophie Wolff
unter Leitung von Prof. Dr. Kahle ins Leben gerufen. Das Team bat alle Studierenden, ihre
Präsentationen in ein schriftliches Format zu übersetzen, sammelte die Beitrage, schrieb einige
themenähnliche Einreichungen zu gemeinsamen Dokumentationen zusammen, ordnete diese und
führte redaktionelle und Layoutaufgaben durch. Doreen Teichner aus der Marketingabteilung
übernahm das Gesamtlayout und die grafische Überarbeit.

Das Ergebnis dieser Ausarbeitungen liegt nun als E-Book vor. So gewährt diese Dokumentation der
Studierendenbeiträge erste Einblicke in Handlungsfelder, Einzelthemen und Methoden der Sozialen
Arbeit in den Bereichen

–   Altenhilfe
–   Öffentliche Aufgaben der Behindertenhilfe
–   Krankenhaussozialarbeit
–   Schulsozialarbeit
–   Gemeinwesenarbeit
–   Sozialraumorientierung

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–   Soziale Arbeit bei freien Trägern
–   Personale soziale Dienstleistungen
–   Einzelfallhilfe
–   Familienhilfe
–   Gruppenarbeit
–   Das Rauhe Haus
–   Herausforderungen der Sozialen Arbeit

Allen Beteiligten, Autor:innen, den Mitgliedern des Redaktionsteams und Doreen Teichner ganz
herzlichen Dank für die Zusammenarbeit und das Engagement, das erforderlich war, um dieses Werk
zu erstellen. Es ist ein Beitrag zur Dokumentation der Leistungen von Student:innen und stellt, aufgrund
der Vielzahl der Informationen und Quellenangaben, eine gute Möglichkeit dar, sich dem einen oder
anderen Handlungsfeld, Thema oder einer Methode der Sozialen Arbeit weiter anzunähern.

Ich wünsche nun allen viel Spaß beim Nachlesen der Beiträge.

Ihre Prof. Dr. Ute Kahle

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Inhaltsverzeichnis

1     Einführung in das Seminar „Professionalisierung der Sozialen Arbeit und ihrer Handlungsfelder“ . 5
    1.1      Zu einer Systematik der Handlungsfelder Sozialer Arbeit..............................................................5
    1.2      Zur Professionalisierungsdebatte ...................................................................................................5
    1.3      Zu den Beiträgen ............................................................................................................................6
2 Einführung zu den Handlungsfeldern, Trägern und Einrichtungen, Diensten und Methoden der
Sozialen Arbeit ................................................................................................................................... 8
    2.1      Handlungsfelder der Sozialen Arbeit..............................................................................................8
      2.1.1         Einführung in die Altenhilfe....................................................................................................8
      2.1.2         Aufgaben öffentlicher Sozialer Arbeit im Bereich Behindertenhilfe ................................... 10
      2.1.3         Einführung in die Krankenhaussozialarbeit ......................................................................... 14
      2.1.4         Einführung in die Schulsozialarbeit ..................................................................................... 20
      2.1.5         Einführung in die Gemeinwesenarbeit................................................................................ 28
      2.1.6         Einführung in das Konzept der Sozialraumorientierung ..................................................... 31
    2.2      Öffentliche und Freie Träger sowie Dienstleistungen ................................................................. 35
      2.2.1         Soziale Arbeit bei Freien Trägern ........................................................................................ 35
      2.2.2         Einführung in die personalen sozialen Dienstleistungen .................................................... 39
    2.3      Einzelfallhilfe, Familienhilfe und Gruppenarbeit......................................................................... 42
      2.3.1         Einführung in die Einzelfallhilfe ........................................................................................... 42
      2.3.2         Familienhilfe als Handlungsmuster der Sozialen Arbeit ...................................................... 48
      2.3.3         Gruppenarbeit als Strukturmuster Sozialer Arbeit.............................................................. 51
    2.4      Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Sozialen Arbeit am Beispiel .................................. 54
      2.4.1         Das Rauhe Haus ................................................................................................................... 54
      2.4.2         Herausforderungen der Sozialen Arbeit.............................................................................. 57
3     Resümee und Ausblick .............................................................................................................. 64

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1   Einführung in das Seminar „Professionalisierung der
Sozialen Arbeit und ihrer Handlungsfelder“

1.1    Zu einer Systematik der Handlungsfelder Sozialer Arbeit

Das Seminar „Professionalisierung der Sozialen Arbeit und ihrer Handlungsfelder“ zielt darauf ab,
Studierenden einen möglichst systematischen Einblick und Überblick in die Tätigkeitsfelder,
Geschichte und Professionalisierungsdebatte der Sozialen Arbeit zu ermöglichen. Den
Handlungsfeldern und der Professionalisierung der Sozialen Arbeit kann sich dabei auf
unterschiedliche Arten angenähert werden. Ausgehend von einer expansiven Entwicklung der Sozialen
Arbeit haben sich die angewandten Handlungsfelder ausgeweitet und ausdifferenziert [Thiersch 1992;
Rauschenbach 1999]. Daneben sind Forschung und Administration ebenfalls gewachsen.

Heimgartner [2009] schlägt für eine Systematisierung sechs angewandte Handlungsfelder mit 21
Feldern für die Soziale Arbeit vor. Dabei lassen sich zu jedem der Handlungsfelder einzelne Leistungen
angeben. Nach biografischen Gesichtspunkten können z. B. Kinder- und Jugendarbeit,
Jugendwohlfahrt, Soziale Arbeit in Beziehungen und Familien und Soziale Arbeit für das Älterwerden
und im Alter systematisiert werden. Wählt man die problemorientierte Perspektive, lassen sich Soziale
Arbeit bei Arbeitslosigkeit, bei Armut und Schulden, körperlichen und psychischen Krankheiten, bei
Gewalt und Kriminalität und Katastrophen differenzieren [ebenda].

Im Rahmen des Seminars wurden unterschiedliche systematische Zugänge zu den Feldern der Sozialen
Arbeit diskutiert und ausdifferenziert. Die Handlungsfelder selbst unterliegen einer starken
Professionalisierungsdebatte, die im folgenden Abschnitt in ihren Ergebnissen wiedergegeben wird.

1.2    Zur Professionalisierungsdebatte

Durch den Ausbau der Kinderbetreuung der unter Dreijährigen, Ganztagsschulen, den Umbau der Lehr-
und Forschungsmöglichkeiten sowie u.a. durch neue Bachelor- und Masterstudiengänge haben sich die
Arbeitsfelder des Bildungs- und Sozialwesens zum Teil stark verändert. Neben den „Arbeitsfeldern“
Familie und Schule kommt es seit den 1960er Jahren zu einer enormen Ausweitung der vor- und
außerschulischen Bereiche des Sozial- und Bildungswesens. Zudem erfolgt in der modernisierten
pädagogischen Praxis ein nie zuvor dagewesener Akademisierungs- und Professionalisierungsschub
mit Blick auf pädagogische Berufe und Studiengänge. Soziale Arbeit ist dabei, im Gegensatz z. B. zur
Bezugswissenschaft Soziologie, auf eine große Vielzahl von Handlungsfeldern bezogen. Das Spektrum
reicht von stark verregelten, bürokratischen Institutionen wie Schule oder Jugendamt über weniger
komplexe und offene pädagogische Einrichtungen wie Kulturzentren, Jugendbildungsstätten bis zu
entgrenzten pädagogischen Räumen wie Fußballfan-Projekten oder Bildungsreisen.

Die Ausweitung der öffentlichen Kindertageseinrichtungen, die Expansion der Ganztagsschulen sowie
die Zunahme der sozialen Dienste im Bereich der Pflege, Altenhilfe und medizinischen Versorgung und
die sich tendenziell noch weiter ausdifferenzierenden Angeboten an sozialen Hilfen werden zu

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weiteren Nachfragen führen.

Im Zusammenhang mit den Zielen, Aufgaben und Formen professionellen Handelns in der Sozialen
Arbeit lassen sich drei wichtige Merkmale charakterisieren:

      1.   die organisationsgebundene Formalisierung der Hilfen,

      2. die sozialstaatliche Nachrangigkeit ihres Einsatzes und

      3. die Ko-Produktion der Leistungen durch die Produzenten und Konsumenten der
           Dienstleistungen [Heiner 2010, 61].

Die Maßnahme-, Einrichtungs- oder Leistungsträger übernehmen als Leistungserbringer die Aufgaben
der Sozialen Arbeit, die Seitens des Sozialstaats übertragen wurden. Kommunen, als öffentliche
Träger, überantworten häufig die Wahrnehmung der Aufgaben überwiegend gemeinnützigen freien
Trägern und anderen selbstverwalteten und gemeinnützigen Organisationen (z. B. Vereinen)
[Dahme/Wohlfahrt 2003]. Dabei sind gewerbliche, privatwirtschaftlich organisierte
Leistungserbringer, außer in der der Altenhilfe und Pflege, noch eher die Ausnahme. Die Aufgaben
werden überwiegend im Rahmen gesetzlicher und rechtlicher Vorgaben übernommen.

Die Soziale Arbeit ist damit Teil eines Systems, das von den Versicherungsleistungen (z. B.
Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung) über die sozialstaatlichen
Fördersysteme (z. B. Wohnungs-, Arbeits-, Bildungsförderung, Jugend- und Familienhilfe und -
förderung) bis zu grundlegend materiellen Hilfen reicht, die das Existenzminimum garantieren. Dabei
nutzt, verstärkt, koordiniert und konzipiert die Soziale Arbeit die Leistungen des
Sozialleistungssystems.

1.3        Zu den Beiträgen

Die Studierenden haben im Rahmen des Seminars „Professionalisierung der Sozialen Arbeit und ihrer
Handlungsfelder“ ihre Workload durch die Erarbeitung und Präsentation einzelner Handlungsfelder,
Träger, Organisationen oder Methoden in Einzel-, Partner- oder Kleingruppenarbeit mit dem
Prüfungsformat „Referat“ erbracht. Dabei konnten sie unter vorgegebenen Einzelthemen generell
auswählen und insofern ein durch sie präferiertes Thema bearbeiten. Im Folgenden wurden die
Referate, die aufgrund der erforderlichen Online-Lehre in unterschiedlichen Online-Formaten
ausgebracht wurden, verschriftlicht. Anzumerken ist, dass die Studierenden des 1. Semesters sich
neben den fachlich anzueignenden Kenntnissen auch in die medialen Gegebenheiten und die
Infrastruktur des Online-Lernens einarbeiten mussten und insofern hohe Anforderungen zu erfüllen
hatten.

Die Ergebniszusammenfassungen der online gehaltenen Referate sind Kern dieser Dokumentation und
folgen der Systematik des Theorieteils des Seminars.

Zunächst werden Beispiele von und über Handlungsfelder der Sozialen Arbeit wie in Kapitel 2.1.1
„Einführung in die Altenhilfe“ von Franz Johne und Paul Liebschner, in Kapitel 2.1.2 „Aufgaben
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öffentlicher Sozialer Arbeit im Bereich der Behindertenhilfe“ von Pauline Höreth, in Kapitel 2.1.3
„Einführung in die Krankenhaussozialarbeit“ von Antonia Hähne, Theodor Koch, Linda Mattick und
Clara Richter, in Kapitel 2.1.4 „Einführung in die Schulsozialarbeit von Selina Bergmann, Saskia
Heinrich, Carlo Pniok, Phillip Rauch, Kristin Specht und Lotte Weiselowski sowie in Kapitel 2.1.5
„Einführung in die Gemeinwesenarbeit“ von Emilia Achtnichts und Milena Quinger vorgestellt. Ein
weiterer Beitrag beschäftigt sich in Kapitel 2.1.6 mit dem „Konzept des Sozialraums“.

Im Anschluss daran werden Einzelaspekte der Öffentlichen und Freien Träger sowie Dienstleistungen
in Kapitel 2.2 diskutiert. Die Studentinnen Celine Mehnert und Lisa Seidemann widmen sich in Kapitel
2.2.1 dem Thema „Soziale Arbeit bei Freien Trägern“ und Tommy Hiestermann informiert in Kapitel
2.2.2 über die „Einführung in die personalen sozialen Dienstleistungen“.

In einem weiteren Kapitel haben sich Studierende mit den Themen der Einzelfallhilfe, Familienhilfe
und der Gruppenarbeit als Methode der Sozialen Arbeit auseinandergesetzt. Mandy Brauer, Birgit
Gotter, Angelina Wieland und Sophie Wolff geben in Kapitel 2.3.1 eine „Einführung in die
Einzelfallhilfe“. Darüber hinaus wird in Kapitel 2.3.2 die „Familienhilfe als Handlungsmuster Sozialer
Arbeit von Diem Quynh Nguyen und Simone Schmidt vorgestellt. Laura Maria Lamprecht befasst sich
hingegen in Kapitel 2.3.3 mit der „Gruppenarbeit als Strukturmuster Sozialer Arbeit“.

Im abschließenden Kapitel 2.4 fokussieren zwei Arbeiten auf den Aspekten der Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft der Sozialen Arbeit. Julia Reymann und Charlotte Scharschmidt stellen in
Kapitel 2.4.1 die Institution und Geschichte des „Rauhen Hauses“ vor und Anika Teichmann schließt in
Kapitel 2.4.2 mit Überlegungen zu den „Herausforderungen der Sozialen Arbeit“ die umfassenden
Ausführungen ab.

Allen Autor:innen, dem Redaktionsteam und Doreen Teichner an dieser Stelle herzlichen Dank für die
Bewältigung der Aufgaben und Beiträge. Ich wünsche der interessierten Leserschaft viel Spaß beim
Durchsehen und Lesen der verschriftlichten Referate, die das Seminarthema „Professionalisierung der
Sozialen Arbeit und ihrer Handlungsfelder“ durchleuchten und transparenter machen.

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2 Einführung zu den Handlungsfeldern, Trägern und
Einrichtungen, Diensten und Methoden der Sozialen Arbeit

2.1    Handlungsfelder der Sozialen Arbeit

2.1.1 Einführung in die Altenhilfe

Benötigt man eine einjährige zusätzliche Ausbildung, um mit den Klienten UNO zu spielen, oder
ihnen eine Geschichte vorzulesen?

Aus dem Alltag Sozialer Arbeit in der Altenhilfe hört man ab und zu von gemütlichen Vorleserunden
und spannungsreichen Kartenspiel-Duellen. Da stellt sich für den ein oder anderen die Frage: Benötigt
man wirklich eine einjährige zusätzliche Ausbildung, um mit den Klienten UNO zu spielen? Der Antwort
auf diese Frage wird sich im Folgenden angenähert. Dafür wird zunächst eine Begriffsunterscheidung
zwischen Altenpflege und Altenhilfe vorgenommen.

Unterschiede zwischen Altenpflege und Altenhilfe

„Altenpfleger:innen pflegen und betreuen kranke bzw. alternde Personen im Rahmen des
sozialpflegerischen Berufs in der ambulanten und häuslichen Krankenpflege beispielsweise durch
Sozialstationen in deren Wohnung oder stationär in Alten- und Pflegeheimen“

„Die Altenhilfe umfasst im Gegensatz zur Altenpflege auch die nichtpflegerischen Teile der Sorge um
den alten Menschen. Unter dem Begriff „Altenhilfe“ sind alle Aktivitäten und Hilfeleistungen
zusammengefasst, die zur Verbesserung der Lebensqualität alter Menschen geplant und ausgeführt
werden.“

Geschichte

Pflege war früher fast ausschließlich Familiensache. Nach den Weltkriegen stieg die Anzahl der
pflegebedürftigen Menschen. Auch durch Verluste im Krieg war es vielen nicht mehr möglich, zu Hause
gepflegt zu werden. Am 10. Juli 1969 wurde die erste staatliche Ausbildung in der Altenpflege
eingeführt. Der Pflegeberuf war damals eher für Frauen bestimmt. In den 1970er Jahren wurde der
Deutsche Berufsverband für Altenpflege gegründet und Entwürfe des Berufsbildes veröffentlicht.
Damit war der Grundstein für Pflegeheime, Altenheime etc. gelegt. Aus dem Beruf Altenpfleger:in
wurde Anfang 2020 der Beruf Pflegefachmann/-frau. Damit schuf man eine generalistische
Ausbildung, welche die Berufe Altenpfleger:in, Krankenpfleger:in und Kinderkrankenpfleger:in vereinte.

Voraussetzung für den Beruf Altenhelfer:in/Sozialbetreuer:in

Man benötigt eine zusätzliche Ausbildung, um als Sozialbetreuer:in zu arbeiten. In dieser Ausbildung
lernt man den geschulten Umgang mit den Patient:innen und kann so angemessen auf komplizierte
Situation im Alltag mit Demenzerkrankten eingehen. Die wichtigste Voraussetzung sind natürliche
soziale Kompetenzen.

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Aufgabe und Ziele der Altenpflege

Die Aufgaben der Altenpflege erstrecken sich über den ganzen Tagesgang der Demenzerkrankten. Je
nach körperlicher Verfassung benötigen die Klient:innen mehr oder weniger Hilfe. Die
Altenpfleger:innen helfen zum Beispiel bei der morgendlichen Routine, begleiten die Klient:innen auf
die Toilette, reichen ihnen Essen,… Kurz gesagt: die Altenpflege erleichtert den Alltag der Klient:innen.

Ziele

Die Altenpflege versucht den Klient:innen so zu helfen, dass sie trotz ihrer Demenzerkrankung ein
menschenwürdiges Leben führen können. Sie soll den Menschen helfen, auch mit ihrer Krankheit noch
ein schönes Leben zu führen.

Aufgaben und Ziele der Altenhilfe

Arztbesuch: Die Ärzt:innen vermitteln das Krankheitsbild und die weitere Vorgehensweise an die
Sozialbetreuer:innen. Diese begleiten die Klient:innen dann wieder nach Hause und teilen alles den
Pfleger:innen mit.
Gedächtnistraining, Fähigkeiten wieder hervorrufen und die Klient:innen wieder zu aktivieren sind Ziele,
welche die Altenhilfe durch verschiedene kleine Spiele versucht zu verwirklichen. Bewegungseinheiten
sollen zur Förderung motorischer und kognitiver Fähigkeiten beitragen. Damit sollen die
Muskelgruppen der Klienten wieder aktiviert werden.

Gruppenangebote

Innovation und Koordination stehen bei Gruppenangeboten vor allem im Vordergrund. Die
Sozialarbeiter:innen spielen mit den Klient:innen in der Gruppe kleine Spiele oder unterhalten sich
einfach. Mit gelegentlicher anderweitiger Freizeitgestaltung (Theater, Spaziergänge) können die
Klient:innen dem Alltag entfliehen. Sie kommen so raus aus ihrem eintönigen Leben und holen sich
durch verschiedene Freizeitangebote etwas Abwechslung.
Konfliktlösung Die Sozialarbeiter:innen vermitteln und beraten zwischen Bewohner:innen
untereinander, zwischen Bewohner:innen und Pfleger:innen, zwischen Bewohner:innen und
Angehörigen und zwischen Angehörigen und Pfleger:innen. Betreuung: Sie haben eine besondere
Betreuung für Demenzerkrankte und Klient:innen mit psychiatrischen Auffälligkeiten. Für Pfleger:innen
ist es oft schwierig, neben den anderen Klient:innen, die Zeit aufzubringen, um sich besonders um die
Demenzerkrankten zu kümmern. Deshalb schreiten Sozialarbeiter:innen ein, um eine „Eins-zu-eins-
Betreuung“ zu gewährleisten.

Auswertung

Die Aufgabenfelder der Sozialen Arbeit in der Altenhilfe sind viel umfassender als nur Bespaßung. Eine
gezielte Ausbildung ist nötig, um die Situationen richtig einordnen zu können und so gezielt
Informationen aus den Klient:innen zu bekommen. Man muss sehr ausdauernd sein und versuchen, sich
in die Klient:innen hineinzuversetzen, damit man sie verstehen und so auch angemessen handeln kann.

Autor:innen: Franz Johne und Paul Liebschner

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Quellen

Internetquellen

Mamerow, Ruth/Arne Schäffler (2020): Altenpflege, Altenhilfe und Geriatrie
https://www.apotheken.de/krankheiten/hintergrundwissen/5791-altenpflege-altenhilfe-und-
geriatrie, Zugriff am 25.11.2020

Bundesagentur für Arbeit (o.J.): Altenpfleger/in,
https://berufenet.arbeitsagentur.de/berufenet/faces/index;BERUFENETJSESSIONID=8ft3dOsdOsnYX
WsXr-JvsR3DGUX3p1wMU2PMZz1tBN43AfKdBcpA!-
1841422640?path=null/kurzbeschreibung&dkz=90654, Zugriff am 25.11.2020

Kli (2018): Sofortprogramm Kranken- und Altenpflege, https://www.mta-
dialog.de/artikel/sofortprogramm-kranken-und-altenpflege.html, Zugriff am 25.11.2020

Wikipedia (o. J.): Altenpfleger, https://de.wikipedia.org/wiki/Altenpfleger, Zugriff am 25.11.2020

Wohnen heißt Wüstenrot (2020): Umfassende Pflege und medizinische Betreuung. Umzug in ein
Altenheim, https://www.wuestenrot.de/de/ihr_wohnwunsch/altersgerecht_wohnen/altenheim.html,
Zugriff am 25.11.2020

2.1.2 Aufgaben öffentlicher Sozialer Arbeit im Bereich Behindertenhilfe

Menschen gelten als behindert, wenn sie für längere Zeit eine körperliche, seelische, geistige oder
Sinnesbeeinträchtigung haben und durch diese in ihrer Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt
sind. Der Schweregrad einer Behinderung wird von Versorgungsämtern festgestellt und ab dem Grad
50 kann ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt werden. Nach dem Stand im Juni 2020 leben
derzeit ca. 7,9 Millionen Menschen mit Behinderung in Deutschland. Zu den unterschiedlichen Arten
gehören die neurologische Behinderung, die Behinderung des Bewegungs- und Stützapparates, andere
Körperbehinderungen, die Sehbehinderung und Blindheit, die Schwerhörigkeit und Gehörlosigkeit, die
Sprachbehinderung, die Lernbehinderung, die geistige Behinderung, die psychische Behinderung und
die Behinderung durch Sucht.

Geschichtliche Eckpunkte im Umgang mit Menschen mit Behinderung

In der Römischen Antike waren Behinderte auf Familienhilfe angewiesen oder der Obdachlosigkeit
ausgesetzt. Im Mittelalter wurde durch die Ausbreitung des Christentums die Nächstenliebe verbreitet
und somit die Armenpflege eingeführt. Erste Einrichtungen für Menschen mit Behinderung entstanden,
jedoch wurde eine Behinderung teilweise immer noch als Strafe Gottes oder Teufelsbesessenheit
angesehen. Zur Neuzeit brachen durch die Landflucht Familienverbände auseinander und behinderte
Familienmitglieder wurden in staatliche Einrichtungen gebracht. Kriegsverletzte wurden wieder als
Arbeitskräfte eingesetzt, aber behinderte Menschen kamen in Anstalten der sogenannten Irren-,
Krüppel- und Gebrechensfürsorge. Die berufliche Rehabilitation und medizinische Versorgung wurde
noch durch das Armengesetz in Preußen 1891 verhindert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis 1933
wurde sich vor allem in der Psychiatrie um die Versorgung behinderter Menschen gekümmert. Die

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sogenannte „Körperbehindertenpädagogik“ in der Weimarer Republik begann sich dann mit Ursachen
von Krankheit und Behinderung von Kindern und Jugendlichen zu befassen. Im Nationalsozialismus
wurden Behinderte, sowie arme und kranke Menschen zu Versuchsobjekten degradiert und im Rahmen
des Euthanasieprogramms zu Hunderttausenden sterilisiert und getötet. Die Zwangssterilisation
wurde im Nachkriegsdeutschland abgeschafft, aber erst 2007 als grundgesetzwidrig anerkannt.
Selbsthilfeorganisationen wie „Aktion Mensch“ begannen in den 60er Jahren Spenden für die
Förderung von besseren Bildungsbedingungen, Verbände und Einrichtungen für behinderte Menschen
zu sammeln. Die „Krüppelbewegung“ entstand etwa 10 Jahre später und setzte durch, dass 1994 das
Verbot der Benachteiligung aufgrund von Behinderung im Grundgesetz verankert wurde. Die
Erkenntnis kam, dass vor allem die Gesellschaft die Menschen behindert und so wurde 2002 das
Bundesgleichstellungsgesetz eingeführt, welches die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben gesetzlich gewährleisten soll. Behindertenhilfe befindet sich also in ständiger Anpassung an
neue ethische, professionelle und wirtschaftliche Folgen und versucht insbesondere den Fokus auf
Inklusion zu legen.

Wertebegriffe

Zu den zu klärenden Begriffen im Bereich der Behindertenhilfe gehört zum Beispiel die
Selbstbestimmung, welche sogar als Kardinalwert jener bezeichnet wird. Denn selbstbestimmt zu sein
bedeutet nicht gleich selbstständig zu sein. Sie steht für die Möglichkeit, über Aspekte des eigenen
Lebens selbst zu entscheiden. Damit verbunden ist die Emanzipation, also sich von Abhängigkeit zu
befreien und autonom zu sein. Daraus leitet sich auch das Empowerment ab, welches für die
Förderung von Fähigkeiten und Kompetenzen steht und ebenso für das Spüren von Kraft und Macht
durch deren Steigerung am Individuum selbst oder im kollektiven Handeln. Beides führt zur
Selbstbefähigung. Integration bedeutet die Wiedereingliederung und Anpassung an die Maßstäbe der
Gesellschaft. Präventiv hingegen versteht sich die Inklusion, die von Beginn an auf jegliche Art der
Separation verzichtet, es dementsprechend gar nicht erst zu Ausgrenzung kommen lässt und
strukturelle Veränderungen in der Gesellschaft anstrebt. Zuletzt beschreibt der Begriff der Teilhabe
das Einbezogensein in eine Lebenssituationen und ist verbunden mit Fragen der Daseinsentfaltung,
dem Zugang zu Lebensbereichen, der Gesundheits- und Lebensqualitäten, des selbstbestimmten
Lebens und der Chancengerechtigkeit.

Die fünf Fachverbände

Seit 1978 haben sich diese Verbände zusammengeschlossen und repräsentieren damit 50% der
Dienste und Einrichtungen für behinderte Menschen. Sie bestehen aus:

–   dem bvkm – Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V.,

–   der CBP – Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e. V.,

–   der Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V.,

–   dem BeB – Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e. V. und

                                                                                                       11
–   dem Anthropoi – Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen e. V.

Zu ihren Angeboten und Dienstleistungen zählen Beratungsstellen, Frühförderung, sonder- und
heilpädagogische Kindergärten, Förderschulen, berufliche Integrationshilfen, Fahrdienste, spezielle
Berufsschulen und Ausbildungen, Wohn- und Betreuungsangebote sowie Werkstätten für behinderte
Menschen. Die Fachverbände sind in den Feldern Sozial-, Gesundheits- und Gesellschaftspolitik tätig
und beschäftigen sich auch mit ethischen Fragen bezüglich der Entwicklungen in der Biomedizin. Ihr
ethisches Fundament begründet sich auf dem gemeinsamen Bekenntnis zur Menschenwürde, dem
Recht auf Selbstbestimmung und der gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen am Leben in
der Gesellschaft. Ihre Aufgabe ist es Menschen mit Behinderung jeglicher Art und in jedem Alter bei
Wohnen, Freizeit, Arbeit und Lernen zu unterstützen und sie dadurch zur Kräftigung ihrer
Selbstvertretung zu verleiten. Sie treffen sich jährlich zweimal auf Konferenzen, um zu diskutieren,
öffentlich Position zu aktuellen Themen zu beziehen und neue Handlungs- und Leitlinien für Dienste
und Einrichtungen zu setzen.

Ausblick

Aktuell setzt sich die Behindertenhilfe besonders dafür ein, das Barrierefreiheitsgesetz durchzubringen,
da Menschen, die am gesellschaftlichen Leben teilhaben wollen, nach wie vor durch bauliche und
strukturelle Barrieren behindert werden. Es fehle vor allem die Verpflichtung privater Anbieter zur
Barrierefreiheit. Zudem hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Dezember 2020 einen
Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung vorgelegt.
Insbesondere sind neue Regelungen für die Erweiterung des Budgets für Ausbildung und Begleitung
von Menschen mit Behinderung durch Assistenzhunde, für die Unterstützungsmöglichkeiten für
Rehabilitand:innen und für den leistungsberechtigten Personenkreis in der Eingliederungshilfe
vorgesehen. Außerdem ist die Corona-Pandemie eine zusätzliche Belastung und stellt die
Behindertenhilfe vor neue Aufgaben und Hindernisse. Einerseits sind Menschen mit Behinderung Teil
einer Risikogruppe und müssen sich verstärkt isolieren. Andererseits sind neue Barrieren gegeben.
Videokonferenzen sind zum Beispiel für Seh- und Hörbehinderte eine große Hürde und auch
Gesichtsmasken stellen in der Kommunikation ein Problem für sie dar. In der Zukunft muss also
weiterhin viel getan werden, damit Menschen mit Behinderung besser am gesellschaftlichen Leben
teilnehmen können. Dieser Prozess ist permanent und somit bleibt die Behindertenhilfe ein spannendes
Feld in der Sozialen Arbeit.

Autor:innen: Pauline Höreth

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Quellen

Internetquellen

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verband/auftrag, Zugriff am 03.12.2020

Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung, https://www.diefachverbaende.de/, Zugriff am
03.12.2020

Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung: Selbstdarstellung,
https://www.diefachverbaende.de/selbstdarstellung.html, Zugriff am 06.12.2020

Mashur, Lilian: Zur Geschichte des Umgangs mit Behinderung 2012,
https://leidmedien.de/geschichte/zur-geschichte-des-umgangs-mit-behinderung, Zugriff am
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Mentner, Regina: Körperliche Behinderung, https://www.diakonie.de/koerperliche-behinderung, Zugriff
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sozialrecht.de/definition-begriff-behinderung-2-abs-1-sgb-ix/, Zugriff am 04.12.2020

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Talentplus: Beratung zu: Behinderungsarten und Auswirkungen, 2019,
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03.12.2020

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https://www.aerztezeitung.de/Politik/Corona-Einschraenkungen-fuer-Menschen-mit-Behinderung-
besonders-hart-414655.html, Zugriff: 17.01.2021

Literaturquellen

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2.1.3 Einführung in die Krankenhaussozialarbeit

    “Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the
                                           1
    absence of disease or infirmity.”

Mit dem Gesundwerden verhält es sich wie mit vielem im Leben, es erfordert eines komplexen
Zusammenspiels verschiedener Bereiche. Die durch die WHO aufgestellte Begriffsdefinition von
Gesundheit legt nahe, dass es für einen guten Gesundheitszustand aller drei Komponenten bedarf,
nämlich des körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens.

Genau aus diesem Grund gibt es in Krankenhäusern nicht nur Ärzt:innen für die körperliche und
Psycholog:innen für die geistige Versorgung, sondern auch Krankenhaus-Sozialarbeiter:innen, welchen
vor allem das soziale Wohlergehen der Patient:innen am Herzen liegt.

Im Folgenden werden zunächst die Grundzüge der Krankenhaussozialarbeit definiert.

Definition

Die Krankenhaussozialarbeit ist eine Teildisziplin der Klinischen Sozialarbeit und bezeichnet die
psychosoziale Dimension der Patientenversorgung in Krankenhäusern.
Krankenhaussozialarbeiter:innen begleiten ihre Klient:innen und deren Angehörige auf ihrem
Genesungsweg von der Behandlung bis zur Planung ihrer Entlassung und unterstützen so bei der
Bewältigung von Krankheitsfolgen.

Im nächsten Abschnitt wird durch die kurze Beschreibung der Handlungsfelder der übergeordneten
Profession der klinischen Sozialarbeit deutlich, dass die Krankenhaussozialarbeit nur einen Teil der
vielfältigen Sozialen Arbeit im klinischen Kontext bildet.

Handlungsfelder der klinischen Sozialarbeit

Das größte Handlungsfeld der klinischen Sozialarbeit stellt die Kinder- und Jugendhilfe dar. Ihr Ziel ist
der Schutz der Kinder und die Förderung ihrer Persönlichkeiten. Außerdem ist dieses Handlungsfeld für
die Verbesserung von Familiensituationen zuständig.

Die Sucht wurde erst in der Neuzeit als eine Krankheit wahrgenommen, wodurch sich Anlaufstellen zur
Suchthilfe etablierten. Diese stellen ein weiteres Handlungsfeld für klinische Sozialarbeiter:innen dar.
Die Suchthilfe kann in verschiedenen Rahmen von Suchtkranken in Anspruch genommen werden, wie
z.B. in Form von ambulanter Drogenhilfe oder in stationären Einrichtungen.

Klinische Sozialarbeiter:innen kommen ebenso im psychiatrischen Kontext zum Einsatz. Diese
Möglichkeit der Hilfe findet stationär, teilstationär und ambulant statt. Bei der Behandlung gibt es drei
Ebenen: die naturwissenschaftliche Ebene (Ärzt:innen), die psychologische Ebene

1
 WHO (1946): Constitution of the World Health Organization. Verfügbar unter:
https://apps.who.int/gb/bd/PDF/bd47/EN/constitution-en.pdf (27.01.2021).

                                                                                                       14
(Psychotherapeut:innen) und die sozialwissenschaftliche Ebene (Sozialarbeiter:innen).
Um Patient:innen am besten zu unterstützen ist eine starke Zusammenarbeit gefordert.

Das Ziel der Rehabilitation ist eine Eingliederung von behinderten Menschen in die Gesellschaft, was in
Kliniken und Zentren stattfindet und der Unterstützung durch Sozialarbeiter:innen bedarf. Somit ist die
Rehabilitation als weiteres Handlungsfeld der Klinischen Sozialarbeit zu deklarieren. Es gibt zwei
verschiedene Arten der Hilfe, zum einen die medizinische Hilfe, also Hilfen zur Teilhabe am Leben in
einer Gemeinschaft und zum anderen Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben.

Nach § 112 Abs. 2 Nr. 4 SGB V ist soziale Betreuung, also klinische Sozialarbeit, schließlich auch Teil
der Krankenhausaufgaben. Sozialarbeiter:innen sollen Patient:innen und Angehörige bei der Lösung
von Problemen unterstützen, welche als Folgen der Erkrankung aufgetreten sind. Hierbei sind
Vermittlungsaufgaben ein wichtiger Bestandteil der Arbeit.

Aber womit lässt sich der Einsatz klinischer Sozialarbeit unabhängig vom genauen Handlungsfeld
konkret rechtfertigen? Dafür werden folgend zwei Modelle herangezogen.

Konzepte und Thesen

–   Das bio-psycho-soziale-Modell

Das bio-psycho-soziale-Modell zeigt auf, dass für Krankheit nicht nur körperliche Faktoren gelten.
Hierbei sind die Wechselbeziehungen zwischen körperlichen, psychischen und sozialen Faktoren
ausschlaggebend.

–   Das sozialökologische Modell

Dieses Modell sagt aus, dass alle Faktoren auf die Gesundheit eines Individuums einwirken. Im
Mittelpunkt steht das Individuum, bestehend aus Körper, Seele und Geist.

Nachdem die Bedeutung der Gesamtheit der klinischen Sozialarbeit geklärt und ein Überblick über all
ihre Handlungsfelder gegeben ist, soll im weiteren Verlauf das Augenmerk auf die zu Beginn bereits
definierte Profession der Krankenhaussozialarbeit gelegt werden.
Dazu ist der nächste Absatz der Frage gewidmet, wann und wie sich Krankenhaussozialarbeit
entwickelt hat.

Geschichte

Die Krankenhaussozialarbeit entwickelte sich um 1900 vor allem in Berlin als „Fürsorge für Kranke“, bei
den ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen sich um die Patient:innen und deren Familien kümmerten. Zu
ihren Aufgaben gehörten unter anderem das Vorlesen, das Organisieren von Unterhaltungsabenden
und die Gesprächsführung mit Betroffenen und deren Familien.
Später wurde die Weiterentwicklung der Krankenhaussozialarbeit stark durch die Gründung der
„Sozialen Frauenschule“ unter Alice Salomon geprägt (1908). Hier entwickelte sich die ehrenamtliche
Tätigkeit weiter zu einer professionellen Tätigkeit.

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Die Grundsteine für einen Ausbau der Krankenhaussozialarbeit waren also gelegt. Weiteren
Aufschwung sollte es durch die Gründung der „Deutsche[n] Vereinigung für den Fürsorgedienst im
Krankenhaus“ im Jahr 1926 geben.

Diese Vereinigung wurde während des Nationalsozialismus‘ von der Nationalsozialistischen
Volkswohlfahrt übernommen, welche allerdings die Ziele stark der nationalsozialistischen Ideologie
anpasste. Fortan galt die „Aufwartung des Deutschen Volkes“ als Ziel sozialarbeiterischen Strebens in
Krankenhäusern. Die daraus folgende Aufgabe war es, auf gesunde, deutschstämmige Frauen
einzuwirken, damit diese möglichst viele Kinder gebären. Auch die „Erbgesundheitspflege“ galt als
Aufgabe, wobei es um das Zuraten von Sterilisationen von z.B. Suchtkranken ging.

Im Allgemeinen gelten der Nationalsozialismus und der zweite Weltkrieg als schwerwiegende
negative Entwicklungsphasen. Die Sozialarbeiter:innen mussten sich der nationalsozialistischen
Ideologie unterordnen und waren gesetzlich dazu verpflichtet, den Befehlen der Ärzt:innen ohne
Widerspruch Folge zu leisten, was zu einer nachhaltigen Schädigung der Zusammenarbeit zwischen
Medizin und Sozialarbeit geführt haben könnte.

Nach dem zweiten Weltkrieg, in den Nachkriegsjahren, wurde die Krankenhaussozialarbeit vorerst
nicht weiter ausgebaut. Ihre Aufgabe bestand vorerst fast ausschließlich darin, die materielle
Grundversorgung der Patient:innen sicherzustellen.

1970 entwickelte sich die Krankenhaussozialarbeit schließlich weiter. Es wurden
Rehabilitationsmaßnahmen und deren Rahmenbedingungen eingeführt und der Sozialdienst im
Krankenhaus erlebte erstmals wieder einen Aufschwung.

Heute ist die Krankenhaussozialarbeit bereits Bestandteil der meisten Krankenhäuser. Welche
Aufgaben sie dort mit ihrem Handeln verfolgt, soll Thema des nächsten Absatzes sein.

Aufgaben

Die Aufgaben der Krankenhaussozialarbeit kann man in drei Felder aufteilen: die
adressatenbezogenen Aufgaben, die kooperationsbezogenen Aufgaben und die professionsbezogenen
Aufgaben.

Bei den adressatenbezogenen Aufgaben besteht direkter Kontakt mit den Patient:innen, zu deren
Familienmitgliedern oder weiteren Bezugspersonen. Aufgabenfelder sind die Entlassung nach Hause,
die Entlassung in eine andere Institution, arbeits- und sozialrechtliche Beratung, andere Vermittlungen
und Beratungen sowie der Beziehungsaufbau.

Die kooperationsbezogenen Aufgaben lassen sich sowohl durch interne als auch externe Kooperation
umsetzen. Dabei soll geklärt werden, in welcher Situation sich die Patient:innen befinden, um
anschließend bei Bedarf in die Planung einer angemessenen Hilfe überzugehen. Die interne
Kooperation kann die Zusammenarbeit mit Ärzt:innen, Pflegekräften, Physiotherapeut:innen,
Logopäd:innen, Psycholog:innen und anderen im Krankenhaus Tätigen umfassen. Externe
Kooperationspartner sind dahingegen z.B. Krankenkassen, Pflegedienste, Rehabilitationseinrichtungen
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und verschiedene Behörden.

Professionsbezogene Aufgaben bestehen aus dem Reflektieren der eigenen Arbeit, so z.B. dem
Reflektieren angewandter Methoden. Hilfreich sind hierbei regelmäßige Supervisionen und
Teambesprechungen, um z.B. Kenntnisse über Methoden aufzubessern oder neue Entwicklungen in der
Krankenhaussozialarbeit zu erkennen. Auch Fortbildungen und Lehrgänge sind Möglichkeiten, sich in
seiner Arbeit als Sozialarbeiter:in im Krankenhaus weiterzuentwickeln. Eine weitere Aufgabe in diesem
Feld ist zudem die Öffentlichkeitsarbeit. Diese dient in Form von Informationsveranstaltungen und -
broschüren der Aufklärung von Patient:innen, Angehörigen und Krankenhaus-Mitarbeiter:innen über
Angebote und Handlungsfelder der Krankenhaussozialarbeit.

Abschließend gilt es nun noch zu klären, mit welchen Mitteln, also Methoden, der
Krankenhaussozialarbeit die Erledigung bzw. Umsetzung ihrer Aufgaben gelingen.

Methoden

–   Case Management

Case Management bezieht sich auf die Organisation und Vernetzung des Hilfeprozesses. Ziel ist die
Verbesserung der Lebensbewältigung und des Wohlbefindens der Klient:innen. Es eignet sich
hauptsächlich für Klient:innen mit komplexen und multiplen Problemen.

–   Beratung

Der Begriff schließt alle Hilfen ein, die auf Problem- und Konfliktsituationen gründen. Die Beratung
bietet Unterstützungsmöglichkeiten an, wie z.B. Hilfe bei der Sicherung materieller Ressourcen und
Hilfe bei unterschiedlichen Antragstellungen. Des Weiteren kann zu in Folge von Krankheit
entstandenen sozialen, beruflichen, persönlichen oder finanziellen Problemen beraten werden.

–   Soziale Diagnose

Diese Methode wurde erstmals durch Mary Richmond Anfang des letzten Jahrhunderts in Amerika
bekannt. Sie beinhaltet das Beschreiben individueller Problemlagen und das Analysieren der
Umstände. Der Prozess ist in fünf Schritte unterteilt: die Erkundigung, die Ressourcenermittlung, deren
Deutung, die Planung und schließlich die Evaluation.

–   Krisenintervention

Es gibt verschiedene Arten von Krisen. Die für die Krankenhaussozialarbeit relevanten Krisen sind
körperliche, psychosoziale und psychische Krisen. Soforthilfe in Krisensituationen ist hier äußerst
wichtig. Dafür werden die Betroffenen von Ärztinnen und Psycholog:innen begleitet, um schlimmere
Folgen zu verhindern.

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–   Soziotherapie

Seit 2000 ist die Soziotherapie Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen
Krankenversicherung. Laut §37a Abs. 1 S. SGB V haben Versicherte mit schweren psychischen
Erkrankungen, welche nicht mehr in der Lage sind, ärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, den
Anspruch auf Soziotherapie, wenn dadurch der Krankenhausaufenthalt verkürzt wird. Wer die
Soziotherapie durchführen darf oder was die die genauen Maßnahmen und deren Ziele sind, bleiben
allerdings unerwähnt. Einzig die Empfänger.innen (psychisch Kranke) werden im Gesetz explizit
benannt.

Zusammenfassung

Die Krankenhaussozialarbeit kann sich einer breiten Palette an Methoden bedienen, um ihre Aufgaben
verfolgen zu können. Durch das in ihrer Entwicklungsgeschichte immer größer werdende Bewusstsein
für die Wichtigkeit dieser Profession, leistet die klinische Sozialarbeit mit all ihren Handlungsfeldern
mittlerweile einen großen Beitrag für die Gesundheit der Gesellschaft und ihrer einzelnen Individuen.

Autor:innen: Antonia Hähne, Theodor Koch, Linda Mattick und Clara Richter

Quellen

Internetquellen

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Gahleitner, Silke Birgitta/Helmut Pauls (2019): Klinische Sozialarbeit,
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Liefländer, Jette (2019): Krankenhaussozialarbeit in Bezug auf das Entlassmanagement palliativer
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Mostisch, Brigitte-Karina (2011): Klinische Sozialarbeit und Soziale Arbeit im, Krankenhaus -
Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Bachelorarbeit,
https://hses.bszbw.de/frontdoor/deliver/index/docId/92/file/Klinische_Sozialarbeit_und_Soziale_Arb
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Literaturquellen

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Gödecker-Geenen, Norbert: Krankenhäuser: Sozialarbeit unverzichtbar. In: Deutsches Ärzteblatt
97(41): A-2674 / B-2280 / C-2144, 2000

Herriger, Norbert: Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung, 5. Auflage, Stuttgart 2014

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2.1.4 Einführung in die Schulsozialarbeit

Zu vielen Anlässen wird vom Bundesjugendkuratorium die Wichtigkeit ganzheitlicher Bildung betont.
Aber wie können diese Worte in die Realität umgesetzt werden? Das Werkzeug der Wahl heißt
Schulsozialarbeit – eine Symbiose aus Jugendhilfe und dem Lernort Schule. Im Folgenden soll ein
Einblick zum Thema Schulsozialarbeit geleistet werden.

Historische Entwicklung

Seit Anfang der 70er Jahre existiert in Deutschland das Arbeitsfeld Schulsozialarbeit. Doch sind
Ansätze ihrer Entwicklung bereits früher erkennbar? Und wie entwickelte sie sich ab 1970 weiter?

Als eine der ersten Vorläufer der Schulsozialarbeit gelten die Armen- und Industrieschulen im 18.
Jahrhundert, in denen Unterricht für von Verwahrlosung und Deklassierung bedrohte Kinder und
Jugendliche stattfand. Später gab es auch die sogenannte Schulkinderfürsorge ab 1870, zu welcher u.
a. Schulspeisungen, Ferienkolonien, Erholungsheime, Horte und die Schulgesundheitspflege zählten.
Ein weiterer Vorläufer der Schulsozialarbeit ist die im Rahmen einer Einheitsfürsorge 1907 eingeführte
Schulpflege, die aus gesundheitlicher, sozialer und erzieherischer Sicht die Schülerinnen und Schüler
unterstützen, als Vermittlerin zwischen Elternhaus, Schule, Schularzt und Jugendamt agieren, die
Schädlichkeit des Alkoholgenusses für Kinder betonen und unregelmäßige Schulbesuche verhindern
sollte. Die Hamburger Schülerhilfe der 1930er ist in diesem Zuge ebenfalls nennenswert, da ihre
Aufgabe darin bestand, dass berufsschulpflichtige Jugendliche ihrer Schulpflicht nachkamen.

Kritiker teilen die Ansicht einer so frühen Entwicklung der Schulsozialarbeit allerdings nicht, da sie der
Meinung sind, dass Schule und Sozialpädagogik sich unabhängig voneinander entwickelt haben. Dass
das Defizit einer strikten Trennung von Schule und Sozialpädagogik jedoch bereits erkannt wurde,
sieht man an der Reichsschulkonferenz 1920, bei welcher eben dies beklagt wurde, woraufhin aber
keine konkreten Maßnahmen folgten.

Schließlich kam es im Jahr 1966 zur Geburtsstunde der heutigen Schulsozialarbeit in Deutschland.
Diese geht auf einen wenig bekannten Buchbeitrag von Maas zur amerikanischen “School social work”
zurück. Aufgegriffen wurde dieser Beitrag 1971 von Abels und in seinem vielfach zitierten Artikel
“Schulsozialarbeit- Ein Beitrag zum Ausgleich von Sozialisationsdefiziten”, erschienen in der
Fachzeitschrift “Soziale Welt”, eingearbeitet. So gelang es, dass sich die Schulsozialarbeit in den
1970er Jahren zu etablieren begann. Dies geschah im Zuge von Diskussionen über Veränderungen im
Schulwesen und aus sich wandelnden Herausforderungen an die öffentliche Bildung und Erziehung
heraus.

In den 1980er Jahren folgte eine Neubestimmung bildungspolitischer Prioritäten, wodurch es zu
Einschränkungen öffentlicher Förderungen von Projekten zur Schulsozialarbeit und daraus folgend zu
einer Stagnation der Schulsozialarbeit kam. Trotzdem gelang es, dass sich eine Vielzahl von
Fortbildungs-, Forschungs- und Publikationslandschaften zur Schulsozialarbeit entwickeln konnte.

In den 1990er Jahren gab es dann einen deutlichen Ausbau der Schulsozialarbeit aufgrund der
Zunahme verhaltensauffälliger Jugendlicher und der gesellschaftlichen Transformationsprozesse
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durch die Wiedervereinigung. Gefördert wurde dies durch konzeptionelle Debatten, Landesprogramme
und die gegenseitige Annäherung von Schule und Jugendhilfe.

Auf diese Weise entstand die Schulsozialarbeit, wie sie heute an vielen Orten besteht. Aber was genau
versteht man unter Schulsozialarbeit? Im nächsten Abschnitt wird dazu ein Definitionsversuch
vorgenommen.

Was ist Schulsozialarbeit? – Definitionsversuch

Warum ein Definitionsversuch? Gibt es etwa keine festgelegte Definition von Schulsozialarbeit? Nein,
der Begriff der Schulsozialarbeit lässt sich nicht genau definieren, denn seit der Entstehung ab 1970
gab es eine stetige Entwicklung des Begriffs. Wer sich allerdings mit der Bezeichnung
auseinandersetzt, der kommt an dem amerikanischen Begriff „school Social work“ nicht vorbei. Bereits
1906 hat erstmals in Boston eine Schulsozialarbeit stattgefunden, welche heute in den USA voll und
ganz etabliert ist. Das Land hat damit eine Vorreiterrolle für die Schulsozialarbeit eingenommen.

1906 wurde von Henry Maas in seinem Buch „Für die soziale Einzelfallhilfe grundlegende Begriffe“
(Henry Maas 1906) eine erste Definition für die Schulsozialarbeit in Deutschland veröffentlicht und
Schulsozialarbeit als Begriff etabliert. Obwohl die Bezeichnung der Schulsozialarbeit in Deutschland
seitdem ein weit verbreiteter Begriff ist und auch in den meisten Publikationen verwendet wird, kommt
es auch häufig zu anderen Begrifflichkeiten wie Sozialarbeit an Schulen, sozialpädagogisches Handeln
an Schulen oder schulbezogene Jugendsozialarbeit. Grund für so eine große Begriffsvielfalt ist eine
fehlende Erwähnung der Schulsozialarbeit im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII). Die Vielfalt
erschwert zudem auch den wissenschaftlichen Austausch zum Arbeitsfeld Schulsozialarbeit. Denkt
man an die Zukunft, wäre ein einheitlicher Begriff eine Bereicherung für die Weiterentwicklung und für
das Verständnis des Arbeitsfeldes.

Trotz aller Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Begriff existiert eine weit verbreitete Definition
nach Karsten Speck: “Unter Schulsozialarbeit wird im Folgenden ein Angebot der Jugendhilfe
verstanden, bei dem sozialpädagogische Fachkräfte kontinuierlich am Ort Schule tätig sind und mit
Lehrkräften auf einer verbindlich vereinbarten und gleichberechtigten Basis zusammenarbeiten, um
junge Menschen in ihrer individuellen , sozialen, schulischen, und beruflichen Entwicklung zu fördern,
dazu beizutragen, Bildungsbenachteiligungen zu vermeiden und abzubauen, Erziehungsberechtigte
und Lehrer:innen bei der Erziehung und dem erzieherischem Kinder- und Jugendschutz zu beraten und
zu unterstützen sowie zu einer schülerfreundlichen Umwelt beizutragen. Zu den sozialpädagogischen
Angeboten und Hilfen der Schulsozialarbeit gehören insbesondere die Beratung und Begleitung von
einzelnen Schüler:innen, die sozialpädagogische Gruppenarbeit, die Zusammenarbeit mit und Beratung
der Lehrer:innen und Erziehungsberechtigten, offene Gesprächs- , Kontakt- und Freizeitangebote, die
Mitwirkung in Unterrichtsprojekten und in schulischen Gremien sowie die Kooperation und Vernetzung
mit dem Gemeinwesen“ [Speck 2007, 28f.].

Im folgenden Abschnitt wird nun aufbauend auf die Definition darauf eingegangen, weshalb es
Schulsozialarbeit überhaupt braucht.

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