In Kontakt bleiben FÜR MITARBEITENDE - EKKW
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2–2020 FÜR MITARBEITENDE In Kontakt bleiben Foto: medio.tv/Schauderna MIT BOOKLET IM HEFT: Spirituelle Orte in Kurhessen-Waldeck II
INHALT | EDITORIAL Inhalt Liebe Leserinnen, liebe Leser, THEMA im Durchschnitt 88 Mal am Tag Foto: medio.tv/Schauderna 4 Von Kontaktflächen und vom Strom schauen junge Menschen auf ihr Han- 5 „Tiny Church” für die Kirche unterwegs dy, checken Nachrichten, senden Bilder, telefonieren, navigieren, hören Musik. 6 Kontakte knüpfen: Menschen & Ideen: Egal, ob diese bereits 2017 verbreitete 6 Wohnzimmer-Gottesdienste Zahl tatsächlich stimmt oder übertrie- 6 Vom Altar an den Tresen und wieder zurück ben ist, die meisten Smartphone-Nutzer – junge und auch ältere – betreiben mit 7 Wenn Eltern von ihren Kindern lernen Hilfe ihres Handys ziemlich intensiv Be- 7 AAA-Gottesdienste in Fulda ziehungspflege. Was es heißt, mit ande- 8 Vom Glück einer offenen Kirche ren in Kontakt zu bleiben, wissen sie also am besten. In der digitalen Welt klappt es mit der Kommunikation. Das 9 Drei Fragen an Nina Wetekam gelingt in der analogen Kirchenwelt immer weniger: Die Gemein- 9 BOOKLET IM HEFT: de, einst ein gut funktionierendes Standard-Netzwerk für Bezie- Spirituelle Orte in Kurhessen-Waldeck II hungen, verliert mitunter den Draht zu ihren weniger werdenden 10 Es tut gut, wenn jemand zu Besuch kommt Mitgliedern. Wie kann die Kirche in Zeiten zunehmender Konfes- sionslosigkeit neue Verbindungen knüpfen und noch existierende 11 Missionale Kirche sein – wie geht das? Bindungen stärken? Wer die ermutigenden Beispiele in diesem 12 Mit Ausgetretenen im Gespräch bleiben Heft zur Kenntnis nimmt, sieht: Die Kontaktflächen sind da, man 13 Berührungspunkte finden muss sie nur nutzen. Über offene Kirchen, unkonventionelle Aktio- nen, missionale Initiativen schaffen es haupt- und ehrenamtliche 14 Kirche im Prozess denken Mitarbeitende in der EKKW, immer wieder mit Distanzierten über 14 Drei Fragen an Dr. Insa Rohrschneider Lebens- und Glaubensfragen zu kommunizieren und im Dialog voneinander zu lernen. Die größte Gruppe der Ehrenamtlichen in unserer Landeskir- KIRCHENVORSTAND che sind die Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher. Vier von 6.000 KV-Mitgliedern, die im letzten Herbst neu ins Amt 16 blick-Redaktionsgespräch: gewählt wurden, trafen sich zum blick-Redaktionsgespräch mit „Jetzt Weichen für die Zukunft stellen” Bischöfin Dr. Beate Hofmann. Einig war sich die Runde in der Er- 20 Gemeinsam etwas bewegen im KV kenntnis: Jetzt müssen viele Weichen neu gestellt werden. Neu ist auch unser Booklet, das Sie als Beigabe auf Seite 9 in dieser blick-Ausgabe finden: „Spirituelle Orte in Kurhessen-Wal- LANDESKIRCHE deck II” ist der Titel des Heftchens, das dazu ermuntern will, mit besonderen Kirchen sowie Kultur- und Naturorten in der Region 22 Wo der Schulweg lebensgefährlich ist in Kontakt zu bleiben. 23 Fördergeld aus dem Kirchenerhaltungsfonds Lothar Simmank 24 Im Auftrag der Opfer sexualisierter Gewalt Redakteur blick in die kirche 25 Schwalm-Eder – der größte Kirchenkreis 26 EB-Nachhaltigkeitspreis 27 Von Personen Unser Titelfoto entstand wenige Tage, nachdem Elisabeth Grebe in SERVICE der Christuskirche in Kassel-Wilhelmshöhe getauft worden war. Für ihre Mutter Nina Grebe (34) war das der Anlass, wieder in die Kirche 28 Termine / Kirchenmusik einzutreten, der sie 2013 den Rücken gekehrt hatte. Ihre Kindheit und Jugend hat sie in Melsungen verbracht und wusste dort die 30 Kirche im Radio kirchliche Kinder- und Jugendarbeit zu schätzen. „Ich habe gesehen, 31 Neue Bücher da wird etwas speziell für mich gemacht.“ Diese Erfahrung wolle sie 32 Kurhessischer Medienpreis auch Elisabeth ermöglichen. Das von Fotograf Christian Schauderna aufgenommene Bild zeigt die Eltern Nina und Christian Grebe im Ge- 32 „7 Wochen ohne” und Klimafasten spräch mit Pfarrer Jan-Daniel Setzer, der Elisabeth getauft hat. 2 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2020
UMFRAGE | IMPRESSUM Wie erreicht die Kirche heute Menschen? Foto: privat Foto: privat Foto: privat Foto: privat Schülerinnen und Schülern Über 500 Menschen haben Wieso nicht dahin gehen, „Liebe Frau Pfarrerin, Sie wis- steht die Welt offen, und sie im vergangenen Jahr die Aus- wo die Menschen auch sonst sen, dass ich nicht in der Kir- wollen ihr via Internet oder stellung der Bibelgesellschaft sind, wenn umgekehrt die che bin, aber ich nähere mich auf Reisen begegnen. Das zur „Welt der biblischen Bäu- Kirchenbänke leer bleiben? Ihnen an, deshalb bin ich heu- Bewusstsein für Freiheit und me, Früchte und Düfte“ in der Das war die Idee von „Church te hier ...“ So der O-Ton eines Verantwortung fehlt ihnen Kasseler Kreuzkirche besucht: goes Pub” in Rotenburg. Wir Nicht-Gemeindemitglieds, dabei nicht, sie setzen sich Kräuterkundige, Gartenlieb- erleben an diesen Kneipen- dessen Frau letztes Jahr ein- gern für ihre Anliegen ein. haberinnen, Bibelkenner, Pä- abenden einmal im Quartal, getreten ist, in der Kirchentür Ein gutes Beispiel ist #Fri- dagoginnen haben sich über dass Menschen Fragen an das vor dem Gottesdienst. Auch daysForFuture. Freiheit und alles gefreut, was für sie neu Leben und an Gott haben, sie andere, die man vorher nie in Verantwortung müssen daher war, zum ersten Mal Narde wollen wissen, was Christsein der Kirche sah, kommen jetzt bei der Schülerarbeit bedacht gerochen, Myrrheharz ge- bedeutet. In persönlichen Le- öfter. Der Grund: Sie haben werden: Sie wollen nicht nur sehen oder etwas über die bensgeschichten finden sie an einer Gemeindefahrt nach Teilnehmende sein, sondern antike Weihrauchstraße er- Antworten auf eigene Fragen Siebenbürgen teilgenommen, sich als selbstwirksam und frei fahren. Viele haben über die und erfahren, dass Glaube bei der wir unser Projekt Kin- erleben. Gleichzeitig brauchen Erdverbundenheit der Bibel nicht nur der Glaube an eine derhospiz Hermannstadt be- sie auch Hilfe und Rückhalt. gestaunt. Bildungs- und kul- Institution ist, sondern etwas suchten. Das hat alle gleicher- Sonst überfordert die Freiheit turinteressierte Menschen ha- mit einer persönlichen Bezie- maßen berührt. Zusammen und erdrückt die Verantwor- ben wir erreicht. Und solche, hung zu Gott zu tun hat. Und haben wir einen Weihnachts- tung. Kontakt mit Jugendli- die über den Gottesdienst hi- das mitten in der Kneipe, mit basar im Dorf auf die Beine chen gelingt der Kirche immer naus hungrig sind auf kirchli- Livemusik von einer Band und gestellt, an dessen Vorberei- dann, wenn hier die Mischung che Veranstaltungen, die ihre Geschichten aus dem Leben, tung sich auch die Distanzier- stimmt. religiöse Identität stärken. die das Herz berühren. ten beteiligt haben. Philipp Ruess (33), Pfarrer Dr. Heike Radeck (56), Thomas Sackmann (46), Sandra Niemann (54), für Schülerarbeit im Dezernat Pfarrerin und Beauftragte für Theologe, Coach, Fotograf und Pfarrerin der ev.-luth. Kirchen- Bildung der EKKW, Kassel bibelgesellschaftliche Arbeit, Mitbegründer von „Church gemeinde Goßfelden/Sarnau Homberg/E. goes Pub” in Rotenburg/F. IMPRESSUM blick in die kirche erscheint sechsmal jährlich und Redaktion: Anschrift: wird an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen Lothar Simmank (Leitung) Heinrich-Wimmer-Straße 4 und Mitarbeiter der Landeskirche kostenlos verteilt. Telefon 0561 9307-127 34131 Kassel-Bad Wilhelmshöhe Olaf Dellit redaktion@blickindiekirche.de Direkt-Abonnement: Telefon 0561 9307-132 www.blickindiekirche.de 12,50 Euro pro Jahr inklusive Zustellkosten Redaktionsbüro / Anzeigen: Gestaltung: Lothar Simmank, Olaf Dellit Herausgeber: Andrea Langensiepen Layout-Konzept: Liebchen+Liebchen, Frankfurt am Main Landeskirchenamt der Evangelischen Telefon 0561 9307-152 Herstellung: Bonifatius GmbH, Paderborn Kirche von Kurhessen-Waldeck Daniela Denzin Auflage: 17.700 Exemplare Pfarrerin Petra Schwermann Telefon 0561 9307-128 Wilhelmshöher Allee 330 Fax 0561 9307-155 Mehr Informationen über die Evangelische Kirche 34131 Kassel-Bad Wilhelmshöhe von Kurhessen-Waldeck unter www.ekkw.de blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2020 3
THEMA Von Kontaktflächen und vom Strom Wie gehen wir mit religiös indifferenten Menschen um, fragt Pfarrer Reinhard Brand, Leiter des landeskirchlichen Referats Gemeindeentwicklung und Missionarische Dienste E s gibt sie noch, die Unerreichbaren. kirche unterscheidet dabei vier Gruppen che gute Beispiele zusammen. Etwas zu- Zumindest habe ich auf einer Reise von „Konfessionslosen“: Da gibt es die rückhaltender ist hier Bischöfin Dr. Beate nach Indonesien von ihnen erfahren: Gruppe der Atheisten, die gegen alles Re- Hofmann. Es geht ihr weniger darum, aus Menschen, die in schwer zugänglichen ligiöse und Kirchliche offensiv auftreten. den Kontaktflächen eine Aufgabenliste zu Siedlungen im Urwald leben. Während Areligiöse Menschen interessieren sich da- entwickeln und abzuarbeiten, als vielmehr die „Claims“ zwischen Muslimen und Chris- gegen weder für Kirche noch für Religion. darum, „Kirche-Sein neu von unseren Auf- ten in diesem größten muslimischen Land Keine große Bedeutung hat der Glaube gaben her zu denken und von daher kirch- weitgehend abgesteckt sind, fallen die Ur- im Leben religiös indifferenter Menschen. liche Arbeit zu gestalten“. In ihrem Bericht waldbewohner durch alle Raster. Sie gel- Ohne kirchliche Bindung, doch mit einem vor der Landessynode (www.ekkw.de/ ten Christen und Muslimen gleichermaßen eigenen religiösen und spirituellen Selbst- media_ekkw/downloads/syn1902_be- als „unreached people”, als Menschen, die verständnis leben individuell Religiöse. richt_bischoefin.pdf) hat Beate Hofmann von der Botschaft der Bibel oder des Koran Bonhoeffers Wort, „die Kirche ist nur Kir- bislang noch unerreicht sind. Um sie wett- Kontaktflächen schaffen che, wenn sie für andere da ist“, kritisch eifern Missionare beider Religionen. Auf die beiden letztgenannten Grup- aufgegriffen: „Dahinter steckt immer noch Schaut man sich die konfessionel- pen möchte unsere Landeskirche zukünftig ein Innen-außen-Denken. Doch Kirche von le Landschaft in Deutschland an, muss ihr Handeln verstärkt ausrichten. Manche der Gnade her gedacht, kann immer nur man von einer stetig zunehmenden Zahl sprechen in diesem Zusammenhang da- Kirche mit anderen sein.“ Das aber kann von Menschen sprechen, die von der Bot- von, Kontaktflächen zu identifizieren, sie nicht ohne Folgen bleiben für die besonde- schaft der Bibel und den christlichen nötigenfalls neu zu schaffen und sie dann re Hinwendung unserer Kirche zu religiös Kirchen nicht mehr erreicht werden. Aus zu nutzen, damit Menschen der Frohen indifferenten Menschen und zu Menschen, kirchlicher Sicht gelten sie unabhängig Botschaft begegnen können. die ihre Religiosität auf sehr individuelle von Taufe und Kirchenzugehörigkeit in Das Arbeitspapier der Bildungskam- Weise leben. unterschiedlicher Weise als „konfessions- mer „Verbindungen knüpfen – Bindungen Für den Umgang mit religiös indif- los“. Die Bildungskammer unserer Landes- stärken“ (s. Seite 13) trägt dafür zahlrei- ferenten Menschen bedeutet dies zum 4 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2020
THEMA »Es ist überall die gleiche Grundhaltung: Menschen wollen wahr- und ernst genommen werden, und sie wollen vorkommen.« Illustration: Tischlerei Bock Beispiel, sie nicht als „Heiligabend- Gemeinde selbst in der Auslegung Christen“ zu diffamieren, sondern eines Predigttextes zu Wort kommen sich mit Freude, Liebe und viel Fan- zu lassen. Mini-Kirche: Der Entwurf für die „Tiny tasie darauf einzulassen, dass so vie- Schauen wir auf die, die unsere Church”, allerdings noch ohne Räder le Menschen in den Gottesdiensten kirchlichen Räume nutzen: Vielfach an Heiligabend ihre Zustimmung zur wird zwischen kirchlichen und nicht- Kirche und ihr Interesse am Evange- lium und seiner Darstellung neu kirchlichen Gruppen unterschieden. Was änderte sich, betrachteten wir Kirche unterwegs konstituieren. Es soll schließlich für auch Letztere als Teil unserer Kirche: ein ganzes Jahr halten – so wie der die als Elterninitiative gegründete Traugottdienst für ein ganzes Leben. Krabbelgruppe, den freien Chor, den I Sprachkurs für geflüchtete Menschen m Urlaub nehmen sich viele Menschen Religiös auf eigene Weise im Begegnungscafé? Es ist überall Zeit für die Kirche, die das sonst selten Als Pfarrer wundere ich mich die gleiche Grundhaltung, in die wir tun. Sie sind zu Gast bei „Kirche unter- manchmal, was manche Menschen, uns einüben: Menschen wollen wahr- wegs“, deren größter Standort in Kurhes- denen ich begegne, so alles glauben, und ernst genommen werden, und sen-Waldeck am Edersee auf der Halbinsel und bin mir sicher, das nie und nim- sie wollen vorkommen. Scheid ist. Die Statistik, die Peter Dietrich mer gepredigt oder auf andere Weise erstellen ließ, macht das deutlich: So sag- weitergegeben zu haben. Wollen wir Wechselstrom statt Gleichstrom ten 25,9 Prozent der Besucher dort, sie Kirche mit anderen sein, werde ich In der Aussprache zum Bericht würden sonst selten zum Gottesdienst ge- den Umgang mit Menschen, die auf der Bischöfin mahnte ein Mitglied hen, 13,3 Prozent sogar nie. ganz eigene Weise religiös sind, im- der Landessynode an, dass es bei Im Jahr 2020 gibt es diese Form von mer wieder neu lernen müssen. Das allen Kontaktflächen doch darauf Kirche seit einem halben Jahrhundert. Am Wichtigste dabei ist, ein ehrliches ankomme, „dass Strom fließe“. Das Edersee kommt etwas Neues hinzu: eine Interesse zu entwickeln. Und das ist richtig. Doch – um im Bild zu blei- Mini-Kirche („Tiny Church“), die neben dem geht nur durch intensives Zuhören ben – fließt in einer Kirche, die sich angestammten Zirkuszelt stehen soll. Au- und Raumgeben. Viele haben sich als Kirche mit anderen versteht, kein ßerdem soll der Spatenstich für den Neu- hier schon auf den Weg gemacht, la- Gleichstrom, sondern Wechselstrom. bau erfolgen, der 2021 fertig werden soll den alle Kinder eines Jahrgangs und Oder anders ausgedrückt: Es gibt und Gottesdienstraum, Café mit Terrasse nicht nur diejenigen mit einem evan- keine „unreached people” – in Indo- und weitere Räume (unter anderem Unter- gelischen Elternteil zum Konfirman- nesien nicht und nicht bei uns. Denn künfte für ehrenamtliche Mitarbeiter, die denunterricht ein, freuen sich über Gott ist uns selbst und auch uns als übrigens immer gesucht werden) umfassen neue Lieder in Gottesdiensten und Kirche immer schon voraus. Und es wird. über die zu Trauungen oder Beerdi- ist eine wunderbare Aufgabe, ihn an An den Feiertagen ab Ostern sowie gungen selbst mitgebrachten. ganz unerwarteten Stellen zu entde- täglich in den Sommerferien werden Got- Könnte dies nicht noch weiter cken. l tesdienste, Konzerte, Gute-Nacht-Geschich- gehen? Im Fürbittengebet öffnet Reinhard Brand ten, Kinderkino und mehr angeboten. Vor sich die Gottesdienstgemeinde weit allem aber weist Dietrich auf den Kirchen- und tief in die Welt hinein, heißt es. kiosk und später im Neubau einen Treff- Doch in aller Regel bringen Liturg punkt hin, wo jeder willkommen ist. Jeder Foto: medio.tv/Schauderna und Liturgin längst vorformulierte könne selbst über Abstand und Nähe ent- Bitten vor Gott. Ließen sich aktuelle scheiden. So gebe es auch Besucher, die Gebetsanliegen nicht auch bei Be- den Gottesdienst im (offenen) Zirkuszelt gegnungen in der Woche oder im lieber aus einigem Abstand beobachten Gottesdienst selbst zusammentra- und doch dabei sind. l Olaf Dellit gen? Und der Bibliolog ist eine wun- kircheunterwegs.lka@ekkw.de derbare Form, die gottesdienstliche www.kunterwegs.de blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2020 5
Kontakte knüpfen THEMA Menschen „Ich ziehe sogar die Schuhe aus” & Ideen W ohnzimmergottes- er selbst hat bereits viel Räumen einen Gottesdienst hätten, und dienste – auch Erfahrung mit unge- zuletzt Einzelpersonen, die der Pfarrer gar bei Ihnen zu wöhnlichen Gottes- nicht kennt. Hause? Pfarrer Ax- dienst-Formen. Er Nur zwei konnten gewinnen, aber mann startet neues ist City -Pfarrer wer? Axmann sortierte zunächst jene In- Projekt und verlost in einem großen teressenten aus, deren Terminwünsche er sich selber!“ So hat- Te a m , d e s s e n nicht würde erfüllen können, beispielswei- te der 51-jährige „Tankstelle am se weil er auf Konfirmandenfahrt ist, oder Foto: privat Hanauer Pfarrer ge- Abend“-Gottes- jene, die zu weit außerhalb wohnten – das worben, auf Facebook dienste seit Jahren Ganze solle praktikabel bleiben. Dennoch und im Gemeindebrief; stetig mehr Zulauf blieben viele „sehr unterschiedliche Le- bis Januar 2020 lief die haben. Moderne For- bensthemen“ dabei. Allen Bewebern ge- Bewerbungsfrist für men zögen eine meinsam ist der Wunsch, „individuell vor dieses Format, bei Pfarrer Stefan Axmann aus Hanau verlost andere Klientel Gott zu sein und gesegnet zu werden“, sei dem besonders jene sich selbst für Wohnzimmer-Gottesdienste an und seien eine es als Schulklasse, Familie oder Freundes- Menschen angespro- „tolle Sache“, bei kreis. Zwei hat Axmann ausgewählt, ver- chen werden sollten, die klassische Sonn- der man gut ins Gespräch kommen kön- einbart nun mit ihnen das Wann, Wie und tagmorgen-Gottesdienste nicht besuchen ne. Die Stunde „Essen und Trinken“ nach Wo und freut sich auf neue Erfahrungen. wollen oder können. Talar oder Anzug, dem Gottesdienst sei dabei genauso wich- Vor den Sommerferien soll die nächs- Stammkneipe oder zu Hause, klassisch, tig wie die Feier selbst. te Runde starten. Dann, so die Idee, ließe meditativ oder modern – alles wäre mög- Und das neue Projekt? 19 Einsendun- sich ein Gottesdienst zum Beispiel auch lich. „Wenn gewünscht, ziehe ich sogar die gen gab es, neben viel Lob auf Facebook. in einer Gartenhütte abhalten. Die kleine Schuhe aus“, so hatte es locker in der Aus- Die Bewerber ließen sich in drei Gruppen private Gottesdienstfeier – für Stefan Ax- schreibung geheißen. einteilen: Menschen, die Axmann mehr mann etwas Uraltes. Schließlich versam- Stefan Axmann hat sich die Idee von oder weniger gut kennt; Firmen oder melten sich so schon die ersten Christen Kollegen in Bamberg abgeguckt. Auch Gruppen und Vereine, die gern in ihren vor 2.000 Jahren. l Anne-Kathrin Stöber Vom Altar an den Tresen und wieder zurück W enn man ehr- sätze spendete der Wirt arbeiten kann. Und anstrengend seien die lich ist, ging einen Betrag, hinzu Schichten zweimal im Monat wahrhaftig es Pfarrerin kam das Trinkgeld. gewesen, ein richtiges „Fitnessprogramm“ . Kerstin Grenzebach In einem Jahr, so Im Laufe der Zeit habe sich ihre Rolle anfangs nur ums lange war das verändert. Am Tisch oder über den Tresen Geld. In ihrer Kir- Projekt angelegt, sei es zu vielen Begegnungen gekommen, Foto: Brehl chengemeinde Voll- kamen mehr als auch mit Menschen, die der Kirche den Rü- Foto: Pia Malmus marshausen finan- 2.500 Euro in die cken gekehrt haben – auch sie hätten ihr ziert ein Förderkreis Spendenkasse. Engagement wertgeschätzt. die Personalkosten Das Geld war das Lange Gespräche seien es nicht gewe- der Kinder- und Jugend- eine, vor allem aber sen, schließlich habe sie bedienen müssen, arbeit – da sind Spenden- entwickelte sich eine und doch sei sie heute viel dichter an den projekte immer ge- besondere Bezie- Menschen dran als früher. Missionierung Kontakte in der Kneipe: fragt. Außerdem ist hung zwischen sei nicht das Ziel gewesen, sagt Grenze- Pfarrerin Kerstin Grenzebach Grenzebach, wie sie Pfarrerin und bach, aber sie glaube, dass sie Menschen sagt, neugierig und immer auf der Suche Kneipengästen. Anfangs habe noch eine den Weg in die Gemeinde geebnet habe nach neuen Wegen. Als sie im Gespräch gewisse Skepsis geherrscht, erzählt Gren- – auch durch einen Rollenwechsel: „Das mit Dirk Schmidt, der die einzige Kneipe zebach, ob sie beispielsweise überwache, Geheimnis ist, dass für viele die Pfarrerin im Ort – die „Jukeboxx“ – betreibt, erwähn- wie viel Alkohol jemand trinke. Doch das zur Kerstin wurde.“ Die Kellnerin, die aber te, sie habe schon immer mal kellnern wol- wich schnell dem Respekt dafür, dass die auch ansprechbar ist, wenn sie als Pfarre- len, zögerte der nicht lange. Für ihre Ein- Pfarrerin auch „richtig“ – also körperlich – rin gebraucht wird. l Olaf Dellit 6 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2020
Foto: medio.tv/Dellit THEMA Wenn Eltern von ihren Kindern lernen B ei Familie Schaumlöffel zu Hause wird manchmal Gottesdienst gefei- ert. Lea baut dafür ihre Puppen auf und verteilt Rollen auch an ihre Eltern. Dass ein Mädchen von dreieinhalb Jahren auf diese Idee kommt, ist ein sichtbarer Beleg dafür, wie wichtig evangelische Kin- Im Gespräch: Kita-Leiterin Dorothee Schäfer (links) tauscht sich mit dertagesstätten als Kontaktflächen zu den den Müttern Karoline Schaumlöffel und Ann-Cathrin Eisenbeiß aus Familien sind. Es sei ihr schon wichtig gewesen, eine beiß. Ihr Mann sei nicht Mitglied, aber line Schaumlöffel festgestellt, würden die evangelische Kita wie die Kinderarche in über eine befreundete Pfarrerin habe es Traditionen nicht mehr kennen oder nicht Fritzlar auszusuchen, sagt Leas Mutter Ka- Kontakt gegeben. So wurde Tochter Carla respektieren und auf ihre Handys starren. roline Schaumlöffel. Aber dass ihre Toch- getauft und soll sich zur Konfirmation ent- Doch sie können es lernen – durch ihre ter sie dazu bringt, nicht nur Gottesdienst scheiden, ob sie in der Kirche bleiben will. Kinder, also letztendlich durch die evan- zu spielen, sondern auch am Sonntag in Das evangelische Profil der Kinderar- gelische Kindertagesstätte. die Kirche zu gehen, hätte sie wohl bei che wird jeden Tag deutlich, beschreibt Lei- Auch die Mütter von Carla und Lea der Anmeldung nicht gedacht. So ist es terin Dorothee Schäfer. Ob beim gemein- erleben, wie ihre Töchter Kirchenräume aber gekommen, denn viermal im Jahr samen Stuhlkreis aller Kinder am Montag entdecken, von der Musik, den knarren- wird in Fritzlar ein Mini-Gottesdienst für oder in der Andacht zum Wochenschluss, den Bänken und dem Steinfußboden fas- die Jüngsten gefeiert – und da kommen ob durch Gebete oder Lieder. Und natür- ziniert sind. Und wie sie Traditionen mit Eltern meist mit. lich spielen die Feste eine große Rolle: nach Hause bringen und auch schon mal Von einer Wiederannäherung an die Ostern, Weihnachten, Erntedank, Martins- ein Tischgebet einfordern. l Kirche berichtet auch Ann-Cathrin Eisen- umzug und andere. Viele Eltern, hat Karo- Olaf Dellit Ausschlafen, aufatmen, aufeinander zugehen W ie lockt man gemütliche Familien- predigt werden, sondern suchen den Di- Menschen in frühstück zu Hause. alog“, weiß Bürger. Jeder AAAndere Got- die Kirche, Auf die klassi- tesdienst steht unter einem besonderen die mit einem klassi- sche Liturgie ver- Motto. Derzeit gibt es vier ehrenamtliche schen Gottesdienst zichtet Pfarrer Moderatoren, die dazu im Wechsel eigen- wenig anf angen Stefan Bürger ständig ihre Texte schreiben sowie Videos Foto: Brehl können? In Fulda ( 51 ) b ew u s s t . und PowerPoint-Präsentationen vorberei- hat man eine Ant- Wer selten oder ten. „Jedes Teammitglied bringt frischen wort gefunden. Seit gar nicht in den Wind rein. Während einer schon tief ins 2006 besuchen über Gottesdienst ge- Thema einsteigt, lockert der andere mit ei- 100 Menschen die „AA- he, kenne die Texte ner Geschichte auf. Oft denken sie in ganz Anderen Gottesdienste” in oft ohnehin nicht. Sein anderen Bahnen als ich“, freut sich Bürger. der Kreuzkirche. Ein- Ansatz: Bei den Der Pfarrer tritt eher am Rande in Er- Pfarrer Stefan Bürger gestaltet mit seinem mal im Monat kom- AAAnderen Got- scheinung und hebt sich auch optisch Team in Fulda „AAAndere Gottesdienste” men aus diesem An- tesdiensten soll nicht von den anderen Akteuren ab. Be- lass drei- bis viermal mehr Besucher als jeder, der möchte, aktiv mitmachen. Zu- wusst trägt er keinen Talar. In jedem zwei- sonst. AAA steht für „Ausschlafen, Aufat- letzt konnte man zum Beispiel im Gottes- ten Gottesdienst werden als besonderes men, Aufeinander zugehen“. Statt Orgel- dienst auch live via Smartphone Fragen spirituelles Element persönliche Segnun- musik spielt eine Band moderne geistliche zur Predigt stellen, die dann von einem gen angeboten. Die Balance zwischen Lo- Lieder und Popsongs. Der spätere Beginn Beamer an die Wand geworfen wurden. ckerheit und Tiefgang gilt es zu wahren. l sonntags um 11 Uhr lässt Raum für das „Die Menschen wollen nicht mehr ange- Jens Brehl blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2020 7
THEMA Die Tür steht offen: Pfarrer Thomas Lux und Kirchenvorsteherin Irm- gard Schwalm in Nausis Foto: medio.tv/Dellit Vom Glück einer offenen Kirche In Nausis in der Schwalm sorgt ein ehrenamtlicher Schließdienst dafür, dass die Pforten der Dorfkirche am Radweg durchs Rotkäppchenland regelmäßig offen stehen W as ist Glück? Diese Frage hat ei- Ein Team aus dem Dorf sorgt dafür, wahrnehmen. Kirchenvorstandsvorsitzen- ne Besucherin in das Gästebuch dass die Kirche morgens auf- und abends de Irmgard Schwalm, die direkt neben der der Kirche in Neukirchen-Nausis abgeschlossen wird: der Schließdienst. Da- Kirche wohnt, bestätigt das. Sie hat beob- geschrieben und auch beantwortet. Für sie für, berichtet Pfarrer Lux, habe man extra achtet, wie Menschen, die Sorgen haben, war es Glück, nach einer Wanderung, bei Menschen gesucht, die nicht schon im Kir- diese in die Kirche tragen. der sie sich verlaufen hatte und unter der chenvorstand aktiv sind, sondern neue Eh- Befürchtungen aus der Anfangszeit, Hitze litt, in Nausis Kaffee und Nussecken renamtliche, die sonst mit der Gemeinde dass etwas beschädigt werden könnte, angeboten zu bekommen und eine geöff- und zum Teil auch mit dem Dorf wenig zu haben sich nicht bestätigt. Vielmehr, so nete Kirche vorzufinden. tun hätten. Das sei auch gelungen, für je- Lux, gingen auch Kinder respektvoll mit Genau so soll es auch sein, sagt Pfarrer den Tag gibt es eine Schlüsselperson, dazu der Kirche um. Und manchmal sogar mit Thomas Lux, der für das Dörfchen in der eine Vertretung. Stolz: Als die frühere Prälatin Marita Natt Schwalm zuständig ist: „Wenn Menschen Zur Saisoneröffnung, in Nausis mit und ihr Mann die Kirche besichtigen woll- Kontakt zu uns haben, sollen sie Gast- der Uhrenumstellung auf die Sommerzeit, ten, trafen sie auf ein kleines Mädchen aus freundschaft erleben.“ Zwar wird nicht je- gibt es einen speziellen Gottesdienst. Und dem Dorf, das sie stolz und mit leuchten- der, der die neugotische Kirche besucht, wenn die Uhren wieder auf Winterzeit ge- den Augen durch die Kirche führte. mit Nussecken verwöhnt, aber er wird in stellt werden, lädt der Kirchenvorstand Doch auch ohne Führung lohnt sich jedem Fall (tagsüber) eine offene Kirche den Schließdienst zum Dank zu einem ge- ein Besuch in Nausis. Wegen der schönen vorfinden. Seit Ende 2017 trägt die Kirche meinsamen Essen ein. Die offene Kirche, Kirche, wegen einer von Kaiserin Auguste dieses Siegel, das mit bestimmten Anforde- so erzählt Lux, sei nicht nur eine Anlauf- Viktoria gestifteten Bibel und vor allem rungen verbunden ist (siehe unten), außer- stelle für Wanderer und Radfahrer, auch wegen der großen Gastfreundschaft. l dem ist sie auch Radwegekirche. die Nausiser selbst würden ihre Kirche neu Olaf Dellit OFFENE KIRCHEN IN DER EKKW Diese Leitlinien gelten für eine „Verlässlich geöffnete Kirche“: • Die Kirche ist von Anfang April bis Ende September mindestens an fünf Tagen in der Woche für vier Stunden geöffnet. • In der Kirche liegen Informationsmaterialien aus mit Hinweisen über die Entstehungs- geschichte der Kirche und das Gemeindeleben, Flyer mit Gebeten etc. • Die Kirche wird in einem einladend geordneten Zustand gehalten und ist gastfreundlich gestaltet. 203 Kirchen in Kurhessen Waldeck tragen das Signet „Verlässlich geöffnete Kirche“ (rechts), 232 Offene Kirchen sind zu finden unter www.ekkw.de/offenekirchen 8 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2020
THEMA Booklet für unsere Leser Spirituelle Orte Drei Fragen an ... Nina Wetekam, Referentin für In Kurhessen-Waldeck kann man Orte erleben, die für Offene Kirchen in Kurhessen Waldeck den Betrachter eine spirituelle Kraft entwickeln, obwohl sie, nüchtern gesehen, einfach nur nord-, süd,- ost-, mittel- hessische und thüringische Landschaft darstellen. Aus der Nähe inspirieren manche Orte noch einmal ganz anders ? Warum sollte eine Gemeinde ihre Kirche öffnen? Nina Wetekam: Kirchenräume als von ferne. Wer durch Kirchentüren eintritt, Räume sind besondere Räume. Menschen auf sich wirken lässt, Ruinen durchstöbert, die Hand ins suchen diese „anderen Orte“ ger- Foto: Thomas Schmidt ne und oft auf, um zur Ruhe, zu sich selbst und auch zu Gott zu kommen. Die freie Zugänglichkeit entspricht dem spirituellen Bedürf- nis vieler Menschen. Hier werden keine Bedingungen an den Aufenthalt gestellt, hier kann ich kommen, wie ich bin, ohne Vorleistung. Da wir diese Räume haben, sie pflegen und unterhalten, warum sollten wir sie dann nicht auch unter der Woche für unsere Gemein- de und unsere Mitmenschen öffnen? Unser Gott ist auch wochentags ein einladender Gott – nicht nur sonntags. Und verschlossene Kirchentüren passen für mich so gar nicht zur einladenden Botschaft des Evangeliums. ? Was macht eine Offene Kirche aus? Wetekam: Schön ist es, wenn eine Offene Kirche für die Ortsgemeinde mehr bedeutet, als „nur“ die Kirchentüren zu öffnen, sondern wenn sie mit Zeichen der Gastfreundschaft ausgestattet ist, zum Beispiel durch ein Gästebuch, einen schriftlichen Kirchenführer oder die Möglichkeit, eine Kerze Booklet nicht im Heft? anzuzünden. Wenn eine Offene Kirche mit dem Signet „Ver- Oder hätten Sie gern lässlich geöffnete Kirche“ ausgezeichnet ist, hält sie beson- zusätzliche Exemplare? dere Leitlinien ein und garantiert bestimmte Öffnungszei- (Solange der Vorrat reicht) ten (siehe Infokasten). In Kirchen an Rad- und Pilgerwegen gibt es für die Besucher*innen oft Wasser, Traubenzucker T 0561 9307-152 und Informationen für den weiteren Weg. Wie schön, wenn booklet@ man sich so an einem heißen Sommertag in einer kühlen blickindiekirche.de Kirche an Leib und Seele stärken und erfrischen kann! ? Oft gibt es Bedenken wegen Vandalismus. Wie hilft die Landeskirche? Wetekam: Die Landeskirche übernimmt seit 2019 für Kir- chen, die mit dem Signet „Verlässlich geöffnete Kirche“ aus- gezeichnet sind, eine Versicherung, die gegen einfachen Quellwasser taucht, Bäume und Steine berührt, erlebt sol- Diebstahl und Vandalismus absichert. Damit setzt sie ein che Orte hautnah. Im direkten Erleben von Bäumen und klares Zeichen und ermutigt Gemeinden, ihre Kirche zu öff- Gärten, Kirchen und Klöstern, Bergen und Tälern, Quellen nen. Zudem unterstützt sie die Gemeinden und stellt Mate- und Seen sowie Gräbern und Gedenkorten, oft ganz in der rialien bereit und berät, was bei einer Öffnung zu beachten Nähe, liegt auch die Chance zu einer Begegnung mit Gott. ist. l Fragen: Olaf Dellit Aufgrund der großen Nachfrage nach dem ersten Booklet hat sich die blick-Redaktion auf die Suche nach weiteren Kontakt: spirituellen Orten in Kurhessen-Waldeck gemacht und prä- Nina Wetekam, Fachreferentin für Küster- sentiert Ihnen die Folge II mit 43 Plätzen zum Aufatmen. arbeit und Offene Kirchen, Landeskirchenamt Kassel, T 0561 9378-309, nina.wetekam@ekkw.de, Viel Spaß beim Lesen wünscht www.ekkw.de/service/offenekirchen Ihre Redaktion blick in die kirche blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2020 9
THEMA Es tut gut, wenn jemand zu Besuch kommt Der evangelische Besuchsdienst Marköbel kümmert sich um unterschiedliche Adressaten D ie Beerdigung ihres Mannes Willi vor acht Jahren war schön, erinnert sich Lisbeth Hitzemann. Richtig schwer wurde es danach: „Dann fährst du heim und bist alleine.“ Willi, mit dem sie fast 60 Jahre verheiratet war, den sie lan- ge gepflegt hatte und an den sie sich vol- ler Liebe erinnert, war nun nicht mehr da. Doch es gab noch diese Karte, die der Pfarrer Lisbeth Hitzemann beim Trauerge- spräch in die Hand gedrückt hatte: Der Besuchsdienst in Marköbel (Kirchenkreis Hanau) bietet auf Wunsch eine Trauerbe- Fotos: medio.tv/Dellit gleitung an. So lernte die Witwe Christiane Marx kennen. Im ersten Trauerjahr kam sie alle zwei bis drei Wochen vorbei. „Wir rich- ten uns nach dem Bedarf der Trauernden“, sagt Marx dazu. Sie lernte die ganze Familiengeschich- Im Gespräch: Christiane Marx vom Besuchsdienst Marköbel (rechts) kennt Lisbeth Hitze- te von Lisbeth Hitzemann kennen – und mann von vielen Besuchen die alte Damer hat viel zu erzählen. In die Trauer um ihren Mann Willi mischte sich Besuche von Christiane Marx gut, auch gen sind. Die Fluktuation ist hier – nicht ihre eigene, schwierige Lebensgeschich- um Neuigkeiten aus dem Dorf zu erfahren, weit von Frankfurt entfernt – hoch, circa te, der Tod der Mutter, als das Mädchen die früher Willi Hitzemann mitbrachte. ein Viertel der Einwohner wechsele pro gerade einmal neun war; die dramatische Jahr, zitiert die Pfarrerin eine Statistik. Flucht aus Ostpreußen und schließlich der Besuch zu Geburts- und Tauftagen Wer evangelisch und neu im Ort ist, erste Besuch in Marköbel bei Hanau, wo kann mit Besuch rechnen. „Die meisten sie ihr Leben lang bleiben sollte. Der Besuchsdienst der Kirchenge- Menschen freuen sich darüber“, erzählt Die 83-Jährige ist in das Dorf und in meinde Marköbel mit seinen 15 Mitglie- Lieselotte Hoeflich, die solche Besuche die Familie eingebunden. Doch sie gehe dern hat ein breites Angebot. Neben der macht: Ein Gespräch an der Hautür, bei nicht viel unter Leute, sagt sie, so taten die Trauerbegleitung sind das die klassischen dem ein Becher mit Kirchenmotiv sowie Geburtstagsbesuche äl- Schokolade und Informationen überreicht terer Gemeindeglieder, werden – reingebeten werde sie selten. die Pfarrerin Katharina Aber der erste Kontakt zur Gemeinde ist Bärenfänger mit einer hergestellt, und das zählt. halben Stelle nicht alle Auch bei der Trauerbegleitung meldet selbst schafft. Familien sich der Besuchsdienst bei den Hinterblie- mit Neugeborenen wer- benen – nach vier bis sechs Wochen – und den aufgesucht – und fragt, ob ein Besuch erwünscht ist. Lisbeth ein Jahr nach der Taufe Hitzemann hat das Angebot gerne ange- erinnert der Besuchs- nommen, mit Christiane Marx über Gott dienst die Eltern mit ei- und die Welt zu sprechen, über ihr Leben nem Geschenk an den und ihren Mann. Wenn sie dann erzählt, Jahrestag und lädt zum wie Willi Hitzemann vom Goldschmied Tauferinnerungs-Gottes- zum Gärtner wurde, wie sie im Garten un- dienst ein. ter bunten Lampions mit den Nachbarn Besuchsdienst: In Marköbel sind 15 Ehrenamtliche zu Besuchen Im Blick der Ehren- feierten und wie sie, als er schon sehr unterwegs, darunter (vorne von links) Sigrun Elsässer, Pfarrerin amtlichen sind auch krank war, gemeinsam Kreuzworträtsel Katharina Bärenfänger, Christiane Marx sowie hinten Lilli Reuhl, Menschen, die frisch lösten, glaubt man fast, man hätte ihn ge- Reinhold Schneider und Lieselotte Hoeflich nach Marköbel gezo- kannt. l Olaf Dellit 10 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2020
THEMA Missional Kirche sein – wie geht das? Bischöfin Dr. Beate Hofmann hat in ihrem Bericht vor der Landes- synode im Herbst 2019 mit dem Titel „Gehet hin in alle Welt – Missional Kirche sein“ einen für viele neuen richtungsweisenden Begriff in die Diskussion um die Zukunft der Kirche in einer sich schnell verändernden Welt eingebracht. Was versteht man eigent- lich unter „missional”, und wo taucht das in den kirchlichen Arbeitsfeldern bereits auf? Pfarrer Armin Beck, im Kasseler Lan- deskirchenamt zuständig für missionarische Projekte, erläutert es. D er Begriff „missional” stammt aus Anglikaner wurde ein breites Programm lich das „Jumpers Netzwerk“ in Kassel mit der Missionstheologie. Missionale zur Anerkennung und Förderung solcher initiativen in Stadtallendorf, Kassel und Theologie wurde zu einem Sammel- „frischen Ausdrucksformen von Kirche“ anderen Städten (www.jumpers.de). begriff einer Theologie, die ganzheitlich beschlossen: „Fresh X ist eine neue Form nach dem Wirken Gottes in dieser Welt, von Gemeinde für unsere sich verändernde Jumpers Helleböhn nach dem Zusammenhang von Wort und Kultur, die primär für Menschen gegrün- Tat, dem Zusammenhang von glaubwürdi- det wird, die noch keinen Bezug zu Kirche Die Kasseler Initiative „Jumpers Helle- ger Nachfolge und Einladung zum Glau- und Gemeinde haben.“ FreshX arbeitet in böhn“ ist ein gutes Beispiel für eine mis- ben fragt. bunten Formen in einer sich schnell verän- sionale Kirche: Junge Menschen erklären sich bereit, in einem sozialen Brennpunkt der Stadt mit Kindern und Jugendlichen zu leben und zu arbeiten, Integration zu fördern und jungen Menschen neue Hoff- nung und Perspektive zu geben. Ganz nebenbei kommt über den Glauben der Mitarbeitenden auch die Frage nach den Inhalten auf. Der Ansatz: Menschen begin- nen Formen christlicher Gemeinschaft zu erfahren und begegnen so Gottes Liebe in Wort und Tat. Solche Initiativen zu vernetzen und zu fördern, dient die Arbeit des Netzwerks Foto: www.jumpers-helleboehn.de „FreshX“. In Hessen bieten die beiden evangelischen Landeskirchen, also EKKW und EKHN gemeinsam, regelmäßig einen „Runden Tisch FreshX“ an, bei dem man sich informieren und vernetzen kann. Un- ser Ziel ist die Anerkennung und Integra- tion in die regionale Arbeit von Kirche, wie es bereits in anderen Kirchen geschieht, Ein Beispiel für missionale Kirche: „Freaky Friday” ist ein Treffpunkt des Kasseler Vereins zum Beispiel in der Evangelischen Kirche „Jumpers Helleböhn – Jugend mit Perspektive” für Mädchen von 8 bis 12 Jahren in Mitteldeutschland (EKM). FreshX ist ein wirklicher Hoffnungsschimmer und eine In der missionarischen Arbeit taucht dernden Kultur und will lebensverändernd Bereicherung in unserer kirchlichen Welt. seit einiger Zeit ein Begriff auf, der sich ex- in Bezug auf das innere und das soziale Missional Kirche sein – zum Glauben plizit als missional versteht: Es geht um die Leben von Menschen wirken. einladen und in die Welt senden. Wir be- sogenannten „Fresh expressions of church“ Auch in Kurhessen-Waldeck gibt es schreiben damit einen gangbaren Weg in (oder kurz FreshX). Der englische Begriff solche Projekte: zum Beispiel den „Him- die Zukunft, in der eine kleinere Kirche verweist auf die Herkunft: Die anglika- melsfels“ in Spangenberg (www.himmels- ganzheitlich und glaubhaft das Anbrechen nische Kirche experimentiert bereits seit fels.de), das „CenTral“ in Marburg (www. des Reiches Gottes in dieser Welt bezeugt zwanzig Jahren mit unterschiedlichen Ge- central-richtsberg.de), die Initiative „church und Menschen mit Wort und Tat in das meindeformen neben den herkömmlichen goes pub“ (https://churchgoespub.de) Reich Gottes hineinliebt. l Parochien. In einem Synodalpapier der aus Rotenburg an der Fulda und schließ- Armin Beck blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2020 11
THEMA Mit Ausgetretenen im Gespräch bleiben Als Vikar setzte sich Dave Kulik für einen neuen Umgang mit ehemaligen Kirchen- mitgliedern ein und gewann wichtige Erkenntnisse für die Gemeindearbeit D er Punkt „Austritte, Optionen und über die persönliche Motivationslage und Sommerfeste im Park bieten Möglichkei- Eintritte“ steht in den Sitzungen gewann dabei viele wichtige Erkennnisse ten, vielleicht auch mal ein Wintergrillen des Kirchenvorstands Obervellmar für die Gemeindearbeit. für Neuzugezogene, wie Kulik es mit ei- regelmäßig auf der Tagesordnung. Dabei nem Kollegen in Kassel organisierte. werden die Namen der ausgetretenen, op- Profillose evangelische Kirche? Ein konkretes Projekt stellte der Vikar tierten und eingetretenen Personen inner- Die Antworten auf die Fragen waren mit seiner Konfirmandengruppe auf die halb der Kirchengemeinde verlesen. Was so vielschichtig wie die Frauen und Män- Beine: An einem Nachmittag wurden vor dann folgte, war oft ratloses Schulterzu- ner selbst: War bei dem einen Gesprächs- einem Einkaufszentrum Waffeln gebacken cken. Gründe, Ursachen, Vorgeschichten partner die religiöse Entfremdung aus- und verschenkt – immer mit dem Hinweis blieben für den KV im Dunkeln. Konkrete schlaggebend für den Kirchenaustritt, auf die Kirchengemeinde. Dabei gab es Gesichter, Begegnungen, Gespräche, ge- spielten beim anderen finanzielle Fragen viel Kontakt zu distanzierten Mitgliedern schweige denn Motive für einen Austritt die Hauptrolle oder auch schlechte Erfah- und auch zu Leuten, die gar nichts mit der konnte man kaum mit den genannten Na- rungen, Enttäuschungen, Ärger. Auch die Kirche am Hut hatten. Ein Riesenakt, der men verbinden. Familiensituation in einer konfessionellen ein großes Zeitkontingent verlangt? „Acht Damit wollte sich Vikar Dave Kulik Mischehe wurde als individueller Grund Stunden Arbeitszeit hat mich das gekos- nicht abfinden. Seine Idee: Man müsste genannt. Fragen über den Tod tauchten tet”, lächelt Kulik, „genauso lange, wie ich über ein Profil der Ausgetretenen verfü- auf. Gern erinnerten sich die meisten an für eine Predigtvorbereitung brauche!” gen, um deren Sicht auf die Kirchengemein- • Wo hatten Sie in Ihrem Leben Kontakt mit Kirche? de kennenzulernen. Nur Foto: medio.tv/Simmank mithilfe valider Daten • Wie sehen Sie die evangelische Kirche im großen Ganzen? könne man Ursachen- • Wie ist Ihr Blick auf die Kirchengemeinde vor Ort? forschung betreiben • Was wünschen Sie sich von der Kirchengemeinde in Zukunft? und letztlich versuchen, die steigende Zahl der Austritte durch eine bessere Mitgliederpfle- ihre Konfirmation oder an die Hochzeit. Mittler- Dave Kulik (28), Pfarrer ge einzudämmen. Häufig, so Kulik, wurde in historischen weile ist der in Vellmar-Frommershausen So schlug Kulik dem KV vor, mit ei- oder aktuellen Zusammenhängen nicht e h e m a l i g e nigen ausgewählten Personen, die Ge- zwischen evangelischer und katholischer V i k a r G e - sprächsbereitschaft zeigen, Kontakt auf- Kirche differenziert. „Für die befragten meindepfarrer. Nach seiner Ordination im zunehmen. Maßgeblich für diesen Vorstoß Ausgetretenen erscheint die evangelische Oktober 2019 hat Kulik im benachbarten war, dass die Menschen nicht auf ihren Kirche fast profillos”, stellte der Vikar er- Frommershausen eine Pfarrstelle übernom- Kirchenaustritt reduziert werden sollten, staunt fest. men. In einem „Erfahrungsbericht im Rah- sondern dass sie in ihrer Biografie ernst- Der Kirchenvorstand nahm Kuliks Im- men der zweiten theologischen Prüfung” – genommen werden. Per Telefon verabrede- puls auf, das gesamte Profil des kirchlichen Zugangsvoraussetzung für den Pfarrberuf te der Vikar fünf Interviewtermine. Dabei Handelns zu überprüfen. Auf jeden Fall sol- – hat er die Interviews mit den Ausgetrete- vermied er die vorwurfsvoll klingende Fra- len Konfessionslose als Adressaten für die nen systematisch aufgearbeitet und prakti- ge „Warum sind Sie ausgetreten?”. Statt- Kommunikation des Evangeliums weiter- sche theologische Handlungsperspektiven dessen kam er über vier indirekte Fragen hin im Blick bleiben. Wie das im Einzelnen für die Gemeindearbeit daraus abgeleitet. (s. Kasten neben dem Foto) ins Gespräch geschieht, muss sich zeigen – Tauffeste, l Lothar Simmank Foto: Adobe Stock 12 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2020
THEMA Berührungspunkte finden Was beschäftigt die Menschen, auf die ich sonntags im Gottesdienst nicht treffe, fragt sich Oberlandeskirchenrätin Dr. Gudrun Neebe, Bildungsdezernentin der Landeskirche T agtäglich begegne ich vielen Men- »Dass wir einander Foto: medio.tv/Schauderna schen: im Auto auf der Straße, im Zug, beim Einkaufen am Abend. freundlich begegnen Das wird bei Ihnen ganz ähnlich sein. und zugewandt sind, Wenn ich sie anlächle, lächeln die meis- ten zurück. Schön, denke ich dann. ohne gleich zu sortieren In den Schulen begegnen mir vie- und einzuteilen, le Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, darauf kommt es an.« Schulleitungen, manchmal auch Schul- amtsdirektorinnen oder Ausbilder. Unsere evangelischen Kitas sind auch solche Be- Manchmal bedeutet das sicher eine Hal- gegnungsorte, an denen viele Menschen tungsänderung. Ich muss mir einen Ruck sich begegnen, Eltern, Kinder, Großeltern. geben. Das ist wichtig: Hier kommt man miteinander ins Ge- • Sich freuen, wenn sich ein Jugendlicher spräch. Und nicht zu vergessen die kirch- für die Konfirmation interessiert und lichen Tagungsstätten, wo ebenfalls viele zum ersten Mal bewusst mit Kirche Begegnungen stattfinden. Manche suchen und Glauben in Kontakt kommt; geradezu Begegnung an diesem Ort und • es kann beflügeln, dass Eltern fragen, Impulse, die sie gern mitnehmen. ob ihr Kind gesegnet werden kann; Was beschäftigt diese Menschen, was • mit dem Kita-Team einen Familiengot- treibt sie um? Scheinbar gelingt es uns tesdienst planen, der Eltern und Kinder noch zu wenig, ihre Themen und Fragen zum Mitfeiern einlädt und ihnen glei- aufzunehmen, den richtigen Ton zu treffen. chermaßen guttut; Wenn wir Jesu Auftrag „Gehet hin“ ernst- • Konfi-Eltern, Teamerinnen, Neuzugezo- nehmen, sollten diese Menschen mehr im gene oder Ausgetretene besuchen; Blick sein. Voneinander können wir lernen, • offen sein für sich anbahnende Gesprä- Die Bildungskammer der Evangeli- wie das gehen kann, denn es gibt auch Or- che; schen Kirche von Kurhessen-Waldeck te, an denen das richtig gut gelingt. • Impulse mitnehmen fürs Nach- und hat im Juli 2019 ein Arbeitspapier Offene Kirchen werden häufiger unter Weiterdenken. mit dem Titel „Verbindungen knüp- der Woche aufgesucht von Menschen, die Ich lasse mich rufen, anrufen, zurufen, fen – Bindungen stärken” herausge- die Stille und/oder Gott suchen, als zum herbeirufen an die unterschiedlichsten Or- bracht. In der 68-seitigen Broschüre Gottesdienst, habe ich kürzlich gelesen. Ist te und bleibe doch ich, mit meinen Gaben geht es um „kirchliche Bildungsarbeit Ihre Kirche offen für solche Gottsucher? und Begrenzungen. in Zeiten zunehmender Konfessions- „Gehet hin”, sagt Jesus. Ich höre: Be- Diakonische Einrichtungen, Kranken- losigkeit”. In den einzelnen Kapiteln gegnet den Menschen freundlich, offen häuser, Chöre und auch Hobbys bieten wird am Lebensalter eines Menschen und aufgeschlossen! Manchmal merke ich, viele Berührungspunkte mit Menschen. entlang die kirchliche Arbeit mit Kin- dass Kollegen oder Kolleginnen entnervt Nicht zu allen lassen sich Kontakte knüp- dern, Jugendlichen, jungen Erwach- reagieren. „Wann soll ich das denn auch fen, nicht alle wünschen sich Bindung oder senen, Familien und älteren Erwach- noch machen”, fragen sie. Aber es geht gar Beziehung. Ich und der oder die andere senen in den Blick genommen. Viele nicht um das „auch noch“. Es geht nicht entscheiden über den Grad von Intensität. Ideen für die Praxis sind enthalten. um mehr, sondern um anders. Nicht alle muss ich mögen, und nicht alle Vorangestellt ist eine Einleitung, die Vielleicht sollten wir gar nicht danach schätzen mich. Macht nichts, denn in Got- den Begriff „Konfessionslosigkeit” be- fragen, ob jemand der Kirche angehört, ob tes Haus gibt es viele Wohnungen, auch leuchtet. er Mitglied ist oder nicht. Freuen wir uns Ferienwohnungen und Tagungsstätten Bestellung der Broschüre per E-Mail einfach, wenn wir Menschen begegnen, mit kurzer Verweildauer. Dass wir einan- unter: bildungsdezernat@ekkw.de wenn Menschen uns ansprechen, wenn der freundlich begegnen und zugewandt Download: https://www.ekkw.de/ Menschen sich interessieren, ein Anliegen sind, ohne gleich zu sortieren und einzu- media_ekkw/downloads/ekkw_ver- haben. Kleine und Große, Alte und Junge. teilen, darauf kommt es an. l bindungen_knuepfen_bindungen_ Lächeln, losgehen, offen sein für andere. Gudrun Neebe staerken_flyer_web.pdf blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2020 13
THEMA Kirche im Prozess denken Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck möchte sich als Volkskirche qualitativ weiterentwickeln. Was bedeutet das? Und zwar nicht nur im Blick auf konkrete Maßnahmen und Einsparpotenziale, sondern auch hinsichtlich der Frage: Welche Kirche wollen wir in Zukunft sein? Dazu dokumentieren wir sieben Thesen der Theologischen Kammer der EKKW aus dem Jahr 2014. Die Krise der Volkskirche ist vor allem eine Relevanzkri- geistigen Höhe der Zeit zu argumentieren. Der öffentliche Raum se. Als solche ist sie multikausal. Es gibt nicht den einen Hebel, ist daher ein wichtiges Forum kritisch-konstruktiven Diskurses sie zu überwinden. Gleichwohl gilt es für die qualitative Weiter- über die „Kommunikation“ sowie vor allem über das „Evange- entwicklung der Volkskirche, das „Volk“ im Blick zu behalten, an lium“ und damit die „Kirche“ selbst. ihrer Wahrnehmungs-, Vermittlungs- und Sprachfähigkeit zu arbei- ten und nicht zuletzt: in dem Geist zu leben, von dem sie spricht. Diakonie ist eine sichtbare Gestalt des kommunizierten Evangeliums in Wort und Tat. Damit ist sie ein unaufgebbarer Kulturelle Veränderungen erfassen die Gesellschaft Wesenszug von evangelischer Kirche. Mit haupt-, neben- und eh- und damit auch die Kirche. Sie wirken sich mittelbar wie renamtlicher Diakonie praktiziert die Volkskirche Nächstenliebe in unmittelbar auf zentrale kirchliche Handlungsfelder sowie auf der konkreten Zuwendung zu notleidenden Menschen. Die Kirche kirchliche Organisation aus. Um als Volkskirche für weite Tei- erfüllt mit ihrem diakonischen Handeln die Aufgabe, das prophe- le der Gesellschaft relevant zu bleiben, darf die Kirche diese tisch-politische Wächteramt zugunsten notleidender Menschen Veränderungsprozesse nicht ausblenden, sondern sie ist heraus- auf allen kirchlichen Ebenen (Gemeinde, Kirchenkreis, Landes- gefordert, sich offensiv, realistisch und evangeliumsgemäß zu kirche, EKD, weltweite Ökumene) auszuüben. Auf dem Markt der ihnen zu verhalten. Wohlfahrtspflege steht sie in Konkurrenz zu anderen Anbietern. Beispielsweise ist ein Rückzug aus einzelnen Arbeitsfeldern denk- Indem Kommunikation des Evangeliums geschieht, ereig- bar, etwa wenn die Aufgabe von anderen Trägern abgedeckt wird net sich Kirche (Prof. Christian Grethlein). In diesem Geschehen oder nicht mehr plausibel erscheint. Das diakonische Profil von sind feste und bewegliche Elemente, kirchliche Organisation und Kirche ist nicht nur in Einrichtungen des Diakonischen Werkes er- Nicht-Organisierbares wechselseitig aufeinander bezogen. Denn kennbar, sondern auch in gemeindediakonischen Initiativen und das Evangelium – als die frohe Botschaft von der bedingungslo- in der diakonischen Dimension pastoralen Handelns. sen Zuwendung Gottes zur Welt in Jesus Christus – wird erfahrbar, indem es Gestalt im menschlichen Miteinander annimmt: Lernen Evangelische Kirche ist ihrem Wesen nach immer auch und Lehren, gegenseitiges Helfen zum Leben, gemeinsames Fei- ökumenische Kirche, insofern sie sich auf das Evangelium als ern sind die elementaren Sozialformen, in denen der Gekreuzigte die eine Wahrheit Gottes bezieht, die sich in Schrift und Bekennt- und Auferweckte sich als gegenwärtig und sein Wort als wahr nis entfaltet und damit in eine Gemeinschaft mit all denen stellt, erweist. Wo dies sich ereignet, da ist Kirche – geplant oder unge- die durch ihren Glauben zum Leib Christi gehören. Der Leib Chris- plant, formell autorisiert oder auch überraschend informell. Das ti wiederum umfasst die Glaubenden zu allen Zeiten und an allen beinhaltet ein radikal prozesshaftes Verständnis dessen, was Kir- Orten und verbindet damit auch die verschiedenen konkreten che im Entscheidenden ausmacht; es ist tief im reformatorischen Sozialformen von Kirche. Somit verpflichtet die ökumenische Di- Aufbruch verankert, der Kirche als „creatura verbi“ versteht. Das mension, die Einheit der Kirche zu achten, welche als Gabe Gottes „Bleibende“ ist demzufolge ein Geschehen: Das, „was gilt“, steht empfangen wird. In der Begegnung mit Menschen anderer Reli- nicht abstrakt ein für alle Mal fest, sondern „ergibt sich“ bezogen gionen lernt sie, ihr Eigenes in neuem Licht zu sehen, und trägt auf den konkreten Kontext je neu – nicht beliebig, aber auch zur Verständigung in der Vielfalt der Kulturen bei. nicht prinzipiell vorwegnehmbar. Mission ist der Herzschlag der Kirche (Prof. Eberhard Der öffentliche Raum ist für die Kirche von grundlegen- Jüngel). Als Kirche haben wir teil an Gottes „Missio“, an seinem der Bedeutung: Hier ereignet sich Kirche in der „Kommunika- Handeln an der Welt und seiner Leidenschaft für Menschen. Wie tion des Evangeliums“; hier gestaltet die Kirche Gesellschafts- Gott sich in die menschliche Lebenswirklichkeit hinein inkarniert prozesse mit. Jesus Christus als Herrn der Welt zu verkündigen, hat und mit ihr kommuniziert, so ist die Kirche gesandt, mit den relativiert jede politische, staatliche und rechtliche Ordnung, so Menschen dort zu leben, wo sie sind, um sie zu werben und sie dass totalitären Ansprüchen eine Grenze gesetzt wird. Zugleich einzuladen – in der Hoffnung, dass sich ihnen die Relevanz des werden dem kirchlichen Anspruch im öffentlichen Raum Gren- Evangeliums in ihrer Lebenswelt erschließt. l zen gesetzt: Die Kirche ist mit den für alle geltenden Gesetzen Zu finden ist der komplette Text im Internet unter https://www. konfrontiert, ebenso mit weltanschaulichen Fragen, die sie zur ekkw.de/media_ekkw/downloads/ekkw_141114_kirchentheo- beständigen Weiterentwicklung herausfordern, um stets auf der retischer__zwischenruf_volkskirche.pdf 14 blick in die kirche | FÜR MITARBEITENDE | 2–2020
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