BIJOU 37 SCHAFFUNG BISEXUELLER SICHTBARKEIT IN BRASILIEN - BI+PRIDE 2021 GEWALT AN BI+FRAUEN SICHTBAR IN FREIBURG

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BIJOU 37 SCHAFFUNG BISEXUELLER SICHTBARKEIT IN BRASILIEN - BI+PRIDE 2021 GEWALT AN BI+FRAUEN SICHTBAR IN FREIBURG
BiJou 37
Das Bisexuelle Journal   März 2021   www.bine.net/bijou

                                        Schaffung
                                        bisexueller
                                        Sichtbarkeit
                                        in Brasilien

                                       Bi+Pride 2021

                                 Gewalt an Bi+Frauen

                               Sichtbar in Freiburg

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BIJOU 37 SCHAFFUNG BISEXUELLER SICHTBARKEIT IN BRASILIEN - BI+PRIDE 2021 GEWALT AN BI+FRAUEN SICHTBAR IN FREIBURG
BiJou 37                                                                                                                                                                                                                                                                        BiJou 37

      Inhalt                                                                                                                                                  Jetzt reden wir!

           Jetzt reden wir!                                              (Vorwort)                                                                      3
                                                                                                                                                              2020 war alles anders – so trudelten die BiJou-Artikel       Perspektive für positive Bi-Arbeit, Intersektionalität,
           Stoppt den Unsinn!                                                                                                                           4    für Ausgabe 37 auch nur so ein, und ich habe so viel         Rassismus bei der BiCon und in Deutschland, Bi+Göt­
           Schaffung bisexueller Sichtbarkeit in Brasilien                                                                                              6    weniger selbst geschrieben oder eingebracht. 2020 hat        tingen, einen Bi-Podcast, die Bi-Polyamory-Serie „You
           BiCon 2020: Reflexionen über Rassismus & Bisexualität in Deutschland                                                                        13    auch tolle Seiten präsentiert, so haben meine Schüler­       Me Her“ und letzte Worte zu Ulrike und Hartmut. Wir
                                                                                                                                                              innen erreicht, dass an meiner Schule die Bi-Flagge ge-      werden Euch vermissen!
           Fachgespräch zum Thema: Gewalt gegen bi+sexuelle Frauen* in Partner*innenschaften                                                           16
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           Zeichen gegen Gewalt auf dem PinnePride                                                                                                     18
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           Good Bi Love: Was kommt nach Bi-Visibilität?                                                                                                20    am 25. 9. (und vielleicht auch davor) dabei sein.            Christoph
           Sichtbar in Freiburg – Interview mit Tatiana                                                                                                22      Aber wir mussten uns auch von zwei bedeutenden
           Darf ich auch hier sein?                                                                                                                    26    Personen für die bisexuelle Bewegung in Deutschland          Das Jahr 2020 war für die queere Community ein Jahr der
                                                                                                                                                              verabschieden.                                               Unsichtbarkeit aufgrund fehlender CSDs? Wohl kaum.
           Neu in der bundesweiten BiNe-Familie: Bi+ Göttingen                                                                                         28
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           Der Bi-Podcast „Großes B“                                     (Interview mit Paul‘a & Chris)                                                30                                                                 Interview mit Tatiana Graf erläutert, wie die Bi+Sicht­
           Mehr Mut zu Komplexität                                       (Eine polyamouröse Kritik an „You Me Her“)                                    32    Die Zukunft steht im Zeichen von Bi+. Gleich in mehreren     barkeit in Zeiten der Pandemie aufrechterhalten wer-
           Erinnerungen an Hartmut und Ulrike                                                                                                          34    Artikeln taucht diese Wortneuschöpfung mit dem Plus          den konnte und was das für die Zukunft heißt. Er enthält
           Bi+Pride Hamburg 2021                                                                                                                       36    auf. Zum Inklusivdenken oder lieber auch Inklusivhan-        viele persönliche Einzelheiten über ihr eigenes Coming-
                                                                                                                                                              deln fordern hier folgerichtig auch ein paar Artikel auf.    out, Ideen und Pläne für die gesellschaftlichen Heraus-
           Grundgesetz Für Alle                                          (Der Kampf um Schutz und Gleichberechtigung beginnt!)                         38
                                                                                                                                                              Einen sehr umfassenden Artikel gibt es über Brasilien –      forderungen. Es erklärt, warum Vernetzung wichtig ist.
           Letzte Seite                                                                                                                                40    toll! Trotz aller Widrigkeiten tut sich hier einiges. Doch   Aber auch werden Forderungen an die Politik genannt,
                                                                                                                                                              dies ist nicht alles: Auch in Polen werden Bi- und Pan-      die nun umgesetzt werden müssen nach einem Jahr
                                                                                                                                                              Flagge geschwenkt, die Gewalt an Bi+Frauen soll end­         ohne Sichtbarkeit.
            In eigener Sache: Bisexualität ist nicht gleich Bisexualität!
            Menschen, die sich sexuell und/oder romantisch zu mehr als einem Geschlecht hingezogen fühlen, ­                                                  lich aufhören, es gibt eine Plakataktion in Freiburg, eine                                                    Daniele
            werden als bisexuell bezeichnet. Aber nicht jede bisexuelle Person ist gleich gestrickt: Es gibt zig Variationen!
            Ich denke, die Unterschiede zwischen Bisexuellen selbst sind viel größer als die zwischen Hetero-, Bi- und Homosexuellen.
            Da nicht jede Ausgabe des BiJous alle Typen von Bisexuellen abdecken kann, hier noch
            einmal der ­Hinweis, dass Bisexuelle ganz unterschiedlich sein können:
            • monogam bis polyamor,
            • treu bis fremdgehend (dies hat nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun),
            • Sex mit nur einem Menschen habend bis hin zu swingend,
            • asexuell bis nymphoman,
            • von ein Geschlecht/Gender klar bevorzugend über fifty-fifty bis hin zu „geschlechtsblind“,
            • gar nicht geoutet bis hin zu komplett geoutet,
            • evtl. selbst transgender, intersexuell u. a.,
            • sich selbst als bisexuell oder pansexuell bezeichnend über offen, queer … bis hin zu jede Schublade ­verweigernd.
            Jede Autorin, jeder Autor in diesem Heft hat da wohl auch ihre/seine eigenen Vorstellungen – und nur mit dem Schreiben
            eines Artikels ist nichts über die sexuelle Identität, Orientierung oder das Verhalten der Autorin, des Autors ausgesagt.	Frank

      Impressum
      Redaktion Christoph, Daniele, Frank (bijou@bine.net)
      Lektorat Frank
      Mitarbeit Bea, Chris, Dana, David, Frente Bissexual Brasileira, Hartmut, Jessica, Karin, Laura, Myriel, Paula, Rosa, Sakura, Tatiana, Thomas, Zachary
      Titelbild Nicole
      Layout Monique (post@waltz-verlag.ch)
      Übersetzung Bernd I., Ingrid, Sakura
      Auflage 1000 Exemplare + Online-Fassung (www.bine.net/bijou)
      ISSN BiJou (Frankfurt. Internet) ISSN 2196-3150
             BiJou (Frankfurt. Deutsche Ausg. Print) ISSN 2196-3169 | BiJou (Frankfurt. English. ed. Print) ISSN 2196-3177
      Herausgeber BiNe – Bisexuelles Netzwerk e. V. | c/o Ralf Eckstein | Ignystraße 14 | D–50858 Köln
      Verantwortlich im Sinne des Presserechts Frank Thies | c/o BiNe – Bisexuelles Netzwerk e.V. | Ignystr. 14 | 50858 Köln
      BiJou-Beauftragte für den Vorstand Marie
      Druck www.printerwahnsinn.com
      Bildrechte Die Bildrechte verbleiben bei den Rechteinhaber_innen. Sollten dennoch in einem Artikel Rechte verletzt worden sein,
      war dies nicht beabsichtigt. Rechteinhaber_innen werden gebeten, sich mit der Redaktion in Verbindung zu setzen.
      Das Cover-Bild wurde gemalt von twikly. Vielen Dank!
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BIJOU 37 SCHAFFUNG BISEXUELLER SICHTBARKEIT IN BRASILIEN - BI+PRIDE 2021 GEWALT AN BI+FRAUEN SICHTBAR IN FREIBURG
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                                                                     Stoppt den Unsinn!

                                                                     Der Słubice-Frankfurt-Pride lässt mich kraftvoll und
                                                                     nachdenklich zurück.
                                                                        Es ist unbegreiflich, dass zwischen ein paar hundert
                                                                     Metern zwei Welten liegen. Mit dem Schritt auf die pol-
                                                                     nische Seite spürte ich sofort die Blicke der Menschen.
                                                                     Es dauerte keine fünf Minuten bis zum ersten angepö-
                                                                     belt werden.
                                                                        Wir sind gut durch die Polizei auf der polnischen Seite
                                                                     geschützt worden. Auch vor der Gegendemonstration.
                                                                        Ein paar Schritte weiter auf der Brücke weht ein schö-
                                                                     ner Wind, der alle Flaggen so richtig großartig aussehen
                                                                     lässt.
                                                                        Hinter der Brücke ist Deutschland. Hier und da steht
                                                                     mal ein Polizist, der den Verkehr regelt. Das war‘s. Ge-
                                                                     fühlt zwei Welten innerhalb weniger hundert Meter …
      An der Grenze                                                     Es zeigt, wie fragil queere Rechte sind. Wir müssen                                  Bei dieser Demo waren hauptsächlich Pan-Flaggen zu sehen …   … nur eine Bi-Flagge.
                                                                     alle auf der Hut bleiben! Wir müssen alle laut sein! Wir
                                                                     müssen solidarisch bleiben!
                                                                        Denn das ist die andere Seite des heutigen Tages:
                                                                     Dieses Aufstehen der queeren Community, dieses Sich-
                                                                     Erheben und Sich-Zeigen – das hat mich echt beein-
                                                                     druckt. Das gibt mir Kraft.
                                                                        Man konnte bei vielen polnischen Teilnehmenden die
                                                                     Zurückhaltung und ihre Anspannung spüren. Und trotz-
                                                                     dem waren sie da. Sie haben sich gezeigt.
                                                                        Das beeindruckt sehr. Danke für euren Mut, auf die
                                                                     Straße zu gehen.
                                                                        Danke an das Orga-Team des Frankfurt Słubice PRIDE
                                                                     für die klasse Organisation und dass ihr immer auf die
                                                                     Einhaltung der Abstände geachtet habt. Masken hatten
                                                                     alle auf.                                                                               Demo mit Maske (oben); Sichtbarkeit (unten)
                                                                        Es geht auch mit Pandemie so viel, wenn alle mit­
                                                                     machen … Don‘t hide your Pride! #stopbzdurom Dana
      Don‘t Hide Your Pride (oben); Demo mit Polizeischutz (unten)                                                                (Fotos © Dana und Thilo)

 4                                                                                                                                                                                                                                                     5
BIJOU 37 SCHAFFUNG BISEXUELLER SICHTBARKEIT IN BRASILIEN - BI+PRIDE 2021 GEWALT AN BI+FRAUEN SICHTBAR IN FREIBURG
BiJou 37                                                                                                                                                                                                                                          BiJou 37

      Schaffung bisexueller Sichtbarkeit in Brasilien                                                                          indo Forças“ (BIS Journal – Vereinte Kräfte) herausgab.       bisexueller Forderungen in Brasilien sehen. Wir stellen
                                                                                                                               2005 tritt die erste landesweite Initiative einer bisexuel-   die Fortschritte bzw. die Sichtbarkeit der bisexuellen
                                                                                                                               len Organisation auf den Plan, das Coletivo Brasileiro        Agenda in Brasilien in drei Bereichen heraus: Gesund-
      Brasilien ist ein rassistisches, frauenfeindliches Land      der Unterstützung und Zuflucht für einen Bevölkerungs­      de Bissexuais -CBB- (Brasilianisches Kollektiv bisexuel-      heit, Kunst und Medien sowie Politik.
      und wird aktuell von einem selbsterklärten LSBTI*-           teil, der durch den Zickzackkurs unserer völkermorden-      ler Menschen), das bis 2007 besteht.
      feind­lichen Präsidenten regiert. Dies klärend voran­        den, leugnenden Regierung schwerwiegend beeinträch­                                                                       Gesundheit:
      geschickt, ist es auch noch wichtig, Brasilien als Land      tigt ist, noch verschlimmert durch die Distanz und sozi-    In den 2010er Jahren begann die Bewegung über ihre            Politische Forderungen im Gesundheitsbereich von
      zu lokalisieren, das sich in einer Zeit bzw. einem Raum      ale Isolation: Die LSBTI*-Bevölkerung und ­insbesondere     Existenz hinaus, detailliert ihre Besonderheiten und          LSBTI* werden im gesamten Land artikuliert und viele bi-
      nach einem Staatsstreich befindet. Doppelt.                  die bisexuelle Community. In dem Brasilien von 2020         ihre Standpunkte herauszustellen, als Co-Protagonistin        sexuelle Menschen sind in den Artikulationsprozess ein-
         2016 mit der Amtsenthebung der ersten gewählten           stellten die Schaffung der Brasilianischen Bisexuellen      in einer Bewegung, die beabsichtigt, LSBTI* zu sein. In       bezogen. Wir erwähnen zwei herausragende Initiativen:
      Frau im Präsidentenamt, Dilma Rousseff, inmitten ihrer       Front und des Bi+-Festivals einen unverzicht­baren Auf-     bahnbrechender Weise wurde das Kollektiv Bi-sides ge-         1. Den Fall des Bundesstaates Minas Gerais, welcher
      zweiten Amtszeit; 2018 mit der turbulenten Wahl, ge-         bruch für einen Großteil der brasilianischen Bi-Akti­       gründet, zunächst als Blog mit persönlichen Lebens­              2020 sein „Programm des Bundesstaates für ganz-
      prägt durch den massenhaften Versand von Fake-Nach-          vist*innen dar. 2020 brachte uns gigantische Hinder­        geschichten, aber auch mit ins Portugiesische übersetz-          heitliche Gesundheit im Bereich LSBTI*“ veröffent-
      richten über Whatsapp – durch den selbsterklärten            nisse, wie beispielsweise die soziale Distanzierung. Aber   ten Informationen über Bisexualität. Weitere Aktivi­             lichte, eine Verbesserung im Vergleich zum nationa-
      LSBTI*-­­feindlichen Präsidenten, der uns aktuell regiert,   es gab auch eine schnelle und entschlossene Antwort,        täten prägten das Jahrzehnt, wie zum Beispiel ein Work-          len Programm zur ganzheitlichen Gesundheit im
      Jair Bolsonaro – nach der Absetzung und Festnahme            welche in der Annäherung der aktivistischen Gruppen         shop über Bisexualität in der Stadt São Carlos und               Bereich LSBTI*, welches im Jahr 2011 veröffentlicht
      der größten politischen und populärsten Kraft, Lula da       lag. Als bisexuelle Bewegung sind wir geeinter als je zu-   Picknicks für Bi-Visibility in den Bundesstaaten São Pau-        wurde. Während im nationalen Aktionsprogramm
      Silva, dem Präsidentschaftskandidaten mit den besten         vor in unserer jüngsten Geschichte.                         lo (in der Stadt São Paulo, organisiert von Bi-Sides) in         die Gesundheit bisexueller Menschen im Allgemei-
      Wahlaussichten für 2018 und Hauptgegner Bolsonaros.                                                                      den Jahren 2010 und 2011 sowie in Santa Catarina (in             nen erwähnt und garantiert wird, gibt es im Pro-
                                                                   Die brasilianische bisexuelle Bewegung gestern              der Stadt Joinville, organisiert durch die Vereinigung           gramm des Bundesstaates Minas Gerais auch Spezi-
      Kurze Zeit nach diesen politischen und sozialen Turbu-       Um besser zu verstehen, wo wir heutzutage stehen,           Arco-Íris) im Jahr 2010. Ab 2013 gründen sich weitere            fikationen in Bezug auf die Gesundheit bisexueller
      lenzen, deren Auswirkungen wir noch über Jahrzehnte          müssen wir klarstellen, dass die Geschichte der brasilia-   auf den bisexuellen Aktivismus ausgerichtete Gruppen,            Menschen. In dem spezifischen Ziel des Bundes-
      in unserem Land spüren werden, kommt das Jahr 2020,          nischen bisexuellen Bewegung an einer himmelschrei-         wie das Co­letivo BIL – Coletivo de Mulheres Bissexuais e        staates, Präventionsstrategien gegen Suizidalität
      ein Jahr, das die ganze Welt mit der unerwarteten COVID-­    enden Unsichtbarkeit leidet.                                Lésbicas (Kollektiv bisexueller und lesbischer Frauen)           und Selbstverstümmelung in der LSBTI*-Bevölke-
      19-Pandemie erschütterte. Hierdurch türmte sich eine           Die brasilianische LSBTI*-Bewegung begann ihre            im Bundesstaat Minas Gerais und MovBi – Movimento                rung zu entwickeln, befindet sich auch die Planung,
      Welle großer Einsamkeit und weitverbreiteter Furcht          Selbst­organisation in den 1970er Jahren. Obwohl bise-      de Bissexuais (Bewegung der Bisexuellen) in Paraíba.             nach Abzeichnung der sexuellen Orientierung ins-
      innerhalb der Bevölkerung auf. In dieser Hinsicht brin-      xuelle Menschen sich von Beginn an aktiv am Aufbau          Von nun an mehren sich auch bekräftigende Initiativen,           besondere auch die bisexuelle Bevölkerung beob-
      gen Initiativen sozialer Bewegungen eine Perspektive         beteiligten, meldeten sie sich erst in den frühen 2000er    die darauf abzielen, der historischen Präsenz bisexuel-          achtend in die Prävention einzubeziehen.
                                                                   Jahren zu Wort und beanspruchten ihre Bisexualität in       ler Menschen innerhalb der LSBTI*-Bewegung Sichtbar-          2. Eine Initiative von Bi-Aktivist*innen, die 2020 ein
                                                                   diesem Prozess als Identität.                               keit zu verleihen:                                               Schreiben an psychologische Fachleute sowie auf
      Der Christo war auch im Gespräch für das Cover –                                                                                                                                          Bundesebene an die Kammer der Psycholog*innen
      provokativ und schrill.                                      Im Jahr 2004 nahm São Paulos Pride March-Vereinigung        1. Der Wechsel des Akronyms des ältesten landeswei-              gerichtet haben (ein Organ zur Selbstorganisation
                                                                   GLBT endgültig das B für die Bisexuellen in das ­Akronym       ten Seminars bzw. Treffens (seit 1996), welches sich          und Steuerung des Berufsstandes), in dem disku-
                                                                   der größten brasilianischen Pride-Parade auf, eben­so          als einer der Hauptartikulationsräume lesbischer              tiert wird, wie Bifeindlichkeit die Durchführung von
                                                                   organisierte das Projekt Espaço B (Raum B) Treffen als         und bisexueller Frauen in Brasilien gebildet hat, Se-         Therapien und die seelische Gesundheit beeinträch-
                                                                   Raum von Begegnung und Austausch für diejenigen, die           minário Nacional de Lésbicas e Mulheres bissexuais,           tigt. Das Schreiben ruft zu Veränderungen auf; auch
                                                                   sich „bisexuell fühlten“ (entsprechend der Definition          von SENALE zu SENALESBI, eine wichtige Errungen-              dahingehend, dass die Kammer der Psycholog*innen
                                                                   des Projekts) oder mehr darüber wissen wollten. Der            schaft der bisexuellen Arbeitsgruppe während des              auf Bundesebene ein Regulativ erlassen solle, wel-
                                                                   Ausschluss des Buchstabens B im XI. Brasilianischen            2014er Treffens                                               ches bifeindliche Praktiken in der psychologischen
                                                                   Treffen der Gays, Lesben und Transgender im Jahr 2003       2. Die erste bisexuelle Pride and Visibility-Parade von          gesundheitlichen Versorgung in Brasilien verbietet.
                                                                   war der Ausgangspunkt der Schaffung des bisexuellen            São Paulo im Jahr 2017                                        Für uns als Bi-Bewegung ist die seelische Gesund-
                                                                   Gruppenteils von Estruturação (Umstrukturierung) im         3. Die erste Mitwirkung des Blocks BiPanPoli+ bei der            heit bisexueller Menschen eine große Sorge. Haupt-
                                                                   Oktober 2004, einer LSBTI*-Gruppe in Brasília, welche          LSBTI*-Parade von São Paulo 2018                              sächlich in anderen Ländern erhobene Daten weisen
                                                                   zwischen 2004 und 2006 das Magazin „Jornal BIS – Un-        4. Im selben Jahr die Realisierung eines Bi-Blocks bei           darauf hin, dass die Zahlen zur seelischen Gesund-
                                                                                                                                  der LSBTI*-Parade von Belo Horizonte. Seitdem gibt            heit bisexueller Menschen oft viele Male schlechter
                                                                                                                                  es immer mehr rein bisexuelle Gruppen und Verei-              sind im Vergleich zu Menschen anderer sexueller
                                                                   BIS Journal Scan (2004) Quelle: Coletivo BIL                   nigungen im ganzen Land, als auch Initiativen bise-           Orientierung.
                                                                                                                                  xueller Menschen innerhalb gemischter LSBTI*-
                                                                                                                                  Gruppen.                                                   Kunst und Medien:
                                                                                                                                                                                             Schon seit Jahren verfolgen wir öffentliche Äußerungen
                                                                                                                               Kleine groß(artig)e Errungenschaften                          von Künstler*innen in Brasilien, die sich als bisexuell
                                                                                                                               der Brasilianische Bisexuellen Bewegung                       outen, aber Bisexuellenfeindlichkeit macht bis heute
                                                                                                                               Trotz der Schwierigkeiten und Rückschläge der letzten         diese Identitäten unsichtbar oder vernichtet sie. Künst­
                                                                                                                               Jahre können wir einige Verwirklichungen und Errun-           ler*innen wie Cássia Eller, Renato Russo, Cazuza, Ana
                                                                                                                               genschaften im sozialen Bereich und in der Sichtbarkeit       Carolina und Preta Gil sind brasilianische Musikikonen,

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BIJOU 37 SCHAFFUNG BISEXUELLER SICHTBARKEIT IN BRASILIEN - BI+PRIDE 2021 GEWALT AN BI+FRAUEN SICHTBAR IN FREIBURG
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      die schon offen ihre sexuelle Identität als „monodissi-        Communities sind politisch dazu übergegangen, die              heterosexuell verstanden wurde. In der letzten Szene          Kassenschlager im brasilianischen Kino waren. Im Nar-
      dent“ zum Ausdruck gebracht haben, aber kaum dafür             Schwächen in den Repräsentationen von sich selbst kri-         vor der todbringenden Explosion des Shoppingcenters           rativ der beiden Filme gibt es sicherlich einige Unter-
      bekannt sind. Oder noch schlechter: Sie werden durch           tisch herauszuarbeiten. In Brasilien ist es nicht anders,      führt das Frauenpaar Rafaela und Leila folgenden Dia-         schiede: Juliano, die Rolle, um die es geht, outet sich im
      die Medien oder Dritte als Homosexuelle bezeichnet.            auch hier treten Medienproduktionen, die sich in der           log „Gibt es hierfür eine Erklärung? – Ja, die gibt es … Es   Verlauf des zweiten Films mehrmals als bisexuell. Julia-
      Immerhin sehen wir schon seit Langem immer mehr                Produktions- und Verbreitungskapazität stark abheben,          kann nur dieses verdammte Vorurteil sein“.                    nos Bisexualität ist einer der großen Konflikte in dem
      mutige Schilderungen zeitgenössischer Künstler*innen,          in die öffentliche Debatte ein. Produktionen mit natio-                                                                      Plot und stellt im Leben seiner Mutter ein ernstes Prob-
      welche zeigen, dass diese Unsichtbarkeit überwunden            naler Reichweite und besseren Finanzierungs- und Ver-          2013 zeigt die Seifenoper Amor à Vida (Liebe zum Leben)       lem dar, das es zu lösen gilt, schließlich soll sie doch
      werden muss und viele bisexuelle Menschen hören bzw.           breitungsressourcen sind sicherlich fähiger, in der Be-        acht Monate lang jeden Tag zur Prime Time die Figur           Ruhe und Frieden finden, was die Zukunft ihres Sohnes
      wiederholen diese Äußerungen. Als Sängerin Anitta              völkerung Widerhall zu finden und ihre Konzepte von            Eron, welche mit Ehemann Niko in die Serie eintritt und       anbelangt. Sein Schicksal am Ende des Narrativs ähnelt
      (heutzutage mit 50 Millionen Followern auf Instagram)          Bisexualität in ein größeres Umfeld zu bringen als dies        ihn dann mit Amarilys, einer Frau, betrügt. Jenseits von      dann aber doch dem von Eron: Juliano heiratet einen
      vor einigen Jahren erklärte, bisexuell zu sein, war das        alternative Produktionen mit geringeren Ressourcen             Einzelheiten diffamiert das Narrativ Eron von dem Mo-         Mann und über die „Gretchenfrage“ des vorangegange-
      Netz in Aufruhr. Zum Teil gab es eine große Diskreditie-       können – etwas was nicht aus Zufall geschieht, vor dem         ment an, wo er mit Amarilys anbandelt, nicht nur weil         nen Films wird kein Wort mehr verloren. Seine Mutter
      rung, basierend auf Diskursen, welchen bi- oder panse-         Hintergrund, dass es in diesem Land eine Menge von             dieses Verhältnis einen Betrug darstellt, sondern auch        kommt zur Ruhe und wertet die Ehe ihres Sohnes als Ein-
      xuelle Menschen häufig ausgesetzt sind: „Sie macht es          Angriffen auf die Kunst gibt, insbesondere zu dieser Zeit      weil seine Zuneigung einer Frau gilt, wo sie doch zuvor       geständnis seiner Homosexualität, worüber sie eigent-
      nur, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, „Sie möch-          und mit einer größeren Repression gegen kleinere               einem Mann galt. Die Sexualität Erons wird zum Politi-        lich schon hinweg war.
      te cool wirken“, „Sie ist eine vulgäre Frau“ etc. Wir erleb-   Produzent*innen.                                               kum innerhalb der einzelnen Serienrollen und er wird
      ten auch schon „monodissidente“ Coming-outs bei be-                                                                           fortlaufend wegen seiner sexuellen und emotionalen            Mit diesen Beispielen medialer Verkörperung können
      kannten Künstler*innen, wie den Schauspieler*innen             Seifenopern sind sehr populär in Brasilien. Auch wenn          Orientierung beleidigt; infolgedessen sagen solche Kom­       wir nun ein wenig die hegemoniale Sichtweise auf Bise-
      Camila Pitanga, Alessandra Maestrini und Ana Hikari            wir schon in der Streaming-Ära sind, ist das Fernsehen         mentare etwas über Eron, gleichzeitig aber auch über          xualität in Brasilien verstehen: Durch gewisse Kameras
      sowie den Sänger*innen Ludmilla und Letrux.                    immer noch als starker und typischer häuslicher Akteur         Bisexualität, denn künstlerische Verkörperungen trans-        und aus gewissen Blickwinkeln erscheinen wir hier als
                                                                     im Alltag der brasilianischen Familie präsent. Bisexuali-      portieren ein von der Realität abgeleitetes Konstrukt,        Bösewichte, als wilde und vulgäre Menschen, als Viren,
      Die Wirkung dieser Sichtbarkeitsbewegung spiegelt sich         tät wird auch durch dieses mediale Abbild der Realität         wenn auch nur in begrenztem Maß. Schließlich erklärt          welche die beiden Welten infiltrieren, die uns nicht ver-
      in den audiovisuellen Produktionen des Landes wider. In        vermittelt. Wir können einige wichtigere Formate der           Eron sich als schwul und beschließt den Plot mit einem        stehen: Heterosexualität und Homosexualität. In der
      Brasilien ist Bisexualität ein Thema, welches auch in den      letzten Jahrzehnte beispielhaft anführen, produziert           neuen Freund an seiner Seite.                                 Zeit, in der es filmische Repräsentationen wie die von
      Medien präsent ist, wenn auch spärlich. Ein weiteres           und ausgestrahlt vom wichtigsten Sender des Landes,                                                                          Eron gab, konnten wir aber auch andere Annäherungen
      wichtiges Feld des Meinungsaustauschs: Die brasilia­           Rede Globo, der 99,45 % des Landes abdeckt.                    Etwas Ähnliches begegnet uns auch in den Filmen Min-          an Bisexualität finden, von denen einige von demselben
      nische Medienkultur produziert, verbreitet und bekräf­                                                                        ha Mãe É Uma Peça 2 (Meine Mutter ist ein Theaterstück 2,     Sender stammen, Rede Globo. In der Miniserie O Canto
      tigt verschiedene Konstrukte rund um unsere Lebens-            Hinter den Kulissen der Telenovela Torre de Babel (Turm        2016) und Minha Mãe É Uma Peça 3 (2019), berühmte             da Sereia (Der Gesang der Sirene, 2013) haben wir eine
      geschichten. Was bedeutet dies? Da Kultur und Kommu­           zu Babel, 1998) ereignete sich eine ungewöhnliche Tat-         brasilianische Komödien, die als Teil einer Serie Top-        komplexe Figur als Protagonistin, deren Leben und Tod
      nikation nun einmal fundamentale Bestandteile der              sache: Der Plot mit einer bisexuellen Figur wurde gestri-
      sozialen Struktur sind, ist es richtig zu sagen, dass beide    chen, noch bevor er verfilmt wurde. In der originalen
      sowohl ein Spiegel der Gesellschaft als auch Akteure ih-       Sy­nopse der Serie sollte das Frauenpaar Rafaela und           1. Bisexueller Visibility-Walk (2017). Quelle: Mídia Ninja
      rer Konstruktion sind. Das heißt, was wir über eine Grup-      Leila durch den tragischen Tod Rafaelas getrennt wer-
      pe denken, ist uns nicht angeboren: All das, was in unse-      den. Hierdurch sollte Leila sich in die ältere Marta ver-
      rer Kultur zirkuliert, formt das, was wir voneinander den-     lieben, sobald diese sich von ihrem Ehemann César To-
      ken. Also ist alles, was in den Medien in Brasilien über       ledo ­getrennt hatte. Die Rollen von Marta und César
      Bisexualität produziert wird, Spiegel und Konstruk­tion        Toledo wurden durch ein echtes Paar gespielt, beste-
      dessen, was über Bisexualität in Brasilien gedacht wird.       hend aus der Schauspielerin Glória Menezes und dem
                                                                     Schau­spieler Tarcísio Meira. Sie repräsentieren traditio-
      Heutzutage wissen wir allerdings, dass kulturelle Pro-         nelle ­Werte in der Vorstellungswelt der brasilianischen
      duktionen, insbesondere Medien, gegenüber Kritik aus           Gesellschaft (vor allem der cis-heteronormativen). Als
      der Bevölkerung nicht immun sind und dass ihre Einzel-         bekannt wurde, wie sich dieses Narrativ entfaltete, ver-
      heiten kommentiert werden, vor allem von Menschen              öffentlichte eine Zeitung in Rio de Janeiro eine völlig ver-
      mit Internetzugang, welche ihre Analyse abgeben wol-           zerrte Ganzseitenstory mit dem Titel „In einer Prime-
      len. Es war schon immer so, aber das Internet hat der          Time-Soap ist Glória Menezes eine Butch“. Schockiert
      öffentlichen Rezeption die Gelegenheit für ein größeres        verwarf das konservative Publikum seinerzeit die Mög-
      Blickfeld verschafft. Die Kulturkritik ist also nicht mehr     lichkeit einer Bisexualität von Marta, vor dem Hinter-
      länger den Zeitungen und spezialisierten Zeitschriften         grund, dass die von der Telenovela unterbreitete Gen-
      vorbehalten, da sich die Kritiker*innenszene der brasilia­     der-Änderung etwas wäre, was die gesellschaftlichen
      nischen Medien inzwischen aus mehr Menschen zu-                Dogmen bedrohen würde. Was dazu führte, dass der
      sammensetzt, die mit ihren Ansichten zweifelsohne in           Sender und die Produzent*innen der Seifenoper die fil-
      die Wiederabfolge des Kreislaufs und die kulturellen           mische Entwicklung dieser Figur abschafften. Also starb
      Produktionen eingreifen. Im Kontext der Medienkritik           Leila den Serientod in derselben Explosion, die ursprüng-
      bemerken wir ein vordringliches Thema: den Wunsch              lich nur Rafaela töten sollte. Und Martas Rolle behielt
      nach angemesseneren Repräsentationen. Minoritäre               den ganzen Plot hindurch ein Verhalten, das sozial als

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BIJOU 37 SCHAFFUNG BISEXUELLER SICHTBARKEIT IN BRASILIEN - BI+PRIDE 2021 GEWALT AN BI+FRAUEN SICHTBAR IN FREIBURG
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      den Stoff der Story bildet. In den einzelnen Folgen                                                                              Color, eine linksgerichtete bisexuelle Frau, einen Sitz in             Die brasilianische bisexuelle Front setzt sich heute aus
      kommt sie mit Männern und Frauen zusammen. Ihre                                                                                  der brasilianischen föderalen Abgeordnetenkammer                       Dutzenden unabhängiger Aktivist*innen und elf Grup-
      sexuelle Orientierung ist Teil ihres pulsierenden Lebens                                                                         bekleidet – Vivi Reis.                                                 pen zusammen: Bi-Sides (SP), Bisibilidade (RJ), Coletivo
      und wird deutlich neutraler dargestellt, auch wenn sie                                                                                                                                                  Amora (RS), Coletivo BIL (MG), Combi (SC) Frente Bi de
      augenscheinlich eine wollüstige Frau verkörpert.                                                                                 Die Entwicklung der Brasilianische Bisexuellen Front                   BH (MG), Frente Bi (PI), Maria Quitéria (PB), MovBi (PB),
                                                                                                                                       und das Festival BI+                                                   Vale PCD (PE) und Visibilidade Bahia (BA) zusammen.
      Im darauffolgenden Jahr porträtiert die Seifenoper Em                                                                            Als Ergebnis einer am 28. 06. 2020 abgehaltenen virtu-
      Família (In der Familie, 2014) in einem Nebenstrang die                                                                          ellen Konferenz entsteht als Meilenstein für den Welt                  Nachfolgend unsere Instagram-Accounts:
      Liebesgeschichte eines Frauenpaares, bei dem es einen                                                                            Pride Day in Brasilien eine neue Initiative, welche die                @amoracoletivo           @frentebipi
      bisexuellen Teil gibt. Hier liegt der Fokus auf der Liebes-                                                                      Organisation der Brasilianischen Bisexuellen Front                     @bisibilidade            @maria.quiteria.pb
      geschichte der beiden positiv dargestellten Figuren und                                                                          verkörpert, eine landesweite Bewegung, welche darauf                   @coletivobil             @movbi
      doch sehen wir den Kontrast, dass ihre Beziehung fil-                                                                            ausgerichtet ist, den Bi-Aktivismus im ganzen Land zu                  @coletivobisides         @pcdvale
      misch komplett ohne Küsse oder deutlichere sexuelle                                                                              einen und zu stärken sowie unsere Agenda sichtbar zu                   @combisc                 @visibilidadebissexualba
      Zuneigungsbekundungen gezeigt wird, so als solle dies                                                                            machen, welche „monodissidente“ sexuelle Identitäten                   @frentebi-bh
      akzeptabler vor einem konservativen Publikum sein.                                                                               diskutiert und wertschätzt. Die Konferenz war das Er-
      Das Paar zeigte seine Liebe (und gegenseitige Anzie-                                                                             gebnis einer Initiative der Vereinigung ComBi/SC, mit                  Die Schaffung des Festivals BI+
      hung) durch Küsse auf die Stirn und Streicheleinheiten                                                                           dem Ziel, andere aktive bisexuelle Gruppen sowie bise-                 Unsere bisexuelle politische Identität ist ein Anlass für
      im Gesicht. Dieser Aspekt der Geschichte verärgerte Tei-                                                                         xuelle Aktivist*innen und Akteure ausfindig zu machen                  Stolz, Feierlichkeiten und Freude. Daher wurde als erste
      le des Publikums, welche lieber eine Produktion gese-                                                                            und zu kontaktieren.                                                   Aktion der Brasilianischen Bisexuellen Front ein ehrgei-
      hen hätten, die ausgeglichener ist im Verhältnis zu ver-                                                                                                                                                ziges Event geschaffen, das darauf abzielte, den Bi-Pri-
      filmten Cis-Mann/Frau-Beziehungen, wo Küsse üblich                                                                               Als erste Aktivität der der Brasilianischen Bisexuellen                de im Monat September zu unterstützen und der bise-
      sind und auch Szenen intimer Zweisamkeit nicht fehlen.                Marielle Franco                                            Front wurde das erste bisexuelle brasilianische Kunst-                 xuellen Bevölkerung einen sicheren, einladenden Raum
                                                                                                                                       und Kulturfestival entworfen und am 26. 09. 2020 ins                   für die Feier des Bi-Prides zu bieten: das Festival Bi+.
      Schließlich können wir den Film Califórnia (2015) als eine                                                                       Leben gerufen, genau im Monat der Bi-Visibility. Mit un-                 Es wurde durch Live-Auftritte bisexueller Künst­ler*­
      Kinoproduktion mit positiver Darstellung von Bisexuali-               weiteres politisches Verbrechen in Brasilien, welches      gefähr neun Stunden ununterbrochenem Programm,                         innen aus ganz unterschiedlichen Regionen auf die Bei-
      tät herausstellen. Die Regie führte Marina Person. Im                 noch nicht aufgeklärt ist. Nach ihrem Tod wurde Mariel-    mit einem Potpourri aus Musik, Theater, Literatur, visu-               ne gestellt und war für alle gratis auf YouTube zu sehen,
      Plot finden wir einen sensiblen und entschlossenen                    le Opfer einer Lügenkampagne, welche sie in das Licht      eller Kunst und Auftritten bisexueller Künstler*innen:                 mit einer simultanen Verdolmetschung in brasilianische
      Teenager, dessen Sexualität als Romanze der Haupt­                    von Drogendealern rückte und ihre Bisexualität wieder-     Das Festival Bi+. Ein so noch nie da gewesenes Fest, ge­               Zeichensprache (LIBRAS). Bei der Namenswahl des
      figur einen prominenten Platz im Plot einnimmt. Vor                   holt unter den Tisch kehrte, sogar durch ihr eigenes po-   macht von bisexuellen Menschen für bisexuelle Men-                     Events erschien das Pluszeichen als Weg, alle „monodis-
      dem Hintergrund, dass wir vulgär, promisk und „unkor-                 litisches und ideologisches Lager.                         schen. Dies ist ein Meilenstein in der brasilianischen bise-           sidenten“ Identitäten mit einzuschließen, aber auch als
      rekt“ sein können, schaffen manche Produktionen –                                                                                xuellen Bewegung; in dem Maß, dass es schon angezeigt                  Zeichen, aus der Aktion ein zwischen Produktion, Künst­
      jene alternativen – filmische Repräsentationen ohne                   In der ersten Kommunalwahl nach der Ermordung              ist, den Nationalen Tag bisexueller Sichtbarkeit zu be-                ler*innen und Publikum geteiltes Erlebnis zu machen.
      Angst vor der Verwirrung, die Teil von uns allen sein                 ­ arielle Francos, welche in diesem Jahr stattfand, war
                                                                            M                                                          gründen, um den 26. 09. 2020 in Ehren auszuzeichnen.                   Das Organisationsteam bemühte sich um verschiedene
      kann. Oder sie zeigen uns sogar in Plots, wo sich bisexu-             ihr Erbe allgegenwärtig. Die Wahlen von 2020 waren
      elle Figuren von Beginn an ihrer Orientierung sicher                  historisch, was die Kandidaturen und Ergebnisse für
      sind, ihre Identität behaupten, sie beim Namen nennen                 LSBTI*-Menschen anbelangt. Es war die Wahl, in der die     Landesweite virtuelle Videokonferenz, Screenshot (2020). Quelle: Brasilianische Bisexuelle Front
      und weniger hin und her gerissen sind. In dem Wissen,                 größte Anzahl von Schwarzen Frauen* und LSBTI*-
      dass all dies mögliche Wege sind, werden wir uns als                  Menschen in Brasilien gewählt wurde, überhaupt. Nach
      Community wo immer möglich weiterhin durch die Ver-                   einer Umfrage der Brasilianischen Bisexuellen Front
      breitung von Kommentaren bemerkbar machen, durch                      wurden acht bisexuelle Frauen* aus dem progressiven
      Kritik sowie durch den Anspruch, dass Bisexualität exis-              linken politischen Lager des Landes gewählt. In absolu-
      tiert und wir eine öffentliche Debatte schaffen können,               ten Zahlen mag dies keine bemerkenswerte Menge
      was es bedeutet, in unserer Kultur bisexuell zu sein.                 sein, aber der politische und soziale Kontext Brasiliens
                                                                            ist geprägt durch extremen Konservativismus, in dem
      Politik:                                                              die Unterdrückung der Rechte von Minderheiten eines
      Ein hervorstechender Vorfall für die Bürgerbewegun-                   der ideologischen Fundamente der Regierung von Jair
      gen und die bisexuelle brasilianische Bevölkerung er-                 Bolsonaro ist. Daher ist die Wahl dieser bisexuellen
      eignete sich am 14. 03. 2018, als die Stadträtin von Rio              Frauen* ein riesiger Hoffnungsschimmer und eine Be-
      de Janeiro Marielle Franco brutal ermordet wurde. Ma-                 stätigung politischer Kraft der gesellschaftlichen Bewe-
      rielle war eine Schwarze Frau, aus der Favela1, bisexuell,            gungen in diesem Land, sogar in solch widrigen und
      eine standhafte Verteidigerin der Menschenrechte und                  gewaltsamen Zeiten. 2020 erleben wir inmitten so vie-
      Kämpferin gegen Gewalt in den Favelas. Ihr Tod ist ein                ler Verlusterfahrungen, dass die erste LSBTI*-Frau of

       1 Anm. d. Red.: Favelas sind „Armenviertel“ in Randlagen der großen Städte Brasiliens.

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BIJOU 37 SCHAFFUNG BISEXUELLER SICHTBARKEIT IN BRASILIEN - BI+PRIDE 2021 GEWALT AN BI+FRAUEN SICHTBAR IN FREIBURG
BiJou 37                                                                                                                                                                                                                                                                                               BiJou 37

                                                                            Am 26. 09. 2020 sendete die Brasilianische Bisexuelle                              BiCon 2020: Reflexionen über Rassismus & Bisexualität
                                                                            Front ungefähr neun Stunden lang ein noch nie so in
                                                                            der Form da gewesenes, ausschließlich bisexuelles Pro-                             in Deutschland
                                                                            gramm an ein treues Publikum von durchschnittlich 70
                                                                            Personen. Heute summieren sich die Klicks auf unser
                                                                            Bi+-Festivalprogramm bei unserem YouTube-Kanal auf                                 Das diesjährige BiCon UK (die jährlich stattfindende bri-              beginnt mit: „BiCon is racist“ [BiCon ist rassistisch], und
                                                                            über 1.600. Es gab einige technische Schwierigkeiten,                              tische nationale Konferenz für Bisexuelle) fand ganz                   unterschiedliche Maßnahmen zur Bekämpfung des
                                                                            aber alle wurden gelöst. Das Bi+-Festival lieferte künst-                          und gar im Zeichen der heutigen Zeit statt. Sie war nicht              Rassismus im Rahmen der BiCon wurden ergriffen. Au-
                                                                            lerische Auftritte, Chats mit bildenden Künstler*innen                             nur komplett virtuell per Zoom organisiert wie so viele                ßer der Organisation von themenspezifischen Sessions
                                                                            bzw. Visual Artists, Debatten über Bi-Aktivismus, Dis-                             andere Konferenzen in unterschiedlichen Bereichen                      zu Black Lives Matter und Intersektionalität bei der Bi-
                                                                            kussionen über die Geschichte der Bi-Bewegung in Bra-                              der Arbeits- und Alltagswelt seit der Corona-Pandemie.                 Con wurde auch eine Arbeitsgruppe eingerichtet und
                                                                            silien, über Intersektionalitäten3 innerhalb der bisexuel-                         Sie reflektierte auch aktuelle Diskurse über die weltwei-              ein von PoC geführter Evaluationsbericht zur Antirassis-
                                                                            len Bevölkerung und Projektionen für unsere Zukunft                                ten Black-Lives-Matter-Bewegungen und Rassismus-Pro-                   musarbeit der BiCon erstellt4. Auch gab es während der
                                                                            als bisexuelle Community.                                                          bleme, die nicht nur die Gesellschaften im Allgemeinen,                BiCon für PoC und BAME (Black, Asian and Minority Eth-
                                                                                                                                                               sondern durchaus alle sozialen Gruppen betreffen und                   nics5) einen sog. ‚Safe Space‘, d.h. einen sicheren Raum
                                                                            Das Bi+-Festival war ein Meilenstein in der Brasiliani-                            selbstverständlich auch in die LSBTIQ*-Community hin-                  zum geschützten gruppeninternen Austausch. Als be-
                                                                            schen Bisexuellen Bewegung, denn hierdurch war es                                  einreichen. Trotz der zunehmenden Sensibilisierung und                 sondere und wohl wichtigste Veranstaltung der diesjäh-
                                                                            möglich, äußerst diversen kulturellen Produktionen zu-                             Thematisierung von Rassismus und Diskriminierungen                     rigen BiCon waren die kostenlos angebotenen Anti-Ras-
                                                                            zuschauen, welche durch vielfältige Menschen erschaf-                              innerhalb der LSBTIQ*, insbesondere im Zusammen-                       sismus-Kurse für alle Bi Community-Mitglieder. Da die-
       Künste bzw. Künstler*innen: Performances, Zeichner*­                 fen wurden und die Fähigkeiten und Originalität Brasili-                           hang mit manchen fachlichen Debatten um Intersektio-                   se auf sehr gute Resonanz stießen und schnell ausge-
       innen, Literat*innen, Musiker*innen, Drag, „Poesia mar­              ens verkörperten; mit bisexuellen Hauptakteur*innen                                nalität1, wurden und werden sie noch in der Bi-Commu-                  bucht waren, wurden sie auch über die BiCon-Woche
       ginal“2, generell war aber jede*r willkommen, der* bzw.              und komplett produziert, ausgedacht und organisiert                                nity im Speziellen und insbesondere in Deutschland                     hinaus angeboten. Durch solche Initiativen sollen nun
       die* etwas künstlerisch beisteuern konnte und wollte.                von bisexuellen Menschen. Dies hat einen starken Ein-                              vernachlässigt.                                                        auch weiterhin in der (gefühlt) mehrheitlich weißen Bi+-
       Da es ein großes Interesse an der Teilnahme gab, war                 fluss auf die brasilianische bisexuelle Subjektivität und                                                                                                 Community die unsichtbaren oder zumindest weniger
       ein sorgfältig auswählendes Kuratorium für das Line-­                Repräsentativität. Die brasilianische bisexuelle Front                             Antirassismus-Initiativen bei der UK BiCon                             bekannten Probleme für bisexuelle PoC an- und ausge-
       up notwendig. Basierend auf den Werten der brasiliani-               erfasste und erfasst zehntausende bisexueller Men-                                 In der Tat ging eine mehrjährige, sehr heftige Debatte                 sprochenen werden.
      schen bisexuellen Front wurde die Beteiligung von                     schen in dieser dramatischen Zeit, in der wir leben –                              innerhalb der Bi-Community in den UK voraus, bei der
      ­People of Color, Trans*- und „dicken“ Menschen priori-               aber voll von transformativer Energie.                                             bisexuelle People oder Person(s) of Color (PoC2) zu Recht              Black Lives Matter in LSBITQ*?
      siert. Im Hinblick auf die regionale Verteilung zeigte sich                                                                                              die Vernachlässigung des Diversitätsaspekts im Vor-                    Wie es auch in dem BiCon-Workshop zu Black Lives
      einmal mehr die Unterrepräsentanz der Regionen des                    Von der Brasilianischen Bisexuellen Front                                          stand der BiCon und auch der Organisation der BiCon-                   Matter („Why Black Lives Still Don‘t Matter within the
       mittleren Westens und Nordens des Landes in den Op-                                                                                                     Konferenzen kritisierten3. Offenkundig wurde endlich                   LGBTQ+?“) anklang, ist die Objektivierung von nicht-wei-
       tionen der Namensauswahl. Dies ist ein historisches                                                                                                     im Zuge der nun global entfachten Debatte und Sensibi-                 ßen Mitmenschen auch im LSBTIQ*-Bereich nicht zu
                                                                                                                                                               lisierung um Black Lives Matter und der postkolonialen                 leugnen. Sind es einerseits Schwarze, die ‚mit aggressi-
                                                                            Kontakt:                                                                           Kritik den Anliegen der bisexuellen PoC Gehör ge-                      verem und dominanterem Sexualverhalten‘ oder ‚gro-
                                                                            frentebissexualbrasileira@gmail.com                                                schenkt, so dass unterschiedliche Maßnahmen ergrif-                    ßen Penes‘ assoziiert und auch auf schwulen Webseiten
                                                                                                                                                               fen wurden. In einem offenen Brief nahmen die BiCon-                   so ‚angebaggert‘ werden (der selbst schwarze Bi-Dozent
                                                                            Social Media:                                                                      Organisator*innen zunächst auch Stellung; der Text                     sprach von Fetischismus auf Dating-Seiten), sind es
                                                                            https://www.facebook.com/frentebibr
                                                                            https://instagram.com/frentebissexualbr/
                                                                            https://youtube.com/frentebissexualbrasileira
                                                                                                                                                                1 Intersektionalität „veranschaulicht, dass sich Formen der Unterdrückung und Benachteiligung nicht einfach aneinanderreihen lassen,
                                                                            Übersetzung aus dem Englischen/Portugiesischen: Bernd I.                              sondern in ihren Verschränkungen und Wechselwirkungen Bedeutung bekommen. Kategorien wie Geschlecht, Rasse, Alter, Klasse,
                                                                                                                                                                  Ability oder Sexualität wirken nicht allein, sondern vor allem im Zusammenspiel mit den anderen“, Heinrich Böll Stiftung – Gunda
                                                                                              Lektorat der Übersetzung: Ingrid Angel
                                                                                                                                                                  Werner Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie (o. J.): Intersektionalität, https://www.gwi-boell.de/de/intersektionalitaet;
      Problem in Brasilien, in dem die südöstlichen und süd­                                                                                                      vgl. auch Center for Intersectional Justice (2019): Intersektionalität in Deutschland, https://www.dezim-institut.de/fileadmin/
      lichen Regionen privilegiert sind, was Ressourcen, Auf-                                                                                                     PDF-Download/CIJ_Broschuere_190917_web.pdf oder Hartshauser (2020): Intersektionalität: Eine einfache Definition des Begriffs, auf
                                                                                                                                                                  Focus Online, https://praxistipps.focus.de/intersektionalitaet-eine-einfache-definition-des-begriffs_124834 (zuletzt aufgerufen am
      klärung und Sichtbarkeit betrifft. Auch wenn wir eine                                                                                                       3. 12. 2020)
      Veranstaltung erschaffen wollten, in der alle Regionen                Fotorechte:
                                                                            Bisexual Brazilian Front
                                                                                                                                                                2 Zur Begriffsgeschichte von „People of Color“, siehe z. B. Kien Nghi Ha (2009): ‚People of Color‘ als Diversity-Ansatz in der
      des Landes vertreten sind, wurde dieses Ziel durch die                Marielle Franco: Midia Ninja, Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Gene-      antirassistischen Selbstbenennungs- und Identitätspolitik, https://heimatkunde.boell.de/2009/11/01/people-color-als-diversity-ansatz-
      erste Auflage des Bi+-Festivals nicht erreicht.                       ric, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Marielle_Franco.jpg                      der-antirassistischen-selbstbenennungs-und (zuletzt aufgerufen am 3. 12. 2020)
                                                                                                                                                                3 Vgl.: BiCon (2020): BiCon Anti-Racism Review 2020, https://2020.bicon.org.uk/bicon-anti-racism-review-2020-the-write-up/; Bi’s of
                                                                                                                                                                  Colour (2020): BiCon lets down People Of Colour. Again…, https://2020.bicon.org.uk/bicon-anti-racism-review-2020-the-write-up/;
                                                                                                                                                                  BiCon Continuity (2020): Longer Update from BiCon Anti-racism Working Group https://biconcontinuity.org.uk/longer-update-from-
                                                                                                                                                                  bicon-anti-racism-working-group/ (zuletzt aufgerufen am 3. 12. 2020)
                                                                                                                                                                4 BiCon (2020): Anti-Racism at Bicon: Racism and Anti-racism at BiCon, https://2020.bicon.org.uk/anti-racism/ (zuletzt aufgerufen am
       2 Anm. d. Übersetzers: eine Art der populäreren, alternativen Kunst der 1970er Jahre, vornehmlich Literatur                                                3. 12. 2020)
       3 Anm. d. Übersetzers: Überschneidung und Gleichzeitigkeit verschiedener Diskriminierungskategorien                                                      5 Schwarze, Asiat*innen und ethnische Minderheiten

 12                                                                                                                                                                                                                                                                                                         13
BIJOU 37 SCHAFFUNG BISEXUELLER SICHTBARKEIT IN BRASILIEN - BI+PRIDE 2021 GEWALT AN BI+FRAUEN SICHTBAR IN FREIBURG
BiJou 37                                                                                                                                                                                                                                                                              BiJou 37

      ebenso auch Stereotypen von ‚devoten asiatischen                      Space-Gruppe waren unter den zehn Teilnehmenden in                   rerische Veranstaltungen geeicht waren und die Teil-                  Solch ein Ungleichgewicht und auch Fehlrepräsentation
      Frauen‘, die nicht nur allgemein in der deutschen Ge-                 der Tat nicht nur Blacks, sondern eben auch Asiat*innen              nehmenden der BiCon größtenteils weiß gewesen sind.9                  dominieren natürlich auch die Bi-Community in
      sellschaft, sondern auch im LSBTIQ*-Community existie-                und weitere in Großbritannien zur ethnischen Minder-                                                                                       Deutschland. Die Frage ist allerdings nicht, ob in der
      ren und von denen asiatische Bi-Frauen entsprechend                   heit gehörende Bisexuelle vertreten7.                                Hier scheint aber bei der BiCon, die dieses Mal einen                 PoC-Bevölkerung weniger Bi+ Personen unterwegs
      verletzender Weise betroffen sind. Angesprochen wur-                     Bezogen auf Deutschland muss man sich ebenso fra-                 sehr guten und respektablen Ansatz zur Diversität und                 sind. Dies kann nun wirklich bezweifelt werden darf,
      den auch die historischen postkolonialen Hintergründe                 gen, ob wiederum andere Minderheitengruppen im                       Selbstkritik gezeigt hat, Grenzen gesetzt zu sein. Auch               denn in den sozialen Medien finden sich immer größer
      und interkulturellen Unterschiede, um das Queerness                   Zentrum täglicher Diskriminierung stehen. Die Lage in                wenn die Erkenntnis der Benachteiligung und Vernach-                  und aktiver werdende Interessensgruppe von intersek-
      in der Schwarzen Kultur und die Diskriminierungen von                 Deutschland scheint durchaus vergleichbar zu den Er-                 lässigung von Anliegen der PoC vorhanden ist, bleibt die              tionellen Bisexuellen oder auch bisexuellen People of
      queeren Schwarzen in der britischen Gesellschaft bes-                 fahrungen in Großbritannien zu sein. So sehr auch Afro-              Tatsache bei der BiCon-Organisation, dass keine*r der                 Color. Die Frage nach den Anliegen dieser von Diskrimi-
      ser zu kontextualisieren und zu verstehen.                            deutsche oder Schwarze Menschen allgemein immer                      Organisator*innen PoC ist und sogar auch die Intersek-                nierung mehrfach betroffener Gruppen innerhalb der
                                                                            wieder zur Zielscheibe schlimmster rassistischer Angrif-             tionalitäts-Session („Intersectionality for the Bi+ commu­            LSBTIQ*-, aber auch insbesondere innerhalb der Bi-
      Black Lives Matter in USA vs. Großbritannien/                         fe werden, sind rassistische Angriffe und Diskriminie-               nity“), trotz mehrerer Minderheitsmerkmale der Dozie-                 Community, ist und bleibt auch im deutschen Kontext
      Deutschland?                                                          rungen grundsätzlich gegenüber Personen „mit Migrati-                renden, von einer nicht PoC-Person geleitet wurde. In                 ein aktuelles Thema. Trotz der Bemühungen die Diver-
      Im oben erwähnten Safe Space (sicherer Raum) für PoC                  onshintergrund“ der reale Alltag und ein nicht zu igno-              der Tat scheint die Selbstdarstellung der BiCon zur eth-              sitäts-Flagge zu zeigen, bleiben die Problematiken von
      und BAME („Bis of Colour and BAME - Safe Space“) wur-                 rierendes gesellschaftliches Problem in Deutschland.                 nischen Zusammensetzung sehr divers zu sein fraglich                  Diskriminierungen und rassistischen Vorurteilen noch
      den gerade diese Aspekte weiter diskutiert. Die gesam-                Die diskriminierten Personen in Deutschland sind in der              (s. Abb. 1 links10). Auf der von der BiCon selbst erstellten          sehr im Hintergrund. Eine Plattform anzubieten und
      te Debatte um Rassismus, so auch bei den besonderen                   Hinsicht nicht immer „s/w farblich“ sichtbar – es werden             und öffentlich verfügbaren Darstellung scheinen die                   auch das Thema offen selbstkritisch zu bearbeiten, an-
      Angeboten beim BiCon, drehte sich primär um Blacks,                   nicht nur Personen mit Migrationsgeschichte aus Süd-                 Profile der Teilnehmenden durch die kunterbunte Farb-                 zusprechen und dann auch mit betroffenen PoC zu be-
      wobei hier ähnliche Erfahrungen von weiteren PoC aus                  und Ostasien (also ‚gelbe‘), oder eben Schwarze Perso-               gebung sehr divers zu sein. Bei einem näheren Hinse-                  sprechen, wie es im diesjährigen BiCon UK geschehen
      dem Fokus geraten. So wurde im Safe Space die Frage                   nen Opfer willkürlicher Racial Profiling8 und des Alltags-           hen und einer auf weiß vs nicht-weiß korrigierten Dar-                ist, ist wohl der erste und einzig richtige Ansatz, was
      gestellt, ob die Debatte um Black Lives Matter eins zu                rassismus, sondern auch Personen, die unter „Araber“                 stellung wird jedoch klar, dass der PoC-Anteil mit knapp              man gerne auch zukünftig in der deutschen Bi+-Com-
      eins auf Europa und/oder auf einzelne Länder direkt                   oder „Türke“ fallen, oder in Ost- und Südosteuropa ihre              über 10 Prozent der Teilnehmenden (ca. 350) sehr be-                  munity sehen möchte.
      übertragbar sei. Gerade im Vergleich zu den USA, wo                   Wurzeln haben. So scheint der Begriff von BAME, viel-                grenzt gewesen ist11 – auch solche Verzerrungen der                                                                    Sakura
      Black Lives Matter entfachte und wo eine sehr lange Ge-               leicht geeigneter auch für den deutschen Kontext als                 visuellen Darstellung von Daten sollten vielleicht stär-
      schichte um Rassismus und Black Empowerment be-                       der eher in den USA weit verbreitete Begriff von BIPoC.              ker reflektiert werden.
      steht, sind die historischen und politischen Hintergrün-
      de und die alltäglichen Konflikte in Europa durchaus                  Diversität in der LSBTIQ*- und Bi+Community?
      anders. Gemein haben die USA und Großbritannien                       Obwohl es diese Möglichkeit zum ehrlichen Austausch                  Ethnizitäten bei der BiCon 2020 (links: von BiCon erstelltes Diagramm; rechts: eigene Darstellung nach Daten der BiCon)
      durchaus die postkolonialen Zusammenhänge der Hie-                    unter PoC gegeben hat, war es dennoch bedauerlich,
      rarchisierungen von ‚Rassen‘6 als Kategorien sozialer                 dass die Anti-Rassismus-Workshops („BiCon Anti racism
      Differenzierungen. Jedoch gingen die rassistischen An-                training“) sehr auf das weiße Publikum fokussiert wa-
      griffe und Diskriminierungen in Großbritannien über                   ren. So stieß der auch von PoC geführte Workshop
      die Dichotomie des Black und Whites hinaus, so eine                   sichtlich sehr gute und wichtige Impulse zur Selbstrefle-
      südasiatische bisexuelle Teilnehmerin. In Großbritanni-               xion bei den weißen Bi-Teilnehmenden an, und eine of-
      en seien die südasiatische Minderheit und ihre Diskri-                fene Atmosphäre wurde auch geschaffen. Allerdings
      minierung viel präsenter als in den USA. Ebenso gäbe es               blieben letztlich tiefergehenden Reflexionen und Dis-
      keine indigenen Bevölkerungen (oft wird der Begriff BI-               kussionen zur Schwierigkeit als PoC oder eben BAME
      Poc benutzt: Black, Indigenous, People of Color), und in              innerhalb der LSBTIQ*-Community und zu speziellen
      den letzten Jahren vor dem Brexit seien auch polnische                Diskriminierungserfahrungen von bisexuellen PoC lei-
      (also innereuropäische und weiße) Migrant*innen Op-                   der aus. Allgemein war es auffällig, dass diese speziel-
      fer von rassistischen Anfeindungen. In der kleinen Safe-              len Workshops sehr auf das weiße Publikum als aufklä-

       6 Hier ‚Rasse‘ als soziales Konstrukt, jedoch gelebte Realität; zur Begrifflichkeit, s. Katharina Wilhelm (2020): „race“ und „people of
         color“. Warum sich auf Deutsch nur so schwer über Rassismus sprechen lässt, in: BR 2, https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/
         zuendfunk/warum-sich-auf-deutsch-nur-schwer-ueber-rassismus-sprechen-laesst100.html (zuletzt aufgerufen am 3. 12. 2020)
       7 Vor dem Hintergrund solcher über Schwarz/Weiß hinausgehenden Aspekte der Diskriminierung hat sich z.B. die schottische
         LSBTIQ*-Community kürzlich für das Label BAME in ihrer Selbstidentifikation entschieden; auch in der britischen Wissenschaft ist ein
         zunehmender Diskurs über BAME zu beobachten.
       8 „Racial Profiling (rassistische Profilerstellung, auch „Ethnic Profiling“ genannt) bezeichnet polizeiliche Maßnahmen und Maßnahmen       9 Inwieweit der Aufruf einer Bi-PoC-Aktivistin den „weißen BiCon“ zu boykottieren die Teilnehmenden-Dynamik beeinflusst hat, kann
         von anderen Sicherheits-, Einwanderungs- und Zollbeamt*innen, wie Identitätskontrollen, Befragungen, Überwachungen,                        man leider nicht nachvollziehen, aber die Daten der vorherigen BiCon reflektieren eine ähnliche Unterrepräsentation von PoC.
         Durchsuchungen oder auch Verhaftungen, die nicht auf einer konkreten Verdachtsgrundlage oder Gefahr (etwa dem Verhalten einer
                                                                                                                                                 10 BiCon (2020): Demographic Results, https://2020.bicon.org.uk/demographics-results/
         Person oder Gruppe) erfolgen, sondern allein aufgrund von („äußeren“) rassifizierten oder ethnisierten Merkmalen – insbesondere
         Hautfarbe oder (vermutete) Religionszugehörigkeit“. Quelle: Vanessa Eileen Thompson (2020): Racial Profiling, institutioneller          11 Die Labels der Ethnizität in der Umfrage beruhen nach Angaben der BiCon-Organisator*innen auf Selbstangaben der Teilnehmenden,
         Rassismus und Interventionsmöglichkeiten, in: Bundeszentrale für politische Bildung https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/             die von ihnen dann noch einmal zu Unterkategorien zusammengefasst worden seien. Die Gesamtzahl der Umfrageteilnehmenden
         kurzdossiers/308350/racial-profiling-institutioneller-rassismus-und-interventionsmoeglichkeiten (zuletzt aufgerufen am 3. 12. 2020)        lag bei 36 Personen, was aus Sicht der BiCon-Organisator*innen repräsentativ für die etwa 350 Konferenzteilnehmenden seien.

 14                                                                                                                                                                                                                                                                                        15
BIJOU 37 SCHAFFUNG BISEXUELLER SICHTBARKEIT IN BRASILIEN - BI+PRIDE 2021 GEWALT AN BI+FRAUEN SICHTBAR IN FREIBURG
BiJou 37                                                                                                                                                                                                                                                          BiJou 37

      Fachgespräch zum Thema: Gewalt gegen                                                                                                    weil sie „es ja auch wollten“. Auch geschlechtsspezifi-
                                                                                                                                              sche Problematiken spielen eine Rolle. Die weibliche*
      bi+sexuelle Frauen* in Partner*innenschaften                                                                                            Sexualität ist insgesamt unsichtbarer und die Sexualität
                                                                                                                                              zwischen Frauen* wird häufig weniger ernst genom-
                                                                                                                                              men als die männliche*. In Dreierfantasien von Män-
      Auch, wenn nur wenige Studien zu diesem Thema exis-                    heißt, es fehlen identitätsstiftende Merkmale, die               nern* mit zwei Frauen* stehen die Bedürfnisse des
      tieren, sprechen die Zahlen eine eindeutige Sprache.                   bi+sexuelle Personen als eindeutige Gruppe sichtbar              Mannes* im Fokus. Bi+sexuelle Frauen* seien eigent-
      Bi+sexuelle Frauen*1 sind von jeder Gewaltform häufi-                  machen. Auch innerhalb der Community wird stark dis-             lich heterosexuell und bi+sexuelle Männer eigentlich
      ger betroffen (61,1 %) als hetero- (35 %) und homosexu-                kutiert, wer dazu gehört und wer nicht. Meint bi+sexuell         schwul. Beim „Corrective Rape“ (dt.: korrigierende Ver-
      elle (43,8 %) Frauen*2. Diese Zahlen sind erschreckend,                nun alle non-monosexuellen Personen oder spielt Bina-            gewaltigung) werden bi+sexuelle Menschen vom*von
      dennoch erfährt die Thematik kaum Sichtbarkeit.                        rität doch eine Rolle? Ein weiteres in der Bi+Community          der Partner*in vergewaltigt, um ihnen zu beweisen,
         Deshalb kamen am 23. 10. 2020 Menschen aus unter-                   bekanntes Problem ist, dass wenig Solidarität aus der            dass sie eigentlich monosexuell sind.
      schiedlichen Kontexten auf Einladung von Theresia Krone                queeren Community kommt. Beispielsweise wird Bi+se­
      von der Beratungsstelle gewaltfreileben zusammen, um                   xu­alität von einigen nicht als eigenständige Sexualität         Warum berichten Beratungsstellen davon, dass sich unter
      über Gewalt gegen bi+sexuelle Frauen zu sprechen. Wir                  anerkannt. Auch in der Öffentlichkeit sind sie wenig re-         ihren Ratsuchenden keine bi+sexuellen Frauen* befinden?
      wollen euch einen Einblick geben, was wir besprochen                   präsentiert, beispielsweise in der Politik. Vielen bi+se­        Es wurde schon am Anfang kurz erwähnt. Nicht nur in
      haben und zu welchen Ergebnissen wir gekommen                          xuellen Personen ist es zu umständlich, sich immer wie-          der Wissenschaft wird kein Zusammenhang zwischen
      sind. Dabei haben wir uns folgende Fragen gestellt:                    der als bisexuell zu outen und erklären zu müssen, weil          der sexuellen Orientierung in der Gewalt hergestellt,
                                                                             sie durch das Geschlecht des*der Partner*in von ande-            sondern auch von Beratenden und ratsuchenden Per-
      1. Warum werden bi+sexuelle Personen in Studien als                    ren Personen als schwul, lesbisch oder heterosexuell             sonen. Auch hier ist die Unsichtbarkeit von Bi+sexualität
         eigenständige Zielgruppe kaum erfasst?                              identifiziert werden. Diese Unisichtbarkeit und Unsicht-         wieder eine Antwort auf die Frage. Die ratsuchenden           Laura Münstermann
      2. Warum sind bi+sexuelle Frauen* häufiger von Ge-                     barmachung von Bi+sexualität führt somit auch dazu,              Menschen werden zumeist als heterosexuelles oder ho-
         walt in Partner*innenschaften betroffen?                            dass Gewalterfahrungen von bi+sexuellen Menschen                 mosexuelles Paar gelesen. Dadurch ist der Raum, die
      3. Warum berichten Beratungsstellen davon, dass sich un­               unsichtbar sind.                                                 bi+sexuelle Orientierung zu thematisieren, sehr einge-        Gewalt gegen bi+sexuelle Menschen. Dabei müssen
         ter ihren Ratsuchenden keine bi+sexuellen Frauen*                                                                                    schränkt. Auch Beratungsangebote, die speziell bi+­se­        analoge und digitale Angebote gleichermaßen berück-
         befinden?                                                           Warum sind bi+sexuelle Frauen* häufiger von Gewalt in            xu­elle Menschen adressieren, sind so gut wie nicht vor-      sichtigt und vorhanden sein. Dafür ist die Unterstüt-
      4. Was kann getan werden, um das Thema „Gewalt ge-                     Partner*innenschaften betroffen?                                 handen. Bi+sexuelle Menschen können ähnliche Diskri-          zung durch verschiedene Institutionen notwendig, wie
         gen bi+sexuelle Frauen* in Partner*innenschaften“                   Bi+sexualität selbst ist nicht die Ursache von Gewalt.           minierungserfahrungen wie homosexuelle Menschen               zum Beispiel Schulen und die Polizei. Auch in der Politik
         sichtbarer zu machen und Hilfsangebote zu schaffen?                 Oft hat es stattdessen mit Macht zu tun. Die sexuelle            machen. Allerdings sind bi+sexuelle zusätzlich von der        muss das Thema ankommen und sichtbar werden. Als
                                                                             Orientierung kann ein Teil eines Menschen sein, der ihn          Diskriminierung betroffen, die sie aufgrund ihrer nicht       erstes konkretes Projekt möchten wir Flyer entwickeln,
      Warum werden bi+sexuelle Frauen* in Studien als eigen-                 verletzlich macht. Diese Verletzbarkeit wird genutzt,            monosexuellen Orientierung erfahren. Möglicherweise           die sowohl beratende Fachkräfte als auch Ratsuchende
      ständige Zielgruppe kaum erfasst?                                      missbraucht, um Macht und Herrschaft über den*die                sind Beratungsangebote, die lesbische Frauen* adres-          aufklären und sensibilisieren.
      Ein großes Kernproblem ist die Unsichtbarkeit von Bise-                Partner*in auszuüben, denn hier ist sie* angreifbar. Da-         sieren nicht für die Diskriminierungserfahrungen bi+se­
      xualität, sowohl im Alltag als auch in der Wissenschaft                bei spielen immer noch existierende Vorurteile eine              xu­eller Frauen* sensibilisiert. Da die Diskriminierung       Laura Münstermann, zertifizierte Sexualpädagogin,
      oder innerhalb der queeren Community.                                  große Rolle. Beispielsweise ist die Eifersucht des*der           von bi+sexuellen Menschen unter anderem aus Teilen            http://laura-muenstermann.de
         Bi+sexuelle Frauen* stehen in den meisten Studien                   Partner*in ein großes Thema, da Bi+sexuellen nachge-             der queeren Community kommt, schreckt dies bi+se­
      nicht im Fokus. Sowohl zur Bi+sexualität als auch zur                  sagt wird, sie seien aufgrund ihrer sexuellen Orientie-          xuelle Frauen zusätzlich ab. Bin ich hier als bisexuelle      An dem Fachgespräch nahmen außerdem teil:
      weiblichen Sexualität ist die Dichte der Studien sehr                  rung nicht fähig, eine monogame Beziehung zu führen.             Person willkommen? Werden meine Probleme hier ver-            Theresia Krone, Beratungsstelle gewaltfreileben
      dünn. Oft wird die sexuelle Orientierung nicht als eigen-              Bi+sexuelle werden oft hypersexualisiert. Außerdem               standen?                                                          www.gewaltfreileben.org
      ständige Kategorie erfasst, sodass kein Zusammenhang                   seien nun alle Personen potenzielle Abwerber*innen.                 Ein weiterer Grund könnte im Aktivismus liegen: Sind       Dr. Constance Ohms, Broken Rainbow e.V.
      zwischen den Gewalterfahrungen und der sexuellen                       Für manche Partner*innen bedeutet dies ein Kontroll-             Bi+Frauen* innerhalb des Bi+Aktivismus sichtbar? Wir              www.broken-rainbow.de
      Orientierung hergestellt werden kann.                                  verlust, weshalb sie z.B. die sozialen Kontakte des*der          haben außerdem diskutiert, ob die Bi+Community ei-            Nika Heüveldop, Broken Rainbow e. V.
         Ein weiterer Grund kann eine heteronormative Sicht-                 Partner*in einschränken. Umgekehrt werden nicht mo-              gentlich existiert und diese in der Öffentlichkeit sichtbar       www.broken-rainbow.de
      weise der forschenden Personen sein und der mögli-                     nogame Partner*innenkonstellationen (beispielsweise              ist. Es existieren mehrere Bi+Communities, die aller-         Anna Kellermann, Lesben Informations- und
      cherweise damit einhergehende Wunsch nach Eindeu-                      in Form eines „Dreiers“) erzwungen, da die Bi+sexualität         dings eher regional aktiv sind.                                   Beratungsstelle e. V.
      tigkeit. Hier haben wir ausführlicher über die Problema-               erstmal bewiesen werden müsse. Gerade bi+sexuelle                                                                                  https://libs.w4w.net/
      tik der Eindeutigkeit von Bi+sexualität gesprochen.                    Frauen* werden als jederzeit sexuell verfügbar wahrge-           Was kann getan werden, um das Thema „Gewalt gegen             Alva Träbert, Soziologin und Genderpädagogin
      Bi+sexualität selbst ist schwer kategorisierbar. Das                   nommen, was für Täter*innen die Gewalt legitimiert,              bi+sexuelle Frauen* in Partner*innenschaften“ sichtbarer          https://rosastrippe.net/beratung/
                                                                                                                                              zu machen und Hilfsangebote zu schaffen?                      Suse Umscheid, Pan-Aktivistin, Koordinatorin LSBT*IQ
                                                                                                                                              Wir haben einige konkrete Ideen gesammelt.                        Netzwerk Nordhessen
       1 Unter bi+sexuell verstehen wir Menschen, die nicht monosexuell sind, also z.B. bisexuell, pansexuell, polysexuell, omnisexuell,        Generell besteht das Ziel darin, Anlaufstellen und flä-         https://speakerinnen.org/de/profiles/susanne-um-
         heteroflexibel, homoflexibel, also an mehr als einem Geschlecht sexuell und/oder romantisch interessiert sind. Unter Frauen*         chendeckende, niedrigschwellige Angebote speziell für             scheid
         verstehen wir sowohl cis-Frauen als auch Trans*-Frauen, also alle, die sich als Frau identifizieren.
                                                                                                                                              bi+sexuelle Menschen zu schaffen. So kann ein Safe­           Jana Ammann, LSBTIQ Netzwerk Rhein-Main
       2 Die Zahlen stammen aus der Studie vom US Amerikanischen „National Centre for Injury Prevention and Control“. Es wurden
                                                                                                                                              space für bi+sexuelle Menschen geschaffen werden. Es          Frank Thies, Lehrer und Bi-Aktivist
         Erfahrungen von sexualisierter Gewalt, Vergewaltigung, körperlicher Gewalt und/oder Stalking nach sexueller Orientierung der Opfer
         analysiert. Online verfügbar unter: https://www.cdc.gov/violenceprevention/pdf/2015data-brief508.pdf                                 bedarf der Aufklärung über und Sichtbarmachung von                www.frankthies.net

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BIJOU 37 SCHAFFUNG BISEXUELLER SICHTBARKEIT IN BRASILIEN - BI+PRIDE 2021 GEWALT AN BI+FRAUEN SICHTBAR IN FREIBURG
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