D SZeitschrift TV-L 2019 - Smarte Digitalisierung analoge Probleme - GEW Bayern

Die Seite wird erstellt Svenja Kröger
 
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Smarte
  Digitalisierung analoge
                Probleme
  TV-L 2019
  Zeitschrift
DDS

  der Gewerkschaft
  Erziehung und Wissenschaft
  Landesverband Bayern

  April
  2019
2   DDS April 2019

    Smarte Digitalisierung – analoge Probleme
    3      Weiterbildung in der digitalisierten Welt
           von Fred Schell
    5      Smarte Lehrkräfte
           Was es heißt, Lehrkraft im digitalen Zeitalter zu sein
           von Joscha Falck
    7      Digitalisierungswelle ...
           ... rollt derzeit über die Schulen in Bayern
           von Johannes Schiller
    9      Digitale Medien in der Kindertageseinrichtung
           von Petra Nalenz
    11 Edle Spender oder subtile Manipulatoren?
           Beispiel: Der Computer »Calliope Mini«
           von Fabian Kaske
    13 Technikpolitik im Zeitalter der Digitalisierung – aber wie?
           von Klara-Aylin Wenten und Luca Nitschke

    TV-L 2019 in Bayern
    15 Die TV-L-Tarifrunde 2019 aus bayerischer Sicht
           von Anton Salzbrunn und Angelika Altenthan
           - Warnstreik in Regensburg
           - Auch in Aschaffenburg streiken Kolleg*innen
           - 14. Februar: Ganztägiger Warnstreik in München
           - Beschäftigte der Uni Erlangen folgen Warnstreik
           - ver.di-Kundgebung in Straubing mit GEW-Beteiligung
           - Warnstreik in Würzburg: »Mehr Mittel für den Mittelbau«
           - 26. Februar: GEW-Streikaktion vor dem Finanzministerium in München

    Was es sonst noch gibt
    20     Rechtliches:
           Krankenkassenbeiträge für Selbstständige
           von Erwin Denzler
    21 Mach's gut, Günter
           von Caroline Kanis                                                          Tariferhöhung – Beitragsanpassung
    21 Michael Mende, der »Neue« in der GEW-Landes-           Durch die Beteiligung der Landesangestellten an den Warn-
       geschäftsstelle                                        streiks konnte die GEW gemeinsam mit anderen Gewerk-
        Michael Mende stellt sich vor
                                                              schaften eine Tariferhöhung erreichen. Rückwirkend zum
    22 Grußwort der GEW Bayern an die Teilnehmer*innen der 		 1.1.2019 werden die Gehälter mindestens um 3,01 Prozent
        Fridays-For-Future-Demos
                                                              erhöht. Satzungsgemäß passen wir den Gewerkschaftsbeitrag
    Rubriken                                                  entsprechend der Gehaltsentwicklung an.
                                                                                                         Erwin Saint Paul
    23 Berichte                                                                                 Schatzmeister der GEW Bayern
           - GEW-Kollegen schulen 14 neu gewählte Personalrät*innen
           - GEW München informiert Tarifbeschäftigte über Verhandlungsstand
           - Arbeits- und Gesundheitsschutz – wichtiges Thema für alle Beschäftigten        Telefonische Sprechzeiten der GEW-Rechtsstelle
    25     Die GEW trauert um Jonas Lanig                                                          mit Beratung für GEW-Mitglieder:
    26     Veranstaltungen                                                                Mo und Do von 13.00 - 16.00 Uhr • Tel.: 089 54379959
                                                                                                  Bitte Mitgliedsnummer bereithalten!
    27     Geburtstage und Jubiläen
    28     Kontakte                                                                    Impressum:
                                                                                       DDS • Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im DGB, Landesverband Bayern
                                                                                       Geschäftsstelle: Schwanthalerstr. 64, 80336 München,  089 5440810
                                                                                       E-Mail: info@gew-bayern.de • gew-bayern.de • facebook.com/GEWBayern/
                                                                                       Redaktionsleiterin: Dorothea Weniger, Schwanthalerstr. 64, 80336 München  089 69393206
        Ab __________ gilt folgende Änderung (meiner Adresse, Bankverbindung,          E-Mail: dorothea.weniger@gew-bayern.de
        Eingruppierung, Beschäftigungsart, Teilzeit, Erziehungsurlaub, Arbeitsstel-    Redaktionelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Verena Escherich, Wolfgang Häberle, Hannes
        le, GEW-Funktion ...)                                                          Henjes, Karin Just, Petra Nalenz, Gele Neubäcker, Ute Schmitt, Magnus Treiber, Chrissi Wagner,
                                                                                       Wolfram Witte
        Name:				                                                                      Gestaltung: Karin Just
                                                                                       Bildnachweis: (soweit nicht beim Foto berücksichtigt): Titel imago/Future image
        Mitgliedsnummer:                                                               Druck: Druckwerk GmbH, Schwanthalerstr. 139, 80339 München 089 5029994
                                                                                       Anzeigenannahme: nur über die Redaktionsleitung
        Änderung:                                                                      Anzeigenverwaltung: Druckwerk GmbH, Schwanthalerstr. 139, 80339 München
                                                                                        089 5029994, E-Mail: team@druckwerk-muenchen.de
                                                                                       Zur Zeit ist die Anzeigenpreisliste Nr. 14 vom 1.1.2017 gültig.
                                                                                       Mit Namen oder Namenskennzeichen gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung der betref-
                                                                                       fenden Verfasser*innen dar und bedeuten nicht ohne Weiteres eine Stellungnahme der GEW
                                                                                       Bayern oder der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Druckschriften wird keine
                                                                                       Gewähr übernommen. Bei allen Veröffentlichungen behält sich die Redaktion Kürzungen vor. Der
                                                                                       Bezugspreis ist für GEW-Mitglieder des Landesverbandes Bayern im Mitgliedsbeitrag inbegriffen. Der
        Bitte zurück an GEW Bayern, Schwanthalerstr. 64, 80336 München. Auch           Bezugspreis für Nichtmitglieder beträgt jährlich 21 EUR zuzüglich Porto, der Preis der Einzelnummer
        online möglich unter gew.de/Aenderungsmeldung.html                             2,50 EUR zuzüglich Porto.
        Grundsatz aller Gewerkschaften: Wer weniger verdient, zahlt weniger            Die DDS erscheint monatlich mit Ausnahme der Monate Januar und August.
        Beitrag (wenn es uns mitgeteilt wird!). Wer unter dem satzungsgemäßen          Adressenänderung: Ummeldungen bitte an die Landesgeschäftsstelle der GEW.
                                                                                       Redaktions- und Anzeigenschluss: jeweils am 6. des Vormonats.
        Beitrag liegt, verliert seinen gewerkschaftlichen Rechtsschutz!
DDS April 2019   3

    Foto: imago/Christian Ohde

Weiterbildung in der
digitalisierten Welt
    Wie jede technische Entwicklung ist                          Die Rolle der Bildung                           Medienkompetenz
auch die digitale Technik janusköpfig. Sie
kann das Leben der Menschen erleich-                              Im Vordergrund der aktuellen Bil-               Nach diesem Bildungsverständnis gilt
tern und bereichern: »Intelligent ver-                        dungsdiskussionen steht das Erlernen des        es im Hinblick auf die Digitalisierung ins-
netzt, ermöglichen datenbasierte Öko-                         Umgangs mit digitalen Medien im Hin-            besondere Medienkompetenz zu entwi-
systeme mehr Austausch und Synergi-                           blick auf die digitalisierte Arbeitswelt. In    ckeln, die sich als Bestandteil kommuni-
en, Beschäftigung, Teilhabe und Enga-                         der schulischen Bildung ist darüber hin-        kativer Kompetenz versteht. Kommuni-
gement. Aus technischen können so-                            aus noch der kritische Umgang mit Me-           kative Kompetenz ist im Sinne der gleich-
ziale Innovationen werden. Digitalisie-                       dien, v. a. mit sozialen Medien, Thema.         namigen Theorie von Jürgen Habermas
rung passt zur Vision einer Gesellschaft                      Dies allein ist zu kurz gegriffen, da die Di-   die zentrale, auf Mündigkeit und gesell-
des Zugangs und der Chancen als Gegen-                        gitalisierung alle Lebensbereiche betrifft.     schaftliche Handlungsfähigkeit zielende
entwurf zu einer autoritären und sozial                       Burkhard Jungkamp, Moderator des Netz-          Kategorie und bildet die Grundlage für
normierten Gesellschaft.«1 Dieser positi-                     werks Bildung der Friedrich-Ebert-Stif-         die Aneignung von Realität sowie für das
ven Utopie steht die Realität des Kapita-                     tung, bei einer Tagung: »Unsere Gesell-         aktive Einwirken auf Realität. Mediale
lismus entgegen, in dem wirtschaftliche                       schaft wird sich ändern. Ob es eine besse-      Kommunikation ist darin eingeschlossen,
Verwertungsinteressen Vorrang haben.                          re Gesellschaft wird, ist wesentlich davon      denn Medien sind fester Bestandteil der
Es ist zu befürchten, dass sich die digita-                   abhängig, inwieweit uns Bildung gelingt.        Realität. Für diese mediale Kommunika-
le Ökonomie zum digitalen Kapitalismus                        Menschen zu stärken in einer Welt, wie          tion steht der Begriff der Medienkompe-
und letztendlich zum Datenkapitalismus                        sie ist, sie vorzubereiten auf eine Welt,       tenz. Sie umfasst instrumentelles, analy-
entwickeln wird2, der mit seinen negati-                      wie sie voraussichtlich einmal werden           tisches und strukturelles Wissen und die
ven Erscheinungen alle Lebensbereiche                         wird, und sie mitarbeiten zu lassen an ei-      Fähigkeit zu selbst-, medien- und gesell-
zu prägen droht.                                              ner Welt, wie sie einmal werden soll, dar-      schaftsbezogener Reflexion sowie zum
                                                              um geht es gerade in Zeiten rasanter Ver-       kommunikativen, kreativen und partizi-
                                                              änderung. Das ist Aufgabe von Bildung.«         pativen Handeln. Fähigkeiten, die in der
1    Daniel Dettling: An die Arbeit, Berlin. In: SZ Nr. 194   Hier ist von einer umfassenden Bildung          Wissens-, Reflexions- und Handlungsdi-
     vom 24.8.2018, S. 2. Dettling ist Leiter des Berliner
     Büros des Zukunftsinstituts.                             die Rede, deren Ziel es ist, Wissen und kri-    mension von Medienkompetenz erwor-
2    Vgl. Kerstin Jürgens, Professorin an der Universität     tische Reflexion über digitale Entwicklun-      ben werden, fundieren dann die Orien-
     Kassel und Leiterin der von der Hans-Böckler-Stiftung
     eingerichteten Kommission »Zukunft der Arbeit«, in:      gen ebenso zu fördern wie die Fähigkeit,        tierung und die Positionierung in Bezug
     GEW (Hg.) (2018): Die digitale R*Evolution. Frankfurt
     a. M., S. 18 ff.                                         auf diese Einfluss zu nehmen.                   auf die Medienwelt. Medienkompetenz
4   DDS April 2019

    zu fördern ist Aufgabe aller Bildungsbe- die KMK Infrastrukturmaßnahmen: Netz-                                      form macht nur Sinn, wenn sie von unten
    reiche.                                      werke und Endgeräte (u. a. den Ausbau                                  her, also von Lehrenden und Lernenden
                                                 der Breitbandversorgung in ländlichen                                  aus ihren Erfahrungen heraus aufgebaut,
        Die Rolle der Weiterbildung              Gebieten), Lernplattformen und Clouds                                  professionell betreut und gesteuert sowie
                                                 sowie digitale Marktplätze als Umschlags-                              als lehr- und lernunterstützendes Element
        In fast allen einschlägigen Verlautba- ort für Inhalte und Materialien.                                         des Bildungsprozesses verstanden wird.
    rungen aus Wirtschaft, Politik und Ge-                                                                                   Statt sich auf zentralistische und tech-
    sellschaft wird der Weiterbildung eine          Lernplattform MILLA –                                               nische Lösungen für digitale Herausfor-
    Schlüsselrolle bei der Bewältigung der di-      eine Lösung?                                                        derungen zu fokussieren, müssen vor-
    gitalen Herausforderungen zugeschrie-                                                                               rangig die seit Jahrzehnten existierenden
    ben. Die Kultusministerkonferenz (KMK)          Der marktorientierte und fast aus-                                  Probleme der Weiterbildung angegan-
    hat im Dezember 2016 mit dem Konzept schließlich auf berufliche Anpassungsqua-                                      gen werden: diffuse Strukturen der Trä-
    »Bildung in der digitalen Welt. Strategie lifizierung beschränkte Stellenwert der                                   gerlandschaft, erhebliche Unterfinanzie-
    der Kultusministerkonferenz« Ziele und Weiterbildung im KMK-Strategiepapier                                         rung, prekäre Beschäftigungsverhältnis-
    Aufgaben der allgemeinbildenden und setzt sich fort in dem vom 31. CDU-Par-                                         se der weit überwiegenden Mehrzahl der
    beruflichen Schulen sowie der Hochschu- teitag im Dezember 2018 beschlossenen                                       Lehrenden, fehlende staatliche Regelun-
    len formuliert.3 Weiterbildung kam darin Konzept »MILLA« (Modulares Interakti-                                      gen für ein kohärentes inklusives Weiter-
    nicht vor und wurde erst Ende 2017 er- ves Lebensbegleitendes Lernen für Alle)4,                                    bildungssystem, mangelnde Chancen auf
    gänzt. Ihr sind in dem 53 Seiten umfassen- das Teil der geplanten nationalen Weiter-                                Teilhabe an Weiterbildungsmaßnahmen –
    den Papier lediglich vier Seiten gewidmet. bildungsstrategie der Großen Koalition                                   die soziale Spaltung der Gesellschaft spie-
    Aber nicht nur quantitativ drückt sich die werden soll. In der Zusammenfassung des                                  gelt sich in der Weiterbildung wider –,
    erhebliche Diskrepanz zwischen der öf- Konzeptentwurfs werden unter der Über-                                       Privatisierung und Kommerzialisierung,
    fentlich und politisch postulierten Bedeu- schrift »Deutschland braucht eine zentra-                                kurzfristige Projektförderungen statt Re-
    tung der Weiterbildung und ihrer realen le Weiterbildungsplattform« in vier Punk-                                   gelförderung, fehlendes Berufsbild der
    Situation als absolut vernachlässigter Bil- ten Ausgangslage, Sinn und Zweck wie                                    Weiterbildner*innen, fehlende subjekt-
    dungsbereich aus. Es wird einerseits kon- folgt beschrieben:                                                        orientierte Beratungsstrukturen etc. Das
    statiert: »Die Digitalisierung verändert        »1. Das bestehende Weiterbildungs-                                  bei MILLA vorgesehene Vermessen der
    den Alltag und das Arbeitsleben unse- system Deutschland ist nicht in der Lage,                                     Lernenden über Punktvergabe ist darüber
    rer Gesellschaft (...) Lebenslanges Ler- die Weiterbildungslücken zu schließen.                                     hinaus eher ein weiteres Ausgrenzungs-
    nen gewinnt in der Bildungsbiografie Er- 2. MILLA fördert eine Weiterbildungskul-                                   verfahren für die Mehrheit derjenigen, die
    wachsener als längster Baustein in der Bil- tur. 3. Eine vom Staat initiierte digitale                              schon heute nicht an Weiterbildungsmaß-
    dungskette weiter an Bedeutung und der zentrale Weiterbildungsplattform schafft                                     nahmen teilhaben (können), und steigert
    Weiterbildungsbedarf wird zunehmen.« eine effiziente Infrastruktur und durch                                        allenfalls die Motivation der Bildungsbe-
    (ebd., S. 46 f.) Andererseits ist keine Rede Kompetenzpunkte eine Währung für                                       vorzugten. MILLA wird durch die zentrale
    davon, dass auch dieser Bildungsbereich den Weiterbildungsmarkt. 4. Kursanbie-                                      Erfassung der Kompetenzprofile aller Teil-
    staatlicher Regulierung und Förderung ter werden durch erfolgsabhängige Ver-                                        nehmenden außerdem ein Instrument,
    bedarf und von gut ausgebildeten, er- gütung, Bürger durch ein Prämienmodell                                        das gläserne Arbeitnehmer*innen prä-
    wachsenenpädagogisch geschulten Lehr- zur Teilnahme incentiviert5.«                                                 sentiert und den Arbeitgebern zur Aus-
    kräften gewährleistet werden muss. Im           In Punkt 1 werden zwar einige der be-                               wahl offeriert. Es wäre angebracht, die für
    Gegenteil: »Digital gestützte Weiterbil- kannten Probleme in der Weiterbildung                                      MILLA vorgesehenen staatlichen Mittel in
    dungsmaßnahmen erfolgen zeit- und benannt, dass diese aber durch eine zen-                                          Höhe von jährlich drei Milliarden Euro in
    ortsunabhängig und Erwachsene lernen trale Weiterbildungsplattform zu bewälti-                                      den Ausbau der Weiterbildung zu inves-
    darüber hinaus unabhängig von Lebens- gen sind, wie in den weiteren Ausführun-                                      tieren, um die o. a. Probleme zu lösen.
    alter oder Bildungsvoraussetzungen indi- gen unterstellt wird, ist fragwürdig und ab-                                    Weiterbildung wäre dann auch in der
    viduell und selbstgesteuert lebensbeglei- sehbar ein leeres Versprechen. Das Kon-                                   Lage, Konzepte zur Förderung von Medi-
    tend weiter.« (ebd., S. 47)                  zept gleicht eher dem Werbetext eines                                  enkompetenz zu entwickeln und die not-
        Das Primat der Pädagogik wird zwar Start-ups und lässt vermuten, dass an der                                    wendige Teilhabe an der Gestaltung einer
    betont, gleichzeitig wird jedoch die zu- Entwicklung keine Bildungsexpert*innen                                     humanen digitalen Gesellschaft zu för-
    nehmende Bedeutung digitaler Lernset- beteiligt waren. Bisherige Versuche, Ler-                                     dern. MILLA sieht das nicht einmal an-
    tings für das selbsttätige Lernen hervor- nen mit digitalen Systemen zu steuern,                                    satzweise vor.
    gehoben, in dem die Lernenden vor »der sind in ihrer Reinform gescheitert. Lern-
    Chance stehen, ihre Weiterbildung selbst programme, Lehr- und Lernplattformen
    auszuwählen, zu organisieren und zu etc. können, so die Erfahrungen, Lehren                                                     von Fred Schell
    steuern.« (ebd., S. 48). Die Dozent*innen und Lernen unterstützen, aber das ge-                                           Vertreter der Bundesfach-
                                                                                                                           gruppe Erwachsenenbildung
    finden nur als »größtenteils nebenberuf- meinsame Lernen in Gruppen mit realen                                       im »Forum Bildung in der digi-
    lich« Tätige Erwähnung und fungieren als Lehrpersonen nicht steuern oder gar er-                                       talen Gesellschaft« der GEW
    »Moderatoren« und »Lernbegleiter«. Als setzen. Eine zentrale Weiterbildungsplatt-
    Voraussetzung für die Einbindung digita-                                                                            Dieser Artikel wurde stark gekürzt. Die Langfassung
    ler Formate in der Weiterbildung fordert 4 stab-zukunftderarbeit.de/wp-content/uploads/                             mit dem Titel »Bildung in der digitalisierten Gesell-
                                                                     2018/11/MILLA_Pr%C3%A4sentation.pdf                schaft – Grundlagen und Anregungen für GEWerk-
    3   Bildung in der digitalen Welt. Strategie der Kultusmi-   5   Aus der Ökonomie stammender Begriff für »Anreize
                                                                                                                        schaftliches Handeln« gibt es hier als Download:
        nisterkonferenz; Download: kmk.org                           schaffen«                                          gew-bayern.de
DDS April 2019   5

 Foto: imago/Westend

Smarte Lehrkräfte
Was es heißt, Lehrkraft im digitalen Zeitalter zu sein
    Digitalisierung hat Konjunktur. Das        wurde hingegen die Notwendigkeit, Schu-       nicht zuletzt auch wirtschaftlich motiviert
Megathema beflügelt Zukunftsforsche-           len mit digitalen Geräten auszustatten.       ist. Sie sitzen dabei zwischen allen Stühlen,
r*innen, Konzerne, Journalist*innen, Phi-      Deutschland hinke bei der Digitalisierung     sind mit großen Erwartungen konfrontiert
losoph*innen, Bürger*innen und Politi-         insgesamt und vor allem im Bildungswe-        und sehen sich gleichzeitig Gegner*innen,
ker*innen. Gleichzeitig verunsichert es:       sen hinterher, heißt es über alle Partei-     Zweifler*innen und Skeptiker*innen ge-
Wohin sich die digitale Gesellschaft ent-      grenzen hinweg.                               genüber, die auch mitgenommen werden
wickeln wird, vermag niemand zu sa-                Auch wenn Schulen auf Finanzmittel        wollen. Schulleiter*innen müssen heute
gen. Der Diskurs reicht von Schreckensbil-     des Bundes weiter warten, werden mehr         in noch nie dagewesenem Ausmaß Stand-
dern einer digitalen Diktatur (siehe China)    und mehr Schulen mit digitalen Klassen-       ortmanagement betreiben. Keine Schu-
über die neue große Arbeitslosigkeit (Ri-      zimmern ausgestattet und Tablets halten       le möchte abgehängt werden und der
chard David Precht) bis hin zu einer neuen     Einzug in den Schulalltag. WLAN fehlt         Kampf um Schüler*innen wird letzt-
Schicht der Nutzlosen, die, von ihrer Kauf-    zwar vielerorts noch, gilt aber in der De-    lich auch über die zügig eingerichteten
kraft abgesehen, überflüssig ist (Yuval Ha-    batte um zukünftige Formen der Bildung        I-Pad-Klassen geführt.
rari).                                         als obligatorisch. Die Dauerpräsenz des            Demgegenüber wissen die Lehrkräfte
    Utopien gibt es freilich auch. Nicht zu-   Themas führt verstärkt zu Fortbildungen.      um die Erwartungshaltung, ihren Unter-
letzt im Bildungswesen erhofft man sich        Es gibt wohl keine Schule, die im letzten     richt um Aspekte der Medienbildung zu
durch bessere Ausstattung mit digitalen        Schuljahr nicht auf mindestens einer          erweitern. Dass Medienbildung als Quer-
Geräten moderneren und besseren Un-            Konferenz über Medienkonzepte und Di-         schnittsaufgabe über alle Fächer hin-
terricht. Die Politik will Schulen, Städte     gitalisierung sprechen musste. Schullei-      weg verstanden wird, zeigt sich letztlich
und Kommunen bei dieser Aufgabe unter-         tungen kommen erst recht nicht daran          auch in der Medienkonzept-Initiative,
stützen. Zuletzt gelang es dem Bund mit-       vorbei. All das verändert uns Lehrkräfte      bei der alle Schulen aufgefordert sind,
hilfe einer Grundgesetzänderung zum Di-        und unsere Schulen. Welche Trends las-        Medienkompetenz-Curricula zu erstel-
gitalpakt, Finanzhilfen zur Digitalisierung    sen sich hier schon heute ablesen, erah-      len und einzuhalten. Das bedeutet aber
der Bildung freizugeben. Bedenken gab es       nen und auch befürchten? Was bedeu-           auch, dass Lehrkräfte selbst medienkom-
zuvor aus einzelnen Ländern: gegen eine        tet es, Lehrkraft im digitalen Zeitalter zu   petent sein müssen oder diese Kompe-
Aushöhlung des föderalen Systems und           sein?                                         tenz schleunigst erwerben sollten. Die
letztlich gegenüber den Kosten, an denen           Die Schulleitungen stehen unter enor-     Bandbreite an Themen ist riesig. Für vie-
man sich nun in nicht unerheblichem Aus-       mem Druck, Digitalisierung als ein Thema      le Lehrkräfte sind Bereiche wie Informa-
maß beteiligen muss. Nicht angezweifelt        schulisch umzusetzen, das politisch und       tik und Programmieren jedoch schlicht
6   DDS April 2019

    fremd. Sie sind Expert*innen auf den Ge-         Die Lehrkraft von morgen                  fußt. Bevorteilt sind wie immer diejeni-
    bieten der Pädagogik und der Didaktik.                                                     gen, die Medien- und Gerätekompetenz
    Doch jetzt kommt eine technische Ebe-            Was heißt all das für die Lehrkraft       schon von zu Hause mitbekommen. An-
    ne hinzu, die sich sowohl mit der einen im digitalen Zeitalter? Überspitzt ausge-          dere werden noch schneller als bislang
    als auch mit der anderen Ebene verzah- drückt behält sie den Überblick und ver-            abgehängt – inhaltlich und, weil sie viel-
    nen wird.                                    mag, Hype und Trends von sinnvollen di-       leicht nicht mit leistungsstarken Gerä-
                                                 daktischen Erweiterungen zu unterschei-       ten mit großen Displays mithalten kön-
        Welche Skills braucht es für             den. Sie erkennt den Mehrwert für ihre        nen, wenn ihre Schule auf das »Bring your
        das 21. Jahrhundert?                     Schüler*innen und weiß die Kultur der         own device«-Modell setzt. Das Thema
                                                 Digitalität mitsamt einem weit über die       Bildungsgerechtigkeit, ohnehin Deutsch-
        Viele Kolleginnen und Kollegen fragen Schule hinausreichenden Leitmedien-              lands Schwachstelle, müsste also mehr in
    sich, wie und wann das alles neben den wechsel im Unterricht abzubilden. Ihr ge-           den Fokus rücken.
    anderen Herausforderungen zu bewälti- lingt das, weil sie kein*e Einzelkämpfer*in,
    gen sei. Die digitale Avantgarde der Bil- sondern lokal, regional, national und viel-         Beziehung und Miteinander
    dungslandschaft beantwortet diese Fra- leicht sogar international vernetzt ist. Zu-           stehen vor Technik
    ge auf gut gemeinte, aber dennoch zyni- nehmende Innovationsdynamik ängs-
    sche Art: Lehrkräfte im 21. Jahrhundert tigt sie nicht. Im Gegenteil, es spornt sie             Außer Frage steht, dass die Kul-
    brauchen ein bestimmtes Mindset: eine an und sie ist trotz des hohen Tempos                tur der Digitalität im 21. Jahrhundert in
    offene, neugierige und zugleich kritische gleichzeitig am Puls der Zeit und dabei          Schule und Unterricht gehört. Unstrit-
    Grundhaltung gegenüber der Notwendig- psychisch gesund und ausgeglichen. Die               tig ist ebenso, dass diese Notwendigkeit
    keit des lebenslangen Lernens. Darüber Lehrkraft von morgen absorbiert und pro-            neue Ansprüche an die Professionalisie-
    hinaus sei Vernetzung angesagt. Und man duziert eine Menge an Daten und kann               rung mit sich bringt. Und trotzdem soll-
    müsse sich mit der Frage auseinanderset- Software zur eigenen Effizienzsteigerung          ten wir hinterfragen, welche Entwicklun-
    zen, wie Bildung im 21. Jahrhundert aus- mühelos einsetzen. Sie lässt sich beina-          gen und Technologien echten Fortschritt
    zusehen habe. Konsens ist derzeit das he gläsern in die Karten schauen und lebt            bringen und welche nicht. Bremsende,
    Modell der 4 Ks: Es komme auf Kommuni- den Geist des Sharings. Sie ist davon über-         kritische und nachdenkliche Reaktionen
    kation, Kooperation, Kreativität und kriti- zeugt, ihren Schüler*innen Zugang zur Bil-     können nützlich sein und müssen weiter-
    sches Denken an. Rechtschreibung, Lesen dung des 21. Jahrhunderts ermöglichen              hin ihren Platz haben. Dazu gehört auch
    und Schreiben fehlen. Das mag auf den zu müssen. Und sie weiß, dass es dabei               die schultypische kritische Trägheit bis zu
    ersten Blick überraschen. Dennoch wis- hauptsächlich auf sie ankommt und die               dem Zeitpunkt, an dem der erste Hype
    sen wir nicht, ob die Digitalisierung die- Technik allein noch keinen besseren Un-         abgeflacht ist. Schulentwicklungsprozesse
    se »alten« Fähigkeiten noch als Voraus- terricht macht.                                    müssen genau an dieser Stelle ansetzen.
    setzung für ein erfolgreiches Leben be-          Und auch wenn kaum ein*e Vorgesetz-       Letztlich dürfen Lernumgebungen nicht
    stehen lassen wird. Wichtiger erscheint te*r diese Ansprüche so direkt an Lehr-            verarmen, weil alle Schüler*innen bunte
    eine andere Frage: Verfügen wir Lehrkräf- kräfte stellen würde, schweben sie doch          und individualisierte Endgeräte vor sich
    te selbst über diese Skills? Junge Lehrkräf- spürbar durch die Konferenzen und Fort-       haben. Beziehung und Miteinander müs-
    te vielleicht, ältere vielleicht eher nicht? bildungen. Das macht etwas mit Kollegi-       sen auch weiterhin vor Technik und Soft-
    Oder gerade doch, weil sie älter sind? Wie en und mit dem Berufsstand: Von Verwei-         ware stehen.
    haben wir diese Skills erlernt und wie las- gerung bis hin zu unkritischem Enthusias-           Schlussendlich lautet die Herausfor-
    sen sie sich unterrichten? Und wenn wir mus erleben wir die unterschiedlichsten            derung, lernwirksamen Unterricht zu ge-
    sie erst lernen müssen, wo und mit wem Reaktionsweisen. Die persönliche Verän-             stalten und Ausstattung zum Vorteil der
    gelingt dies?                                derung wird dabei zu wenig diskutiert, Er-    Lernenden einzusetzen. Auf diesem Weg
        Digitalisierungsfans versprechen sich wartungshaltungen kaum reflektiert und           sollten wir niemand zurücklassen – we-
    vom Einsatz von Tablets u. Ä. kreative Ar- Ängste schon gleich gar nicht zugegeben.        der Schüler*innen noch Lehrkräfte. Schul-
    beitsformen, technisch effizient gestalte-                                                 leitungen sind gefragt, ein gangbares Ent-
    te Zusammenarbeit, Austausch über pro-           Die digitale Spaltung                     wicklungstempo für die eigene Schule zu
    zessorientierte Aufgabenstellungen und                                                     finden, das solidarisch und individuell an-
    kritische Reflexion der Mediennutzung,           Sicher ist, dass bei dieser Entwicklung   spornend zugleich ist. Zudem sollten Lehr-
    die auch ins Private wirken soll. Sie ar- nicht alle mitkommen werden. Kollegien           kräfte, die ihre Unzufriedenheit gegen-
    gumentieren mit einer Vielzahl passen- drohen im Sog der Digitalisierung in Lager          über all diesen Entwicklungen verspüren,
    der Apps, die Eingang in den Unterricht zu verfallen, wobei die Gräben größer als          ihre Zweifel anbringen. Nachhaltige Ent-
    finden sollen. Diese Apps sind in großer früher sind. Es würde mich nicht wundern,         wicklungen brauchen Zeit. Je schneller
    Zahl auf dem Markt und für alle Betriebs- wenn diese Gräben Konflikte und Spal-            sich die Welt um die Schule dreht, desto
    systeme und Geräte zu finden. Die Band- tung nach sich zögen. Eine Spaltung, die           wichtiger erscheint es mir, diesen Entwick-
    breite ist unübersichtlich, die Herkunft die nächsten Jahre mit Schul- und Team-           lungen Zeit einzuräumen.
    der dahinterstehenden Firmen oft unklar entwicklung bearbeitet werden müsste.
    und deren Geschäftsmodelle basieren in           Die digitale Spaltung droht sich auch               von Joscha Falck
    der Regel auf dem Rohstoff des 21. Jahr- auf die Schüler*innen zu übertragen. Zu-                     Mittelschullehrer und
    hunderts: unseren Daten. »Appification« nehmend digitaler Unterricht kommt vor                              Schulentwickler
                                                                                               Koordinator und Fortbildner für
    und »Gamification« kommen trotzdem allem starken Schüler*innen zugute, weil                 digitale Bildung an Grund- und
    in unseren Klassenzimmern an.                er auf Selbstständigkeit und Kreativität                         Mittelschulen
DDS April 2019   7

Digitalisierungswelle ...
... rollt derzeit über die Schulen in Bayern
     »Digitalisierung« ist ein schwieriges,
komplexes Thema, das auch aus Ge-
werkschaftssicht mehr Fragen als Ant-
worten aufwirft. Fakt ist: Eine regel-
rechte Digitalisierungswelle überrollt
derzeit die Schulen in Bayern: Digitali-
sierungsoffensive, Digitalpakt I und II
und was es nicht sonst alles für Schlag-
worte gibt, die uns aus der Richtung un-
serer obersten Dienstbehörden um die
Ohren schwirren. Selbst die dienstliche
Beurteilung wird über ein eigenes Por-
tal online abgewickelt.
     Ist das wirklich erst jetzt ein The-
ma? Ich meine: nein. Der Prozess der
Digitalisierung weiter Bereiche unse-
res Lebens begann für die meisten von
uns sichtbar Anfang der Achtzigerjah-
re des letzten Jahrhunderts. Dieser Pro-
zess verläuft seither jedoch exponenti-
ell, wobei wir nicht wissen, an welcher
Stelle der Kurve wir uns gerade befin-
den. Letztlich haben wir keine Ahnung,
wohin die Digitalisierung führt. Die Ent-
wicklung von Schule verläuft dagegen li-
near, je nach Betrachtungsweise flacher
oder steiler.
                                                                                                               Foto: imago/Westend
     Warum jetzt dieser Hype? Ist es die
Erkenntnis der zunehmenden Spannung
zwischen diesen beiden Entwicklungs-            Medienkonzepte                            seit Beginn ihrer Arbeit im Jahre 2002.
kurven? Haben die Verantwortlichen                                                        Hier kann es ganz viel auch um Kreativi-
gemerkt, dass hier Welten auseinan-             Milliarden werden momentan in die         tät gehen: um Programmieren, um Apps
derdriften? Ist es Wahlkampf? Ist es ein Schulen für die Ausstattung sogenann-            selbst gestalten, um das Erstellen einer
Konjunkturprogramm für IT-Konzerne? ter digitaler Klassenzimmer gepumpt.                  Schüler*innenzeitung etc. und um kriti-
                                            Diese Ausstattung ist z. T. auch bitter nö-   sches Denken bezüglich Fake News, In-
     Digitales Lernen                       tig. Sie muss durch ein Medienkonzept         formationsblasen, Cybermobbing, recht-
                                            (= »Plan«) der Schule begründet sein.         liche Aspekte.
     Der Begriff vom »digitalen Lernen« Diesen – fachlich an sich richtigen – Weg
ist in aller Munde. Gibt es das über- geht das Kultusministerium (KM) im Mo-                 Datenschutz
haupt? Ich meine: nein! Lernen kann ment. Aus einem Mediencurriculum soll
nicht digital sein. Hilfsmittel zum Ler- das Ausstattungskonzept der Schule fol-              In Schulen wird mit dem Thema »Da-
nen können digital sein. Wir lernen, mit gen und daraus das Fortbildungskonzept           tenschutz« derart dilettantisch umge-
diesen Hilfsmitteln umzugehen. Digita- für das Kollegium.                                 gangen, dass man sich immer wieder die
le Lernmittel sind jedoch in der Tat ein        Nicht jede Schule muss hier jedoch        Haare raufen müsste. Es ist klar, dass per-
»Quantensprung« im Vergleich zu Pa- das Rad neu erfinden. Es gibt viel Unter-             sonenbezogene Daten von Schüler*innen
pier, Büchern, Stift und Tafel. Das Ler- stützungsmaterial: beim ISB (Institut für        auf privaten Rechnern, die keinerlei Si-
nen bzw. der Unterricht können sich Schulpädagogik und Bildungsforschung),                cherheitsstandards aufweisen, nichts zu
durch diese Hilfsmittel grundlegend än- auf der Plattform Mebis (Onlineplattform          suchen haben. Jetzt aber der entschei-
dern. Der Umgang mit digitalen Lern- des KM) oder auch durch MiBs (medien-                dende Punkt: Hier wäre der Dienstherr
mitteln: eine Kulturtechnik!                pädagogisch-informationstechnische            in der Pflicht. Entweder er stellt allen
     Aber es bleibt dabei: Digitale Lern- Berater*innen).                                 Kolleg*innen an den Schulen Arbeitszim-
mittel sind nur Hilfsmittel! Zentrale Bil-      Im Mittelpunkt der Medienkonzep-          mer, die der Arbeitsstättenverordnung
dungsziele bleiben Lebendigkeit, kriti- te sollte ein »Mediencurriculum« ste-             entsprechen und mit einschlägiger Hard-
sches Denken, Kreativität etc. und – ei- hen. Darin geht es um nichts anderes             ware ausgestattet sind, zur Verfügung
gentlich vollkommen banal – unser Le- als um die Entwicklung von Medienkom-               oder er beschafft jedem*r Kollegen*in
ben ist und bleibt analog.                  petenz. Das predigen die MiBs schon           einen dienstlichen Laptop, der profes-
8   DDS April 2019

    sionell gewartet wird und daher immer              sich die Strahlenstärke herunterre-        res Betriebssystem (z. B. Ubuntu)
    höchste Sicherheitsstandards aufweist.             geln lässt; die meisten Geräte strah- n andere Open-Source-Produkte und
    Es genügt eben nicht, jetzt einmalig ein           len weitaus mehr als notwendig.            auch OER (Open Educational Res-
    paar Milliarden an die Schulen für die Di-                                                    sources), offene und frei verfügbare
    gitalisierung auszuschütten.                       Systembetreuung                            Lehr- und Lernmittel
                                                                                                  Deshalb forderte die GEW in einem Be-
        Digitale Arbeit                                Bezüglich der Systembetreuung herr- schluss auf dem Gewerkschaftstag 2017
                                                   schen an Schulen weiterhin Zustände, die in Freiburg auch »Richtlinien für Public
        Wie verändert sich (unsere) Arbeit im      in jedem Betrieb nur Kopfschütteln her- Private Partnerships und Lernpartner-
    Zeitalter der Digitalisierung? Innerschuli-    vorrufen würden. Die Hardware wird schaften, die die Bildungseinrichtungen
    sche Kommunikation bedient sich zuneh-         vielfach von Lehrkräften administriert, vor Einflussnahme durch Großkonzerne
    mend digitaler Hilfsmittel: E-Mail, Mebis,     die dafür höchstens zwei Anrechnungs- schützen und sowohl die pädagogische
    geschützte Bereiche von Schul-Home-            stunden bekommen. Systembetreuung Autonomie von Bildungseinrichtungen
    pages …                                        muss durch IT-Fachkräfte erfolgen, nicht und Lehrenden, den Bildungsauftrag wie
        Lehrkräfte stehen hier immer mehr          durch Lehrer*innen! Lehrkräfte sollten auch das Neutralitätsgebot von Schulen
    vor der Problematik der Entgrenzung von        nur medienpädagogisch gefragt sein! Da- schützen.«
    Arbeitszeit, d. h. die Trennung zwischen       bei arbeiten die »Lehrer*innen-System-
    privater und dienstlicher Sphäre wird im-      betreuer*innen« natürlich vielfach her-        Fazit
    mer schwieriger.                               vorragend, aber in der Regel nur, weil sie
        Was wir deshalb brauchen:                  IT zu ihrem Hobby machten.                     Das System Schule muss sich weiter-
    n dienstliche E-Mail-Adressen                      Der jüngste »Innovationsschub«, mit entwickeln, insbesondere hinsichtlich des
    n Begrenzung von E-Mail-Sende- und             dem uns die bayerische Staatsregierung Themas »Digitalisierung«. Gegenwärtig
        -Lesezeit; diesbezügliche Vereinba-        beglückt, ist die Einführung des Faches haben jedoch viele Kolleg*innen den Ein-
        rungen zwischen Schulleitung und           Informatik in den Mittel- und Förder- druck, dass das Tempo, in dem immer
        Kollegium                                  schulen ab dem kommenden Schuljahr. wieder neue Initiativen angestoßen wer-
    n keinen Zwang, private Computer zu            Durch dieses Fach, das zugegebenerma- den, viel zu hoch ist. Neue Konzepte brau-
        nutzen: Dienst-Notebooks für alle          ßen sehr abwechslungsreiche und inter- chen Zeit sich zu entfalten. Die Medien-
        Lehrkräfte in Bayern!                      essante Inhalte aufweist, wird in Zeiten konzepte sollten bis zum Ende des Schul-
                                                   dramatischen Lehrer*innenmangels die jahres 2018/19 fertiggestellt werden. Ich
        Gesundheit                                 Stundentafel ab Jahrgangsstufe 5 noch- denke, sie müssten dann erst einmal in
                                                   mal um eine Stunde erweitert.              der Praxis erprobt werden. Warum paral-
        Noch im Jahr 2007 empfahl der bay-             Die Fachberater*innen Informatik lel zu diesem Prozess das neue Fach Infor-
    erische Landtag, dass Schulen auf kabel-       müssen in den nächsten Monaten in matik eingeführt werden muss, kann ich
    gebundene Netzwerke zurückgreifen sol-         mehrtägigen Schulungen die zukünftigen nicht nachvollziehen.
    len. Davon spricht heute niemand mehr.         Informatiklehrer*innen mit dem Lehrplan        Wie alle Neuerungen im Schulbereich
    Die hochfrequente elektromagnetische           Informatik vertraut machen. Die Fachbe- sollen die Erstellung der Medienkonzepte
    Strahlung, die von Handys oder WLAN-           rater*innen sind meistens auch System- und die Einführung des Faches Informatik
    Hotspots ausgeht, ist in jedem Fall weit       betreuer*innen an ihren Schulen. Nun wieder »on top« erledigt werden, zusätz-
    unterhalb der erlaubten Grenzwerte.            sollen sie selbst auf Fortbildungen lich zu allen sonstigen Aufgaben. Das kann
    Nur: Wer legt diese Grenzwerte fest? Ins-      gehen, sich gleichzeitig um die neue Hard- nicht sein, denn es lastet die Bürden den
    gesamt ist die Faktenlage sehr unüber-         ware kümmern und anschließend ihre Kolleg*innen auf. Arbeitszeit muss zur
    sichtlich. Es fehlen in jedem Fall Langzeit-   Kolleg*innen schulen. Rätselhaft, wie das Verfügung gestellt werden, um neue Kon-
    studien über die Auswirkungen elektro-         alles gleichzeitig erfolgreich bewältigt zepte erarbeiten zu können! Andere Din-
    magnetischer Strahlung, speziell bei Kin-      werden kann.                               ge müssen dann eben zurückstehen! Hier
    dern.                                                                                     sollten Kultusministerium und/oder ISB
        Klar ist: Wenn man auf WLAN in der             Lobbyismus                             konkrete Vorschläge zur Entlastung zeit-
    Schule verzichtet, muss man auch auf die                                                  nah erarbeiten.
    gesamte Tablettechnologie verzichten so-           Wie oben bereits erwähnt, kommt            Schließlich zeigt das Thema »Digi-
    wie auf das »Bring your own Device«-           mir der Digitalisierungshype wie ein gi- talisierung und Schule« wieder einmal
    Konzept.                                       gantisches Konjunkturprogramm für IT- deutlich, wie sehr der Bildungsbereich
        Mögliche Konsequenzen daraus könn-         Konzerne vor. In den zuständigen Kom- in Deutschland unterfinanziert ist. Es ge-
    ten sein:                                      missionen auf Bundesebene sitzen zu nügt eben nicht, einmalig ein paar Milliar-
    n kein WLAN im Bereich schulvorberei-          wenige Pädagog*innen und zu viele den für Hardware auszuschütten, weil für
        tender Einrichtungen (SVE)                 Vertreter*innen der IT-Industrie.          die Pflege der digitalen Ausstattung per-
    n abschaltbare Hotspots oder Router,               Wichtig ist es, im schulischen Kontext manent IT-Fachleute gebraucht und finan-
        die nur eingeschaltet werden, wenn         den Alternativen zu den Produkten der ziert werden müssen.
        damit gearbeitet wird                      großen IT-Konzerne den Boden zu berei-
    n Visible Light Communication (VLC):           ten:                                           von Johannes Schiller
        Datenübertragung über LED-Licht            n Libre Office als kostenloses Office- Mitglied im Hauptpersonalrat
        (noch in der Erforschung)                      Paket                                     Gruppe der Lehrer*innen an
                                                                                               Förderschulen und Schulen für
    n Verwendung von Geräten, bei denen            n Linux als alternatives, frei verfügba-                          Kranke
DDS April 2019   9

  Foto: imago/Pixsell

Digitale Medien
in der Kindertageseinrichtung
    Für Kinder sind heute digitale Medi-wortlichen Umgang mit Medien.«1                         le waren, irritierte einige Kinder anfangs.
en von klein auf selbstverständlich. Sie    Die Erzieherinnen und die Leitung un-               Sie machten sich jedoch schnell mit den
wachsen in einer Welt auf, in der sie von
                                        seres Hortes machten sich vor zwei Jah-                 vorhandenen Apps vertraut und erstell-
digitalen Medien umgeben sind. Zu Hau-  ren auf den Weg, digitale Medien zu nut-                ten beispielsweise Bücher mit eigenen
se, auf der Straße, in öffentlichen Ver-zen, und so nahmen wir an dem Münch-                    Geschichten, Zeichnungen, Fotos und Vi-
kehrsmitteln – überall treffen sie auf  ner Pilotprojekt KoMMBi (Konzept                        deosequenzen.
Erwachsene und ältere Kinder, die in    Münchner Medienbildung) teil. Zwei Kol-                     Zuvor schlossen wir Erzieherinnen
Smartphones schauen, dort lesen, spie-  leginnen wurden an insgesamt zehn Ta-                   mit jedem Hortkind einen Mediennut-
len und über den Bildschirm wischen. So gen zu Medienpädagogik-Beauftragten                     zungsvertrag ab. Dafür besprachen wir
ist es illusorisch, in der Kita einen medi-
                                        geschult. Fortan wirkten sie als Multipli-              vorab allgemeine Regeln, die wir dann
enfreien Raum für die Kinder schaffen zukatorinnen. Darüber hinaus erhielt die                  schriftlich festhielten. Wir vereinbarten
wollen.                                 gesamte Einrichtung eine Basisschulung                  einen sorgsamen Umgang mit den Ge-
                                        und während der gesamten Projektpha-                    räten, zeitliche Regelungen sowie einen
    Den Umgang mit Medien               se wurden wir kontinuierlich begleitet                  bedachten Umgang mit Fotos und Fil-
    von klein auf lernen                und unterstützt. So erhielten wir für un-               men. Denn obwohl einige Kinder bereits
                                        sere Einrichtung auch vier I-Pads, die un-              einen eigenen Youtube-Channel betrie-
    Durch altersgerechten Umgang mit ter anderem mit Apps wie z. B. »stopmo-                    ben, war ihnen nicht bewusst, dass man
digitalen Medien in den Einrichtun- tion« und »iMovie« sowie anderen krea-                      nicht einfach Filme ins Internet stellen
gen können die Kinder den verantwor- tiven App-Versionen bestückt waren.                        darf, sondern das Recht auf das eigene
tungsbewussten, kritischen und sinn-                                                            Bild beachten muss.
vollen Umgang damit spielerisch erler-      Praktische Erfahrungen mit
nen. Laut Bayerischem Bildungs- und         Medien im Hort                                         Bedenken können entkräftet
Erziehungsplan ist »Medienkompetenz                                                                werden
heute unabdingbar, um am politischen,       Die Kinder kannten Tablets von zu
kulturellen und sozialen Leben in der Hause vor allem als Geräte, auf denen                         Zu Beginn unserer Teilnahme am Pi-
Informationsgesellschaft zu partizipie- gezockt werden kann. Dass auf unseren                   lotprojekt luden wir die Eltern zu einem
ren und es souverän und aktiv mitzu- Geräten nun gar keine »richtigen« Spie-                    Elternabend ein, an dem wir sie über das
gestalten. Medienkompetenz bedeutet                                                             Projekt informierten. Einige Eltern be-
bewussten, kritisch-reflexiven, sachge- 1 Bayerischer Bildungs- und Erziehungsplan, 5. erwei-   fürchteten, dass sich die Kinder zu viel
rechten, selbstbestimmten und verant-       terte Auflage 2012, S. 219                          mit Tablets beschäftigen würden und
10   DDS April 2019

     dass sie als Eltern zu wenig Einfluss auf             Projekt einen Film mit dem Titel »Der         gen anderer gelten zu lassen und Kom-
     die Inhalte nehmen könnten. Diese Be-                 Tagesablauf in unserem Hort« zu er-           promisse zu schließen. Sie merkten: Der
     fürchtungen konnten wir jedoch wäh-                   stellen, der auch auf dem Einführungs-        Einsatz von Tablets bedeutet nicht nur
     rend der Projektzeit entkräften.                      elternabend zum neuen Schuljahr ge-           das Konsumieren von vorgefertigten
         Ebenso äußerten auch manche Kolle-                zeigt wurde. Die Kinder waren dabei die       Spielen, sondern schafft auch Raum für
     ginnen Bedenken, dass die digitalen Me-               Hauptakteur*innen, die von uns unter-         Fantasie und Kreativität.
     dien zu viel Raum in der Einrichtung ein-             stützt wurden. Es gab eine Projektgruppe,        Wir, die Erzieherinnen, unterstütz-
     nehmen könnten und zu wenig Zeit für                  deren Mitglieder als Multiplikator*innen      ten die Kinder dabei, wir bildeten uns für
     andere Angebote bliebe. Doch es stellte               wirkten, sodass auch andere Kinder sich       diese Aufgabe fort und erfüllen nun auch
     sich heraus, dass vieles miteinander kom-             für das Projekt verantwortlich fühlten.       einen Anspruch, den der Medienpäda-
     biniert werden kann. So bot z. B. eine Kol-           Die Kinder lernten, selbstständig mit         goge Hans-Jürgen Palme bereits vor sie-
     legin bei unseren regelmäßigen Waldta-                dem Tablet zu fotografieren und zu fil-       ben Jahren aufstellte: »Die Kinder einer
     gen immer gerne sogenannte Land-Art-                  men, sie sammelten Bild- und Filmmate-        Wissensgesellschaft haben ein Anrecht
     Projekte an. Dabei werden in der freien               rial von den unterschiedlichsten Aktivi-      darauf, mit zeitgemäßen Spiel- und Lern-
     Natur Kunstwerke gestaltet, die nur eine              täten im Hort und erstellten Interviews.      mitteln umgehen zu dürfen. Den Kinder-
     begrenze Lebensdauer haben, also ver-                 Gemeinsam wählten wir das Bild- und           tageseinrichtungen obliegt die besonde-
     gänglich sind. Die Kinder nehmen jetzt                Tonmaterial aus und suchten nach Ideen        re Möglichkeit, erste Schritte zur kreati-
     auch zu den Waldtagen ein Tablet mit                  für den Aufbau des Films.                     ven und vielfältigen Nutzung der Medien
     und halten damit ihre Kunstwerke auch                     Nachdem die Kinder viele unter-           frühzeitig zu vermitteln und erlebbar zu
     für die Zukunft fest. Außerdem sind die               schiedliche Situationen und Projekte ge-      machen.«2
     Kinder auf die Idee gekommen, Tierspu-                filmt hatten, stellten sie fest, dass das
     ren, unbekannte Früchte oder Pilze auf-               Material für einen mehrstündigen Film
     zunehmen und im Hort dann über eine                   reichen würde. So mussten sie sich eini-
     Kindersuchmaschine die entsprechenden                 gen, welche Sequenzen verwendet wer-                    von Petra Nalenz
     Bezeichnungen herauszufinden.                         den. Den Film erstellten sie dann mit der                          Erzieherin
                                                           App »iMovie«.                                     Mitglied der DDS-Redaktion

          Ein Film dokumentiert das
          Projekt                                               Pädagogisches Resümee
        Um unser Projekt zu dokumentie-           Die Kinder lernten im Rahmen des                       2   Hans-Jürgen Palme (2013/2012): Medien in der Kita.
                                                                                                             In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE; Download: kubi-
     ren, beschlossen wir, als längerfristiges Projektes, in Teams zu arbeiten, Meinun-                      online.de

      Internet-ABC aktualisiert und Neues zu                                         Kleines Einmaleins
      OER und Recht                                                                  der digitalen Selbstverteidigung
          Darf ich Bilder aus dem Netz in meinen Arbeitsblättern                          Wie man sich vor Datensammler*innen im Internet schüt-
      verwenden? Wie zitiere ich die Quelle richtig, wenn ich Inhal-                 zen kann, zeigt eine Sammlung mit Tipps von Alexander Fan-
      te aus dem Internet verwende? Im Unterrichtsalltag ist es für                  ta, Ingo Dachwitz und Tomas Rudl auf netzpolitik.org. Gleich-
      Lehrkräfte oft schwer zu entscheiden, welche Medien gezeigt,                   zeitig verweisen die Autoren auf Alternativen zu den Diensten
      kopiert und an die Schülerinnen und Schüler verteilt werden                    der großen Konzerne wie Facebook u. a.
      dürfen. Das Internet-ABC1 von iRights.Law-Anwalt Paul Klim-                         Mit ihren Sicherheitsratschlägen wollen Fanta, Dachwitz
      pel und Tom Hirche hat daher praxisbezogene Fragen und Ant-                    und Rudl sowohl der alltäglichen Sorglosigkeit mit der eige-
      worten zusammengestellt, die helfen sollen, sich in konkre-                    nen digitalen Kommunikation als auch den staatlichen Kont-
      ten Situationen richtig zu verhalten. Außerdem informiert die                  rollmechanismen und den Konzernen, die mit den Daten der
      Plattform über das Urheberrecht allgemein und das Urheber-                     Bürger*innen ihre Gewinne maximieren möchten, entgegen-
      recht in der Schule.                                                           wirken. Zuletzt liegt ihr Fokus aber auch auf dem Schutz vor
          Auch in der Reihe »OER und Recht« sind zwei neue                           Kriminellen, die im Internet Betrug, Erpressung und Mobbing
      »Jointly«-Broschüren erschienen.2 In »Nach der Reform des                      betreiben.
      Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft – OER bleiben                            Da die Autoren sich der Grenzen ihrer Tipps bewusst sind,
      notwendig« erläutert Klimpel, welche Ausnahmen seit März                       verweisen sie am Ende ihrer Sammlung noch auf zwei eng-
      2018 für Bildungseinrichtungen und Lehrkräfte gelten, wenn                     lischsprachige Leitfäden: »Surveillance Self-Defense« von der
      sie urheberrechtlich geschützte Werke im Unterricht verwen-                    Electronic Frontier Foundation (ssd.eff.org/en) und »Security
      den wollen. In »Loslassen als OER-Prinzip. Kontrollverzicht und                in a Box« von Tactical Tech und Front Line Defenders (securi-
      Bedeutungsgewinn« thematisiert iRights.info-Redakteur Hen-                     tyinabox.org/en/).
      ry Steinhau mögliche Vorbehalte gegenüber der Freigabe ei-                          Und auch das gibt es: sogenannte Cryptoparties, die über-
      gener Materialien. Das OER-Projekt »Jointly« ist ein Koopera-                  all im Land zu analogen Zusammenkünften einladen (Beispiel:
      tionsprojekt von iRights.info.                                                 cryptoparty.ln/muenchen). Dazu ein letzter Tipp: Wenn man
      Meldung der GEW Bund vom 22.1.2019                                             die dort vorgestellten Programme und Apps gleich vor Ort aus-
                                                                                     probieren möchte, sollte man sein Laptop oder Smartphone
      1   Vgl.internet-abc.de/lehrkraefte/praxishilfen/urheberrecht-in-der-schule/
                                                                                     mitnehmen.
      2   Vgl.irights.info/2018/11/19/zwei-neue-jointly-broschueren-zu-oer-und-
          recht/29281                                                                                                         von Dorothea Weniger
DDS April 2019     11

Edle Spender
oder
subtile
Manipulatoren?
Beispiel: Der Computer »Calliope Mini«
    An Deutschlands Schulen fehlt das                          Bild rechts: Der
Geld. Immer mehr Unternehmen sehen                             Minicomputer
                                                               »Calliope«.
darin eine Chance. Sie bieten Unterstüt-
zung in Form von kostenfreien Unter-                           Das Foto unten
richtsmaterialien, Kooperationsverträ-                         entstand auf dem
                                                               zehnten nationa-
gen oder Schulsponsoring an. Doch das                          len IT-Gipfel am
Engagement geschieht nicht selten mit                          17.11.2016 in der                                                                      Foto: Imago/IPON
Hintergedanken. Aktuelles Beispiel: Der                        Saarbrücker Con-
                                                               gresshalle. Vor der
Minirechner »Calliope«. Hinter dem ste-                        Eröffnung gab es
hen ausgerechnet Firmen wie der Inter-                         einen Rundgang
netgigant Google. Der macht zwar Milli-                        durch das Gipfel-
                                                               Camp mit Google-
ardengewinne, zahlt in Deutschland aber                        Chef Sundar Pichai.
so gut wie keine Steuern. Die Finanznot                        Im Bild (v. l.): Gesche Joost, Designforscherin, Internetbotschafterin der Bundesregierung, die den Mini-
an Deutschlands Schulen, die Google                            computer »Calliope« vorstellt, Sundar Pichai, geschäftsführendes Vorstandsmitglied von Google Inc,
                                                               Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, Annette Kroeber-Riel, Leiterin Politik
vorgibt, durch seine Schenkung zu mil-                         DACH und Benelux der Google Germany GmbH und Saarlandbotschafterin sowie Dr. Wieland Holfelder
dern, hat der Konzern also selbst mit be-                      von Google. Fotos: imago/Becker
fördert. Hinzu kommt: Mit der Schen-
kung nehmen Firmen wie Google subtil
Einfluss. In diesem Fall ist es der direk-
te Eingriff in den Lehrplan. Der demokra-
tische Entscheidungsprozess wird damit
ausgehebelt.

    Der Calliope Mini in Bayern
    Der Calliope Mini ist ein Minicom-
puter, mit dem Grundschüler*innen ein
Grundverständnis des Programmierens
erwerben sollen. Durch die Verwendung
einer Creative-Commons-Lizenz1 für alle
Materialien, Software und Hardware
wird prinzipiell ein herstellerunabhängi-
ger Betrieb ermöglicht. Nur: Wer hat die
Ressourcen, solche Hardware oder An-
wendungssoftware zu entwickeln und
dann kostenlos weiterzugeben?                              ope Mini innerhalb kürzester Zeit nach                       Spender*innen produziert. Mit diesem
    In Bayern kommt der Calliope Mini                      Erscheinen Eingang in viele Klassenzim-                      Geld lässt sich eine flächendeckende Ein-
im Rahmen des Modellversuchs »Digita-                      mer. Bekannt wurde der Calliope Mini in                      führung für alle Drittklässler*innen, wie
le Schule 2020« zum Einsatz.2 Gefördert                    der Netzwelt durch ein Crowdfunding3.                        sie angestrebt wurde, natürlich nicht
werden diese Aktivitäten dabei von der                     Um den Jahreswechsel 2016/17 wurden                          umsetzen. Auch die Schulen haben nicht
Google-Zukunftswerkstatt in München.                       knapp über 100.000 Euro Spenden ge-                          das Geld, um Minicomputer für ihre
Nicht nur in Bayern, sondern auch in an-                   sammelt und dafür insgesamt 38 Klas-                         Schüler*innen zu finanzieren.
deren Bundesländern wie Saarland, Bre-                     sensätze Calliope Mini für Schulen so-
men und Niedersachsen fand der Calli-                      wie knapp 2.000 private Calliope für die                        Woher also kommt das Geld?
1   Eine Creative-Commons-Lizenz ist »eine von mehre-
    ren öffentlichen Urheberrechtslizenzen, die die kos-                                                                    Aus eigenen Mitteln könnte die Cal-
                                                           3     Bei Crowdfunding handelt es sich um eine alternative
    tenlose Verteilung eines ansonsten urheberrechtlich
    geschützten Werks ermöglichen.« (Vgl. wikipedia.de)
                                                                 Finanzierungsform, bei der eine Crowd, also eine       liope gGmbH eine Einführung von Cal-
                                                                 möglichst große Menschengruppe bereit ist, ein Pro-
2   calliope.cc/schulen/pilotphase                               jekt finanziell zu unterstützen.                       liope an den Schulen nicht stemmen.
12   DDS April 2019

     Gegründet wurde die Calliope gGmbh           neue, bislang im Lehrplan nicht vorgese-                Deutschlands Schulen Fuß zu fassen.
     von sechs Gesellschafter*innen mit ei-       hene Unterrichtsinhalte. Das gibt Anlass                So hat der Internetgigant mit der »Zu-
     nem Kapital von 25.002 Euro. Aber allein     zur Sorge. Wenn Internetfirmen Schulen                  kunftswerkstatt« im Jahr 2017 ein Pro-
     die Schenkung von 2.500 Calliope Mi-         mit Computern und ihrer Software aus-                   gramm gestartet, das Google-VR-Bril-
     nis in Mecklenburg-Vorpommern koste-         statten dürfen, um Lehrpläne zu umge-                   len (VR: Virtual Realitiy) an Schulen brin-
     te laut Calliope gGmbH in der Produkti-      hen, sollen dann in Zukunft auch Fast-                  gen soll und Lehrer*innenfortbildungen
     on 75.000 Euro. Die Calliope gGmbh prä-      foodketten Lebensmittel für den Ernäh-                  anbietet. In den USA spricht man be-
     sentiert aber auf ihrer Webseite eine Lö-    rungsunterricht beisteuern oder Banken-                 reits von der »Googleifizierung« der Bil-
     sung für die Finanzlücke: Unter dem But-     verbände Gratismaterialien für das Fach                 dung. Schließlich hat der Konzern dort
     ton »Partner, die uns unterstützen« fin-     Wirtschaft liefern, um damit Themen in-                 den Markt für digitale Technik an Schu-
     den sich Stifter von einzelnen Kompo-        nerhalb des Unterrichts zu setzen, die                  len bereits in fester Hand. Dank groß-
     nenten des Minicomputers sowie Her-          der Lehrplan nicht vorsieht?                            zügiger Rabatte für Chromebooks und
     steller passender Software, Lernsoft-                                                                der kostenlosen Abgabe der Office-Lö-
     ware, Unterrichtsmaterialien und On-             Digitalisierung first,                              sung »G-Suite« konnte Google seinen
     linekursen. Als Partner sticht Google her-       Bedenken second?                                    Marktanteil bei Computerneukäufen in
     vor. Der US-Konzern wird laut Webseite                                                               Schulen von einem Prozent auf 58 Pro-
     auch den »Einsatz des minis in weiteren          Keine Frage: Die Digitalisierung führt              zent seit 2012 steigern. Ein weiterer Ak-
     Bundesländern unterstützen«. Genaue          zu einer rasanten Umgestaltung der Ge-                  teur ist die Telekom-Stiftung, die derzeit
     Zahlen sind nicht zu erfahren. Google fi-    sellschaft, der Kommunikation und auch                  in die Lehrer*innenbildung eingreift und
     nanziert darüber hinaus auch die Lern-       der Wirtschaft. Wie Schule und Bil-                     dort Projekte finanziert. Knapp 20 Milli-
     plattform OpenRoberta, in die der Calli-     dung darauf reagieren sollen, könnte                    onen Euro hat die Stiftung dafür bereits
     ope Mini integriert ist.                     zum Beispiel in wissenschaftlich beglei-                seit ihrer Gründung 2003 ausgegeben,
                                                  teten Modellprojekten ausgelotet wer-                   neue Investitionen sind angekündigt.
         Programmieren in die                     den. Doch Calliope geht in eine ande-                       Besorgniserregend ist für uns auch
         Grundschulen bringen                     re Richtung. Konzerne schaffen Fakten                   die Äußerung der mecklenburg-vor-
                                                  in Form von Geschenken, die Politik he-                 pommerischen Bildungsministerin Hes-
         Programmieren ist in der Grundschu-      chelt dankbar hinterher. Kritische Nach-                se, Schulsponsoring und die stärkere
     le bisher nicht vorgesehen. Die Callio-      fragen oder politischer Gestaltungswille                Zusammenarbeit von Schule und Wirt-
     pe gGmbh gibt ihr Ziel für das Schulsys-     sind unerwünscht. Das erinnert an den                   schaft seien ein »Modell der Zukunft«.
     tem aber offen zu: »Unser Wunsch ist es,     FDP-Slogan »Digital first, Bedenken se-                 Grundsätzliche Überlegungen zur Digi-
     dass digitale Bildung ab der Grundschule     cond«. Dabei müsste gerade in der Bil-                  talisierung, auch in der Bildung, müssen
     als ein fester Baustein im Curriculum ver-   dung das Primat der Politik wiederher-                  gesellschaftlich diskutiert und politisch
     ankert und von den Ländern angemes-          gestellt werden. In die Debatte um die                  entschieden werden. Digitalisierung und
     sen budgetiert wird.«4 Und nennt fünf        Digitalisierung der Bildung hat sich eine               deren Ausgestaltung, eines der zentralen
     Gründe, »warum Kinder programmieren          Verselbstständigung eingeschlichen. Da-                 Zukunftsthemen, darf nicht den Konzer-
     lernen sollten«.5 Anstatt aber ihre Vor-     bei sagt selbst die Informatikprofesso-                 nen überlassen werden.
     schläge in den demokratischen Prozess        rin Martens: »Es gibt keine Zwangsläufig-
     der Lehrplanentwicklung der Bundeslän-       keit, jedem Trend und jeder technischen
     der einzubringen, entschied sich Calliope    Errungenschaft hinterherzulaufen.«6 Am                            von Fabian Kaske
     anscheinend für einen anderen Weg der        Anfang der Überlegungen muss stehen,                      Lehramtstudium Sonderpäd-
     Einflussnahme: für die Schenkung.            was Schüler*innen eigentlich lernen                       agogik in Köln (Sozialwissen-
                                                                                                                  schaften und Deutsch)
         Das normale Prozedere wäre Fol-          müssen, um aktuellen und künftigen He-                   Referendariat an einer inklusi-
     gendes gewesen: Die Politik nimmt Vor-       rausforderungen wie der Digitalisierung                       ven Grundschule in Bonn
     schläge aus der Gesellschaft und Wis-        zu begegnen.                                                               Von Juni 2017 bis Februar 2019
                                                                                                                          betreute er bei LobbyControl e. V.
     senschaft zur Veränderung des Curricu-                                                                              das Thema Lobbyismus an Schulen.
     lums (Lehrplans) auf und diskutiert die-         Digitalisierung als Einfallstor
     se in Anhörungen des Landesparlaments            für Einfluss an Schulen
     mit Expert*innen. Dann entscheidet der
     Landtag über diese Änderungen und               Digitalkonzerne haben die Bildung                    Dieser Artikel erschien in ähnlicher Form am 3. No-
     es erfolgt eine Implementierung in den       längst als wichtiges Spielfeld entdeckt.                vember 2017 auf der Webseite des Vereins Lobby-
     Schulen des Landes.                          Und der Markt wird immer lukrativer.                    Control e. V.: »Edle Spender oder subtile Manipu-
                                                                                                          latoren? Lobbyismus an Schulen und der Fall des
         Demgegenüber versucht Calliope           So will allein der Bund über den Digital-               Kleincomputers Calliope Mini«; vgl. lobbycontrol.de
     über die Schenkung Fakten zu schaffen        pakt fünf Milliarden Euro in die techni-                Zum Thema des Artikels veröffentlichte LobbyCon-
     – mit Erfolg. In einigen Bundesländern       sche Infrastruktur der Schulen investie-                trol auch die umfassende Broschüre »Lobbyismus
     sind die Minicomputer schon im Einsatz.      ren. Das bringt die großen Akteure mit-                 an Schulen«; kostenloser Download: lobbycontrol.de
     Weitere sollen folgen. Damit hebeln die      samt ihren Stiftungen auf den Plan. Ins-                LobbyControl ist ein gemeinnütziger Verein, der
                                                                                                          über Lobbyismus und Machtstrukturen in Deutsch-
     »Stifter*innen« die politischen Entschei-    besondere Google versucht mit einer                     land und der EU aufklärt. Er setzt sich ein für Trans-
     dungen des Landtags aus und platzieren       groß angelegten Lobbykampagne an                        parenz, demokratische Kontrolle und klare Schran-
                                                                                                          ken der Einflussnahme auf Politik und Öffentlich-
                                                                                                          keit. LobbyControl finanziert sich ausschließlich
     4   calliope.cc/neuigkeiten                  6   Vgl. »Informatikerin: Digitalisierung muss Grund-   über Spenden: lobbycontrol.de/initiative/unsere-
     5   calliope.cc/idee/mission                     schulstoff werden« v. 23.10.2017; heise.de          finanzierung
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