www.pszh.ch Visit - Die Kraft der Gemeinschaft Der Mensch ist ein soziales Wesen. Deshalb braucht er die Begegnung mit anderen. Gemeinschaftliches ...

 
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Visit
Nr. 1   Frühling 2021

Magazin von Pro Senectute Kanton Zürich
www.pszh.ch

                   Die Kraft der Gemeinschaft
                   Der Mensch ist ein soziales Wesen. Deshalb braucht er die
                   Begegnung mit anderen. Gemeinschaftliches Tun macht zufrieden
                   und verlängert das Leben.
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Pro Senectute
                                                      Kanton Zürich

                                               Konta
                                          Sie uns u k tieren
                                                   nverbind
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                                            home@p 1 51                             Wohlfühlen und Geniessen! AlpenPur Massage,
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                                                                                  «Da sind wir uns einig.»

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erforderlichen administrativen Aufgaben mit den Kostenträ-
                                                                                  Meine Mutter will ihre Unabhängigkeit, ich ihre
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                        Vermietung & Verkauf
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                        Tel. ★ 071 672 70 80
                        www.heimelig.ch
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                                                                           Liebe Leserin, lieber Leser
                                                                           Kein Mensch ist eine Insel: So brachte es
                                                                           bereits der englische Dichter John Donne
                                                                           (1572–1631) auf den Punkt. Wir alle leben in
                                                                           einem Beziehungsnetz, brauchen die Begeg-
                                                                           nung und den Austausch mit anderen. Oder
                                                                           wie es der Sozialwissenschaftler Kurt Seifert
                                                                           im Visit-Interview auf Seite 12 ausdrückt:
                                                                           «Menschen sind soziale Beziehungswesen.»
                                                                           Wie wichtig und wertvoll Gemeinschaften
                                                                           sind, wird uns in der Corona-Zeit deutlich
                                                                           bewusst. Glück hat, wer auch in einer Krise
                                                                           von einem starken Netz sozialer Beziehungen
                                                                                                                                4
                                                                           getragen wird – von lieben Familienangehöri-        Gemeinschaft mit andern macht zufrieden und verlängert das Leben. Ruedi
                                                                           gen, guten Bekannten, treuen Freunden.              Wyss zum Beispiel engagiert sich als aktiver Pétanque-Spieler in Zürich.
                                                                           Das kann mit zunehmendem Alter zur Her-
                                                                           ausforderung werden. Wenn sich berufliche
                                                                           Bekanntschaften verflüchtigen, wenn Kinder
                                                                           und Grosskinder in die weite Welt ziehen,
                                                                           wenn die eigenen Kräfte abnehmen und die
                                                                           Mobilität immer mehr begrenzt wird – wie
                                                                           lassen sich dann die Räume füllen, die sich
                                                                           im Leben plötzlich auftun?
                                                                           Dieser Frage gehen wir in dieser Visit-Ausgabe       12                                    28
                                                                           nach. Denn Gemeinschaftssinn ist nicht nur
                                                                           jetzt, in dieser Zeit der Pandemie, ein begehrtes   «Wahlverwandtschaften» zu             Die Schaffhauser Künstlerin
                                                                           Gut. «Nur in beständigen und vertrauensvollen       Menschen, mit denen uns gemein-       Christine Seiterle malt Alltags-
                                                                           Beziehungen sind die Menschen bereit, andere        same Interessen und Visionen          szenen, die vielschichtig in die Tiefe
                                                                           mit ihren Stärken und Schwächen zu akzep-           verbinden, sind gerade auch für       weisen und Geschichten erzählen.
                                                                           tieren, einander in schweren Zeiten beizu­          ältere Menschen wichtig. Sagt         Im Zentrum ihrer Bilder stehen oft
                                                                           stehen und Verantwortung füreinander und            Sozialwissenschaftler Kurt Seifert.   Gemeinschaften.
                                                                           für die Umwelt zu übernehmen», schrieb
                                                                           der kürzlich verstorbene Arzt und Buchautor             LEBENSRAUM                            LEBENSLUST
                                                                           Remo H. Largo. Und Erkenntnisse aus der Ge-          4 Gemeinsam ein soziales Netz        28 Das gemeinsame Erleben
                                                                           sundheitspsychologie zeigen: Gemeinschaft              für alle knüpfen                      verbindet Menschen
                                                                           mit andern macht zufrieden, stärkt das Wohl-        12 Kein Mensch ist eine Insel:        32 Wow Museum
                                                                           befinden und die Gesundheit.                           Im Gespräch mit Sozialwissen-      36 Mitarbeitende über 65 für
                                                                           Gemeinschaftserlebnisse ermöglichen, ge­               schaftler und Autor Kurt Seifert      Pro Senectute Home im Einsatz
                                                                           mein­same Aktivitäten und sozialen Austausch                                              38 Auf Stadtwanderung durchs
                                                                                                                                                                        Seefeld zum Elefanten im
                                                                           fördern, für ältere Menschen in jeder Lebens­           LEBENSART
Foto Titelseite : Daniel Rihs ; Seite 3: Daniel Rihs, Rita Torcasso, zVg

                                                                           phase da sein – das ist auch von jeher das Ziel                                              Stöckentobel
                                                                                                                               18 Der Entertainer: Porträt des       42 Rätsel
                                                                           von Pro Senectute Kanton Zürich. Ganz im Sinn
                                                                                                                                  Zürcher Unterhaltungs-Unter-       44 Marktplatz
                                                                           der alten Weisheit: Kein Mensch ist eine Insel.
                                                                                                                                  nehmers Freddy Burger (75).        45 Impressum
                                                                                                                               23 Medientipps                        46 Goldene Zeiten: Gemeinschaft
                                                                                                                               26 Zwischen Zahlen und Menschen:         am Beizentisch
                                                                                                                                  Ruth Keller-Schilling aus Rüti
                                                                                                                                  und Hanspeter Nauer aus Stäfa
                                                                                                                                                                         BEILAGE AKTIV
                                                                                                                                  arbeiten im Steuererklärungs-
                                                                                                                                  dienst von Pro Senectute           		Agenda mit Veranstaltungen
                                                                                                                                  Kanton Zürich.                       und Kursen von Pro Senectute
                                                                                                                                                                       Kanton Zürich
                                                                                            Véronique Tischhauser-Ducrot
                                                                                            Vorsitzende der Geschäftsleitung

                                                                                                                                                                              Visit Frühling 2021         3
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Haben gemeinsam angepackt: Giuseppe Capobianco
    (links im Bild) und Elisabeth und Walter Kaiser
    lancierten in Zürich-Seebach die Aktion «Hansbank
    in allen Gassen».

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LEBENSRAUM

Gemeinsam ein
soziales Netz
für alle knüpfen
Gemeinschaft mit andern macht zufrieden und verlängert das Leben.
Am schönsten ist sie, wenn man auch die eigenen Bedürfnisse einbringen
und aktiv mitgestalten kann. Das braucht im Alter Mut für Neues.
Text: Rita Torcasso   Foto: Daniel Rihs

«Was mir im Alter Freude macht? Einladungen,          in beständigen und vertrauensvollen Beziehungen
Kontakte zu Verwandten, Freunden und Bekann-          sind die Menschen bereit, andere mit ihren Stärken
ten, Gespräche bei einem guten Glas Wein,             und Schwächen zu akzeptieren, einander in
­Diskussionen über die Weltlage, auch über das        schweren Zeiten beizustehen und Verantwortung
 Leben und den Tod», sagt eine Frau um die 80.        füreinander und für die Umwelt zu übernehmen.»
    Gemeinschaft verstehen wir meist als etwas             Kurz vor seinem Tod im letzten November
 Persönliches, das wir im privaten Umfeld leben.      ­sagte der 77-jährige Kinderarzt nach dem dritten
 Doch ebenso wichtig ist das soziale Eingebunden-      Hirnschlag: «Am Anfang betreute mich die Fami-
 sein mit Sport und Kultur, Vereinen und Interes-      lie rund um die Uhr. So habe ich sie nochmals
 sengruppen für ein bestimmtes Ziel. Aus der Ge-       richtig intensiv erleben können. Das Verrückte
 sundheitspsychologie weiss man heute, dass            ist: Hätte ich den Hirnschlag nicht gehabt, wären
 sozial isolierte Menschen ein zwei- bis fünffach      wir uns nie mehr so nahe gekommen.»
 höheres Risiko haben, vorzeitig zu erkranken und          Die ständige Bedrohung durch Corona, in der
 zu sterben.                                           wir heute leben, lenkt den Blick auf Wesentliches
                                                       wie Solidarität und Zusammenhalt. Eine grössere
Eine neue Sorgekultur                                  Rolle denn je spielt dabei die Nachbarschaft. Mig-
Wie eine Welt mit immer weniger Gemeinschaft           ros-Kulturprozent hatte vor zwei Jahren zusam-
aussieht, macht uns Corona derzeit schmerzlich         men mit Pro Senectute, Gesundheitsförderung
bewusst. In seinem neuen Buch «Zusammen                Schweiz und dem Zentrum für Gerontologie der
­leben» zeigt Remo H. Largo Chancen, wie eine          Uni Zürich das Netzwerk Caring Communities
 zukünftige Gesellschaft aussehen könnte. Unsere       gegründet.
 Grundbedürfnisse und Wertvorstellungen seien              Im vergangenen Jahr 2020 erhielten 30 Projek-
 auf Gemeinschaft hin angelegt, so der Autor.          te eine Anschubfinanzierung. «Diese können sich
 «Doch heute sind die Menschen zutiefst verunsi-       überall entwickeln, in allen Lebensbereichen. Sie
 chert und sehnen sich nach existenzieller Sicher-     stellen das Zusammenleben ins Zentrum und ver-
 heit, Fürsorge und Solidarität.»                      suchen eine Sorgekultur zu entwickeln, in der
    Largo plädiert für ein neues Menschenbild, bei     gegenseitige Wertschätzung und Unterstützung
 dem Geborgenheit und Zuwendung, soziale Aner-         gelebt wird», erklärt Barbara Salm vom Bereich
 kennung und Selbstentfaltung ebenso als Grund-        Soziales. Ein konkretes Beispiel war die Aktion
 bedürfnisse gelten wie existenzielle Sicherheit       Hansbank, um gemeinsam Begegnungs­orte zu
 und körperliche Integrität. Er ist überzeugt: «Nur    schaffen (siehe Porträt Seite 10).             >>

                                                                                                     Visit Frühling 2021   5
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LEBENSRAUM

                                                                          Stellvertretungen zu übernehmen. Schliesslich
                                                                          findet sie ihren Platz, engagiert sich als Freiwil-
«Heute sind die Menschen zutiefst verunsichert                            lige, hütet Enkel, geniesst Sport und Reisen zu
und sehnen sich nach existenzieller Sicherheit,                           zweit und mehr Zeit für den Garten.
                                                                             Vom Ende her blickt Hans Fischer (92) zurück.
Fürsorge und Solidarität.» Remo H. Largo                                  Als grösste Herausforderung bezeichnet er die
                                                                          Neuorientierung nach dem Tod seiner Frau. Er
                                                                          fühlte sich «allein, unbrauchbar, gefangen in
                                                                          seelischer Einsamkeit». Übers Internet fand er
                      Zurzeit geht es bei vielen Projekten um prak-       eine neue Partnerschaft, die nach 13 Monaten
                   tische Unterstützung. In Zusammenarbeit mit Pro        durch den Tod beendet wurde. Nun im hohen
                   Senectute entstand so die App Amigos. Menschen         Alter a­ n die Wohnung gebunden, pflegt er die
                   mit Risiko können über die App einkaufen und           schönen Erinnerungen, freut sich über Besuche
                   die Einkäufe von Freiwilligen kostenlos nach Hau-      und spielt jeden Tag Klavier als seine «Leiden-
                   se bringen lassen. Rund 25 000 Personen haben          schaft fürs Leben».
                   seit dem Frühjahr diese Hilfe in Anspruch genom-
                   men, das bedeutet 800 Einkäufe im Tag.                 Von der Einzelwohnung zum Gemeinschaftshof
                      Viele Gemeinschaftsprojekte mussten wegen           Wie gut man in die Gemeinschaft eingebunden
                   Corona neue Wege suchen, so auch das Netzwerk          bleibt, hängt stark von der Wohnsituation ab. Ein
                   Tavolata mit selbstorganisierten Mittagstischen.       afrikanisches Sprichwort sagt: «Einer allein kann
                   Statt gemeinsam zu essen, kann man seit August         kein Dach tragen». Doch in der Schweiz leben
                   per Zoom ein «Amuse-Bouche» mit andern genies-         neun von zehn Personen über 65 in einem Paar-
                   sen – zusammen wurde so ein Dreigänger ge-             oder Einpersonenhaushalt; im hohen Alter nimmt
                   kocht, die Grundlagen für Yoga erlernt und der         die Vereinzelung zu. Seit nun schon einigen Jah-
                   hawaiianische Tanz Hula eingeübt.                      ren sucht die Babyboomer-Generation, die tiefe
                                                                          gesellschaftliche Umbrüche erlebt hat, nach ge-
                   Engagement öffnet Perspektiven                         meinschaftlicheren Wohnformen fürs Alter.
                   Um zu verhindern, dass sich Gemeinschaften aus            Monika Müller* ist 72 Jahre alt. Sie erzählt:
                   den Augen verlieren, schaltete Pro Senectute ein       «Mit der Pensionierung wollte ich nochmals ein
                   einfaches Tool für Telefonketten auf. Mit dem          soziales Experiment wagen.» In den letzten fünf
                   Rundtelefon kann eine Gruppe während verein-           Jahren lebte sie in einem Grosshaushalt mit acht
                   barten Zeiten den Austausch pflegen. Das Zusam-        Personen in der Genossenschaft Kraftwerk in
                   menführen von Menschen steht bei der Stiftung          Zürich. «Ich war die älteste, die jüngste noch ein
                   seit über 100 Jahren im Zentrum, besonders stark       Baby», erklärt sie. Und: «Mich reizte das Zusam-
                   bei den Initiativen der Ortsvertretungen in den        menleben mit Menschen aus verschiedenen
                   Gemeinden.                                             Kulturen und Generationen.»
                      Freiwillige, oft selber im Pensionsalter, organi­      Die Erfahrung sei bereichernd gewesen, und
                   sieren Seniorenreisen, Singrunden, Wandergrup-         durch die Selbst­organisation in der Siedlung habe
                   pen, gemeinsames Essen und Sich-Bewegen und            sie viel gelernt. «Ich habe einen Stamm für Pen-
                   vieles mehr. Jeder und jede kann zu mehr Gemein-       sionierte gegründet und war in der Vermietungs-
                   schaftssinn beitragen. Entstanden ist so ein sozia-    kommission aktiv.» Mit der Pensionierung habe
                   les Netz für Seniorinnen und Senioren, das sich        man Zeit, neue Formen des Zusammenlebens
                   über den ganzen Kanton spannt. Zwar mussten            auszuprobieren. Es sei ein wenig, wie auf Reisen
                   jetzt viele Aktivitäten eingestellt werden, doch die   zu gehen, «mit einer grossen Vielfalt von Men-
                   Arbeit an den Frühlingsprogrammen läuft.               schen und Lebenszielen». Im letzten Herbst zog
                                                                          Monika Müller in eine Vierer-WG mit drei Frauen,
                   Nicht nur auf der Welt für sich allein                 alle älter als sie. «Wir sind eine Alters-Peergroup,
                   Der Eintritt ins Alter bedeutet eine Herausforde-      lernen voneinander und unterstützen einander.»
                   rung, sich in der Gemeinschaft neu zu verorten.
                   Der Dokumentarfilm «Leben in Rente» von Dieter         Mehr Gemeinschaft zwischen Jung und Alt
                   Gränicher zeigt, wie eine solche Orientierung im       Der Age-Report «Wohnen in den späten Lebens-
                   Alltag gelingen kann. Die Spitex-Fachfrau Gaby         jahren» zeigt, dass sich von den 65- bis 74 -Jähri-
                   Grütter schreibt acht Tage nach der Pensionie-         gen 15 Prozent eine Wohngemeinschaft als zu-
                   rung: «Ich habe keine Aufgabe mehr, dieses­            künftige Wohnform vorstellen könnten und fast
                   Gefühl hatte ich noch nie, ich bin doch nicht          ein Drittel eine Hausgemeinschaft. Im letzten
                   nur auf der Welt für mich?» Ein Velounfall zwingt      Jahrzehnt entstanden entsprechende neue Initia-
                   sie, nicht einfach wieder im alten Beruf               tiven. Ein gutes Beispiel ist die Genossenschaft

6    Visit Frühling 2021
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Gemeinschaftshof in Niederweningen, wo
15 S­ enioren in einer Hausgemeinschaft leben –
einem Mix aus Kleinwohnung und geteilten Ge-                 Info
meinschaftsräumen. Gekocht und gegessen wird
oft zusammen. Die Mittagstische und Kaffeetreffs
                                                          Gemeinschaft leben – ein Wegweiser
stehen auch Menschen aus dem Dorf offen, eben-
so einige Räume für Spielnachmittage, Sitzungen,          Bücher und Film:
Sonntagstreffs. So entstehen viele Kontakte über
Generationen hinweg.                                      Remo H. Largo, Zusammen leben. Das
   Mehr Gemeinschaft zwischen Jung und Alt ist            Fit-Prinzip für Gemeinschaft, Gesellschaft
auch das Ziel der Initiative «Wohnen für Hilfe» von       und Natur. S. Fischer Verlag 2020
Pro Senectute Kanton Zürich, die Studierende mit          Denise Battaglia, Was mein Leben sinnvoll
älteren Menschen zusammenführt. Das Zusam-                macht. Über persönliche Werte, Selbst­
menleben wird von beiden Seiten geschätzt (siehe          bestimmung, das Altern und das Sterben.
Porträt Seite 8). Gerade weil Wohnen im Alter             Beobachter Edition 2020
wichtiger wird, bietet Pro Senectute mit der Web-
seite «Wohnform 50plus» Beratung und Informa-             Dieter Gränicher, Leben in Rente. Zwischen
tionen zu den vielen neuen Wohnformen. Und                Aufbruch und Abschied:
man kann selber Wohnpartner suchen und Wohn­              momentafilm.ch
ideen lancieren.                                          Webseiten:

Eigene Zeit für ein gutes Leben                           Pro Senectute Kanton Zürich mit Ortsvertre-
Im Buch «Was mein Leben sinnvoll macht» hält              tungen: pszh.ch > Ortsvertretungen
die Philosophin und Ethikerin Denise Battaglia
                                                          AMIGOS Einkaufsservice und Telefonketten:
fest, dass wir in einer Gesellschaft der «Versäum-
                                                          pszh.ch > Coronavirus > AMIGOS/
nisangst» leben. Als grösste Versäumnisse ihres
                                                          Telefonketten
Lebens nannten Sterbende: Dass sie nicht den
Mut hatten, sich selber treu zu sein, und eher den        Caring Communities:
Erwartungen anderer zu genügen. Dass sie zu viel          caringcommunities.ch
gearbeitet haben. Dass sie ihre Kontakte zu wenig
                                                          Tavolata, das Netzwerk für selbstorganisierte
pflegten und dass sie sich nicht erlaubt hätten,
                                                          Tischgemeinschaften:
glücklicher zu sein».
                                                          tavolata.ch
   Gemeinschaften muss man pflegen, sich Zeit
dafür nehmen und den Mut haben, zu den eigenen            Wohnform 50plus:
Bedürfnissen zu stehen. «Erobern Sie sich Ihre            wohnform50plus.ch
Zeit zurück. Die künstliche Zeit ist schnell und
nicht identisch mit der eigenen, die man für ein          Erwähnte Wohn- und Hausgemeinschaften:
gutes, soziales, tief empfundenes Leben braucht»,         Wohngenossenschaft Kraftwerk 1, Zürich:
so der Rat für ein gutes Alter.                           kraftwerk1.ch; Gemeinschaftshof
   Die Corona-Pandemie brachte das Gefühl mit             Niederweningen: gemeinschaftshof.ch
sich, als würden wir alle zusammen in einem
riesigen Wartezimmer sitzen. Mit der Impfung
kommt nun die Möglichkeit für Gemeinschaft              Anzeige
zurück, auch für die völlig alltägliche. Der Schrift-
steller Peter Bichsel sagt dazu: «Ich grüsse gern,
und ich geniesse es, im kleinen Ort zu wohnen,
                                                                                           Ferien- und Erholungshaus am Sempachersee
wo sich die meisten noch grüssen. Es heisst nicht
nur, dass ich den andern wahrgenommen habe,                   Herzlich willkommen in der Seematt am Sempachersee.
                                                              Die herrliche Lage direkt am Sempachersee ist einmalig.
es ist auch ein gegenseitiges Zeichen des Dazu-               Entspannung und Erholung beim rollstuhlgängigen Rundweg im Seepark ist geboten.
                                                              Zimmer mit herrlichem Blick auf den See.
                                                              Gastronomie mit kulinarisch feinem und frischem Essen für interne sowie externe Gäste.
gehörens. Gegrüsst werden und grüssen kann ein                Professionelle Dienstleistungen bei Pflege und Medizin.
                                                              Körperliches und seelisches Wohlergehen bei Therapie, Massage und Beauty.
bisschen Wärme in einen grauen Tag bringen.»                 Die Seematt ist für Feriengäste, Kurgäste sowie für Pflegebedürftige der ideale Platz.

                                                              Für Ihr Wohl und Ihre Geborgenheit wird rund um die Uhr gesorgt.
* Name geändert                                               Die Geschäftsleitung Markus Stöckli und das Seematt – Team freut sich auf Ihren Besuch.

                                                              Danner-Stiftung | Seestrasse 3 | 6205 Eich am Sempachersee | 041 462 98 00 | info@seematt-eich.ch | www.seematt-eich.ch

                                                                                                                                                                Visit Frühling 2021     7
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LEBENSRAUM

Wohngemeinschaft mit Familienanschluss
Irene Fazzini (73) und Thorvin Stasiak (28), Buch am Irchel

Thorvin Stasiak hängt gerade in der     eine Stunde pro Quadratmeter seines     von Pro Senectute Kanton Zürich stiess
Küche ein Wandgestell auf. Seit ein­    Zimmers. «So genau nehmen wir das       Thorvin im Internet. «Ich brauchte
einhalb Jahren lebt der Werkstudent     nicht, er hilft, wo es wegen meiner     etwas Günstiges und wünschte mir
bei Irene Fazzini in einer geräumigen   künstlichen Gelenke nötig ist: beim     eine Wohnform mit sozialem Kontakt.»
Vierzimmerwohnung mit grosszügigem      Grosseinkauf, Staubsaugen, Wäsche-      Seit fünf Jahren wohnt der Norddeutsche
Wohnbereich und Gartensitzplatz,        aufhängen und bei Handwerklichem.       nun in der Schweiz. Der ehemalige
mitten im Dorf Buch am Irchel. Er       Und er hilft mir bei Problemen mit      Gärtner studiert in Winterthur Infor-
bezahlt nur die Nebenkosten, leistet    Handy und TV», erklärt Irene Fazzini.   matik und arbeitet als wissenschaft­
aber jeden Monat 15 Stunden Hilfe –     Auf das Angebot «Wohnen für Hilfe»      licher Assistent an der Hochschule.

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«Seit Corona bin ich darauf angewie-        schwimmen. «Vieles fällt jetzt weg und     junge Frau bei ihr, die dann zu ihrem
sen, im Homeoffice zu arbeiten und          wir essen täglich zusammen, abends         Freund zog. Mit beiden habe sie noch
zu stu­dieren», sagt er.                    jassen wir oder machen andere Karten-      heute einen guten Kontakt.
Zum Tagesablauf gehört das gemein­          spiele», erzählt sie.                      «Jetzt ist das gemeinsame Wohnen noch
same Kochen, zusammen wird geplant          Beide sind zufrieden mit der Wohn-         wichtiger geworden für mich, weil so
und aus der Gemeinschaftskasse ein-         form. «Irene ist eine Ergänzung zu         viele Kontakte wegfallen, und ich bin
gekauft. Irene Fazzini: «Ich koche und      meiner Oma, die mir sehr nahesteht,        froh um die Hilfe.» Vertraglich festgelegt
backe sehr gerne, auf Thorvins Wunsch       und ich bin froh, dass ich hier günstig    ist, dass Thorvin bis zum Ende des vier-
nun auch vegetarisch.» Vor Corona ging      wohnen kann», sagt er. Und sie erklärt:    jährigen Studiums bleiben kann. «Danach
er dreimal pro Woche tanzen, sie zwei-      «Nach dem Tod meines Mannes vor            werde ich wohl wieder jemanden bei
mal singen, oft mit Freundinnen aus-        vier Jahren war es für mich wichtig,       Wohnen für Hilfe› suchen, ich möchte
wärts essen und viermal ins Hallenbad       nicht allein zu sein.» Zuerst lebte eine   die Gemeinschaft nicht mehr missen.»

Das Spiel vereint Welten
Ruedi Wyss (71) Zürich

Mit Schwung saust die Kugel möglichst       man sich auf der Josefwiese zum            es hat eine Flutlichtanlage», erklärt
nahe zur kleinen farbigen Zielkugel,        Pétanque. «Im Winter sind es meist         Ruedi Wyss. Er ist seit Jahrzehnten
zwei Mannschaften treten gegenein­          um die zwei Dutzend Personen, ab           aktiver Spieler und engagiert sich auch
ander an. Fast bei jedem Wetter, ausser     13 Uhr kommen die ersten, abends           im Vorstand des Pétanque Club Zürich,
wenn es sehr kalt ist oder regnet, trifft   nach Arbeitsschluss dann die Jungen,       der 160 Mitglieder zählt.              >>

                                                                                               Hat gelernt, auch alleine heiter
                                                                                               zu sein: Gardi Hutter beim
                                                                                               Pflegen ihrer Clownschuhe.

                                                                                                      Visit Frühling 2021         9
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LEBENSRAUM

                                           «Der älteste Spieler ist fast 90 Jahre alt   auch ein Ziel. Etwa ein Drittel der Club-
                                           und spielt noch regelmässig, und etwa        mitglieder spiele auf hohem Level und
                                           ein Viertel sind Frauen.» Man müsse          nehme an anspruchsvollen Turnieren
                                           aber nicht Clubmitglied sein, sagt           teil, erklärt Ruedi Wyss. «Doch das
                                           Wyss: «Mitmachen kann jeder und              Schönste ist für mich: Hier treffen ganz
                                           jede, im Sommer sind viele auf dem           verschiedene Welten und auch Genera-
                                           Platz, dann bilden sich Grüppchen            tionen aufeinander und leben Gemein-
                                           nach Spiellevel.» Und selbstverständ-        schaft.» Die Spielfreude hat er auch
                                           lich sitzt man jeweils nach dem Spiel        seinen Kindern vermittelt. So steht
                                           noch zusammen. Auf der Josefwiese            der Rentner heute auch mal mit den
                                           steht ein kleines Clubhaus mit Geträn-       beiden Enkeln im Schulalter auf dem
                                           ken zur Verfügung. «Hier sind viele          Kiesplatz. «Es ist ein Familiensport –
                                           Freundschaften und auch einige               alle haben ihren Spass.»
                                           Lieben entstanden.» So richtig Feuer         Pétanque spielen kann man auf vielen
                                           für das Spiel fing der studierte visuelle    Plätzen in der Stadt, doch es gibt keine
                                           Gestalter, der 30 Jahre an der Zürcher       Möglichkeit, das Spiel bei Regen in
                                           Hochschule der Künste als Dozent ge-         eine Halle zu verlegen. «Leider sind
                                           arbeitet hat, als er an einem Rücken­        wir mit solchen Anfragen bei der Stadt
                                           leiden erkrankte. «Ich bin mir sicher,       immer wieder abgeblitzt.» Nach dem
                                           dass das Pétanque-Spiel viel zur Bes-        Lockdown hat in diesem Sommer das
                                           serung beigetragen hat, andere Sport-        Interesse stark zugenommen. «Vor
                                           arten konnte ich nicht mehr ausüben,         allem viele ältere Menschen sind jetzt
                                           heute fahre ich wieder sport­lich Velo.»     täglich auf dem Platz, schauen zu,
                                           Er sagt, dass das Spiel alles biete: Be-     spielen mit und finden hier Kontakte
                                           wegung, Konzentration, Leiden­schaft,        für Gespräche.»
                                           Ausdauer – und mit den Turnieren

Schöne Bänke für spontane Begegnungen
Giuseppe Capobianco (80) und Elisabeth und Walter Kaiser (62 und 68), Zürich Seebach

«Hansbank in allen Gassen», hiess die      Die Idee mit den Hansbänken soll             ist. Mit dem Ehepaar Kaiser verbindet
Annonce im Pfarrblatt. Gesucht wurden      Menschen im Quartier verbinden.              ihn neun Jahre Nachbarschaft. «Wir
Menschen, die Bänke für das Quartier       «Vor Ort war vor allem die Organisation      kochen oft zusammen, mal ich, mal
Seebach gestalten. «Für mich war           «About us! Zürich interkulturell» im         er», erklärt Walter Kaiser. «Und in der
sofort klar, das ist eine gute Sache»,     Auftrag der Stadt aktiv; Kirchen und         Sied­lung mit 24 Wohnungen organi­
sagt Giuseppe Capobianco. Über ihn         Vereine luden die Quartierbewohner           sieren wir jährlich ein Sommerfest
kam auch das Ehepaar Kaiser dazu.          ein. Giuseppe Capobianco erzählt, dass       und einen Weihnachts-Apéro.»
An einem Samstag im August 2020            bereits im Frühjahr ein Ideenabend           Eine neue Idee von Giuseppe Capobianco
wurden auf dem Seebacherplatz mitten       stattgefunden habe. Im Gespräch war          sind nun Tanznachmittage für ältere
im Quartier 37 Bänke gebaut – unter        damals auch eine Brücke über den             Menschen im Quartier. Das Ehepaar
fachkundiger Leitung. «Wir drei stellten   Platz, doch das sei eine Nummer zu           Kaiser ist beim OK-Team mit dabei.
zwei Bänke für unsere Siedlung her,        gross gewesen. «Die Hansbank bot             «Der Saal ist vorhanden, ebenso eine
mittags gab es auf dem Platz Pizza und     allen etwas, auch viele Kinder machten       Live-Musik und ein Startbeitrag der
natürlich auch einen regen Erfahrungs-     mit, die gemeinsame Arbeit verband.»         Kirche, doch dann kam Corona.»
austausch mit den anderen Teams.»          Zwei Wochen nach dem Aktionstag              Vieles sei nun auf Eis gelegt, sagen
Nach einem Entwurf von Elisabeth           wurden alle Quartierbewohner zu einem        beide Rentner mit Bedauern. «Doch
Kaiser malten sie zu Hause die Bänke       Rundgang zu den Bänken eingeladen.           der Frühling kommt bestimmt und
an und organisierten dann in der Sied-     Einige Vereine boten «Bankspiele» mit        dann nutzen wir die Hansbänke für
lung eine kleine Einweihungsfeier mit      Theater und Musik an. «Ich habe fast         Begegnungen und beginnen mit dem
Kuchen und Kaffee. «Viele kamen, auch      alle Bänke besichtigt und es entstanden      Tanzen.»
neue Zuzüger wie ein Paar aus Indien,      viele spontane Gespräche», erzählt
das seit kurzem hier lebt.»                Capobianco, der seit drei Jahren Witwer

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LEBENSRAUM

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LEBENSRAUM

                   «Kein Mensch ist
                   eine Insel»
                   «Wahlverwandtschaften» zu Menschen, mit denen uns gemeinsame Interessen und
                   Visionen verbinden, sind gerade auch für ältere Menschen wichtig – Corona zum Trotz.
                   Davon ist der Sozialwissenschaftler und Autor Kurt Seifert überzeugt.

                   Interview: Robert Bösiger
                                                                                                          Foto: zVg

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Herr Seifert, wie gesellig sind Sie?                 ist erschwert. Was macht das mit uns?
Kurt Seifert: Ein ausgesprochener Vereinsmensch      Die Pandemie ist eine grosse Herausforderung für
bin ich nicht, wenn Ihre Frage darauf abzielt. Ich   uns alle! Wir stecken mitten in einer gesundheit-
fühle mich wohl, wenn ich allein oder mit meiner     lichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Frau zusammen sein kann. Aber ich führe durch-       Krise. Und wir wissen noch nicht so genau, wie
aus kein einzelgängerisches Leben, sondern en-       wir da wieder herauskommen werden. Deshalb
gagiere mich vielseitig. Das habe ich bereits vor    ist es kein Wunder, dass diese Krise uns beein-
meiner Pensionierung so gehalten – und heute         trächtigt, verunsichert und ängstigt, vielleicht
habe ich glücklicherweise noch mehr Zeit dafür.      auch wütend macht. Die Auswirkungen auf den
So arbeite ich beispielsweise in der Redaktion       einzelnen Menschen sind jeweils sehr unter-
einer Zeitschrift mit, bin Mitglied der Kirchen-     schiedlich. Rentnerinnen und Rentner zum Bei-
pflege in unserem Winterthurer Stadtteil sowie       spiel müssen sich vielleicht keine finanziellen
aktiv im Netzwerk Gutes Alter.                       Sorgen machen, aber sie leiden unter fehlenden
                                                     Kontakten mit der Familie, mit Bekannten und
Ad-hoc-Treffen, lose Gruppierungen und               Freunden. Das ist eine sehr schwierige Zeit!
Vereine: Solche Gemeinschaften sind für viele
Menschen sehr wichtig. Ihre Erklärung?               Ältere Menschen, von denen manche bereits in
Menschen sind soziale Beziehungswesen. «Kein         normalen Zeiten Gefahr laufen zu verein-
Mensch ist eine Insel» («No man is an island»),      samen, trifft diese Krise besonders hart …
sagte einst der englische Dichter John Donne. Das    Sie trifft alle hart, deren soziale Netze nur lose
stimmt, auch wenn manche glauben, sie seien          geknüpft sind, und das trifft im Alter, insbeson-
vollkommen autonom und von anderen Menschen          dere im hohen Alter, vermutlich öfter zu als in
nicht abhängig. Neben den familiären Beziehun-       jüngeren Jahren.
gen kommen schon bald im Leben jedes Menschen
andere Bindungen mit ins Spiel: Gschpänli im         Herr Seifert, was macht das Virus mit uns
Kindsgi und später in der Schule, Lehrerinnen        und unserer Gesellschaft?
und Lehrmeister, Arbeitskollegen und Freundin-       Wir werden mit etwas konfrontiert, von dem wir
nen, Liebespartner – die ganze Palette. Neben den    geglaubt haben, wir hätten es im Griff, wir könn-
verwandtschaftlichen Beziehungen, in die wir         ten es kontrollieren. Da schlägt eine Naturkraft
mehr oder minder hineingeboren werden, treten        zu – und wir erleben die Grenzen unserer Macht.
die «Wahlverwandtschaften»: jene Menschen, mit       Wir müssten mehr über das Verhältnis zwischen
denen uns gemeinsame Interessen, vielleicht          Mensch und Natur nachdenken und uns bewusst
auch Visionen verbinden. Die von Ihnen genann-       machen, dass wir nicht gegen die natürlichen
ten Verbindungen gehören zu diesem Bereich.          Existenzgrundlagen leben können. Möglicherwei-
                                                     se sind das Virus und diese Pandemie bloss ein
Welche Bedeutung haben Gemeinschaften                Vorspiel – denken wir an die Erderwärmung und
jeglicher Art gerade für ältere Menschen?            die voranschreitende Klimakrise! Wir hoffen jetzt
Im sogenannten Zweiten Alter – der beruflich und     darauf, dass durch Impfungen die Pandemie ein-
familiär besonders aktiven Lebensphase – werden      gedämmt werden kann. Doch ich vermute, dass
die meisten Energien, die den Menschen zur Ver-      unser Leben auch nach den Impfungen nicht mehr
fügung stehen, durch diese Aktivitäten absorbiert.   so sein wird wie zuvor.
Da bleibt oft nicht sehr viel Zeit zur Pflege von
Freundschaften oder für Geselligkeit ausserhalb      Ältere Menschen sind vom Virus besonders
des familiären Rahmens. Mit dem Wegfall solcher      stark betroffen. In der ersten Welle der Pande-
Verpflichtungen beim Übergang ins «dritte Alter»,    mie im Frühjahr 2020 wurde versucht, sie
nach der Pensionierung, tun sich auf einmal Räu-     durch Isolation zu schützen. Das hatte teil­
me auf, die gefüllt werden wollen. Da ist es dann    weise sehr negative Folgen. Wie sehen Sie das?
gut, auf ein Netz von sozialen Beziehungen zurück-   Es stimmt, dass viele stationäre Alterseinrichtun-
greifen zu können – auch abgesehen vom Partner,      gen versucht haben, ihre Bewohnerinnen und
von der Partnerin, Kindern und Enkelkindern.         Bewohner durch die Einschränkung von Kontak-
Dies gilt dann noch mehr im «vierten» Alter, wenn    ten untereinander und vor der Aussenwelt zu
die eigenen Kräfte abnehmen und die Mobilität        schützen. Das wurde vielfach kritisiert, hatte aber
immer mehr begrenzt wird.                            oft einen einfachen Grund: Es fehlte etwa an ent-
                                                     sprechendem Material, Schutzbekleidung. Des-
Durch die Corona-Pandemie werden die                 halb blieb den Heimleitungen vielfach nichts
persönlichen Kontakte stark eingeschränkt            anderes übrig als ein sehr restriktives Vorgehen.
und der Austausch mit anderen Menschen               Seither hat sich einiges zum Besseren gewendet,

                                                                                                    Visit Frühling 2021   13
LEBENSRAUM

                     doch solange die Impfungen nicht greifen, wird        Es gibt viele Ideen und Ansätze dafür. Denken wir
                     man mit Restriktionen leben müssen. Dabei muss        zum Beispiel an Wohnprojekte für ältere Men-
                     abgewogen werden, in welchem Verhältnis der           schen, die in den vergangenen Jahren entstanden
                     Schutz des Lebens und die Befriedigung der so-        oder noch im Entstehen sind. Wichtig erscheinen
                     zialen Bedürfnisse der Person zueinander stehen,      mir auch generationenübergreifende Projekte, in
                     damit keines von beiden vernachlässigt wird.          denen Angehörige unterschiedlicher Generatio-
                                                                           nen zusammenwirken können. Ich selbst mache
                     Wie real ist die Gefahr, dass die älteren             mit der am Anfang erwähnten Redaktion einer
                     Menschen buchstäblich vergessen gehen?                Zeitschrift – es handelt sich um die Neuen Wege
                     Ja, diese Gefahr sehe ich auch – vor allem, wenn      (neue-wege.ch) – sehr gute Erfahrungen in Bezug
                     wir den Tod vieler und gerade älterer Menschen        auf diesen «Generationenmix».
                     durch und mit Covid-19 als selbstverständlich hin-
                     nehmen. Leider gab es einige solche Stimmen in        Sollte der Staat vermehrt Unterstützung bei
                     der Öffentlichkeit, auch von politisch Verantwort-    der Entwicklung solcher gemeinschaftlichen
                     lichen. Dieser Tod trifft Menschen, von denen vie-    Projekte anbieten? Wenn ja, in welcher Form?
                     le noch leben könnten, wenn es uns gelungen wäre,     Viele solcher Projekte werden von Menschen be-
                     die Pandemie rechtzeitig zu bekämpfen. Dass ein       trieben, die wirtschaftlich gut gestellt sind und
                     erfolgreicher Kampf gegen das Virus möglich ist,      über viele soziale Kontakte verfügen. Doch was ist
                     zeigen uns die Erfahrungen einiger ostasiatischer     mit den anderen? Ich denke da etwa an Armuts-
                     Länder, aber auch von Norwegen oder Neuseeland.       betroffene oder an ältere Migrantinnen. Es gibt
                     Dieser Tod wäre in vielen Fällen vermeidbar gewe-     Ansätze zur Selbstorganisation, die Unterstützung
                     sen! Das dürfen wir nicht vergessen.                  benötigen. Da und dort tut sich etwas. So gibt es
                                                                           bereits seit bald zwei Jahrzehnten ein Nationales
                                                                           Forum Alter und Migration, das sein Augenmerk
«Da schlägt mit Corona eine Naturkraft zu –                                auf die Förderung migrantischer Projekte legt.
                                                                           Solche Gruppierungen müssen gestärkt werden.
und wir erleben die Grenzen unserer Macht.»
Kurt Seifert                                                               Und wo steht Pro Senectute mit ihrem Engage-
                                                                           ment?
                                                                           Grundsätzlich denke ich, dass sich Pro Senectute
                     Herr Seifert, Sie haben zu Beginn unseres             nicht nur als Dienstleistungsorganisation ver-
                     Gesprächs das Netzwerk Gutes Alter erwähnt.           steht, sondern darüber hinaus alle Fragen an-
                     Was bedeutet für Sie «gutes Alter» in Corona-         spricht, die mit dem Alter und der Stellung der
                     Zeiten? Und was tut das Netzwerk dafür?               älteren Menschen in der Gesellschaft zu tun ha-
                     Zunächst einmal: Das Netzwerk Gutes Alter strebt      ben. Und wenn Sie mir ein Schlusswort erlauben,
                     eine finanzielle Absicherung von Alltagsunter-        so möchte ich gerne die französische Feministin
                     stützung, Betreuung und Pflege für alle älteren       Simone de Beauvoir zitieren: «Wollen wir vermei-
                     Menschen an, die diese benötigen. Zu diesem           den, dass das Alter zu einer spöttischen Parodie
                     Zweck möchten wir eine Volksinitiative lancieren.     unserer früheren Existenz wird, so gibt es nur
                     Mehr Informationen dazu sind auf unserer Web-         eine einzige Lösung, nämlich weiterhin Ziele zu
                     site (gutes-alter.org) zu finden.                     verfolgen, die unserem Leben einen Sinn verlei-
                                                                           hen: die hingebungsvolle Tätigkeit für Einzelne,
                     Was heisst «gutes Alter» in Corona-Zeiten?            für Gruppen oder für eine Sache, Sozialarbeit,
                     Für mich bedeutet das, dass ältere Menschen Zu-       politische, geistige oder schöpferische Arbeit.» An
                     gang zu jenen Ressourcen haben, die ihnen ein         diese Maxime versuche ich mich zu halten.
                     lebenswertes Leben ermöglichen. Das betrifft ma-
                     terielle, aber auch immaterielle – sprich: soziale,
                     kulturelle, spirituelle – Unterstützung, wenn diese     Persönlich
                     notwendig ist. Das Netzwerk versucht, diesem            Kurt Seifert (70) ist Soziologe und Erziehungs­
                     Wunsch nach einem guten Altern für alle eine            wissenschaftler. Er arbeitete in der Jugend-
                     Stimme zu geben, die in der Gesellschaft hörbar         und Entwicklungszusammenarbeit sowie im
                     ist. Doch wir sind immer noch am Anfang.                Journalismus. Von 1999 bis 2016 war er bei
                                                                             Pro Senectute Schweiz für Forschung und
                     Um noch einmal auf die Gemeinschaften                   Grundlagenarbeit zuständig. Ein Schwer-
                     zu sprechen zu kommen: Gibt es Ideen und                punkt seiner Arbeit war die Alters­armut. Der-
                     An­sätze zur künftigen Gestaltung solcher               zeit arbeitet er im Netzwerk Gutes Alter mit.
                     Altersgruppierungen?

14     Visit Frühling 2021
Anthroposophisches
                                                                 Alters- und Pflegeheim Sonnengarten
                                                                            Hombrechtikon

                                                                 • Grosszügige Wohnungen und Gemeinschaftsräume
                                                                 • Kurs- und Kulturangebot
                                                                 • Alters- und bedarfsgerechte Ernährung
                                                                   (Biologisch/Vollwert/Schonkost/täglich Vegetarisch)
                                                                 • Anthroposophisch erweiterte Pflege
                                                                 • Spezialisierter Pflegebereich für Demenzerkrankte
                                                                 • Siedlung mit Alterswohnungen
                                                                 • Grosser Park und organische Architektur
                                                                 In der Regel findet am ersten Freitag im Monat um 14.00 Uhr eine
                                                                 öffentliche Führung durch den Sonnengarten statt (Anmeldung erforderlich).
                                                                 Alters- und Pflegeheim Sonnengarten
                                                                 Etzelstrasse 6 • 8634 Hombrechtikon/ZH • T 055 254 45 00
                                                                 www.sonnengarten.ch • info@sonnengarten.ch

                                          «Es erfüllt mich mit Dankbarkeit,
                                            dass sich rundum Menschen
                                           bereit erklären, anderen zu helfen.»

                                                                               Je t z t m
                                                                                            it
                                                                              p s z h . c h h e l f e n!
                                                                                           /spend
                                                                                                     en

     Gemeinsam schaffen wir das!
     Gerade für ältere Menschen, die von Familie und Bekannten isoliert sind, ist die aktuelle Lage belastend.
     Wir nehmen Anrufe entgegen, sprechen Betroffenen Mut zu und erarbeiten konkrete Lösungen.
     Helfen Sie mit Ihrer Spende – damit während der Corona-Krise niemand einsam ist.

     Spendenkonto 80-79748-4
     IBAN CH95 0900 0000 8007 9784 4                                                                       Kanton Zürich
                                                                                                           www.pszh.ch

Inserat_Visit_188x122.indd 1                                                                                                 16.04.20 15:25
PUBLIREPORTAGE

Lokalhelden-Projekte:
von und für Senioren
Der moderne Begriff des «Crowdfunding» mag darüber hinweg­
täuschen, dass manches Lokalhelden-Projekt von Pensionären
angestossen wird und viele der so auf der Raiffeisen-Plattform
geschaffenen Angebote auf Senioren zugeschnitten sind.

Text: Roland Schäfli

Unübersehbar war im Neuenburger                                                       sogar Lagerwochen für Schulklassen.
Val-de-Travers: Soziale Bindungen                                                     Doch sind nebst dem betrieblichen Auf­
unter älteren Semestern waren kaum                                                    wand die Kosten des jährlichen Unter­
noch vorhanden. Bis sich in einem Club                                                halts nicht zu unterschätzen. Dank
namens Cora Initianten zusammen­                                                      Crowdfunding fährt die JURA nun
schlossen, um Menschen aus der Iso­                                                   schuldenfrei in die neue Saison. Der
lation zu holen. Ein hochgestecktes                                                   Projektverantwortliche Niklaus Graber
Ziel. Die Aktivitäten sollen in der Ort­                                              hat einen persönlichen Grund, warum
schaft Fleurier konzentriert werden,                                                  er als 62-Jähriger gerne seine Zeit für
wo für 1,4 Millionen Franken eine pas­                                                diesen 88-jährigen Oldtimer einsetzt,
sende Liegenschaft zum Verkauf stand.                                                 auf dem Kinder die Schweiz vom Was­
Dank der Loterie Romande und hilfrei­       Unterhaltsarbeiten am Schiff für Schul­   ser aus kennenlernen: «Ich durfte in
chen Stiftungen kam eine stattliche         klassen und Behindertenausflüge: Die      jüngeren Jahren selbst immer wieder
Summe zusammen. Um den fehlenden            MS JURA ist dank ihrer «Lokal­helden»     profitieren, wenn Senioren mich mit
Betrag aufzutreiben, stellte der in der     auf Kurs. Foto: Niklaus Graber.           ihrer Berufserfahrung unterstützten.
Region der Raiffeisenbank Neuchâtel                                                   Jetzt, da ich selbst bald das Pensions­
et Vallées beheimatete Club sein Anlie­                                               alter erreiche, kann ich davon etwas
gen auf lokalhelden.ch vor. Mit Erfolg:                                               zurückgeben.»
Über 100 Gönner machten 57 000 Fran­
ken locker. Damit können nun Küche          Schaffen», fährt Boillat fort, «sogar     Gegen die Resignation
und Tagungsraum eingerichtet werden.        Wettkämpfe für Ältere.» Für den Club      Das Schiff auf dem Bielersee hat viel
                                            ist klar: Während der Pandemie ist es     gemeinsam mit der Sammlung in der
Alleinstehende integrieren                  noch wichtiger, auf die alleinstehenden   Region der Raiffeisenbank St. Gallen.
Im Treff kochen und essen Seniorinnen       älteren Mitmenschen zu achten.            Im Fokus steht ebenfalls das Wohl von
und Senioren, setzen sich gemeinsam                                                   Kindern, und an der Spitze steht
mit jüngeren Personen an den Mittags­       Die «JURA» ist auf Kurs                   wieder­u m ein Präsident, der sich im
tisch. «Mit dem Club de Midi wollen wir     Das Finanzierungsziel von 70 000 Fran­    Pensionsalter für die jüngere Genera­
Personen aus der Einsamkeit holen»,         ken erreicht – sogar um gut 5000 Fran­    tion einsetzt: Beat Landolt, ein Kantons­
proklamiert Alexis Boillat, der die         ken übertroffen – hat auch ein Projekt    rat aus Appenzell Ausserrhoden. Die
Vereinigung präsidiert. Das generatio­      aus der Region der Raiffeisenbank         Schaffung der «Regionalen Ombuds­
nenübergreifende Sozialprogramm gilt        Bieler­s ee: Die Genossenschaft MS        stelle Kinderrechte» hat die Finanzie­
der Integration von Menschen über 50.       JURA sorgt dafür, dass das frühere        rungsschwelle von 10 000 Franken
«Gemeinsame Momente sind wichtig            Passagierschiff flott bleibt. Dass das    knapp erreicht, ihre Tätigkeit am Inter­
zur Schaffung neuer sozialer Bindun­        erste dieselbetriebene Kursschiff auf     nationalen Tag der Kinderrechte aufge­
gen», sagt Alexis Boillat. Cora geht aber   dem Bielersee aus dem Jahr 1932 noch      nommen und bereits einen ersten Fall
noch weiter. Während der Mahlzeiten         heute auf den drei Juraseen kreuzt, war   behandelt.
werden die älteren Personen auf die         das Verdienst vieler Freiwilliger, die    Kinder werden von diesen neutralen
Bedeutung regelmässiger Begegnun­           die JURA in Fronarbeit zum Logier­        Ansprechpersonen gehört. Jugendliche
gen sensibilisiert. «Angeregt werden        schiff umbauten. Heute unternimmt es      ebenso wie Erwachsene erhalten hier
gemeinsame Aktivitäten, kreatives           Ferienfahrten mit Behinderten und         entwicklungsgerechte Auskünfte. Der
Ein generationenübergreifendes Treffen im «Club de Midi»: Senioren werden sozial vernetzt. Foto: Tam Berger.

Bedarf einer Ombudsstelle für Kinder        dauern. Ein weiteres Ziel des Lokalhel­     Grossherzige Materialspenden gingen
war gemäss einer Befragung von Fach­        den-Projekts war, den Angehörigen           ein. Und eines Tages wies ihr Twint-­
stellen des Kantons schon lange ausge­      ebenfalls zeitweise den Aufenthalt zu       Konto die private Überweisung von
wiesen. Doch für die Schaffung war          ermöglichen. Sich auf seinem letzten        200 Franken auf. «Für das Hospiz», teilte
letztlich die Anstrengung der privat        Weg vom Haustier begleiten zu lassen,       die Spenderin nur mit. «Der Spenden­
motivierten Geldsammlung notwendig.         wird im HOPE ebenso möglich sein.           aufruf auf lokalhelden.ch», so resü­
Beat Landolt hat sich auch politisch        Fast 500 Unterstützer trugen 128 460        miert die Projektleiterin, «hat definitiv
immer wieder für Kinderrechte enga­         Franken zusammen. Zugleich ­fanden          ein Zeichen gesetzt.»
giert und legt dies insbesondere Men­       weitere 40 000 Franken den Weg auf
schen im AHV-Alter ans Herz: «Viele         das Stiftungskonto, womit die Innen­         Hilfe zur Selbsthilfe
Menschen unseres Alters bleiben der         ausstattung finanziert wird. Die gesam­
                                                                                         Seit Raiffeisen 2016 die Crowdfunding-­
Jugend durch ihre Enkel verbunden.          ten Investitionskosten belaufen sich
                                                                                         Plattform www.lokalhelden.ch ins
Der jungen Generation die Zuversicht        auf drei Millionen Franken. Wenn der         Leben rief, wurden schweizweit über
für die Zukunft weiterzugeben, ist          Gesamtbetrag aufgetrieben werden             1200 Projekte unterstützt. Die
gerade in heutiger Zeit, wenn die Re­       kann, wird der Bezug im Frühjahr 2022        Spendenmarke von 20 Millionen ist
signation droht, so besonders wichtig.»     möglich, um diese Versorgungslücke in        geknackt. Und es wird weiter fleissig
                                            der spezialisierten Pflege am Lebensen­      gesammelt. Für Kultur, Nachhaltigkeit,
«Das Sterben gehört zum Leben»              de zu schliessen.                            Soziales sowie Jugend- und Standort­
Während die Ombudsstelle die Rechte         Projektleiterin Caroline Walker Miano        förderung. Viele Projekte werden
der Heranwachsenden verteidigt, ist         stellte nebst der Spendefreudigkeit          zusätzlich von den lokalen Raiffeisen­
das Projekt aus der Region der Raiff        einen weiteren Effekt fest: Das Tabu-­       banken finanziell unterstützt. Dennoch
eisenbank Belalp-Simplon der letzten        Thema Sterben in Würde wurde im              ist der drittgrössten Bankengruppe ­der
Lebensphase gewidmet: Das Hospiz            Oberwallis eine Zeit lang zum Ge­            Schweiz wichtig, dass lokalhelden.ch
Oberwallis HOPE will Patienten auf­         sprächs­­thema. Es erreichten sie ­sogar     in erster Linie Hilfe zur Selbsthilfe ist.
nehmen, deren Behandlung im Kran­           Anfragen von Menschen in Pallia­tiv­         Die Plattform verlangt keine Gebühren,
kenhaus nicht mehr notwendig und            betreuung, die bereits eintreten wollten.    die Spenden landen direkt in den
deren Betreuung daheim oder im Pflege­      «Viele Firmen haben ihre Weihnachts­         Projekten vor Ort.
heim nicht möglich ist. Die stationäre      geschenke an Kunden und Mitarbeiter
Betreuung kann längere Zeit oder auch       ausgesetzt und diese Summe statt­
nur die letzten 24 Stunden eines L
                                 ­ ebens    dessen unserer Sache überlassen.»
Im Geschäftssitz von Freddy Burger Management ist
das Showgeschäft auf Schritt und Tritt zu spüren.
LEBENSART

Der Entertainer
Er habe sein Leben lang Menschen glücklich machen können, sagt der
Zürcher Unterhaltungs-Unternehmer Freddy Burger. Wenn er morgen von
dieser Welt gehen müsse, dann gehe er glücklich. Aber eilig hat er es damit
keineswegs. Zuerst möchte er seine Autobiographie schreiben.
Text: Robert Bösiger   Foto: Christian Roth

 Mit 19 Jahren ist Freddy Burger (75) bereits ein       All you need is love
 «alter Hase», was das Organisieren von kleineren      Als erklärter Beatles-Fan, der mit den Stones
 Konzerten anbelangt. Schon zu Zeiten, als er noch     nichts habe anfangen können, sei er nie bei den
 in der Stifti zum Hochbauzeichner steckt, ver-        Steinewerfern und Randalierern gewesen, sagt
 dient er Geld damit, lokale Bands für Auftritte in    Freddy Burger bei unserem Besuch in der ein-
 den diversen Jugendlokalen zu verpflichten. Zum       drücklichen Villa an der Carmenstrasse, wo das
 Beispiel Les Sauterelles von Toni Vescoli­(78),       Hauptquartier «Home of Entertainment» der FBM
 einem weiteren Hochbauzeichner, der sich statt        vis-à-vis der gewaltigen Zürcher Kreuzkirche
 seinem erlernten Beruf lieber Erbaulicherem zu-       ­domi­ziliert ist. «Meine Sympathien lagen bei j­ enen,
 wendet.                                                die dem Motto ‹All you need is love› frönten.» Von
     Für Vescoli quittiert der junge Mann aus           hier aus führt Burger sein Imperium bestehend
­Zürich Schwamendingen seinen Job und wird              aus Künstlermanagements, Konzertagenturen,
 ­Manager von Les Sauterelles und später weiteren       Restaurants und Vergnügungslokalen.
  Bands und Interpreten. Von nun an kurvt er mit            Im Dezember 2019 wurde das 50-Jahr-Firmen-
  seinem Simca 1000 durch Europa und bietet in          jubiläum mit Pauken und Trompeten im eigenen
  den Beatclubs Les Sauterelles an. Mit der Schreib-    Theater 11 gefeiert. 650 hochkarätige Persönlich-
  maschine und im Zweifingersystem tippt er die         keiten aus der ganzen Welt reisten zu Ehren von
  Verträge.                                             Burger nach Zürich, um ihn zu würdigen: Promis
                                                        aus der Unterhaltungsbranche, von Medien und
Cliff Richard und das Defizit                           dem Film, der Politik, dem Event- und Gastrobe-
Zu einem Schlüsselerlebnis wird Burgers erster          reich – alles, was Rang und Namen hatte.
grosser Konzertevent. So holt er 1965 den briti-
schen Popstar Cliff Richard und dessen Begleit-
band The Shadows ins Zürcher Hallenstadion.                              «Ich habe ein Leben führen dürfen, das
Statt der erwarteten 6000 Zuschauer kommen
                                                                         anderen Menschen in drei Leben nicht
bloss 4000. Die Folge: ein Defizit von 20 000 Fran-
ken. So ist der junge Unternehmer nicht mehr in                          vergönnt ist.» Freddy Burger
der Lage, den bestehenden Vertrag mit den
Rolling Stones einzuhalten.
   Im Rückblick ist dies so was wie Glück im Un-       Lockdown: Horror und Chance
glück. Denn zwei Jahre später – am 14. April 1967      Im Januar 2020 flogen Freddy Burger und seine
– sorgen die wilden Briten bei ihrem ersten Auf-       neue Ehefrau Isabella Burger in die Flitterwochen
tritt hierzulande für den ersten grossen Skandal       an den Südpol. Unterwegs hätten sie erstmals
im Hallenstadion. Die «Neue Zürcher Zeitung»           ­etwas von einem neuartigen Virus gehört. Zurück
berichtet, die Tumulte hätten «gravierende For-         in der Schweiz, sei es dann losgegangen: Absage
men angenommen». Die ramponierten Stühle und            der Basler Fasnacht und die 1000er-Regelung.
der harte Polizeieinsatz wurden zum Symbol für          Und dann der landesweite Lockdown. Ihn, den im
den Start der 1968er-Jugendkrawalle.                    Eventbereich Tätigen, traf es mit voller Wucht:

                                                                                                         Visit Frühling 2021   19
LEBENSART

                                                                           Familie. Bis er erkannt habe, dass er dies auch
                                                                           für sich selbst getan hatte, denn ohne diese Pau-
                                                                           sen hätte er den hohen Druck im Büro nicht kom-
                                                                           pensieren können. Heute sei ihm klar, dass er
                                                                           mehr für seine Frau da sein wolle – und weniger
                                                                           im Büro. Sein Sohn Oliver (33) werde ihn nun
                                                                           nach und nach ablösen. Ganz werde er sich aber
«Der Lockdown hat auch Positives                                           nicht zurückziehen können, glaubt Freddy Burger:
gebracht: Man hat mehr Zeit,                                               «Ich werde meinen Sohn begleiten und ihn unter-
um über das eigene Leben nach­­                                            stützen.»
                                                                               In Erinnerung bleiben möchte Freddy Burger
zudenken. Und man hat mehr                                                 als engagierter Macher. Als einer, der zwar in ei-
Freiraum und nicht mehr diesen                                             nem «Hallodria-Business» tätig war, aber weder
                                                                           etwas mit Drogen- und Alkoholexzessen zu tun
Druck von morgens bis abends.»                                             hatte noch mit Skandalen. Burger: «Der Journalist
Freddy Burger                                                              Karl Lüönd hat mich mal als Delphin im Haifisch-
                                                                           becken bezeichnet. Und ich finde, er hatte recht.»
                                                                               Wenn er heute auf sein spannendes Leben zu-
                                                                           rückblicke, sei er vor allem dankbar, bilanziert
                     «Plötzlich war alles tot.» Laufende Produktionen      Freddy Burger: «Ich habe ein Leben führen dür-
                     mit grossem Publikum mussten abgesagt werden.         fen, das anderen Menschen in drei Leben nicht
                     Theatervorführungen, Grossproduktionen im             vergönnt ist. Wenn ich morgen von dieser Welt
                     Hallenstadion, Thunerseespiele mit Millionenauf-      gehen muss, dann gehe ich glücklich!»
                     wendungen – alles abgesagt. «Für unsere Branche           Bis es so weit ist, wird er sein Leben zwischen
                     ist das der Horror – und wir wissen nicht, wie es     Buchdeckeln fassen. Bisher seien schon gut 350
                     weitergeht.»                                          Seiten im Kasten. Er räumt ein, dass er etwas er-
                         Freddy Burger räumt ein, dass er im Lockdown      schrocken sei darüber, was er schon alles gemacht
                     auch Positives erlebt habe. «Man hat mehr Zeit,       und erlebt hat. «Ich habe Menschen vom Zuhälter
                     um über das eigene Leben nachzudenken.» Man           bis zum Bundespräsidenten kennengelernt – das
                     habe mehr Freiraum und nicht mehr «diesen             ist doch unglaublich! Und es ist nicht so, dass der
                     Druck von morgens bis abends». Dennoch sei            Zuhälter von allen am schlechtesten abgeschnitten
                     ­Covid-19 fast wie Krieg, räumt Burger ein: «Du       hätte …», sagt er vielsagend. 
                      läufst die Bahnhofstrasse rauf und weisst nicht,
                      ob du plötzlich niedergeschossen wirst von einem
                      unsichtbaren Feind. Gut möglich nämlich, dass
                      man an jemandem vorbeiläuft – und schon ist            Persönlich
                      man infiziert …» So etwas, sagt der 75-jährige         Freddy Burger (75) ist Gründer und Chef der
                      Unternehmer, habe er «noch nie erlebt, seit ich        Freddy Burger Management-gruppe FBM mit
                      auf der Welt bin». Das Gute sei, dass man durch        Sitz in Zürich. Nach einer Lehre zum Hoch-
                      das Virus zum Nachdenken und Langsamergehen            bauzeichner steigt er als Autodidakt ein in den
                      auf­ge­fordert sei.                                    Eventbereich und organisiert Konzerte und
                                                                             andere Veranstaltungen. Er übernimmt das
                     Delphin im Haifischbecken                               Management von diversen Künstlern – u.a.
                     Was hat den umtriebigen Mann, den wir mit               Pepe Lienhard und Udo Jürgens. 1969 grün-
                     so klingenden Namen wie Udo Jürgens, Pepe               det er die Rent a Show AG. Zeitweise ist er
                     ­L ienhard, Hazy Osterwald, Paola Felix, Walter         Partner von Good News Productions; er bringt
                      Roderer und Rolf Knie in Verbindung bringen,           zahlreiche bekannte Musicals in die Schweiz.
                      in all den Jahren angetrieben? «Ganz einfach»,         Daneben übernimmt er u.a. die Schweizer
                      sagt Freddy Burger, «ich war und bin berufen,          Generalvertretung von Puma und beteiligt
                      andere Menschen glücklich zu machen – gibt es          sich an diversen Theatern, Nachtklubs und
                      denn Schöneres?» Die Antwort gibt er gleich            Gastrobetrieben (u.a. in Basel, Berlin, Luzern,
                      selber: «Nein!»                                        und Zürich). FBM ist der führende Musicalver-
                          Erst mit 50 habe er erkannt, dass er bisher zu     anstalter der Schweiz. Die Unternehmens-
                      intensiv und nur für das Geschäft gelebt habe.         gruppe bestehend aus etwa 20 verschiedenen
                      Deshalb habe er damals begonnen, alle Schul­           Firmen beschäftigt rund 150 Mitarbeitende.
                      ferien mit der Familie zu verbringen. Dabei habe
                      er geglaubt, das mache er vorrangig für seine

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Derzeit ist Freddy
                                                           Burger daran, sein
                                                           Lebenswerk an
                                                           Sohn Olivier (oben
                                                           links im Bild) zu
                                                           übergeben.

Aus dem Familienalbum: Freddy Burger (ganz rechts)
holt 1965 den britischen Superstar Cliff Richard (Mitte)
vom Flughafen ab. In seiner Jugend liebäugelte Burger
mit einer Karriere als Eishockeyaner, ging dann aber nur
noch zum Plausch aufs Eis (Bild links).

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PUBLIREPORTAGE

Was ältere Menschen
gegen Stürze tun können
Rund ein Drittel der über 65-Jährigen stürzt jedes Jahr – zum Teil mit schwerwiegenden
Folgen. Dr. Mathias Schlögl, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin mit Schwerpunkt
Geriatrie an der Universitären Klinik für Akutgeriatrie am Stadtspital Waid, erklärt,
wie ältere Menschen Stürze verhindern können.

                                           Die Gefahr von Knochenbrüchen               Die Jaques-Dalcroze-Rhythmik besteht
                                           nimmt mit dem Alter zu. Weshalb?            aus Bewegungsabläufen, die zu live
                                           Durch Erkrankungen wie Osteoporose,         gespielter Klaviermusik ausgeführt
                                           Hormonmangel bei Frauen während             werden. Die Übungen fördern die
                                           und nach der Menopause, die Einnahme        ­Fähigkeit, zwei Dinge gleichzeitig zu
                                           gewisser Medikamente, einen Vitamin-­        tun, was für ältere Menschen oft mit
                                           D-Mangel, unausgewogene Ernährung            Schwierigkeiten verbunden ist. Eine
                                           und zu wenig Bewegung können Kno­            Studie hat gezeigt, dass mithilfe der
                                           chen brüchiger werden. Eine ausge­           Jaques-Dalcroze-Rhythmik das Sturz­
                                           wogene Ernährung und regelmässige            risiko um mehr als die Hälfte gesenkt
                                           Bewegung können älteren Menschen             werden kann.
                                           helfen, die Knochen zu stärken.
                                                                                       Angebote zur Sturzprävention
                                           Wie sieht eine optimale Ernährung
                                           im Alter aus?                               Café Balance
                                           Ältere Menschen haben einen erhöhten        In den wöchentlich stattfindenden
                                           Bedarf an Proteinen. Denn Proteine          Rhythmiklektionen nach Jaques-­
                                           sind wichtige Bausteine für starke Kno­     Dalcroze führen die Teilnehmenden
Dr. Mathias Schlögl                                                                    Bewegungsabläufe zu live gespielter
                                           chen und Muskeln. Sie kommen in
                                           Milchprodukten wie Joghurt, Käse und        Klaviermusik aus. In der anschliessen­
Wieso stürzen ältere Menschen?             Quark vor sowie in Fisch, Fleisch, Tofu,    den Kaffeerunde gibt es die Möglich­
Meist führen mehrere Ursachen zu           Bohnen, Linsen und Erbsen. Es wird          keit für einen Austausch untereinan­
­einem Sturz. Das Risiko steigt, wenn      empfohlen, täglich drei Portionen Pro­      der. Mehr Informationen gibt es auf
 eine Person Mobilitäts-, Gleichge­        teine gleichmässig auf die drei Haupt­      gesund-zh.ch
 wichts-, Seh- und Hörstörungen, einen     mahlzeiten verteilt aufzunehmen.            HOMEX
 kurzen Bewusstseinsverlust erleidet,                                                  Homex ist ein Video-Trainingsprogramm
 psychisch oder kognitiv angeschlagen      Kann man mit einem Kraft­                   für ältere Menschen. Die einfachen
 ist, eine bestimmte Kombination von       training Stürze verhindern?                 Kraftübungen in drei Schwierigkeits­
 Medikamenten einnimmt, unpassende         Muskelaufbau ist bis ins höchste Alter      stufen eignen sich sowohl für Trainings­
 Schuhe oder Kleidung trägt sowie          möglich. Krafttraining allein reicht aber   anfängerinnen und -anfänger als auch
 ­G efahren in der Umgebung ausgesetzt     nicht aus, um Stürze zu vermeiden.          für fittere Menschen ab 65 Jahren.
  ist wie schlechter Beleuchtung, Stufen   Nebst Kraftübungen ist ein Training         Mehr Informationen finden Sie auf
  oder Teppichen.                          wichtig, in dem die Koordination und        myhomex.ch
                                           die motorischen Fähigkeiten gefördert
Welche Folgen kann ein Sturz               werden wie etwa Tanzen, Tai-Chi oder        «Sicher gehen – sicher stehen»
haben?                                     die Rhythmik nach Jaques-Dalcroze.          Auf der Website sichergehen.ch gibt
                                                                                       es ein Übungs- und Kursangebot für
Ein Sturz kann die Lebensqualität und      Es empfiehlt sich ausserdem, kurz vor
                                                                                       Menschen ab 65 Jahren, um Gleich­
die Mobilität der Betroffenen stark ein­   oder nach dem Training ein aufgelöstes
                                                                                       gewicht, Kraft und mentale Fitness zu
schränken. Denn nach einem Bruch           Molke­pulver oder einen molkebasierten
                                                                                       trainieren.
wachsen Knochen häufig nicht mehr          Proteindrink zu sich zu nehmen.
richtig zusammen. Dies gefährdet ein
selbständiges Leben zu Hause und er­       Sie haben die Rhythmik nach
                                                                                                                                  Foto: zVg

höht das Risiko, in ein Alters- oder       Jaques-Dalcroze erwähnt. Was ist
Pflegeheim eingewiesen zu werden.          das genau?
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