Programm Innere Sicherheit - Fortschreibung 2008 / 2009 - Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder
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Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder Programm Innere Sicherheit Fortschreibung 2008 / 2009
Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort 4 I. Künftige Entwicklung und Leitlinien 6 1. Künftige Entwicklung 6 2. Leitlinien 6 II. Demografie, Migration und Integration 9 1. Demografie 9 2. Migration und Integration 11 3. Kernaussagen 14 III. Nationale und internationale Zusammenarbeit 16 1. Nationale Zusammenarbeit 16 2. Europäische und internationale Zusammenarbeit im Bereich der Inneren Sicherheit 16 3. Internationale Polizeimissionen, Ausbildungs- und Ausstattungshilfen 18 4. Recht 19 5. Abstimmung von Ländern und Bund in internationalen Angelegenheiten 20 6. Kernaussagen 20 IV. Sicherheit an den Grenzen nach Wegfall von Grenzkontrollen 21 1. Ausgangssituation 21 2. Künftige Entwicklung 23 3. Forderungen 23 4. Kernaussagen 24 V. Gewaltmonopol des Staates, Verhältnis von Polizei und privaten Sicherheitsdienstleistern 25 1. Grundsätze 25 2. Kooperation mit privaten Sicherheitsdienstleistern 25 3. Kernaussagen 26 VI. Kriminalitätsbekämpfung und Verstärkung der Präventionsarbeit 27 1. Kriminalitätsbekämpfung 27 2. Verstärkung der Präventionsarbeit 30 3. Kernaussagen 32 VII. Informations- und Kommunikationskriminalität (IuK-Kriminalität) 33 1. Allgemeines 33 2. IuK-Kriminalität im engeren Sinne 33 3. IuK-Kriminalität im weiteren Sinne 34 4. Merkmale der IuK-Kriminalität 34 5. Auswirkungen 34 6. Prognose 35 7. Forderungen 36 8. Kernaussagen 36 VIII. Extremismus 37 1. Ausgangssituation 37 2. Rechtsextremismus 37 3. Linksextremismus 38 4. Säkularer Ausländerextremismus 40
5. Islamistischer Extremismus 41 6. Scientology-Organisation 42 7. Forderungen 42 8. Kernaussagen 43 IX. Terrorismus 44 1. Ausgangssituation 44 2. Bisherige Reaktionen 44 3. Weiterer Handlungsbedarf 45 4. Kernaussagen 47 X. Zusammenarbeit mit der Bundeswehr im Innern, maritime Sicherheit und Luftsicherheit 48 1. Zusammenarbeit mit der Bundeswehr im Innern 48 2. Maritime Sicherheit 49 3. Luftsicherheit 50 4. Forderungen 51 5. Kernaussagen 51 XI. Aufgaben und Entwicklung der Verfassungsschutzbehörden 52 1. Ausgangssituation 52 2. Reaktionen 53 3. Forderungen 54 4. Kernaussagen 54 XII. Verkehrssicherheitsarbeit 55 1. Ausgangssituation 55 2. Künftige Entwicklung 55 3. Forderungen 56 4. Kernaussagen 57 XIII. Gewalt im Zusammenhang mit Sport- und Großveranstaltungen sowie Versammlungen 58 1. Ausgangssituation 58 2. Schwerpunkte 59 3. Kernaussagen 60 XIV. Bedeutung des Bevölkerungsschutzes 61 1. Allgemeines 61 2. Handlungsfelder 61 3. Kernaussagen 64 XV. Ressourcen 65 1. Personal 65 2. Aus- und Fortbildung 66 3. Führung und Organisation 67 4. Haushalt 67 5. Technik und Logistik 68 6. Kernaussagen 69 XVI. Aufgaben und Schwerpunkte der Sicherheitsforschung 70
Vorwort Innere Sicherheit ist ein hohes Gut für die Lebensqualität der Menschen in unserem Land. Ihre Gewähr- leistung ist zugleich Standortfaktor von herausragender Bedeutung. Deutschland zählt nach wie vor zu den sichersten Ländern der Welt. Dies beruht maßgeblich auf der Arbeit der Sicherheitsbehörden. Um diesen Standard zu erhalten, sind regelmäßig neue Sicherheitsstrategien und Instrumentarien zu ent- wickeln, vorhandene sind zu überprüfen und gegebenenfalls an veränderte Bedingungen anzupassen. Dieser Forderung stellen sich die Sicherheitsbehörden mit hoher Flexibilität. Durch das Programm Innere Sicherheit von 1994 wurde zuletzt umfassend die damals bestehende und prognostizierbare Sicherheitssituation beschrieben. Seitdem hat sich die Sicherheitslage wesentlich verändert, insbesondere auf Grund der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, der global und in vernetzten Strukturen agierenden Organisierten Krimi- nalität, des demografischen Wandels, der weggefallenen Grenzkontrollen, steigender Fallzahlen bei der Gewaltkriminalität sowie der dynamischen Entwicklung der Informations- und Kommunikationskriminali- tät. Hinzu kommen der technologische Wandel sowie zunehmende Auslandseinsätze der Polizei. Deshalb beschloss die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder, das Programm Innere Sicherheit für die Bundesrepublik Deutschland fortzuschreiben. Dazu hat sie die nachfolgenden sicherheitsrelevanten Themen benannt. Neben neuen Sicherheitsphänomenen werden in der Fortschreibung auch solche dargestellt, die schon das vorherige Programm enthielt. Das erneute Aufgreifen von Themen erfolgt entweder im Sinne einer Verstärkung oder weil sich in diesen Sicherheitsbereichen Veränderungen ergeben haben. Es liegt in der Natur der Darstellung, dass die Themen nur einzeln behandelt werden können. Tatsächlich kommt es nicht auf eine sektorale, sondern auf eine systemische Betrachtung und Beurteilung an, denn Sicherheitsprobleme sowie deren Bekämpfung beeinflussen sich wechselseitig. Zudem sind die Grenzen fließend. Leitlinie des fortgeschriebenen Programms für die Innere Sicherheit ist, Freiheit und Sicherheit der Bür- ger1 in einem ausgewogenen Verhältnis zu gewährleisten. Ein hohes Maß an Sicherheit durch Rechtsfortschreibung und konsequentes Handeln schafft Vertrauen zum Staat sowie in die Leistungsfähigkeit seiner Sicherheitsbehörden und ist wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren unseres Gemeinwesens. Allerdings sind vor allem rechtliche Veränderungen mit Augenmaß vorzunehmen, um die Auswirkungen auf die Freiheit der Bürger gering zu halten. Es kommt darauf an, in Freiheit sicher zu leben. Zweck der Fortschreibung des Programms ist eine grundsätzlich abgestimmte Ausrichtung der Sicher- heitsbehörden. Das Programm ist außerdem eine Erklärung der politisch Verantwortlichen, dass sie dafür eintreten, dass die Sicherheitsstrategien umgesetzt und in dem erforderlichen Rahmen durch Grundlagen in Recht und Haushalt abgesichert werden. Für die Sicherheitsbehörden gilt, die formulierten Positionen durch Besetzung von Handlungsfeldern, Bildung von Schwerpunkten, angemessene Ziele und durch geeignete Maßnahmen zu erreichen. 1 Im Interesse der Lesbarkeit wurde die männliche Form gewählt. Sie stellt keine Diskriminierung dar. 4
Alle Länder und der Bund beteiligten sich an der Erarbeitung. Verantwortlich war eine länderoffene Ar- beitsgruppe auf Ebene der Staatssekretäre und -räte der Innenressorts. Die Fortschreibung ist Ergebnis einer gemeinsamen politischen und fachlichen Willensbildung. Auf eine Kurzfassung der Fortschreibung des Programms Innere Sicherheit wurde verzichtet, um un- nötige Wiederholungen zu vermeiden. In den vorangestellten Leitlinien wird der strategische Rahmen beschrieben und zudem schließen sich an jedes Themenfeld Kernaussagen an, die den wesentlichen Inhalt wiedergeben. 5
I. Künftige Entwicklung und Leitlinien 1. Künftige Entwicklung Die Globalisierung von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik und die damit einhergehende hohe Mobilität prägen die heutige Situation. Diese Entwicklung wird durch eine immer weiter vernetzte Welt, die alle Lebensbereiche durchdringt, künftig noch an Dynamik gewinnen. Für die Gesellschaft ergeben sich daraus Chancen und Risiken. Dies gilt auch für die Sicherheitsbehör- den der Länder und des Bundes. In den nächsten Jahren wird deren Arbeit insbesondere durch folgende Herausforderungen bestimmt: – die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus und Extremismus – eine Zunahme der Straf- und Gewalttaten im Bereich des Rechts- und Linksextremismus – die weltweit agierende Organisierte Kriminalität und Wirtschaftskriminalität – neue Formen und Ausmaße von Kriminalität im Zusammenhang mit Informations- und Kommuni- kationstechnik – ein weiterhin steigendes Verkehrsaufkommen – die Zunahme von Naturkatastrophen – das Wohlstandsgefälle – die Einflussnahme der Europäischen Union (EU) auf Themen der Inneren Sicherheit – ein erhöhtes polizeiliches Engagement im Ausland – den demografischen Wandel – knappe Ressourcen bei hohen Anforderungen. 2. Leitlinien Folgende Leitlinien bilden den Rahmen für die gemeinsame Weiterentwicklung der Sicherheitsarchitektur in Deutschland durch die Länder und den Bund: ■ Die Gewährleistung der Inneren Sicherheit ist Kernaufgabe des Staates. ■ Freiheit und Sicherheit sind in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander zu gewährleisten. ■ Die föderale Aufgabenteilung im Bereich der Inneren Sicherheit steht nicht zur Disposition. Die Kernkompetenz für die polizeiliche wie nichtpolizeiliche Aufgabenwahrnehmung liegt bei den Ländern. Der Bund nimmt die ihm zugewiesenen Aufgaben zur Gewährleistung der Inneren Si- cherheit wahr. ■ Das staatliche Gewaltmonopol bleibt unangetastet. Es ist Grundlage zur Durchsetzung rechts- staatlichen Handelns. ■ Die Organisationsstrukturen der Sicherheitsbehörden müssen so gestaltet sein, dass sie sich ver- ändernden Rahmenbedingungen flexibel anpassen können. ■ Länder und Bund haben ihre Sicherheitsbehörden so zu organisieren und zu dimensionieren sowie personell und materiell auszustatten, dass sie ihre Aufgaben grundsätzlich eigenständig bewälti- gen können. 6
■ Die demografischen Veränderungen werden erhebliche Auswirkungen auf alle Lebensbereiche haben. Für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben wird dies zu einer schwie- rigeren Nachwuchsgewinnung sowie zur Überalterung führen, sofern nicht gegengesteuert wird. ■ Die erfolgreiche Integration der dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland lebenden Migranten ist mitentscheidend für die künftige Entwicklung in unserem Land. ■ Die Polizeien von Ländern und Bund beteiligen sich auch künftig mit einem bedeutsamen Perso- nal- und Sachbeitrag an internationalen Friedensmissionen. Der Einsatz trägt zur dortigen Stabili- sierung aber auch zur Steigerung des Sicherheitsniveaus im Inland bei. ■ Polizei und Nachrichtendienste entwickeln ihre Zusammenarbeit kontinuierlich weiter. ■ Der europäische Integrationsprozess erfordert eine enge internationale Sicherheitspartnerschaft. ■ Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und der Informationsaustausch sollten weiter er- leichtert und noch intensiviert werden. ■ Länder und Bund müssen ihre Möglichkeiten unter Berücksichtigung eines ganzheitlichen An- satzes zur Bekämpfung von Terrorismus, Extremismus und Kriminalität sowie zur Verhütung von Verkehrsunfällen noch besser nutzen. Dies erfordert eine optimale Vernetzung und operative Stärkung der Institutionen sowie eine Bün- delung der Ressourcen. ■ Die veränderten Rahmenbedingungen erfordern ein hohes Maß an Innovation und eine gezielte Erschließung von Forschungs- und Entwicklungspotenzial. ■ Extremismusbekämpfung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Sicherheitsbehörden schreiten gegen Extremismus unter Ausschöpfung der rechtsstaatlichen Mittel konsequent ein. ■ Die effektive Bekämpfung des internationalen Terrorismus erfordert eine ständige Prüfung und Weiterentwicklung der personellen, technischen, rechtlichen und organisatorischen Vorausset- zungen der Sicherheitsbehörden. ■ Angesichts der wachsenden Bedrohung durch terroristische Angriffe sind Szenarien denkbar, die von der Polizei und den Katastrophenschutzbehörden einschließlich der Feuerwehren und Ret- tungsdienste nicht allein bewältigt werden können und gegebenenfalls in dem unten beschrie- benen Umfang eine Unterstützung durch die Bundeswehr mit militärischen Mitteln und Fähigkeiten im Rahmen der Amtshilfe erfordern. ■ Die Kriminalitätsbekämpfung erfordert Konzepte unter Verknüpfung repressiver und präventiver Gesichtspunkte. Sie liegt in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung. Eine besondere Herausfor- derung stellt die Jugendkriminalität, und hier insbesondere die Gewaltkriminalität dar. ■ Opfer- und Zeugenschutz sind Bestandteil von Gefahrenabwehr und konsequenter Strafverfol- gung. ■ Angriffe auf die Integrität und Sicherheit von Datensystemen sowie deren Missbrauch bergen ein hohes Gefahrenpotenzial. Die wirkungsvolle Bekämpfung der Informations- und Kommunikationskriminalität (IuK-Kriminali- tät) erfordert die Kooperation mit Spezialisten aus Wirtschaft, Forschung und Wissenschaft sowie die intensive Zusammenarbeit mit Telekommunikationsunternehmen und -anbietern. 7
■ Verkehrssicherheit ist wesentlicher Bestandteil der Inneren Sicherheit. Steigendes Verkehrsauf- kommen wird die Entwicklung der Verkehrsunfälle beeinflussen. Angesichts der begrenzten Res- sourcen ist eine noch stärkere Orientierung der Verkehrsunfallbekämpfung an Hauptrisikogruppen und Hauptunfallursachen erforderlich. ■ Die Anzahl und Komplexität polizeilicher Einsatzlagen und die gestiegene Gewaltbereitschaft ge- genüber den Sicherheitskräften erfordern einen hohen Kräfteeinsatz sowie ein konsequentes und professionelles Vorgehen. Hierzu bedarf es verfügbarer, gut ausgebildeter und ausgerüsteter Einsatzkräfte sowie weiterhin einer gegenseitigen, länderübergreifenden Unterstützung durch die Bereitschaftspolizeien der Länder und des Bundes. ■ Die Durchführung von Sport- und Großveranstaltungen in einer sicheren Umgebung sowie der Schutz von Versammlungen sind unerlässlich. Sie erfordern eine enge – auch grenzüberschreiten- de – Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Veranstaltern, Kommunen und der Polizei. ■ Die durch den Klimawandel bedingte Zunahme von Naturkatastrophen fordert verstärkte Anstren- gungen im Bereich des Bevölkerungsschutzes. ■ Für ein effektives Krisenmanagement im Bevölkerungsschutz sind die von Ländern und Bund ge- schaffenen Strukturen konsequent und in Abstimmung mit den Feuerwehren und ehrenamtlichen Hilfsorganisationen zu nutzen, um im Krisenfall ein einheitliches Vorgehen zu gewährleisten. ■ Innerhalb Europas muss im Bereich des Katastrophenschutzes das Gleichgewicht zwischen den Prinzipien der nationalen Verantwortung und der Solidarität gewahrt werden. ■ Der Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) und die Minimierung der Folgen von Störfällen liegen nicht nur in der Verantwortung der öffentlichen Institutionen, sondern auch der privaten Betreiber. 8
II. Demografie, Migration und Integration 1. Demografie ■ Bevölkerung und Altersstruktur in Deutschland, bestimmt durch Geburten, Sterbefälle und Wande- rungen (Migration), werden sich deutlich verändern. ■ Die anhaltend niedrige Geburtenrate und eine weiter steigende Lebenserwartung führen dazu, dass die Zahl älterer Menschen weiter steigt und die Zahl der Kinder sowie von Personen im er- werbsfähigen Alter abnimmt. ■ Insgesamt werden die Bevölkerungszahlen in unserem Land in absehbarer Zeit sinken. Altersgruppen in Millionen und Prozenten 2008 2025 Gesamtbevölkerung: 82,1 Millionen Gesamtbevölkerung: 78,8 Millionen 65 + 16,7 Mill. 20 Prozent 65 + 20,1 Mill. 25 Prozent 20 - 64 49,8 Mill. 61 Prozent 20 - 64 45,7 Mill. 58 Prozent 0 - 19 15,6 Mill. 19 Prozent 0 - 19 13,1 Mill. 17 Prozent Abb. 1: Bevölkerungspyramide in Deutschland 2008 und 2025 Quelle: DESTATIS, koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Variante 1-W1 ■ Die Zuwanderung nach Deutschland auf einem heute vorstellbaren und gesellschaftlich verkraft- baren Niveau kann den Alterungsprozess der Gesellschaft und einen künftigen Bevölkerungsrück- gang nur abmildern. ■ Der demografische Wandel und die Bevölkerungsentwicklung wirken sich regional unterschiedlich aus; wesentlich ist vor allem die Binnenwanderung. ■ Die Entwicklungen werden erhebliche Auswirkungen auf alle Lebensbereiche und alle Felder po- litischen Handelns haben, zum Beispiel auf die sozialen Sicherungssysteme und auf den Arbeits- markt. Für die Sicherheitsbehörden ergeben sich ebenfalls Konsequenzen. 9
Personal ■ Der demografische Wandel wird die Personalgewinnung beeinflussen: Die Verringerung der Ge- burten wird einen Rückgang an qualifizierten Schul- und Hochschulabgängern zur Folge haben. Dadurch wird sich der Wettbewerb zu anderen Organisationen und zur Wirtschaft verstärken. Um den Bedarf an leistungsfähigen Nachwuchskräften künftig decken zu können, gewährleisten die Polizei und andere Sicherheitsbehörden ihre Konkurrenzfähigkeit durch Erhöhung der Attrakti- vität der Berufe sowie ein flexibles Personalmanagement. ■ Unabhängig von derzeit schon ungünstigen Altersstrukturen des Personals der Sicherheitsbehör- den, auch bei den Führungskräften, ist eine weitere Verschiebung im Altersaufbau absehbar. Die Zahl älterer Mitarbeiter wird noch zunehmen. Deren spezifischen Bedürfnissen ist deshalb verstärkt Rechnung zu tragen. Folgende Handlungsfelder sind unter diesem Gesichtspunkt von Bedeutung und gegebenenfalls neu auszurichten: – Führungs- und Organisationskultur – Personalverwendung – Gesundheitsmanagement – Arbeitsprozesse und -gestaltung – Kompetenz- und Wissensmanagement. Kriminalität ■ Die demografischen Veränderungen nehmen als ein Faktor unter vielen Einfluss auf die Kriminali- tätsentwicklung. ■ Auswirkungen der sich ändernden demografischen Rahmenbedingungen auf die Tatverdächtigen- zahlen müssen differenziert betrachtet werden: Insgesamt dürfte eine Verminderung zu erwarten sein. Der Bevölkerungsrückgang in einzelnen Regionen führt aber nicht zwingend zu einer substanziellen Reduktion der Kriminalität, wenn damit auch die soziale Kontrolle verringert und soziale Infrastrukturen abgebaut werden. ■ Die Abwanderung gut ausgebildeter Jugendlicher und Heranwachsender kann in einzelnen Re- gionen zu einem prozentualen Anstieg des Anteils derjenigen führen, deren Lebenssituation von einer besonderen Anfälligkeit für Kriminalität geprägt ist. ■ Wegen des künftig deutlich geringeren Anteils Jugendlicher und Heranwachsender an der Ge- samtbevölkerung dürfte die absolute Zahl der polizeilich registrierten Tatverdächtigen auch dieser Altersgruppen sinken. Dennoch kann eine überproportionale Tatverdächtigenbelastung dieser Al- tersgruppen auch in Zukunft nicht ausgeschlossen werden. ■ Bislang ist eine deutliche Zunahme der Gewaltkriminalität Jugendlicher registriert worden. Eine Reduzierung dieser polizeilich registrierten Gewaltkriminalität infolge der demografischen Entwick- lung lässt sich derzeit nicht sicher vorhersagen. ■ Die fortschreitende Alterung der Gesellschaft kann zu Verschiebungen innerhalb der Kriminalität führen, indem die Zahl der älteren Opfer zunimmt. Im Zusammenhang mit der Lebenssituation älterer Menschen ergeben sich Gelegenheiten, die diese Gruppe leichter zu Opfern bestimmter Kriminalitätsformen werden lassen können. Erhöhte Aufmerksamkeit verlangt auch das Thema „Gewalt in der Pflege“. 10
■ Außerdem sollten unterschiedliche Sicherheitsbedürfnisse verschiedener Altersgruppen berück- sichtigt werden, insbesondere die Kriminalitätsfurcht älterer Menschen und das damit einherge- hende Verlangen nach mehr Sicherheit. ■ Neben einer konsequenten Strafverfolgung sind diese Themen unter anderem für die polizeiliche Aus- und Fortbildung bedeutsam. Ferner sollte durch gezielte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zur Stärkung des Sicherheitsgefühls von Senioren beigetragen werden. Maßnahmen im Wohnumfeld beeinflussen das Sicherheitsgefühl positiv. Kriminalpräventive Aspekte müssen daher noch stärker in die Städteplanung einfließen. ■ Regelmäßige demografische Regionalanalysen zur Klärung von Handlungserfordernissen der Si- cherheitsbehörden, insbesondere der Polizei, sind künftig unerlässlich. Straßenverkehr ■ Die demografische Entwicklung wird in den nächsten Jahren auch Auswirkungen auf die Verkehrs- sicherheit haben: Die Zahl der älteren Verkehrsteilnehmer steigt und es ist zu erwarten, dass sich das Mobilitätsbedürfnis nicht verringert. Dies wird den Gesamtverkehr, insbesondere innerorts, und auch die Verkehrsunfallsituation verändern. ■ Das Fahrerlaubnisrecht und die Verhaltensvorschriften sind diesen Entwicklungen anzupassen. Im Bereich der Verkehrssicherheitsberatung muss sich die Polizei frühzeitig auf die demografische Entwicklung einstellen. Ehrenamt und freiwillige Tätigkeiten Angesichts der älter werdenden Bevölkerung wird die Nachfrage nach Angeboten der Daseinsvorsorge steigen, die unter Ressourcengesichtspunkten nicht durch staatliche Leistungen befriedigt werden kann. Die große Bedeutung des Ehrenamtes und freiwilliger Tätigkeiten für den gesellschaftlichen Zusammen- halt wird deshalb in Deutschland noch zunehmen. Diese sollten auch im Interesse der Inneren Sicherheit, zum Beispiel Freiwillige Feuerwehren, Katastrophenschutz, Opferverbände, weiter gestärkt werden. 2. Migration und Integration 2.1 Migration ■ Migration von Menschen – sowohl zeitweilig als auch dauerhaft – ist in einer vernetzten und wirt- schaftlich globalisierten Welt Normalität. Unterschiedliche Lebenschancen in verschiedenen Regionen der Welt lösen weltweite Migra tionsströme aus. Gewaltsame Konflikte, Naturkatastrophen auch infolge des Klimawandels sowie Umweltzerstörung und Vernichtung natürlicher Lebensgrundlagen verstärken diese Situation. ■ In Deutschland leben derzeit zirka 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Dies sind einerseits Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und zum Teil seit Jahrzehnten in Deutschland leben sowie andererseits Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit (zirka 7,3 Millionen). 11
■ Das Wanderungsvolumen, also Zu- und Fortzüge nach und von Deutschland, ist vergleichsweise hoch. Noch immer kommen mehr Menschen nach Deutschland als wegziehen (positiver Wanderungs saldo), obwohl sich gegenwärtig der Umfang der Zuwanderung merklich verringert hat. ■ Mittlerweile sind rund die Hälfte der Zuwanderer Bürger der Europäischen Union, die vom gel- tenden Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen. Bei Drittstaatsangehörigen macht der Familiennachzug den größten Teil der dauerhaften Zuwan- derung aus. ■ Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung weist in den alten und den neuen Ländern sowie in Städten und ländlichen Regionen erhebliche Unterschiede auf. Sie leben insbesondere in den städtischen Ballungsräumen der alten Länder sowie in Berlin. ■ Auch wenn Prognosen über eine weitere Zuwanderung unsicher sind, ist davon auszugehen, dass der Bevölkerungsanteil der Menschen mit Migrationshintergrund weiter ansteigen wird. Sicher- heitspolitik hat in diesem Zusammenhang ihren Beitrag dazu zu leisten, dass es nicht zu erhöhten sozialen Spannungen, zu einem Anstieg fremden- oder deutschfeindlicher Aktivitäten kommt, dass Zuwanderer unterschiedlicher Herkunft untereinander keine religiös oder ethnisch bedingten Kon- flikte austragen oder solche ihrer Herkunftsländer im Inland fortführen. ■ Wirkungsvoll gesteuerte Zuwanderung bringt Deutschland wirtschaftliche und soziale Vorteile, be- reichert kulturell und ist wesentliche Voraussetzung, um negative Auswirkungen auf die Innere Sicherheit zu verhindern. Diese Zuwanderung orientiert sich an den Bedingungen des Arbeitsmarktes, dem Integrationsver- mögen der deutschen Gesellschaft sowie den humanitären Verpflichtungen Deutschlands und den Sicherheitsbedürfnissen unseres Landes. ■ Gefahren gehen von unkontrollierter und illegaler Migration aus. Diese Zuwanderung kann die ge- sellschaftliche Stabilität – zum Beispiel Arbeitsmärkte, Sozialsysteme aber auch Innere Sicherheit – beeinträchtigen. ■ Illegale Migration geht häufig mit Schleusungskriminalität und Menschenhandel einher. ■ Deutschland und die Staaten der Europäischen Union müssen in Fragen der Migration verstärkt miteinander kooperieren, um illegale Migration wirkungsvoll zu verhindern und für die Rückkehr Ausreisepflichtiger zu sorgen. Hierfür ist eine verlässliche Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitstaaten erforderlich. ■ Zur Verhinderung der Einreise oder der Beendigung des Aufenthaltes von Ausländern, die dem terroristischen oder extremistischen Bereich zuzuordnen sind, ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den für die Umsetzung des Ausländerrechts zuständigen Behörden und den Sicherheitsbehörden erforderlich. Auf diese Weise können die Möglichkeiten des Auslän- derrechts konsequent genutzt werden. 2.2 Integration Migration und Integration sind zwei Seiten ein- und derselben Medaille. ■ Menschen mit Migrationshintergrund, die dauerhaft in Deutschland leben, müssen integriert sein. 12
■ Integration ist eine Aufgabe von nationaler Bedeutung und ein beidseitiger Prozess. Dieser muss von den Zuwanderern und der hiesigen Gesellschaft geleistet werden. Alle sind aufgerufen, zur Integration beizutragen. ■ Die erfolgreiche Integration der dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland lebenden Migranten ist mitentscheidend für die künftige Entwicklung in unserem Land. ■ Die überwiegende Mehrzahl der Zugewanderten in Deutschland lebt integriert als Teil der Gesell- schaft. ■ Zu einer Gefährdung entwickeln sich unzureichende und fehlgeschlagene Integrationsprozesse. Solche Tendenzen zeichnen sich auch und gerade bei Angehörigen der zweiten und dritten Gene- ration der Migranten ab. ■ Die Kosten fehlgeschlagener oder unzureichender Integration können für die Gesellschaft erheb- lich sein, zum Beispiel für Sozialversicherungen und öffentliche Haushalte. Erfolgreiche Integration hat somit ein beträchtliches Potenzial, die Gesellschaft auch finanziell zu entlasten. ■ Fehlgeschlagene Integration, Abschottung von der Mehrheitsgesellschaft, fehlende Bildungs- und Berufsperspektiven, Gewalterfahrungen in den Familien und überkommene Männlichkeitsvorstel- lungen bei einem Teil der Migranten gehen häufig mit einer erhöhten Gewaltbereitschaft sowie einer überproportional großen Zahl von Rohheitsdelikten und Gewaltstraftaten einher. ■ Solche Probleme korrelieren zu einem erheblichen Teil mit einem geringen sozialen Herkunfts niveau bestimmter Zuwanderergruppen. Insbesondere in Wohnstrukturen, die einen hohen Anteil niedriger sozialer Schichten mit geringem Bildungsniveau aufweisen, besteht die Gefahr sozialer Desintegration und auch einer Radikalisierung von Teilen der Wohnbevölkerung. ■ Erfolgreiche Integration erfordert die Bereitschaft zum Dialog auf beiden Seiten und eine Kultur des gegenseitigen Respekts. ■ Integration schließt die uneingeschränkte Befolgung der Gesetze und Regeln der Aufnahmegesell- schaft unabhängig von Religion und nationaler Herkunft der Zugewanderten ein. Es kann erwartet werden, dass sie sich mit den Werten unserer Gesellschaft und damit der freiheitlichen und demo- kratischen Grundordnung identifizieren. ■ Integration verlangt in dieser Ordnung nicht, dass Zuwanderer ihre Kultur, Identität und Religion aufgeben, aber sie erfordert, dass die Zuwanderer in Deutschland heimisch werden wollen. Das geht nur, wenn sich die Zuwanderer auf die alltäglichen Lebensbedingungen ihrer neuen Heimat einlassen. Die Beherrschung der deutschen Sprache ist wesentliche Bedingung dafür. ■ Andererseits setzt erfolgreiche Integration voraus, dass Zuwanderer mit ihrer kulturellen Prägung, Religion und Identität von der Aufnahmegesellschaft angenommen werden. Sie muss den Zu- wanderern gleiche Rechte und Möglichkeiten einräumen; insbesondere durch gleiche Chancen in Bildung und Beruf, um so die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Teilhabe zu fördern. ■ Bund, Länder, Kommunen sowie Vertreter der Gesellschaft und von Migrantenverbänden haben sich auf einen gemeinsamen Plan für eine erfolgreiche Integration2 verständigt. 2 Der Nationale Integrationsplan (2007). 13
Begrenzung keine der Kriminalität Parallelgesellschaft geringere öffentliche erfolgreiche Integration Chancengleichheit Ausgaben Verhinderung von kulturelle Radikalisierung Bereicherung Abb. 2: Auswirkungen einer erfolgreichen Integration 2.3 Forderungen ■ Vertrauensbildende Maßnahmen und der Dialog zwischen Sicherheitsbehörden und Migrantenver- bänden sollten verstärkt und die Verbände für sicherheitspolitische Belange sensibilisiert werden. ■ Der Bevölkerungsstruktur ist auch durch Berücksichtigung von Personen mit Migrationshintergrund bei der Personalgewinnung – unter Beibehaltung von weiterhin hohen Einstellungs- und Qualifika- tionsanforderungen – Rechnung zu tragen. ■ Allgemein werden Interkulturelle Kompetenz und Sprachkompetenz bei der Personalgewinnung der Sicherheitsbehörden in Zukunft noch stärker an Bedeutung gewinnen. Dies, wie auch das Verständnis für Integrationsprozesse ist künftig ein wichtiges Element der Aus- und Fortbildung. Polizeibeamte und andere Mitarbeiter der Verwaltung müssen befähigt sein, mit den Unterschieden umzugehen, mit denen sie im Berufsalltag konfrontiert sind. ■ Angesichts des hohen Anteils nichtdeutscher Jugendlicher und Heranwachsender an den Gewalt- straftätern bedarf es neben einer konsequenten Strafverfolgung intensiver Präventions- und Inte- grationsbemühungen sowie entsprechender Forschungsprojekte. 3. Kernaussagen ► Die Bevölkerungszahlen in unserem Land werden in absehbarer Zeit sinken. Der Anteil älterer Menschen an unserer Bevölkerung wird weiter ansteigen. ► Durch den zu erwartenden Rückgang an Schul- und Hochschulabgängern wird die Personalgewin- nung erheblich beeinflusst. Im verstärkten Wettbewerb mit der Wirtschaft kommt es darauf an, die Konkurrenzfähigkeit der Sicherheitsbehörden zu erhöhen. ► Bei der Personalgewinnung ist die Bevölkerungsstruktur auch durch Einstellung von Personen mit Migrationshintergrund zu berücksichtigen. 14
► Wegen der Verschiebung im Altersaufbau der Sicherheitsbehörden sollten die spezifischen Bedürf- nisse älterer Mitarbeiter künftig verstärkt berücksichtigt werden. ► Die demografischen Veränderungen nehmen als ein Faktor unter vielen Einfluss auf die Kriminali- täts- und Verkehrsunfallentwicklung. ► Im Zusammenhang mit der Lebenssituation älterer Menschen ergeben sich besondere Tatgele- genheiten. ► Die Auswirkungen der sich ändernden Altersstruktur müssen noch stärker in die Städte- und Ver- kehrsplanung einfließen. ► Migration von Menschen – sowohl zeitweilig als auch dauerhaft – ist in einer vernetzten und wirt- schaftlich globalisierten Welt Normalität. Gefahren für die Innere Sicherheit gehen von unkontrol- lierter und illegaler Migration aus. ► Deutschland und die Staaten der Europäischen Union müssen in Fragen der Steuerung der Mi- gration verstärkt miteinander kooperieren und mit den Herkunfts- und Transitstaaten zusammen- arbeiten. ► Integration der dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland lebenden Migranten ist mitentscheidend für die künftige Entwicklung in unserem Land. ► Erfolgreiche Integration erfordert die Bereitschaft zum Dialog auf beiden Seiten und eine Kultur des gegenseitigen Respekts. 15
III. Nationale und internationale Zusammenarbeit3 Sicherheitsbehörden der unterschiedlichen Ebenen im nationalen und internationalen Rahmen können nur dann erfolgreich arbeiten, wenn sie effektiv kooperieren. 1. Nationale Zusammenarbeit 1.1 Gemeinsame Einrichtungen von Ländern und Bund Um der veränderten Sicherheitslage zu entsprechen, wurden unter anderem folgende, gemeinsame Ein- richtungen gebildet oder weiterentwickelt: ■ Das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) steigert die Effektivität der föderalen Sicher- heitsarchitektur, ohne das Zuständigkeitsgefüge der beteiligten Sicherheitsbehörden zu tangieren. Ein wesentliches, neu eingerichtetes Instrument ist die Anti-Terror-Datei (ATD). ■ Nach dem Vorbild des GTAZ wurde ein „Gemeinsames Internetzentrum“ (GIZ) errichtet, in dem un- ter Federführung des Bundesamtes für Verfassungsschutz Bundessicherheitsbehörden einschlä- gige Internetseiten beobachten. ■ Dem gleichen Ansatz folgt auf Bundesebene die Einrichtung des Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrums Illegale Migration (GASIM); eine Beteiligung der Länder sollte angestrebt wer- den. ■ Die aus der Polizeiführungsakademie hervorgegangene Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol) gewährleistet die praxisorientierte und wissenschaftliche Ausbildung sowie die bedarfsorientierte Fortbildung des polizeilichen Spitzenmanagements. Außerdem ist sie ein Zentrum polizeiwissen- schaftlicher Forschung. 1.2 Bereitschaftspolizeien und Spezialeinheiten der Länder und des Bundes ■ Im Bedarfsfall unterstützen sich Länder und Bund mit Kräften und Einsatzmitteln gegenseitig. ■ Für geschlossene Einsätze halten die Länder und der Bund Bereitschaftspolizeien vor. ■ Aufgabe der Spezialeinheiten der Länder und des Bundes ist die Bewältigung besonders schwie- riger Einsatzlagen, insbesondere mit hohem Gefährdungsgrad. ■ Länder und Bund sind aufgefordert, auch künftig „hochverfügbare“, gut ausgebildete, adäquat ausgestattete und qualifiziert geführte Bereitschaftspolizei- und Spezialeinheiten in ausreichender Stärke zu gewährleisten. Für länder- oder staatenübergreifende Einsätze dieser Organisationen sind einheitliche Standards zwingend. 2. Europäische und internationale Zusammenarbeit im Bereich der Inneren Sicherheit ■ Der fortschreitende europäische Integrationsprozess und die Globalisierung der Kriminalität prä- gen die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung. ■ Nicht erst seit der Öffnung der Binnengrenzen und des Wegfalls der Binnengrenzkontrollen ge- winnt die Zusammenarbeit der Polizei auf europäischer Ebene immer weiter an Bedeutung. 3 Soweit nicht in den speziellen Themen dargestellt. 16
■ Die Sicherheit in Deutschland ist auch abhängig von einem einheitlich hohen Sicherheitsniveau in der Europäischen Union. Deshalb sollte die Entwicklung eines europäischen Konzeptes zur Inneren Sicherheit vorangetrie- ben werden. Die Leitlinien hierzu und dieses Konzept, das umfassend strategische Ziele sowie Maßnahmen beschreibt, sind von den Ländern4 und dem Bund5 maßgeblich mitzubestimmen. ■ Unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips müssen die Mitgliedsstaaten bereit sein, staatliche Souveränität abzugeben, wenn dies zu Gunsten wirksamer internationaler Zusammenarbeits- formen notwendig ist. Auch in Zukunft bleibt die Innere Sicherheit jedoch Kernstück nationaler, staatlicher Souveränität. 2.1 Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden ■ Die wirksame Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der grenzüberschreitenden Krimi- nalität bedürfen eines europäischen Informationsverbundes der mit Sicherheitsaufgaben betrauten Dienststellen. ■ Die Länder und der Bund haben die Notwendigkeit erkannt, den nationalen und internationalen Informationsaustausch, einschließlich der künftigen Rolle von Zentralstellen und Gemeinsamen Zentren, neu zu gestalten. Es ist zu prüfen, inwieweit die Aufgaben wie bisher weitgehend zentral oder stärker dezentral verteilt werden sollten. ■ Die Voraussetzungen sind zu schaffen, dass Sicherheitsbehörden Zugang zu zentralen euro päischen Datenbanken erhalten und vorhandene nationale Datenbanken miteinander verknüpft werden können. Wegweisend sind der Vertrag von Prüm und die sogenannte Schwedische Initiative6. Ein erstes Beispiel ist der Zugang von Sicherheitsbehörden der Mitgliedsstaaten und EUROPOL zum Visa- Informationssystem. ■ Im Kontext einer europäischen Sicherheitsarchitektur hat die multilaterale Zusammenarbeit, insbe- sondere der Informationsaustausch der Nachrichtendienste, hohe Bedeutung. ■ Erforderlich sind einheitliche gesamteuropäische Lagebilder. ■ Auch über die EU-Grenzen hinaus sollte der Informationsaustausch noch verbessert werden. ■ In die vorstehenden Überlegungen sind die gesetzlichen Zuständigkeiten, der sinnvolle Einsatz der Personal- und Technikressourcen von Ländern und Bund sowie Möglichkeiten einer stärkeren Kon- zentration des Bundeskriminalamtes auf Phänomene der schweren, Organisierten und politisch motivierten Kriminalität einzubeziehen. ■ Änderungen der Kompetenzzuweisungen zwischen Bundeskriminalamt und den kriminalpolizei- lichen Stellen der Länder erfordern klare Zuständigkeitsregelungen. ■ Mit der Ablösung des „Kriminalpolizeilichen Meldedienstes“ und der auf heterogener Basis be- triebenen Falldateien durch den weitgehend automatisierten Informations- und Analyseverbund (PIAV) wird das kriminalpolizeiliche Informationswesen modernisiert. 4 Zum Beispiel über den Bundesrat. 5 In den Gremien der Europäischen Union. 6 Rahmenbeschluss 2006/960/JI des Rates vom 18. 12. 2006 über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. 17
2.2 Europäisches Polizeiamt (EUROPOL) ■ Die Weiterentwicklung von EUROPOL ist ein besonderes Anliegen deutscher Sicherheitspolitik. ■ EUROPOL ist zu einer Einrichtung zu entwickeln, die noch effektiver grenzüberschreitende schwere Kriminalität erkennt, bewertet und Informationen und Aktivitäten in den Mitgliedsstaaten vernetzt. ■ EUROPOL soll als Kompetenzzentrum für technische und koordinierende Unterstützung genutzt und weiter ausgebaut werden. Die eigentliche Ermittlungsverantwortung muss jedoch bei den Polizeien der Mitgliedsstaaten ver- bleiben. Das Potenzial von EUROPOL liegt in der Unterstützung der Polizeien, nicht in der Durch- führung operativer Maßnahmen. 2.3 Aus- und Fortbildung im internationalen Kontext ■ Aus- und Fortbildung müssen kontinuierlich an die sich ändernden Herausforderungen für die Ge- währleistung der Inneren Sicherheit angepasst werden. ■ Der Erfolg internationaler polizeilicher Zusammenarbeit in Europa wird wesentlich von der Bereit- schaft der Polizeiorganisationen und den individuellen Fähigkeiten der Polizeibeamten zur interna- tionalen Kooperation bestimmt. ■ Mit der Ausrichtung der Ausbildung für den gehobenen und höheren Polizeivollzugsdienst der Län- der und des Bundes am „Bologna-Prozess“ und der Entwicklung der Polizei-Führungsakademie zur Deutschen Hochschule der Polizei wurde die Basis für mehr Wissenschaftlichkeit und Interna- tionalität geschaffen. ■ Die Deutsche Hochschule der Polizei ist der deutsche Teil des CEPOL7-Netzwerkes. Sie koope- riert auf europäischer Ebene darüber hinaus im Netzwerk der europäischen Polizeihochschulen (AEPC) und gehört der Mitteleuropäischen Polizeiakademie (MEPA) an. ■ Die internationale polizeiliche Zusammenarbeit stellt einen wichtigen Studieninhalt dar. Dieser wird durch Studienbesuche im Ausland ergänzt, die Führungskräfte mit internationalen Praktiken der Polizeiarbeit vertraut machen. ■ Ausländische Führungskräfte nehmen an der Aus- und Fortbildung in Deutschland teil, während deutsche Polizeibeamte diese Möglichkeiten in europäischen Staaten und darüber hinaus nutzen können. ■ Ziele sind die Erhöhung des notwendigen interkulturellen und fremdsprachigen Niveaus sowie die Entwicklung eines angemessenen Rechts- und Einsatzverständnisses, damit eine erfolgreiche Kommunikation und die Bewältigung von Einsätzen im Ausland möglich sind. ■ Eine schrittweise Harmonisierung von Aus- und Fortbildungsinhalten der europäischen Polizeien ist angebracht. 3. Internationale Polizeimissionen, Ausbildungs- und Ausstattungshilfen Sicherheit in Deutschland wird auch von Entwicklungen in anderen Regionen der Welt beeinflusst. ■ Einsätze in Krisenregionen können einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung von Terrorismus und Gewalt, zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität sowie zur Steuerung transnationaler Migration leisten. 7 Europäische Polizeiakademie, bestehend aus den einzelstaatlichen Polizeiakademien/-hochschulen der Mitgliedsstaaten. 18
■ Die deutschen Sicherheitsbehörden werden sich hierbei im Verbund mit der internationalen Ge- meinschaft weiter engagieren. Die Polizei ist insoweit ein wichtiger strategischer Pfeiler. Ihr Einsatz ist vom militärischen strikt zu trennen; eine sachgerechte Kooperation bleibt unumgänglich. ■ Die Beteiligung an den Missionen bleibt – unbeschadet der Zuständigkeit des Bundes für die Au- ßenpolitik – eine gemeinsame Aufgabe der Polizeien der Länder und des Bundes. ■ Die Polizeien von Ländern und Bund beteiligen sich auch künftig mit einem bedeutsamen Perso- nal- und Sachbeitrag an internationalen Friedensmissionen sowie auf Grund bilateraler Abkommen an Polizeiprojekten. ■ Die Länder und der Bund unterstützen ausländische Polizeien durch Ausbildungs- und Ausstat- tungshilfe im Sinne einer „Vorverlagerungsstrategie“. Sie bezweckt die Stärkung staatlicher Insti- tutionen in den Partnerländern, zum Beispiel zur Verbesserung der Kriminalitäts- und Verkehrs unfallbekämpfung vor Ort. Damit geht ein Sicherheitsgewinn für Deutschland einher, weil grenzüberschreitende Gefahren bereits im Ursprungsland wirkungsvoller bekämpft werden können. ■ Entscheidend für die Bewältigung der besonderen Herausforderungen bei Auslandsverwendungen sind Gesichtspunkte der Personalgewinnung, spezielle und intensive Vorbereitung sowie qualifi- zierte Betreuung des Personals vor, während und nach dem Einsatz. ■ Angestrebt werden sollte eine gemeinsame europäische Vorbereitung auf Auslandseinsätze. Poli- zeibeamte, die für die obere Führungsebene vorgesehen sind, sollen grundsätzlich den „CEPOL- Commander-Course“ besucht haben. ■ Finanzielle Zulagen haben die besonderen Belastungen in Auslandsmissionen auszugleichen. In Schadensfällen kommt der besonderen Fürsorge und der schnellen, unbürokratischen Hilfe große Bedeutung zu. Dies schließt auch die umfassende Versorgung der Angehörigen ein. ■ In Krisenregionen eingesetzte Polizeibeamte müssen über eine an die konkreten Gefahrenlagen angepasste Sicherheitsausrüstung beziehungsweise Schutzausstattung verfügen. ■ Eine Verwendung im Ausland sollte karriereförderlich und Element der Personalentwicklung sein. 4. Recht ■ Bei der länderübergreifenden Zusammenarbeit haben sich die Polizeigesetze der Länder und des Bundes als ein grundsätzlich kompatibles Rechtsgefüge bewährt. Sie tragen den Anforderungen eines erhöhten Sicherheitsniveaus – auch im Hinblick auf neue Bedrohungsformen – hinreichend Rechnung. ■ Mit dem Maastrichter Vertrag wurde die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres auf zwi- schenstaatlicher Ebene institutionalisiert und im Vertrag von Amsterdam fortgeschrieben. Beispiel- haft sind in diesem Zusammenhang der Rahmenbeschluss des Rates zur Terrorismusbekämpfung und die Möglichkeit der Befugniserweiterung von EUROPOL. ■ Bis auf Weiteres bleibt es bei den Regelungen des Vertrages von Nizza. Der Lissaboner Vertrag, der die europäische Zusammenarbeit effektiver gestalten soll, ist bisher nicht zustande gekommen. Die sich aus diesem Vertrag ergebenden Änderungen hätten posi- tive Auswirkungen auf die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit gehabt, vor allem durch die grundsätzliche Einführung des Mehrheitsprinzips bei Initiativen und Entscheidungen auf dem Feld der Inneren Sicherheit. 19
■ Dennoch zeichnet sich eine Vereinfachung und thematische Fortentwicklung der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in Europa ab.8 Die Länder und der Bund werden diesen Prozess mit Nachdruck fördern. ■ Über die Umsetzung bisheriger Maßnahmen hinaus ist es wichtig, in Europa Straf- und Polizeirecht sowie den Datenschutz zu harmonisieren, soweit dies zur Verbesserung der transnationalen Zu- sammenarbeit und einer angemessenen Behandlung transnationaler Sachverhalte geboten ist. 5. Abstimmung von Ländern und Bund in internationalen Angelegenheiten Die Länder und der Bund arbeiten gemeinsam an der Vision Europas als einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechtes mit. Es besteht Einvernehmen, dass in Anbetracht der Internationalisierung der Sicherheitspolitik die Abstimmung der europäischen und internationalen polizeilichen Zusammenar- beit im engen Zusammenwirken ausgestaltet werden muss. 6. Kernaussagen ► Gemeinsame Einrichtungen von Ländern und Bund steigern die Effektivität der föderalen Sicher- heitsarchitektur, ohne in das Zuständigkeitsgefüge der beteiligten Sicherheitsbehörden einzugrei- fen. ► Für erfolgreiche länder- oder staatenübergreifende Einsätze der Bereitschaftspolizeien und der Spezialeinheiten der Länder und des Bundes sind einheitliche Standards für Führung, Ausbildung und Ausstattung entscheidend. ► Insbesondere zur wirksamen Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der grenzüber- schreitenden Kriminalität benötigen die Sicherheitsbehörden Zugang zu zentralen europäischen und anderen nationalen Datenbanken. ► Im Kontext einer europäischen Sicherheitsarchitektur kommt der multilateralen Zusammenarbeit, insbesondere einem strukturierten Informationsaustausch, noch mehr Bedeutung zu. Künftig sind in Europa einheitliche Lagebilder erforderlich. ► EUROPOL muss als europäisches Kompetenzzentrum für technische und koordinierende Unter- stützung ausgebaut werden. ► Internationalität der Aus- und Fortbildung garantiert ein angemessenes interkulturelles und fremd- sprachiges Niveau sowie ein gemeinsames Rechts- und Einsatzverständnis für eine erfolgreiche grenzübergreifende Einsatzbewältigung. ► Die Polizeien von Ländern und Bund beteiligen sich auch künftig mit einem bedeutsamen Perso- nal- und Sachbeitrag an internationalen Friedensmissionen. ► Die Verwendung im Ausland ist Element der Personalentwicklung. ► Internationale Polizeimissionen, Ausbildungs- und Ausstattungshilfen von Ländern und Bund un- terstützen nicht nur vor Ort. Durch Bekämpfung grenzüberschreitender Gefahren bereits im Ur- sprungsland wird auch ein Sicherheitsgewinn für Deutschland erreicht. 8 Zum Beispiel „Schwedische Initiative“ und der Vertrag von Prüm. 20
IV. Sicherheit an den Grenzen nach Wegfall von Grenzkontrollen 1. Ausgangssituation Die Erweiterung der Europäischen Union, insbesondere aber die Ausdehnung des Schengenraumes füh- ren dazu, dass nationale Grenzen ihre Bedeutung als Trennlinien und Kontrollschranken zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verlieren. Grenzräume können dadurch sehr schnell passiert werden. Abb. 3: Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen (Stand 2009) Quelle: Europa-Union Deutschland 1.1 Nationaler Bereich ■ Grenzüberschreitende Probleme, insbesondere die Kriminalität, erfordern ganzheitliche Lösungs- ansätze. Hierzu wurden behördenübergreifende Kooperationsplattformen auf Landes- und Bun- desebene gebildet.9 ■ In den Grenzgebieten kommt es auf eine enge, unkomplizierte und schnelle Zusammenarbeit der Polizei- und anderer Strafverfolgungsbehörden an. Hierzu bedarf es maßgeschneiderter Lösungen für eine intensive und kooperative Zusammenarbeit. 9 Zum Beispiel das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASIM) auf Bundesebene. 21
■ Mit der Einrichtung Gemeinsamer Zentren wurde die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizei- und Zollbehörden institutionalisiert. Neue Kooperationsformen haben sich dabei bewährt. Diese umfassen zum Beispiel – gemeinsame Streifen – gemeinsame Ermittlungsgruppen – Datenaustausch – grenzüberschreitende Nacheile und Observation – Austausch von Beamten beziehungsweise geschlossenen Einsatzeinheiten – Übertragung hoheitlicher Befugnisse – gemeinsam geplante Kontroll- oder Großeinsätze. 1.2 EU- und Schengen-Raum ■ Die Einreise von Drittstaatsangehörigen in das Schengengebiet sowie die Visaverfahren sind – ab- gesehen von besonderen nationalen Regelungen – überwiegend durch europäische Rechtsakte geregelt. Trotz zahlreicher Optimierungsmaßnahmen werden kriminelle Strukturen benutzt, um die Visa regelungen zu missbrauchen und Migranten nach Deutschland oder in die übrigen Schengen- Staaten einzuschleusen. ■ Damit der Wegfall stationärer und systematischer Binnengrenzkontrollen nicht zu Sicherheitsein- bußen auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit führt, haben Deutschland und die übrigen Schengen- Staaten Ausgleichsmaßnahmen festgelegt. Maßgeblich sind das Schengener Durchführungsüber- einkommen und die darauf aufbauenden Rechtsakte. ■ Auf europäischer Ebene nimmt die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX wichtige Quer- schnittsaufgaben wahr. Hierzu zählen insbesondere die Koordinierung von gemeinsamen Einsät- zen der Grenzpolizeien der Mitgliedsstaaten beim Schutz der EU-Außengrenzen, die Erstellung von Risikoanalysen und die Koordinierung gemeinsamer Rückführungsmaßnahmen. FRONTEX ersetzt den nationalen Grenzschutz nicht, sondern ergänzt nationale Grenzschutzsys teme. 1.3 Internationale Kooperation ■ Deutschland hat mit einer Reihe von Staaten – überwiegend im mittel- und osteuropäischen Raum, aber auch auf der arabischen Halbinsel und in Nordafrika – bilaterale Abkommen über die Zusam- menarbeit bei der Bekämpfung von Straftaten unterzeichnet. Diese sind Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit sowie für den sicherheitsbehördlichen Informationsaustausch. Ziel ist es, den Gefahren des Terrorismus, der Organisierten Kriminalität sowie der unerlaubten Migration und Schleusungskriminalität noch wirksamer zu begegnen. ■ Zur Verstärkung des Informationsaustausches wurden durch die Bundesrepublik Deutschland Ver- bindungsbeamte unterschiedlicher Behörden10 in eine Vielzahl von Ländern entsandt. Verbindungsbeamte haben die Aufgabe, frühzeitig relevante Informationen über kriminal- und grenzpolizeiliche sowie migrationspolitische Entwicklungen zu gewinnen. ■ Deutschland setzt – vorwiegend an Brennpunkten illegaler Migration zur Bekämpfung der Schleu- sungskriminalität – sogenannte Grenzpolizeiliche Unterstützungsbeamte Ausland (GUA) ein. Sie sind an Grenzübergängen und Flughäfen europäischer Partnerstaaten stationiert. 10 Unter anderem des Bundeskriminalamts, der Bundespolizei und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. 22
Die grenzpolizeiliche Vorfeldstrategie wird kontinuierlich ausgebaut. Ein erfolgreiches Element ist zum Beispiel die Entsendung von Dokumentenberatern an deutsche Auslandsvertretungen. Sie unterstützen die Visastellen und die örtlichen Luftfahrtunternehmen beim Erkennen von ge- und verfälschten Dokumenten. 2. Künftige Entwicklung ■ Nach dem Wegfall von stationären und systematischen Grenzkontrollen hat Deutschland nur noch Binnen-Landgrenzen. Weiterhin werden jedoch Grenzkontrollen an Flughäfen sowie an den See- grenzen im direkten Drittlandsverkehr durchgeführt. ■ Deutschland wird weiterhin Ziel-, insbesondere aber Transitland illegaler Migration, Schleusungs- kriminalität und grenzüberschreitender Kriminalität sein. ■ Die steigende individuelle Mobilität führt zu einem kontinuierlichen Anstieg im grenzüberschreiten- den Reiseverkehr. Damit verbindet sich die Gefahr, dass illegale Einreisen zunehmen. 3. Forderungen Auch künftig ist ein wesentliches Augenmerk auf den internationalen Terrorismus, die grenzüberschreiten- de Kriminalität sowie die illegale Migration und die damit einhergehenden Kriminalitätsfelder zu richten. 3.1 Nationaler Bereich ■ Grenzüberschreitend agierende Täter dürfen keine Vorteile aus den offenen Grenzen ziehen kön- nen. ■ Im Binnengrenzraum Deutschlands sind weiterhin intensive lage- und brennpunktorientierte, ab- gestimmte oder gemeinsame Fahndungs-, Kontroll-, Einsatz- und Ermittlungsmaßnahmen durch- zuführen. ■ Illegal eingereiste und ausreisepflichtige Personen sind zeitnah und konsequent zurückzuführen beziehungsweise zurückzuschieben. Dadurch lässt sich die Attraktivität Deutschlands als Ziel ille- galer Migration verringern. ■ Das Instrument der gemeinsamen Sammelrückführung von Ländern und Bund sowie auf euro päischer Ebene ist unter einer einheitlichen Koordination künftig stärker zu nutzen. ■ Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und der grenzüberschreitende Informationsaustausch sollten erleichtert und noch intensiviert werden. Informations- und Handlungsdefizite in Grenzräumen sind zu verringern durch – deliktspezifische Informationserfassung und -übermittlung – die Erstellung gemeinsamer Lagebilder – gemeinsam durchgeführte Sicherheitsanalysen. ■ Die Einrichtung weiterer Gemeinsamer Zentren der Polizei- und Zollzusammenarbeit in Europa ist zu prüfen. ■ Grenzsicherheit und grenzüberschreitende Kriminalität sollten Inhalte von Forschungsprojekten sein. 23
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