Projektarbeit Ausarbeitung der rechtlichen Lage von autonomen Fahrzeugen und Untersuchung von Szenarien mit Handlungsempfehlungen

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Projektarbeit Ausarbeitung der rechtlichen Lage von autonomen Fahrzeugen und Untersuchung von Szenarien mit Handlungsempfehlungen
Projektarbeit

 Ausarbeitung der rechtlichen Lage von
autonomen Fahrzeugen und Untersuchung
von Szenarien mit Handlungsempfehlungen

 im Studiengang TAB4

 unter der Leitung von Prof. Dr. Ralf Wörner

 vorgelegt von

 Nico Ewelt

 Mat.-Nr.: 754475

 Nico Gelhausen

 Mat.-Nr.: 755060

 Micha Kümmerle

 Mat.-Nr.: 754377

 Mark Roos

 Mat.-Nr.: 754717

 Am 15.06.2018
 an der Hochschule Esslingen
Projektarbeit Ausarbeitung der rechtlichen Lage von autonomen Fahrzeugen und Untersuchung von Szenarien mit Handlungsempfehlungen
Kurzfassung 2

Kurzfassung
Im Studiengang TAB4 ist ein Projekt zu absolvieren, welches sich aus einer Gruppe von
4 Studierenden zusammensetzt. Wir wählten das Thema „B2 – Bewertung
Nutzungsszenarien für autonom fahrende LKWs: Anwendungsfelder und
Erwartungshaltungen durch Verkehrsraumteilnehmer“. Der Projekttitel hat sich dann zu
dem auf dem Deckblatt zu findenden entwickelt. Wir hatten nach einem Gespräch mit
Prof. Dr. Wörner einen Teamleiter zu bestimmen, in unserem Fall Nico Gelhausen,
sowie die Aufforderung erhalten unsere Aufgabenteilung, Herangehensweise und
Organisation selbst einzuteilen. Es ist ein sehr spannendes Thema, welches uns das
ganze Semester über beschäftigt hat.
Die Projektarbeit lief in Kooperation mit der Projektgruppe B1, welche sich
ausschließlich auf die technischen und infrastrukturellen Komponenten des konkreten
Use-Cases der Strecke Stuttgart – Rotterdam konzentrierten.
Bei der Betrachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen des autonomen Fahrens in
Deutschland und der Niederlande fällt schnell auf, dass die vorläufige Situation
unvorbereitet erscheint. Sowohl auf internationaler als auch auf den nationalen Ebenen
sind Rahmenbedingungen nicht ausgereift und werden bisher auch nur zögerlich
vorangetrieben. Auffällig ist, dass neue oder noch laufende Gesetzesänderungen fast
ausschließlich nur für vollautomatisierte Fahrzeuge bis Level 4 definiert werden. Damit
erscheint das autonome Fahren im Sinne einer Level 5 Nutzung legislativ noch in weiter
Ferne.
Daher entwickelte sich unsere Aufgabe schnell in die Richtung,
Handlungsempfehlungen rechtlicher Art aus der Sicht von Nicht-Juristen zu
formulieren. Zu diesem Zwecke soll eine Verdeutlichung anhand von zwei
Streckenszenarien erfolgen, welche durch eine Analyse teils den technischen und
infrastrukturellen Bereich mit abdecken und so ein anschauliches Beispiel zur Lage und
Aussicht in der Legislative bieten. Dabei liegt das Augenmerk auf der
länderübergreifenden Betrachtung im Sinne des Use-Cases.
Unsere Industriepartner Herr Kok von der Daimler AG, Herrn Lennart Schultz von der
ACATECH sowie Herrn Heisig und Herrn Dröge von der Volkmann und Rossbach
GmbH & Co. KG standen uns mit Rat und Tat zur Seite. Regelmäßige Treffen mit
ihnen sowie mit Professor Dr. Ralf Wörner an der Hochschule Esslingen lieferten einen
stetigen Abgleich. Ein Highlight war die Demonstration des Mercedes-Benz Actros mit
Highway Pilot und einer Demonstrationsfahrt auf der B14 am 30.04.2018.

Schlagwörter: Autonomes Fahren, Infrastruktur, Recht, Handlungsempfehlungen,
Haftung, Datenschutz, Projektarbeit
Projektarbeit Ausarbeitung der rechtlichen Lage von autonomen Fahrzeugen und Untersuchung von Szenarien mit Handlungsempfehlungen
Abstract 3

Abstract
In our current semester TAB4 we have to complete a project in a group of four. We
chose the topic “B2 – Evaluation Usage Scenarios for Autonomous Driving Trucks:
Application Fields and Expectations by Traffic Participants”. The project title quickly
evolved to the one on the cover. After first conversation with Prof. Dr. Wörner we
chose Nico Gelhausen to be our group leader.
The project work was carried out in cooperation with the project group B1, which
focused exclusively on the technical and infrastructural components of the concrete use-
case Stuttgart – Rotterdam.
Considering the current legislative framework conditions of autonomous driving in
Germany, the Netherlands and international law it quickly becomes apparent that the
situation seems to be unprepared. It is also noticeable that new or ongoing legal changes
are almost exclusively defined only for vehicles up to level 4 automatization. So far, the
autonomous driving in the sense of a level 5 automatization seems to be in the distant
future.
Thus our task developed to formulate legal recommendations from the point of view of
non-lawyers. For this purpose, a clarification is to be made on the basis of two scenarios
concerning technical and infrastructural dimensions.
Our partners Mr. Kok from the Daimler AG, Mr. Lennart Schultz from the Acatech, Mr.
Heisig and Mr. Dröge from Volkmann und Rossbach GmbH & Co. KG assisted our
work with ambition as well as our professor Prof. Dr. Wörner. A highlight was the
demonstration of the Mercedes-Benz Actros equipped with the Highway Pilot system
and the demonstration drive on the B14 at April 30, 2018.

Keywords: autonomous driving, infrastructure, law, recommendations, liability, data
protection, project work
Projektarbeit Ausarbeitung der rechtlichen Lage von autonomen Fahrzeugen und Untersuchung von Szenarien mit Handlungsempfehlungen
Inhaltsverzeichnis 4

Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung ................................................................................................................................... 2
Abstract ......................................................................................................................................... 3
Inhaltsverzeichnis .......................................................................................................................... 4
Abkürzungsverzeichnis .................................................................................................................. 6
Abbildungsverzeichnis................................................................................................................... 9
Tabellenverzeichnis ..................................................................................................................... 10
1. Definitionen............................................................................................................................. 11
2. Allgemeine rechtliche Situation .............................................................................................. 12
 2.1 Völkerrecht ........................................................................................................................ 12
 2.1.1 Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr .................................................. 12
 2.1.2 ECE-Regelungen ......................................................................................................... 14
 2.2 Europarecht ....................................................................................................................... 16
 2.2.1 Europäisches Zusatzabkommen zum Übereinkommen zum Straßenverkehr ........... 18
 2.2.2 Amsterdamer Erklärung ............................................................................................. 19
 2.3 Nationale Gesetze – Deutschland ..................................................................................... 19
 2.3.1 Straßenverkehrsordnung (StVO) ................................................................................ 19
 2.3.2 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) ......................................................... 20
 2.3.3 Straßenverkehrsgesetz ............................................................................................... 21
 2.3.4 Haftung....................................................................................................................... 22
 2.3.5 Datenschutz ............................................................................................................... 25
 2.3.6 Testfahrzeugzulassung ............................................................................................... 29
 2.3.7 Versuchsfelder ........................................................................................................... 30
 2.3.8 Autonomous Vehicle Readiness Index – Deutschland ............................................... 31
 2.4 Niederlande ....................................................................................................................... 32
 2.4.1 Nationale Gesetzeslage .............................................................................................. 32
 2.4.2 Versuchsfelder ........................................................................................................... 34
 2.4.3 Autonomous Vehicle Readiness Index ....................................................................... 35
 2.5 Fazit ................................................................................................................................... 36
 2.6 Ausblick – Bericht der Ethikkommission ........................................................................... 37
3. Allgemeine Situation zur Infrastruktur.................................................................................... 41
 3.1 Vergleich Verkehrszeichen ................................................................................................ 42
 3.2 Straßenmarkierungen ....................................................................................................... 45
 3.2.1 Autobahnen in Deutschland ...................................................................................... 47
 3.2.2 Unterschiede Straßenmarkierungen .......................................................................... 50
 3.3 Lichtsignalanlagen ............................................................................................................. 52
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Inhaltsverzeichnis 5

 3.4 Völkerrechtliche Hintergründe zu Straßenverkehrszeichen, Straßenmarkierungen und
 Lichtsignalanlagen ................................................................................................................... 53
 3.4.1 Wiener Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen ........................................... 53
 3.4.2 Europäisches Zusatzabkommen zum Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen
 ............................................................................................................................................. 55
 3.5 Arbeitsstellen .................................................................................................................... 55
 3.5.1 Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA) ............................ 55
 3.5.2 Baustellenverordnung ................................................................................................ 60
4. Vorstellung der Situationen .................................................................................................... 61
 4.1 Der Use-Case Rotterdam – Stuttgart ................................................................................ 62
 4.2 Positionszuordnung + Roboter vs. Umfeld........................................................................ 64
 4.2.1 Notwendigkeit von Redundanzen .............................................................................. 67
 4.2.2 Anpassungsbedarf Infrastruktur ................................................................................ 73
 4.2.3 Empfehlungen ............................................................................................................ 76
 4.3 Mobile Baustellen + Szenario Mischbetrieb – Fahrer vs. Roboter .................................... 78
 4.3.1 Beschreibung des Videos ........................................................................................... 78
 4.3.2 Betrachtung der Infrastruktur .................................................................................... 79
 4.3.3 Betrachtung der Technik ............................................................................................ 83
5. Fazit ......................................................................................................................................... 88
6. Anhang .................................................................................................................................... 91
 6.1 Reiner Scharrer, Autobahndirektion Südbayern ............................................................... 91
 6.2 Falk Ehrlich, Regierungspräsidium Stuttgart, Referat 46.1 - Verkehr ............................... 93
7. Selbständigkeitserklärung ....................................................................................................... 95
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Abkürzungsverzeichnis 6

Abkürzungsverzeichnis
3D 3 Dimensionen
A9 Autobahn 9
ABS Anti-Blockiersystem
Abs. Absatz
ACC Adaptive Cruise Control
ACSF Automatically Commanded Steering Function
AG Aktiengesellschaft
ASIL Automotive Saftey Integrity Level
B14 Bundesstraße 14
BAB Bundesautobahn
BaustellV Baustellenverordnung
BDSG Bundesdatenschutzgesetz
BfDI Bundesbeauftragter für Datenschutz und Infrastruktur
BFU Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung
BGB Bundesgesetzbuch
BMVI Bundesverkehrsministerium
Bzgl. Bezüglich
Bzw. Beziehungsweise
Ca. Circa
Car2X, V2X Fahrzeug zu Umgebung
Co. Compagnie
D.h. Das heißt
DBS Digital Business Solutions
DIN Deutsche Industrienorm
Dr. Doktor
e.V. eingetragener Verein
E-Call Emergency Call
ECE-Regelungen Regelungen der Wirtschaftskommission für Europa der
 Vereinten Nationen
Etc. Et Cetera
EU Europäische Union
EU-DSGVO EU-Datenschutz-Grundverordnung
F Folgende
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Abkürzungsverzeichnis 7

F&E Forschung und Entwicklung
Ff. Fortfolgende
GLONASS russisches Globales Satellitennavigationssystem
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GNSS globales Navigationssatellitensystem
GPS Global Positioning System
HD High Definition
Hg. Herausgeber
Hr. Herr
ISO Internationale Organisation für Normung
KBA Kraftfahrt-Bundesamt-Ordnung
KG Kommanditgesellschaft
Km Kilometer
Km/h Kilometer pro Stunde, Angabe einer Geschwindigkeit
LKAS Lane Keeping Assistant
LKW Lastkraftwagen
LTE Long Term Evolution
Min Minuten
Mm Millimeter
Mr. Mister
PKW Personenkraftwagen
ProdHaftG Produkthaftungsgesetz
Prof. Professor
R79 Regelung in ECE
RL 2007/46/EG Richtlinie 2007/46/EG
RMS Richtlinien für die Markierung von Straßen
RSA Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an
 Straßen
RTTI Real Time Traffic Information
S. Seite
SDCU Safety Domain Control Unit
StVG Straßenverkehrsgesetz
StVO Straßenverkehrsordnung
StVZO Straßenverkehrszulassungsordnung
TMC Traffic Message Channel
TU Eindhoven Technische Universität
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Abkürzungsverzeichnis 8

TÜV Technischer Überwachungsverein
UMTS Universal Mobile Telecommunications System
UN United Nations
UNECE Wirtschaftskommission für Europa
URL Uniform Resource Locator
USA United States of America
Usw. Und so weiter
V2I Kommunikation Vehicle to Infrastructure
V2V Kommunikation Vehicle to Vehicle
VAF Vollautomatisiertes Fahren
VDA Verbund der Automobilindustrie
W-LAN Wireless Lan
WVW Wegenverkeerswet
XML Extensible Markup Language
Z.B. Zum Beispiel
ZFZR Zentrale Fahrzeugregister
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Abbildungsverzeichnis 9

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Auszug aus dem StVG .............................................................................. 21
Abbildung 2: Platzierung Deutschlands im Index .......................................................... 32
Abbildung 3: Rangprinzip .............................................................................................. 32
Abbildung 4: Platzierung von den Niederlanden im Index ........................................... 36
Abbildung 5: Timeline mit wichtigsten Daten ............................................................... 37
Abbildung 6: Rangfolge der Vorfahrtseinrichtungen in Deutschland ............................ 41
Abbildung 7: Rangfolge der Vorfahrtseinrichtungen in den Niederlanden .................... 41
Abbildung 8: Unsachgemäße Markierung ...................................................................... 46
Abbildung 9: Undurchsichtige Markierung .................................................................... 47
Abbildung 10: Aufbau einer Autobahn .......................................................................... 50
Abbildung 11: Lichtsignalanlage mit Rundumgrün-Hinweis in Groningen .................. 53
Abbildung 12: Verkehrszeichen 123 Abbildung 13: Verkehrszeichen 1004.............. 56
Abbildung 14: Beispielregelplan für Autobahn .............................................................. 58
Abbildung 15: Ausbau des autonomen Fahrbetriebs Hafen Rotterdam ......................... 63
Abbildung 16: Route von Stuttgart nach Rotterdam ...................................................... 64
Abbildung 17: Verunfalltes Tesla Model X auf dem Highway 85 ................................. 65
Abbildung 18: Screenshots aus dem Beispielvideo; Links Bild 1, Mitte Bild 2, Rechts
 Bild 3 ........................................................................................................ 65
Abbildung 19: Luftperspektive des Fahrwegs ................................................................ 66
Abbildung 20: Bordsensorik des Tesla Model X............................................................ 67
Abbildung 21: Kommunikationskanäle von autonomen Fahrzeugen............................. 68
Abbildung 22: LTE Abdeckung Deutschland ................................................................ 75
Abbildung 23: LTE Abdeckung in den Niederlanden .................................................... 76
Abbildung 24: Screenshots aus Beispielvideo ................................................................ 79
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Tabellenverzeichnis 10

Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vergleich von Verkehrszeichen ..................................................................... 42
Tabelle 2: Anteil gleicher Schilder ................................................................................. 43
Tabelle 3: Vergleich der Beschilderung auf Autobahnen ............................................... 44
Tabelle 4: Unterschiede autobahnrelevanter Verkehrszeichen ....................................... 44
Tabelle 5: Markierungsarten auf Autobahnen ................................................................ 47
Tabelle 6: Unterschiede von Straßenmarkierungen ........................................................ 50
Tabelle 7: Beanspruchungsklassen für Markierungsstreifen .......................................... 80
Tabelle 8: Klassen für Radüberrollungen ....................................................................... 81
1. Definitionen 11

1. Definitionen
Situation: Der Ausdruck Situation umfasst die Rahmenbedingungen, vor die
 jemand oder unter die ein Vorhaben oder eine Sache gestellt wird.
 Außerdem bezeichnet das Wort Situation die Lage oder Position,
 die Gebundenheit an Gegebenheiten oder Umstände.
Streckenszenario: Konkretisierte Beschreibung einer Fahrsituation, ausgehend aus
 der Verbindung von zwei oder mehr Szenarien nach Hr. Rahmani;
 eigene Definition.
Szenario: „Beschreibung, Entwurf, Modell der Abfolge von möglichen
 Ereignissen oder der hypothetischen Durchführung einer Sache“ 1;
 Hier bezugnehmend auf das Ergebnispapier von Hr. Rahmani.
Use-Case: Use Cases dokumentieren die Funktionalität eines geplanten oder
 existierenden Systems auf Basis von einfachen Modellen. In
 einem Use Case, auch Anwendungsfall genannt, wird das nach
 außen sichtbare Verhalten eines Systems aus Sicht der Nutzer
 beschrieben.
Vollautonomes Fahren:
 Das System übernimmt das Fahrzeug vollständig vom Start bis
 zum Ziel; alle im Fahrzeug befindlichen Personen sind nur
 Passagiere. Dabei handelt es sich um die Automatisierungsstufe 5.

1
 Dudenredaktion (o. J.): „Szenario“ auf Duden online. URL:
https://www.duden.de/rechtschreibung/Szenario (Abrufdatum: 09.04.2018)
2. Allgemeine rechtliche Situation 12

2. Allgemeine rechtliche Situation

2.1 Völkerrecht

2.1.1 Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr
Das Wiener Abkommen über den Straßenverkehr ist ein völkerrechtlicher Vertrag unter
dem Dach der Vereinten Nationen. Er bildet die Grundlage für die nationalen
Straßenverkehrsordnungen, welche durch Vereinheitlichung sicherer gemacht werden
sollten. Der Vertrag wurde von der UN-Konferenz in Wien vom 7. Oktober bis 8.
November 1968 beschlossen. Seither haben 74 Staaten die Konvention unterzeichnet. In
Deutschland wurde das Übereinkommen am 03.08.1978 ratifiziert, die Niederlande sind
am 08.11.2007 beigetreten.
Bisher stand das Wiener Abkommen in der Fassung von 1968 dem autonomen Fahren
entgegen. Verständlich, denn an autonomes Fahren konnte 1968 noch keiner denken.
Der wesentliche Grund liegt in der Formulierung, dass zwingend ein Fahrer notwendig
ist:

 Jedes Fahrzeug und miteinander verbundene Fahrzeuge müssen, wenn sie
 in Bewegung sind, einen Führer haben. 2
 Jeder Führer muss dauernd sein Fahrzeug beherrschen oder seine Tiere
 führen können. 3
 Jeder Fahrzeugführer muss unter allen Umständen sein Fahrzeug
 beherrschen, um den Sorgfaltspflichten genügen zu können und um
 ständig in der Lage zu sein, alle ihm obliegenden Fahrbewegungen
 auszuführen. Er muss bei der Wahl der Geschwindigkeit seines Fahrzeugs
 ständig die Umstände berücksichtigen, insbesondere die örtlichen
 Verhältnisse, den Strassenzustand, den Zustand und die Beladung seines
 Fahrzeugs, die Witterungsverhältnisse und die Dichte des Verkehrs, um
 innerhalb der nach vorn übersehbaren Strecke und vor jedem
 vorhersehbaren Hindernis sein Fahrzeug anhalten zu können. Er muss
 langsamer fahren und, wenn nötig, anhalten, sobald die Umstände es
 verlangen, namentlich wenn die Sicht nicht gut ist. 4

2
 Wiener Abkommen, 1968, Artikel 8, Absatz 1
3
 Wiener Abkommen, 1968, Artikel 8, Absatz 5
4
 Wiener Abkommen, 1968, Artikel 13, Absatz 1
2. Allgemeine rechtliche Situation 13

 «Führer» ist jede Person, die ein Kraftfahrzeug oder ein anderes
 Fahrzeug (Fahrräder eingeschlossen) lenkt oder die auf einer Straße
 Vieh, einzeln oder in Herden, oder Zug—, Saum— oder Reittiere leitet 5
Dieser Problematik wurde durch eine Änderung aus dem Jahr 2014 begegnet. Seit
23.02.2016 sind nun folgende Formulierungen Teil des Wiener Abkommens:
 Fahrzeugsysteme, die einen Einfluss auf das Führen des Fahrzeugs
 haben, gelten mit Absatz 5 dieses Artikels und mit Absatz 1 des Artikels
 13 als konform, sofern sie den Vorschriften bezüglich Bauweise, Montage
 und Benutzung nach Massgabe der internationalen Rechtsvorschriften für
 Kraftfahrzeuge, Ausrüstungsgegenstände und Teile, die in Kraftfahrzeuge
 eingebaut und/oder dafür verwendet werden können, entsprechen;
 Fahrzeugsysteme, die einen Einfluss auf das Führen eines Fahrzeugs
 haben und die nicht den oben erwähnten Vorschriften bezüglich
 Bauweise, Montage und Benutzung entsprechen, gelten mit Absatz 5
 dieses Artikels und mit Absatz 1 des Artikels 13 als konform, sofern die
 Fahrzeugsysteme vom Fahrzeugführer übersteuert oder desaktiviert
 werden können. 6
 Der Führer eines Fahrzeugs muss alle anderen Tätigkeiten als das
 Führen seines Fahrzeugs vermeiden. Die innerstaatlichen
 Rechtsvorschriften sollten Bestimmungen zur Benutzung von Telefonen
 durch die Fahrzeugführer vorsehen. In jedem Fall müssen sie die
 Benutzung von Telefonen ohne Freisprecheinrichtung durch Führer eines
 sich in Bewegung befindlichen Motorfahrzeugs oder Motorfahrrads
 verbieten. 7
Mit diesen zusätzlichen Absätzen wird rechtlich sichergestellt, dass der Fahrer weiterhin
die Verantwortung für das System trägt und selbiges stets überwachen muss. Ein reiner
Passagiertransport, wie es im Falle eines Level-5-VAF-Fahrzeuges vorgesehen ist, ist
damit nicht zugelassen. Jedoch wurde durch die Änderung die Entwicklung hoch- und
vollautomatisierter Fahrzeugkonzepte unterstützt.
Ebenfalls unterstützt wird die Entwicklung autonomer Fahrzeuge durch einen
Zusatzartikel, welcher die Verantwortung für Entwicklungsvorhaben auf nationale
Ebene hievt:

 Die Vertragsparteien können im innerstaatlichen Bereich in den
 folgenden Fällen von den Bestimmungen dieses Anhangs abweichen:

5
 Wiener Abkommen, 1968, Artikel 1, Begriffsbestimmung
6
 Wiener Abkommen, 1968, Artikel 8, Absatz 5bis
7
 Wiener Abkommen, 1968, Artikel 8, Absatz 6
2. Allgemeine rechtliche Situation 14

 c) für Fahrzeuge zur Durchführung von Versuchen zur technischen
 Weiterentwicklung und Hebung der Verkehrssicherheit; 8
Damit ist das Wiener Abkommen zunächst kein Hindernis, sofern jedoch die
Entwicklung autonomer Fahrzeuge mit reinem Passagiertransport, oder gar ohne
Menschen im Fahrzeug vorangeschritten ist, muss das Wiener Abkommen zwingend
geändert oder ergänzt werden um Regelungen zum Fahren ohne Fahrer. Die Gefahr ist
groß, dass sich die Politik auf den neuen Paragraphen ausruht und die rechtzeitige
Überarbeitung zur Vorbereitung auf das autonome Fahren im Level-5-Stadium
vernachlässigt.

2.1.2 ECE-Regelungen
Die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (Kurz: UNECE) hat am
20. März 1958 Regelungen für technische Vorschriften für Radfahrzeuge und deren
Ausrüstungsgegenstände beschlossen. Weiterhin sind durch diese Vorschriften
Prüfverfahren und Bedingungen für die Typgenehmigung geregelt, denn nach Aktuell
(Stand Februar 2017) haben die Regelungen 62 Vertragsparteien. Eine dieser
Vertragsparteien ist die Europäische Union, wodurch auch Länder, welche keine
direkten Vertragsparteien aber Teil der Europäischen Union sind, eigene
Landeskennzahlen haben. Zu diesen Ländern gehören Irland, Malta und Zypern. Ziel
des Abkommens war der Abbau von Schranken zwischen den Vertragsparteien
bezüglich der technischen Ausstattung von Kraftfahrzeugen.
Von zentraler Bedeutung für den Schritt zum autonomen Fahren ist in den ECE-
Regelungen die Regelung R79 zu Lenkanlagen. Dort heißt es (Stand 27.05.2008,
Revision 2):

 Sobald die automatische Lenkfunktion einsatzbereit ist, muss dies dem
 Fahrzeugführer angezeigt werden, und die Steuerung muss automatisch
 ausgeschaltet werden, wenn die Fahrzeuggeschwindigkeit den
 eingestellten Grenzwert von 10 km/h um mehr als 20 % überschreitet
 oder die auszuwertenden Signale nicht mehr empfangen werden. Bei
 Beendigung der Steuerung muss der Fahrzeugführer jedes Mal durch ein
 kurzes, aber charakteristisches optisches Signal und entweder ein
 akustisches oder ein fühlbares Signal an der Betätigungseinrichtung der
 Lenkanlage gewarnt werden. 9
Bezüglich der automatischen Lenkfunktion definiert die Regelung 79:

8
 Wiener Abkommen, 1968, Artikel 60c
9
 ECE Regelungen, 20.03.1958, Regelung 79, Absatz 5.1.6.1, Revision 2
2. Allgemeine rechtliche Situation 15

 Die „automatische Lenkfunktion“ ist die Funktion in einem komplexen
 elektronischen Steuersystem, bei der die Betätigung der Lenkanlage
 aufgrund der automatischen Auswertung von Signalen erfolgen kann, die
 gegebenenfalls im Zusammenwirken mit passiven Infrastrukturelementen
 innerhalb des Fahrzeugs ausgelöst werden, um eine stetige Steuerung zu
 erreichen, durch die der Fahrzeugführer bei dem Folgen einer
 bestimmten Fahrspur, beim Rangieren bei niedriger Geschwindigkeit
 oder beim Einparken unterstützt wird. 10
Die ECE-Regelung R79 beschreibt damit lediglich ein leichtes automatisiertes Fahren
bis Level 1, maximal Level 2. Diese Automatisierungsfunktion ist aber lediglich
verbunden mit dem Fahren bis 10 km/h ± 2 km/h. Vorzufinden ist ein solches System
lediglich bei Rangieraufgaben wie dem Parkassistenten.
Auch die aktuellste Version, welche nur in Englisch vorzufinden ist (Stand: 14.09.2017,
Revision 3), weist lediglich auf einen Nutzbereich bis 10 km/h + 2 km/h hin:
 The system shall only operate until 10 km/h (+2 km/h tolerance) 11
Bezug nimmt die Regelung in dieser Fassung auf Absatz 5.6.:

 Provisions for ACSF 12
ACSF steht dabei für „Automatically commanded steering function“, was der oben
genannten automatischen Lenkfunktion entspricht.

 Automatically commanded steering function (ACSF)" means a function
 within an electronic control system where actuation of the steering
 system can result from automatic evaluation of signals initiated on-board
 the vehicle, possibly in conjunction with passive infrastructure features,
 to generate control action in order to assist the driver. 13
Die ECE-Regelung 79 spricht einer automatisierten Nutzung bis Level 4 oder gar einer
autonomen Nutzung des Fahrzeuges im Level 5-Stadium entgegen. Zugrunde liegt
lediglich eine Nutzung zum Parken oder Rangieren bis etwa 10 km/h.
Aufgrund dieser Bestimmungen dürften hoch- und vollautomatisierte sowie
vollautonome Fahrzeuge in Deutschland ausschließlich als Testfahrzeuge (§ 70 StVZO
Ausnahmen und § 46 StVO Ausnahmegenehmigung und Erlaubnis) zugelassen werden.
Experten fordern eine Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung, mindestens jedoch
eine Anhebung auf 130 km/h, also der Richtgeschwindigkeit auf deutschen

10
 ECE Regelungen, 20.03.1958, Regelung 79, Absatz 2.3.4.1, Revision 2
11
 ECE Regelungen, 20.03.1958, Regelung 79, Absatz 5.6.1.1.1, Revision 3
12
 ECE Regelungen, 20.03.1958, Regelung 79, Absatz 5.6, Revision 3
13
 ECE Regelungen, 20.03.1958, Regelung 79, Absatz 2.3.4.1, Revision 3
2. Allgemeine rechtliche Situation 16

Autobahnen. Laut der Acatech Studie „Neue autoMobilität“ 14 sei eine vergleichbare
Erweiterung der Regelung 79 bereits in der Entwicklung. Damit wäre eine hoch- oder
vollautomatisierte Nutzung prinzipiell möglich, wenn auch nicht im vollen Umfang.
Betrachtet man den völkerrechtlichen Charakter der Regelungen, so ist eine solche
Änderung zwingend notwendig, um kollektiv den Weg für die Zukunft zu bereiten.
Eine weitere Regelung ist in der Regelung 48 zu finden in Bezug auf Warnblinkanlagen
und Fahrtrichtungsanzeiger, welche umgangssprachlich als „Blinker“ bezeichnet
werden. Dort ist festgelegt, dass eine Warnblinkeinrichtung nach einem Unfall oder
dem Aktivieren des Notbremsassistenten automatisch vom Fahrzeug aktiviert werden
kann und darf:

 Das Warnblinklicht kann sich automatisch einschalten, wenn das
 Fahrzeug in einen Unfall verwickelt wurde oder nachdem das
 Notbremssignal wie in Absatz 6.23 beschrieben erloschen ist. In solchen
 Fällen kann das Warnblinklicht von Hand abschaltbar sein. 15
Problematischer ist die Situation bei der Betrachtung des Fahrtrichtungsanzeigers. Hier
muss die Betätigung per Hand erfolgen, es ist also ganz klar eine Fahrerperson
vorausgesetzt.

 Das Einschalten der Fahrtrichtungsanzeiger muss durch eine
 handbetätigte Einrichtung erfolgen, die ein synchrones Blinken aller
 Fahrtrichtungsanzeiger ermöglicht. 16
Das steht einem autonomen Betrieb entgegen, bei dem das Fahrzeug zur Orientierung
im Verkehrsgeschehen eigenständig in der Lage sein muss, den Fahrtrichtungsanzeiger
auszulösen um die umliegenden Fahrzeuge (sowohl autonome als auch von einem
Fahrer gesteuerte Fahrzeuge) über die aktuelle Fahrsituation zu informieren.

2.2 Europarecht
„Das Europarecht im weiteren Sinne umfasst darüber hinaus auch das Recht der
anderen europäischen internationalen Organisationen.“ 17 Dabei teilt es sich in das
Primärrecht und das Sekundärrecht. Das Primärrecht umfasst alle Verträge, sowohl
diejenigen völkerrechtlicher Art wie das Wiener Abkommen und die ECE-Regelungen
als auch innereuropäische Verträge wie zum Beispiel den EU-Vertrag und dessen
Reformen. Das Sekundärrecht ist das Gemeinschaftsrecht, also die Gesetzgebung

14
 Lemmer, Karsten: „Neue autoMobilität“ von: ACATECH Studie (Hg.), 2016
15
 ECE Regelungen, 20.03.1958, Regelung 48, Absatz 6.6.7.2, Revision 2
16
 ECE Regelungen, 20.03.1958, Regelung 48, Absatz 6.6.7.1
17
 Wikipedia (Hg.), “Europarecht”, 18.05.2018, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Europarecht
(Abrufdatum: 03.06.2018)
2. Allgemeine rechtliche Situation 17

innerhalb der Gemeinschaft wie zum Beispiel Richtlinien und Verordnungen. Somit ist
es ein vom Primärrecht abgeleitetes Recht und darf nicht gegen das Primärrecht
verstoßen.
Nun gibt es zwei Sekundärrechte, welche genauer betrachtet werden sollten. Beide
Regelungen haben Einfluss, wenn es um die Zulassung und den Betrieb von VAF
innerhalb Europas geht. Zuerst gibt es das Sekundärrecht RL 2007/46/EG, welches am
05.09.2007 verabschiedet wurde. Es bezieht sich auf die Schaffung eines Rahmens für
die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von
Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge.
Zudem bezieht sich auch § 1a (3) der StVG zu diesem Recht und schreibt vor, dass § 1a
(1) und (2) der StVG nur auf Fahrzeuge zutreffen „deren hoch- oder vollautomatisierte
Fahrfunktionen, 1. in internationalen, im Geltungsbereich dieses Gesetzes
anzuwendenden Vorschriften beschrieben sind und diesen entsprechen oder 2. eine
Typgenehmigung gemäß Artikel 20 der Richtlinie 2007/46/EG“ besitzen. Damit ist
festgestellt, dass hoch- oder vollautomatisierte Fahrzeuge bzw. Fahrzeuge mit solchen
Funktionen, wie ganz normale Fahrzeuge auch, eine Betriebserlaubnis,
Einzelgenehmigung oder Typgenehmigung haben müssen. Bedeutet aber auch, dass
wenn die benötigten Voraussetzungen vorhanden sind und die „EG-Typgenehmigung
gemäß Artikel 20 der Richtlinie 2007/46/EG haben, trotzdem am Verkehr teilnehmen
dürfen, obwohl noch keine UN-ECE-Regelung (Internationale Vorschrift) zu einer
automatisierten Fahrfunktion vorliegt.“ Wird über diese Genehmigung noch
entschieden, ist sie erst mal nur in dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates gültig,
welcher den Antrag gestellt hat. Andere Mitgliedstaaten dürfen auch beschließen diese
Genehmigung für dieses Fahrzeug auch in ihrem Hoheitsgebiet anzuerkennen. Die
Genehmigung darf auch zeitlich begrenzt werden, wobei die kürzeste Begrenzungszeit
bei 36 Monaten liegt. Somit ermöglicht diese Richtlinie bereits jetzt die Zulassung von
hochautomatisierten oder fortgeschrittener Fahrzeugen, sofern vor allem laut Artikel 20
(2) c) „eine Beschreibung der durchgeführten Prüfungen und ihrer Ergebnisse zum
Nachweis, dass Sicherheit und Umweltschutz mindestens in dem gleichen Maße
gewährleistet sind wie durch die Anforderungen, von denen eine Ausnahme beantragt
wird“ vorliegt. 18, 19
Die zweite Richtlinie trägt die Bezeichnung RL 2014/45/EU und wurde am 03.04.2014
verabschiedet. Sie bezieht sich auf die regelmäßige technische Überwachung von
Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und zur Aufhebung der Richtlinie
2009/40/EG. Sie beschreibt also die neuen Richtlinien, die für die regelmäßig
18
 Daubner, Robert: “Automatisiertes Fahren – Gesetz, Begriffe, Fahrzeugführer“ von: Daubner
Verkehrsrecht (Hg.), 28.07.2017, URL: https://daubner-verkehrsrecht.info/2017/automatisiertes-fahren-
gesetz-stufen (Abrufdatum: 15.04.2018)
19
 EUR-Lex (Hg.), URL: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=celex:32007L0046
(Abrufdatum: 15.04.2018)
2. Allgemeine rechtliche Situation 18

stattfindende Hauptuntersuchung der Fahrzeuge vorgeschrieben sind. Es kamen neue
hinzu, sowie wurden bestehende verschärft. Wichtig ist auch das ab dem 20.05.2018
dürfen nur noch die Prüfeinrichtungen verwendet werden, welche den in diesen
Richtlinien stehenden Mindestanforderungen entsprechen. Ausnahmen dürfen die
Mitgliedstaaten nur noch bis zum 20.05.2021 erteilen. Bezüglich hochautomatisierter
Fahrzeuge und weiter fortgeschrittenen Fahrzeuge betrifft es dabei z.B. die Funktion des
Auto-Piloten, welcher ein Leben lang zuverlässig zu funktionieren hat und deshalb
geprüft werden müssen. Somit haben Betriebe wie z.B. der TÜV nun die Aufgabe
sichere Prüfmethoden für die Typzulassung zu entwickeln. Viel wird zukünftig wohl
auch durch simulationsbasierte Prüfungen stattfinden, da es zu komplex werden wird
alle automatisierten Funktionen im Feldversuch zu überprüfen. Zudem äußerte sich die
Bundesregierung dazu, in dem sie angab mit der Automobilindustrie bereits zusammen
zu arbeiten, um „geeignete Systemstrukturen und Systemtests für das Test- und
Freigabeverfahren für Funktionen des hochautomatisierten Fahrens“ zu bewerten und
neue Testeinrichtungen zu etablieren. Solche sollen dann in die Richtlinie 2014/45/EU
und auch in die 2007/46/EG aufgenommen werden. 20, 21
Seit September 2017 stehen grenzüberschreitende Routen für Testfahrzeuge in der
Europäischen Kommission in Diskussion. Geplant sind Routen zwischen Portugal und
Spanien, der Niederlande und Belgien sowie zwischen Norwegen und Finnland. Ziel ist
die Entwicklung grenzüberschreitender Infrastruktur, damit automatisierte und
autonome Fahrzeuge zukünftig nicht durch Grenzen aufgehalten oder deren Fahrt
infrastrukturbedingt unterbrochen wird. Dies geschieht auch in der Hoffnung, damit die
Entwicklung in Europa nicht der Entwicklung in Ländern wie z.B. den USA hinterher
hinkt. 22

2.2.1 Europäisches Zusatzabkommen zum Übereinkommen zum
Straßenverkehr
Ergänzend zum Wiener Abkommen über den Straßenverkehr wurde am 28. Mai 1971 in
Genf das Europäische Zusatzabkommen zum Übereinkommen zum Straßenverkehr
geschlossen. Das Ziel war die stärkere Vereinheitlichung der Verkehrsregeln im
Europäischen Raum. Jedoch findet eine Bindung an die Inhalte dann nicht statt, wenn
der Vertragspartner einen Vorbehalt gegen bestimmte Teile des Zusatzabkommens bei

20
 EUR-Lex (Hg.), URL: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A32014L0045
(Abrufdatum: 23.05.2018)
21
 Schachtner, M. / Väthroder, D. / Winkler, D.: “Auch Software muss geprüft werden“ von: Verkehrs
Rundschau (Hg.), 10.11.2017, URL: https://www.verkehrsrundschau.de/nachrichten/auch-software-muss-
geprueft-werden-2035760.html (Abrufdatum: 23.05.2018)
22
 Knop, Carsten: “Neue grenzüberschreitende Testregionen für autonomes Fahren“ von: Frankfurter
Allgemeine Zeitung (Hg.), 13.09.2017, URL: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/autonomes-fahren-
soll-grenzueberschreitend-getestet-werden-15196912.html (Abrufdatum: 09.05.2018)
2. Allgemeine rechtliche Situation 19

der Vertragsunterzeichnung formuliert. Auch ein Austreten aus dem Abkommen ist
jederzeit mit einer Frist von 12 Monaten möglich.
Inhalt des Anhangs sind Änderungen oder Ergänzungen zu den Inhalten des Wiener
Übereinkommens über den Straßenverkehr, die jedoch keine Auswirkungen auf das
autonome oder hoch- und vollautomatisierte Fahren haben.
In Deutschland ist das Zusatzabkommen am 03.08.1979, in den Niederlanden am
08.11.2008 in Kraft getreten. 23

2.2.2 Amsterdamer Erklärung
Am 14. und 15.04.2016 trafen sich die 28 Verkehrsminister der EU-Mitgliedstaaten in
Amsterdam, unter anderem um über das autonome und vernetzte Fahren untereinander
und mit den Automobilherstellern zu reden zu reden. Am Ende des informellen Treffens
stand die „Amsterdamer Erklärung“ 24, in welcher Maßnahmen für eine gemeinsame
Entwicklung des autonomen Fahrens abgesprochen wurden. Das Ziel sei eine rechtliche
und technische Basis für den grenzüberschreitenden, europäischen und autonomen
Verkehr bis 2019 zu schaffen, sowie eine Behinderung der Markteinführung, durch zu
viele verschiedene Gesetze, zu verhindern. Dabei wurden auch die Themenbereiche
Umweltschutz, Haftung und Verkehrsoptimierung diskutiert. Mit dieser Erklärung ist
damit der Grundstein für eine gemeinsame europäische Zusammenarbeit und
Standardisierung gelegt. Es bedarf allerdings noch viel Arbeit, um dem informellen
Treffen Taten folgen zu lassen. Eine europäische Lösung ist notwendig, um die
Entwicklung des autonomen Fahrens voranzutreiben und eine einheitliche Infrastruktur
und einheitliche Gesetze für den Betrieb autonomer Fahrzeuge zu schaffen. 25

2.3 Nationale Gesetze – Deutschland
In Deutschland sind vor allem die Straßenverkehrsordnung (StVO) und das
Straßenverkehrsgesetz (StVG) wesentliche Bausteine der legislativen Ordnung
bezüglich des autonomen Fahrens.

2.3.1 Straßenverkehrsordnung (StVO)
In der Straßenverkehrsordnung werden Anforderungen an den Fahrer festgehalten.
23
 Schweizer Bundesrat (Hg.), „Europäisches Zusatzübereinkommen zum Übereinkommen über den
Straßenverkehr“, 28.03.2006, URL: https://www.admin.ch/opc/de/classified-
compilation/19710098/200603280000/0.741.101.pdf (Abrufdatum: 09.05.2018)
24
 Deutsches Verkehrsforum (Hg.), „Automatisiertes Fahren muss in ganz Europa funktionieren“,
15.04.2016, URL: https://www.verkehrsforum.de/application/files/8015/0520/7959/16-04-
15_Amsterdamer_Erklaerung.pdf (Abrufdatum: 16.05.2018)
25
 Steudel, Ulrich: „Autonomes Fahren gewinnt an Tempo“ von: Deutsche Handwerks Zeitung (Hg.),
19.04.2016, URL: https://www.deutsche-handwerks-zeitung.de/autonomes-fahren-gewinnt-an-
tempo/150/3097/327501 (Abrufdatum: 16.05.2018)
2. Allgemeine rechtliche Situation 20

In §1 Abs. 2 S. 1 StVO steht: „…die Pflicht desjenigen, der am Verkehr teilnimmt, sich
so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder –als nach den Umständen
unvermeidbar –behindert oder belästigt wird.“ und in §3 Abs. 1 S. 1 StVO: „die Pflicht
desjenigen, der ein Fahrzeug führt, zur Fahrzeugbeherrschung in Bezug auf die
Geschwindigkeit. Diese Geschwindigkeit darf nur so hoch sein, wie das Fahrzeug noch
ständig beherrscht wird.“ Nach diesen Definitionen muss ein Fahrer das Fahrzeug
dauerhaft überwachen und gegebenenfalls über ein teilautomatisiertes System
übersteuernd eingreifen. 26
Die Straßenverkehrsordnung sagt im §3 Satz 1:

 Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug
 ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den
 Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den
 persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und
 Ladung anzupassen. 27
Dabei geht die StVO von einer menschlichen Person als Fahrer aus. Dies steht im
Widerspruch zum autonomen Fahren, weshalb eine Neudefinition des Fahrers, welcher
im Falle eines autonomen Fahrzeuges ein Computer ist, oder eine Änderung der
Gesetzesformulierung notwendig ist.
Andere Paragraphen, wie der §36, sind auf ein autonomes Fahrzeug nicht anwendbar.

 Polizeibeamte dürfen Verkehrsteilnehmer zur Verkehrskontrolle
 einschließlich der Kontrolle der Verkehrstüchtigkeit und zu
 Verkehrserhebungen anhalten. Das Zeichen zum Anhalten kann auch
 durch geeignete technische Einrichtungen am Einsatzfahrzeug, eine
 Winkerkelle oder eine rote Leuchte gegeben werden. 28
Eine Fahrzeugkontrolle ist damit zwar für einen menschlichen Fahrer gesetzlich
geregelt, nicht jedoch für ein autonomes Fahrzeug. Hier besteht der Bedarf nach neuen
rechtlichen und eventuell auch technischen Möglichkeiten, eine Fahrzeugkontrolle eines
autonomen Fahrzeuges durchzuführen.

2.3.2 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO)
Die StVZO basiert auf Grundlage des Straßenverkehrsgesetzes und wird von dem
Bundesministerium für Verkehrs-, Bau- und Wohnungswesen herausgegeben. Bis 1998
regelte die StVZO gemeinsam mit der StVO den größten Teil des Straßenrechts, sie

26
 Wörner, Ralf: „Skript Mobilitätskonzepte“, 09.03.2018, S.160 (Abrufdatum: 21.05.2018)
27
 StVO §3 Satz 1
28
 StVO §36 Satz 5
2. Allgemeine rechtliche Situation 21

wird inzwischen aber abgeschafft und in andere Verordnungen überführt. 29
Im StVZO werden vor allem Anforderungen an das Fahrzeug gestellt, welche zu Teilen
ebenfalls autonomes Fahren betreffen.
In §3 Abs. 1 S. 2 steht: „Voraussetzung für eine Fahrzeugzulassung ist das Vorliegen
einer EG-Typgenehmigung, einer nationalen Typgenehmigung oder einer
Einzelgenehmigung sowie das Bestehen einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung“.
Auf die Sonderzulassungen kommen wir in einem späteren Punkt zurück. In §4 Abs. 2
RL 2007/46/EG dazu weiter: „die Mitgliedstaaten dürfen eine Genehmigung für
Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständige technische Einheiten nur erteilen,
wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen“. In §35 Abs. 1 RL
2007/46/EG wird allerdings auf die ECE-Reglungen der Vereinten Nationen verwiesen,
was eine Abhängigkeit auf das international beschlossene Recht deutlich macht:
„Verweis in Anhang II des §35 auf ECE-Regelungen der Vereinten Nationen und
erklärt diese für gleichwertige Bestandteile des sekundären Gemeinschaftsrechts“. 30

2.3.3 Straßenverkehrsgesetz
Am 30.03.2017 wurde eine Anpassung des StVG vorgenommen und verabschiedet. Es
wurden im Wesentlichen die Paragraphen §1a und §1b eingefügt. Paragraph §1c
verweist auf eine Prüfung der Änderungen nach 2019.

 Abbildung 1: Auszug aus dem StVG

29
 Wikipedia (Hg.), „Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung“, 13.11.2017, URL:
https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (Abrufdatum: 20.05.2018)
30
 Wörner, Ralf: „Skript Mobilitätskonzepte“, 09.03.2018, S.161 (Abrufdatum: 21.05.2018)
2. Allgemeine rechtliche Situation 22

§1a beschreibt die Rahmenbedingungen an das automatisierte Fahren besonders für den
Hersteller. Dieser Paragraph legitimiert damit Fahrzeuge bis Level 4 der
Automatisierung. Eine Nutzung im Level 5 Bereich wird durch die Formulierung
„Fahrzeugführer“ nicht gestattet.
§1b klärt Rechte und Pflichten des Fahrzeugführers, welcher zwar dem
Verkehrsgeschehen nicht mehr aktiv folgen muss, jedoch in jeder Situation in der Lage
sein muss die Fahrzeugsteuerung auf Anweisung oder dem Erkennen von
offensichtlichen Umständen zu übernehmen.
Damit stellen die Paragraphen §1a und §1b die Umsetzung der Änderung des Wiener
Abkommens aus dem Jahr 2016 dar, welche hier auf die nationale Ebene gespiegelt
wurde und damit den Weg für das hoch- und vollautomatisierte Fahren seitens des
StVG freimacht. Das autonome Fahren im Charakter des Level 5 wird mit diesem
Gesetz jedoch nicht erlaubt, eine weitergehende Anpassung muss zwingend stattfinden,
sobald die Ausstattung mit Level 5 Technologie in greifbare Nähe rückt.
Auf dieser Gesetzesgrundlage ist jedoch ein Betrieb auf dem „Digitalen Testfeld
Autobahn“, namentlich der A9 zwischen Nürnberg und München, möglich. Das
„Digitale Testfeld Autobahn“ ist ein Projekt, das 2015 gestartet wurde und seither die
Möglichkeit für Wissenschaftler und Automobilhersteller bietet, die automatisierten
Fahrzeuge in einem Mischbetrieb unter realen Bedingungen zu testen.

2.3.4 Haftung

2.3.4.1 Halter- und Fahrerhaftung
 Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der
 dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein
 Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt
 oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten
 den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 31
Das bedeutet, dass eine Haftung des Fahrzeughalters verschuldensunabhängig ist – die
Haftung für sein Kraftfahrzeug muss er in jedem Fall antreten, auch wenn er nicht
gleichzeitig Fahrer war. Damit ist der Fall des hoch- und vollautomatisierten
Fahrzeuges abgedeckt, sogar ein autonomes Fahrzeug kann in diesem Rahmen
abgedeckt sein, unabhängig davon ob der Halter gleichzeitig Passagier ist. Ausnahmen
für die Halterhaftung sind nach §7 (2) und §7 (3) lediglich auf höhere Gewalt und den
Fall der Benutzung ohne Wissen und Willen des Halters begrenzt.

31
 StVG §7 (1)
2. Allgemeine rechtliche Situation 23

Eine juristische Klarstellung wäre dennoch empfehlenswert, denn es ist fraglich, ob dem
Halter tatsächlich eine juristische Verantwortung aufgetragen werden kann, wenn es im
Falle eines Level 5 Fahrzeuges keine Verpflichtung oder gar Möglichkeit zum
Eingreifen ins Fahren gibt. Der Bericht der Ethikkommission schlägt in These 10 seines
Berichtes hier eine ganzheitliche Übertragung der Verantwortung auf die Hersteller und
Betreiber der technischen Systeme vor.

 In den Fällen des § 7 Abs. 1 ist auch der Führer des Kraftfahrzeugs oder
 des Anhängers zum Ersatz des Schadens nach den Vorschriften der §§ 8
 bis 15 verpflichtet. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der
 Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist. 32
Im Falle des voll- und hochautomatisierten Fahrens empfehlen wir für den §17 eine
Konkretisierung des Paragraphen um den Gedanken einer sogenannten Blackbox,
welche im Falle eines Unfalles beweist, ob zum jeweiligen Zeitpunkt der
Fahrzeugführer oder das automatisierte System gefahren ist. Damit könnte im
Zweifelsfall eindeutig definierbar sein, ob ein Verschulden des Fahrzeugführers
vorliegt. Alternativ könnte der Absatz im Falle eines bis Level 4 ausgestatteten
Fahrzeuges so interpretiert werden, dass allein durch die Möglichkeit des Deaktivierens
des automatisierten Eingriffs der Fahrer in der Haftung ist. 33 Allerdings muss spätestens
in Vorbereitung auf Level 5 Fahrsysteme eine Konkretisierung erfolgen.

2.3.4.2 Produkthaftung
Bei einem hoch- und vollautomatisierten Fahrzeug sowie dem autonomen Fahrzeug
handelt es sich nach §474 (1) BGB um ein Verbrauchsgut. In diesem Fall gilt
grundlegend die Beweislastumkehr nach §477, was bedeutet, dass der Hersteller im
Falle eines Unfalls des Fahrzeuges in den ersten, kritischen Monaten, Beweise für die
Fehlerlosigkeit vorbringen muss. Damit finden bereits heute ein Schutz des
Verbrauchers und eine Haftung des Herstellers statt.

 Verbrauchsgüterkäufe sind Verträge, durch die ein Verbraucher von
 einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. 34
 Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein
 Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei
 Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit
 der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar. 35

32
 StVG §17 (1)
33
 Oppermann, Bernd / Stender-Vorwachs, Jutta: „Autonomes Fahren“ von: C.H. Beck (Hg.), 2017, Seite
63
34
 BGB §474 (1)
35
 BGB §477
2. Allgemeine rechtliche Situation 24

Auch berufen kann man sich bei Sachmängeln auf §823 (1) BGB, welcher die
Schadenersatzpflicht definiert:

 Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit,
 die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen
 widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus
 entstehenden Schadens verpflichtet. 36
Im Sinne der Produkthaftung definiert zusätzlich und damit spezifizierend das
Produkthaftungsgesetz:

 Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder
 seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der
 Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus
 entstehenden Schaden zu ersetzen. 37
Für einen Fehler definiert das Produkthaftungsgesetz weiter:

 Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die
 unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Gebrauchs, mit
 dem billigerweise gerechnet werden kann, berechtigterweise erwartet
 werden kann. 38
Damit ist grundlegend auch seitens der Produkthaftung der Fall des automatisierten
Einsatzes geregelt, denn zu jedem Zeitpunkt ist entweder der Halter nach §7 (1) StVG
oder der Hersteller nach §1 ProdHaftG verschuldensunabhängig in der Haftung. Auch
der Bericht der Ethikkommission empfiehlt das Produkthaftungsgesetz in seiner jetzigen
Gestalt in These 11, um eine stetige Verbesserung der Systeme seitens der Hersteller zu
fördern.
Ein Beispiel für einen solchen Fehler liefert §4 (1) Satz 2 StVO:

 Wer vorausfährt, darf nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen. 39
Das ist daher unpraktisch, als das auch eine herumfliegende Plastiktüte von einem
autonomen Fahrzeug nach aktuellem Stand der Technik als Gefahr und damit als Grund
zum Abbremsen erkannt werden kann. Eine Gefahrenbremsung wäre die Konsequenz.
Fraglich ist, wie der zwingende Grund definiert ist – Im letzten erschiene es logisch,
wenn ein autonomes Fahrzeug eine Gefahrenbremsung zu viel wegen einer Plastiktüte
oder vergleichbarem macht, als dass es wie zuletzt am 18.03.2018 in Tempe (Arizona)

36
 BGB §823 (1)
37
 ProdHaftG §1
38
 ProdHaftG §3 (1) b
39
 StVO §4 (1) Satz 2
2. Allgemeine rechtliche Situation 25

mit weniger sensiblen oder gar ausgeschalteten Notbremsassistenten eine Passantin
übersieht 40. Denn:

 Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so
 groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es
 plötzlich gebremst wird. 41
Eine Spezifizierung für autonome Fahrzeuge bezüglich des §4 (1) Satz 2 StVO
erscheint also notwendig, um nach aktuellem Stand der Technik Passanten zu schützen.
Was dagegen noch offen im Raum steht ist die Frage, wie sich die Haftung im Falle von
vernetzten Systemen gestaltet und welche Institution oder Technologie dabei für die
Verfolgung der Fehlerursachen verantwortlich ist. Dabei wäre es gut vorstellbar, dass
die von uns empfohlene Blackbox auch gleichzeitig die Datenmengen abspeichert, die
das autonome Fahrzeug über V2V- oder V2I-Schnittstellen empfängt und für Zwecke
der eigenen Positionierung, Vorausschau im Verkehr oder ähnlicher, zum Unfall
führender Aktionen abspeichert. Hilfreich sind dabei Redundanzen, also das
gleichzeitige Speichern von gesendeten Daten, damit in jedem Fall sowohl Daten im
verunfallten Fahrzeug als auch in dem Fahrzeug, das beschuldigter Weise dafür
verantwortliche Daten gesendet haben soll, verfügbar sind. Während für die
empfangenen Daten eine recht kurze Zeitspanne der Speicherung nötig sind
(Beispielsweise vom Unfallzeitpunkt zurückgerechnet 10 Min, um das unmittelbare
Geschehen davor zu analysieren) muss die Speicherung der gesendeten Daten über
einen längeren Zeitraum erfolgen, da das sendende Fahrzeug nicht unmittelbar am
Unfall beteiligt ist und Fahrer oder Fahrzeug erst durch Ermittlungen der Behörden mit
der Thematik behelligt wird. Ziel soll es dabei sein, anhand der Blackboxen die
Fehlerursache zu identifizieren. Momentan ist der Fall von vernetzten Fahrzeugen noch
nicht abgedeckt. Zukünftig muss das Fahrzeug nicht mehr als alleiniges Objekt, sondern
als Netzwerk aus vielen Fahrzeugen verstanden und auch rechtlich definiert sein im
Hinblick auf Datenschutz und Haftung. Ein Einstieg wäre die Identifizierung der
Unfallherkunft auf Basis der Blackboxen und Daten von den Verkehr regelnden
Institutionen durch polizeiliche Ermittlung.

2.3.5 Datenschutz
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
Im Gegensatz zu anderen Rechtskulturen (wie in den USA) dürfen Unternehmen laut
EU-DSGVO grundsätzlich nur dann persönliche Daten verarbeiten – dies beinhaltet das

40
 Spiegel Online (Hg.), „Automatische Notbremsung war nicht eingeschaltet“, 24.05.2018, URL:
http://www.spiegel.de/auto/aktuell/uber-unfall-automatische-notbremsung-bei-roboterwagen-war-nicht-
eingeschaltet-a-1209424.html (Abrufdatum: 24.05.2018)
41
 StVO §4 (1) Satz 1
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