QUEERZEIT - TITELTHEMA S.3-16 - HERBST 2020 - LSVD Sachsen-Anhalt

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QUEERZEIT - TITELTHEMA S.3-16 - HERBST 2020 - LSVD Sachsen-Anhalt
QUEERZEIT
              DIE ZEITSCHRIFT DES LSVD SACHSEN-ANHALT

HERBST 2020

 30 JAHRE
 FÜR RESPEKT

         TITELTHEMA S.3-16
                                                                          9 772700 691307
                                                        ISSN: 2700-6913
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INHALTSVERZEICHNIS

Editorial:
30 Jahre Respekt
Editorial:        ––
           Stonewall 30Aufstand
                        Jahre LSVD                     03
                                                       03
Forderungen   der(Teil
Zeitstrahl LSVD   CSD´s1) in Sachsen-Anhalt            06
Eine
CSD kleine
     2018 inReise
             Halledurch  30 Jahre LSVD
                   & Magdeburg                         10
                                                       08
GOQUEER    gewinnt
30 Jahre LSVD  – Sind wir jetzt fertig?                13
                                                       14
Es war Einmal...
lsbti* blog
Vereinte Schwulenbewegung brachte
Herbst 2020                                            18
Unrechts-Paragraph 175 zu Fall                         14
Queerfeindlichkeit
COME                als Staatsziel?
       IN Weekly (April   - Juli)                      18
LSBTI* geraten in Polen massiv unter Druck             24
Lambdas "Erstes Mal"                                   25
WEEKLYLänder,
Andere    Juni-Oktober
                Andere2020Queere Verbände:             28
The Proud Trust - Manchester, UK                       26
Es war Einmal: Gay Liberation Day March                32
LSVD Veranstaltungen 2018                              27
Beloved Sam
Endlich den Mut…                                       28
Die queere Lovestory gibt es jetzt auch als Hörbuch    35
Banana Serienabend                                     29
Queerfilmnacht November                                36
Homosexualität und Islam                               30
Terminübersicht
Fachtag  zur Vorurteilskriminalität                    38
                                                       31
Umgang mit sexueller Vielfalt in der sozialen Arbeit   32
Weihnachtscafé                                         33
Landesverfassung: LSVD legt Gesetzentwurf vor          34
GOQUEEER auf dem CSD Köln                              37
Terminübersicht                                        39
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© Archiv LSVD

           30 JAHRE RESPEKT – 30 JAHRE LSVD

           Menschenrechte, Respekt und Vielfalt, da-        Am 18.02.1990 wurde der Lesben- und Schwu-
           für steht der LSVD. Der Bürgerrechtsverband      lenverband als Schwulenverband in der DDR
           von den lesbischen und schwulen Einwoh-          (SVD) von schwulen Bürgerrechtlern in Leip-
           nern in Deutschland existiert bereits seit dem   zig gegründet. Einer der Gründer war Eduard
           18.02.1990. Zu diesem Zeitpunkt konnte je-       Stapel, dieser war bereits in der DDR in einer
           doch noch niemand ahnen, wie groß dieser         Bürgerrechtsbewegung. Im späteren Verlauf
           anfangs kleine Verband mal wird. Denn heute      von 1990 wurden dann gezielt Westdeutsche
           im Jahr 2020 hat der LSVD über 4000 Mitglie-     angeworben, welche zuvor aktiv im westdeut-
           der und fast 13000 Anhänger auf Plattformen      schen Bundesverband Homosexualität (BVH)
           wie Facebook oder Twitter. Aber was ist die      waren. Erste Erfolge hatte der junge SVD mit
           Geschichte hinter 30 Jahre LSVD? Was sind        der Verhinderung der Übertragung der § 175
           die Errungenschaften dieses Bürgerrechts-        sowie der § 218 des bundesdeutschen Straf-
           verbandes in Deutschland?                        rechts auf die neuen Länder.

                                                                                     QUEERZEIT | 03
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© LSVD Archiv
Zwei Jahre später, am 19.08.1992, startete        den Erlass eines Diskriminierungsverbotes in
die erste große Aktion – „Standesamt“. Dies       Brandenburg, Berlin und Thüringen.
war eine bundesweite Handlung, wo zweihun-
dertfünfzig schwule und lesbische Paare eine      Die darauffolgenden Jahre waren ereignis-
Eheschließung beantragten. Noch nie hat eine      reich für den SVD. Denn 1993 kam es schließ-
Aktion von Lesben und schwulen so viel Auf-       lich zu einer Anhörung im Rechtsausschuss
ruhr erregt. Die heiratswilligen Paare waren in   des Bundestages zum Artikel 175 StGB. Die-
allen Medien präsent. Die Worte der Süddeut-      ser Artikel stellte sexuelle Handlungen zwi-
sche Zeitung beschreiben die Tat am besten        schen Männern in Deutschland offiziell unter
                                                  Strafe. Bis 1994 gab es nach Schätzungen
                                                  des Bundesjustizministeriums rund 64.000
"Eine werbestrategisch                            Verurteilungen.
geniale Demonstration
                                                  Erstmals in der Geschichte des Artikel 175
wider die Diskriminierung“.                       StGB wird ein Vertreter des Schwulenverban-
                                                  des als ein Sachverständiger zu dem Homo-
(Süddeutsche Zeitung, 20. August 1992).           sexuellen-Strafrecht angehört. Am 31.05.1994
                                                  erzielt der SVD den Hauptgewinn, denn der
Bereits im Herbst desselben Jahres feierte        Artikel 175 StGB wurde nun endgültig aufge-
der Verband die nächsten Errungenschaften,        hoben. Das EU-Parlament beschloss unterdes-
denn der SVD nahm erfolgreich Einfluss auf

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sen am 18.02.1994 die Gleichberechtigung            mit der vollen rechtlichen Gleichstellung ein-
von allen Schwulen und Lesben in der Euro-          getragener Lebenspartnerschaften, das Allge-
päischen Union.                                     meine Gleichstellungsgesetz und die Respect
Der Lesben- und Schwulenverband Deutsch-            Gaymes in 2006 wird das Ziel zur rechtlichen
lands erzielte bereits in den ersten Jahren ra-     Gleichstellung unterstützt. Einer der wichtigsten
pide Fortschritte, welche essenziell für das        Meilensteine war dabei jedoch die Kampagne
Denken unserer heutigen Gesellschaft waren.         zur Ergänzung des Artikels 3. Dieser beschreibt
Der SVD hatte aber auch Gegenspieler wie            das Merkmal der sexuellen Identität. Im Volks-
die katholische Kirche. Im Jahr 1999 kam es         mund wird es „Aktion 3+“ genannt und von
zu Protestaktionen gegen ein Hirtenwort von         sämtlichen Verbänden und Organisationen un-
katholischen Bischöfen. In diesem wird die          terstützt. Die Bürgerrechtsbewegung fordert
Anerkennung homosexueller Ehen als „schäd-          folgende Vervollständigung des Grundgesetzes:
lich für die Menschen“ und als „zerstörerisch
für die Gesellschaft“ dargestellt. Am 11. Ver-
bandtag beschließt die Mehrheit die Erweite-
                                                    „Niemand darf wegen
rung zu dem „Lesben- und Schwulenverband in         seines Geschlechtes, sei-
Deutschland“. Der SVD wurde nun zum LSVD.
Das Jahr 2001 war ein großes für den LSVD,          ner Abstammung, seiner
denn im August wurde das Gesetz über die            Rasse, seiner Sprache, sei-
Eingetragene Lebenspartnerschaft, kurz Le-
benspartnerschaftsgesetz (LPartG) ver-              ner Heimat und Herkunft,
abschiedet. Nun war die Schwulen- und               seiner sexuellen Identität,
Lesbenpartnerschaft erstmals rechtlich an-
erkannt in Deutschland.                             seines Glaubens, seiner re-
Nach der Abschaffung des Artikel 175 StGB,
                                                    ligiösen oder politischen
das Inkrafttretens des Lebenspartnergesetz          Anschauungen benachtei-
und der Gleichberechtigung ging es noch wei-
ter. Denn der LSVD startet am 15.09.2002 das
                                                    ligt oder bevorzugt wer-
Projekt „Regenbogenfamilie“. Der Plan dahinter      den. Niemand darf wegen
war die Beratung von Lesben und Schwulen mit
Kinderwunsch. Der Bürgerrechtsverband LSVD          seiner Behinderung be-
hilft aber nicht nur den deutschen LSBTI, son-      nachteiligt werden.“
dern auch Schwule und Lesben in Osteuropa.
Dazu starten sie 2004 eine Kampagne „Gay            Bremer Senat: „Klares Zeichen für Schwule
Solidarnosc“ um die Länder zu unterstützen,         und Lesben“, Pressestelle des Senates,
wo es noch immer zu CSD-Verboten kommt.             29.09.2009

In den folgenden Jahren ist eine deutliche Ver-     Im Jahr 2007 wird jedoch noch eine weitere
änderung in Deutschland zu erkennen, denn der       Sache ins Leben gerufen, die Hirschfeld­Eddy-
LSVD kommt Schritt für Schritt der vollen Gleich-   Stiftung. Diese wird am 11.06.2007 gegründet
berechtigung für Schwule und Lesben näher.          und ist für die Menschenrechte von Schwu-
Durch Programme wie „Homosexualität als             len, Lesben, Bisexuellen und Transgender. In
Thema in Migrationsfamilien“, die Aktion 1:1

                                                                              QUEERZEIT | 05
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LGBT­Projekten in Afrika. Weitere Taten wa-
                                                               ren die Menschenrechtskonferenz „Bedeu-
                                                               tung, Herausforderungen und Perspektiven
                                                               der Antidiskriminierungspolitik in der Russi-
                                                               schen Föderation“

                                                               Trotz der Erfolge nahm die Homophobie nur
                                                               langsam ab. Um gegen sie anzukämpfen rief
                                                               der LSVD Hamburg am Internationalen Tag
                                                               gegen Homophobie (17.05.2010) zu einem
                                                               Rainbow Flashmob auf. Dieser Aufruf ging an
                                                               ganz Deutschland. Am Rathausmarkt saßen
                                                               700 Menschen und demonstrierten für Men-
                                                               schenrechte und gegen Homophobie.

                                                               Neues Jahrzehnt, Neue Erfolge. Im Jahr 2011
                                                               nimmt der saarländische Landtag nach lan-
                                                               gem Bemühen endlich den Begriff „sexuelle
                                                               Identität“ in die Landesverfassung auf. Aber
                                                               nicht nur das, denn das Europäische Netzwerk
                                                               der Regenbogenfamilienverbände NELFA wird
                                                               2012 gegründet. Der Lesben- und Schwulen-
                                                               verband begleitete den Prozess von Anfang an,
                                                               ist ein offizielles Gründungsmitglied und sitzt
                                                               im Vorstand. Ebenfalls startet der LSVD ein
                                                               Projekt zur „Stärkung von Lesben und Trans-
                                                               gender in Subsahara-Afrika“, das durch eine
                                                               Korporation mit der Frauenstiftung Filia und
                                        © Caro Kadatz / LSVD

                                                               dem Bundesministerium eine wirtschaftliche
                                                               Zusammenarbeit für drei Jahre organisiert.
                                                               Dieses wird von Südafrika aus in sämtlichen
                                                               Nachbarländern durchgeführt.

                                                               Der Schwulen und Lesben Verband Deutsch-
                                                               lands hatte aber noch mehr große Errun-
                                                               genschaften, vor allem in den letzten fünf
                                                               Jahren. Denn mit dem Start des Projektes,
                                                               LSBTI-Plattform Menschenrechte“ von der
2009 traf das Bundesverfassungsgericht eine
                                                               Hirschfeld-Eddy-Stiftung zur Vernetzung in
Grundsatzentscheidung zu Ehe, Familie und
                                                               der Menschenrechtsarbeit für LSBTI, entsteht
Lebenspartnerschaft und verhilft damit der
                                                               ebenfalls ein Vertrag mit dem Fernsehsender
Gleichstellung zum Durchbruch. Die Stiftung
                                                               ZDF. Dank dem Druck von der LSVD gab es
wirbt unteranderem für die Unterstützung von
                                                               erstmals eine LSBTI-Vertretung im ZDF-Fern-

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© Caro Kadatz / LSVD

                       Manfred Bruns († 22. Oktober 2019),
                       ehem. Bundesanwalt am Bundesge-
                       richtshof (Karlsruhe) und langjähriger
                       Sprecher des LSVD-Bundesverbandes.          „Die Zusammensetzung
                       Hier auf dem Bild mit Sabine Leutheus-
                       ser-Schnarrenberger (links), Bundesju-
                                                                  der Kollegialorgane muss
                       stizministerin von 1992 bis 1996 und       darauf ausgerichtet sein,
                       2009 bis 2013.
                                                                  Personen mit möglichst
                 sehrat. Erstmals in der Geschichte der Bundes-
                                                                  vielfältigen Perspektiven
                 republik werden Schwule, Lesben, Bisexuelle,     und Erfahrungshorizon-
                 Transgender und Intersexuelle (LSBTI) im
                 ZDF-Fernsehrat nun Sitz und Stimme bekom-
                                                                  ten aus allen Bereichen des
                 men. Das Bundesverfassungsgericht hatte          Gemeinwesens zusammen-
                 mit seinem am 25.3.2014 veröffentlichten Er-
                 kenntnis zum ZDF-Staatsvertrag verständlich      führen“
                 gemacht, dass die bisherige Zusammenset-
                 zung des ZDF-Fernsehrates dem Grundsatz          (BVerfG, 1 BvF 1/11 Rz. 39)
                 der Vielfaltsicherung nicht ausreicht. In dem
                 Urteil heißt es u.a.:                            Im Jahre 2017 ist es dann endlich soweit, mit
                                                                  wenigen Worten wird eine große Wirkung ge-
                                                                  zeigt. Um genau zu sein, sind es sieben kleine
                                                                  Worte, die das Leben von sämtlichen Lesben

                                                                                           QUEERZEIT | 07
QUEERZEIT - TITELTHEMA S.3-16 - HERBST 2020 - LSVD Sachsen-Anhalt
und Schwulen verändert. Denn bis vor kur-          und Schwulenverband schlussendlich 30
zen war es in Deutschland nur möglich, dass        Jahre hart gearbeitet. Seit der Gründung im
Mann und Frau eine Ehe schließen können            Jahr 1990 kämpft der Bürgerrechtsverband
und Kinder zu adoptieren. Dem Vorschlag            gegen eine Diskriminierung aufgrund der
für die Ehe für Alle folgt ein Gesetzesentwurf     Geschlechtsidentität und der sexuellen Ori-
des Bundesrats. Dieser änderte schlussend-         entierung. Dank des LSVD haben Schwule,
lich den Artikel 1353 StGB. Anstatt von: „Die      Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche
Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen“ heißt es      Menschen nun viel mehr gesellschaftliche
von nun an: „Die Ehe wird von zwei Personen        und auch persönliche Freiheiten. Dank 30
verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf        Jahre harter Arbeit leben die LSBTI Bürger
Lebenszeit geschlossen.“. Die Ehe für alle tritt   offener und die Gesellschaft wird libera-
erfolgreich ab den 1.10.2017 in Kraft.             ler. Dank Meilensteinen wie die endgültige
                                                   Streichung des § 175 StGB, die Aktion Stan-
Durch weitere Projekte wie „Miteinander stär-      desamt, das Lebenspartnerschaftsgesetz,
ken“ und internationalen Jugendaustausches         Aktion 3+, eine LSBTI-Vertretung Fernseh-
„For our Rainbow Future“ wächst der Lesben         rat und der Ehe für Alle ist das Leben der
und Schwulenverband stätig und findet im-          Schwulen und Lesben so möglich. Nach so
mer mehr Anhänger und auch Akzeptanz in            langer Zeit hat der LSVD aber noch immer
der Bevölkerung.                                   Ziele und Pläne. Diese sind unteranderem
                                                   verschiedene Aktionspläne für Akzeptanz
Das Gesamtbild des LSVD ist deutlich.              und Vielfalt auf nationaler und auf Ländere-
Ein Bürgerrechtsverband der die Belange            bene, ebenso wie LSBTI-inklusive Bildungs-
und die Interessen von Lesben, Schwulen,           pläne, die Durchsetzung des Rechts auf
Bisexuellen, trans- und intergeschlechtli-         geschlechtliche Selbstbestimmung und
chen Menschen (LSBTI) vertritt. LSVD steht         die Anerkennung der Menschenrechte von
für Respekt, Akzeptanz und Vielfalt. Und           Schwulen, Bisexuellen, trans- und interge-
die Mitglieder arbeiten täglich auf eine           schlechtlichen Menschen auf EU und welt-
gesellschaftliche Zukunft mit mehr Tole-           weiter Ebene.
ranz. Durch ständiges Präsens in Medien,
Politik oder in der Öffentlichkeit, wächst         Zusammenfassend hat der LSVD unnach-
der Verband mehr und mehr. Das Ziel                giebig gearbeitet, um so viel positiv verän-
bzw. Ergebnis hinter 30 Jahre Arbeit ist           dern zu können. Aus einem anfangs kleinen
schlussendlich: „[…], dass LSBTI als selbst-       Bürgerrechtsverband wurde ein Lesben- und
verständlicher Teil gesellschaftlicher Nor-        Schwulenverband mit bundesweit über 130
malität akzeptiert und anerkannt werden.“          Fachverbänden, regionalen Vereinen und
                                                   zahlreichen Einzelperson. Gemeinsam star-
Für den LSVD ist eine Demokratie wichtig,          ten sie neue Projekte und Kampagnen um
denn die Gesellschafft muss für alle das           das eigene Leben, aber auch das aller LSBTI
Recht durchsetzen, dauernd und an allen            Mitglieder zu verbessern.
Orten ohne Angst anders sein zu können.
Dafür ist jedoch eine volle rechtliche Gleich-                                 Lewin Dietrich
stellung notwendig. Daran hat der Lesben-

08 | QUEERZEIT
QUEERZEIT - TITELTHEMA S.3-16 - HERBST 2020 - LSVD Sachsen-Anhalt
Queere Artikel fürs Ohr
            JEDEN DIENSTAG EINE NEUE FOLGE

                          IM PODCAST FEED VON

                          GOQUEER
                             HÖREN & ABONNIEREN

Projekt des LSVD Sachsen-Anhalt, gefördert vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt.
QUEERZEIT - TITELTHEMA S.3-16 - HERBST 2020 - LSVD Sachsen-Anhalt
ZEITSTRAHL LSVD (TEIL 1)
Eine kleine Reise durch 30 Jahre LSVD

         *         18.02.1990
                   Gründung als
                                                        18.07.1990
                                          Appell an die Volkskammer durch SVD,
                                        sich energisch gegen die Ausdehnung des    §
                                             § 175 auf das Gebiet der DDR zu richten.
                                        Im Einigungsvertrag wird der § 175 wie der § 218
              "Schwulenverband in der   von der Übertragung des bundesdeutschen Straf­
                  DDR" in Leipzig.         rechts auf die neuen Länder ausgenommen.

1990

§ 175
                           §
                                                        08.02.1994
                                           Das Europäische Parlament fasst eine
                                           Entschließung zur Gleichberechtigung
           31.05.1994
                                           von Schwulen und Lesben in der Euro-
         § 175 StGB wird
                                           päischen Union, die in vielen Punkten
           aufgehoben
                                            auf einer Eingabe des SVD basiert.

                                                                            1994

 10 | QUEERZEIT
19.08.1992
                                                      Aktion Standesamt. 250 schwu-
                                                                                                                 
                                                      le und lesbische Paare beantra-
                                                       gen bundesweit das Aufgebot
                                                     zum Zwecke der Eheschließung.

1992
                                                                                                                 1993

                                 20.10.1993
           Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages zum
   § 175. Mit SVD-Sprecher Volker Beck wird erstmals in der Geschichte
  des § 175 ein Vertreter einer Schwulenorganisation als Sachverständiger
          zum Homosexuellen-Strafrecht im Parlament angehört.
                                                                            © wikimedia.org / GNU FDL / Qualle

                                                                            QUEERZEIT | 11
1995                                        21./22.10.1995
                             Zusammen mit anderen Organisationen veranstaltet der SVD-
                             Landesverband Nordrhein-Westfalen in Köln den bundesweit
                             ersten Kongress zu Homosexualität und Alter „Gay and Gray“.
                              Rund 150 Teilnehmer diskutieren zwei Tage über das Thema
                                                „Schwule und Alter“.

                                                                            
                          d Seybert
             .com / Gerhar
© stock.adobe

                                                           17.01.1999
                                                           Gemeinsam mit weiteren       CROSS
                                                            Verbänden organisiert der SVD
                                                            Protest­aktionen gegen
                                                  ein Hirten­wort der Katholischen Bischöfe.
                             Darin wird die Aner­kennung homo­sexueller Lebens­
                             gemeinschaften als „schädlich für die Menschen“ und „zerstöre-
                             risch für die Gesellschaft“ bezeichnet.

                                                                                               1999
                                       06./07.03.1999
                  Der 11. Verbandstag in Köln beschließt mit überwältigender
                Mehrheit die Erweiterung zum „Lesben- und Schwulenverband in
                 Deutschland“. Programm, Satzung und Name werden ergänzt.
                                   Der SVD wird zum LSVD.

     FORTSETZUNG
        FOLGT                                                       
      12 | QUEERZEIT
02.09.1996
       Der SVD legt in Bonn den ausformulierten Entwurf
            für ein Antidiskriminierungsgesetz vor.
                                                            §
1996

                                                                    1997

                             02.09.1996
           Der SVD-Verbandstag fordert ein Denkmal der Bundes­

       
            republik Deutschland in Berlin, das sich mit der Ver­
            folgung und Unterdrückung von Homosexuellen im
                  Nationalsozialis­mus auseinandersetzt.

                                                            QUEERZEIT | 13
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30 JAHRE LSVD –
SIND WIR JETZT FERTIG?

30 Jahre LSVD – Ehe für Alle, 3. Geschlechts-      mal „sexuelle Identität“ ergänzt. Doch damit
eintrag sind da – Braucht es unsere Arbeit         stehen wir eher alleine da. Die Initiative „3+“,
überhaupt noch?                                    die dasselbe für die Verfassung versucht und
                                                   u.a. auch von „Die Linke“ und „Bündnis 90/
Zwei nicht ganz so fiktive Situationen:            Die Grünen“ unterstützt wird, gibt es schon
Lisa, 16 Jahre alt aus Staßfurt, weiß: ich bin     seit 2009 – 11 Jahre später hat sich immer
trans*. Lisa hat sich im Internet informiert und   noch wenig getan.
lange nachgedacht, mittlerweile wollen auch
die Eltern ihr Kind unterstützen. Und nun?         Diese Änderung ist nötig, weil der Bundestag
Anne und Marjan, Anfang 30, wollen Kinder.         dann weitere Gesetze unter Berufung auf die
Was können wir als LSVD tun, damit Lisa ei-        Verfassung ändern bzw. Verbände oder Ein-
nen neuen Namen bekommt und Anne und               zelpersonen deren Änderung einklagen kann.
Marjan Mütter werden können?                       Außerdem müssten neue Gesetze geprüft wer-
                                                   den, ob sie der Verfassung entsprechen. In
Artikel 3 Grundgesetz                              Zeiten, in denen Parteien wie die AfD auch
Erst in diesem Jahr wurde in der Verfassung        die gesetzgeberischen Diskussionen wieder
des Landes Sachsen-Anhalt der Artikel 7            nach rechts rücken, ist so ein Schutz durch
(„Gleichheit vor dem Gesetz“) um das Merk-         die Verfassung besonders wichtig.

14 | QUEERZEIT
Selbstbestimmung für trans*                      motion aus dem Iran hierher kam, das Kind
und inter*                                       austragen würde, hätte es außerdem nicht
Um seinen neuen Namen Liam auch in of-           automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft
fiziellen Dokumenten wie Personalausweis         und wäre weiteren Schikanen ausgesetzt. Mit
oder Krankenkassenkarte eintragen lassen         einer Reform des Abstammungsrechts könn-
zu können, muss Liam sich aber erstmal als       ten Anne und Marjan ab dem Zeitpunkt der
„krank“ erklären lassen: Das derzeit gültige     Geburt Elternzeit und Krankheitstage nehmen
TSG sieht vor, dass Liam sich eine „Störung      und Marjan und ihr Kind wären abgesichert,
der Geschlechtsidentität diagnostizieren“ und    wenn Anne etwas passieren sollte. Außerdem
von zwei sog. Expert:innen begutachten las-      könnte z.B. auch Liam später ein Kind austra-
sen muss, um bescheinigt zu bekommen, was        gen könnte, ohne dass seine Personenstand-
ohnehin nur er wissen kann. Mit einem Selbst-    sänderung rückgängig gemacht wird.
bestimmungsgesetz, das eine Namens- und
Personenstandsänderung, wie bei der Kon-         Antidiskriminierung stärken
fession, per Selbstauskunft im Standesamt        In den bisherigen Beispielen geht es um Geset-
ermöglicht, könnte er zwei Monatstaschen-        zesänderungen, aber die müssen wie die be-
gelder zusammenlegen, statt sich noch vor        stehenden Gesetze natürlich auch umgesetzt
seiner Ausbildung mit bis zu 5000€ zu ver-       werden. Daher arbeiten wir daran, dass z.B. in
schulden. Auch Kinder, die mit Körpermerk-       Behörden Mitarbeiter:innen von der Amtsleite-
malen geboren werden, die nicht der binären      rin bis zum Sachbearbeiter gegenüber den Le-
Geschlechtsnorm entsprechen, wären dann          benswirklichkeiten von queeren Personen und
vor Zwangstherapien mit Hormonen und Ge-         Familien sensibilisiert werden. So würden die
nitalverstümmelung geschützt und könnten         Prozesse, die Liam, Anne und Marjan durchlau-
ihren Namen und ihren Geschlechtseintrag         fen müssen, weniger aufwändig und nervtö-
selbstbestimmt festlegen.                        tend, weil die Person auf der anderen Seite
                                                 des Schreibtisches den Sachverhalt schnel-
Abstammungsrecht                                 ler erfassen könnte. Auch brauchen wir in den
Derzeit wird, wenn Anne und Marjan ein Kind      entsprechenden Behörden Ansprechpersonen
kriegen, nur diejenige als Mutter eingetragen,   , an die sich queere Personen wenden können,
die das Kind ausgetragen hat. Während he-        wenn sie von den Mitarbeiter:innen diskrimi-
terosexuelle cis Eltern in den Monaten nach      niert werden – wir wissen z.B. aus unserer
der Geburt gemeinsam Elternzeit nehmen und       Beratungsarbeit, dass Menschen sich nach
Windeln wechseln können, müssen sich Anne        einer schwulenfeindlichen Beleidigung oder
und Marjan in einem langwierigen, teuren und     gar einem tätlichen transfeindlichen Angriff
erniedrigenden Prozess mit dem Familien-         nicht an die Polizei wenden, da diese die Be-
gericht, dem Jugendamt, der Ausländerbe-         lange oft nicht ernst nimmt.
hörde und der Adoptionsvermittlungsstelle
herumschlagen, damit beide als Mütter an-
erkannt werden. Wenn Marjan, die zur Pro-

                                                                          QUEERZEIT | 15
Hasskriminalität bekämpfen                           findet man immer noch, trans* und inter* Per-
Laut einer im Mai 2020 veröffentlichten Studie       sonen dürften bloß nicht als Expert:innen ih-
vermeiden es 45% der queeren Befragten oft oder      rer systematische Diskriminierung dargestellt
immer, sich in der Öffentlichkeit mit ihre:r Part-   werden. Bereits vorhandene Medienarbeit
ner:in Händchen zu halten. Aus der Gewalt gegen-     muss also finanziell gestärkt und Medienhäu-
über LSBTI*, und seien es „nur dumme Sprüche“,       ser müssen schon bei Einstellung und Ausbil-
spricht Hass. Die Täter:innen wollen uns unsicht-    dung darauf achten, auch Perspektiven von
bar machen. Und wer darüber hinweg sieht und         nicht cis (eben so wie nicht weißen, nicht bür-
schweigt, macht sich mitschuldig. Deswegen           gerlich sozialisierten und/oder nicht-behin-
muss sich die Haltung von Politik, Medien und        derten) Menschen repräsentieren zu können.
in Behörden ändern. Gewalt gegen LSBTI* muss
bei der Kriminalpolitik, bei Erfassung, Prävention   Nationaler Aktionsplan
und Strafverfolgung einen passenden Stellenwert      Seit Jahren fordert der LSVD einen nationalen
erhalten und die Verstärkung durch z.B. Rassis-      Aktionsplan gegen LSBTI*-Feindlichkeit und
mus, Antisemitismus, Ableismus (Intersektiona-       für die Akzeptanz sexueller und geschlecht-
lität) muss mitgedacht werden.                       licher Vielfalt. 2013 wurde er im Koalitions-
                                                     vertrag von CDU, CSU und SPD vereinbart.
Medien sensibilisieren                               Doch 2017 erschien dann nur ein „nationa-
Erst am 03.09.2020 veröffentlichte die FAZ ei-       ler Aktionsplan gegen Rassismus“, der zwar
nen Artikel mit der Überschrift „Die klassische      auch LSBTI*-Themen beinhaltet, aber in allen
Familie wird zum Ausnahmefall“. Die Autor:in-        Aspekten sehr vage und hinter den Forderun-
nen behaupten, dass es ein „neues Machtsys-          gen aller Interessenverbände (auch der anti-
tem“ gebe, in dem „Heterosexualität und die          rassistischen) zurückbleibt.
klassische Familie (…) fast schon als etwas          Der Anhang zu diesem Aktionsplan fällt deut-
Exotisches gelten“. Das ist ein Schlag ins Ge-       licher aus. Hier werden Forderungen nicht ein-
sicht aller, die sich gegen die Gewalt gegen         fach aufgezählt, sondern Gemeinsamkeiten
LSBTI* einsetzen. Aber nicht nur konservative        deutlich gemacht. Diese Texte zeigen, was der
Medien verbreiten homo- und transfeindliche          Gesetzgeber verändern könnte, wie man Vor-
Artikel, als wären sie bloße Meinungsäuße-           urteilen und Hasskriminalität entgegenwirken
rungen. Im September hatte eine:r von uns            kann. Kein Wunder: Geschrieben wurden sie von
versucht, mit einem jungen, linksliberalen On-       Interessenverbänden (auch vom LSVD). Die
line-Magazin ein Interview über die wachsen-         Bundesregierung schreibt zu den Positionen:
den öffentlichen Angriffe gegenüber trans*           „Sie geben nicht die Auffassung der Bundes-
und inter* Personen zu führen. Aber die Re-          regierung wieder und werden ausschließlich
daktion wollte lieber das 5723. Portrait einer       zu Dokumentationszwecken beigefügt.“ Wir
trans Person mit Körperdetails, statt ein ech-       haben also noch viel zu tun. Packen wirs an.
tes Expert:inneninterview zu führen oder selbst
Recherche zu betreiben, wie es von Journa-                                         Theo Dohmen &
list:innen zu erwarten sein dürfte. Offenbar                                       Jonathan Bauer

16 | QUEERZEIT
Dienstag
                                                                       20-22 Uhr
                                                                  Otto-von-Guericke-Str. 41
                                                                         39104 Magdeburg

                                       Life Support
                         DAS QUEERE ANTI-GEWALT- &
                       ANTI-DISKRIMINIERUNGS-PROJEKT

Projekt des LSVD Sachsen-Anhalt, gefördert vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt.
lsbti*

            blog
                                  © stock.adobe.com /angie keiser/EyeEm

HERBST 2020
Geschrieben von Mathias Fangohr
v.l.n.r.
Kenia-Koalition                                    Thomas Lippmann
scheitert am                                       (MdL, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE)
Gleichstellungsgesetz                              Tobias Krull (MdL, CDU-Fraktion)
                                                   Cornelia Lüddemann
Sachsen-Anhalts Koalition aus CDU, SPD und
                                                   (MdL, Fraktionsvorsitzende B‘90/Grüne)
BÜNDNID 90/DIE GRÜNEN hat sich im Koa-
                                                   Mathias Fangohr (LSBTI*-LKS Nord)
litionsvertrag von 2016 darauf verständigt,        Dr. Lydia Hüskens (FDP)
das bisherige Frauenfördergesetz zu einem          Katja Pähle (MdL, Fraktionsvorsitzende SPD)
modernen Gleichstellungsgesetz weiterzuent-
wickeln. Das Justiz- und Gleichstellungsminis-
terium (MJ) legte in diesem Jahr einen Entwurf
vor. Der Lesben-, Schwulen- und Queerpoliti-     klammert die am 28.02.2020 vom Landtag
sche Runde Tisch Sachsen-Anhalt (LSQpRT)         beschlossene Erweiterung des Gleichbehand-
kritisierte auf seiner Sitzung am 23.09.2020     lungsartikels der Landesverfassung sowie das
in Halle, dass das Vernetzungsgremium der        Thema geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
LSBTI*-Community in Sachsen-Anhalt im Zuge       vollkommen aus.
der Verbändeanhörung nicht angeschrieben
und beteiligt wurde.                             Der LSQpRT kritisierte diesen Umstand scharf.
                                                 Bereits beim Queerzeit-Talk des LSVD am
Durch Kooperation mit der LAG der kommu-         03.09.2020 in Magdeburg wurde deutlich,
nalen Gleichstellungsbeauftragten gelang es      dass die Koalitionsfraktionen den Gesetz-
der LSBTI*-Landeskoordinierungsstelle Sach-      entwurf des Justiz- und Gleichstellungsmi-
sen-Anhalt Nord einen Einblick in den Gesetz-    nisteriums ablehnen. Bei der Sitzung der LAG
entwurf zu erhalten. Fazit: Der Gesetzentwurf    der kommunalen Gleichstellungsbeauftrag-

                                                                           QUEERZEIT | 19
© Frauenzentrum Courage
                                                     Heike Ponitka (Gleichstellungsbeauftragte
                                                     der Landeshauptstadt Magdeburg) gratulierte
                                                     Jacqueline Brösicke (Geschäftsführerin der
ten am 14.10.2020 in Stendal informierte             Fraueninitiative Magdeburg e.V.), die sich
Astrid Heinrich, Referatsleiterin für Frauen und     stellvertretend für die jahrelangen treuen
Gleichstellung im MJ, dass der Gesetzentwurf         Unterstützer*innen und Mitstreiterinnen für
den Landtag vor der Landtagswahl nicht mehr          die Zusammenarbeit mit der Stadt Magdeburg
erreichen werde. Damit hat Sachsen-Anhalt            bedankte.
die Chance verpasst ein modernes Gleich-
stellungsgesetz im Sinne der Förderung von
Frauen und geschlechtlicher und sexueller          Magdeburger Fraueninitiative
Vielfalt der Lebensweisen für das 21. Jahr-        wird 30 Jahre
hundert zu schaffen. Wie es weitergeht wird        Am 6. September 2020 feierte die Fraueniniti-
die Landtagswahl am 6. Juni 2021 zeigen.           ative Magdeburg im Frauenzentrum Courage
                                                   im Volksbad Buckau ihr 30-jähriges Jubiläum.

20 | QUEERZEIT
Viele Wegbegleiter*innen waren anwesend.         men umfassende Programm künftig auf 20 bis
Für den LSVD Sachsen-Anhalt gratulierte Lan-     30 Maßnahmen zusammenschrumpfen. Statt
desvorstandsmitglied Chantalle Simon sowie       Maßnahmen zu reduzieren, sollten Maßnah-
Mathias Fangohr von der LSBTI*-Landeskoor-       men künftig konkreter ausgestaltet und auf
dinierungsstelle Sachsen-Anhalt Nord.            Nachhaltigkeit ausgerichtet sein. Auch die
                                                 mitbeteiligten Ministerien sollten sich künftig
                                                 mehr einbringen und ab 2022 Gelder in ihren
Evaluation des LSBTI*-                           Ressorts bereitstellen. Beispielsweise gehö-
Landesaktionsprogramm                            ren Maßnahmen zur Bildung zentral in den
zur Fortschreibung                               Bereich des Bildungsministeriums, Maßnah-
ab 2021/2022                                     men zur Beseitigung von vorurteilsmotivierter
Eine Arbeitsgruppe des Lesben-, Schwulen         Kriminalität müssen im Innenministerium ver-
und Queerpolitischen Runden Tischs Sach-         ankert werden sowie Maßnahmen der Kinder-
sen-Anhalt (LSQpRT) hat eine Auswertung des      und Jugendhilfe, Gesundheitswesen, Beratung
„Aktionsprogramms für die Akzeptanz von          etc. in Verantwortung des Sozialministeriums
Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und in-    liegen. Das LSBTI*-Aktionsprogramm ist eine
tergeschlechtlichen Menschen in Sachsen-An-      gesamtgesellschaftliche Aufhabe und sollte
halt“ vorgenommen. Die Ergebnisse der AG         daher ressortübergreifend umgesetzt werden,
zur Fortschreibung des Aktionsprogramms          was bisher kaum der Fall ist.
der Landesregierung sind auf 22 Seiten do-
kumentiert. Auf Wunsch des LSQpRT hat sich       In der AG des LSQpRT haben mitgearbeitet:
das federführende Ministerium für Justiz-        Kerstin Schumann & Jonathan Franke (KG-
und Gleichstellung des Landes Sachsen-An-        KJH), Elke Prinz (Dornrosa e.V.), Sven Warmi-
halt (MJ) bereit erklärt, diese Ergebnisse für   nisky (Aids-Hilfe Sachsen-Anhalt Nord), Ants
eine Fortschreibung des LSBTI*-Aktionspro-       Kiel (LSBTI*-Landeskoordinierungsstelle Süd),
gramms im Rahmen einer gemeinsamen Son-          Mathias Fangohr (LSBTI*-Landeskoordinie-
dersitzung der Arbeitsgruppe des LSQpRT mit      rungsstelle Nord) & Janik Damman (Referat
allen beteiligten Ministerien der Landesregie-   Queerdenken der HS Magdeburg Stendal)
rung zu besprechen. Dieses Treffen wird vo-
raussichtlich im November/Dezember 2020
auf Einladung des MJ erfolgen.                   Ticker:
                                                 • LSBTI*-Landeskoordinierungsstellen Sach-
Hintergrund:                                       sen-Anhalt Nord und Süd werden Ende 2020
Das aktuelle LSBTI*-Aktionsprogramm mit sei-       einen gemeinsamen LSBTI*-Infoguide für
nen 69 Maßnahmen endet im Dezember 2021.           Sachsen-Anhalt herausgeben
Eine Fortschreibung ist seitens der Landesre-
gierung geplant. Kritisch betrachtet werden      • Zuarbeit der LSBTI*-LKS Nord zur Fort-
sollte dabei aber die Herangehensweise des         schreibung des Kommunalen LSB-
Justiz- und Gleichstellungsministeriums (MJ).      TI*-Aktionsplans der Landeshauptstadt
Das MJ möchte das bisher fast 70 Maßnah-           Magdeburg - wird ab 2021 fortgeschrie-

                                                                           QUEERZEIT | 21
ben – u.a. zentrale Themen wie „Leben im       Bestsellers von 1932 und Gespräche zur
  Alter“ und „Menschen mit Behinderungen“        Transsexualität in Vergangenheit und
  werden aufgenommen                             Gegenwart. Die Veranstaltung des Bil-
                                                 dungsministeriums LSA, der Landes-
• Genderbudget in der Landeshauptstadt           zentrale für politische Bildung und der
  Magdeburg 2021 in Planung                      Gleichstellungsbeauftragten der Stadt
                                                 Magdeburg war gut besucht. Gäste: Dr.
• Zusammenarbeit LSBTI*-LKS mit Lan-             Rainer Herrn, Herausgeber des Buches
  deszentrale für politische Bildung             (Charité Berlin, Magnus-Hirschfeld-Ge-
  Sachsen-Anhalt und CSD Magdeburg               sellschaft) und Frau Prof. Dr. Livia Prüll,
  e.V.: Lesung zur Trans*Thematik am             Ärztin und Historikerin, Tätigkeit auf den
  27.11.2020 – Autor Linus Giese stellt          Gebieten Diversität und Trans*.
  sein Buch „Ich bin Linus“ vor. Details zum
  Ort und Zeit folgen auf Facebook.            • 01.10.2020: TIAM (Trans*-Inter-Aktiv
                                                 Mitteldeutschland) bezieht Räume in
• KgKJH Sachsen-Anhalt e.V. und Jugend-          der Olvestedter Straße 60 in Magdeburg
  netzwerk Lambda Mitteldeutschland e.V.
  führte am 19.10.2020 im Rahmen des           • LSBTI*-LKS Nord war am vom 7. bis
  Landesaktionsprogramms für LSBTTI              9.09.2020 in der Akademie Waldschlös-
  in Sachsen-Anhalt einen Workshop zur           schen beim Bundesvernetzungstreffen
  Situation von queere Jugendlichen in           der LSBTI*-Koordinierungsstellen der
  Sachsen-Anhalt durch. Angereist aus            Länder bzw. Landesstrukturen
  dem ganzen Land waren Jugendliche
  und Fachkräfte, um zu diskutieren was        • 01.09.2020: Grit Merker wird erste
  getan werden muss, um die Lebenslagen          hauptamtliche Ansprechperson für
  der Jugendlichen zu verbessern.                gleichgeschlechtliche Lebensweisen bei
                                                 der Polizei des Landes Sachsen-Anhalt
• LSBTI*-Landeskoordinierungsstelle
  Sachsen-Anhalt stellte am 14.10.2020
  Arbeit und Schwerpunkte beim Treffen
  der Landesarbeitsgemeinschaft der
  kommunalen Gleichstellungsbeauftrag-
  ten (LAG) in Stendal vor – Ausbau der
  Zusammenarbeit geplant

• Am 01.10.2020 im Rathaus Magdeburg:
  Veranstaltung "Die Geschichte von Lili
  Elbe - Ein Mensch wechselt sein Ge-
  schlecht". Lesung zur Neuausgabe des

22 | QUEERZEIT
Landeskoordinierungsstelle
                                                                          Sachsen-Anhalt Nord

                                        Fachstelle für Fragen zur sexuellen
                                          und geschlechtlichen Identität

       	Bürozeiten:
          Mo: 10 bis 18 Uhr                                                                                                                   Ha
                                                                                                                                                 c 
          Di: 17 bis 19 Uhr                                                                                                                           s
                                                                                                                                                            aße
              Änderungen bei Auswärtsterminen
              vorbehalten. Sprechzeiten außerhalb
                                                                                                                           aße

                                                                                                                                      Beh
                                                                                                                                          g
                                                                                                                                              raß
              dieser Zeiten sind nach Vereinbarung
                                                                                                                     e-St

                                                                                                                                                      e
              möglich.
                                                                                                               ur

                                                                                                                             Kep
        	Ansprechpartner:                                                                                                        s
                                                                                                         n-G

                                                                                                                                       a
                                                                                                                                             ße
          Mathias Fangohr
                                                                                                        Oto-

                                                                                                                                                  Weg

         	Adresse:
                                                                                                                                             

             Otto-von-Guericke-Str. 41                                                                       Ein
                                                                                                                  n
                                                                                                                                          Bre

                                                                                                                      S      t a
             39104 Magdeburg                                                                                                     ße
                                                                                       Bahfraße

       PHONE 0391 / 40 03 51 33
        lsbti-lks@lsvd-lsa.de
        www.lsvd-lsa.de/lsbti-lks
                                                                                                         b
                                                                                                                                                            e
                                                                                                                                                          aß
                                                                                                                     pa
                                                                                                       Has

                                                                                                                        z

                                                                                                                                                      s

                                                                                         taße
                                                                                                                                                     Leb

                                                                                       S
                                                                                  c
                                                                            Hal
Ein Projekt des LSVD Sachsen-Anhalt e.V., gefördert durch
das Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt
QUEERFEINDLICHKEIT ALS STAATSZIEL?
LSBTI geraten in Polen massiv unter Druck

Angriffe auf CSD-Demonstrationen in Bi-        intergeschlechtliche Menschen (LSBT*) als
ałystok, Lublin und Breslau 2019. Ein katho-   neuen Staatsfeind zu identifizieren scheint.
lischer Bischoff von Krakau, der vor einer     All das passiert nicht etwa viele tausend
imaginierten „Regenbogenpest“ warnt und        Kilometer entfernt von uns, sondern direkt
Gerichte, die darin keine strafrechtlich re-   vor unserer Haustür. In unserem Nachbar-
levante Hassrede sehen. Selbsternannte         land, einem Mitgliedstaat der Europäischen
„LGBTI-freie Zonen“ auf fast einem Drit-       Union, in Polen.
tel des polnischen Staatsgebiets. Nahezu
willkürliche Festnahmen von mehr als 45        Bereits seit der letzten Parlamentswahl
LSBTI-Aktivist*innen in Warschau im Au-        nutzt die polnische Regierungspartei PiS
gust 2020 und ein neuer Außenminister, der     LSBTI-Feindlichkeit als zentrale Strate-
die Akzeptanz von LSBTI bereits vor seiner     gie in ihrem Wahlkampf, um Wähler*in-
Amtsübernahme als „Zivilisation des To-        nenstimmen im Namen von Familien- und
des“ diffamierte. Die Androhung von Verge-     Kinderschutz zu sammeln. So werden im
waltigung, Hetzjagden und eine Regierung,      polnischen Parlament sexuelle und re-
die Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*- und   produktive Werte massiv angegriffen. Ein

24 | QUEERZEIT
Gesetzentwurf sieht etwa vor, dass Se-        Die EU sieht diesem Treiben jedoch nicht
xualkundeunterricht an Schulen generell       tatenlos zu. Das Europäische Parlament
verboten werden soll. Die Begründung und      verurteilte bereits im letzten Jahr die
Wortwahl erinnert dabei sehr an das An-       LSBTI-feindlichen Beschlüsse polnischer
tihomosexualitätsgesetz in Russland, das      Städte, Gemeinden und Kreise scharf. Im
jegliches neutrales Informieren oder akzep-   Juli diesen Jahres wies die EU-Kommission
tierendes Sprechen über LSBTI vor Minder-     Förderanträge einiger polnischer Kommu-
jährigen als Propaganda bestraft.             nen ab und erinnerte ebenfalls alle geförder-
                                              ter Städte in Polen daran, dass ihre Projekte
Die Akzeptanz von LSBTI wird von der          im Einklang mit der Grundrechtscharta der
PiS und ultrakatholischen Organisationen      Europäischen Union stehen müssen. Diese
seit Jahren als Angriff auf die Familie und   verbietet als eines der wenigen multilate-
auf die polnische Identität dämonisiert –     ralen Dokumente die Diskriminierung auf-
mit erschreckendem Erfolg, wie die letz-      grund der sexuellen Ausrichtung. Die Charta
ten Parlamentswahlen 2019 zeigten. Die        gilt für alle EU-Staaten und hat somit auch
PiS konnte dabei ihr Ergebnis von 37,6 %      für Polen Rechtswirksamkeit.
(2015) auf 43,6 % der Stimmen verbessern
und hat immer noch die Mehrheit im Par-       Allerdings ging die Formel Achtung der Men-
lament. Der wiedergewählte Staatspräsi-       schenrechte und europäischen Grundwerte
dent Andrzej Duda tat es seiner Partei bei    für Fördergelder aus Brüssel nur bedingt auf.
den diesjährigen Präsidentschaftswahlen       Der polnische Justizminister verurteilte das
gleich und gewann mit seiner minderhei-       Vorgehen der Kommission als rechtswidrig.
tenfeindlichen Rhetorik. LSBTI-feindliche     Polen entschädigte darauf Gemeinden, die
Ideologien werden dabei oft gepaart mit an-   von den Beschlüssen aus Brüssel betroffen
tifeministischen Parolen und Angriffen auf    waren. So überreichte der Justizminister Zi-
die sexuellen und reproduktiven Rechte. Re-   obro der Gemeinde Tuchów Mitte August
ligion und Nationalismus fungieren als Kit,   einen Scheck in dreifacher Höhe der von
um Rechtsradikale, ultrakatholische Funda-    der EU abgelehnten Förderung. Damit wurde
mentalist*innen und Rechtspopulist*innen      abermals deutlich, dass LSBTI-Feindlichkeit
zusammenzubringen. Dieser Klügel schafft      in Polen staatlich subventioniert wird.
mit seinen menschenfeindlichen Ideolo-
gien, das wovon AfD, Rechtsradikale und       Dass internationale Proteste und Öffent-
religiöse Fanatiker*innen hierzulande noch    lichkeit für die schwierige Lage von LSBTI
träumen. Sie verankern ihre Feindbilder in    in Polen nur bedingt helfen, erfuhr auch
der Mitte des gesellschaftlichen Main-        trans* Aktivist*in Margot vom Kollektiv
streams und machen sie vor allem mehr-        „Stop Bzdurom“ (Stoppt den Unsinn). Mar-
heitsfähig. In Polen können Kandidat*innen    got wurde nach Protesten gegen eine Aktion
damit Wahlen gewinnen.                        von sogenannten „Lebensschützer*innen“
                                              festgenommen und erst nach 3 Wochen

                                                                      QUEERZEIT | 25
Untersuchungshaft wieder freigelassen.          Die Partnerschaft als Kommunikationska-
Die Entlassung erfolgte erst, da Margots        nal sollte jedoch nur als ultima ratio gekappt
Anwälte Berufung eingelegt hatten und ein       werden. Vielmehr könnten Städte und Ge-
Gericht feststellte, dass keine Haftgründe      meinden diesen Kanal nutzen, um genau
vorlägen. Auch queeren Menschen, die in         die Initiativen und Projekte zu unterstützen,
den sogenannten „LGBTI-freien Zonen“ le-        die sich für ein vielfältiges und friedliches
ben, ist etwa mit dem Aufkündigen einer         Miteinander in Polen einsetzen.
Städtepartnerschaft oder der Streichung
einer Förderung nicht geholfen. Ganz im         Zwar sind Besuche vor Ort aufgrund der Ein-
Gegenteil, sie könnten noch mehr ins Fa-        schränkungen durch die Corona-Pandemie
denkreuz der Hater*innen rücken, weil sie       gegenwärtig nicht möglich, nichtsdestotrotz
in ihrer Heimat direkt für die Streichung       sollte bei zukünftigen Treffen die Rechte
von Förderungen aus Brüssel oder für die        von LSBTI ein Thema sein. So können sich
Aufkündigung einer Städtepartnerschaft          die offiziellen Delegationen mit LSBTI in Po-
verantwortlich gemacht werden könnten.          len austauschen. Mit polnischen Delegatio-
                                                nen können deutsche LSBTI-Organisationen
Was können wir jedoch als Community in          besucht werden oder die Entwicklung der
Deutschland tun und welche Möglichkeiten        Rechte von LSBTI in Deutschland kann in
haben deutsche Städte und Gemeinden, um         das Austauschprogramm einfließen. Die
nicht nur LSBTI in unserem Nachbarland zu       gemeinsame Teilnahme von Bürgermeis-
stärken, sondern auch andere zivilgesell-       ter*innen aus Deutschland und Polen an
schaftliche Initiativen und Vereine, die sich   Pride Demonstrationen sind ebenso wir-
für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Viel-   kungsvoll und deutliche Signale für die Ak-
falt in Polen einsetzen, zu unterstützen?       zeptanz von vielfältigen Lebensweisen und
                                                Identitäten. Interviews mit Medienschaffen-
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD)          den könnten diese Signale begleiten und
hat beispielsweise mehr als 300 deutschen       auch dazu beitragen, dass sie über die Gren-
Bürgermeister*innen gebeten ihre polni-         zen der jeweiligen Städte hinaus sichtbar
schen Amtskolleg*innen den Rücken zu            werden. Gemeinsame Stellungnahmen von
stärken, wenn sie noch keine LSBTI-feind-       LSBTI-Vereinen, wie dem LSVD Berlin-Bran-
lichen Beschlüsse gefasst haben. Sollten        denburg und der Deutsch-Polnischen Ge-
Stadtversammlungen oder Regionalparla-          sellschaft Berlin können dazu beitragen, die
mente der Woiwodschaften entsprechende          gemeinsamen Werte zu betonen und sich
Beschlüsse verabschiedet haben, ist deut-       entschieden gegen Hass und Hetze zu po-
licher Protest sinnvoll. Auch in einer Part-    sitionieren.
nerschaft dürfen und müssen Grenzen
aufgezeigt werden, wenn die Grund- und          Die länderübergreifende Kulturarbeit bietet
Menschenrechte als Basis der gemeinsa-          ebenso Möglichkeiten, um LSBTI zu stärken
men Zusammenarbeit verlassen werden.            und einen Austausch zwischen Aktivist*in-

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nen aus Deutschland und Polen zu ermög-                                                                                   braucht diese Sichtbarkeit auch Sicherheit
lichen. Dabei schlägt beispielsweise AllOut                                                                               vor LSBTI-feindlichen Übergriffen.
vor, dass polnische Partnerstädte gemein-
sam mit Partner*innen aus Deutschland                                                                                     Es gibt also eine Vielzahl an Möglichkeiten
an LSBTI-Projekten oder anderen Events                                                                                    im Rahmen von internationalen Städtepart-
arbeiten könnten. Das könnte auch eine                                                                                    nerschaften, dafür einzutreten, dass LSBTI
gemeinsame Wanderausstellung sein, die                                                                                    als selbstverständlicher Teil gesellschaft-
in beiden Städten gezeigt wird. Film- oder                                                                                licher Normalität akzeptiert und anerkannt
andere Medienprojekte bieten sich eben-                                                                                   werden. Gerade in Zeiten, in denen zivilge-
falls an und könnten auch in Schulen oder                                                                                 sellschaftliche Initiativen in Polen immer
anderen Jugend- und Bildungseinrichtun-                                                                                   weiter unter Druck geraten, braucht es die
gen gezeigt werden. Oft fehlt es queeren                                                                                  internationale Unterstützung, eine queer
Vereinen in Polen allerdings auch an Räu-                                                                                 solidarnosc, und vor allem Ideengeber*in-
men und Geld für Veranstaltungen und                                                                                      nen auf beiden Seiten.
Treffen. Wenn diese im öffentlichen Raum,
beispielsweise in einem Rathaus oder einer                                                                                                                                                          René Mertens
Schule stattfinden, tragen sie auch neben-                                                                                                                                                Bund-Länder-Koordination
bei zur Sichtbarkeit von LSBTI bei. Jedoch                                                                                                                                                    LSVD Bundesverband

                                ALTE AUSGABEN
                              NOCHMAL NACHLESEN?
                                                                                                                                                             HALT
                                                                                      N-ANHA
                                                                                               LT                      DIE ZEITSCHRIFT DES LSVD SACHSEN-AN                                                DIE ZEITSCHRIFT
                                                                                HSE
                                                                       LSVD SAC                                                                                                                                           DES LSVD SACHS
                                                                                                                                                                                                                                         EN-ANH ALT
                                                      SCH   RIFT DES                                                                                                                     SOMMER 2019
                                             DIE ZEIT                                                 DEZEMBER 2018
                                     2018
                 AUGUST
               obe.com
                 - Stock.Ad   a

                                                                                                                                                                        QUEERZEIT SPEZIAL
                   © lazyllam

                                                                                                      QUEERZEIT SPEZIAL                  Editorial
                                                                                  Editorial
                                                                                                        LEsbische                        [ ]SBTTIQ*?            Drittes                                              Editorial
                                                                                           EWALLd
                                                                                      STONuf
                                                                                                                                                                                                                    Die 3. Option –
                                                    Seite 13
                                                           R                             A Matst   an SICHTn  BARKEIT                                           Geschlecht
                                                                                                                                         ÜBER DIE ROLLE VON LESBEN                                                  mehr als ein
                          Seite 08
                                      18 in          GOQUEE INNT                              hias Herrman                               IN DER COMMUNITY          AUF DEN SEITEN
                              CSD´S 20 lt                                                       von        AUF DEN SEITEN 02 BIS 17                                                                  03 BIS 17      „Drittes Geschlec
                                      -AN   ha         GEW effler        Sch
                                                                                                                                                                                                                                      ht“
                              Sachsen                        von Tessa
                                                                                                                                                              19-01_Queerzeit-Domin
                                                                                                                                                                                   ics iMac.indd 1

                                                                                                                                                                                                                                           13.07.19 09:39

                                                      WWW.QUEERZEIT.NET
Das Titelbild zeigt den Minister-
                                präsident der Niederlande
                                Mark Rutte

                                                                              © flickr.com / CC BY 2.0 / Arno Mikkor (EU2017EE)
Hallo und herzlich
Willkommen                      JULI
zur Monatsübersicht             Anfang Juli hatte die niederländische Regie-
                                rung bekannt gegeben, dass sie ab 2024/2025
der WEEKLY.                     auf den Geschlechtseintrag beim Personalaus-
                                weis verzichten wolle. Ziel sei es, "dort wo es
Ich fasse für euch die Monate   möglich ist, die unnötige Registrierung des Ge-
Juli bis Anfang Oktober zu-     schlechts zu begrenzen". Die Menschen soll-
                                ten nach ihrer eigenen Identität und "in voller
sammen, denn trotz des          Freiheit und Sicherheit leben". Wenn doch eine
heißen Sommers ist viel in      Geschlechtsangabe notwendig sei, so sollen
der und für die queere(n)       die Niederländer_innen in Zukunft auch die
Community passiert.             Möglichkeit haben, den Geschlechtseintrag
                                offen oder durch ein „X“ ersetzen zu lassen.
Fangen wir also gleich an!      Zusätzlich dazu wurde, ebenfalls in den Nie-

28 | QUEERZEIT
© lambdalegal.org

                                                                19-jährigen Drew Adams ge-
                                                                winnt im Augsut gegen seine
                                                                ehemalige High-School

             derlanden, das Merkmal „sexuelle Orientie-
             rung“ mit in den Diskriminierungsschutz der      gleiche Gericht hatte bereits 2018 eine ähnli-
             Verfassung aufgenommen.                          che Regelung in Idaho gestoppt.

             Im Juli hatte Montenegro außerdem für die        Ebenfalls Klage eingereicht hatte die ehema-
             Legalisierung von gleichgeschlechtlichen ein-    lige Unteroffizierin Byun Hee-soo beim Bezirks-
             getragenen Lebenspartnerschaften gestimmt        gericht Daejeon eingereicht. Grund dafür war
             und war somit das erste europäisches Land        Hee-soos Entlassung, die nach einer medizini-
             außerhalb der EU, das zumindest eine einge-      schen Pflichtuntersuchung und der Einstufung
             tragene Partnerschaft für gleichgeschlechtli-    einer „geistigen Behinderung dritten Grades“
             che Paare öffnete.                               folgte. Grund der diskriminierenden Einstu-
                                                              fung war Hee-soos chirurgische Transition.
                                                              Koreas Militär ist nicht nur Transgeschlecht-
             AUGUST                                           lichkeit ein Dorn im Auge: auch Homosexua-
             Im August haben zwei US-Gerichte zugunsten       lität ist dort „nicht gern gesehen“, was nicht
             von trans Kläger:innen entschieden.              selten zu Diskriminierung und Gewalt gegen
             Im ersten Fall ging es um den 19-jährigen Drew   die queeren Soldaten führt.
             Adams, der seine damalige Highschool ver-
             klagt hatte, weil sie ihm den Zugang zur Män-    In Südafrika ist es seit August außerdem
             nertoilette verweigerte. In Idaho wurde unter    ebenfalls nicht mehr erlaubt, sich gegen die
             anderem ein Gesetz gestoppt, dass es trans       Trauung von gleichgeschlechtlichen Paare zu
             Personen verboten hätte, das Geschlecht in       wehren. Vorher war dies unter der Nennung
             der Geburtsurkunde anpassen zu lassen. Das       „des Verstoßs gegen den persönlichen Glau-

                                                                                       QUEERZEIT | 29
ben“ erlaubt. Sofort hatten sich Konservative
                                                                        und religiöse Führer gemeldet, die sich da-
                                                                        durch in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt
                                                                        fühlen. Wenn jedoch bedacht wird, dass nun
                                                                        gleichgeschlechtliche Paare ein bisschen we-
                                                                        niger Diskriminierung erfahren, wird dies wohl
                                                                        zu verkraften sein.

                                                                        SEPTEMBER
                                                                        Neues gab es im Frühherbst auch von unse-
                             © wikimedia.org / CC BY-SA 4.0 / Sparrow   ren Nachbar:innen in Österreich.

                                                                        Hier ist es nun seit Mitte September möglich,
                                                                        neben den Geschlechtseinträgen weiblich und
                                                                        männlich auch die Kategorien inter oder divers
                                                                        zu wählen. Ebenso kann der Geschlechtsein-
                                                                        trag offen gelassen oder gestrichen werden.
                                                                        Intergeschlechtlichen Personen, die nicht als
                                                                        weiblich oder männlich registriert wurden, kön-
                                                                        nen ihren Eintrag künftig ändern lassen. Alle
                                                                        anderen, die den Geschlechtseintrag ändern
                                                                        lassen wollen, müssen ein Gutachten über
                                                                        eine körperliche "Variante der Geschlechts-
                                                                        entwicklung" vorlegen.

                                                                        Ähnlich wie auch das Attest in Deutschland
                                                                        kritisiert wird, wurde das Gutachten von Akti-
Im Oktober ist Petra De Sutter                                          vist:innen unter Beschuss genommen. Inter-
als erste trans Person                                                  geschlechtliche Personen würden dadurch
in ein Berlgisches Ministerium                                          weiterhin pathologisiert werden und der Schritt
                                                                        zur Selbstbestimmung bleibe in weiter Ferne.
berufen worden.
                                                                        Positive Neuerungen gibt es auch in Japan,
                                                                        denn Japan Airlines wird künftig eine ge-
                                                                        schlechtsneutrale Anrede für Passagier:innen
                                                                        nutzen. Damit folgen sie australischen Flugge-
                                                                        sellschaften wie Quantas und Air Canada und
                                                                        sind außerdem Vorreiter*innen im asiatischen
                                                                        Raum. Doch nicht nur das: JAL bietet außer-

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dem Vergünstigungen für gleichgeschlecht-
liche Ehepaare und deren Familien an und ist
damit dem Land Japan um ein vieles voraus.

OKTOBER
In Belgien ist Anfang des Monats die erste         queere
                                                            Bibliothek
trans Person ins Ministerium eingezogen.
Petra De Sutter ist Gynäkologin, Professorin
und Politikerin und wird zudem als stellver-
tretende Premierministerin agieren. De Sut-          Stöbern. Entdecken. Ausleihen.
ter ist damit die älteste trans Politikerin, die
aktuell im Amt ist.                                  Deine etwas andere Bibliothek!
Mitte Oktober enthüllte Bundestagsvizepräsi-
dentin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen)
ein Denkmal zur Erinnerung an die Männer,
die als Homosexuelle im Konzentrationslager
Flossenbürg und seinen Außenlagern inhaf-
tiert waren.. Das Denkmal ist bereits seit vie-
                                                        Montag
len Jahren ein aktives Anliegen des queeren            17-21 Uhr
Zentrums Fliederlich e.V. aus Nürnberg und
der LGBTI-Community der Stadt.
                                                       Dienstag
Mit diesen wichtigten Denkmal beenden wir
den Monatsrückblick der WEEKLY.
                                                       20-22 Uhr
Min.
                                                       Mittwoch
                                                       19-22 Uhr
                                                        Freitag
                                                       19-22 Uhr

                                                   Projekt des LSVD Sachsen-Anhalt, gefördert vom
                                                   Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes
                                                   Sachsen-Anhalt.
es war
                                                  Genau ein Jahr nach besagter Nacht, koordi-
                                                  nierte Brenda Howard unter anderem mit Craig
                                                  Rodwell den Christopher Street Gay Liberation

EINMAL
                                                  Day March. Die als „Mother of Pride“ bekannte
                                                  Brenda Howard war eine frühe bisexuelle Ak-
                                                  tivistin. Hauptsächlich ihr, ist der bis heute be-
                                                  kannte Christopher Street Day zu verdanken.

TEIL 3
     2                                            Gestartet wurde die Demonstration, ein Jahr
                                                  nach den Stonewall-Unruhen, mit wenigen hun-
                                                  dert Teilnehmern. Der in Greenwich Village
                                                  beginnende Marsch wuchs bis zum Zielpunkt,
                                                  dem New Yorker Central Park, allerdings um
                                                  mehrere tausend Demonstranten an. Über 15
GAY                                               Häuserblöcke haben die Teilnehmer damals
                                                  die gesamte Straße eingenommen, berichtete
LIBERATION                                        die New York Times am nächsten Morgen.
                                                  Allerdings wurde der Marsch nach der Hälfte
DAY MARCH                                         der vorgesehenen Zeit abgebrochen. Zu viel
                                                  Angst vor Gegenaktionen Andersdenkender
Seit 1966 sind Bars mit homosexuellem Ziel-       sorgte für das vorzeitige Ende der Demonst-
publikum in den Vereinigten Staaten legal.        ration. Diese blieben allerdings aus. Stattdes-
Dennoch kam es am 28. Juni 1969 zu einer          sen wurde „the new strength and pride oft he
Razzia im Stonewall Inn, einer Bar für Homo-      gay people“ („die neue Stärke und der neue
und Transsexuelle. Ziel der Razzia war es, die    Stolz der Schwulen und Lesben“) zelebriert.
Identität der Gäste festzustellen und sie wegen
„anstößigem Verhalten“ anzuklagen und zu          Heutzutage gibt es überall auf der Welt Demons-
verhaften. Um ca. 1:20 Uhr, des frühen Sams-      trationen, die dem 1970 ins Leben gerufene
tagmorgen, spielte sich dort allerdings der       Christopher Street Gay Liberation Day March
sogenannte Stonewall-Aufstand ab. Das an          nacheifern. Vor allem in Deutschland erfreut
der Christopher Street in der 7th Avenue im       sich der Christopher Street Day, kurz CSD, gro-
Greenwich Village in New York City gelegene       ßer Beliebtheit. 2002 wurde in Köln der Europride
Stonewall Inn wurde in dieser Nacht Schau-        ausgetragen, welcher mit 1,2 Millionen Beteilig-
platz eines historischen Ereignisses. Eine grö-   ten, der bis dato größte CSD Europas war – eine
ßere Gruppe von Homo- und Transsexuellen          gewaltige Entwicklung. Was damals im Kleinen
widersetze sich in tagelangen Straßenschlach-     begann, ist heute einer der wichtigsten Tage für
ten vor der Verhaftung, durch die Polizei –       sexuelle Diversität. Ein kleine Menschengruppe,
der Grundstein für Demonstrationen wie den        die sich 1966 der Polizei widersetzte, griff durch
Christopher Street Day, welcher auch als Gay      ihren indirekten Aufschrei nach mehr Gerechtig-
Pride bekannt ist.                                keit, nachhaltig in die Geschichte ein.

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© flickr.com / CC BY-SA 2.0 / Paille

                               Bis zu Demonstration von der Größenordnung,      mehr Toleranz aufgebaut, bis hin zu den heu-
                               wie dem Europride in Köln, war es allerdings     tigen Christopher-Street-Days.
                               ein langer und weiter Weg. 1972 zogen gerade
                               mal 2000 Menschen in London von der Ox-          Bei den heutigen CSDs werden vor allem diese
                               ford Street zum Hyde Park unter dem Namen        Meilensteine gefeiert und es wird weiterhin
                               „Gay Pride March“. Ein Jahr vor dem ersten       auf die bestehenden Missstände aufmerk-
                               Gay Liberation Day March in Amerika wurde        sam gemacht. Mit der größte Fortschritt, im
                               in Deutschland das Totalverbot von homose-       Gegensatz zur damaligen Premiere des Gay
                               xuellen Handlungen aufgehoben. Kurz darauf       Liberation Day March, ist wohl, dass die De-
                               wurden auch Filme zu dem Thema Homose-           monstranten und Aktivisten sich nicht mehr
                               xualität aufgeführt. Wie zum Beispiel „Nicht     vor Gegendemonstrationen oder radikalen Ge-
                               der Homosexuelle ist pervers, sondern die Si-    genaktivisten fürchten müssen. Vor allem in
                               tuation, in der er lebt“ im Jahr 1971, welcher   den westlichen Ländern Europas und in Ame-
                               1972 sogar im Fernsehen übertragen wurde.        rika haben die Teilnehmer der Demos nicht
                               Über diese Zwischenschritte, wurde mehr und      wirklich etwas zu befürchten. Allein durch die

                                                                                                         QUEERZEIT | 33
schiere Anzahl von Demonstranten entsteht          und sexuelle Diversität auseinandersetzen.
ein derartiges Gemeinschaftsgefühl, sodass         Auf diesem Wege überdenken viele Menschen
man sich zumindest am Tag der Demonst-             ihre Meinung zu dem Thema und Dinge wie
rationen toleriert und gesellschaftlich aner-      Schwulenfeindlichkeit werden langsam aber
kannt fühlt.                                       sicher abgebaut. Je größer der Aufmarsch,
                                                   desto größer ist natürlich auch der Effekt auf
Dieses Jahr findet der Europride im griechi-       die Bevölkerung. In Ländern, in denen sich
schen Thessaloniki statt. Einem Land, in dem       nur wenige Menschen aufraffen, um gegen
LGBT-Themen eher langsam in der Gesell-            Homophobie anzugehen, dauert die Entwick-
schaft ankommen und Toleranz aufgebaut             lung auch dementsprechend länger.
wird. Dennoch sind auch dort inzwischen
Fortschritte zu vermerken und der im Okto-         Ohne die besagte Nacht im Stonewall Inn, am
ber stattfindende Europride könnte ein weiterer    28. Juni 1969 wäre es schwer vorstellbar, dass
Etappensieg sein. Die Unterschiede von CSDs        heute Christopher Street Days mit mehreren
auf der ganzen Welt sind allerdings noch zu        Millionen Teilnehmern jährlich abgehalten wür-
spüren. In Bulgarien wurden die Demonstran-        den. Das Geschehen an dem Abend zeigt, dass
ten 2017 im Vorfeld von Rechtsextremisten          etwas Mut und das Einstehen für sich selbst
bedroht. Der Marsch, der in der Hauptstadt         und seine sexuelle Orientierung Großes be-
Sofia stattfand, war dort also noch von Angst      wirken kann. Vielerorts kann dies leider ge-
begleitet. In Ländern, in denen Homosexua-         fährlich für die betreffenden Personen werden
lität generell nicht so toleriert und akzeptiert   und das gilt es zu ändern. Ein unermüdlicher
wird, wird an den Demonstrationstagen auch         Wille und die Absicht sich für andere stark zu
nicht wirklich gefeiert. Dies ist dem Ernst der    machen, kann aber helfen, um die Offenheit
Lage geschuldet und der Tatsache, dass es          gegenüber allen sexuellen Neigungen weiter
noch keine wirklichen Erfolge zu verzeichnen       voranzutreiben.
gibt. Trotzdem trauen sich immer wieder meh-
rere tausend Menschen auf die Straße zu ge-                                       Lewin Dietrich
hen, um für die Rechte von Homo-, Trans- und
Bisexuellen zu kämpfen. Denn in einer globa-
lisierten Welt, sollte sich keiner wegen seiner
sexuellen Orientierung minderwertig oder gar
gesellschaftlich abgeschottet fühlen.

Trotzdem haben die heutzutage stattfinden-
den Christopher Street Days eine beachtliche
Außenwirkung. Jedes Jahr sind die Märsche
ein zentrales Thema in den Medien und sor-
gen alleine dadurch dafür, dass viele Men-
schen sich mit den Themen Homosexualität

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